Der Urologe Organ der Deutschen Gesellschaft für Urologie Organ des Berufsverbandes der Deutschen Urologen Elektronischer Sonderdruck für A. Roosen Ein Service von Springer Medizin Urologe 2014 · 53:1040–1045 · DOI 10.1007/s00120-014-3532-2 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 A. Roosen · R. Ganzer · B. Hadaschik · J. Köllermann · A. Blana · T. Henkel · A.-B. Liehr · D. Baumunk · S. Machtens · G. Salomon · L. Sentker · U. Witsch · K.U. Köhrmann · M. Schostak · Arbeitskreis für Fokale und Mikrotherapie der Akademie der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. Fokale Therapie des Prostatakarzinoms in Deutschland – Status 2014 Diese PDF-Datei darf ausschließlich für nichtkommerzielle Zwecke verwendet werden und ist nicht für die Einstellung in Repositorien vorgesehen – hierzu zählen auch soziale und wissenschaftliche Netzwerke und Austauschplattformen. www.DerUrologe.de Leitthema Urologe 2014 · 53:1040–1045 DOI 10.1007/s00120-014-3532-2 Online publiziert: 20. Juni 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 A. Roosen1 · R. Ganzer2 · B. Hadaschik3 · J. Köllermann4 · A. Blana5 · T. Henkel6 U.-B. Liehr12 · D. Baumunk12 · S. Machtens7 · G. Salomon8 · L. Sentker9 · U. Witsch10 K.U. Köhrmann8 · M. Schostak9 · Arbeitskreis für Fokale und Mikrotherapie der Akademie der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. 1 Urologische Klinik und Poliklinik, Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinikum Großhadern, München 2 Urologische Klinik und Poliklinik, Universität Leipzig 3 Urologische Klinik und Poliklinik, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg 4 Abteilung für Allgemeinpathologie/Sektion Uropathologie, Institut für Hämatopathologie Hamburg 5 Klinik für Urologie und Kinderurologie, Klinikum Fürth 6 Institut für ambulante Prostatatherapien, Berlin 7 Klinik für Urologie, Marienkrankenhaus Bergisch-Gladbach 8 Martini-Klinik am UKE GmbH, Hamburg 9 Urologische Gemeinschaftspraxis, Sinsheim 10 Klinik für Urologie und Kinderurologie, Krankenhaus Nordwest, Frankfurt am Main 11 Klinik für Urologie, Theresienkrankenhaus Mannheim 12 Klinik für Urologie und Kinderurologie, Universitätsklinikum Magdeburg Fokale Therapie des Prostata- karzinoms in Deutschland – Status 2014 Im Herbst 2012 hat sich der neugegründete Arbeitskreis für Fokale und Mikrotherapie (AKFM) in der Deutschen Gesellschaft für Urologie mit dem Übersichtsartikel „Fokale Therapie des Prostatakarzinoms – Möglichkeiten, Limitierungen und Ausblick“ in dieser Fachzeitschrift vorgestellt [1]. Im Rahmen des Artikels möchten wir die aktuelle Entwicklung der fokalen Therapie (FT) und die Studienaktivitäten in Deutschland zusammenfassen. Beim niedrigmalignen Prostatakarzinom (PCA) führt das Dilemma zwischen einer eventuellen Übertherapie durch radikale Behandlungsformen auf der einen Seite und der prognostischen Unsicherheit der „active surveillance“ auf der anderen Seite zur Suche nach wenig invasiven Therapiealternativen. Bei der FT wird grundsätzlich beabsichtigt, nur den tumortragenden Teil der Prostata zu behandeln. Damit 1040 | Der Urologe 7 · 2014 kann eine subtotale Behandlung der Prostata bis hin zur ausschließlich fokussierten Behandlung des Tumors gemeint sein. Allgemeine Überlegungen zur Patientenauswahl gungsforschungsdatenbank zum PCA (http://www.prostata-ca.net) analysiert, inwieweit Betroffene aus einem großen Kollektiv von Patienten, die sämtlich eine radikale Prostatektomie erhalten haben, zu einer FT geeignet wären. Unter 13.972 Patienten wurden diejenigen mit prostataspezifischem Antigen (PSA) ≤10 ng/ml im klinischen Stadium cT1c oder cT2a, wenigstens 10 erfolgten Stanzbiopsien, einer Gleason-Summe von ≤7 sowie einem Anteil der befallenen Zylinder von ≤30% und einem einseitigen Befall selektioniert. Diese Kriterien trafen lediglich für 1327 Patienten zu (9,5%). Die Tatsache, dass bei etwa drei Viertel dieser Patienten (996 von 1327) auch im anderen Seitenlappen Tumorläsionen gefunden wurden, zeigt, dass eine Optimierung der Diagnostik z. B. durch die Integration multiparametrischer MRT-Untersuchun- Die Arbeitsgruppe der Universitätsklinik Magdeburg hat mit Hilfe der Versor- A. Roosen und R. Ganzer haben gemeinsame, gleichbeteiligte Erstautorenschaft. » Bei der FT wird grundsätzlich beabsichtigt, nur den tumortragenden Teil der Prostata zu behandeln Die FT sieht sich grundsätzlich mit der Tatsache konfrontiert, dass das PCA vielfach multifokal auftritt und damit grundsätzlich das Risiko gegeben ist, dass im Rahmen einer FT Tumoranteile nicht erfasst werden. Die prognostische Relevanz unbehandelter Satellitentumoren wird aktuell kontrovers diskutiert. gen vor der Planung einer FT unerlässlich ist (unveröffentlichte Daten). Bedacht werden muss auch, dass eine FT ohne desobstruierende Maßnahmen auskommen sollte. Patienten, die aus Miktionsgründen eine transurethrale Resektion der Prostata benötigen, sind daher nicht geeignet. Es sollte deshalb in der Planung einer FT mindestens ein IPSS-Score­ durchgeführt werden. Spätestens an der Grenze zu einer schweren Miktionsstörung (IPSS-Score ≥19) muss das Konzept in Frage gestellt werden. Die Arbeitsgruppe hat weiterhin analysiert, wie valide die Gleason-Klassifikation durch periphere Pathologen in der Planung einer FT ist. Aus dem Kollektiv der oben genannten Datenbank wurden dafür 8373 Patienten mit einer radikalen Prostatektomie und Lymphadenektomie selektiert. 490 der 1015 Patienten mit Lymphknotenmetastasen wiesen im Präparat eine Gleason-Klassifikation von 7 auf. Bei 62 dieser 490 Patienten (12,1%) lag in der Stanzbiopsie nur eine GleasonKlassifikation von 6 vor. Im Gegensatz dazu fand sich nur bei 1,6% der Patienten mit bestätigter Gleason-6-Klassifikation eine Lymphknotenmetastasierung (unveröffentlichte Daten). Die erheblichen Erfahrungsunterschiede und die grundsätzlich ohnehin subjektive Beurteilung der Gleason-Klassifikation macht es deshalb aus unserer Sicht notwendig, bei der Planung einer FT eine pathologische Zweitmeinung zu etablieren. Zweitbeurteilung des stanzbioptischen Präparats Eine korrekte Gleason-Graduierung der Stanzbiopsie ist ein wesentlicher Faktor für eine akkurate Patientenselektion, der insbesondere bei der Evaluation neuer Therapieformen, wie aktuell der FT, eine fundamentale Bedeutung zukommt. Ein immanentes Problem stellt hierbei die Gefahr des Undergradings der Biopsie dar. Seitens der Pathologie ist durch eine Modifikation des Gleason-Gradings versucht worden, diesem Problem zu begegnen (Detail s. Biopsieartikel in diesem Heft) [2]. Das Risiko eines Undergradings von Gleason-6-Karzinomen in der Biopsie ist nach Einführung dieser Modifikationen aktuell zwischen 25 und 40% anzusiedeln [3, 4, 5]. Als ursächlich ist zum einen die mangelnde Repräsentativität des bioptierten Tumorgewebes anzusehen. Von nicht unerheblicher Bedeutung ist jedoch auch die Rolle des Pathologen. So berichteten Burchardt et al. [6] über die Interobservervariabilität des ­Biopsiegradings von 23 deutschen Pathologen. Eine komplette Übereinstimmung mit dem Referenzpathologen ­(Epstein) fand sich nur in 54,7% der Fälle. Bezogen auf die klinisch relevanten Gradingab­ stufungen [Gleason-Score (GS) <7, 7, >7] lag die Übereinstimmung bei 68,3%. Unverändert stellt auch in dieser Untersuchung das Undergrading das Hauptproblem dar, und hierbei vor allem die Gruppe der kleinherdigen Low-grade-Karzinome­ ­­(GS 6; 43,5%). Unter Berücksichtigung weiterer Untersuchungen beträgt die Rate der Graduierungsdiskrepanzen zwischen Allgemein- und Uropathologen rund 20% [7, 8]. Doch selbst unter Uropathologen erfolgt die Graduierung auch rund 10 Jahre nach Veröffentlichung der Konsensusempfehlung noch nicht einheitlich. Eine jüngst veröffentlichte Umfrage zum Graduierungsverhalten von 230 europäischen Uropathologen, die angaben, entsprechend den aktuellen Konsensusempfehlungen zu graduieren, ergab überraschende Erkenntnisse. So wurden kleine kribriforme Karzinomherde, die entsprechend der Konsensusempfehlungen als Gleason-Muster 3 zu werten sind, nur von 51% der Untersucher auch dementsprechend graduiert. Die anderen 49% werteten die Herde als Gleason-Muster 4. Ähnliche Diskrepanzen ergaben sich für das Vorliegen eines High-grade-Karzinom­ anteil von <5% bzw. eines High-gradeTertiärmusters in der Biopsie. Während diese Anteile nach dem herkömmlichen Gleason-Grading nicht in den GS einflossen, sollen sie entsprechend der aktuellen Konsensusempfehlungen als Sekundärmuster berücksichtigt werden. Nur jeweils 58% der Pathologen berücksichtigten diese Empfehlungen [9]. Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass die Gleason-Graduierung zumindest in der Phase der Therapieevaluation nach vorab fest definierten Kriterien durch ausgewiesene Prostatapathologen erfolgen sollte. Multiparametrisches MRT und MRT-gestützte Biopsie Die multiparametrische Magnetresonanztomographie (mp-MRT) der Prostata ermöglicht eine kombinierte Erfassung anatomischer, metabolischer und funktioneller Informationen. Basierend auf dem mpMRT-Befund erreichen gezielte Prostatabiopsien eine hohe diagnostische Treffsicherheit, die über der der konventionellen 12fach-TRUS-Biopsie liegt [10]. Die Detektion von Tumoren im mp-MRT ist abhängig von Größe und Aggressivität der Läsionen, und kleine Tumoren werden tendenziell übersehen [11–14]. Die negative prädiktive Wahrscheinlichkeit für klinisch signifikante Tumoren liegt bei 90% [13, 14, 23, 24]. Das Verfahren der mp-MRT der Prostata ist inzwischen methodisch so robust, dass es in der Routinediagnostik durchgeführt werden kann. Limitierend war früher eine fehlende Standardisierung, aber mittlerweile setzen sich die Leitlinien der „European Society of Urogenital Radiology“ durch [15], die eine Einstufung der Befunde der mp-MRT der Prostata anhand von 5-Punkte-Likert-Skalen empfiehlt („Prostate Imaging, Reporting and Data System“, PI-RADS). Jeder suspekten Läsion werden Scores zugeordnet, die zwischen 1 und 5 liegen und die Wahrscheinlichkeit klinisch signifikanter PCA vorhersagen: 1= höchst unwahrscheinlich; 2= unwahrscheinlich; 3= keine sichere Zuordnung möglich; 4= wahrscheinlich; 5= höchst wahrscheinlich. Zum besseren Verständnis sei hier die Übersichtarbeit von Röthke et al. [16] mit vielen Bildbeispielen empfohlen. Die standardisierte Befundung nach dem „prostate imagingreporting and data system“ (PI-RADS) hat zu einer Qualitätsverbesserung bei der MRT-Diagnostik des PCA und einer verringerten Interobservervariabilität geführt [17, 18]. Als Einführung zum Thema der MRTgezielten Prostatabiopsie seien der Artikel von Moore et al. [19, 20] und die STARTKriterien („Standards of Reporting for MRI-targeted Biopsy Studies“) zur Lektüre empfohlen. Die kognitive Fusion stellt Der Urologe 7 · 2014 | 1041 Zusammenfassung · Abstract Tab. 1 Einschlusskriterien HEMI-Studie Patientenalter >18 Jahre Bioptisch gesichertes PCA Klinisches Stadium T1c – T2a PSA≤10 ng/ml GS≤7a (3+4) Einseitiger Tumorbefall: Anteil tumorbefallener Stanzen an der Gesamtzahl der entnommenen Stanzen <30% und größter zusammenhängender Tumorherd <5 mm Höhe der zu behandelnden peripheren Zone der Prostata im TRUS: ≤30 mm bei Behandlung mit „Ablatherm Integrated Imaging“, ≤40 mm bei Behandlung mit „Focal One“ Kein Hinweis auf signifikantes Karzinom der Gegenseite im multiparametrischen MRT (definiert als PI-RADS-Score 4 und 5) Dicke der Rektumwand <6 mm im TRUS Bereitschaft des Studienteilnehmers, an allen Follow-up-Visiten teilzunehmen (während 12 Monaten) die einfachste Möglichkeit dar, die diagnostische Information der mp-MRT in den klinischen Alltag zu integrieren. Exemplarisch für die Wertigkeit sei auf die Publikation von Haffner et al. [20] zur Erstbiopsie von 555 konsekutiven Männern hingewiesen. Im Vergleich zu konventionellen Biopsien wurden mit im Schnitt nur 3,8 gezielten Biopsiezylindern in 63% der untersuchten Männer eine identische Detektionsrate für klinisch signifikante Tumoren erreicht und gleichzeitig deutlich weniger insignifikante Tumoren diagnostiziert. DBei der Software-assistierten MRT/ TRUS-Bildfusion wird der MRT-Datensatz mit dem Ultraschall koregistriert. Mittlerweile sind unterschiedliche Systeme auf dem Markt, in denen die räumliche Orientierung des Ultraschallkopfes entweder durch elektromagnetisches Tracking oder durch mechanische Positionssensoren verfolgt wird. Im Vergleich zu einer einfachen rigiden Fusion ermöglicht die elastische Fusion, Verformungen der Prostata auszugleichen, die insbesondere durch den Einsatz von Endorektalspulen bei der MRT und bei der transrektalen Biopsie durch die Bewegung des Schallkopfes verursacht werden. Hierbei werden jedoch die MRT-Ausgangsdaten 1042 | Der Urologe 7 · 2014 Urologe 2014 · 53:1040–1045 DOI 10.1007/s00120-014-3532-2 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 A. Roosen · R. Ganzer · B. Hadaschik · J. Köllermann · A. Blana · T. Henkel · U.-B. Liehr D. Baumunk · S. Machtens · G. Salomon · L. Sentker · U. Witsch · K.U. Köhrmann · M. Schostak Arbeitskreis für Fokale und Mikrotherapie der Akademie der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. Fokale Therapie des Prostatakarzinoms in Deutschland – Status 2014 Zusammenfassung Hintergrund. In der Behandlung des lokalisierten Niedrigrisikoprostatakarzinoms besteht ein Dilemma zwischen einer möglichen Übertherapie mit einem der Standardverfahren und einer potenziell ungenügenden Tumorkontrolle bei aktiver Überwachung. Die fokale Therapie (FT) bietet sich als Alternative an, da mit ihr zugleich der Organerhalt und die Beseitigung des Tumorfokus angestrebt werden. Methode. Im vorliegenden Beitrag wird der aktuelle Status der FT in der Behandlung lokalisierter Niedrigrisikoprostatakarzinome in Deutschland beschrieben. Des Weiteren werden Kriterien vorgeschlagen, anhand derer Patienten für diese Therapie ausgewählt werden sollen. Ergebnisse. Die Wirksamkeit der FT wird in Deutschland derzeit in zwei prospektiven Multicenterstudien überprüft: TOOKAD und HEMI. Das lokalisierte Niedrigrisikoprostatakarzinom bleibt eine diagnostische Herausforderung. Neben der transrektalen Biopsie werden die multiparametrische Magnetresonanztomographie sowie eine histopathologische Zweitmeinung als obligate Schritte angesehen. Schlussfolgerung. Die onkologischen Ergebnisse von TOOKAD und HEMI werden für alle FT-Formen zur Behandlung des Prostatakarzinoms in Deutschland wegweisend sein. Die Akzeptanz unter den Patienten ist bereits bemerkenswert hoch. Schlüsselwörter Niedrigrisikoprostatakarzinom · Übertherapie · „Active surveillance“ · Undergrading · Biopsiegrading Focal therapy for prostate cancer in Germany – 2014 status Abstract Background. In localized low-risk prostate cancer (PCa), there is a therapeutic dilemma between possible overtreatment by one of the standard therapies and potentially insufficient cancer control by active surveillance (AS). Focal therapy (FT) provides an alternative therapeutic option as it aims to preserve the organ and to eliminate the cancer focus at the same time. Methods. In this article the current state of FT for localized low-risk prostate carcinoma in Germany is described. In addition, criteria that should be used to select patients for FT are proposed. Results. Currently, the effectiveness of FT is under evaluation by two multicenter, prospective studies in Germany: TOOKAD and verformt, so dass die Datenintegrität gefährdet ist. Eine kontinuierliche elastische und automatische MRT/TRUS-Fusion ist bislang noch in keinem System verfügbar. Die Auswahl einer bestimmten Plattform ist für den Erfolg aber weniger ausschlaggebend als die Erfahrung und das Engagement des Anwenders und eine gute Kom- HEMI. However, localized low-risk prostate carcinoma remains a diagnostic challenge: Multiparametric MRI as well as histopathological second opinion are considered mandatory in addition to transrectal biospy. Conclusion. The oncological outcome of both the TOOKAD and HEMI study will be crucial for any form of FT for prostate carcinoma in Germany in the future. However, there is a remarkably high acceptance of FT among patients. Keywords Low-risk prostate cancer · Overtreatment · Active surveillance · Undergrading · Biopsy grading munikation zwischen Urologen und Radiologen. Die Wertigkeit bildgeführter Biopsien ist über verschiedene Arbeitsgruppen hinweg konstant nachweisbar [10, 22, 23, 25, 26]. Da bildgeführte Biopsien einen höheren Prozentsatz positiver Stanzzylinder und längere Tumorinfiltrationen aufweisen, werden auf absehbare Zeit neue De- Durchschnittliche Punktzahl (IIEF-5 und IPSS) 25,0 19,7 20,0 15,7 15,0 15,3 13,7 10,0 8,5 6,0 4,8 4,7 Monat 3 Monat 6 5,0 0,0 Ausgangswert Monat 1 Durchschnitt IIEF-5 (Maximum = 25, Optimum = 25) Durchschnitt IPSS (Maximum = 35, Optimum = 0) finitionen für insignifikante vs. signifikante Tumoren etabliert werden müssen [27, 28]. Aktuelle Studien in Deutschland: HEMI und TOOKAD HEMI-Studie Bei der HEMI-Studie handelt es sich um eine multizentrische Phase-II-Studie, in welcher die Machbarkeit der FT des PCA durch eine Halbseitenbehandlung (Hemiablation) der Prostata durch hochintensiven fokussierten Ultraschall (HIFU) untersucht wird [“Prospektive Phase-IIStudie zur FT (Hemiablation) der Prostata durch Hochintensiven fokussierten Ultraschall (HIFU) bei Patienten mit Eignung zur „active surveillance“]. Die Studie richtet sich an Patienten, die bei einem unilateralen PCA und in Anlehnung an die Kriterien der PREFERE-Studie (präferenzbasierte randomisierte Studie zur Evaluation von vier Behandlungsmodalitäten bei PCA mit niedrigem und frühem intermediären Risiko) für eine „active surveillance“ qualifizieren würden, diese aber ablehnen. Die Studie enthält die Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft Urologische Onkologie (AUO Protokoll Nr. 68/11). Die Einschlusskriterien sind in . Tab. 1 beschrieben. Aktuell erfolgt die Rekrutierung, eine Zwischenanalyse ist bisher nicht vorgesehen, so dass keine vorläufigen Ergebnisse präsentiert werden können. Neben dem primären Endpunkt der Einleitung einer se- Abb. 1 9 Entwicklung von IIEF-5 und IPSS nach Hemiablation mit TOOKAD® Soluble. (Mod. nach [29]) kundären Therapie nach einem Jahr sollen Nebenwirkungen, Lebensqualität, psychische Belastung und Sicherheit als sekundäre Endpunkte untersucht werden. Bei der Konzeptionierung wurde ein Studiendesign angestrebt, welches sich in die strukturellen Abläufe des Klinikalltags und der Zuweiser integrieren lässt. Ein wichtiger Punkt sind hierbei Art und Ausmaß der erweiterten Diagnostik zum Nachweis eines unilateralen PCA. Obwohl die perineale Mappingbiopsie der Prostata in Narkose das zuverlässigste Verfahren darstellt, um die Ausdehnung des Tumorbefalls der Prostata zu erfassen, waren die Initiatoren der Ansicht, dass dieses Verfahren aufgrund der Invasivität und der möglichen Nebenwirkungen wie einer passageren erektilen Dysfunktion auf geringe Akzeptanz bei Patienten und Zuweisern stößt. Für die HEMI-Studie war daher ursprünglich eine 10- bis 12fachRandombiopsie vorgesehen, in welcher auf einer Seite maximal 2 Stanzzylinder zu 50% mit einem GS-3+3=6-Karzinom befallen sein durften (in Anlehnung an ­Active-surveillance-Kriterien der deutschen S3-Leitlinie). Im Abstand von mindestens 6 Wochen erfolgte eine ambulante multiparametrische MRT-Untersuchung zum Ausschluss von kontralateralem Tumorbefall. Bei unauffälligem Befund war eine erneute 18fach-Biopsie der Prostata mit Entnahme von 6 Biopsien der anterioren Zone vorgesehen (aufgrund der begrenzten Höhe der Läsionen bei HIFU). Diese besonders strengen Kriterien erwiesen sich allerdings für die tägliche Routine als ungeeignet. Nicht zuletzt wegen der in vielen Fällen notwendigen Rebiopsie (18fach) kam es zum Ausschluss zahlreicher Patienten. Deshalb erfolgte 12/2013 ein Amendment. Die wichtigsten Änderungen betreffen die Möglichkeit, jetzt Patienten mit GS 3+4=7a in Anlehnung an die Kriterien der PREFERE-Studie einzuschließen. Die 18fach-Rebiopsie nach initialer leitliniengerechter Biopsie entfällt, da diese für eine „active surveillance“ ebenfalls nicht erforderlich ist. Da bei der Befundung des mp-MRT zwischen den Radiologen eine starke Inhomogenität bestand, ist nun eine vereinheitlichte Graduierung der Prostatabefunde nach dem PI-RADS-Score vorgesehen. Zusätzlich ist bei einer Behandlung mit dem 2013 zugelassenen Focal-One-HIFU-Gerät der Einschluss von Patienten mit höherem Prostatavolumen möglich. TOOKAD®-Studie TOOKAD® Soluble ist eine photoaktive Substanz, die im Rahmen einer gefäßgestützten FT („vascular targeted therapy“, VTP) eingesetzt wird. Durch Laseraktivierung setzt die Substanz hydroxile Radikale frei, die zu Gefäßwandnekrosen und einem konsekutiven lokalisierten Gewebeuntergang führen. Aktuell befinden sich zwei multizentrische randomisierte und kontrollierte Phase-III-Studien in der Durchführung (Europa und Südamerika) – vorläufige Resultate aus der europäischen Studie (mit je 200 Patienten im Behandlungs- und Kontrollarm) sind in Kürze zu erwarten. Drei Phase-II-Studien (PCM 201/ PCM 202/PCM 203; insgesamt 155 Patienten) dienten im Wesentlichen der Ermittlung von Wirkstoffdosis und Lichtintensität, um bei ausgewählten Patienten mit einseitigem, lokalisiertem Low-riskPCA durch eine Hemiablation im VTPVerfahren eine suffiziente, im MRT nachweisbare Gewebenekrose und negative Kontrollbiopsien zu erreichen. Unter diesen optimalen Behandlungsbedingungen waren auf dem 7 Tage nach der Intervention angefertigten multiparametrischen MRT durchschnittlich 88% des Zielvolumens (i.e. des behandelten Seitenlappens) nekrotisch [29]. In 72% der Fälle Der Urologe 7 · 2014 | 1043 Leitthema Abb. 2 9 Kontroll-MRT [T1 axial (a) und sagittal (b)] 7 Tage nach Hemiablation links mittels PDT: Im Axialbild grenzt sich die exakt definierte Läsion, die den gesamten linken Seiten­ lappen erfasst, scharf vom intakten rechten Seitenlappen ab. Das Sagittalbild entspricht einer Schicht links paramedian und zeigt die totale Hemiablation links (beachte die komplett erhaltene Prostatakapsel) wurden aber auch extraprostatische Nekrosen beschrieben. Diese zeigten allerdings in keinem Fall ein klinisches Korrelat (z. B. Schmerzen, Fisteln). Bei 83% der Patienten konnte in der Kontrollbiopsie nach 6 Monaten kein Karzinom mehr nachgewiesen werden. Die häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen waren Dysurie (34%), Harnwegsinfektion (14%), Harnverhalt (13%), Obstipation (13%) und perinealer Schmerz (12%). Phototoxizitäten oder Fistelbildungen ereigneten sich nicht. Die IPSS-Punktsumme zeigte einen leichten Anstieg (von 6,0 auf 8,5) für den 1. Monat nach Intervention, um ab dem 3. Monat auf signifikant niedrigere Werte als den Ausgangswert zu fallen (4,7 nach 6 Monaten). Dies ist durch den desobstruierenden Effekt der Behandlung zu erklären (s. . Abb. 1). Die IIEF-Punktsumme zeigte einen leichten Abfall von 19,7 auf 13,7 nach 1 Monat, um dann wieder auf 15,3 nach 6 Monaten anzusteigen. In der aktuell laufenden Phase-IIIStudie werden Patienten mit einem lokalisierten und niedrigmalignen PCA hemiabladiert. Eine Behandlung des gesamten karzinomtragenden Seitenlappens ist im Rahmen dieser Studie deshalb erforderlich, weil für den Einschluss der Nachweis des Karzinoms durch eine transrektale 12fach-Biopsie genügt. DEine FT, bei der die Indexläsion selektiv ausgeschaltet wird, ist mittels VTP technisch machbar und in Zukunft anzustreben. Für die exakte perineale Faserplatzierung wird ein Brachytherapietemplate verwendet – die Fasern werden im Abstand von 1044 | Der Urologe 7 · 2014 5 mm zueinander, zur Harnröhre und zur Kapsel so in den Seitenlappen eingebracht, dass dieser vollständig abgedeckt ist. Der Abstand von 5 mm entspricht dem Radius des Lichtzylinders, der sich um den Diffusor (zirkumferentielle Öffnung) der Laserfaser bildet. Nach erfolgreicher Platzierung aller Fasern werden diese an den Diodenlaser (753 nm, 200 J/ cm, 150 mW/cm, s. oben) angeschlossen und TOOKAD® Soluble (s. oben), i.v.appliziert, gefolgt von einer Aktivierung der Laserfasern über 22 min. Der Patient kann am Abend desselben Tages nach Katheterentfernung entlassen werden. Der Behandlungseffekt im therapierten Zielvolumen wird nach 7 Tagen im MRT kontrolliert, weitere bioptische und MRTKontrollen erfolgen nach 12 und 24 Monaten (. Abb. 2). Auch wenn zum Zeitpunkt der Drucklegung des Heftes die funktionellen und onkologischen Daten noch nicht veröffentlicht sind, lässt sich über das in München behandelte Kollektiv die Aussage treffen, dass es sich hierbei um ein sehr komplikationsarmes Verfahren handelt, mit dem das Zielvolumen innerhalb der Prostata akkurat behandelt werden kann: Die Mehrzahl der Patienten war nach Katheterentfernung beschwerdefrei; oftmals wurde durch den desobstruierenden Effekt ein deutlicher Benefit registriert. In einer signifikanten Anzahl der Fälle wurde über eine passagere erektile Dysfunktion berichtet, die sich jedoch in der Regel innerhalb eines halben Jahres zurückbildete. Im postinterventionellen MRT war in aller Regel der behandelte Seitenlappen gut demarkiert: Ob dieses schnittbildtechnische Phänomen einer vollständigen Nekrose des Karzinomgewebes und somit einem onkologisch tragfähigen Behandlungseffekt entspricht, werden die Auswertungen der 12- und 24-Monats-Kontrollbiopsien und schlussendlich erst die onkologischen Langzeitergebnisse zeigen. Generell verlief die Rekrutierung trotz massiver Bewerbung des Verfahrens bei niedergelassenen Urologen eher schleppend: Die Initiative ging hier in der Regel von den gut über das Internet informierten Patienten selbst aus. Fazit für die Praxis FMit der HEMI- und der TOOKAD®-Studie gibt es zurzeit zwei prospektive Studien zur fokalen Therapie des lokalisierten PCA in Deutschland. Dabei ist die Rekrutierungsphase der TOOKAD®-Studie bereits abgeschlossen. FBeiden Studien gemeinsam ist eine schleppend anlaufende Rekrutierung: Dies liegt möglicherweise zum einen an einer skeptischen Grundhaltung im Kreis der zuweisenden Urologen. Zum anderen sind hierfür die restriktiven Einschlusskriterien verantwortlich. Diese versuchen dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die transrektale 12fach-Biopsie nur unter bestimmten weiteren Bedingungen zur Ermittlung eines lokalisierten Niedrigrisikokarzinoms herangezogen werden sollte. Hierzu gehören v. a. das mp-MRT sowie ein histopathologisches Zweitgutachten. FDie Akzeptanz auf Seiten der Patienten ist hingegen bemerkenswert hoch. Dies liegt auch an der guten Verträglichkeit der fokalen Therapien. FÜber die Zukunft der fokalen Therapie werden somit onkologische Daten dieser und anderer Studien entscheiden. Erste Vorauswertungen aus der TOOKAD®-Studie sind in Kürze zu erwarten. Korrespondenzadresse A. Roosen Urologische Klinik und Poliklinik, Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinikum Großhadern, Marchioninistraße 15, 81377 München [email protected] Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt. A. Roosen, R. Ganzer, B. Hadaschik, J. Köllermann, A. Blana, T. Henkel, A.-B. Liehr, D. Baumunk, S. Machtens, G. Salomon, L. Sentker, U. Witsch, K.U. Köhrmann und M. Schostak geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Alle im vorliegenden Manuskript beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Patienten liegt eine Einverständniserklärung vor. Literatur 1. Baumunk D, Blana A, Ganzer R et al (2013) Focal prostate cancer therapy: capabilities, limitations and prospects. Urologe A 52(4):549–556 2. 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