Möglichkeiten der minimal invasiven Chirurgie in der Tumortherapie! D. Öfner-Velano, Vorstand der Universitätsklinik für Chirurgie, Salzburg! ! ! Lassen Sie mich damit beginnen, Ihnen zu klären was uns in der Chirurgie wichtig ist. Jeder Patient muss einzeln und individuell betrachtet und die für ihn passende Operationsmethode gefunden werden. Maßnahmen zur Qualitätssicherung und ein interdisziplinäres Vorgehen in der Tumorbehandlung ist vordringlich. Uns Chirurgen/ Chirurginnen ist bewusst, dass jede Operation ein Trauma darstellt und dass dieses belastend auf den Organismus wirkt. Wir können aber diese unerwünschten Auswirkungen minimieren. Maßnahmen die dies bewirken sind einerseits die perioperative Optimierung und andererseits die Operation über kleine Zugangswege. Letzteres wird auch minimal invasive Chirurgie oder abgekürzt MIC genannt und stellt das Thema dieses Vortrages dar. Ich werde im Folgenden einen Ausflug in die Geschichte unternehmen, Ihnen die Vorund Nachteile der minimal invasiven Chirurgie, die oft auch als „Schlüssellochchirurgie“ bezeichnet wird erläutern und abschließend Stellung nehmen, welche Tumoroperationen minimal invasiv gestaltet werden können und wer sie anbieten darf.! ! Obwohl bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts einige Schmerzmittel bekannt waren, konnten sie aber nicht gezielt während der Operation ihren Zweck erfüllen. So mussten Operationen sehr schnell durchgeführt werden womit die Ergebnisse zwangsläufig schlecht waren. Eine dramatische Wende trug sich am 16. Oktober 1846 zu. William Thomas Green Morton konnte eine aufwändige Tumoroperation vor einem staunenden Kreis von Ärzten im sogenannten "Äther-Dom" an der Harvard Medical School in Boston (USA) durchführen. Der abschliessende Ausspruch von John Collins Warren, der die Äthernarkose durchgeführt hatte, indem er sagte: “Gentleman, this is no humbug!“ ging damals blitzartig um die ganze Welt und der Begriff der „Anästhesie“ wurde geprägt. Erst jetzt konnten Operation länger dauern, weil die Patienten während der Operation keine Schmerzen hatten und in der Ära nach 1846 nahm daher die Chirurgie einen rasanten Aufschwung. Heute steht wieder der Schmerz im Mittelpunkt unseres Interesses aber nicht der Schmerz während der Operation sondern der Schmerz danach. Er ist verantwortlich für die Immobilität, sprich Bettlägerigkeit nach der Operation. Diese führt zu Komplikationen wie Thrombose, Lungenentzündung, Organfunktionsstörungen und die Ergebnisse der Operation werden dadurch direkt und indirekt negativ beeinflusst. Wir wissen, dass der Schmerz nach der Operation vor allem von der Verletzung der Bauchdecke, oder des Brustkorbes herrührt. Je kleiner die Einzelverletzung, desto geringer die Schmerzen. Kombiniert mit moderner Schmerztherapie und Schmerzausschaltung über spezielle lokale Verfahren („Kreuzstich“), sowie über ein ganzes Paket von Zusatzmassnahmen beding diese minimal invasive Chirurgie wenig postoperative Schmerzen und damit deutlich bessere Ergebnisse. Minimal invasiv deshalb, weil der Zugang zum Ort der Operation über kleine Wege, das heißt einzelne, zumeist etwas mehr als 1cm messende Verletzungen der Bachdecke oder des Brustkorbes durchgeführt wird. Vor Ort, am Zielorgan, wird das selbe operiert wie bei der „offnen“ Chirurgie, nur der Zugangsweg ist eben minimal invasiv. Diese Technik bedingt aber für den Operateur Operationen über Instrumente in der Ferne. Die Endoskopie, die Spiegelung des Magendarmtraktes, die die Chirurgen seit vielen Jahren durchgeführt haben und immer noch durchführen war in der Entwicklung der minimal invasive Chirurgie sehr hilfreich, weil vom Ablauf oft ähnlich und die Verfahren nähern sich bedingt durch ihre Technik an. So können endoskopisch frühe Stadien eines Tumors im Magendarmtrakt durch lokale Entfernung, wie zum Beispiel der „endoskopischen Submukaosadissektion" (ESD) operiert werden und andererseits entwickelt sich die konventionelle Chirurgie zunehmend in Richtung endoskopischer Methoden, nämlich der minimal invasive Chirurgie. Die Anfänge der minimal invasive Chirurgie reichen in den Anfang des 20. Jahrhunderts, wurden aber erst ab den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts breiter und routinemäßig angewandt. So wird heute zum Beispiel die Gallenblase in über 90% laparoskopische entfernt. Aber auch eine „Blinddarmentzündung“ oder Bauchdeckenbrüche können so behandelt werden. Weiters werden Operationen am Dick- und Mastdarm, an der Speiseröhre, am Magen, an der Leber und vielen anderen Organen so vorgenommen. Notwendig für eine erfolgreiche minimal invasive Chirurgie ist neben dem geeigneten Patienten, Werkzeuge, die ein operieren in der Ferne erlauben und trainierte Chirurgen/Chirurginnen. Einige der Instrumente sind abgebildet. Die Trokare, die maximal 1,2cm breit sind erlauben das Einführen der Instrumente. Der Bauchraum muss mit angewärmten Gas aufgefüllt werden, damit er nicht zusammenfällt und so eine Sicht auf die inneren Organe freigibt. Es muss eine Lichtquelle den Bauch- oder Brustraum erhellen und ein Bild muss vom Inneren auf einen Bildschirm übertragen werden. Als Routineverfahren gelten mehrport Operationen, das heisst der Zugang zur Bauchoder zur Brusthöhle geschieht über meist 4 Trokare. Heute wird sogar versucht die Anzahl der Ports zu reduzieren („reduced port surgery“) bis hin zu Verwendung von nur mehr einem Port („single port surgery“ [single incisional laparoscopic surgery; SILS]) oder es werden satt der Ports Nadelinstrumente, die nur mehr 2 bis 3 mm dick sind verwendet (MILS). Der Zugang zur Bauchhöhle über natürliche Körperöffnungen (NOTES), zum Beispiel über den Magen oder über den Mastdarm) würde sogar eine narbenfreie Operation ermöglichen.! ! Sie können sich vorstellen, dass die Operationsmethode der minimal invasiven Chirurgie eine hohe Expertise bedarf damit sie komplikationsarm durchgeführt werden kann. Daher ist ein Training der Chirurgen und Chirurginnen unerlässlich. Dieses Training findet heute an Simulationszentren, ähnlich wie in der Luftfahrt statt.! ! Die Verwendung mehrerer Ports in der minimal invasive Chirurgie stellt nach wie vor den Standard dar. In der Tumorchirurgie konnte nachgewiesen werden, dass die Entfernung des Dick- oder Mastdarmkarzinoms durch die Methode der minimal invasiven der „offenen“ Chirurgie in Bezug auf die Heilungsrate zumindest ebenbürtig, vielleicht sogar etwas überlegen ist. Dies stimmt in Analogie dazu auch für die minimal invasive Entfernung eines Lungenlappens. Für alle anderen onkologischen Operationen (Tumoroperationen) ist dies noch nicht durch Studien belegt und sollte daher nur in enger Abstimmung mit sehr erfahrenen Chirurgen/Chirurginnen in einem ausgesprochenen Tumorzentrum durchgeführt werden. Die Verwendung von nur einem Zugang (SILS) oder anderen bereits beschriebenen Verfahren sollte in der Tumorchirurgie derzeit nicht angewandt werden. Ihre Sicherheit ist in Bezug auf die Technik noch nicht vollständig und in Bezug auf das onkologische Ergebnis überhaupt nicht getestet. Damit spanne ich den Bogen wiese zum eingangs erwähnten Prinzip in der Chirurgie, das trotz der Vielfalt an OP-Methoden, oder gerade deswegen, der Patient im Mittelpunkt der Überlegungen bleibt und die geeignete OP-Methode für ihn ausgesucht wird.!