Es braucht weitere Kinderkrippen

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Freitag, 29. August 2014 / Nr. 198
Kanton/Stadt Zug
Neue Zuger Zeitung
25
«Es braucht weitere Kinderkrippen»
WAHLEN Seit Jahren ist die
SP nicht mehr in der Zuger
Regierung. Die Diplomatin
Christina Bürgi Dellsperger
will dies ändern.
Alleinerziehenden, bei jungen Familien
und natürlich Beschäftigten im Tieflohnbereich. Zug darf aber nicht zum Kanton
der Oberschichten werden. Wir brauchen einen gesunden sozialen Mix – was
wir mit mehr günstigen Wohnungen
erreichen.
WOLFGANG HOLZ
[email protected]
Ein Dauerbrenner in Zug. Wie wollen
Sie das realisieren?
Bürgi: Baugenossenschaften sollen unterstützt werden, beispielsweise, indem Kanton und Gemeinden günstiges Land zur
Verfügung stellen. Möglich sind auch
staatlich subventionierte Hypotheken für
Warum wollen Sie in die Politik?
Christina Bürgi Dellsperger: Das politische
Geschehen interessiert und fasziniert
mich seit sehr langer Zeit. Ich bin im
Europa des Kalten Krieges gross geworden, ich erinnere mich an den Prager
Frühling, ich erinnere mich aber natürlich
auch an die Zeit, als die Frauen in der
Schweiz zum ersten Mal wählen gehen
und sich als Kandidatinnen aktiv einbringen durften. In meiner Familie wurde am Mittagstisch politisiert. Immerhin
war meine Tante Emilie Lieberherr, eine
der grossen Frauenfiguren in der Schweizer Politik, während mein Vater in Zug
im Grossen Gemeinderat als Gewerkschafter und SP-Mitglied aktiv war.
Aber warum wollen Sie gerade Regierungsrätin werden?
Bürgi: Die Politik ist mir, könnte man
sagen, in die Wiege gelegt worden. Deshalb habe ich auch Geschichte studiert,
weil ich aus der Vergangenheit lernen
wollte, um die Zukunft zu gestalten. Und
deshalb bin ich Diplomatin geworden.
Um mitzuwirken, die Schweiz bestmöglich zu positionieren im immer schwieriger werdenden internationalen Umfeld.
Aussenpolitik ist auch Innenpolitik. Und
jetzt ist für mich der richtige Zeitpunkt
da, politische Führungsaufgaben zu übernehmen. Ich möchte, dass Zug, mein
Heimatkanton, von meinen vielfältigen
Erfahrungen profitieren kann.
Ist Ihre Karriere als Diplomatin die
beste Voraussetzung für eine ExekutivPolitikerin, die ja einen klaren Kurs
vorgeben sollte?
Bürgi: Ja. Denn auch als Diplomatin muss
man gelegentlich Klartext sprechen, sei es
bei der Ausarbeitung von Strategien, sei
es bei Verhandlungen. Und dass ich persönlich klare Meinungen habe und dazu
5. Oktober 2014
Kantonale Wahlen
stehe, wissen alle, die mich kennen. Einen
besonderen Vorteil habe ich noch dadurch,
dass ich keinerlei Abhängigkeiten habe.
Dadurch kann ich wirklich die Interessen
aller Zugerinnen und Zuger vertreten.
Trotzdem – Sie haben keine Erfahrung
in einem politischen Exekutivamt.
Man kennt Sie kaum. Ein Nachteil?
Bürgi: Ich habe langjährige Führungserfahrung, welche ich bei der Leitung einer
«Ich bin für eine
bürgerliche Mehrheit»
ft. Karl Kobelt sitzt seit zwei Jahren
im Zuger Stadtrat und ist Finanzchef.
Vorher präsidierte er die Fraktion der
FDP im Grossen Gemeinderat.
Karl Kobelt (FDP,
Zug) kandidiert für
eine weitere
Legislatur als
Stadtrat
Karl Kobelt, vorausgesetzt Sie werden wieder gewählt: Welche drei
Ziele haben Sie sich für die neue
Legislatur gesetzt?
Karl Kobelt: Mein erstes Ziel ist es, die
Stadtfinanzen gesund zu erhalten. Das
ist nötig, um auch in Zukunft Schulen
zu bauen, den Verkehr flüssig zu er-
«Zug darf nicht
zum Kanton der
Oberschichten
werden.»
den sozialen Wohnungsbau. Als ich in
den 60er-Jahren im Herti-Quartier aufgewachsen bin, war dort noch fast alles
grün. Dann hat man den Genossenschaften Grund und Boden gegeben, um günstigen Wohnbau zu realisieren.
«Wir brauchen einen gesunden sozialen Mix»: Christina Bürgi Dellsperger will
die SP wieder im Zuger Regierungsrat vertreten.
Bild Stefan Kaiser
Direktion einbringen kann. Es ist ja nicht
so, dass diejenigen Regierungsräte, welche
vorgängig kein Exekutivamt ausgeübt haben, die schlechteren Amtsträger sind.
Im Zuger Regierungsrat ist allerdings
schon eine Frau vertreten – und auch
noch eine Linke. Haben Sie da wirklich Chancen?
Bürgi: Ich würde nicht antreten, wenn ich
mir keine Chancen ausrechnete. Wie viele
beziehungsweise wie wenige Frauen schon
im Zuger Regierungsrat sitzen, hat mit
meinen Wahlchancen nichts zu tun. Wobei
ich es natürlich bedauere, dass die bürgerlichen Parteien nur mit Männern antreten.
Was ist aus Ihrer Sicht denn der grösste Trumpf, mit dem Sie bei den Wählern punkten können?
Bürgi: Ich bin Zugerin, bin hier aufgewachsen und habe alle Schulen besucht.
Nach dem Studium war ich als Lehrerin
an der Kantonsschule und am KV tätig.
Diese Verbundenheit hat sich durch meine Arbeit als Diplomatin womöglich noch
verstärkt. Viele der heutigen Probleme,
vor denen wir stehen, haben einen internationalen Bezug. Ich denke insbesondere an die Themen Steuern, Finanzregulierungen, Energiepolitik. Hier kann ich
meine langjährige Erfahrung, aber auch
mein Netzwerk auf nationaler als auch
halten, Ruhe und Ordnung zu gewähren,
Sozialleistungen bereitzustellen und andere Angebote des Service public aufrechterhalten zu können. Als zweites
Ziel strebe ich mehr Effizienz in der
Verwaltung an. Wenn dies weiterhin im
aktuellen Klima der Wertschätzung
gegenüber allen Mitarbeitenden geschieht, werden diese offen für die
damit verbundenen Neuerungen sein.
Drittens will ich die Immobilienstrategie
zielführend fortführen und erfolgreich
umsetzen. Sie verlangt langfristiges Denken und trägt dazu bei, dass wir auch
in Zukunft in der Lage sind, Wohn- und
Erholungsraum sowie Arbeits- und Bildungsstätten an dafür geeigneten Orten
in der Stadt Zug zu schaffen.
Ein bürgerliches Komitee setzt sich
für einen bürgerlich dominierten
Stadtrat ein. Braucht es aus Ihrer
Sicht diesen Wechsel?
Kobelt: Ja. Eine bürgerliche Mehrheit
im Stadtrat wird die Interessen von
Gewerbe und Wirtschaft stärker in den
Vordergrund rücken. Das ist richtig.
Denn das Miteinander und gedeihliche
Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten hat die Stadt Zug starkgemacht.
Zur Person
" Name: Christina Bürgi Dellsperger
" Partei: Sozialdemokraten, SP
" Alter: 54
" Zivilstand: verheiratet
" Beruf: Diplomatin
" Hobbys: Reisen, Fotografieren,
Sport, Kino, Klavierspielen, Backen,
London, Krimis schreiben
" Ämter: Übt aufgrund vieler Versetzungen momentan keine ehrenamtlichen Funktionen aus
internationaler Ebene zur Erarbeitung von
guten Lösungen einbringen.
Apropos Zug und das europäische
Ausland. Bei der Abstimmung über die
Masseneinwanderungsinitiative haben
die Zuger sich hauchdünn gegen die
Pläne der SVP ausgesprochen. Gibts
da überhaupt eine Lösung?
Bürgi: Es gibt immer Lösungen. Ich bin
froh, dass in Zug eine Mehrheit mit Nein
gestimmt hat. In unserem Kanton wirkt
die SVP-Initiative geradezu paradox. Die
bürgerlichen Politiker fordern, dass möglichst viele Firmen nach Zug kommen,
Das hat viele Vorteile, ich nenne
zwei: kurze Wege vom Wohn- zum
Arbeitsort und aus finanzpolitischer
Sicht eine gesunde Balance der Steuereinnahmen von Privatpersonen und
Unternehmen.
5. Oktober 2014
Kantonale Wahlen
Die Stadt Zug steckt finanziell in
einem strukturellen Defizit. Sind Sie
dafür, dass aus diesem Grund die
Steuern erhöht werden?
Kobelt: Nein, es gibt weit zweckmässigere und vor allem nachhaltigere Mittel,
um dem strukturellen Defizit zu begegnen. Der Stadtrat hat diese definiert
und realisiert. Sie reichen von Spar- und
Verzichtsmassnahmen über Mehreinnahmen ausserhalb des Steuerbereichs
bis hin zu einer Entlastung der Ausgleichszahlungen. Im Rechnungsergebnis des letzten Jahres haben wir bereits
und damit natürlich hoch qualifizierte
Expats. Gleichzeitig will die SVP den Zuzug von Ausländern kontingentieren.
Käme es tatsächlich so weit, würde das
künftig bedeuten, dass nicht nur nach
Zug nicht mehr so viele ausländische
Firmen kommen würden, sondern dass
diese sich möglicherweise auch zurückziehen. Das könnte für die Schweizer
Wirtschaft verheerende Folgen haben.
Und zwar auch für Branchen wie Gastronomie und Landwirtschaft, denen dann
plötzlich massiv Leute fehlen würden.
Unterm Strich wäre es ja gerade für diese nicht gerecht, wenn wegen der Kontingentierung inskünftig nur noch Hochqualifizierte kämen.
Bis jetzt ist Zug noch eine Insel der
Seligen und des Wohlstands – was
wollen Sie da noch verbessern?
Bürgi: Der Kanton Zug ist sicher gut aufgestellt. Den meisten Leuten gehts recht
gut, aber nicht allen. Ich denke da in
erster Linie an Senioren. Diesen könnte
man sich vermehrt annehmen – in Sachen
Wohnsituation und Spitex etwa. Schliesslich grassiert bei vielen älteren Personen
die Urangst, dass das Geld vor allem
aufgrund der ständig steigenden Gesundheitskosten nicht reicht. Nicht alle Senioren haben eine zweite Säule. Eine schwierige Situation findet sich oft auch bei
eine Verringerung des Defizits erzielt.
Eine Erhöhung der Steuerbelastung
wäre mit Blick auf den verschärften
nationalen und internationalen Standortwettbewerb ein völlig falsches Zeichen.
Im Frühling 2015 stimmen die Zuger
über den Stadttunnel ab. Sind Sie
für oder gegen dieses Projekt?
Kobelt: Ich bin für den Stadttunnel. Dies
unter der Voraussetzung eines angemessenen, aber tragbaren Kostenbeitrags der Stadt Zug. Das Jahrhundertbauwerk Stadttunnel wird die Attraktivität der Innenstadt markant erhöhen.
Der Vergleich mit anderen Städten zeigt:
Eine verkehrsbefreite oder beruhigte
Innenstadt schafft Lebensqualität – zum
Wohl des Gewerbes und der Bevölkerung.
Für viele Familien ist das Lebenshaltungsniveau in Zug sehr hoch. Beispielsweise fehlen noch immer Kinderkrippen, vor allem subventionierte.
Bürgi: Das ist richtig. Die Schweiz liegt in
der Kinderbetreuung im Vergleich zu anderen Ländern noch hinten. In Skandinavien, aber auch in Frankreich, sind
Kleinkinderbetreuungsplätze sowie Ganztagesschulstrukturen selbstverständlich.
Es geht hier aber auch darum, dass
Frauen die Möglichkeit haben, Familie
und Arbeit respektive Karriere zu vereinbaren, wenn sie das möchten. Vielleicht
sollte man in den kommenden Jahren im
Kanton Zug lieber mehr Kinderkrippen
und Tagesbetreuungsangebote schaffen,
als neue Strassen zu bauen.
Womit wir beim Verkehr wären. In
Zug gibts immer wieder Staus. Ein
Stadttunnel ist geplant. Brauchts den
wirklich?
Bürgi: Ich bin eher dagegen, weil er teuer ist und den alten Stadtkern von 1500
kaputtmachen würde. Mir missfällt, dass
die Ein- und Ausfahrten des Tunnels so
zentrumsnah liegen – und nicht weiter
draussen. Ich würde den ÖV weiter verdichten, um die Staus im Kanton zu
bekämpfen. In Tokio fährt alle 90 Sekunden eine Stadtbahn – neben all den
überregionalen Zügen und der U-Bahn.
Bei genügendem Wohnungsangebot in
der Nähe der Arbeitsplätze gibt es sofort
auch weniger Verkehr. Und seit Jahren
plädiere ich dafür, die Telearbeit zu Hause weiter auszubauen. Mit den heutigen
Kommunikationsmitteln sollte es doch
möglich sein, dass viele einen Tag pro
Woche zu Hause arbeiten könnten. Das
gäbe mehr Platz in den Zügen und weniger Autos auf den Strassen. Weniger
Stress, weniger Ärger, und die Umwelt
würde grad auch noch profitieren.
ANLÄSSE
Ultimate Frisbee
ZUG red. Heute ab 19.45 Uhr spielen
auf der Schützenmattwiese die Solebang aus Cham und die Crazy
Dogs aus Stans gegeneinander.
«Gregor Bruhin in den
Gemeinde- und
Kantonsrat, weil er sich
für mehr Freiheit und
weniger Vorschriften
einsetzt.»
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Sarah Rusan-Trutmann,
Versicherungskauffrau, Zug
PERSÖNLICH
Karl Kobelt (55) rückte 2012 als Nachfolger von
Ivo Romer in den Zuger Stadtrat nach. Er ist
Finanzchef der Stadt. Er sass von 2007 bis 2012 im
Grossen Gemeinderat und präsidierte die FDPFraktion. Von 2008 bis 2012 war er in der
Kommunikationsbranche tätig mit einer eigenen
Firma.
2x au f je
de Liste
Gregor Bruhin
in den Gemeinde- und Kantonsrat von Zug
www.gregor-bruhin.ch
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