Falk Gastro-Kolleg Leber und Gallenwege

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Falk
Gastro-Kolleg
Leber und
Gallenwege
Leberabszess
Zusammenfassung
Die jährliche Inzidenz eines Leberabszesses beträgt in den USA 3,6 pro 100.000 Einwohner.
In den meisten Fällen liegt der Infektion eine Erkrankung der Gallenwege zugrunde.
Eine Ausbreitung per continuitatem wird selten gesehen. Das Erregerspektrum umfasst
Streptokokken, Enterokokken, Anaerobier und Enterobakterien, während Nonfermenter,
Pilze und andere Erreger weniger häufig nachgewiesen werden. Die Abgrenzung gegenüber einem Amöbenleberabszess erfolgt überwiegend serologisch. Die früher übliche
offene chirurgische Sanierung ist seit einigen Jahrzehnten durch eine kombinierte Therapie
aus perkutaner Drainage und mehrwöchiger antiinfektiver Therapie abgelöst worden.
Erfreulicherweise gelingt in der Mehrzahl der Fälle eine Erregersicherung, sodass eine
gezielte antiinfektive Therapie erfolgen kann. In dieser Übersicht werden Epidemiologie,
Pathogenese, Erregerspektrum, Klinik, Diagnostik und Therapie eines Leberabszesses
diskutiert.
Schlüsselwörter
Dr. med. Dipl.-Kfm. Alexander Mischnik
Dr. med. Dipl.-Kfm.
Alexander Mischnik
Abteilung Infektiologie
Klinik für Innere Medizin II
Universitätsklinikum Freiburg
Hugstetter Str. 
 Freiburg
Leberabszess | hypervirulente Klebsiella pneumoniae | perkutane Drainage |
Amöbenleberabszess
Fragenbeantwortung unter
www.falkfoundation.de
Titelbild: Leberabszess (Quelle: Institut für Pathologie, Universität Bern)
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Falk Gastro-Kolleg 3/2017 | 1
Leberabszess
Einleitung
Der Leberabszess ist ein Krankheitsbild, das man bereits in Beschreibungen von Hippokrates 400 Jahre vor Christus findet. Bereits damals hatte Hippokrates vermutet, dass
die Art der Flüssigkeit, die aus dem Abszess abgeleitet wird, einen Einfluss auf die
Gesamtprognose hat. Im Jahr 1890 wurden durch Sir William Osler erstmals Amöben
im Stuhl und in einem Leberabszess bei einem Patienten beschrieben. Es hat dennoch bis zum frühen 20. Jahrhundert gedauert, bis als gesichert angesehen wurde,
dass Entamoeba histolytica als Erreger eines Leberabszesses in Betracht kommt [1].
Trotz aller Entwicklungen in der Medizin kann auch heute ein Leberabszess noch tödlich sein, wenn die chirurgische Versorgung und die antiinfektive Therapie nicht
frühzeitig begonnen werden. Seit dem frühen 20. Jahrhundert bestand die Therapie
überwiegend aus einer offenen chirurgischen Versorgung, d. h. in einer operativen Ausräumung des Abszesses. 1938 haben Ochsner und DeBakey die chirurgische Therapie
entsprechend als Mittel der Wahl bezeichnet. Zu jener Zeit traten Leberabszesse häufig
als Komplikation nach akuter Appendizitis auf und betrafen somit eher jüngere Patienten. Bis Mitte der 1980er-Jahre blieb der offene chirurgische Eingriff die Therapie der
ersten Wahl. Erst danach wurde in verschiedenen Untersuchungen gezeigt, dass die
perkutane Drainage eines Leberabszesses eine alternative Therapieform ist, die kein
schlechteres klinisches Outcome bedingt und weniger komplikationsreich ist [2, 3].
Erfreulicherweise sind in den letzten Jahrzehnten die Letalitätsraten des Leberabszesses deutlich gefallen. In der aktuellen Literatur liegen die Letalitätsraten bei 2–12%
[4, 5]. Das mittlere Alter der Patienten mit Leberabszess ist gestiegen, ebenso hat sich
die Ätiologie in Richtung Gallenwegserkrankung verschoben [6]. Im Unterschied zum
bakteriellen Leberabszess, der drainiert werden muss, muss ein Leberabszess durch
Amöben nur selten drainiert werden und spricht sehr gut auf eine alleinige antiinfektive Chemotherapie an. Eine Abgrenzung zum Amöbenleberabszess ist klinisch nicht
immer einfach. Es wurde versucht Kriterien herauszuarbeiten, in denen sich die klinischen und laborchemischen Manifestationen unterscheiden. Invasive Amöbeninfek­
tionen treten in bestimmten Regionen der Welt häufiger auf als in Zentraleuropa und
werden häufig von einer Durchfallsymptomatik und abdominellen Beschwerden begleitet [7]. Eine verlässliche Abgrenzung kann häufig nur durch eine serologische Untersuchung erfolgen.
P Der Leberabszess ist eine seltene,
aber potenziell tödliche Erkrankung mit
Letalitätsraten von 2–12%. Die Unter­
scheidung einer bakteriellen Genese von
einem Amöbenleberabszess gelingt
häufig nur serologisch.
Die klinischen, mikrobiologischen und epidemiologischen Daten, die zum Leberabszess in der Literatur vorliegen, beruhen überwiegend auf retrospektiven Fallserien, die
teilweise mehrere Jahrzehnte umfassen und eine unterschiedlich große Zahl an Fällen
untersuchen [5, 8, 9]. Dennoch unterscheiden sich die untersuchten Serien zum Teil
stark, sodass verallgemeinernde Aussagen zu Häufigkeiten, Erregerverteilung etc. oft
nur schwer zu treffen sind.
Epidemiologie
Die jährliche Inzidenz von Leberabszessen liegt in den USA bei 3,6 Fällen pro 100.000 Einwohner [10] und in Taiwan bei 17,6 Fällen pro 100.000 Einwohner [11]. In einer Fallserie,
die 16 Jahre in den USA umfasste, lag in 22 Fällen pro 100.000 Krankenhausaufnahmen
ein Leberabszess vor [3]. Amöbenleberabszesse durch Entamoeba histolytica machen
insgesamt ca. 10% der Fälle aus. Sie sind jedoch sehr viel häufiger in tropischen Ländern
oder bei Reiserückkehrern oder Einwanderern aus Hochendemieländern. Leberabszesse
werden häufiger bei Männern als bei Frauen gefunden. Im Vergleich zu früher ist der
Altersgipfel der Erkrankten gestiegen und liegt aktuell bei 50–60 Jahren. Bei Kindern
kommen Leberabszesse sehr selten vor. Begünstigende Risikofaktoren sind ein Dia­
betes mellitus, andere Immunsuppressionen, eine zugrunde liegende Erkrankung in
der Leber, den Gallenwegen oder dem Pankreas sowie ein gastrointestinal gelegenes
Malignom. In bis zu 15% der Fälle kann der Leberabszess die Erstmanifestation einer
bislang nicht bekannten intraabdominellen Neoplasie sein.
P Die jährliche Inzidenz von Leber­
abszessen ist lokal unterschiedlich und
liegt in den USA bei 3,6 Fällen
pro 100.000 Einwohner, während
sie in Taiwan bei 17,6 Fällen pro
100.000 Einwohner liegt.
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Pathogenese
Erkrankungen der Gallenwege, incl. Chole(docho)lithiasis, Tumoren, Strikturen oder kongenitale Gallenwegsanomalien, sind der häufigste Grund für einen Leberabszess und
haben damit die früher häufigste Ursache, die Appendizitis, abgelöst. Sie werden in
40–60% der Fälle als Ursache ausgemacht [5, 8, 12]. Am zweithäufigsten finden sich
Pfortaderthrombosen im Zusammenhang mit einer intestinalen oder pelvinen Pathologie (z. B. Appendizitis, Divertikulitis) [13]. Bei einigen Fällen finden sich ferner Thrombosen in Leberarterien oder der Abszess entsteht als Folge einer disseminierten Infektion mit Bakteriämie. Dies kann sicherlich auch als Folge eines vermehrten Einsatzes
von Immunsuppressiva oder transarterieller Chemoembolisation bei Lebertumoren
angesehen werden [14]. Sehr viel seltener entwickelt sich ein Leberabszess als lokale
Ausbreitung einer Infektion der Gallenblase, bei subphrenischem oder perinephritischem Prozess oder nach einem Trauma. In einigen Fällen kann jedoch keine Ursache
gefunden werden. Diese Formen werden als kryptogen bezeichnet.
P Häufig liegen einem Leberabszess
Erkrankungen der Gallenwege oder
eine Pfortaderthrombose zugrunde.
Klinik
Die klassische Trias Oberbauchschmerzen, Fieber und Verschlechterung des Allgemeinzustands wird nur bei ca. 30% der Patienten gesehen. Wichtig ist also, an die Entität zu
denken. In den meisten Fällen präsentieren sich die Patienten mit Fieber (> 90%) und
abdominalen Schmerzen (ca. 75%), in vielen Fällen begleitet von Übelkeit, Erbrechen
und allgemeinem Unwohlsein. Das Fieber persistiert häufig über mehrere Tage [5]. Die
Bauchschmerzen werden in vielen Fällen im rechten Oberbauch angegeben. Circa 50%
der Patienten sind ikterisch. Es können jedoch auch symptomarme Verläufe vorliegen.
Laborchemisch finden sich häufig eine Leukozytose mit Linksverschiebung, Hypalbuminämie und erhöhter alkalischer Phosphatase (> 90%) sowie erhöhte Entzündungsparameter. Oft liegen begleitend eine Anämie und eine Erhöhung der Transaminasen
und des Bilirubins vor, wobei die Werte überwiegend mäßig erhöht sind (anders als
bei einer akuten viralen Hepatitis). Asiatische Daten zeigen eine Assoziation eines
Leberabszesses durch Klebsiella pneumoniae mit dem Auftreten eines kolorektalen
Karzinoms [15]. Es ist bislang nicht klar, ob diese Daten auch auf andere Teile der Welt
übertragen werden können. Bei 25–35% der Patienten findet sich ein rechtsseitiger
Zwerchfellhochstand, ein rechtsbasales pulmonales Infiltrat oder ein rechtsseitiger
Pleuraerguss. Die radiologische Diagnose erfolgt mittels Sonografie oder Computertomografie (CT). Dabei kommt eine hypo- oder hyperechogene Flüssigkeitskollektion
mit umgebendem Ödem zur Darstellung, das morphologisch nicht immer von einem
Tumor oder einer Zyste abgegrenzt werden kann. Abbildung 1 zeigt beispielhaft ein
sonografisches und computertomografisches Bild eines gesicherten bakteriellen Leberabszesses. In der Literatur scheint die CT sensitiver als die Sonografie zu sein (93–97%
vs. 83–95%) [16, 17].
P Die klassische Trias Oberbauch­
schmerzen, Fieber und Verschlechterung
des Allgemeinzustands wird nur bei
ca. 30% der Patienten gesehen.
Abb. 1
Links: Im linken Leberlappen inhomogene, scharf begrenzte rundliche Raumforderung
(ca. 7,4 x 6,8 cm) mit echoärmeren, aber nicht echofreien zentralen Anteilen (4,4 x 4,2 cm)
(Quelle: Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg). Rechts: Hypodense,
unscharf berandete Leberläsionen in Segment II, maximal ca. 5 cm messend, DD Leberabszess,
DD Lebermetastase (Quelle: Klinik für Radiologie, Universitätsklinikum Freiburg).
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Eine Aerobilie durch Gasbildung wurde früher selten gesehen. Durch die ätiologische
Verschiebung zu Klebsiella pneumoniae scheint ein Anstieg der gasbildenden pyogenen Leberabszesse insbesondere bei Patienten mit Diabetes mellitus vorzuliegen. Die
Magnetresonanztomografie (MRT) ist bei der Beurteilung von Leberläsionen weniger
hilfreich. Eine Aussage über den wahrscheinlichen Erreger kann in der Bildgebung nicht
getroffen werden. Insbesondere die klinisch wichtige Unterscheidung zum Amöbenleberabszess kann nicht vorgenommen werden [7]. Ein solitärer Leberabszess findet
sich eher im rechten Leberlappen, was vermutlich durch seine Größe und seine relativ
gute Blutversorgung erklärt werden kann. Ein Abszess im Lobus caudatus ist extrem
selten und stellt gleichzeitig hohe Anforderungen an die Diagnose, da die Infektion
häufig subklinisch verläuft und erst durch eine Abszessruptur auffallen kann [18]. Aufgrund der Lokalisation ist eine perkutane Drainage weniger Erfolg versprechend, sodass eine chirurgische Sanierung häufig unumgänglich ist. Insgesamt tritt die Ruptur
eines Leberabszesses jedoch selten auf. Hauptrisiken für eine Abszessruptur sind ein
Abszessdurchmesser > 6 cm und eine begleitende Leberzirrhose. In einer Fallserie von
602 Patienten einer koreanischen Studie konnte bei 3,8% der Patienten eine Abszessruptur nachgewiesen werden. Wenn konsekutiv eine Peritonitis auftritt, ist immer eine
notfallmäßige chirurgische Versorgung erforderlich, während bei einer lokal abgegrenzten Ruptur ohne Peritonitis weiterhin eine perkutane Drainage mit begleitender
antibiotischer Therapie ausreichend sein kann [9].
Invasives Leberabszesssyndrom
Das sogenannte invasive Leberabszesssyndrom wurde zuerst in den 1980er-Jahren in
Taiwan beschrieben. Mittlerweile wurden K1- und K2-Serotypen von Klebsiella pneumoniae als häufigste Erreger von Leberabszessen in Asien genannt. Die kultivierten
Stämme zeigen einen extrem hypermukoviskösen Phänotyp, bedingt durch die Produktion von Polysacchariden. Verschiedene sogenannte Virulenzfaktoren sind mit einem
schweren klinischen Verlauf assoziiert. Interessanterweise liegt in der Mehrzahl der Fälle
keine Überlappung von Resistenz und Virulenz vor, d. h., viele als hypervirulent bezeichnete Stämme zeigen ein „normales“ Klebsiella-Antibiogramm ohne Hinweise auf
β-Lactamase-Bildung wie ESBL (Extended-Spectrum Beta-Lactamase) oder Carbapenemase [19, 20]. Aktuelle Studien zeigen, dass auch in der westlichen Hemisphäre mit
einer Ausbreitung dieser Klone zu rechnen ist. Bei Auftreten einer Infektion durch einen
hypervirulenten Stamm kommt es in den meisten Fällen zur Ausbildung eines Leberabszesses mit begleitender Bakteriämie (48–72%) und disseminierter Infektion (10–45%),
meist in Form einer Endophthalmitis [21].
P In den letzten Jahren sind besonders
in Asien vermehrt Fälle von Infektionen
durch sogenannte hypervirulente
Klebsiella-pneumoniae-Stämme
aufgetreten, die mit einem schweren
Verlauf assoziiert sind.
Mikrobiologische Diagnostik
Entscheidend für die Prognose des Patienten ist die frühzeitige Erregersicherung, da
dies die Auswahl des Antibiotikums und die Therapiedauer bestimmt. Eine frühzeitige
Erregersicherung sollte somit aus dem Leberabszess bis auf Vorliegen von Kontraindikationen angestrebt werden. Eine Erregersicherung gelingt in > 80% der Fälle [3]. In
einer Untersuchung kann bereits das Gram-Präparat aus einem Leberabszess in 31 von
39 (79%) Fällen zur Erregersicherung beitragen [22]. In einer Untersuchung von 66 Fällen
von Leberabszessen konnte gezeigt werden, dass mikrobiologische Kulturen aus liegenden Drainagen für eine suffiziente antiinfektive Therapie nicht ausreichen, da die angezüchteten Erreger häufig Keime der Hautflora oder andere Kontaminanten sind [23].
Vor Beginn einer empirischen Therapie sollte zudem eine Blutkulturdiagnostik erfolgen. In einer Fallserie von 38 Patienten waren die entnommenen Blutkulturen bei 18
von 36 (50%) Patienten positiv [22]. Zudem konnten bei 6 von 18 (35%) positiven Blutkulturen Erreger wie Streptococcus milleri, Enterobacter cloacae, Staphylococcus aureus,
Prevotella spp., Actinomyces spp. und Peptostreptococcus spp. angezüchtet werden, die
in den Kulturen des Leberabszesses nicht nachweisbar waren [22].
P In > 80% der Fälle kann der Erreger
mikrobiologisch gesichert werden.
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Erregerspektrum
Das mögliche Erregerspektrum von Leberabszessen umfasst verschiedene Erreger. In
vielen Fällen liegt eine polymikrobielle Infektion mit Nachweis von Anaerobiern wie
Bacteroides spp., Peptostreptococcus spp. oder Fusobacterium spp. vor [22]. Möglicherweise sind Anaerobier in den Untersuchungen unterrepräsentiert, da sich mittlerweile
die Nachweismethoden verbessert haben. In einer großen Studie wurde immerhin in
> 30% der Fälle ein Anaerobier nachgewiesen [3]. Bei den aeroben Erregern werden
häufig Erreger der Streptococcus-milleri-Gruppe (Streptococcus anginosus, constellatus
oder intermedius), aber weniger häufig Enterokokken entdeckt. Staphylococcus aureus
und andere Hautkeime treten typischerweise nach penetrierendem Trauma oder
Chemoembolisation auf [14]. In Studien wurden Escherichia coli in 1 von 18 (6%) bzw.
4 von 40 (10%) und Pseudomonas aeruginosa in 1 von 18 (6%) bzw. 6 von 40 (15%) der
untersuchten Fälle nachgewiesen [22], während in anderen US-amerikanischen Stu­
dien der häufigste Erreger Escherichia coli war [3, 16]. Eine weitere Studie zeigte eine
Prädominanz von Klebsiella pneumoniae. Diese Daten wurden durch andere Studien
gestärkt. In einer Arbeit wurden 79 Fälle untersucht; dabei wurde in 41% der 54 Fälle, in
denen ein Erreger gesichert werden konnte, angezüchtet. Die zweithäufigsten Erreger
waren Escherichia coli und Enterococcus spp. (jeweils 11 Fälle). Anaerobier wurden in 8 Fällen nachgewiesen. Bei 18 von 36 (50%) Patienten aus Asien konnte Klebsiella pneumoniae
gezeigt werden, im Unterschied zu 6 von 22 (27%) nicht-asiatischen Patienten [5]. In
einer anderen Fallserie waren in 22% der untersuchten Fälle Candida spp. nachweisbar [8].
Eine tuberkulöse Genese sollte bedacht werden, wenn in der mikrobiologischen Diagnostik keine typischen Leberabszesserreger nachgewiesen werden können [7, 23]. Bei
Patienten aus Südostasien und Nordaustralien sollte auch Burkholderia pseudomallei
bedacht werden. Amöben sollten in die Differenzialdiagnostik einbezogen werden,
wenn sich die Patienten in den letzten 6 Monaten in endemischen Regionen aufgehalten haben.
P Die häufigsten Erreger eines Leber­
abszesses sind sogenannte AbszessStreptokokken, Anaerobier und Gramnegative Bakterien wie Escherichia coli
und Klebsiella pneumoniae.
Behandlungsoptionen
Die zur Verfügung stehenden Behandlungsoptionen beinhalten die Ausräumung des
Abszesses und eine begleitende antibiotische Therapie. Nur in Kombination beider
Optionen ist ein kurativer Ansatz möglich. Eine ausschließliche Antibiose scheint in der
Mehrzahl der Fälle nicht auszureichen. Das Outcome bei einer alleinigen perkutanen
Drainage ohne begleitende antibiotische Therapie ist nicht ausreichend untersucht.
Abszessausräumung
Die Versorgung mit einer perkutanen Drainage und einer antimikrobiellen Therapie
ist der Grundpfeiler der Behandlung eines Leberabszesses mit einem Durchmesser
> 5 cm [24]. Dennoch ist in 8–36% der Fälle eine chirurgische Versorgung erforderlich [6].
Indikationen für eine chirurgische Sanierung sind eine (drohende) Abszessruptur, eine
nicht zu korrigierende Anomalie, eine unzureichende Drainage, multiple Abszesse
oder ein nicht adäquates Ansprechen auf eine perkutane Drainage nach 4–7 Tagen
bzw. wenn die vorliegende Grunderkrankung ein unmittelbares Handeln erforderlich
machen [6, 13].
P Die Anlage einer perkutanen
Abszessdrainage ist das Mittel der Wahl
und muss so früh wie möglich erfolgen.
Umgekehrt kann eine korrekt einliegende „fördernde“ perkutane Drainage häufig
schon nach einigen Tagen (ca. 7 Tagen) entfernt werden, spätestens aber, wenn kein
Abfluss über die Drainage erfolgt. Ein anschließendes klinisches Follow-up ist jedoch
unumgänglich.
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Auswahl und Dauer der antiinfektiven Therapie
Es liegen keine prospektiven randomisierten Studien zur antibiotischen Therapie und
Therapiedauer vor, die die Auswahl einer bestimmten Substanz oder Kombination favorisieren. Optionen zur empirischen antiinfektiven Therapie sind in Tabelle 1 aufgezeigt.
Mögliche Therapieoptionen zur empirischen intravenösen Therapie
eines Leberabszesses
Substanz
Tab. 1
Dosierung*
Monotherapie
β-Lactam-Antibiotikum + β-Lactamase-Inhibitor
Ampicillin/Sulbactam
3x3g
Kombinationstherapie
Cephalosporin der 3. Generation + Metronidazol
Ceftriaxon + Metronidazol
1 x 2 g + 3 x 500 mg
Chinolon + Metronidazol
Ciprofloxacin + Metronidazol
Levofloxacin + Metronidazol
3 x 400 mg + 3 x 500 mg
1 x 750 mg + 3 x 500 mg
*Tägliche Dosis (Körpergewicht 60–80 kg) bei einer Kreatininclearance > 80 ml/min.
Anpassung an Nierenfunktion erforderlich (bei einem septischen und/oder hämodynamisch
instabilen Patienten kann die Therapie mit einem Carbapenem notwendig sein).
In den meisten Fällen ist eine Therapie mit einem β-Lactam-Antibiotikum in Kombi­
nation mit einer Anaerobier-wirksamen Substanz (β-Lactamase-Inhibitor oder Metronidazol) ausreichend. Eine vorausgegangene Therapie mit einem Aminopenicillin scheint
in Asien ein Risikofaktor für das Vorliegen eines Leberabszesses durch Klebsiella pneumoniae zu sein [25]. Obwohl in Asien Fälle von Abszessen durch ESBL-Bildner beschrieben sind, ist die Anzahl der publizierten Fälle überschaubar. Bei Nachweis eines
ESBL- oder Carbapenemase-Bildners war die Therapie mit einem Carbapenem (primär
Imipenem/Cilastatin) mit einer geringeren Letalität im Vergleich zu anderen Antibio­
tika assoziiert [21]. Durch die hohe Chinolon-Resistenzrate bei Enterobakterien kann
ein Regime mit einer Kombination aus einem Cephalosporin der 3. Generation plus
Metronidazol oder Piperacillin/Tazobactam erforderlich sein [26, 25]. Bei einer poly­
mikrobiellen Infektion kann eine längere antibiotische Berücksichtigung von Anaerobiern bedacht werden.
Die Gesamttherapiedauer einer antiinfektiven Therapie beträgt in der Regel 4–6 Wochen
und kann bei komplizierten Verläufen länger dauern. Bei adäquater Drainagever­
sorgung wird in der Regel eine 2–4-wöchige parenterale Therapie empfohlen, die bei
inadäquater Drainierung auf 4–6 Wochen ausgedehnt werden muss. Eine orale Sequenztherapie muss in Abhängigkeit der mikrobiologischen Testergebnisse erfolgen
[27, 28] und bis zum Nachweis einer klinischen, laborchemischen oder radiologischen
Restitutio erfolgen [29]. Studien belegen, dass in bestimmten Fällen eine parenterale
Kurzzeittherapie von 2–3 Wochen, gefolgt von einer 1–2-wöchigen oralen Sequenztherapie ausreichend sein kann [5].
P Eine antibiotische Therapie muss in
jedem Fall für mindestens 4–6 Wochen
durchgeführt werden. Bei gutem
klinischem und laborchemischem
Ansprechen kann nach einigen Wochen
auf eine orale Sequenztherapie
umgestellt werden.
Geeignete Verlaufsparameter zur klinischen Evaluierung sind klinischer Zustand, Körpertemperatur, Leukozytenzahl und C-reaktives Protein. Eine Verlaufsbildgebung ist
häufig nur bei Vorliegen persistierender klinischer Symptome erforderlich. In einer
Studie aus Nepal konnte bei 102 Patienten bei Abszessen < 10 cm eine mittlere sonografische Reduktion nach 16 Wochen gezeigt werden, bei Abszessen > 10 cm nach
22 Wochen [30].
Interessenkonflikte
Der Autor erklärt, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
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Fragen zum Leberabszess
Frage 1:
Welche Aussage zur Epidemiologie des Leberabszesses trifft nicht zu?
EE
EE
EE
EE
Das Krankheitsbild wurde bereits vor mehr als 1000 Jahren beschrieben
Die lokale Inzidenz unterscheidet sich zum Teil deutlich
Das mittlere Alter der erkrankten Patienten ist in den letzten Jahren angestiegen
Erfahrungen und Daten zum Leberabszess beruhen überwiegend auf
unterschiedlich großen retrospektiven Fallserien
EE Die Inzidenz von Leberabszessen ist in Taiwan doppelt so hoch wie in den USA
Frage :
Welche Aussage zur Pathogenese eines Leberabszesses trifft zu?
EE
EE
EE
EE
EE
Mehr als 80% der Infektionen sind bakteriämisch
Die häufigste Ursache für einen Leberabszess sind Erkrankungen der Gallenwege
Anatomische Anomalien begünstigen das Auftreten von Leberabszessen nicht
Es finden sich selten begleitend Pfortaderthrombosen
Fast immer kann man eine Ursache für einen Leberabszess finden
Frage :
Welche Aussage zum klinischen Bild trifft nicht zu?
EE In einem Drittel der Fälle kommt es zu abdominalen Schmerzen mit Fieber
EE Es finden sich häufig zusätzlich Allgemeinsymptome wie Myalgien und
Vigilanzminderung
EE Nahezu alle Patienten mit Leberabszess sind ikterisch
EE In vielen Fällen findet sich laborchemisch eine Erhöhung der alkalischen
Phosphatase
EE Häufig findet sich laborchemisch eine Erhöhung der Transaminasen und
des Bilirubins
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Leber und
Gallenwege
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Frage :
Welche Aussage zur Abgrenzung von bakteriellem und parasitärem
Abszess trifft nicht zu?
EE Bei Verdacht auf Amöbenleberabszess sollte eine Erregersicherung durch direkte
Punktion des Abszesses angestrebt werden
EE Ein Amöbenleberabszess wird häufig von abdominalen Beschwerden begleitet
EE Eine klinische Abgrenzung ist nicht immer zuverlässig möglich
EE In der Bildgebung kann keine Unterscheidung zwischen bakteriellem und
parasitärem Abszess vorgenommen werden
EE Amöbenleberabszesse werden auch bei Reiserückkehrern gefunden
Frage :
Welche Aussage zur bildgebenden Diagnostik trifft nicht zu?
EE
EE
EE
EE
EE
In 25–35% der Fälle findet man einen rechtsseitigen Zwerchfellhochstand
Der Nachweis eines rechtsseitigen Infiltrats oder Pleuraergusses ist möglich
Die Computertomografie hat eine höhere Sensitivität als die Sonografie
In der Bildgebung wird häufig eine Gasbildung gesehen
Bei Verdacht auf Pilzabszess kann eine Magnetresonanztomografie hilfreich sein
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Falk Gastro-Kolleg
Falk Gastro-Kolleg 3/2017 | 10
Frage 6:
Welche Aussage zur mikrobiologischen Diagnostik von
Leberabszessen trifft zu?
EE Die Erregersicherung hat wenig Einfluss auf die gezielte antiinfektive Therapie
EE Eine Erregersicherung bei einem Leberabszess gelingt in > 50% der Fälle
EE Obwohl initial oft Blutkulturen abgenommen werden sollten, finden sich in der
Literatur nur geringe Positivitätsraten
EE Polymikrobielle Infektionen werden am besten durch Blutkulturen nachgewiesen
EE Das Gram-Präparat aus einem Leberabszess ist in der Literatur selten positiv
Falk
Gastro-Kolleg
Leber und
Gallenwege
Frage 7:
Welche Erreger sind bei uns von untergeordneter Bedeutung?
EE
EE
EE
EE
EE
Gram-positive Kokken
Anaerobier
Mykobakterien
Nicht-fermentierende Gram-negative Stäbchen
Enterobakterien
Frage 8:
Welche Aussage zum invasiven Leberabszess-Syndrom ist nicht
zutreffend?
EE
EE
EE
EE
Meist handelt es sich serologisch um die Typen K1 und K2
Die Erstbeschreibung dieses Syndroms war in Asien
Es handelt sich überwiegend um Klebsiella-pneumoniae-Isolate
Spezielle Virulenzgene werden für die Virulenzeigenschaften
(inkl. dem charakteristischen Phänotyp) verantwortlich gemacht
EE Problematisch ist die weltweite Ausbreitung von hypervirulenten resistenten
Stämmen, die mittlerweile auch in Europa auftreten
Frage 9:
Welche Aussage zur chirurgischen Versorgung eines Leberabszesses
ist falsch?
EE Obwohl in prospektiven Studien nicht vergleichend untersucht, wird in der Regel
eine begleitende antibiotische Therapie empfohlen
EE Abszesse mit einem Durchmesser > 5 cm werden üblicherweise drainiert
EE Bei multiplen Abszessen ist häufig eine offene chirurgische Intervention nötig
EE Perkutane Drainagen müssen häufig mehrere Wochen belassen werden,
damit eine Reduktion der Abszessgröße erreicht werden kann
EE Bei Vorliegen bestimmter Grunderkrankungen ist primär ein chirurgisches
Vorgehen indiziert
Frage 10:
Welche Kombination ist für eine empirische Therapie am wenigsten
geeignet?
EE
EE
EE
EE
EE
Ampicillin/Sulbactam
Piperacillin/Tazobactam
Ceftriaxon + Metronidazol
Levofloxacin + Metronidazol
Imipenem + Metronidazol
Falk Gastro-Kolleg 3/2017 | 11
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