ZOLLERNALB KLINIKUM gGmbH Hypo- und hyperglykämisches Koma auf der Intensivstation Krankenhaus Albstadt Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Tübingen Innerbetriebliche Fortbildung (IBF) der Zollernalb-Klinikum gGmbH Diabetische Komaformen auf der Intensivstation Referent: OA Dr. Stefan Teipel Klinik für Kardiologie, KH Albstadt Zollernalb-Klinikum gGmbH Termin: 25.02.2010 KH Albstadt 2 Hypoglykämie - Symptome Zeichen der sympathikoadrenerger Gegenregulation Schwitzen, Zittern, Heißhunger, Herzklopfen, Angst, Blässe, Übelkeit Hypoglykämie - Therapie Zeichen des zerebralen Glucosemangels Kopfschmerzen, verschwommenes Sehen, Doppelbilder, Schwäche, Schwindel, Verwirrtheit, auffälliges Verhalten, Aggressivität, Hemiparese, Aphasie, Krampfanfälle, Koma bei erhaltenem Bewusstsein: 10-20 g Traubenzucker, 1 Glas kohlenhydrathaltiges Getränk bei Bewusstlosigkeit: Glucose 40% 40-100 ml (10ml = 4 g) Glucagon 1 mg i.m. 3 Glucosestoffwechel 4 Wirkung kontra-insulinärer Hormone Hormon Insulin Glukagon Adrenalin Cortisol + - Glukose Aufnahme in die Zelle Silbernagl/Despopoulos: Taschenatlas der Physiologie 5 + Glykolyse + - + - Gluconeogenese - + + + Glykogen Bildung Abbau Abbau Bildung Fett Bildung Abbau Abbau Abbau Differentialdiagnose ketoazidotisches/hyperosmolares Koma Ketoazidotisches Koma Hyperosmolares Koma Alter jedes Meist > 50. Lebensjahr Patienten Diabetes mell. Typ 1 Diabetes mell. Typ 2 Beginn 1-24 Stunden 1 Tag bis 2 Wochen Symptome Somnolenz bis Koma Kussmaul-Atmung Acetongeruch Exsikkose Somnolenz bis Koma Krampfneigung Plasmaglucose (mg/dl) >250 >600 arterieller pH < 7,30 >7,30 Serumbicarbonat (mmol/l) <15 >15 Serumosmolarität (mmol/kg) <320 >320 Ketonkörper im Urin moderat bis hoch -/Spur Symptomatik des diabetischen Komas Kardinalsymptome: Polyurie, Durst, Gewichtsabnahme Schwäche, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Inappetenz, Übelkeit, Erbrechen Acetongeruch, Kußmaulsche Atmung (Azidose) prärenales Nierenversagen Tachykardie, stehende Hautfalten, trockene Schleimhäute Bewußtseinslage korreliert überwiegend mit der Plasmaosmolarität und weniger gut mit dem Ausmaß anderer laborchemischer Veränderungen wie Blutglucose, pH-Wert, Natrium- und Ketonkörperkonzentration 8 Auslösende Ursachen eines diabetischen Komas Osmolalität Anzahl gelöster Teilchen/kg Lösungsmittel fehlende exogene Insulinzufuhr Erstmanifestation eines bislang unbekannten Diabetes mellitus unterlassene Injektion, Defekte Insulinpumpe/disloziierte Nadel ungenügende exogene Insulinzufuhr erhöhter Insulinbedarf Infekt Operation Diätfehler Operation, Trauma Herzinfarkt Hyperthyreose Therapie mit Kortikosteroiden 9 Natriumkonzentration beim hyperosmolaren Koma Netto-Natriumverlust von ca. 600 mmol Natriumverlust durch osmotische Diurese Hyponatriämie wird begünstigt durch: vermehrte ADH (antidiuretisches Hormon) Ausschüttung aufgrund der Hypovolämie und Hyperosmolarität Flüssigkeitsverschiebung von intra- nach extrazellulär durch extrazelluläre Glucose bei Erbrechen zusätzlicher Natriumverlust Hypernatriämie bei fehlender Flüssigkeitsaufnahme ist ein Zeichen einer schweren hypertonen Dehydratation mit schlechter Prognose 11 normale Plasma-Osmolalität: 280 - 300 mosm/kg H2O Osmolalität = 1,86 x Na + (Glucose [mg/dl]/18) + (Harnstoff [mg/dl]/6) hypertone Dehydratation: Defizit an freiem Wasser mit Verminderung des intra- als auch extrazellulären Volumens 10 Therapie des diabetischen Komas Ersatz von Flüssigkeit- und Elektrolytverlusten Wiederherstellung des normalen Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsels Behandlung der zugrunde liegenden Ursache Management spezifischer Komplikationen Thromboseprophylaxe mit Heparin 14 Entwicklung der hypertonen Dehydratation Entwicklung der hypertonen Dehydratation IZR Intrazellulärraum IZR Intrazellulärraum EZR Extrazellulärraum EZR Extrazellulärraum 15 Entwicklung der hypertonen Dehydratation 16 Therapie - induziertes Hirnödem IZR Intrazellulärraum IZR Intrazellulärraum EZR Extrazellulärraum EZR Extrazellulärraum Höherdosierte Insulintherapie 17 18 Elektrolyt und Wasserverluste bei Coma diabeticum aus dem Intrazellulärraum (IZR) und Extrazellulärraum (EZR) Flüssigkeitstherapie bei extremem Volumendefizit NaCl 0,9% oder Ringer Lsg. 1000ml/h in den ersten 4 Std. Wasser 7-10 l 2/3 EZR, 1/3 IZR Natrium 600 mmol EZR Chlorid 400 mmol EZR Kalium 500 mmol IZR Phosphat 70 mmol IZR bei nicht extremem Volumendefizit NaCl 0,9% oder Ringer Lsg. 500ml/h in den ersten 4 Std. bei Hypernatriämie (>150 mmol/l) oder Hyperosmolarität (>320 mosmol/kg) NaCl 0,45% oder Halbelektrolytlsg. ZVD gesteuerte Flüssigkeitstherapie ZVD cm H20 19 Insulintherapie Infusionsrate ml/h 0 0--3 4-8 8-12 >12 1000 500 250 100 0 20 Kaliumsubstitution Vorgehen: Senkung des Blutzuckerspiegels um ca. 50mg/dl/h, Ziel-Blutzucker: 250mg/dl innerhalb 12 – 24 h meist absoluter Insulinmangel trotz normalem oder erhöhtem Kaliumspiegel rascher Abfall der Kaliumkonzentration nach Insulingabe und Azidoseausgleich Initialer Insulinbolus: 0,1 IE/kgKG (2 – 10 IE Altinsulin) i.v. Insulinperfusor: initiale Infusionsrate 1 – 6 IE/h Kaliumzufuhr ab Kaliumkonzentration < 5 mmol/l, Infusionsrate 10 – 20 mmol/l 21 Therapieverlauf 22 Hydrogencarbonattherapie Notfallbehandlung ernster kreislaufwirksamer Herzrhythmusstörungen aufgrund von Azidose und Hyperkaliämie Deutsche Diabetes Gesellschaft: Therapie erst bei pH < 7,0 Dosierung: Körpergewicht x 0,3 x neg. Basenüberschuss, davon 25 % in ml/mmol geben (Faustformel Gewicht in kg entspricht Infusionsmenge in ml) Problematik der Bikarbonatgabe: 23 intrazelluläre Natriumüberladung Liquorazidose Hypokaliämie verminderte Gewebsoxygenierung durch Linksverschiebung der Sauerstoffsättigungskurve 24 Therapie des Hirnödems Phosphat- und Magnesiumsubstitution Phosphat: mögliche Komplikation der Therapie Substitution nur bei schwerer Hypophosphatämie max. 100 mmol/Tag bzw. 20 mmol/h Symptome: heftige Kopfschmerzen, Bewußtseinstrübung, Verwirrtheit, neurologische Ausfälle Magnesium: bei nachgewiesenem schweren Magnesiummangel und Herzrhythmusstörungen max. 25 g (50 mmol)/Tag Therapie: Mannitol i.v. 25 Umstellung auf subkutane Insulingabe 26 Umstellung auf subkutane Gabe beim wachen Patienten und pH Wert >7,2 möglich Präprandiales kurzwirksames Insulin (60%) zu den Mahlzeiten und einmaliges langwirksamen Insulin (Insulinglargin) (40%) Insulinperfusor z.B. 50 I.E./24 Std. Beginn mit langwirksamen Insulin ca. 2 Std. vor Beendigung der Insulinperfusor - Therapie Altinsulin 10 IE Lantus 20 IE s.c. 27 Aktuelle Kontroversen in der Intensivmedizin Sollte bei kritisch kranken Patienten auf der Intensivstation eine Normoglykämie angestrebt werden? 29 28 Insulindosis für intensivierte intravenöse Insulintherapie bei Intensivpatienten Beginn der Insulintherapie zur initialen Blutzuckersenkung Blutzucker (mg/dl) Therapie/Insulindosis nächste BZ-Kontrolle < 45 45 - 60 61 - 180 181 - 216 217 - 270 271 - 324 > 325 kein Insulin, 30 ml Glucose 40% kein Insulin, 20 ml Glucose 40% kein Insulin Insulindosis 1 IE/h Insulindosis 2 IE/h Insulindosis 3 IE/h Insulindosis 4 IE/h 30 30 60 60 60 60 60 min min min min min min min Anpassung der Insulintherapie bei steigenden Blutzuckerwerten 180 - 240 > 240 aktuelle Dosis + 1 IE/h aktuelle Dosis + 2 IE/h 60 min 60 min Anpassung der Insulindosis nach initialer Blutzuckersenkung < 60 < 110 Stop Insulin 20 ml Glucose 40% Stop Insulin 1 h 30 min 60 min > 110 Dosisanpassung entsprechend der Blutzuckerveränderung BZ akt. / BZ alt 60 - 180 min aktuelle Dosis x Änderung % Ende 33