Düsseldorfer Patienten-Seminar „Parkinson“ Behandlung nicht-motorischer Beschwerden 19.04.2008 Stefan Groiß Klinik für Neurologie Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Nicht-motorische Symptome • Für die Lebensqualität von Betroffenen hoher Stellenwert. • Depression, autonome Funktionsstörungen, Schlafstörungen etc. • Nicht nur Spätfolge der Erkrankung, sondern Auftreten z.T. vor den motorischen Symptomen → Einsatz als Früherkennungsuntersuchung Pathophysiologie • Untergang dopaminproduzierender Zellen in der Substantia nigra Pathophysiologie ~ Braak Stadien ~ Neuropathologische Untersuchungen • Stadium I + II: Veränderungen im Riechnerv und andere Hirnnerven → Riechstörung, Schlafstörung • Stadium III + IV: Veränderungen in der Substantia nigra und Mittelhirn → motorische Symptome • Stadium V + VI: Befall weiterer Hirnareale → weitere nicht-motorische Symptome, z.B. Demenz Nicht-motorische Symptome • Autonome Funktionsstörungen • • • • Obstipation Urininkontinenz Orthostatische Hypotension Sexuelle Funktionsstörung • Schlafstörungen • • • • Einschlafattacken Exzessive Tagesmüdigkeit Schlaflosigkeit REM-Schlafverhaltensstörung • Neuropsychiatrische Komplikationen • • • • • Depression und Angst Dementielle Entwicklung Impulskontrolle / Zwang Pathologische Spielsucht Psychose und Halluzinationen • • • Schmerzen Fatigue Sialorrhoe (vermehrter Speichelfluss) • Andere Beschwerden Autonome Funktionsstörung I ~ Obstipation ~ • Ca. 1/3 < 60 Jahre, ca. 2/3 > 60 Jahre • Verstärkung durch Medikamente (Amantadin, Anticholinergika, Antidepressiva) Therapie: ¾ ¾ ¾ ¾ Steigerung der Einnahme von Flüssigkeiten und Ballaststoffe Steigerung der körperlichen Aktivität Makrogol Domperidon Autonome Funktionsstörung II ~ Blasenfunktionsstörung ~ • Ca. 60 % im Verlauf der Erkrankung A) Überaktivität der Blasenmuskulatur B) Minderaktivität der Blasenmuskulatur) → Harndrang / Dranginkontinenz → Harnverhalt häufig durch Medikamente (z.B. Antidepressiva) Therapie: - Oxybutynin Vorsicht: Restharnkontrolle, Psychose - Tiefe Hirnstimulation ??? Therapie: - Absetzen der ursächlichen Medikamente - Selbstkatheterisierung - Donepezil, Rivastigmin ??? Schlafstörung I ~ Einschlafattacken ~ • Vermehrte Tagesmüdigkeit bei ca. 50 % der Patienten • z.T. bedingt durch nächtliche Schlafstörungen • Am häufigsten durch Medikamente (L-Dopa, Dopaminagonisten und insbesondere deren Kombination) Therapie: - Schlafhygiene (z.B. geregelte Schlafzeiten) - Reevaluation der aktuellen Medikation - Amantadin Vorsicht ! Nicht nach 16 Uhr - Modafinil Schlafstörung II ~ REM-Schlafverhaltensstörung ~ • Ca. 1/3 der Patienten • Geht häufig der Parkinsonschen Erkrankung voraus • Wilde Träume, Schreien, Umsichschlagen mit potentieller Verletzungsgefahr für den Patienten und auch Ehepartner Therapie: - Clonazepam → meist hervorragendes Ansprechen - Ggf. zusätzliche dopaminerge Medikation zur Nacht Neuropsychiatrische Komplikationen I ~ Depression und Angst ~ • • • • Depression: ca. 40 % der Patienten (je nach Studie bis zu 70 %) Angststörung: ca. 20 – 40 % der Patienten (gehäuft bei Depression) Häufig erstes Symptom der Parkinson´schen Erkrankung. Keine klare Assoziation zu motorischen Beschwerden, jedoch im fortgeschrittenen Stadium mit Bewegungsschwankungen z.T. vermehrt bei schlechter Beweglichkeit (im OFF) Therapie: - Wenn OFF-gebunden → Verbesserung der Beweglichkeit durch Anpassung der dopaminergen Medikation - Antidepressive Medikation (neuere Generation, z.B. Citalopram, Mirtazapin, Bupropion weil weniger Nebenwirkungen) - Psychosoziale Unterstützung, Psychotherapie Neuropsychiatrische Komplikationen II ~ Störung der Impulskontrolle ~ Insgesamt unterdiagnostiziert: • • • • • Zwanghaftes Verhalten Einkauf- / Essattacken Hypersexualität Verlangen nach dopaminerger Medikation Krankhafte Spielsucht Assoziation zu dopaminerger Medikation (v.a. Dopaminagonisten) und auch Tiefe Hirnstimulation Therapie: - Reduktion / Anpassung der Medikamente - Optimierung der Stimulationsparameter - Antidepressiva Neuropsychiatrische Komplikationen III ~ Kognitive Störung und Demenielle Entwicklung ~ • Ca. 1/3 der Patienten im Verlauf der Erkrankung • Verlangsamung des Denkens, Wortfindungsschwierigkeiten, Planungsschwierigkeiten, Gedaächtnisstörung, Aufmerksamkeits- / Konzentrationsstörung etc. • In Frühphasen kaum Alltagsrelevanz, später bis hin zu Demenzen möglich Therapie: - Reevaluation der Medikamente (Anticholinergika) - Rivastigmin, Donepezil, Galantamin → Verbesserung der kognitiven Leistungen ohne Verschlechterung der motorischen Funktion Neuropsychiatrische Komplikationen IV ~ Psychosen und Halluzinationen ~ • Bis zu 30 % der Patienten • In der Regel durch die Parkinsonmedikamente verursacht • Schweregrade: unruhiger Schlaf, lebhafte Träume ↓ Illusionen / Halluzinationen ↓ Paranoide Symptome / Verwirrtheitszustände Bereits wiederholt auftretende lebhafte Träume sind Warnhinweise für eine medikamentös induzierte Psychose Neuropsychiatrische Komplikationen IV ~ Psychosen und Halluzinationen 2 ~ • Allgemeine Maßnahmen: - Suche nach Infektion und bei Verdacht frühzeitige antibiotische Therapie - Wassergehalt und Elektrolyte überprüfen und ggf. Substitution • Spezifische Maßnahmen: - Risikoabschätzung von therapeutischem Nutzen und Psychoserisiko der Parkinsonmedikation - Änderung der Medikamente (Zuerst Antidepressiva, zuletzt LDopa) - Antipsychotische Therapie: - Clozapin (z. Zt. als einziges zugelassen) - Quetiapin (Studienlage widersprüchlich) Andere Beschwerden I ~ Schmerzen ~ • Insbesondere Nacken- und Rückenschmerzen oder Wadenkrämpfe • Schmerzhafte Dystonie (Muskelverkrampfungen) - durch den Morbus Parkinson (OFF-Dystonie) - durch die Medikamente (ON-Dystonie) Therapie: - wenn Assoziation zur Beweglichkeit besteht → Optimierung der dopaminergen Medikation - Medikamentöse Schmerztherapie (konventionelle Schmerzmedikamente, Antidepressiva, Pregabalin, Gabapentin) Andere Beschwerden II ~ Sialorrhoe ~ • Speichelfluss beim M. Parkinson an sich vermindert Hypokinesie des Schluckapparates → Einschränkung des Schluckaktes → vermehrtes Speichelangebot Therapie: - Optimierung der dopaminergen Medikation Verbesserung der Hypokinese → Verbesserung des Schluckens - Anticholinergika (Biperiden, Atropintropfen) reduzieren den Speichelfluss - Injektion von Botulinumtoxin in die Speicheldrüsen - Bestrahlung der Speicheldrüsen Zusammenfassung • Nicht-motorische Beschwerden sind bei der Parkinsonerkrankung häufig und sprechen nur unzureichend auf eine dopaminerge Therapie an bzw. sind z.T. durch diese Therapie verursacht oder verstärkt. • Sie werden im Verlauf der Erkrankung in der Regel gravierender, können aber bereits in frühen Stadien auftreten bzw. den motorischen Symptomen vorausgehen. • Sie beeinflussen die Lebensqualität ganz erheblich und bedürfen daher der ganz spezifischen Beachtung und Behandlung. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit ! Zentrum für Bewegungsstörungen und Tiefe Hirnstimulation Universitätsklinikum Düsseldorf Heinrich-Heine-Universität, Moorenstraße 5, 40225 Düsseldorf