Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2012/13 y, s.y y* 1. Einleitung c* f(k) (n+d)k s.f(k) s.y* k* Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k Folie 1 • Hinweis Maßgeblich für die Klausur sind die in der Vorlesung vermittelten Inhalte. Die Folien erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Zum Verständnis der Folien ist ein Besuch der Vorlesung erforderlich. Die Vorlesung wird als Aufzeichnung mit einem Tag Verzögerung zur Verfügung gestellt: http://ilias.uni-passau.de/ilias/goto.php?target=crs_10895&client_id=intelec Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 2 Vorlesung Mo. 10:15-11:45, Beginn 15.10.2012 (HS 10) Übung, Mi. 18:15-19:45, Beginn 17.10.2012 (HS 10) Tutorien, Beginn 22.10.2012 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Mo 18-19 Uhr Di 16-17 Uhr Di 17-18 Uhr Di 18-19 Uhr Mi 08-09 Uhr Mi 17-18 Uhr Do 10-11 Uhr Do 16-17 Uhr Do 17-18 Uhr Do 18-19 Uhr Fr 08-09 Uhr Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff WiWi 026 (34) NK 204 (30) HS3 PHIL (83) HK 002 (20) WiWi 028 (34) WiWi 029 (64) WiWi 026 (34) WiWi 026 (34) WiWi 026 (34) WiWi 026 (34) WiWi 027 (38) Folie 3 Literatur • Gärtner, M. (2009), Macroeconomics, 3. Aufl. • Jarchow, H.-J. (2010), Grundriss der Geldtheorie, 12. Aufl. • Lambsdorff, J. Graf und C. Engelen (2007), Das Keynesianische Konsensmodell, WiST, Wirtschaftswissenschaftliches Studium, August, S. 387-394. • Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. • Romer, David, (2012), Short-Run Fluctuations. Expanded version incorporating the liquidity trap and credit market disruptions. Manuskript, University of California, Berkeley, S. 1-22; 54-114: http://elsa.berkeley.edu/~dromer/ • Taylor, J.B. und A. Weerapana (2009), Economics, 6. Aufl. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 4 Verzeichnis der wichtigsten Symbole a autonomer Konsum G Staatskonsum A Prod.technologie BD Budgetdefizit C Konsum d. Haushalte c marg. Konsumquote d Abschreibungsrate D Abschreibungen E Ertragserwartungen e Wechselkurs ($/€) F Faktoreinkommen/ Wertschöpfung i nom. Zinssatz H Humankapital I Nettoinvestitionen J‘ Importe von Gütern und Dienstleistungen J = J‘ zzgl. Faktorl. K Kapitaleinsatz k Pro-Kopf-Kapital Lr reale Geldnachfrage N Arbeitseinsatz Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 5 n Bev.wachstumsrate T Steuern NKE Nettokapitalexp. T0 Pauschalsteuern NNE Nettonationaleink. Tr Transfers an Ausland P Verbraucherpreisindex V Vorleistungen p Inflationsrate pe erw. Inflation X‘ Exporte von Gütern und Dienstleistungen r realer Zinssatz X = X‘ zzgl. Faktorl. Yb Bruttoinlandsprodukt Y pot. Inlandsprodukt Yv verf. Einkommen Z Subventionen R staatl. Transfers S Ersparnis s marg. Sparquote (= Investitionsquote) t Steuersatz Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 6 Fallstudie I. Fallstudie Deutschland und die USA Vereinigte Staaten von Amerika 2011/12 BIP: 15076 Mrd. US $ Bevölkerung: 314 Mio. Pro-Kopf-Produktion: 48.000 US $ Preis Big-Mac: 4,33 US $ Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 7 Fallstudie Bundesrepublik Deutschland, 2011/12 BIP: 2570 Mrd. € Bevölkerung: 81,3 Mio. Pro-Kopf-Produktion: 31611 € Preis Big-Mac: 3,58 € Wechselkurs: 1,30 US $/€ Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 8 Entwicklung USA 15.0 Wachstum BIP Inflation 12.0 Erwerbslosenquote Leistungsbilanzdefizit (in Prozent des BIP) 6.0 3.0 0.0 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff 2010 2008 2006 2004 2002 2000 1998 1996 1994 1992 1990 1988 1986 1984 1982 1980 1978 1976 1974 -6.0 1972 -3.0 1970 Fallstudie 9.0 Folie 9 Entwicklung Deutschland 12.0 Wachstum BIP Inflation 9.0 Erwerbslosenquote Leistungsbilanzüberschuss (in Prozent des BIP) Fallstudie 6.0 3.0 0.0 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff 2010 2008 2006 2004 2002 2000 1998 1996 1994 1992 1990 1988 1986 1984 1982 1980 1978 1976 1974 1972 -6.0 1970 -3.0 Folie 10 • 1973-1980: Ölpreisschocks • 1981-1983: Preisniveaustabilität wieder hergestellt Fallstudie • 1984-90: Ankurbelung der Wirtschaft mit niedrigen Steuern • 1991: Rezession als Nachwirkung des Aktienpreisschocks von 1987 und erneut erhöhte Ölpreise aufgrund des Golfkrieges • 1992-2000: New Economy Boom • 2001-2007: Leben auf Pump in den USA, Sorgen in Deutschland • 2007-2009: Finanzkrise • Ab 2010: Rückkehr zu altem Wachstum oder fortwährende Rezession? Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 11 • Dogmengeschichte Fallstudie Mit ökonomischen Phasen korrespondieren auch ökonomische Lehrmeinungen. • Monetarismus Der Monetarismus zielt auf die Wichtigkeit stabiler Preise und ist Anfang der 80er Jahre prominent. • Rationalität Der Glaube an die Rationalität Einzelner und die Innovationskraft des privaten Sektors beflügeln Steuersenkungen und Deregulierung Ende der 80er Jahre. • Neue Technologien Neue Technologien bewirken einen ausgeprägten Optimismus in den 90er Jahren. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 12 Fallstudie • Immobilienpreisblase Ein Festhalten an den alten gewünschten Wachstumsraten bewirkt eine Blasenbildung bei den Immobilienpreisen. Dies ist irrational, da Immobilien kaum neue Technologien beinhalten. Mit niedrigen Zinsen wird dies lange aufrecht erhalten. Aufgrund des Glaubens an die Rationalität Einzelner wird dies aber nicht als Blase erkannt. • Wiederbelebung des Keynesianismus Mit dem Beginn der Finanzkrise wird das Versagen des privaten Sektors erneut diskutiert und die Notwendigkeit der makroökonomischen Steuerung, der Keynesianismus, wird wieder weitgehend akzeptiert. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 13 Ziele der Vorlesung Makroökonomik • Daten verstehen Sie werden makroökonomische Daten verstehen lernen, inklusive ihrer Zusammenhänge. Dies sind insbesondere Inlandsprodukt, Inflation, Zins, Wechselkurs, Leistungsbilanzdefizit und Budgetdefizit. • Interaktion Für die kurzfristigen und langfristigen Determinanten dieser Größen werden Sie das Zusammenspiel von Unternehmen, privaten Haushalten, dem Fiskus, der Zentralbank und den entsprechenden Akteuren im Ausland erkennen. • Prognosen Hierauf aufbauend werden Sie in die Lage versetzt, Prognosen zu erstellen und für eigene Planungen auszuwerten. • Interaktiv mitarbeiten Auf http://www.konjunkturboerse.de/ können Sie die Qualität Ihrer Konjunkturprognose testen. Im Rahmen der Vorlesung werden Sie mit ClassEx interaktiv eingebunden. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 14 Interaktives • Beauty Contest Sie produzieren Konsumgüter für den eigenen Gebrauch. Die Anzahl an Arbeitsstunden pro Jahr wird durch die Variable e angegeben. Sie möchten genau so viel arbeiten, wie die durchschnittliche Person im Hörsaal. Hierzu wählen Sie eine Zahl zwischen 0 und 200. Aus allen im Hörsaal gewählten Zahlen wird der Durchschnitt gebildet. Derjenige Teilnehmer, der mit seiner Zahl diesem Durchschnitt am nächsten kommt, gewinnt 20€ (bei Gleichstand entscheidet das Los). Die gewählten Werte werden berichtet (inklusive der Summe der Zahlen) und eine zweite, identische Runde gespielt, bei der erneut 20€ zu gewinnen sind. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 15 Interaktives • Individuen in der Volkswirtschaft Sie produzieren Konsumgüter für den eigenen Gebrauch. Die Anzahl an Arbeitsstunden pro Jahr wird durch die Variable e angegeben. Je Stunde Arbeitseinsatz, e, produzieren Sie einen Konsum im Wert von 0,40€. Die Kosten (Mühsal) des Arbeitseinsatzes betragen e2/500. Bestimmen Sie nun Ihren Arbeitseinsatz. Per Los wird ein Teilnehmer ausgewählt, dem sein Konsum abzüglich der Arbeitskosten ausbezahlt wird. Im Hörsaal sind viele Teilnehmer in gleicher Art tätig. Wie hoch schätzen Sie ist die gesamte Summe der in der Hörsaal-Volkswirtschaft geleisteten Arbeitsstunden? Derjenige, der mit seiner Schätzung diesem Wert am nächsten kommt, gewinnt 20€ (bei Gleichstand entscheidet das Los). Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 16 Wettstreit der Lehrmeinungen Zwei Visionen für die Makroökonomik • Makroökonomik als Engineering Ausgangspunkt der Makroökonomik sollte die Interaktion von Individuen sein. Wie reagieren sie aufeinander? Aus den gesammelten Erfahrungen sollten Politikempfehlungen generiert werden, mit denen sich die Steuerung makroökonomischer Aggregate verbessern lässt. Ziel der Makroökonomik ist es, praktische Probleme zu lösen. Die Makroökonomik ist dabei primär eine Erfahrungswissenschaft, die keine Mikrofundierung benötigt. (Blinder AER P&P 1987: 135): "Good science need not always be built up from solid microfoundations. Thermodynamics and chemistry, for example, have done pretty well without much micro theory... And the microfoundations of medicine are often very poor; yet much of it works. Empirical regularities that are formulated and tested directly at the macro level do have a place in science". Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 17 Wettstreit der Lehrmeinungen • Makroökonomik mit mikroökonomischem Fundament Ausgangspunkt der Makroökonomik sollte das rationale Individuum sein, dessen Verhalten sich zu einem Gleichgewicht für die Gesamtwirtschaft aggregieren lässt. Ohne ein solches mikrofundiertes Modell lassen sich aus Daten keine für die Politik relevanten Entscheidungen herleiten. Um dies zu verstehen, sollte man sich fragen, ob die Sicherheitssysteme für Fort Knox eingespart werden könnten. Historische Daten würden dies nahelegen, da dieses Lager für die Goldreserve der Vereinigten Staaten bisher noch nie überfallen wurde. Aber Überlegungen zu den Anreizen, denen Menschen ausgesetzt sind, legen eine andere Schlussfolgerung nahe. Makroökonomen sollten primär diese individuellen Anreize erforschen, um damit robuste analytische Instrumente für die Wirtschaftspolitik herzuleiten. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 18 Wettstreit der Lehrmeinungen • Ein Konsens? Diese beiden kontroversen Lehrmeinungen der Makroökonomik haben das Fach seit jeher vorangetrieben und sich gegenseitig inspiriert. Im Rahmen der Vorlesung werden wir häufig auf diese beiden konträren Sichtweisen kommen und zeigen, welcher Konsens sich bis heute gebildet hat. Gleichzeitig bleiben offene Fragen und der Wettstreit der Lehrmeinungen wird offener denn je ausgetragen. Vereinfachend können wir sagen, dass die Sichtweise der Makroökonomik davon abhängt, welche der beiden stilisierten Spiele als geeigneter gehalten werden, um die komplexen Interaktionen der Makroökonomik zu beschreiben. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 19 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2012/13 y, s.y y* 2. Das Bruttoinlandsproduktf(k) c* (n+d)k s.f(k) s.y* k* k Pflichtlektüre: Frenkel, M. und K.D. John (2006), Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, 6. Aufl. S. 21-25, 37-39, 50-52, 54-55, 56. Zur Übung: VWL-Quiz http://www.wiwi.uni-passau.de/994.html Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 21 Das Inlandsprodukt • Produktion Das Inlandsprodukt ist ein Maß für die gesamtwirtschaftliche Produktion. Diese entspricht in einer (geschlossenen) Volkswirtschaft den gesamten Einnahmen der Firmen (aus dem Verkauf von Endprodukten) und den Ausgaben der Haushalte. • Marktwert Das Inlandsprodukt wird bestimmt durch den gesamten Marktwert aller Endprodukte an Gütern und Dienstleistungen, welche in einer bestimmten Periode in einem Land produziert werden. • Güter und Dienstleistungen Es beinhaltet sowohl „fassbare“ Güter (Nahrung, Kleidung, Autos) als auch „nicht-fassbare“ Dienstleistungen (Haarschnitt, Reinigungsservice, ärztliche Beratung). Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 22 • Zeitraum Das Inlandsprodukt umfasst nur Güter und Dienste, welche gegenwärtig produziert werden, nicht solche der Vergangenheit oder Zukunft. Es bezieht sich dabei auf ein bestimmtes Zeitintervall (Jahr oder Quartal). • Raum Es bezieht sich auf die Produktion innerhalb der geographischen Abgrenzung eines Landes. • Markttransaktion Gezählt werden alle produzierten und legal auf Märkten gehandelten Güter. Vernachlässigt werden Güter, welche zu Hause produziert und konsumiert werden, ohne dabei über einen Markt ausgetauscht zu werden. Illegal gehandelte Güter (z.B. Drogen) werden vernachlässigt. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 23 • Vorleistungen Vorleistungen sind solche Güter und Dienste, welche in der gleichen Periode im Produktionsprozess wieder verwendet werden (z.B. Zwischenprodukte, Rohstoffe, Hilfs- und Betriebsstoffe, Brenn- und Treibstoffe, Transportkosten, gewerbliche Mieten). Die produzierten Vorleistungen gehören nicht zum Inlandsprodukt, da sie im gleichen Zeitraum wieder im heimischen Produktionsprozess verbraucht werden. Bei der Berechnung des Inlandsprodukts werden daher nur Endprodukte und nicht Vorleistungen einbezogen (so dass Doppelzählungen vermieden werden). • Wertschöpfung Das Inlandsprodukt entspricht damit der Wertschöpfung. Von der Summe aller Produktionswerte (einschl. Vorleistungen) müssen sämtliche Vorleistungen abgezogen werden. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 24 • Beispiel der Brotproduktion (L steht für Lohn, G für Gewinn) Landwirte L 200 Getreide 300 Müller Bäcker Vorleist. 300 Mehl 500 G 100 L 100 Vorleist. 500 G 100 Brot 700 L 120 • Produktionswert: 1500 G 80 • Vorleistungen: 800 • Wertschöpfung: 700 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 25 • Nominales Inlandsprodukt Das nominale Inlandsprodukt misst die Produktion von Gütern und Diensten zu aktuellen Preisen. • Reales Inlandsprodukt Das reale Inlandsprodukt misst die Produktion von Gütern und Diensten zu konstanten Preisen. • Bruttoinlandsprodukt Das bisher bestimmte Inlandsprodukt ist eine Bruttogröße. Die durch Nutzung eingetretene Wertminderung des Anlagevermögens wird nicht abgezogen. Daher wird es als Bruttoinlandsprodukt (BIP) bezeichnet. • Nettoinlandsprodukt Zur Bestimmung der Wertschöpfung werden vom Bruttoinlandsprodukt die Abschreibungen, also die durch Nutzung eingetretene Wertminderung des Anlagevermögens, abgezogen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 26 • BIP-Deflator Der BIP-Deflator misst das gegenwärtige Preisniveau relativ zum Preisniveau eines Basisjahres. • Steigender BIP-Deflator Ein Anstieg des BIP-Deflators bedeutet, dass ein Anstieg des nominalen BIP auf Preiserhöhungen und nicht auf eine gestiegene mengenmäßige Produktion zurückzuführen ist. • Sinkender BIP-Deflator Ein Sinken des BIP-Deflators bedeutet, dass ein sinkendes nominales BIP aus Preissenkungen resultiert und nicht durch eine schrumpfende mengenmäßige Produktion bedingt ist. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 27 Bruttoinlandsprodukt, Deutschland, real in Preisen von 2000 und nominal Mrd. € 640.0 125 620.0 120 600.0 115 580.0 110 560.0 540.0 105 520.0 100 500.0 95 480.0 90 460.0 440.0 85 420.0 80 400.0 75 380.0 70 360.0 2010-01 2009-01 2008-01 2007-01 2006-01 2005-01 2004-01 2003-01 2002-01 2001-01 2000-01 1999-01 1998-01 1997-01 1996-01 1995-01 1994-01 60 1993-01 320.0 1992-01 65 1991-01 340.0 BIP nominal (pro Quartal) BIP real (2000=100) Quelle: Zeitreihendatenbank, http://www.bundesbank.de Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 28 • Wohlfahrt Unter den makroökonomischen Größen kann am ehesten das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf als Maß für das individuelle Wohlergehen angesehen werden. Dieses gibt an, welches Einkommen ein Mensch mit seiner Arbeit verdient und welchen Lebensstandard er sich im Durchschnitt leisten kann. • Glück und Lebenszufriedenheit Zwischen dem realen Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt und dem im Rahmen von Umfragen erhobenen Ausmaß des Glücks oder der Lebenszufriedenheit besteht ein robuster und starker Zusammenhang. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 29 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 30 • Lücken Das Bruttoinlandsprodukt ist nicht ein perfektes Maß des Lebensstandards oder des Glücks. U.a. fehlen Wertansätze für die folgenden „Güter“: - Freizeit, - Saubere Umwelt, - Gesundheit, - Güter und Dienste, die nicht über den Markt ausgetauscht werden, z.B. freiwillige, unentgeltliche Arbeiten, gegenseitige Hilfestellungen in der Familie, - Gerechtere Verteilung von Vermögen und Einkommen, - Intakte soziale Beziehungen und Lebenspartnerschaften. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 31 • Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Die Makroökonomik lässt sich im Rahmen eines Kontensystems systematisch erfassen und darstellen. Für einen einfachen Ansatz unterstellen wir eine geschlossene Volkswirtschaft, d.h. wir vernachlässigen das Ausland. Wir vernachlässigen öffentliche Haushalte. Es existieren somit nur private Haushalte und Unternehmen. Arbeitskraft Lohn (700) Private Haushalte Vorleistungen (300) Unternehmen Zahlung (700) Konsumgüter Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 32 • Vereinfachende Annahmen Private Haushalte produzieren nicht. Sie sparen nicht, verausgaben also ihre gesamten Einkommen vollständig. Unternehmen produzieren nur Konsumgüter und Dienstleistungen, welche in der gleichen Periode abgesetzt und konsumiert werden, also keine Investitionsgüter. Unternehmen bilden keine Ersparnisse. Alle Gewinne werden an die Haushalte ausgeschüttet. Aufgrund der fehlenden Ersparnisbildung gibt es kein Vermögen. Die Güter werden mit Hilfe menschlicher Arbeitskraft und Vorleistungen (Rohstoffe, Transportkosten, usw.) produziert, aber ohne den Einsatz von Sachvermögen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 33 • F steht hierbei für das Faktoreinkommen • Inlandsprodukt = Wertschöpfung: 700 Einkommenskonto F 700 C 700 • Produktionswert: 1000 Produktionskonto V 300 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 34 • Kontenarten Entsprechend den wirtschaftlichen Funktionen in der betrachteten Volkswirtschaft existiert ein Einkommenskonto und ein Produktionskonto. • Produktionskonto Das Produktionskonto erfasst die Produktion, Einkommensentstehung und Einkommensverteilung. Anschaulich kann das Produktionskonto als Konto der Produzenten (hier der Unternehmen) betrachtet werden. • Einkommenskonto Das Einkommenskonto erfasst die Einkommenserzielung, -umverteilung und -verwendung. Anschaulich kann das Einkommenskonto als Konto der Einkommensbezieher (hier der privaten Haushalte) betrachtet werden. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 35 • Zahlungsströme Die eingezeichneten Ströme sind Zahlungsströme (im Falle einer Kreditgewährung könnten wir auch von Forderungsströmen sprechen). Der Strom C bedeutet, dass den Produzenten aus dem Verkauf von Konsumgütern an die Einkommensbezieher Zahlungsmittel in Höhe von 700 zufließen. Dem aus Konsumgüterverkäufen der Produzenten resultierenden Strom fließt ein gleich starker, aber entgegen gerichteter Strom von den Produzenten zu den Einkommensbeziehern entgegen. Dieser bringt zum Ausdruck, dass die Produzenten an die Einkommensbezieher Löhne und Gehälter, so genannte Faktoreinkommen, zahlen. Mit dem zweiten Strom entsteht ein Kreislauf. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 36 • Faktoreinkommen Die Faktoreinkommen beinhalten die so genannten Erwerbs- und Vermögenseinkommen. • Erwerbseinkommen Die Erwerbseinkommen sind die Arbeitnehmerentgelte und die Selbstständigeneinkommen. • Vermögenseinkommen Zu den Vermögenseinkommen gehören Zinsen und Mietzahlungen sowie die verteilten Gewinne in Form von Dividendenausschüttungen oder Gewinnentnahmen. Wir hatten jedoch unterstellt, dass kein Vermögen angesammelt wurde. Daher besteht das Einkommen zunächst nur aus Erwerbseinkommen und wird hier als „Lohn“ bezeichnet. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 37 Darstellung in Kontenform Einkommenskonto Konsumausgaben 700 700 Produktionskonto Vorleist. Faktoreinkommen 300 300 Vorleist. Wertschöpfung = 700 Löhne 700 Konsumgüter Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 38 • Private Haushalte als Produzenten Unsere vereinfachende Annahme, private Haushalte würden nicht produzieren, soll nun aufgegeben werden. • Definitorische Abgrenzung Der Begriff „privater Haushalt“ wird gemäß einer Abgrenzung für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union durch das europäische System volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (abgekürzt: ESVG; verbindlich für alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ab April 1999) vorgenommen. • Produktion privater Haushalte Zum Produktionswert der von privaten Haushalten erzeugten Güter gehören einerseits Dienstleistungen, die Hausangestellte, Reinigungspersonal, Butler u. ä. Erwerbstätige gegen Entgelt produzieren und an andere private Haushalte verkaufen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 39 • Unternehmen im Sektor „private Haushalte“ Ferner gehören manche Unternehmen zum Sektor „private Haushalte“. Dies sind insbesondere alle Personengesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit, z.B. selbständige Landwirte, Einzelunternehmer im produzierenden Gewerbe, Handwerker, Händler, Gastwirte. Die Produktion dieser Unternehmen wird somit auf dem Produktionskonto der privaten Haushalte verbucht. • Unternehmen im Sektor „Unternehmen“ Unternehmen werden nur dann dem Sektor „Unternehmen“ zugerechnet, sofern sie eine eigene Rechtspersönlichkeit haben. Dies sind insbesondere Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaften, offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 40 Darstellung in Kontenform Private Haushalte Unternehmen Produktionskonto Produktionskonto Wertschöpfung = Löhne 270 120 Vorleist. Dienstlst.an Haushalte 150 Konsumgüter Wertschöpfung = Löhne 550 Einkommenskonto Konsumausgaben 700 300 300 Vorleist. 550 Konsumgüter Einkommenskonto 820 Faktoreinkommen Ausgaben für Dienstlst. 120 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 41 • Sparen, Vermögen und Investition in der VGR Nun soll die Annahme aufgegeben werden, dass private Haushalte und Unternehmen nicht sparen und nicht investieren. Private Haushalte sparen dadurch, dass sie nur einen Teil ihres Faktoreinkommens für Konsum ausgeben. Ihre Ersparnis stellen sie den Investoren zur Verfügung. Hierfür erhalten sie dann Vermögenseinkommen wie z.B. Zinsen oder Dividenden. Die Unternehmen erzielen Gewinne. Sie können sparen, indem sie diese Gewinne nicht vollständig als Dividenden an die privaten Haushalte abführen. Diese werden verbucht als ein Einkommen, welches sich die Unternehmen auf ihr Einkommenskonto zuweisen. Aufgrund der durch Nutzung eingetretenen Wertminderung des Anlagevermögens müssen Unternehmen ferner Abschreibungen verbuchen. Es werden nicht nur Konsumgüter produziert, sondern auch Investitionsgüter, d.h. dauerhafte Produktionsmittel wie maschinelle Anlagen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 42 • Konsum Unter Konsum (C) verstehen wir sämtliche Ausgaben der privaten Haushalte für (Verbrauchs-) Güter und Dienste. Auch langlebige Konsumgüter, die nicht während einer laufenden Periode verbraucht werden wie Autos, Computer, Musikinstrumente oder Waschmaschinen, zählen zu den Konsumgütern. Eine Ausnahme stellen Eigenheime dar. Diese werden von privaten Haushalten gekauft, zählen aber zu den Investitionsgütern. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 43 • Investitionen Investitionen (I) sind Ausgaben für Kapitalausstattung, Vorräte und Bauten (Häuser), also für Güter, welche nicht unmittelbar verbraucht werden. Dabei unterscheiden wir: Bruttoanlageinvestition: gekaufte und selbst erstellte Anlagen wie Ausrüstungsinvestitionen (Maschinen, Fahrzeuge, Geschäftsausstattung), Bauinvestitionen (Wohnbauten, gewerbliche Bauten, Straßen etc.) und immaterielle Anlagegüter (wie Computerprogramme, Urheberrechte). Lagerinvestitionen: Zuwachs an eigenen halbfertigen und fertigen Erzeugnissen und den von anderen Unternehmungen gekauften und noch gelagerten Vorprodukten. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 44 • Einige Begriffe: Bruttoinvestition: Ib Nettoinvestition: I Lagerinvestition: IL Reinvestition ~ D (Brutto-) Anlageinvestition: IbA Ib 250 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Reinvest. 150 D 150 IbA 210 I 100 IL 40 Folie 45 Darstellung in Kontenform Private Haushalte Unternehmen Produktionskonto Produktionskonto Wertschöpfung – Löhne – Zinsen – einbeh. Gewinne Investitionsgüter Abschreibungen Einkommenskonto Konsumausgaben Einkommenskonto Faktoreinkommen – Löhne – Zinsen Ersparnis einbeh. Gewinne Ersparnis Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 46 • Vermögensänderungskonto Aus der Darstellung ist ersichtlich, dass zu manchen Posten eine Gegenposition fehlt. Hierfür ist ein Vermögensänderungskonto zu berücksichtigen. Wir betrachten nun zur Vereinfachung nur gesamtwirtschaftliche Konten, vernachlässigen also die Unterscheidung in private Haushalte und Unternehmen. • Flussdiagramm vs. Kontenform Eine Darstellung kann entweder in Form eines Flussdiagramms oder in Kontenform erfolgen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 47 Flussdiagramm einer einfachen Volkswirtschaft S 100 Einkommenskonto F 820 C 720 Vermögensänderungskonto Ib 250 Produktionskonto D 150 V 300 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 48 • Erläuterung des Flussdiagramms Die den Haushalten und Unternehmen zufließenden Einkommen in Höhe von 820 werden in Höhe von 720 für Konsumzwecke ausgegeben und der Rest in Höhe von 100 wird gespart. Die Ersparnis fließt dem Vermögensänderungskonto zu. Damit wird ein Teil der Bruttoinvestition in Höhe von 250 finanziert. Als Gedankenstütze kann man sich vorstellen, dass das Vermögensänderungskonto beim Produktionskonto Investitionsgüter in Höhe von 250 kauft und bezahlt. Der nicht durch Ersparnisse finanzierte Teil der Bruttoinvestition in Höhe von 150 Einheiten wird durch Abschreibungen finanziert, genauer aus Abschreibungsgegenwerten. • Berechnung des Inlandsprodukts Das Nettoinlandsprodukt lässt sich aus dem Produktionskonto ermitteln: Y=C+I=820 Es gilt ferner für das Bruttoinlandsprodukt Yb=Y+D=970 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 49 Gesamtwirtschaftliche Konten einer einfachen Volkswirtschaft Produktionskonto Einkommenskonto Konsumausgaben 720 820 Faktoreinkommen Vorleist. 300 Abschr. 150 Wertschöpfung – Löhne 680 – Zinsen 140 Ersparnis 100 300 Vorleist. 720 Konsumgüter 250 Inv.güter Vermögensänderungskonto Inv.güter 250 150 Abschr. 100 Ersparnis Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 50 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2012/13 y, s.y y* f(k) 3. Produktion und Wachstum c* (n+d)k s.f(k) s.y* k* Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k Folie 51 Pflichtlektüre: Gärtner, M. (2009), Macroeconomics, S. 240-271. Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. S. 180192; 199-204. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 52 • Unterschiede im Lebensstandard Der Lebensstandard, gemessen durch das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, variiert stark zwischen Ländern. Gemessen durch das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, unterscheidet er sich ca. um den Faktor 100. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 53 • Ursachen für Armut und Reichtum Der Lebensstandard wird maßgeblich von der Produktivität der Arbeitskräfte bestimmt. Unter Produktivität versteht man die Menge an Gütern und Diensten, die in einer Arbeitsstunde produziert werden. Die Produktivität wird maßgeblich durch folgende Produktionsfaktoren bestimmt. Physisches Kapital Humankapital Natürliche Ressourcen Technischer Fortschritt Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 54 • Physisches Kapital Unter Kapital versteht man einen aus der vergangenen Produktion stammenden Faktor, der in die gegenwärtige Produktion eingeht. Physisches Kapital ist der Bestand an Maschinen und Bauten. Wertmäßig entspricht er dem Marktwert aller in der Vergangenheit getätigten Investitionen. • Humankapital Humankapital ist der ökonomische Begriff für das Wissen und die Fertigkeiten, welche Arbeiter durch Erziehung, Training und Erfahrung akquirieren und zur Produktionssteigerung einsetzen können. Wertmäßig wird das Humankapital bestimmt durch die Ausgaben, welche getätigt werden, um den Arbeitskräften das Verständnis neuer Prozesse und Produkte zu vermitteln. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 55 • Natürliche Ressourcen Natürliche Ressourcen sind Produktionsfaktoren, die von der Natur bereit gestellt werden. Beispiele hierfür sind Boden, Metalle oder Öl. Sie werden eingeteilt in erneuerbare Ressourcen, wie z.B. Wälder oder Fischbestände, und nicht erneuerbare Ressourcen, wie z.B. Kohle oder Mineralwasser. • Resource Curse Natürliche Ressourcen sind wichtig. Aber viele Länder mit wenig Ressourcen (Deutschland, Japan) können trotzdem einen hohen Lebensstandard erzielen. Rohstoffbesitzer wie Gabun, Nigeria oder Venezuela sind hingegen teilweise ärmer. Rohstoffeinnahmen bringen oftmals korrupte Regierungen hervor, die Kapital unterschlagen und der Produktion entziehen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 56 • Technischer Fortschritt Unter technischem Fortschritt versteht man das Verständnis innovativer Produktionstechnologien und Organisationsmethoden (Prozessinnovationen) sowie verbesserter oder neuartiger Produkte (Produktinnovationen). • Abgrenzung Humankapital ist im Gegensatz zu technischem Fortschritt fest mit einer Arbeitskraft verbunden. Es kann nicht käuflich erworben und transferiert werden. Während die Erfindung der Schreibmaschine technischer Fortschritt ist, ist das Erlernen der Zehn-Finger-Technik eine Form von Humankapital. Für Humankapital müssen Ausgaben getätigt werden, um den Arbeitskräften das Verständnis neuer Prozesse und Produkte zu vermitteln. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 57 Fallstudie II. Fallstudie China China, 2011/12 BIP: 47156 Mrd. Yuan Bevölkerung: 1343 Mio. Pro-Kopf-Produktion: 35100 Yuan Preis Big-Mac: 15,65 Yuan Wechselkurs: 6,40 Yuan/US $ Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 58 Entwicklung China 20.0 Wachstum BIP 18.0 45 Inflation Leistungsbilanzüberschuss (in Prozent des BIP) 16.0 Investitionen (als Prozent des BIP; zweite Achse) Fallstudie 14.0 40 12.0 10.0 8.0 35 6.0 4.0 2.0 30 0.0 -2.0 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff 2010 2008 2006 2004 2002 2000 1998 1996 1994 1992 1990 1988 1986 1984 1982 25 1980 -4.0 Folie 59 Fallstudie • 1978: Privateigentum an landwirtschaftlichen Überschüssen. • 1984: Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen – dort Experimente mit eigenen Wirtschaftsgesetzen. Ausländische Investoren als Minderheitseigner willkommen. Schrittweise Preisliberalisierung und Aufhebung der Mengenplanung. • 1989-1992: Politische Krise. • 1992-2002: Privatisierung kleiner Staatsunternehmen und Bankenreform. Später Privateigentumsrechte und WTO-Beitritt. • 1994-2010: Stetige Erhöhung der Devisenreserven auf derzeit 2500 Mrd. US $. Keine Aufwertung des Yuan. • Seit 2008: Erhöhung der Investitionen um dem durch die Finanzkrise bedingten Nachfrageausfall entgegenzuwirken. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 60 • Produktionsfunktion Eine Produktionsfunktion gibt ein Verhältnis zwischen der Menge an Einsatzfaktoren und der erzielten (Brutto-) Produktionshöhe an. Yb=AF(N, K, H), FN>0, FK>0, FH>0. • Variablen: Yb das Bruttoinlandsprodukt (die Produktion), A die Produktionstechnologie, N die Anzahl an Arbeitskräften, K die Menge an physischem Kapital, H die Menge an Humankapital und F() eine Funktion, welche diese Faktoren kombiniert. Auf die Berücksichtigung von Rohstoffen wird hier verzichtet. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 61 • Konstante Skalenerträge Eine Produktionsfunktion hat „konstante Skalenerträge“ wenn für jede positive Zahl x gilt: xYb=AF(xN, xK, xH) Eine Verdoppelung aller Einsatzfaktoren führt zu einer Verdoppelung der Produktion. • Zur Plausibilität Wenn zu einer existierenden Betriebsstätte eine zweite, identische an einem anderen Ort und unter sonst gleichen Bedingungen erstellt wird, sollte diese die gleiche Produktion hervorbringen können. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 62 • Die Frage der Konvergenz Sind Länder mit niedrigem Einkommen durch höhere Wachstumsraten gekennzeichnet? Falls dies so wäre, würden Einkommensunterschiede im Zeitverlauf abgebaut. Dies wird als catch-up-Effekt bezeichnet. • Konstante Skalenerträge und Grenzerträge Ersetzen wir x durch 1/N, dann folgt: Yb/N=AF(1, K/N, H/N)= Af(K/N, H/N). Der Term „1“ in der Funktion ist überflüssig. Wir können ihn auch weglassen und zur Unterscheidung der Funktion den Kleinbuchstaben, f(), verwenden. Hierbei ist nun Yb/N die Produktion pro Arbeitskraft, K/N der Kapitaleinsatz je Arbeitskraft und H/N das Humankapital je Arbeitskraft. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 63 Werden alle Pro-Kopf Einsatzfaktoren der gegebenen Produktionsfunktion verdoppelt, so ergibt sich nur ein unterproportionaler Anstieg: AF(1, 2.K/N, 2.H/N) < 2.Yb/N Dies ergibt sich, da die 1 nicht verdoppelt wird. Konstante Skalenerträge einer Produktionsfunktion implizieren somit sinkende Grenzerträge der Pro-Kopf-Produktion. Einsatzfaktoren werden mit steigendem Einsatz tendenziell unproduktiver. Daher haben Länder mit geringer Ausstattung eine höhere Grenzproduktivität und damit einen Produktionsvorteil gegenüber reicheren Ländern. Dies könnte einen catch-up-Prozess begünstigen und damit eine Konvergenz. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 64 Quelle für Graphik: Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 65 Wachstum und Pro-Kopf-Inlandsprodukt in US-Staaten Quelle: Barro und Sala-i-Martin (1995), Economic Growth, S. 28. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 66 • Empirische Evidenz zu Konvergenz Konvergenz scheint gemäß empirischer Evidenz dort vorzuliegen, wo Länder relativ ähnliche Ausgangsbedingungen haben. Für die Welt insgesamt liegt gemäß empirischer Evidenz keine Konvergenz vor. Eine mögliche Begründung hierfür könnte darin liegen, dass Länder sich in wichtigen Voraussetzungen unterscheiden. Diese Voraussetzungen wollen wir im Rahmen eines Wachstumsmodells darstellen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 67 • Anwendung Cobb-Douglas-Produktionsfunktion Für das Solow-Wachstumsmodell wird oftmals eine Cobb-DouglasProduktionsfunktion unterstellt: Yb=AF(N,K)=AKaN1-a , 0<a<1. Positive und abnehmende Grenzerträge (gleiches gilt nur N): dYb/dK=AaKa1N1-a>0; d2Yb/dK2= Aa(a1) Ka2N1-a <0. Konstante Skalenerträge: A(xK)a(xN)1-a = AxaKax1-aN1-a =xAKaN1-a=xYb. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 68 b Yb=F(K,N) Kapital K Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 69 • Vereinfachung Wir verzichten auf eine explizite Berücksichtigung des Humankapitals. Dies kann aber unter K subsumiert werden. Als Schreibweise in Pro-Kopf-Termen gelte k=K/N und y=Yb/N: y=Yb/N=F(K,N)/N= f(k). Das Pro-Kopf-Einkommen, y, ist somit eine positive, aber abnehmende Funktion des Pro-Kopf-Kapitalstocks, k. Mit der Funktion wird das Verhalten einer einzelnen Wirtschaftseinheit, einem Kopf der Bevölkerung, dargestellt in Abhängigkeit des durchschnittlichen Kapitalstocks. Diese Wirtschaftseinheit wird nicht nur produzieren und in Höhe der Produktion ein Einkommen erzielen. Sie wird Teile dieses Einkommens für Konsumzwecke verwenden und andere Teile für Investitionszwecke. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 70 • Konsumieren und Investieren Wir unterstellen, dass die Wirtschaftseinheit eine feste Relation wählt für die Aufteilung des Einkommens in Konsum und Investition. Bei einer festen Aufteilung beträgt somit die gesamte Investition pro Kopf sy und der Konsum (1-s)y. • Sparen und Investieren Die Investitionsquote ist in dem Modell identisch zur Sparquote der Wirtschaftseinheit. Daher bezeichnen wir den Anteil als „s“ (savings). Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 71 • Dynamische Anpassung Wie verändert sich der Kapitalstock über die Zeit? Zur Berechnung müssen wir von den Bruttoinvestitionen (I) die Abschreibungen (dK) abziehen: K=I-d K =sF d K K/N=s f k -d k Wie verändert sich die Pro-Kopf-Kapitalausstattung über die Zeit? Diese variiert sowohl mit Veränderungen der Kapitalausstattung als auch mit Veränderungen der Bevölkerung (= des Arbeitseinsatzes). Es gilt: k d K N dt NK-KN K KN = 2. = 2 N N N Wir nehmen an, dass ein konstantes Bevölkerungswachstum exogen vorgegeben ist. Es gilt somit N(t)=ent und daher: nN N Einsetzen erbringt: k K N nk . Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 72 • Resultat: Für die Dynamik des Pro-Kopf-Kapitalstocks folgt k s f k - d n k . Ein Anstieg des Pro-Kopf-Kapitalstocks ergibt sich, wenn von den aus der bestehenden Produktion resultierenden Pro-Kopf-Investitionen die Abschreibungen abgezogen werden. Ferner müssen neue Arbeitskräfte mit demselben Kapitalstock ausgestattet werden. • Notwendige Investitionen Der Pro-Kopf-Kapitalstock verringert sich durch Abschreibungen, welche proportional zum existierenden Kapitalstock sind. Zusätzlich verringert sich der Pro-Kopf-Kapitalstock durch einen Anstieg der Bevölkerung, da der bestehende Kapitalstock dann auf mehr Arbeitskräfte zu verteilen ist. Diese beiden Effekte zusammen bewirken ein Schrumpfen des Pro-KopfKapitalstocks gemäß (d+n)k . Zum Erhalt des Pro-Kopf-Kapitalstocks müssen die Investitionen gerade (d+n)k betragen. Diese Größe wird daher auch als „notwendige Investition“ bezeichnet. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 73 • Anwendung Cobb-Douglas-Produktionsfunktion: y=AKaN1-a/N = Aka . Einsetzen für y erbringt für die Dynamik der Anpassung: k s Ak a - d n k . Dies verdeutlicht erneut die Dynamik: Mit den aus der bestehenden Produktion resultierenden Pro-Kopf-Investitionen müssen zuerst die Abschreibungen beglichen werden. Ferner müssen neue Arbeitskräfte mit demselben Kapitalstock ausgestattet werden. Ein Anstieg des Pro-Kopf-Kapitalstocks ergibt sich nur, wenn die notwendigen Investitionen geringer sind als die tatsächlichen Investitionen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 74 y, s.y f(k) steady state y* c* (n+d)k y0 s.f(k) c0 s.y s.y* 0 Notwendige Investition k0 k* Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k Folie 75 • Steady-state Ein steady-state ist definiert als eine Situation, in der alle makroökonomischen Aggregate mit einer über die Zeit konstanten Rate wachsen. Hierfür ist ein konstanter Pro-Kopf-Kapitalstock (k*) erforderlich. Im steady-state gilt bei einer Cobb-Douglas-Produktionsfunktion: s Ak a = d n k Pro-Kopf-Kapitalstock im steady-state: 1 (1a ) sA k* d n K, Yb und C wachsen mit der konstanten Wachstumsrate n. Ihr Niveau wird bestimmt von der Technologie, A, der Sparquote, s, der Wachstumsrate der Bevölkerung, n, und der Abschreibungsrate, d. Ein fortgesetztes Wachstum von Pro-KopfVariablen lässt sich mit dem Modell nicht erklären. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 76 Eine Verlagerung der Produktionsfunktion y, s.y y*2 f2(k) f1(k) y*1 (dn)k sy*2 s.f2(k) s.f1(k) sy*1 k*1 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k*2 k Folie 77 Eine Erhöhung der Sparquote y, s.y y*2 y*1 f(k) s2y*2 s2.f (k) (dn)k s1.f (k) s1y*1 k*1 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k*2 k Folie 78 Pro-Kopf Einkommen und Investitionsquote 100000 LUX Bruttoinlandsprodukt Pro-Kopf in Kauflkraftparität, US $, 2008 . KWT USA GBR NLD CAN SWE DNK DEU FRA ITA ISR SAUOMN TTO NOR HKG CHE ISL FIN AUS MLT SGP JPN GRC KOR HUN CHLARG MEX CRI BRA ZAF COL DOM ECU SLV EGY SWZ FJI PRY GTM LKA BOL SYR MARIDN PHL HND IND SAS NIC PAK CMR PNG SDN MRT SEN CIV KEN BEN GHA GMB ZMB TCD BGD BFA NPL MLI UGA MDG RWA TGO MWI CAF NER URY TUR 10000 1000 MYS VEN PER TUN SUR GAB BWA IRN THA DZA CHN COG GUY LSO BDI ZAR 100 10 15 20 25 30 35 Physische Investitionen in Prozent des Inlandsprodukts, Durchschnitt 1960-2009 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 79 Eine Erhöhung der Wachstumsrate der Bevölkerung y, s.y y*1 y*2 f(k) (dn2)k (dn1)k sy*1 sy*2 s.f (k) k*2 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k*1 k Folie 80 Pro-Kopf Einkommen und Geburtenrate Bruttoinlandsprodukt Pro-Kopf in Kauflkraftparität, US $, 2008 . 100000 LUX MAC NOR SGP USA HKG IRL CHE N LD AUT CAN AUS ISL SWE DNK DEU GBR FIN JPN FRA BEL ESP ITA GRC SVN CYP NZL KOR CZE MLT PRT SVK EST HUN HRV LTU POL LVA ARE BRNKWT BHR ISR TTO OMN SAU LBY MEXGAB BWA MYS TUR PAN LBN IRN CRI BRA ZAF LCA VCT AZE GRD COL DOM THA PER DZA JAM TUN ECU ALB SUR TKMSLVBLZNAM AGO JOR MDV EGY BTN GTMSWZ FJI TON PRY SYR WSM VUT MAR BOL IDN COG HND PHL CPV IRQ MNG GUYIND VNM FSM NIC UZB PAK SLB YEM DJI PNG CMR LAO SDN NGA MRT KHM TJK SEN STP CIV LSO GHA BEN KEN GMB ZMB BGD TCD TZA BFA MLI UGA HTINPL COM MDGGINRWA AFG ETH TGO MOZ MWI TMP SLE CAF ERI GNB ARG CHL MUS BLR ROM URY BGR MNE MKD BIH UKR CHN ARM GEO 10000 GNQ MDA 1000 BDI NER LBR ZAR 100 0 10 20 30 40 50 60 Geburten pro 1000 Einwohner, Durchschnitt 1960-2009 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 81 • Modelltheoretische Implikationen zur Konvergenz Eine Angleichung des Pro-Kopf-Einkommens (Konvergenz) können wir erwarten, wenn die Produktionstechnologie, die Sparquote, das Wachstum der Bevölkerung und die Abschreibungsrate der jeweiligen Länder gleich sind. Mit Konvergenz ist dort nicht unbedingt zu rechnen, wo diese Größen unterschiedlich sind. Solche Unterschiede sind geeignet, die empirischen Belege für eine weltweit fehlende Konvergenz zu begründen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 82 Wettstreit der Lehrmeinungen • Kritik des Wachstumsmodells Reiche Länder verfügen evtl. über bessere Möglichkeiten, technischen Fortschritt anzutreiben (endogene Wachstumstheorie). Dies könnte auch erklären, warum Konvergenz oftmals ausbleibt. Im Rahmen des Modells findet kein Handel zwischen den verschiedenen repräsentativen Haushalten statt. Jeder Haushalt hat es daher zu leicht, rationale Entscheidungen zu treffen, ohne dabei auf die komplizierte Interaktion mit anderen Haushalten achten zu müssen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 83 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2012/13 y, s.y y* 4. Geld und Inflation c* f(k) (n+d)k s.f(k) s.y* k* Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k Folie 84 Pflichtlektüre: Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. S. 75108; 524-525. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 85 • Inflation Unter Inflation, p, versteht man eine Situation, in der die Lebenshaltungskosten in einer Volkswirtschaft ansteigen. Deflation bezeichnet dagegen die gegenteilige Situation sinkender Lebenshaltungskosten. Die Lebenshaltungskosten sind ein Maß für die gesamten Kosten der Güter und Dienste, welche von einem typischen Konsumenten gekauft werden. Ein Anstieg der Lebenshaltungskosten bedeutet, dass ein typischer Konsument mehr Euro ausgeben muss, um den Lebensstandard zu halten. Das Statistische Bundesamt stellt hierfür monatliche Daten zur Verfügung. Diese erlauben es, die zeitliche Veränderung der Lebenshaltungskosten zu verfolgen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 86 • Verbraucherpreisindex Die Lebenshaltungskosten werden auch „Verbraucherpreisindex“ genannt und im Folgenden mit P gekennzeichnet. Zur Bestimmung der Lebenshaltungskosten muss zunächst ein Warenkorb bestimmt werden. • Warenkorb Der Warenkorb enthält die wichtigsten Güter eines typischen Konsumenten. Mit Hilfe von Befragungen von Haushalten werden in periodischen Abständen die passenden Gewichte der einzelnen Güter bestimmt. Haushalte werden hierzu seitens des Statistischen Bundesamtes aufgefordert, ein Jahr lang über ihre Einnahmen und Ausgaben Buch zu führen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 87 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 88 • Messung der Inflation Zu den Gütern des Warenkorbes werden regelmäßig die Preise zusammengetragen. Hiermit können dann die gesamten Kosten des Warenkorbes zu unterschiedlichen Zeitpunkten bestimmt werden. Ein Jahr wird als Basisjahr festgelegt und die Ergebnisse anderer Jahre mit denen des Basisjahres verglichen. Die Inflationsrate, p, im Jahre 2012, beispielsweise, ergibt sich gemäß: 𝑃2012 − 𝑃2011 𝜋2012 = × 100 𝑃2011 • Bias in der Messung Der Verbraucherpreisindex ist ein akkurates Maß für das Preisniveau des ausgewählten Warenkorbes, aber er ist kein perfektes Abbild der Lebenshaltungskosten. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 89 1. Substitutionsbias Veränderungen relativer Preise bewirken eine Veränderung des Warenkorbes hin zu preiswerteren Produkten. Durch diese Substitutionseffekte wird der gesamte Warenkorb günstiger. Der Index unterstellt einen konstanten Warenkorb, vernachlässigt also diesen Substitutionseffekt. Hierdurch überschätzt der Index die Inflationsrate. 2. Einführung neuer Produkte Der Warenkorb vernachlässigt die veränderte Kaufkraft, welche durch die Einführung neuer Produkte entsteht. Neue Produkte erhöhen die Wahlmöglichkeiten eines Konsumenten. Dies macht jeden Euro wertvoller. Konsumenten brauchen weniger Euro, um den gleichen Lebensstandard zu erreichen. Der Verbraucherpreisindex vernachlässigt dies und überschätzt daher die Inflationsrate. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 90 3. Vernachlässigte Qualitätsverbesserungen Wenn sich die Qualität eines Gutes über die Jahre verbessert, erhöht sich der Wert eines hierfür ausgegebenen Euro, ohne dass sich das Preisniveau des Gutes verändert. Sofern im Mittel eher Qualitätsverbesserungen auftreten, kommt es dazu, dass der Verbraucherpreisindex die Inflationsrate überschätzt. • Überschätzung der Lebenshaltungskosten Aufgrund der drei genannten Gründe werden die Lebenshaltungskosten überschätzt. Schätzungen ergeben, dass die gemessene Inflation den tatsächlichen Anstieg der Lebenshaltungskosten um ca. einen Prozentpunkt pro Jahr überzeichnet. Dies kann problematisch sein, sofern ein Inflationsausgleich bei staatlichen Programmen oder in Tarifverhandlungen festgelegt wird (dies wird auch „Indexierung“ genannt. Eine solche Indexierung ist in Deutschland rechtlich aber nur eingeschränkt möglich). Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 91 Interaktives • Inflation Haben Sie Sorge, dass in der Zukunft die Inflation ansteigen könnte? o Ja Nein Gesetzt den Fall, die Inflation würde tatsächlich ansteigen, hätten Sie Sorge, dass dies negative Auswirkungen hätte? o Ja Nein Welche negative Auswirkung würden Ihnen am meisten Sorge bereiten? o Meine Ersparnisse und Vermögen sind weniger wert. o Ich kann mir von meinem jährlichen Einkommen weniger leisten. o Die Wirtschaft wird instabil weil keiner mehr Preisschwankungen versteht. o Die Reichen werden reicher und die Armen werden ärmer. o Andere Gründe. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 92 Die Kosten der Inflation Inflation bei konstantem nominalen Lohneinkommen reduziert die Kaufkraft der Lohnempfänger. Wird mit diesem Argument bereits auf die Kosten der Inflation verwiesen? Nein. Konstanter nominaler Lohn kann mit steigendem Selbstständigenoder Gewinneinkommen einhergehen, denn Produzenten verdienen nominal mehr bei steigenden Preisen. Damit findet eine (evtl. unerwünschte) Umverteilung statt, nicht aber ein allgemeines Sinken des Lebensstandards. Welche Kosten lassen sich klarer identifizieren? Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 93 1. Schuhlederkosten Menschen versuchen, ihre Geldhaltung bei hoher Inflation zu reduzieren. Dies impliziert ein häufigeres Aufsuchen der Bank zum Zweck der Abhebung von zinstragenden Vermögensanlagen. Hierbei entstehen Kosten für die involvierte Zeit und Unannehmlichkeiten. 2. Menukosten Preislisten und Aushängeschilder müssen häufiger aktualisiert werden. Die Bestimmung neuer Preise erfordert kostspielige Informationen, Entscheidungsprozesse, Verhandlungen und Kommunikation. Hierbei werden Ressourcen verbraucht, die ansonsten im Produktionsprozess sinnvoller verwendet werden könnten. Wird hingegen auf häufige Preisanpassungen verzichtet und stattdessen starke Preiserhöhungen relativ selten durchgeführt, dann beeinflusst Inflation die relativen Preise. Dies bewirkt allokative Verzerrungen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 94 3. Konfusion und Unbequemlichkeit Mit Inflation sind reale Werte schwerer über die Zeit zu vergleichen. Geld verliert teilweise seine Bedeutung als Recheneinheit. Eine realistische Darstellung von Kosten, Profiten und Erträgen einer Firma wird so erschwert. Investoren haben größere Schwierigkeiten, erfolgreiche von erfolglosen Firmen zu unterscheiden. Der Kapitalmarkt wird behindert. 4. Willkürliche Umverteilung Die bisher erwähnten Kosten ergeben sich auch bei einer konstant hohen Inflationsrate. Weitere Kosten ergeben sich bei einer unerwarteten Inflation. Bezieher eines nominal fixierten Lohneinkommens werden benachteiligt. Ebenso werden Kreditgeber von einer unerwarteten Inflation benachteiligt, da zumeist in Kreditverträgen die Nominalzinsen fixiert sind. Kreditnehmer werden von Inflation begünstigt, da ihre Tilgung real günstiger wird. Vermögen wird somit willkürlich umgeschichtet. Hierdurch ergeben sich Verteilungsprobleme, evtl. auch eine abnehmende Bereitschaft, mit regulärer Arbeit Einkommen zu erzielen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 95 Interaktives • Inflation Ihr Vorgesetzter kommt in Ihr Büro, teilt Ihnen mit, dass Ihr Lohn steigt und beglückwünscht Sie dazu. Beachten Sie die weitere Beschreibung auf Ihrem mobilen Endgerät! Wie schätzen Sie die Auswirkung dieser Nachricht auf Ihre Arbeitsmotivation ein? Die Arbeitsmotivation würde sich verbessern 1 | 2 | 3 | 4 | 5 verschlechtern Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 96 Der Nutzen der Inflation 1. Vermeidung von Unterbeschäftigung Die Erfahrung lehrt, dass sich Inflation nur durch einen Produktionseinbruch und Unterbeschäftigung reduzieren lässt. Gemäß Schätzungen ist zur Reduzierung der Inflation um einen Prozentpunkt ein temporärer Produktionseinbruch zu erwarten. Aggregiert über den Anpassungszeitraum beläuft sich der Einbruch auf 5 Prozent des Inlandsprodukts (z.B. in den ersten beiden Jahren jeweils 2 Prozent und im dritten Jahr 1 Prozent). Ein temporärer Produktionseinbruch kann auch länger anhaltende nachteilige Folgen haben. Eine Rezession kann Investoren abschrecken. Damit sinkt der Kapitalstock und temporär die Produktivität. Temporäre Arbeitslosigkeit kann auch Humankapital vernichten, weil Erfahrungswissen verloren geht. Fortwährende Inflation vermeidet auch diese Kosten. 2. Besteuerung von Geldvermögen Inflation wirkt wie eine Besteuerung von Geldvermögen und verschafft der Zentralbank und damit dem Staat zusätzliche Einnahmen (Inflationssteuer). In Ländern, in denen das Steuersystem nicht gut funktioniert, kann dies eine effiziente Form der Finanzierung öffentlicher Aufgaben darstellen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 97 3. Verbesserte Anpassung der realen Löhne Nominale Löhne sind teilweise nach unten starr, z.B. weil Gewerkschaften gegen Lohnsenkungen Streiks organisieren können. Bei einer schleichenden realen Entwertung der Löhne durch Inflation bleiben Streiks aber zumeist aus. Dies ist kompatibel mit Umfrageergebnissen: Eine Reduzierung des Nominallohnes bei Nullinflation wird als unfair eingeschätzt, ein konstanter Lohn bei Inflation aber nicht. Dieses Verhalten wird auch als „Geldillusion“ bezeichnet. Eine moderate und konstante Inflation kann daher die notwendige Anpassung der realen Löhne in Krisenbranchen ermöglichen. Dies kann auch langfristig die Produktion eines Landes erhöhen. 4. Verringertes Deflationsrisiko Höhere Inflation verringert das Risiko, dass eine Krise zu Deflation, also einem sinkenden Preisniveau, führt. Warum diese besonders gefährlich ist, wird in Abschnitt 10 gezeigt. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 98 Interaktives • Inflation Welche Inflationsrate, gemessen mit dem VPI, würden Sie für Deutschland bevorzugen? o 0% o 1% o 2% o 3% o 4% oder mehr Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 99 • Optimale Inflation In Abwägung der Vor- und Nachteile der Inflation sollte bedacht werden, dass eine Inflation von Null übermäßig restriktiv wirkt. Aufgrund des Substitutionsbias ist eine Inflationsrate von 1% als Preisniveaustabilität zu werten. Darüber hinaus kann aus den genannten Nutzenerwägungen ein wenig Inflation zugelassen werden. Die EZB hat sich daher ein Inflationsziel von zwischen 1% und 2% gesetzt. Andere Zentralbanken, wie die Norwegens, haben höhere Inflationsziele von 2,5%. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 100 Geld Unter Geld verstehen wir alles, was zur Bezahlung von Gütern und Dienstleistungen oder zur Abdeckung wirtschaftlicher Verpflichtungen akzeptiert wird. Die konkrete Erscheinungsform ist evtl. Änderungen unterworfen. Auch knappe Güter wie Zigaretten oder Butter sind als Geld verwendet worden. Definiert wird Geld insbesondere durch die Funktionen, die es erfüllt. 1. Tauschmittelfunktion (Wertübertragungsfunktion). Naturaltausch ist kaum zu organisieren, da eine doppelte Übereinstimmung der Bedürfnisse oder eine Kette von Tauschtransaktionen organisiert werden muss. Dies würde hohe Suchkosten implizieren. Geld hilft dabei, den Tausch in Kauf und Verkauf aufzuspalten. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 101 2. Recheneinheit; allgemeines Wertausdrucksmittel. Der Wert aller Güter, Forderungen und Verbindlichkeiten wird in Einheiten ein und derselben Bezugsgröße ausgedrückt. Werden 200 Güter gegeneinander getauscht, müssten (n(n-1))/2=19900 Austauschverhältnisse bekannt sein. Ist ein Gut davon eine Recheneinheit, so reduziert sich die Anzahl der Austauschverhältnisse auf 199. Dies bewirkt eine Einsparung an Informationskosten. 3. Wertaufbewahrungsfunktion; Wertspeicher. Oftmals liegt eine zeitliche Trennung von Kauf und Verkauf vor. Geld ermöglicht es, Kaufkraft zu „lagern“. Geld hat hierbei allerdings den Nachteil, dass es keine Zinsen abwirft. Andere Formen der Vermögensanlage (Sparguthaben, Wertpapiere oder Sachvermögen) bringen Zinsen, Dividenden, Pacht oder Mieten hervor. Außerdem partizipieren diese u.U. an Preissteigerungen. Dafür ist Geld allerdings risikolos (keine Kursschwankungen). Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 102 • Geldnachfrage Die drei Funktionen implizieren, dass Wirtschaftssubjekte Geld zu halten wünschen. Insgesamt wird um so mehr Geld nachgefragt, je mehr Gütertransaktionen in einer Volkswirtschaft getätigt werden, je höher also das reale Inlandsprodukt ist. Zudem wird bei einem Anstieg des Preisniveaus eine erhöhte Geldhaltung erforderlich. Wird die Geldnachfrage hingegen durch den Verbraucherpreisindex, P, dividiert, so sprechen wir von der „realen“ Geldnachfrage. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 103 • Geldnachfrage und Zinssatz Geld hat im Vergleich zu anderen Vermögensanlagen den Nachteil, keine Zinsen oder Dividenden zu erbringen. Daher werden Wirtschaftssubjekte um so weniger Geld zu halten wünschen, je höher der (nominale) Zinssatz ist. Hierzu können wir uns die Abwägung eines Wirtschaftssubjekts zwischen dem Halten von Geld und dem Halten von festverzinslichen Staatsanleihen (Bonds) vorstellen. Die Geldnachfrage und die Bondnachfrage sind voneinander abhängig. Steigt der Zinssatz, so werden Bonds attraktiver. Wirtschaftssubjekte reduzieren dann die Geldhaltung, um verstärkt die zinstragenden Staatsanleihen zu halten. Bei der knappen Geldausstattung müssen sie für die täglichen Güterkäufe häufiger zur Bank gehen und einen geringen Betrag Bargeld abheben. Bonds werden häufig ge- und verkauft um den Saldo des Girokontos gering zu halten. Bei niedrigen Zinsen wird hingegen mehr Geld gehalten und die häufigen Käufe und Verkäufe von Bonds lohnen sich nicht. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 104 • Reale Geldnachfrage Das nominale Zinsniveau und das reale Inlandsprodukt bestimmen somit die reale Geldnachfrage, Lr. 𝐿𝑟 = 𝐿 𝑌, 𝑖 , mit 𝑑𝐿𝑟 𝑑𝑌 > 0; 𝑑𝐿𝑟 𝑑𝑖 < 0, Bei einer Verdoppelung des Verbraucherpreisindex, P, wird sich die nominale Geldnachfrage ebenfalls verdoppeln. Für alle Güterkäufe ist die doppelte Kasse für Transaktionszwecke notwendig. Daher resultiert für die nominale Geldnachfrage, Ln: 𝐿𝑛 = 𝑃 ∙ 𝐿 𝑌, 𝑖 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 105 i Lr(Y,i) i Lr Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Lr Folie 106 • Kausalität Die Kurve für die Geldnachfrage erlaubt zwei verschiedene Lesarten. Bei einem vorgegebenen Zins zeigt sich, in welcher Höhe die Geldnachfrage resultiert. Es kann aber auch von einer vorgegebenen Geldmenge ausgegangen werden. In diesem Fall bestimmt die Kurve die Höhe des nominalen Zinssatzes. Welche Variante anzuwenden ist, hängt von der Politik der Zentralbank ab. • Verschiebung der Geldnachfragekurve Zwei Variablen können die Geldnachfragekurve nach rechts verschieben: ein höheres Inlandsprodukt und ein exogener Anstieg. Wenn z.B. Bonds als riskant eingestuft werden, wollen Anleger lieber risikoloses Geld halten und erhöhen autonom die Geldnachfrage. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 107 Fallstudie III. Fallstudie Goldstandard Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 108 Fallstudie • Zentralbanken garantieren einen Preis zwischen ausgegebenen Banknoten (und Münzen) und Gold. Sie verpflichten sich, ausgegebene Banknoten gegen Gold zu konvertieren. • Zentralbanken sind damit in der Höhe der ausgegebenen Banknoten beschränkt. • Die Geldmenge wird durch die Höhe der Goldreserven begrenzt. • Die Höhe der Zinsen resultiert bei fixierter Geldmenge aus der Geldnachfragekurve. • Sofern Zentralbanken untereinander ihre Zahlungen in Gold abwickeln und Staaten den internationalen, privatwirtschaftlichen Transfer von Gold erlauben, spricht man von einem internationalen Goldstandard. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 109 Nachteil: Die Höhe der Geldmenge ist fixiert und bestimmt damit den Zinssatz. Damit kann die Höhe der Zinsen nicht mehr den Bedürfnissen der lokalen Wirtschaft angepasst werden. In einer wachsenden Wirtschaft erhöht sich permanent die Geldnachfrage. Ein Zinsanstieg ist nur durch stetige Deflation zu vermeiden. • Vorteil: Staaten können nicht eine unsolide Budgetplanung durch Gelddrucken finanzieren. Fallstudie • Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 110 Fallstudie • 1833: Per Gesetz wird die Bank of England verpflichtet, ausgegebene Noten in Gold zu konvertieren. • 1870-1914: Der Goldstandard setzt sich gegen Silber international durch. Zentralbanken schließen sich Großbritannien an und begründen einen internationalen Goldstandard. • 1919-1931: Währungen werden vereinzelt wieder an Gold gebunden. • 1944: Auf der Konferenz von Bretton Woods wird der Dollar an Gold gebunden und andere Währungen an den Dollar, mit der Möglichkeit der Abwertung. • 1971: Präsident Nixon beendet Bindung des Dollar an Gold. Damit können US-Dollar unbegrenzt emittiert werden. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 111 17 ab. 2011 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 112 • Organisation Die Durchführung der Geldpolitik wird vom EZB-Rat vorgenommen. Der EZB-Rat besteht aus dem Direktorium mit dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und vier weiteren Mitgliedern sowie den Präsidenten der nationalen Zentralbanken. • Grundsätzlich beschließt der EZB-Rat (wie auch das Direktorium) mit einfacher Mehrheit, wobei im Falle der Stimmengleichheit die Stimme des Präsidenten den Ausschlag gibt. Das Direktorium ist für die Umsetzung der Entscheidungen des EZB-Rats verantwortlich. Die Ausführung der Beschlüsse obliegt den Nationalen Zentralbanken auf Weisung des Direktoriums. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 113 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 114 Geldmengenaggregate der Europäischen Zentralbank Stand: März 2012 • Bargeldumlauf im Nichtbankensektor (843) • Sichteinlagen der Nichtbanken bei den Geschäftsbanken (3941) • Einlagen der Nichtbanken bei den Geschäftsbanken mit vereinbarter Laufzeit von bis zu zwei Jahren sowie mit vereinbarter Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten (3836) M1 M2 M3 • Repogeschäfte, Geldmarktfondsanteile und Geldmarktpapiere, Schuldverschreibungen bis zwei Jahre von Nichtbanken (1138) Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 115 • Moderne Zentralbankpolitik Während im Goldstandard die Höhe der Geldmenge fest vorgegeben war, gibt es eine solche Beschränkung für die EZB nicht. Die EZB gibt vielmehr die Höhe der Zinsen vor. Die Höhe der Geldmenge wird dann durch die Geldnachfrage bestimmt. • Monopol bei der Notenemission Die beherrschende Stellung der Zentralbank bei der Bestimmung des Zinsniveaus ergibt sich aus ihrem Recht zur Emission von Banknoten und der Kontrolle des Bankensystems. Genauso bestimmt die EZB über das Ausgabevolumen an Münzen. • Kreditvergabe der EZB an Geschäftsbanken Haushalte und Unternehmen wünschen Geld teilweise in Form von Bargeld zu halten. Wenn Banken Kredite an Unternehmen vergeben, so müssen sie sich für die Auszahlung teilweise Bargeld verschaffen. Hierbei sind sie auf die Zentralbank angewiesen. Die Banken müssen sich zur Versorgung mit Bargeld bei der Zentralbank verschulden. Hierfür bestimmt die Zentralbank die Höhe der zu zahlenden Zinsen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 116 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 117 2012W11 2011W43 2011W23 2011W03 2010W35 2010W15 2009W48 2009W28 2009W08 2008W40 2008W20 2007W52 2007W32 2007W12 2006W44 2006W24 2006W04 2005W36 2005W16 2004W49 2004W29 2004W09 2003W41 2003W21 2003W01 2002W33 2002W13 2001W45 2001W25 2001W05 2000W37 2000W17 1999W49 1999W29 1999W09 1000000 Banknotenumlauf 800000 Kredite der EZB an Geschäftsbanken 600000 400000 200000 0 • Mindestreserve Die Zentralbank hat weitere Möglichkeiten, die Kosten der Kreditvergabe der Banken, und damit die von Unternehmen zu bezahlenden Zinsen, zu beeinflussen. Derzeit müssen die Banken eine verpflichtende Einlage (Mindestreserve) in Höhe von (nur) 1 % der Sichteinlagen, bezogen auf die Girokonten von Haushalten und Unternehmen bei Banken, bei der EZB halten. Vergibt z.B. eine Bank einen Kredit i.H.v. 1000 €, so wird der Kreditnehmer (Unternehmer) hiermit Zahlungen durchführen, die bei Empfängern (z.B. Haushalte) zu Sichteinlagen führen. Dann werden aber 20 € Mindestreserven fällig. In dieser Höhe müssten die Banken Kredite bei der Zentralbank aufnehmen. Je höher die Mindestreserve, desto stärker müssen sich Geschäftsbanken bei der Zentralbank verschulden. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 118 • Arten der Kreditvergabe an die Geschäftsbanken Die Kredite der EZB haben derzeit Laufzeiten von einer Woche (Hauptrefinanzierungsfazilität, Mindestbietungssatz seit Juli 2012: 0,75%) oder drei Monaten (längerfristige Refinanzierungsfazilität). Daneben gewährt die Zentralbank eine unbegrenzte Spitzenrefinanzierungsfazilität zu einem höheren Zinssatz von 1,50% (Stand Juli 2012). Umgekehrt gewährt die EZB den Geschäftsbanken auch die Möglichkeit, überschüssige Mittel bei der EZB zu halten (Einlagenfazilität) und bezahlt den Banken hierfür Zinsen von derzeit allerding 0,00% (Stand Juli 2012). Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 119 • Einfluss der Zentralbankzinsen Die Zentralbank beeinflusst die Höhe, mit der sich Banken untereinander Geld leihen (gemessen mit dem EONIA; Euro OverNight Index Average). Dies lässt sich insbesondere mit Arbitragegeschäften erklären. So kann der EONIA nie über die Spitzenrefinanzierungsfazilität steigen, da sich Banken sonst günstiger über die EZB finanzieren können. Genauso kann der Zinssatz nicht unter das Niveau der Einlagenfazilität sinken, da Banken sonst überschüssige Mittel eher bei der EZB anlegen als diese anderen zur Verfügung zu stellen. Je höher die Zentralbankzinsen und je höher der EONIA, desto kostspieliger ist für Banken die Kreditvergabe. Diese Kosten werden von den Banken durch höhere Zinsen weitergereicht. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 120 5 1999-01 1999-04 1999-07 1999-10 2000-01 2000-04 2000-07 2000-10 2001-01 2001-04 2001-07 2001-10 2002-01 2002-04 2002-07 2002-10 2003-01 2003-04 2003-07 2003-10 2004-01 2004-04 2004-07 2004-10 2005-01 2005-04 2005-07 2005-10 2006-01 2006-04 2006-07 2006-10 2007-01 2007-04 2007-07 2007-10 2008-01 2008-04 2008-07 2008-10 2009-01 2009-04 2009-07 2009-10 2010-01 2010-04 2010-07 2010-10 2011-01 2011-04 2011-07 2011-10 2012-01 2012-04 2012-07 6 Zinssatz Einlagefazilität Zinssatz Spitzenrefinanzierungsfazilität Zinssatz Hauptrefinanzierungsgeschäfte Geldmarktsätze: EONIA (Monatsdurchschnitt) 4 3 2 1 0 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 121 • Die Quantitätstheorie Welches Verhältnis besteht zwischen Inflation und Zentralbankpolitik? Eine einfache und klassische Verbindung wurde bereits von dem englischen Philosophen John Locke im 17. Jhdt. formuliert, die Quantitätstheorie. • Eine einfache Faustformel Die Menge an Gütern einer Volkswirtschaft, Y, könnte proportional zur Höhe der realen Geldmenge, M/P, sein. Ist die reale Geldmenge zu hoch, so sollten langfristig zum Ausgleich die Preise steigen. Dies wird auch als „Neutralität des Geldes“ bezeichnet: Ein Anstieg der Geldmenge beeinflusst nicht die Höhe des realen Inlandsprodukts, sondern nur die Preise. • Umlaufgeschwindigkeit Die genannte Proportionalität impliziert, dass die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes konstant ist, also bildlich gesprochen die Schnelligkeit, mit der ein Euro in der Wirtschaft von einer Geldbörse zur anderen wandert. Umlaufgeschwindigkeit=P.Y/M Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 122 Geld und Preise in der Hyperinflation c) Deutschland Index (Jan. 1921 = 100) 100 Bill. Preisniveau 1 Bill. 10 Mrd. Geldangebot 100 Mill. 1 Mill. 10,000 100 1921 1922 1923 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff 1924 1925 Folie 123 Nominales BIP, Geldmenge und Umlaufgeschwindigkeit 10000 8 9000 7 8000 6 Mrd. DM (ab 1999 €) 7000 5 6000 5000 4 4000 3 3000 2 2000 1 1000 2009 2007 2005 2003 2001 1999 1997 1995 1993 1991 1989 1987 1985 1983 1981 1979 1977 1975 1973 1971 1969 1967 1965 1963 1961 1959 0 1957 0 BIP, Eurozone Geldmenge M1, Eurozone Geldmenge M1, Deutschland BIP, Deutschland Umlaufgeschwindigkeit, M1 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 124 • Zur Brauchbarkeit der Quantitätsgleichung Die Faustformel funktioniert relativ gut bei Hyperinflation, also einer Inflation, welche einen Wert von 50 v.H. im Monat übersteigt. In Zeiten moderater Inflation ist die Umlaufgeschwindigkeit aber nicht konstant. Die Umlaufgeschwindigkeit sinkt bei niedrigen Zinsen, da Haushalte und Unternehmen dann mehr Geld zu halten wünschen. Insgesamt wird dieser Faustformel in der Zentralbankpolitik heutzutage keine herausragende Bedeutung mehr beigemessen. Wir werden den Zusammenhang zwischen Zentralbankpolitik und Inflation noch genauer untersuchen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 125 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2012/13 y, s.y y* f(k) 5. Kurzfristige Schwankungen c* (n+d)k s.f(k) s.y* k* Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff k Folie 126 Pflichtlektüre: Keynes, J.M. (2008), On Air – Der Weltökonom am Mikrofon der BBC. S. 61-69. Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. S. 257262. McDowell, M. et al. (2006), Principles of Economics, S. 703-716. Taylor, J.B. und A. Weerapana (2009), Economics, 6. Aufl., S. 640-670. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 127 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 128 • Wachstum und Konjunktur Gemäß Wachstumstheorie ist mit einem stetigen Wachstum des BIP zu rechnen. Aufgrund technologischen Fortschritts kann dies ein wenig schwanken, wird aber eher einen stetigen Trend aufweisen. Tatsächlich wird aber beobachtet, dass Phasen des Aufschwungs und Phasen der Rezession, also unterdurchschnittlichen Wachstums, auftreten. Manchmal fällt sogar das Inlandsprodukt. Mit dem Inlandsprodukt schwankt auch die Beschäftigung und Arbeitslosigkeit eines Landes. Es existieren auch Depressionen, besonders schwerwiegende Rezessionen. Diese periodischen Entwicklungen werden Konjunkturzyklus genannt. Wie ist ein solches Auftreten von Schwankungen zu erklären? Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 129 Bruttoinlandsprodukt Deutschland Niveau, Quartalszahlen, indexiert (2005=100), Wachstum gegenüber Vorjahresquartal 120 10.00 8.00 100 6.00 80 4.00 2.00 60 0.00 40 -2.00 -4.00 20 -6.00 0 Q1 2010 Q1 2008 Q1 2006 Q1 2004 Q1 2002 Q1 2000 Q1 1998 Q1 1996 Q1 1994 Q1 1992 Q1 1990 Q1 1988 Q1 1986 Q1 1984 Q1 1982 Q1 1980 Q1 1978 Q1 1976 Q1 1974 Q1 1972 Q1 1970 Q1 1968 Q1 1966 Q1 1964 Q1 1962 Q1 1960 -8.00 1960-1990: Früheres Bundesgebiet; ab 1991: Gesamtes Bundesgebiet. Datenquelle: International Financial Statistics, IWF Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 130 • Potentielles Inlandsprodukt Langfristig wird die Produktion durch das Wachstum der Einsatzfaktoren und den technischen Fortschritt bestimmt, also durch die Angebotsseite einer Volkswirtschaft determiniert. Dieses Niveau der Produktion nennen wir auch das „potentielle Inlandsprodukt“ oder die „Vollbeschäftigungsproduktion“. • Gesamtwirtschaftliche Nachfrage Kurzfristig wird die Produktion entscheidend von der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage bestimmt. Deren Niveau kann vom potentiellen Niveau abweichen. Während eines Booms erhöhen Firmen die Produktion, um die zusätzliche Nachfrage zu befriedigen. In einer Rezession wird die Produktion dagegen reduziert, um eine hohe Lagerhaltung zu vermeiden. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 131 • Nachfrage und potentielles Inlandsprodukt Im Wachstumsmodell waren Produktion und gesamtwirtschaftliche Nachfrage identisch. Dies resultierte daraus, dass alles Produzierte nur für Konsum- oder Investitionszwecke verwendet werden konnte. Damit bestimmte das aus der Wachstumstheorie bekannte potentielle Inlandsprodukt, das wir zukünftig mit 𝑌 bezeichnen wollen, die Nachfrage, die wir mit Y bezeichnen. • Abweichungen der Nachfrage vom potentiellem Niveau In der Realität können manche Wirtschaftssubjekte aber auch ihre Investitionen reduzieren und die Ersparnis anderen Investoren zur Verfügung stellen. Sofern andere die Investition erhöhen, wäre die Nachfrage unverändert. Sofern sie aber nicht investieren, wäre die Nachfrage geringer als 𝑌. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 132 • Sektoren der Wirtschaft Für die Bestimmung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage müssen die Sektoren der Wirtschaft einzeln untersucht werden: Private Haushalte Unternehmen Investoren Öffentliche Haushalte Ausland • Rückkopplung Kein Sektor ist alleine verantwortlich für die Bestimmung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Vielmehr beeinflussen die Aktionen eines jeden Sektors die Nachfrage der anderen Sektoren. Dabei ergibt sich oftmals eine positive Rückkopplung: Geben die privaten Haushalte viel Geld aus, wollen die Produzenten viel produzieren und können dann hohe Einkommen verteilen. Investoren sind dann zuversichtlich bezüglich zukünftiger Erträge und steigern ihre Investitionen. Dies verstärkt den Boom. Die gegenteilige Entwicklung stellt sich in der Rezession ein. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 133 Interaktives • Konsum Versetzen Sie sich in Ihre zukünftige Lage im Arbeitsleben. Nach Ihrem Bachelorabschluss fangen Sie als freier Mitarbeiter bei einer mittelständischen Firma an und beziehen ein regelmäßiges Nettojahreseinkommen nach Steuern von € 40.000. Sie sind nicht sozialversichert und besitzen keine relevanten Vermögensobjekte. Beachten Sie hierzu die weitere Beschreibung auf Ihrem mobilen Endgerät! Welchen Anteil Ihres Einkommens werden Sie sparen für die Altersvorsorge? ________% Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 134 Interaktives • Konsum Sie erhalten zusätzlich zu ihrem regelmäßigen Einkommen eine Zahlung von € 20.000. Bitte schätzen Sie ab, wie sie diese verwenden werden. Beachten Sie hierzu die weitere Beschreibung auf Ihrem mobilen Endgerät! Den folgenden Anteil werde ich für kurzlebige Konsumgüter verwenden, (Feier, Urlaub, Kleidung) _______% Den folgenden Anteil werde ich für langlebige Konsumgüter verwenden, (Auto, Musikinstrument, Spülmaschine) _______ % Den folgenden Anteil werde ich sparen, (Bankkonto, Staatsanleihen, Aktien) _______ % Sonstiges _______ % Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 135 • Konsumfunktion Diese positive Rückkopplung lässt sich insbesondere bei den privaten Haushalten vermuten. Für die Konsumentscheidung können viele Einflussgrößen relevant sein (Vermögen, Steuerzahlungen, das zu erwartende Lebenseinkommen …). Im Rahmen der absoluten Einkommenshypothese von Keynes (1936) wird dem laufenden Einkommen eine zentrale Rolle zugewiesen: C = C(Y) Hierbei wird argumentiert, dass ein Anstieg des Einkommens sowohl zu einem Anstieg des Konsums als auch einem Anstieg der Ersparnis führt. • Absolute Einkommenshypothese In linearisierter Form gilt: C = a + cY, mit a>0, autonomer Konsum c, marginale Konsumquote, mit 0<c<1. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 136 Wettstreit der Lehrmeinungen • Kritik der Keynesianischen Konsumfunktion Konsum wird nur in ein Verhältnis gesetzt zu einer anderen endogenen Variablen, nämlich dem Einkommen. Das Einkommen hängt ab vom Verhalten aller anderen Wirtschaftssubjekte einer Volkswirtschaft. Damit wird aber eine Zirkularität geschaffen, ohne eine solide Basis für individuelles Verhalten zu begründen. Eine Mikrofundierung erfordert dagegen, menschliches Verhalten als Optimierungskalkül herzuleiten. Eine solche Herleitung würde konstatieren, dass Zinsen und das zukünftig erwartete Einkommen wichtige Bestimmungsgrößen sind. Ein Einfluss des gegenwärtigen Einkommens wird überschätzt, da beide Größen vom technischen Fortschritt getrieben werden. • Zur Verteidigung Das Verhalten anderer Wirtschaftssubjekte ist so bestimmend, dass rationale Erwägungen wie das zukünftige Einkommen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Zinsen sind empirisch unbedeutend als Bestimmungsgrößen des Konsumverhaltens. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 137 • Ersparnis Die private Ersparnis, S, ist die Differenz zwischen Einkommen und privatem Konsum: S = Y – C. Es folgt in linearisierter Form: S = Y – a – cY = –a + sY; s=1-c Hierbei ist s die marginale Sparquote (0 < s < 1). Für den einzelnen Haushalt ist die Ersparnis nun nicht mehr identisch zur Investition, im Gegensatz zum Wachstumsmodell. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 138 C,S S>0 S = -a+(1-c)Y a S>0 45° -a C = a+cY Y0 Y1 Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Y Folie 139 • Produktionsplanung Für die Produktion lässt sich ebenfalls eine positive Rückkopplung vermuten. Die Produzenten planen die Produktion, Y, kurzfristig in Höhe der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, Y=YD. Diese Annahme unterstellt, dass unterausgelastete Produktionskapazitäten verfügbar sind (Im Gegensatz zu obigem Cartoon). Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 140 • Überauslastung und Unterauslastung Sofern zusätzliche Nachfrage auftritt, können Unternehmen die Maschinen länger laufen lassen und Arbeitskräfte zu Überstunden auffordern. So können Unternehmen eine zusätzliche Nachfrage befriedigen. Bei fehlender Nachfrage ergibt sich hingegen Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit sowie eine Unterauslastung der Kapazitäten. • Fehlende Preisanpassung Wir unterstellen dabei, dass eine zusätzliche Nachfrage nicht die Inflation erhöht. Solche Rückwirkungen werden wir erst später betrachten. Die Inflation und das Preisniveau sind daher im Rahmen der Modellierung konstant (z.B. aufgrund von Menukosten). Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 141 • Einkommen Aus einer erhöhten Produktion entstehen zusätzliche Einkommen, die an die Haushalte ausgeschüttet werden (von einbehaltenen Gewinnen sehen wir hierbei ab). Haben die Haushalte daher den Konsum gesteigert, so erhalten sie auch ein entsprechend höheres Einkommen, mit dem sie den erhöhten Konsum finanzieren können. • Investitionen Auch die Investitionen können von positiver Rückkopplung angetrieben werden. Hiervon wollen wir hier der Einfachheit halber absehen. Wir unterstellen stattdessen, dass Investoren in einem vorgegebenen Ausmaß Investitionsgüter (netto) nachfragen, I=I. Damit lautet die gesamtwirtschaftliche Nachfrage YD=C+I. • Reale Planung Alle Größen wie Konsum und Produktion werden hierbei real geplant. Der Konsumplan bezieht sich also nicht auf eine nominale €-Größe, sondern auf (gewichtete) Mengen an Konsumgütern. Eine Verdoppelung des Preisniveaus würde diesen Konsumplan nicht ändern. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 142 Das Gütermarktmodell (1) Y=YD (2) I=I (3) C=a+cY (4) YD=C+I Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 143 • Zusammengefasstes Modell: Y C I a cY I 1 ˆ Y (a I ) 1 c Multiplikator autonome Komponenten Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 144 • Geplante Größen In dem Modell existieren Verhaltenshypothesen über geplante Größen. Diese sind die Produktion, die Nettoinvestition und der geplante Konsum (Y, I, C). Bei diesen Größen werden die Pläne auch realisiert. • Ungeplante Größen Es gibt aber außerhalb des Gleichgewichts ungeplante Investitionen (Lagerinvestitionen). Bei dem Ungleichgewicht, Y > YD ergibt sich ein ungeplanter Lageraufbau. Bei Y < YD folgt ein ungeplanter Lagerabbau. Bei dieser Größe können Plan und Realisierung also voneinander abweichen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 145 Einkommens-Nachfrage-Diagramm (Keynessches-Kreuz) Y,YD C, I P IU YD=C+I S(Y1) I C=a+cY a+I I=I a 45° Y^ Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Y1 Y Folie 146 • Ersparnis und Investition Das Gütermarktgleichgewicht lässt sich auch dadurch graphisch abtragen, dass die gesamtwirtschaftliche Ersparnis der Nettoinvestition gegenübergestellt wird. • Für die Ersparnis gilt die Definitionsgleichung S=Y-C. • Ferner gilt Y-C=YD -C=C+I-C=I • Damit gilt insgesamt die (alternative) Gleichgewichtsbedingung: S=I Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 147 S, I S=-a+sY P ^ -a I Y Y Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 148 • Störungen des Gleichgewichts Wie verändert sich das Gleichgewicht als Reaktion auf exogene Störungen? Hierzu werden zwei Gleichgewichte miteinander verglichen. Ein solcher Vergleich zweier Ruhezustände wird „komparativ-statische Analyse“ genannt. Wie die Anpassung dabei verläuft, wird dabei nicht behandelt. • Exogene Änderung der Investitionen Sofern die Investitionen ansteigen, dI, können wir die Gleichung Y 1 1 c (a I ) total differenzieren: dY 1 1 c da dI • Ceteris Paribus Sofern sich der autonome Konsum nicht ändert, gilt da=0. Eine solche Konstanz nicht näher betrachteter Variablen wird als „ceteris paribus“Annahme bezeichnet. Es folgt dann: dY dI 1 1 c Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 149 Y,YD, C, I P1 YD=a+cY+I1 YD=a+cY+I0 P0 dI I=I1 dI I=I0 45° Y^0 Y^1 dY (>dI) Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Y Folie 150 • Quasi-dynamische Analyse Der Multiplikatorprozess kann mit Hilfe einer quasi-dynamischen Analyse beschrieben werden. Hierfür wird die Anpassung in einzelne Multiplikatorrunden zerlegt für die angenommen wird, dass die Anpassung nicht sofort erfolgt, sondern eine gewisse Zeit benötigt. Es ergibt sich dann folgende Wirkungskette: I Y C S (Sickerverlust) Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 151 • Darstellung im Kontenrahmen Einkommenskonto Produktionskonto Abschreibungen Einkommen Konsum Konsum Einkommen Ersparnis Investitionen Vermögensänderungskonto Investitionen Abschreibungen Ersparnis Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 152 • Variation des autonomen Konsums Eine andere Störung ergibt sich bei einer Variation des autonomen Konsums. Haushalte könnten die Ersparnis erhöhen durch eine Absenkung von a. Der Multiplikator hierzu lautet: dY da 1 1 c Dies entspricht einer Verschiebung der Nachfragekurve im EinkommensNachfrage-Diagramm nach unten. Alternativ kann eine Darstellung im S/YDiagramm vorgenommen werden. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 153 S, I S=-a1+sY P1 da < 0 ^ Y1 P0 ^ S=-a0+sY I=I Y Y0 -da Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 154 • Sparparadoxon Die Graphik und Berechnung zeigen das sogenannte „Sparparadoxon“: Der einzelwirtschaftliche Versuch, die Ersparnis zu erhöhen, scheitert im gesamtwirtschaftlichen Kontext. • Klugheit des Individuums - Tragödie des Systems Einzelwirtschaftlich halten wir einen Menschen, der hinreichend spart, für weise und vorausschauend. In einer Krise wünschen sich viele eine Rückkehr zu solchen Tugenden. Aber dieses Kalkül verschlimmert die Krise, die Produktion bricht weiter ein und nicht einmal die Ersparnis nimmt gesamtwirtschaftlich zu. Dieser Zusammenhang wird auch fallacy of composition genannt, also der Irrtum, aus der Summe einzelwirtschaftlicher Kalküle auf makroökonomische Zusammenhänge zu schließen. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 155 • Ersparnis, Investition und Zins Bestimmungsgröße für die gesamtwirtschaftliche Ersparnis ist allein die Investition. Das erstaunliche Ergebnis ist, dass nicht etwa das Zinsniveau zu einem Gleichgewicht zwischen Investitionen und Ersparnis beiträgt. Eine jede Investition verschafft sich durch die Multiplikatorrunden die zu ihrer Durchführung notwendige Ersparnis. Das Inlandsprodukt treibt die Ersparnis auf die Höhe der durchgeführten Investitionen. Bereits in der ersten Multiplikatorrunde wird dies erreicht. Alle durch den Multiplikator induzierten Konsumgüterkäufe übertragen die Ersparnistätigkeit nur auf andere Schultern. • Es gibt keine Knappheit an Ersparnissen Dies impliziert, dass Ersparnisse keine Restriktion für die Durchführung von Investitionen darstellen. Wir können also nicht vermuten, dass eine denkbare Knappheit an Ersparnissen die Durchführung einer Investition behindern könnten. Investitionen benötigen keine „vorhandenen“ Ersparnisse, die sich z.B. in Form von Sparguthaben bei Banken angesammelt haben. Es reicht vielmehr aus, dass eine Bank eine Bürgschaft für die Durchführung einer Investition ausstellt. Die Finanzierungsmittel entstehen dann automatisch mit der Durchführung der Investition. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 156 • Solidität der Bank oder des Bankensektors Eine zum Sparparadoxon ähnliche Logik ergibt sich in einer Finanzkrise für den Bankensektor. Einzelne Banken halten wir für solide, wenn sie relativ zu ihren teilweise riskanten Anlagen hinreichend Reinvermögen besitzen. Gehen die Kurse ihrer Anlagen herunter, so vermindert sich ihr Reinvermögen. Daher sollten sie durch Verkäufe ihre Bilanz verkürzen. Diese Maßnahme hilft aber nur der einzelnen Bank. Alle anderen Banken werden durch die Verkäufe und dadurch sinkenden Vermögenspreise noch stärker in die Krise gestürzt. Der Versuch einzelner Banken, die Risiken ihrer Geschäftstätigkeit durch Verkäufe von Finanzvermögen zu verringern, scheitert im gesamtwirtschaftlichen Kontext. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 157 • Welches sind die wichtigsten Konjunkturindikatoren für Deutschland? Der ifo-Geschäftsklimaindex (ifo-GK) beruht auf einer Befragung des ifo-Instituts (München) von über 7000 Unternehmen in Deutschland, gemäß ihrer Einschätzung der Geschäftslage sowie nach ihrer Erwartung für die nächsten 6 Monate (ifo-GE). Die ZEW-Konjunkturerwartungen basieren auf einer Befragung von 400 Finanzmarktexperten (270 Fachleute von Banken und 50 von Versicherungen, 40 Analysten von Kapitalanlagegesellschaften und 40 Vertreter von Industrieunternehmen) des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 158 Der Earlybird-Indikator wird seit 2001 in der Wirtschaftswoche publiziert und seit 1991 von der Commerzbank erstellt. In diesen Index gehen die folgenden (standardisierten) Einzelreihen ein: 1) Der kurzfristige Realzins, d.h. 3-Monats-Euribor bereinigt um den Preisanstieg der Lebenshaltungskosten ohne Energie, negative Wirkung. 2) Jahresdifferenz des realen Außenwerts einer fiktiven DMark, berechnet von der Deutschen Bundesbank, negative Wirkung. 3) Der Einkaufsmanagerindex (NAPM) für das verarbeitende Gewerbe in den USA, positive Wirkung. Weitere Indikatoren wie der Handelsblatt-Frühindikator oder der Konjunkturindikator der FAZ berücksichtigen zusätzliche Größen wie die Einzelhandelsumsätze, den Auftragseingang des verarbeitenden Gewerbes, den Aktienindex oder die Entwicklung der Stellenangebote. Makroökonomik WS 2012/2013, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 159