1 begründen, verstehen, beurteilen II– Argumentation, Hermeneutik

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begründen, verstehen, beurteilen II– Argumentation, Hermeneutik und Kritik
als Methoden wissenschaftlichen Arbeitens
190055 VO, UE - Philosophische Methoden in der Bildungswissenschaft, Teil 2 (5 ECTSPunkte)
Lehrveranstaltungsleiter: Mag. Dr. Martin Steger, Tutorin: Angela Janssen
Freitag, 10.00 - 11.30, HS 31, HG
13. Termin 23.01.09: kritische Positionen der Pädagogik
Formales:
•
Auf Nachfrage einiger Gruppen haben wir den Abgabetermin der 2. Gruppenarbeit um
eine Woche nach hinten verschoben: Neuer Abgabetermin ist nun der 17.2.
•
Für die Fragestunde habe ich Ihnen ein Arbeitsblatt ins Netz gestellt (verlinkt in der
Dokumentenliste neben diesem Skript) bitte sicherheitshalber ausdrucken und
mitnehmen.
Inhalte:
2 inhaltliche Aspekte von Kritik:
1. können wir natürlich auch hier Kreise schließen und diese Positionen mit unseren
bisherigen inhaltlichen Bestimmungen verknüpfen. Wir haben pädagogische Positionen
als solche bestimmt, die zwangsläufig 'tief' in Begründungskontexte hinabreichen –
Warum? Weil Sie Menschen und Weltbilder in der konstitutiven Vorstellung der
Auseinandersetzung mit der Welt mitthematisieren. Wir können pädagogische Positionen
daher auf dieser Ebene an unsere exemplarischen Positionen anknüpfen – zumal ich die
ja mit Absicht so gewählt habe, dass Sie ein breites Spektrum des Menschen- und
Weltbildes repräsentieren – siehe zu den Positionen unten
Diese Beispiele sollen auch zeigen, wie mit solch einem Modell umgegangen werden
kann. Die Stärken eines kriterialen Modells liegen natürlich nicht darin, es definitorisch zu
verwenden – dann ist es einfach zu ungenau, zu simpel, zu wenig tiefgehend etc. Der
Sinn eines derartigen Modells liegt in den angeführten Gedankenbildern, die - hier
klassisch 'pädagogische' - Überlegungen aufgreifen und in der jeweiligen Situation / im
jeweiligen Konzept konkretisierend angereichert werden können.
Nun ist es nicht unwesentlich, in welcher Hinsicht die pädagogischen mit den
erkenntnistheoretischen Positionen zusammenhängen – d.h. weiter, die inhaltlichen
Bestimmungen einer Position sollten wir noch weiter differenzieren:
1
2.
Auf
inhaltlicher
Ebene
ist
es
zunächst
wesentlich,
zwischen
Kriterium
und
Gegenstandsbereich der Kritik zu unterscheiden. Daraus erwachsen uns noch weitere
Orientierungspunkte, um kritische Positionen inhaltlich zu bestimmen, Texte positionell
zu bestimmen und erste (aber natürlich nur grobe) Kritikansätze zu finden:
•
Kriterien der Kritik: Die Beurteilungskriterien einer Position, also jene Annahmen,
anhand derer Aussagen (bewertend) beurteilt werden, sind für jede Position zentral –
es sind zwangsläufig jene Annahmen, die in dieser Position selbst nicht weiter
hinterfragt werden können (weil ja kein Kriterium verfügbar ist, sie selbst zu
beurteilen). Sie stellen somit die Grundannahmen der Position dar bzw. spiegeln
diese (z.B. in der 'Kritischen Theorie' die Mündigkeit des Lernenden als Ziel).
•
unproblematisierte Voraussetzungen: Dass jede Theorie auf Axiomen – also
grundsätzlichen
Prämissen
beruht,
haben
wir
bereits
besprochen
(Im
Wintersemester). Das geht im Prinzip in immer neue Metabereiche (Theorie beruht
auf Theorie beruht auf Theorie,...) Auch den Kriterien einer 'Gegenstandstheorie' –
also einer inhaltlich bereits fokussierten: z.B. auf Pädagogik – liegen weitere
Voraussetzungen zugrunde, die im Rahmen der Theorie nicht weiter problematisiert
werden.
So
beruhen
prominente
pädagogische
Theorien
auf
unseren
erkenntnistheoretischen Positionen:
o
die
Hermeneutik
ist
eine
der
Grundlagen
geisteswissenschaftlicher
Pädagogik
o
Einigungstheoretische
Überlegungen
sind
in
die
Handlungstheorien
eingegangen (Einigung verlangt nach Herstellung durch rationales Handeln) –
und prägen zahlreiche pädagogische Konzepte. Eine starke Verwandtschaft
besteht auch zur 'Kritischen Theorie' in der Pädagogik (die Befreiung des
Menschen zu
sich selbst als Abbau gesellschaftlicher Beschränkung und
Entfremdung durch sozial orientiertes, gesellschaftliches, rationales, diskursiv
gestütztes Handeln auf Basis von Gleichheit und Einigung.)
o
Skepsis, wie wir sie besprochen haben, entspricht der transzendental-kritisch –
skeptischen Pädagogik, die eben diese Voraussetzungen nachfragt: Wodurch
legitimiert sich Handeln als ein pädagogisches?
Diese 3 Positionen sind in der nächsten Metaebene durch eine Perspektive der 1.
Person charakterisiert, d.h. es sind Subjekttheorien, die Ihre Gründe in der
Menschlichkeit, Subjekthaftigkeit, Intentionalität der beteiligten finden.
Die folgenden Positionen sind solche, die aus der Perspektive 3. Person – also der
des unbeteiligten Beobachters ihre Konzepte entwerfen (die Konsequenzen aus
dieser perspektivischen Positionierung haben wir in unserem Lehr-/Lernmodell
besprochen):
2
o
Auf den kritischen Rationalismus beruft sich die empirische Pädagogik, die
auch diesen Wissenschaftsbereich auf objektive, falsifizierbare und wertfreie
Aussagen beschränken will.
o
Konstruktivisten und Systemtheoretiker setzen in systemischer und
konstruktivistischer Pädagogik dem kausalen, gegenständlichen Denken der
Rationalisten ihr zirkuläres, funktionales Weltbild gegenüber. Beide können aus
ihrem Standpunkt allerdings nichts über die Legitimität jener Bewertungsakte
aussagen, die wir in unserem Lernmodell als einen der zentralen Bereiche
pädagogischen Denkens bestimmt haben.
•
Schwerpunkt methodologisch / inhaltlich (anthropologisch): Ebenfalls im
Wintersemester haben wir geklärt, dass es sich bei diesen Positionen um Paradigmen
handelt, also Problemlösungsversuche, in denen sich passende Theorien, Methoden,
Interessen,
Ressourcen
Schwerpunkte
in
der
etc.
ineinander
Ausrichtung
geisteswissenschaftlichen Pädagogen
der
verschränken.
Kriterien
Dennoch
feststellen:
So
können
wir
steht
bei
die Betonung des Subjektcharakters des
Menschen im Vordergrund – also eine inhaltliche, anthropologische (aus ihrem
Menschenbild abgeleitete) Ausrichtung, zu der etwa bei der Kritischen Theorie noch
eine (wieder inhaltliche) Betonung des Einflusses der sozialen Welt hinzukommt. Die
kritischen
Rationalisten
stellen
hingegen
methodologische
(aus
ihren
Erkenntniswegen abgeleitete) Kriterien wie eben Falsifizierbarkeit in den Vordergrund
– mit ein Grund, warum Verständigung zwischen den Positionen nicht eben immer
einfach ist.
•
Gegenstandsbereich: aus den Kriterien ergeben sich aber auch ganz spezifische
Perspektiven darauf, was die Pädagogik ausmacht – sodass wir letztlich von
unterschiedlichen Gegenstandsbereichen sprechen müssen, die nicht unbedingt zur
Deckung gebracht werden können: Wenn etwa die Skeptiker Pädagogik als einen
Legitimationskontext
verstehen
(wie
rechtfertigt
sich
eine
Handlung
als
pädagogische?) - und etwa nicht nur als Machtbeweis, als gesellschaftsdienlich etc.,
beschäftigen sie sich mit anderen Problemen als kritische Rationalisten, die
Sachverhalte in Lern- und Lehrkontexten klären wollen (Wirkt positive Sanktion
nachhaltiger als negative?) – mit ein Grund, warum die Rationalisten den Begriff
Erziehungswissenschaft in Abgrenzung zur 'geisteswissenschaftlichen' Pädagogik
verwendeten. Es geht also bis hin zur begrifflichen Klarstellung, eigentlich eine
andere Wissenschaft zu betreiben.
•
historischer
Kritikansatz:
Auch
den
Sachverhalt,
dass
Kritik
nicht
nur
unverzichtbarer Aspekt jeder Position ist, sondern immer auch die kritische
Abgrenzung zu bestehenden/dominanten Ansätzen konstitutiv für die Entstehung
jeder Position ist, haben wir im Sommer besprochen. Hier finden wir in der Regel
3
bereits die grundlegenden Kriterien eines Ansatzes – wenn sich auch Betonungen mit
geänderten Schwerpunkten in der Auseinandersetzung mit jeweils dominanten
Zeitthemen (und konkurrierenden Positionen) ändern.
So standen die ersten Pädagogik-Lehrstühle Beginn des 20. Jh. im Zeichen der
Emanzipation der Disziplin. Die geisteswissenschaftlichen Vertreter dieser Zeit
betonten das Eigenrecht des Kindes und die daraus folgende Eigenlogik der
Pädagogik
gegen
Normansprüche
von
Staat,
Kirche
und
anderen
Gesellschaftsbereichen. In der Nachkriegszeit wurde die empirische Pädagogik
dominant - mit ihrer Kritik an der Ineffizienz geisteswissenschaftlicher Pädagogik, die
sich
nicht
um
die
tatsächlichen
Sachverhalte
in
Erziehungs-
und
Unterrichtssituationen und um objektiv gesicherte Erkenntnisse kümmere. Die
'Kritische Theorie' der 60er wandte sich wieder gegen den Mythos der Wertfreiheit in
der empirischen Pädagogik – und dagegen, dass diese überhaupt wünschenswert sei.
Geprägt von Schülern geisteswissenschaftlicher Pädagogen grenzte sie sich aber
auch gegen deren Wertrelativismus ab – da die hermeneutische Auslegung nicht
über das Vorgegebene hinausgehe und daher zum unkritischen 'Diener des
jeweiligen Herren' werde (geprägt von den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus,
an den sich die meisten Geisteswissenschaftler im deutschen Sprachraum unkritisch
annäherten). Dieser wertende Praxisbezug und die Kritik an beiden Vor-Positionen
der Pädagogik teilt auch die verwandte Handlungstheorie. In ihrem Konzept der
intentionalen Auseinandersetzung mit der Umwelt setzen sie auch den sozialen
Bezug
fort,
ohne
–
wie
an
der
'Kritischen
Theorie'
kritisiert
wird
–
die
gesellschaftliche Dimension als Vorgabe an die Pädagogik zu formulieren.
Die
transzendentalkritische
Skepsis
stammt
ebenfalls
aus
der
geisteswissenschaftlichen Pädagogik – ist allerdings stärker von Kant als von den
Hermeneutikern
geprägt
(Neokantianismus):
Wir
sprechen
von
einer
'prinzipienwissenschaftlichen' Pädagogik. Der Verzicht der Skepsis auf konstruktive
Konzepte (für den sie wieder kritisiert wird) beruht auf Kritik auch am Optimismus
Kants und prinzipienwissenschaftlicher Pädagogen wie Petzelt und seinem Schüler,
den in Wien emeritierten Marian Heitger, allgemeine Aussagen über das Wesen einer
einheitlichen Vernunft treffen zu können. Sie beschränkt sich daher auf die Nachfrage
der pädagogischen Legitimation.
Konstruktivistische und systemische Pädagogen kritisieren die kausale Logik der
Subjekttheorien und der Rationalisten, die oft in Machbarkeitsvorstellungen der
Erziehung münden (also in die Herstellbarkeit von gewünschten Ergebnissen). Die
Systemtheorie kritisiert zudem, dass soziale Phänomene (wie Schulunterricht) nur
unzureichend über das Verhalten der Subjekte erklärt werden können) – so wie
Subjekttheorien der Systemtheorie vorwerfen, den Menschen in der Pädagogik (und
4
überhaupt) zu verlieren (das haben wir bereits einige Male besprochen). Das ist auch
die kritische Linie zwischen den sozial orientierten Handlungs- (und 'Kritischen' -)
Theoretikern auf der einen und den Systemikern auf der anderen Seite.
•
Kritik der Kritik: Dass sich mit der Fokussierung der eigenen Urteilskriterien nicht
nur die Stärken, sondern zugleich auch die Schwächen jeder Position erkennen
lassen, ist – hoffe ich – klar. Die bedeutenden Kritikpunkte an den jeweiligen
Ansätzen haben wir im vorigen Punkt daher gleich mit angesprochen.
Im Folgenden eine skizzierte Übersicht mit einigen zentralen Festlegungen (die
einzelnen Punkte können natürlich noch beliebig ergänzt werden):
KritikPositionen
geisteswissenschaftliche
Pädagogik
'Kritische Theorie'
(kritischemanzipatorische
Pädagogik)
Handlungstheorie
Kriterien
Eigenrecht des Kindes
/ der Pädagogik
Gegenstandsbereich
unproblematisierte
Voraussetzungen
eigene Sinnbezüge der Subjekt, Individuum
Päd: Normsysteme etc. Entwicklungsziele
Mündigkeit als
Befreiung von sozialen
und individuellen
Beschränkungen
Handlungsautonomie
und Intentionalität in
Auseinandersetzung
mit der Welt
eigene Sozialbezüge
der Päd: individuelle
Emanzipation im
Sozialen
eigene Handlungsbezüge der Päd:
Kompetenzzuwachs
individuelle
Emanzipation ist
Aspekt der sozialen
Emanzipation
auch im sozialen
Kontext handelt das
Subjekt als rational
bestimmtes
transzendentalkritische Skepsis
Eigenrecht des Kindes
/ Eigenlogik der
Pädagogik
empirische
Erziehungswiss.
(kritischer
Rationalismus)
konstruktivistische
Pädagogik
objektiver
Kompetenzzuwachs
Subjekt als Vernunftwesen:alle Aussagen
beruhen auf
legitimationspflichtigen falsifizierbaren
Annahmen
Falsifizierbarkeit
wiss. Annahmen
systemische
Pädagogik
funktionale
Strukturabhängigkeit
sozialer Prozesse
eigene Legitimationsbezüge der Päd:
rationale
Begründungskontexte
pädagogischer
Annahmen
eigene Gegenstandsbezüge der Erz.wi.:
Lern- und
Lehrkontexte
eigene Orientierungsbezüge der Päd:
zunehmende Vernetzung erfolgreicher
Wirklichkeitskonstruktionen
eigene Funktionsbezüge der Päd:
Gleichzeitigkeit von
Erziehung und
Selektion
Lernen als
autopoietischer, nicht
herstellbarer Prozess
zirkuläre Logik von
rückkoppelnden
Steuerungsprozessen
homöostatisches
Weltbild
nicht-subjektive Beobachterperspektive
bedingt funktionale,
nicht wertende
Weltsicht
Kritik
an
der
Position
subjektivistisch keine
soziale kritische
Position
soziale
Fremdbestimmung
der Päd
Überbetonung des
Tun vor dem Sein
(von Geisteswi.)
Festhalten am
Subjekt und damit an
Normenperspektive
im Sozialen
(Systemtheorie)
keine konstruktiven
Theorien
keine Praxisrelevanz
reduzieren
Wirklichkeit auf
Objektivierbares
verlieren Subjekt
verlieren Subjekt mit
Verzicht auf kausale
Rationalität
verlieren Subjekt mit
funktionaler
Strukturperspektive
Vorrang des System
vor Mensch
pragmatische Annäherung an pädagogische Kritik:
Was haben wir jetzt als Hilfen für pädagogische Kritik bei der Hand?
5
1. methodisch: pädagogische Kritik ist zunächst Kritik – darüber wissen wir einiges
und wir haben als Orientierungshilfe eine heuristische Systematik. Bei den
Gruppenarbeiten sollte auch weiter der methodische Aspekt im Vordergrund
stehen.
2. inhaltlich bewegen wir uns im Feld der Pädagogik - es geht also darum zu
methodisch sauberen Urteilen von pädagogischer Relevanz zu kommen.
Damit sind auch ihre Vorstellungen von Pädagogik gefragt – um die zu klären und
pädagogische
Grundüberlegungen
zu
erkennen
haben
wir
ein
zweites
heuristisches Modell über Lern- und Lehrprozesse entwickelt.
Sie können natürlich statt auf die eigene Meinung auch auf vorhandene
pädagogische Positionen zurückgreifen. Allerdings sollten Sie dabei konsistent
bleiben – d.h. was immer Sie Pädagogisches aussagen, sollte – auch wenn Sie
eigene und Fremdmeinung oder verschiedene Fremdmeinungen mischen – als
einheitliche Position erkennbar oder klar voneinander abgegrenzt sein (z.B.:
"...aus anderer (...theoretischer) Sicht sagt hingegen ..."). Dafür soll auch die
Tabelle mit Stichworten zu kritischen Positionen der Pädagogik dienen.
Dabei haben wir natürlich ein pragmatisches Problem: Wir sind in einer MethodenVorlesung und haben uns daher nur sehr rudimentär um Pädagogik bekümmert.
Dazu haben sie nur 4 Inhaltsseiten zur Verfügung, auf denen sie nicht große
Theoriegebäude entwerfen können.
Wir sollten also noch einmal klären, was wir für Ansprüche an den 'pädagogischen
Gehalt' dieser Arbeit haben.
•
Zunächst stellt sich die Frage, was als pädagogischer Gehalt gelten kann. Da
würde ich eine pragmatische Lösung vorschlagen: Was immer uns in Alltag und
Studium als 'pädagogisch' begegnet ist, lassen wir zunächst als Thema dieser
Arbeit gelten. Die Tabelle mit den Positionen (Gegenstandsbereiche) zeigt uns
schon die Bandbreite an pädagogischen Bezügen:
Pädagogik als
o
besondere
Vorstellung
Sinnbezüge:
von
z.B:
Was
für
Rationalitätsstandards
Bedeutung
für
die
kann
Habermas
Entwicklung
eigener
Individualität haben.
o
besondere Sozialbezüge: z.B: Vergisst Bucks Konzept der Selbstaufklärung
nicht auf Sozialisationsphänomene (von Schule bis Fernsehen), die uns
vor-bestimmen? Oder ist es die Antwort darauf?
o
besondere Handlungsbezüge: z.B: Kann uns Luhmann auch weiterhelfen,
wenn wir überlegen, welche Werte wir als Lehrer/Erziehende vermitteln
6
wollen? Müssen wir welche vermitteln? Können wir keine vermitteln? Was
würde Habermas dazu sagen?
o
besondere
Legitimationsbezüge:
Einigungsvorstellungen
überhaupt
z.B:
Kann
pädagogisch
man
umsetzen?
Habermas
Zeichnet
Lehrer-Schüler – Beziehungen nicht prinzipiell ein Wissens-/Einsichts/Hierarchiegefälle aus, das man nicht 'demokratisieren' kann?
o
besondere Gegenstandsbezüge: z.B: Was sagt uns der Autor, das für
konkrete Erziehung/konkreten Unterricht relevant ist? Hilft Theorie (dieser
Art) der Praxis überhaupt weiter? Wenn ja: Wie? Wenn nein: Hat sie dann
überhaupt einen Sinn?
o
besondere Orientierungsbezüge: z.B: Zeigt Luhmanns Bild von Unterricht
nicht die Illusion auf, tatsächlich noch individuelle Orientierung für das
Leben vermitteln zu können – sowohl was die notwendigen Kompetenzen,
als auch, was wertvolle Einstellungen betrifft? Geht es nur mehr um die
Aufzucht braver Staatsbürger?
oder pragmatischer: Wenn Bucks Vorstellung stimmt, dass Bildung nie
vollendet ist, müssten wir dann nicht noch mehr auf Überblick hin
unterrichten, lernen lehren statt Fakten?
o
besondere Funktionsbezüge: z.B: Sind Buck und Habermas nicht zu
abgehoben für brauchbare Iddeen zum Unterricht? Wie soll man da noch
unterrichten, wenn die Selbstbewertung der Schüler im Mittelpunkt steht?
Kann dann jeder Arzt werden, der glaubt, dass er das kann?
Ich hoffe, Sie sehen, dass ich zwar als Thema alles gelten lasse, wo man
irgendeinen Bezug zur Pädagogik behaupten kann, dass es aber eben Ihre
Aufgabe ist, diesen Bezug auch zu begründen. Streng genommen ist das aber
auch alles, was Sie wirklich tun müssen. Warum ein Thema/eine Idee für die
Pädagogik wichtig ist, ist bereits ein pädagogisches Urteil – also eine Kritik. Die
kann auch in Frageform stattfinden (Ist das wirklich alles, was wir als Pädagogen
dazu zu sagen haben? Haben wir als Pädagogen nicht die Pflicht, diesen strittigen
Punkt näher zu untersuchen?) Das heißt, Sie müssen letztlich nicht einmal eine
gültige Antwort auf das von Ihnen aufgeworfene Problem geben – Sie müssen
lediglich zeigen, dass das eine für die Pädagogik wichtige Frage ist, mit der sie
sich auseinandersetzen sollte (das ist letztlich das, was die Skeptiker tun).
Was Sie hier hoffentlich auch noch sehen ist, dass schon die Wahl des Themas
Hinweise gibt, wie Sie damit umgehen können:
7
Sie brauchen nicht extra zu beweisen, dass eine Unterrichtssituation Thema der
Pädagogik sein kann, das ist evident, weil Pädagogik als Beschäftigung mit
Unterricht und Erziehung verstanden werden kann. Aber dann sollten Sie zeigen,
was in dieser Situation gesetzmäßig geschieht ( Ansatz der Empiriker) oder warum
irgendetwas in dieser Situation gut oder nicht gut ist ( damit schwenken Sie zu
Subjekttheorien). Jedenfalls ist das Gute nicht bereits selbstverständlich (nicht
normativ mit 'Binsenweisheiten' argumentieren) und nicht bereits mit der
Situation vorgegeben (das steckt in dem Argument: Alles was zum jetzigen
Unterricht nicht passt, ist unwichtig, unrealistisch und lenkt bloß ab – wer sagt
denn, dass der jetzige Unterricht pädagogisch gesehen das Gelbe vom Ei ist?) Den
Gegenstandsbereich zugleich als Kriterium zu nehmen (das was ist, ist gut) ist
schlicht
ein
logischer
Fehler
–
der
naturalistische
Fehlschluss
(etwa
der
unreflektierten Absolutsetzung der Praxis).
Wenn Sie z.B. mit Sinnbezügen oder Legitimationen argumentieren, brauchen Sie
sich weniger darauf konzentrieren, was gut ist – nicht weil das eine uninteressante
Frage ist, sondern weil das bereits mit der Begründung, warum das pädagogisch
relevant ist, mitbeantwortet wird. Die Theorien aus Perspektive 1. Person haben
zumindest zentrale Vorstellungen des Guten schon ihren Pädagogik-Definitionen
'mitverpackt (Befreiung zu sich selbst, Eigenrecht des Kindes, Individualität,
Handlungskompetenz,...)
•
Wie viel pädagogischen Gehalt brauchen Sie und wie kommen Sie dazu?
Neben der Vorstellung, was als pädagogisch gelten kann haben Sie jetzt
hoffentlich auch schon einen Eindruck, 'wie viel' Pädagogik Sie brauchen - besser
gesagt, 'theoretisch gehaltvoll' Ihre pädagogische Position sein muss.
Auch hier wieder: Wir haben Pädagogik nur kurz angesprochen – ich werde daher
Ihre pädagogische Position nicht inhaltlich beurteilen – Sie müssen lediglich Ihre
Vorstellungen im pädagogischen Kontext zu begründen versuchen: Wir sind in
einer Methoden – Lv!!! (nicht bei Ihrer Diplomarbeit).
Wie kommen Sie jetzt zu Ihrem pädagogischen Gehalt?
Schlicht ausgedrückt, haben wir zwei Möglichkeiten auf unseren pädagogischen
Gehalt zu kommen. Kritik ist wie jede andere menschliche Tätigkeit eine
Auseinandersetzung mit der Welt - d.h. wir haben pädagogischen Gehalt in Ihren
Urteilskriterien und in den Aussagen, die Sie beurteilen. Nehmen wir noch die
Vorgabe dazu, dass der methodische Aspekt im Vordergrund steht, haben wir
schon 4 Grenzfälle, zwischen denen sich Ihre Kritik bewegen wird:
1. pädagogischer Gehalt ist bei Ihnen und beim Autor maximal: Das empfehle ich
ausdrücklich nicht – wenn es um Quantität geht, also um das Ausmaß
8
pädagogischer Inhalte. Wenn Sie zwei Seiten referieren, welcher Theorie Sie
zustimmen und zwei Seiten, welche Theorien der Autor gut findet und dann noch
schnell hinschreiben dass das eh gut (oder nicht) zusammenpasst, ist das viel
Rechercheaufwand – und eine glatte Themenverfehlung!
Hausregel: Inhalte sind legitim, wenn Sie für Ihre Begründung gebraucht werden,
nicht, wenn Sie Argumentation ersetzen!
Es ist jedenfalls vernünftiger, Ihre eigenen Vorstellungen gut zu überlegen (z.B.
indem Sie sich in der Gruppe darauf einigen) als fremde Theorien zu referieren –
in Ihren eigenen Überlegungen sind Sie nämlich auch argumentativ sicherer.
Gefährlich ist nur, wenn Sie das nicht überprüfen, was Sie immer schon geglaubt
haben (Siehe Platon: Wahrer Glaube erweist erst in seiner Begründung Wissen!!!)
2. pädagogischer Gehalt ist bei Ihnen und beim Autor minimal: das kann legitim sein
als inhaltliche Beschränkung, wenn Sie etwa nur ein pädagogisches Detail beim
Autor und in Ihren Überlegungen herausarbeiten und vergleichen. Seien Sie
vorsichtig beim Entwurf der eigenen ultimativen Pädagogik – das geht sich auf 4
Seiten höchstens dann aus, wenn Sie in der Begründung nachlässig sind – und da
haben Sie sehr viel zu begründen (eigene Meinung ist immer begründungspflichtig
– also nur behaupten, was Sie argumentativ brauchen!!)
Zudem hat inhaltliche Beschränkung den Vorteil, das Sie Zeit und Raum haben,
ein Thema differenziert zu betrachten – gehen Sie lieber in die Tiefe als in die
Breite!
Nicht legitim ist minimaler pädagogischer Gehalt etwa, wenn Sie lang und breit die
3. Interpretation von verstehen bei einem Autor versuchen und abschließend
erklären, dass dieses Verstehen natürlich auch in der Schule wichtig ist.
3. pädagogischer Gehalt ist bei Ihnen maximal und beim Autor minimal: siehe oben:
Versuchen Sie nicht die große Theorie zu bilden. Ob Ihnen viel einfällt und Sie
deshalb knapp argumentieren sollten, oder ob Sie vernünftig 'auffetten' sollten,
wissen Sie inzwischen selbst am besten. Legitim ist beides, wenn es argumentativ
legitimiert und methodisch sauber ist. Sie können
o
einen
eigenen
begründeten
Standpunkt
zu
einem
bestimmten
Gegenstandsbereich ausarbeiten – ohne Gesamtkontext der Pädagogik
o
auf andere Positionen zurückgreifen – wenn Sie die untereinander und zu
Ihrer Meinung hin passend integrieren (achten Sie dabei auf positionelle
Schwerpunkte, Verwandtschaften und Unverträglichkeiten – siehe oben)
o
auf die Bilder unseres Modells zurückgreifen und z.B. eher nur mit
nachfragendem Charakter feststellen, dass ein Themenbereich kritisch ist
9
- also auf ausgearbeitete Theorien weitgehend verzichten und nur bei
pädagogischen Grundannahmen bleiben
o
Überlegungen des Autors fortdenken in pädagogischen Gegenstandsbereich
(immanente Kritik) und selbst nur die Richtung in die Pädagogik beisteuern
– also die pädagogische Relevanz herausarbeiten.
o
etc.
4. pädagogischer Gehalt ist bei Ihnen minimal und beim Autor maximal: Dazu haben
Sie soeben auch einige legitime Vorgehensweisen gelesen: Es genügt letztlich die
pädagogische Relevanz nachzufragen – aber eben nicht als unreflektierte Frage,
sondern nachdem Sie in immanenter Kritik gezeigt haben, dass dieses Thema
insgesamt sehr wohl überlegenswert und beim Autor auch mit angelegt ist.
Gefährlich ist- was viele in der letzten Kritik getan haben - wenn sie wieder den
Autor lang interpretieren und überall kleine Anmerkungen anbringen ("das kann
man in der Schule nicht brauchen" und "das ist autoritär" usw.)
Sie können natürlich mehrere Kritikpunkte thematisieren – wichtig ist, dass das in
beide Richtungen konsistent ist: dass also eine durchgängige Position bei Ihnen
erkennbar ist – und das wird umso schwerer, je mehr Kritikpunkte Sie haben –
und dass der Autor insgesamt erkennbar ist (dass Sie also nicht einmal in die eine
Richtung hin interpretieren (Habermas argumentiert unsauber') und einmal in die
andere ('er begründet sehr klar'). Wenn das der Fall ist, müssten Sie insgesamt
thematisieren, dass der Autor selbst und nicht Ihre Interpretation inkonsistent ist.
Das gilt natürlich auch für den Fall, dass Sie den Autor mit anderen Theorien
verknüpfen – das sollte mit der selben Sorgfalt passieren, die wir bei Ihrem
eigenen Standpunkt schon angesprochen haben (auf positionelle Schwerpunkte,
Verwandtschaften und Unverträglichkeiten achten – siehe oben).
Soweit einige Überlegungen zur positionellen pädagogischen Kritik – wenn SIe dabei
Ansätze finden, die Sie zu Kritiken führen, die wir nächste Lv. in der Fragestunde
'abtesten' können, würde mich das freuen.
.
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