Übergang von Euler’scher zu Lagrange’scher Statistik in kompressibler Turbulenz DISSERTATION zur Erlangung des Grades »Doktor der Naturwissenschaften« an der Fakultät für Physik und Astronomie der Ruhr-Universität Bochum von Christian Schwarz aus Niederorschel Bochum, Oktober 2009 1. Gutachter: Prof. Dr. Rainer Grauer 2. Gutachter: PD Dr. Horst Fichtner Datum der Disputation: 20.10.2009 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis I. Prolog 1 1. Vorwort 1.1. Was ist Turbulenz? . . . . . . . . . 1.2. Euler- und Lagrange-Bild . . . . . 1.3. Verbindung beider Modelle . . . . . 1.4. Motivation . . . . . . . . . . . . . . 1.5. Gliederung und Ziele dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Theoretische Grundlagen 3 3 4 5 6 7 9 2. Einführung 11 2.1. Historischer Abriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.2. Phänomenologische Beschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.3. Strukturfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3. Intermittenz 19 3.1. Intermittenz im Euler-Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3.2. Intermittenz im Lagrange-Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 4. Kompressible Turbulenz 27 4.1. Burgers-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 III. Numerik 5. Einführung 5.1. Konservative Formulierung 5.2. Fluss-Berechnung . . . . . 5.3. Zeitintegration . . . . . . 5.4. Passive Tracer-Teilchen . . 33 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 35 36 37 37 6. Setup der Simulation 39 6.1. Zeitskalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 i Inhaltsverzeichnis IV. Übergang von Euler’scher zu Lagrange’scher Statistik 7. PDF der Geschwindigkeits-Inkremente 7.1. Lagrange’sche Inkremente . . . . . . . . . 7.2. Euler-Lagrange’sche Inkremente . . . . . . 7.3. Übergang von Euler-Lagrange zu Lagrange 7.4. Euler’sche Inkremente . . . . . . . . . . . 7.5. Übergang von Euler zu Euler-Lagrange . . 7.6. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Strukturfunktionen 8.1. Lagrange . . . . . . . . . . . 8.2. Euler . . . . . . . . . . . . . 8.3. Berücksichtigung der Dichte 8.4. Mellin-Transformation . . . 8.5. Biferale-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 46 47 49 58 60 65 . . . . . 66 66 68 69 75 78 V. Epilog 81 9. Zusammenfassung und Ausblick 83 VI. Anhang 87 A. racoon II 89 A.1. Wesentliche Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 A.2. Problemklasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 B. Nebenrechnungen B.1. Beweis von Gleichung (3.18) . . . . . . . . . . . . B.2. Beweis von Gleichung (3.21) . . . . . . . . . . . . B.3. Dichte-gewichtete Strukturfunktionen für Burgers B.4. PDF der Beschleunigung aus Normalverteilungen C. Lebenslauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 94 95 96 97 99 D. Literatur 101 ii Tabellenverzeichnis Tabellenverzeichnis Symbolverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1. Butcher-Schema der Runge-Kutta Integration 6.1. Parameter der Simulation . . . . . . . . . . . 8.1. Anwenden des Modells von Biferale . . . . . . iii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vi . 37 . 39 . 78 Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 2.1. Fallendes Wasser von Leonardo da Vinci . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Richardson Kaskade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Energie-Spektrum nach Kolmogorov . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4. Euler’sches Geschwindigkeits-Inkrement . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Lokale Energiedissipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Enstrophie und Energiedissipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. Lagrange’sches Geschwindigkeits-Inkrement . . . . . . . . . . . . . 4.1. Burgers Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Exponenten der Burgers-Strukturfunktionen . . . . . . . . . . . . . 6.1. Machzahl M . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2. Auto-Korrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1. Geschwindigkeits-Inkremente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2. PDF der Lagrange’schen Geschwindigkeits-Inkremente . . . . . . . 7.3. PDF der Euler-Lagrange’schen Geschwindigkeits-Inkremente . . . . 7.4. PDF zurückgelegter Entfernungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5. Rekonstruierte Lagrange Geschwindigkeits-PDF . . . . . . . . . . . 7.6. Übergangswahrscheinlichkeit pB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.7. Wirkung von p̂B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.8. Winkel von pB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.9. Varianz von pB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.10. Anwenden des Modells für pB mit variablem Winkel . . . . . . . . . 7.11. Anwenden des Modells für pB mit festem Winkel . . . . . . . . . . . 7.12. PDF der gewichteten Euler’schen Geschwindigkeits-Inkremente . . . 7.13. Wirkung von pA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.14. Übergangswahrscheinlichkeit pA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.15. Rekonstruierte Euler-Lagrange’sche Geschwindigkeits-PDF . . . . . 7.16. Rekonstruierte Euler-Lagrange’sche Geschwindigkeits-PDF im Limes zur Inkompressibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.17. Rekonstruierte Lagrange’sche Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1. Logarithmische Ableitung der Lagrange’schen Strukturfunktionen. . 8.2. Exponenten der Lagrange’schen Strukturfunktionen. . . . . . . . . . 8.3. Logarithmische Ableitung der Euler’schen Strukturfunktionen. . . . 8.4. Exponenten der Euler’schen Strukturfunktionen. . . . . . . . . . . . 8.5. Logarithmische Ableitung der Strukturfunktionen der Energietransfer-Größe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6. Exponenten der Strukturfunktionen der Energietransfer-Größe. . . . 8.7. Logarithmische Ableitung der Dichte-gewichten Euler’schen Strukturfunktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.8. Exponenten der Dichte-gewichten Euler’schen Strukturfunktionen . iv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 14 15 17 19 20 24 28 30 40 41 45 46 48 48 50 51 53 55 56 57 57 59 61 62 63 . . . . . . 64 65 67 67 68 69 . 70 . 70 . 74 . 74 Abbildungsverzeichnis A.1. A.2. B.1. B.2. Blockstruktur von racoon II . . . . . . . . . . Schwache Skalierung von racoon II . . . . . Modell der Übergangswahrscheinlichkeit p̂B . Ergebnis der Modellrechnung. . . . . . . . . v . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 91 97 98 Symbolverzeichnis Symbolverzeichnis Symbol Bedeutung 1 t τ ~x, x ~l, l k = 2π/l ~ X(t) ~v = ~v (~x, t) v ~a = d~ dt ρ = ρ(~x, t) p~ = p~(~x, t) P = P (~x, t) f~ = f~(~x, t) Einheitsmatrix Zeit Zeitdifferenz, -inkrement Ortsvektor, bzw. dessen Betrag Inkrement eines Ortsvektors, bzw. dessen Betrag Wellenzahl Position eines Fluid-Elements zur Zeit t Geschwindigkeit Beschleunigung Massendichte Impulsdichte Druck externe Kraft(-dichte), Treiber L Skala der Energiezufuhr (integral scale) Kantenlänge der Simulationsbox Charakteristische Geschwindigkeit Volumen der Simulationsbox Skala der Energiedissipation (Kolmogorov scale) Zeitskala der Energiedissipation (Kolmogorov time scale) Reynolds-Zahl mittlere Energie-Dissipationsrate Skalenexponent PDF1 der Größe A Ordnung der Strukturfunktionen Strukturfunktionen (isotrop, longitudinal, transversal) Exponenten der Strukturfunktionen Strukturfunktionen im Lagrange-Bild Exponenten der Strukturfunktionen im LagrangeBild V η τη Re ε h f (A) p Sp (l), Spk (l), Sp⊥ (l) ζ(p), ζ k (p), ζ ⊥ (p) SpL (τ ) ζ L (p) hAi P (A) ∇ 1 Bilden des statischen Mittelwerts der Größe A Bilden der PDF der Größe A Nabla-Operator Probability Density Function vi Danksagung Danksagung Ich möchte nicht versäumen, mich an dieser Stelle bei allen zu bedanken, die diese Arbeit ermöglicht haben. An erster Stelle gilt mein besonderer Dank meinem Betreuer Prof. Dr. Rainer Grauer, von dessen enormen Erfahrungen im Bereich der Turbulenz und Numerik ich sehr viel lernen konnte. Er gab mir häufig Anregungen, eigene Ideen zu entwickeln, und die Motivation, diese Arbeit zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Großen Dank schulde ich auch Dr. Jürgen Dreher, der mir immer mit Rat und Tat zur Seite stand, insbesondere wenn es um Erweiterungen von racoon II ging, und Jürgen Möllenhoff, der alles über Linux zu wissen scheint und schützend seine Hände über das Opteron-Cluster unseres Instituts hält. Weiterhin möchte ich Christoph Beetz meinen Dank aussprechen, auf dessen Diplomarbeit meine Simulationen aufbauen und mit dem ich viele Diskussionen zum Thema Turbulenz führte. Danken möchte ich auch Oliver Kamps und Holger Homann für die aufschlussreichen Diskussionen zu Euler’scher und Lagrange’scher Statistik und auch allen anderen Mitgliedern des Lehrstuhls Theoretische Physik I. Nicht zuletzt bin ich auch meinen Eltern und Freunden zu Dank für Ihre immer währende Unterstützung verpflichtet. vii Teil I Prolog 3 1. Vorwort Das Phänomen der Turbulenz begegnet uns in unserem täglichen Leben so oft, dass wir es bewusst kaum noch wahrnehmen. Bereits wenn wir die Milch mit unserem morgendlichen Kaffee verrühren oder mit dem Auto zur Arbeit fahren, treten turbulente Strömungen auf. Stärker bewusst werden uns die Effekte turbulenter Strömungen durch Phänomene in unserer Atmosphäre, z.B. wenn wir bei starkem Wind mit dem Flugzeug fliegen und in »Turbulenzen« geraten oder durch die Ausbildung von Wirbelstürmen. Aber auch in anderen Bereichen spielt die Turbulenz eine wesentliche Rolle: Im Bereich der Ingenieurwissenschaften muss sie bei der Berechnung von Strömungen um Schiffe und Flugzeuge, bei Verbrennungsvorgängen in Motoren und Turbinen oder bei Strömungen durch Pipelines berücksichtigt werden. Letzteres besitzt wiederum Anwendungen in der Medizin beim Blutfluss durch Arterien, Venen und dem Herzen oder der Atmung, also dem Strömen von Luft in die Lunge hinein bzw. wieder heraus. Jedoch nicht nur wegen der eben genannten Anwendungen steht die Turbulenz im wissenschaftlichen Interesse. Sie muss auch bei Modellen der Geophysik, Astrophysik und Kosmologie berücksichtigt werden. Während die Strömungen von Flüssigkeiten und der Luft unserer Atmosphäre weitgehend inkompressibel erfolgt, müssen im Bereich der Astrophysik für kalte Molekülwolken starke Dichteunterschiede berücksichtigt werden (siehe Snow und McCall (2006) und Kissmann u. a. (2008)). Zur Beschreibung der Dynamik solcher Medien ist eine Theorie der kompressiblen Turbulenz unumgänglich. Das Phänomen der Turbulenz ist seit nunmehr über 200 Jahren Gegenstand intensiver Forschung und konnte bis heute noch nicht umfassend geklärt werden. Aber was ist nun eigentlich Turbulenz? 1.1. Was ist Turbulenz? In frühen Studien wurde noch nicht der Begriff Turbulenz benutzt, sondern man verwendete das Adjektiv sinuous, da die Trajektorien von Teilchen sinusförmig bzw. irregulär erscheinen. Der Begriff Turbulenter Fluss wurde 1887 von Lord Kelvin eingeführt. Aref u. a. (1999) bezeichnen Turbulenz als . . . the name given to imperfectly understood class of chaotic solutions to the Navier-Stokes equation in which many degrees of freedom are excited. Ich möchte mich bei der Erklärung des Begriffs Turbulenz jedoch eher an Hinze (1959) halten, der dieses Phänomen wie folgt definiert: Turbulent fluid motion is an irregular condition of the flow in which the various quantities show a random variation with time and space coordinates, so that statistically distinct average values can be discerned. 4 1 Vorwort 1.2. Euler- und Lagrange-Bild In der Hydrodynamik und damit auch in der Turbulenz gibt es zwei verschiedene Arten der Beschreibung: das Euler- und das Lagrange-Bild. Ich möchte beide Sichtweisen und die damit verbundenen Schwierigkeiten, die bis heute nicht gelöst sind, hier nun vorstellen. 1.2.1. Euler-Bild Die Euler’sche Darstellung beschreibt die physikalischen Größen als skalare oder vektorielle Felder. Dabei enthält die Entwicklungsgleichung des Geschwindigkeitsfeldes ∂~v d~v = + (~v · ∇) ~v = . . . dt ∂t (1.1) eine quadratische Nichtlinearität, welche für die Entstehung der Turbulenz verantwortlich ist und auf ein Hierarchie-Problem führt. In voll ausgebildeter Turbulenz dominiert diese Nichtlinearität, was auch einen störungstheoretischen Ansatz vereitelt. Sie ist weiterhin für die Kopplung zwischen verschiedenen Moden verantwortlich, die wiederum zur Ausbildung von Strukturen führt, die fast singulär sind. Dies sind einige der Ursachen dafür, dass es trotz intensiver Bemühungen bisher noch nicht gelungen ist, eine geschlossene Theorie der Turbulenz zu entwickeln. Es wurden jedoch mit Hilfe von Zusatzannahmen, wie Homogenität und Isotropie, sowie auf der Grundlage phänomenologischer Beschreibungen wichtige Resultate in der Turbulenz-Theorie erzielt. 1.2.2. Lagrange-Bild Abgesehen von der Darstellung der Flüssigkeit durch Felder ist es auch möglich die Bahnen passiver Teilchen, die der Strömung folgen, zu betrachten. Interpretiert man diese Teilchen als Fluidelemente, so ist diese Beschreibung analog zur Mechanik bewegter Massenpunkte und wird als Lagrange’sche Darstellung bezeichnet. Dabei betrachtet man ein Teilchen, dass sich zum Zeitpunkt t0 an der Position ~x0 befindet. Durch die Angabe von diesen Randbedingungen ist die Trajektorie des Teilchens für alle Zeiten t eindeutig festgelegt. ~ (t; ~x0 , t0 ) ~x (t) = X (1.2) Da jedem Ortsvektor ~x0 ein solches Fluidelement zugeordnet werden kann, ist die Strömung damit eindeutig beschrieben. Die Trajektorien der Teilchen sind über d ~x (t) = ~v (~x, t) dt (1.3) mit dem Geschwindigkeitsfeld (1.1) verknüpft und wir können aus diesem auf die Bahnen der Flüssigkeitselemente in der Lagrange’schen Darstellung schließen. Die 1.3 Verbindung beider Modelle 5 analytische Lösung dieses Systems gekoppelter Differentialgleichungen erster Ordnung gestaltet sich jedoch als schwierig. Als Alternative dazu betrachtet man den Gradienten des Geschwindigkeitsfeldes Aij = ∂j vi . Dessen Entwicklungsgleichung ergibt sich durch Ableiten der NavierStokes Gleichung dAij + Aik Akj = −∂ij P + ν∆Aij , (1.4) dt wobei hier die totale Zeitableitung d/dt verwendet wird. Unter Vernachlässigung des Drucks und der Viskosität würde man aus diesem System gekoppelter, partieller Differentialgleichungen ein System gewöhnlicher Differentialgleichungen erhalten, welches eine geschlossene Lösung besitzt. Insbesondere von Chevillard und Meneveau (2006) gehen Bemühungen aus, den Druckterm ∂ij P und den Viskositätsterm ν∆Aij als Funktionen von Aij zu formulieren. Das Lagrange-Bild ist jedoch nicht nur aus mathematischer Sicht attraktiv. So lassen sich die Phänomene des Transports und der Durchmischung in diesem einfach beschreiben. Damit verbunden sind die Diffusion und Dispersion der Temperatur und von Konzentrationsunterschieden, was für chemische Reaktoren oder bei der Ausbreitung von Umweltverschutzungen eine wesentliche Rolle spielt. Es findet auch Anwendung, wenn man erklären will, wie Regentropfen entstehen bzw. bei der industriellen Erzeugung von Nanopartikeln. Des Weiteren lässt sich im LagrangeBild aus der Dispersion zweier benachbarter Trajektorien auf die Lyaponov-Exponenten schließen (siehe Falkovich u. a. (2001) und Schwarz (2007)) und damit das chaotische Verhalten der Turbulenz charakterisieren. Experimentelle Untersuchungen im Lagrange-Bild sind jedoch erst in den letzten zehn Jahren möglich geworden. So wurden erste Experimente von Voth u. a. (2002) durchgeführt, wobei sie sich eines optischen Verfahrens bedienten, um die Trajektorien von Testteilchen zu verfolgen. Mordant u. a. (2004) benutzten hingegen den akustischen Dopplereffekt, um die Turbulenz im Lagrange-Bild zu untersuchen. Die Turbulenz in kompressiblen Flüssigkeiten oder Gasen bzw. in Plasmen ist bisher noch nicht experimentell zugänglich. 1.3. Verbindung beider Modelle Häufig interessieren jedoch nicht die Trajektorien der Flüssigkeitselemente, sondern es genügen statistische Aussagen über deren Eigenschaften. Eine Übertragung der statistischen Aussagen zwischen dem Euler und dem Lagrange-Bild ist in jüngster Zeit Gegenstand intensiver Forschung. So werden in Friedrich u. a. (2009) auf der Grundlage von direkten numerischen Simulationen die Euler’schen und Lagrange’schen Geschwindigkeits-Inkremente und die Eigenschaften der Strukturfunktionen miteinander verglichen. Kamps u. a. (2009) stellen eine Möglichkeit vor, wie man die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion (engl. Probability Density Function) der Euler’schen Geschwindigkeits-Inkremente in die Lagrange’schen überführen kann. In diese Theorie geht wesentlich die Annahme über die Homogenität und Isotropie einer voll entwickelten 6 1 Vorwort Turbulenz ein. Wie Homann u. a. (2009) zeigen, funktioniert die Übertragung der Statistik im Falle der inkompressiblen Turbulenz sehr gut. Eine Erweiterung auf die kompressible Turbulenz steht jedoch noch aus und ist ein wesentlicher Teil der vorliegenden Arbeit. 1.4. Motivation In den vorherigen Abschnitten habe ich die zwei Sichtweisen zur Beschreibung der Turbulenz erläutert. Beide besitzen individuelle Vorzüge. Das Euler-Bild beispielsweise erlaubt einen sehr einfachen messtechnischen Zugang. Untersuchungen von Turbulenz-Erscheinungen in der Astrophysik, welche im Allgemeinen als kompressibel betrachtet werden müssen, sind auf die Euler’sche Darstellung beschränkt. Aber auch Turbulenz-Untersuchungen im Labor, z.B. in Plasmen, können mittels Sonden lediglich im Euler-Bild erfolgen. Wie bereits erwähnt, ist die Verfolgung passiver Teilchen im Labor bisher lediglich für inkompressible Flüssigkeiten möglich. Benötigt man hingegen eine Beschreibung aus der Lagrange’schen Sichtweise, um zum Beispiel Transportphänomene zu beschreiben, ist die Übersetzung der Statistiken ein viel versprechender Ansatz. Eine Möglichkeit hierfür wurde von Biferale u. a. (2004) vorgestellt, welche jedoch einige Probleme aufweist. Hingegen liefert der Ansatz von Kamps u. a. (2009) ein exaktes statistisches Ergebnis für isotrope, inkompressible Turbulenz. Diese Methode betrachtet dabei die Wahrscheinlichkeitsdichten der Geschwindigkeits-Inkremente auf verschiedenen Skalen. Um eine solche Theorie für die Übersetzung der Statistiken zu testen und auszubauen, sind Computersimulation nötig, mit deren Hilfe sich die Lagrange’sche Beschreibung genauso gut wie die Euler’sche untersuchen lässt. Ich werde in dieser Arbeit die Modelle von Biferale u. a. (2004) und Kamps u. a. (2009) ausführlich diskutieren und Letzteres erstmalig auf die Daten einer Simulation kompressibler Turbulenz anwenden. Es wird sich dabei herausstellen, dass in kompressibler Turbulenz die Dichte eine wesentliche Rolle spielt. Diese lässt sich anhand der Exponenten der Strukturfunktionen einfacher berücksichtigen als bei den Wahrscheinlichkeitsdichten. Der Frage nach dem Einfluss der Dichte auf diese Exponenten ist ein weiterer Teil dieser Arbeit gewidmet. Als Ergebnis werde ich einen Weg aufzeigen, wie es unter Berücksichtigung der Dichte prinzipiell möglich sein sollte, die Exponenten der Euler’schen Strukturfunktionen in die der Lagrange’schen zu transformieren. Die dabei auftretenden Schwierigkeiten werden in den einzelnen Abschnitten besonders diskutiert. 1.5 Gliederung und Ziele dieser Arbeit 7 1.5. Gliederung und Ziele dieser Arbeit Im Teil II werde ich zunächst eine kurze Einführung in die Theorie der Turbulenz geben und im Zuge dessen die wesentlichen Begriffe erläutern. Insbesondere wird dabei auf die Besonderheiten des Lagrange-Bildes und der kompressiblen Turbulenz eingegangen. Letztere unterscheidet sich in wesentlichen Merkmalen von der inkompressiblen Turbulenz und die meisten theoretischen Werkzeuge sind nur bedingt anwendbar. Ich werde im Rahmen dieser Arbeit einen Teil der damit verbundenen Problematik angehen. Der nachfolgende Teil III erklärt die numerischen Grundlagen und beschreibt die wesentlichen Parameter und charakteristischen Größen meiner Simulationen. Teil IV beinhaltet den Kern meiner Arbeit. Dabei werde ich im Kapitel 7 den statistischen Ansatz von Kamps u. a. (2009) für die Übertragung der Euler’schen zur Lagrange’schen Statistik beschreiben und diese Methode auf die Daten meiner Simulationen kompressibler Turbulenz anwenden. Ziel dieser Arbeit ist es, ein Verständnis der bedingten Wahrscheinlichkeiten zu schaffen, die bei dieser Transformation auftreten, und die Untersuchung zusätzlicher Probleme, die in Verbindung mit der Kompressibilität in Erscheinung treten. Das Kapitel 8 befasst sich mit der Theorie der Strukturfunktionen in kompressibler Turbulenz. Damit diese mit den Erkenntnissen aus der inkompressiblen Turbulenz vergleichbar sind, ist eine geeignete Berücksichtigung der Dichte erforderlich. Dies ist Thema von Abschnitt 8.3. Anschließend werde ich in Abschnitt 8.5 das Modell von Biferale u. a. (2004) für die Übertragung der Exponenten der Euler’schen Strukturfunktionen zu den Lagrange’schen diskutieren. Auch hier will ich mit dieser Arbeit einen Beitrag zum besseren Verständniss der Probleme bei der Übertragung der Statistik von der Euler’schen zur Lagrange’schen Sichtweise in kompressibler Turbulenz liefern. Schließlich werden im Kapitel 9 die erzielten Resultate zusammengestellt. Insbesondere werde ich dabei die in diesem Zusammenhang bisher noch nicht gelösten Probleme und Fragestellungen aufzeigen. Teil II Theoretische Grundlagen 11 2. Einführung In diesem Abschnitt möchte ich zunächst die wesentlichen Begriffe und Konzepte der Turbulenz-Theorie vorstellen und dabei mit einem kurzem historischen Abriss beginnen. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass es im Rahmen dieser Einführung nicht möglich ist, auf jede Theorie der Turbulenz einzugehen, und dass viele Forscher, die einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der Turbulenz geleistet haben, leider unerwähnt bleiben müssen. Der interessierte Leser sei auf die einschlägige Fachliteratur, wie z.B. Frisch (1995); Tsinober (2001); Cebeci (2004) und die darin enthaltenden Referenzen verwiesen. 2.1. Historischer Abriss Abb. 2.1: Fallendes Wasser von Leonardo da Vinci (1508 – 09) [Quelle: http://www.drawingsofleonardo.org/] Einer der Ersten, die sich mit dem Phänomen der Turbulenz beschäftigt haben, war das Universal-Genie Leonardo da Vinci (1452 – 1519). Auf seiner Skizze vom fallendem Wasser (siehe Abb. 2.1) sind Strukturen verschiedener Größe zu erkennen. Diese Erkenntnis, dass sich Turbulenz2 aus einer Vielzahl von Wirbeln (engl. eddies) mit unterschiedlichen Durchmessern zusammensetzt, führte später zu dem Kaskadenmodell von Richardson. Dieses phänomenologische Modell wurde erst im 20. Jahrhundert entwickelt, und ich werde im Abschnitt 2.2.1 darauf zurückkommen. 2 Korrekterweise müsste man hier von inkompressibler hydrodynamischer Turbulenz sprechen. 12 2 Einführung Wie bereits im Abschnitt 1.1 erwähnt, tritt Turbulenz nur in strömenden Medien auf. Die bis heute noch gültige mathematische Beschreibung ) ( ∂~v + (~v · ∇) ~v = −∇P + f~ ρ ∂t (2.1) für Strömungen in reibungsfreien Flüssigkeiten geht auf den Mathematiker Leonhard Euler (1707 – 1783) zurück. Im folgenden Jahrhundert wurde diese Gleichung von Sir George Gabriel Stokes (1819 – 1903) und Claude Louis Marie Henri Navier (1785 – 1836) auf viskose Flüssigkeiten erweitert. ( ) µ ∂~v + (~v · ∇) ~v = −∇P + µ4~v + + ζ ∇ (∇ · ~v ) + f~ ρ ∂t 3 (2.2) In dieser Gleichung bezeichnen die Koeffizienten µ die dynamische Viskosität und ζ die Volumen-Viskosität. Für einen vollständigen Satz von Differential-Gleichungen benötigt man zusätzlich noch die Kontinuitätsgleichung ∂ρ + ∇ · (ρ~v ) = 0 ∂t (2.3) und eine Zustandsgleichung, die den Druck und die Dichte miteinander in Verbindung setzt. Ein Pionier der Turbulenz-Forschung war Osborne Reynolds (1842 – 1912). Er untersuchte die Bedingungen, unter denen sich die Strömung in Röhren von laminar zu turbulent entwickelt. Dabei machte er die Beobachtung, dass sich dieser Übergang mit einer einzigen Zahl, der Reynolds-Zahl Re = VL ρV L = µ ν (2.4) beschreiben lässt. Dabei bezeichnet L eine charakteristische Länge und V eine charakteristische Geschwindigkeit der Anwendung. Dieses Ergebnis lässt sich leicht ver∂ ∂ stehen, denn durch Einführen dimensionsloser Größen x = Lξ, ∂x = L1 ∂ξ , ~v = V w, ~ 2 t = VL τ , P = V 2 ρP 0 und f~ = VL ρf~0 ergibt sich die inkompressible Navier-Stokes Gleichung zu 1 ∂w ~ + w ~ · ∇ξ~ w ~= 4w ~ − ∇P 0 + f~0 . (2.5) ∂τ Re Die Reynolds-Zahl ist, abgesehen von den Randbedingungen, der einzige freie Parameter in dieser Gleichung; gleiche Reynolds-Zahl bedeutet somit gleiches Strömungsverhalten. Diesen Umstand macht man sich insbesondere bei Untersuchungen des Stromlinienverhaltens um Autos, Schiffe und Flugzeuge zunutze, indem man kleinere Modelle benutzt und die Strömungsgeschwindigkeit bzw. die kinetische Viskosität so anpasst, dass sich die gleiche Reynolds-Zahl wie beim Original ergibt. 2.2 Phänomenologische Beschreibung 13 2.2. Phänomenologische Beschreibung Auf der Grundlage der Navier-Stokes Gleichung lassen sich hydrodynamische Simulationen im Computer durchführen und das turbulente Verhalten von Flüssigkeiten nachbilden. Jedoch sind damit nicht die Phänomene der Turbulenz erklärt. Dies erkannte auch der große Physiker Feynman (1963)[Kap. 41] The next great era of awakening of human intellect may well produce a method of understanding the qualitative content of equations. Today we cannot. Today we cannot see that the water flow equations contain such things as the barber pole structure of turbulence that one sees between rotating cylinders. Today we cannot see whether Schrödinger’s equation contains frogs, musical composers, or morality – or whether it does not. We cannot say whether something beyond it like God is needed, or not. And so we can all hold strong opinions either way. Für ein tieferes Verständnis der Turbulenz wurde demzufolge eine andere Art der Beschreibung der auftretenden Phänomene entwickelt, die eher auf Beobachtungen und Messungen qualitativer Größen statt auf den grundlegenden Gleichung beruht. Diese Herangehensweise bezeichnet man als phänomenologische Beschreibung der Turbulenz. Dazu zählt auch das bereits erwähnte Kaskaden-Modell von Richardson. 2.2.1. Richardson-Kaskade Die Richardson-Kaskade bildet die Grundlage der phänomenologischen Beschreibung der Turbulenz. In seiner bemerkenswerten Arbeit geht Richardson (1922) davon aus, dass in voll ausgebildeter Turbulenz drei unabhängige Skalenbereiche existieren. Auf den größten Skalen L, dem Produktionsbereich (engl. integral scale), wird dem System Energie zugeführt. Dadurch entstehen große Wirbel, die mit der Zeit aufbrechen und kleinere Wirbel bilden. Dies geschieht solange, bis die Wirbel so klein sind, dass sie Effekte der molekularen Wechselwirkung zu spüren bekommen und die kinetische Energie in Wärme umgewandelt wird. Den Skalenbereich, in dem die Energie dissipiert wird, nennt man aus diesem Grund den Dissipationsbereich. Der Transport der Energie vom der Integral-Skala zu der Dissipations-Skala η erfolgt jedoch nicht nur dadurch, dass die Wirbel instabil werden und aufbrechen und somit sukzessive kleiner werden, sondern auch durch die nicht-lineare Wechselwirkungen zwischen den Wirbeln unterschiedlicher Größe. Dabei können große Wirbel auch direkt kleine beeinflussen. Lewis F. Richardson bringt dies wie folgt zum Ausdruck: Big whorls have little whorls That feed on their velocity, And little whorls have lesser whorls And so on to viscosity. 14 2 Einführung Inertialbereich L η Abb. 2.2: Schematische Darstellung der Richardson Kaskade. [Quelle: Grafke (2008)] Nach dem Kaskadenmodell ist die Strömung im mittlere Skalenbereich (η l L) unabhängig davon, wie die Energie auf den großen Skalen L zugeführt und wie sie auf den kleinen Skalen η wieder dissipiert wird. Die Energie wird lediglich durch Impulsübertragung zwischen den Wirbeln zu den kleineren Skalen hin transportiert. Aus diesem Grund nennt man diesen Skalenbereich Inertialbereich (engl. inertial range). Von stationärer Turbulenz spricht man, wenn sich ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Skalen eingestellt hat. Im statistischen Mittel müssen somit die Energie, die auf den großen Skalen zugeführt wird und die Energie, die auf den kleinsten Skalen dissipiert wird, gleich groß sein. Damit ist die Energie-Transferrate zwischen den Skalen im Inertialbereich eindeutig durch die auf den großen Skalen zugeführte bzw. die Energie-Dissipationsrate ε festgelegt. In der Turbulenz-Theorie bezieht man sich üblicherweise auf Letztere. 2.2.2. K41 Ausgehend von der Energie-Kaskade nach Richardson entwickelte Andrei Nikolaevich Kolmogorov seine berühmte Theorie der Turbulenz (siehe Kolmogorov (1941b,c,a)). Ich möchte hier nur die Grundzüge dieser Theorie vorstellen. Eine ausführlichere Darstellung findet man in Frisch (1995). Kolmogorov geht in seiner ersten Hypothese von folgenden Annahmen aus: Innerhalb der Energie-Kaskade geht der anisotrope Einfluss der großen Skalen zunehmend verloren. Ist das Verhältnis η/L hinreichend klein, was einer entsprechend großen Reynolds-Zahl entspricht, so wird die Turbulenz auf kleinen Skalen homogen und isotrop. In diesem Fall sind die statistischen Eigenschaften auf den kleinen Skalen eindeutig und universell festgelegt durch die Skala l, die mittlere EnergieDissipationsrate ε und die Viskosität ν. Damit kann die Dissipations-Skala η aufgrund einer Dimensionsanalyse der Grö- 2.2 Phänomenologische Beschreibung Energie-Kaskade, in der die Energie von den großen zu den kleinen Skalen hin transportiert wird Viskosität dissipiert Energie in Wärme log E(k) Energiezufuhr 15 Energiebereich Dissipationsbereich Inertialbereich L−1 η −1 log k Abb. 2.3: Schematische Darstellung des Energie-Spektrums nach Kolmogorov in turbulenter Strömung ßen η, ε und ν bestimmt werden. Man definiert η := ν3 ε !1/4 (2.6) als Kolmogorov-Skala, die bis auf einen konstanten Faktor der Dissipations-Skala entspricht. Äquivalent dazu lässt sich die Kolmogorov-Zeitskala r τη := ν ε (2.7) definieren, die mit der Dissipations-Zeitskala verknüpft ist. In seiner zweiten Hypothese nimmt Kolmogorov an, dass die Statistik im Inertialbereich (η l L) lediglich von der Skala l und dem Energie-Transfer zwischen den Skalen und damit von der Energie-Transferrate ε abhängt. Betrachtet man die Energie E(k)dk, die in dem Skalenbereich k ≤ ~k < k + dk , mit k= 2π l gespeichert ist, dann liefert eine Dimensionsanalyse, dass sich das Energiespektrum verhält wie 5 2 E (k) ∝ ε 3 k − 3 . (2.8) Dies ist das berühmte 53 -Gesetz, welches durch viele Experimente und numerische Simulationen bestätigt wird (siehe z.B. Frisch (1995)). 16 2 Einführung 2.2.3. Skaleninvarianz Eine weitere Annahme in der Turbulenz-Theorie von Kolmogorov ist die Skaleninvarianz des Flusses innerhalb des Inertialbereichs, d.h. Strukturen auf unterschiedlichen Skalen besitzen ähnliche statistische Eigenschaften und deren Verhältnisse lassen sich direkt aus dem Größenvergleich der Skalen ermitteln. Ein solches Skalierungsverhalten nennt man auch selbstähnlich. Für eine allgemeine selbstähnliche Größe A gilt das Potenzgesetz A (λl) = λh A (l) , wobei λ der Skalierungsfaktor und h der Skalenexponent der Größe A ist. Das Skalierungsverhalten der einzelnen Größen muss konsistent mit der Navier-Stokes Gleichung3 ∂~v + (~v · ∇) ~v = −∇P ∂t (2.5) sein. Daraus folgt eindeutig, wie diese Größen skalieren müssen: l → λl (2.9a) v → λh v (2.9b) 1−h t → λ t (2.9c) P → λ2h P (2.9d) Aus einer Dimensionsbetrachtung lässt sich damit das Skalenverhalten der EnergieTransferrate ε → λ3h−1 ε (2.9e) bestimmen. Da diese unabhängig von der Skala sein soll, folgt somit, dass der Skalenexponent 1 h= (2.10) 3 sein muss. Um dieses Ergebnis und seine Folgerungen zu überprüfen, bedient man sich einer statistischen Beschreibung der Turbulenz. 3 Der Reibungsterm und der Treiber entfallen, da der Inertialbereich von diesen unabhängig ist. 2.3 Strukturfunktionen 17 2.3. Strukturfunktionen t v (x, t) x0 x0 + l l t0 x Abb. 2.4: Bei dem Euler’schen Geschwindigkeits-Inkrement werden zwei Geschwindigkeiten zur selben Zeit t0 an zwei verschiedenen Orten, die sich im Abstand l voneinander befinden, miteinander verglichen. Zur Überprüfung der Selbstähnlichkeit des Geschwindigkeitsfeldes führt man die Geschwindigkeits-Inkremente δ~l ~v = ~v (~x + ~l, t) − ~v (~x, t) (2.11) ein. Aufgrund der Differenzbildung werden Einflüsse der größeren Skalen, z.B. einer überlagerten gerichteten Bewegung, eliminiert. Diese Größe ist somit Galileiinvariant. Die einfachste statistische Auswertung, die man aus diesen Geschwindigkeits-Inkrementen bilden kann, ist deren Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion (engl. Probability Density Function) 4 . f (u; l) = P (δl v) D h iE = δ u − vi (~x + ~l, t) − vi (~x, t) i,l=|~l|,~ x∈V,t (2.12) Sie liefert eine Aussage darüber, wie wahrscheinlich eine gewisse Geschwindigkeitsänderung für eine festgelegte Skala l ist. Die PDF’s werden uns im Kapitel 7 wieder begegnen. Die statistischen Momente der Geschwindigkeits-Inkremente werden als Strukturfunktionen bezeichnet. Dabei unterscheidet man zwischen longitudinalen D pE Spk (l) = ~v (~x + ~l, t) − ~v (~x, t) · ˆl = 4 D δ~l ~ v p E · ˆl mit l=|~l|,~ x∈V,t ˆl = ~l/~l (2.13) Die spitzen Klammern symbolisieren die Bildung des statistischen Mittels über alle Komponenten i des Geschwindigkeitsfeldes ~v , über alle Richtungen von ~l, dem gesamten Gebiet V und über mehrere Realisierungen bzw. der Zeit t. 18 2 Einführung und transversalen Sp⊥ (l) Strukturfunktionen. Auf eine genaue Definition möchte ich hier jedoch nicht eingehen. In homogener und isotroper Turbulenz sollten nach (2.10) beide wie lp/3 skalieren. Unterstützt wird diese Aussage durch das 45 -Gesetz 4 k S3 (l) = − εl 5 (2.14) von Kolmogorov, welches man unter der Annahme einer homogenen Turbulenz mit Hilfe der Kármán-Howarth-Monin Relation exakt aus den Navier-Stokes Gleichungen herleiten kann (siehe Frisch (1995)). 2.3.1. Exponenten der Strukturfunktionen Aus dem vorherigen Abschnitt folgt, dass Strukturfunktionen nach einem Potenzgesetz Spk (l) ∝ lζ(p) (2.15) skalieren und wenn die in Abschnitt 2.2.3 beschriebene Annahme von Kolmogorov richtig ist, muss für die Exponenten der Strukturfunktionen ζ (p) = p 3 (2.16) gelten. Messungen und direkte numerische Simulationen (kurz: DNS) ergeben jedoch für p > 3 signifikante Abweichungen von dem ζ (p) = p3 - Skalengesetz. Dieses anomale Skalenverhalten ist eine Folge der Intermittenz. Bemerkung. Es treten bei der Bestimmung der Skalenexponenten jedoch Probleme auf, die ich an dieser Stelle erwähnen möchte. Häufig ist es schwierig, in einem doppelt-logarithmischen Plot überhaupt ein Potenzgesetz für die Strukturfunktionen zu erkennen, da der Inertialbereich teilweise nur schwach ausgeprägt ist. Eine bessere Alternative bietet die Benutzung der logarithmischen Ableitung l dSp (l) l dlζ(p) d ln Sp (l) = = ζ(p) = ζ (p) , d ln l Sp (l) dl l dl bei dem das Potenzgesetz (2.15) ein Plateau liefert, an dessen Niveau der Exponent ζ(p) direkt abgelesen werden kann. Diese Methode werde ich im Kapitel 8 benutzen. Die Gleichung (2.14) besagt, dass ζ (3) ≡ 1 als exaktes Ergebnis gilt. Auf dieser Grundlage lassen sich die Skalenexponenten der anderen Strukturfunktionen bestimk men, indem man Spk (l) gegenüber S3 (l) aufträgt. Diese Methode wird als Extended Self Similarity (kurz: ESS) bezeichnet und geht auf Benzi u. a. (1993) zurück. 19 3. Intermittenz Als Intermittenz in der Turbulenz bezeichnet man das ungewöhnlich häufige Auftreten starker Ereignisse und die damit einhergehende Verletzung der Annahme der Selbstähnlichkeit im Inertialbereich. Von Batchelor und Townsend (1949) wurde entdeckt, dass sich das Phänomen der Intermittenz auch bis zu den kleinsten Skalen, dem Dissipationsbereich, erstreckt. Weitere Experimente führten zu der Erkenntnis, dass die Intermittenz auf kleinerer Skala bzw. bei größeren Reynolds-Zahlen stärker ausgeprägt ist. Nachdem sich die Evidenz für das Vorhandensein von Intermittenz erhärtet hatte, führte Kolmogorov (1962) die Hypothese der refined similarity ein. Dabei verwirft er das Konzept der Selbstähnlichkeit und der konstanten Energie-Transferrate ε auf allen Skalen und führt eine von der Skala l abhängige Energie-Transferrate εl ein. Abb. 3.1: Lokale Energiedissipation, gemessen an einem turbulenten Wasserstrahl. [Quelle: Prasad u. a. (1988)] Die Ursachen der Intermittenz sind bis heute nicht vollständig geklärt. Messungen der lokalen Energiedissipation von Prasad u. a. (1988) anhand eines turbulenten, eingefärbten Wasserstrahls haben gezeigt, dass die Dissipation räumlich lokalisiert und fast singulär ist. Dies kann durch das Auftreten lokaler Strukturen erklärt werden, die zu einer Kopplung zwischen großen und kleinen Skalen führen. In inkompressibler Turbulenz werden diese Strukturen durch Wirbelröhren (engl. vortex tubes) gebildet. Wie aus numerischen Simulationen (Abb. 3.2) hervorgeht, ist die Energiedissipation mit diesen vortices im Geschwindigkeitsfeld verbunden 20 3 Intermittenz Abb. 3.2: Dieses Bild einer 20483 -DNS zeigt die Enstrophie ∇×~v (rot). Hier bilden sich lange dünne Schläuche, die umgeben sind von Bereichen starker Energiedissipation (blau/grün). [Quelle: Yeung u. a.] und damit lokal (siehe auch Homann (2006)). Im Kapitel 4 werden wir sehen, dass sich in kompressibler Turbulenz Schocks als dominante Strukturen ausbilden. Beide Erscheinungsformen bedingen eine starke Korrelation der Phasen der Fouriermoden über viele Skalen hinweg. Ich möchte nun die wichtigsten Intermittenz-Modelle, die im Laufe der Jahre entwickelt wurden, vorstellen. 3.1. Intermittenz im Euler-Bild Im Laufe der Zeit wurde viele Modelle entwickelt, die das Phänomen der Intermittenz beschreiben sollen. Diese sind im Allgemeinen phänomenologischer Natur, d.h. sie erklären nicht, welche Ursachen die Intermittenz hat, sondern versuchen lediglich, das anomale Skalenverhalten im Rahmen eines nicht-selbstähnlichen Inertialbereichs zu beschreiben. Ich möchte diese Modelle hier kurz vorstellen; eine ausführliche Darstellung findet man in Frisch (1995). 3.1.1. Obukhov-Kolmogorov Modell Das erste Intermittenz-Modell wurde von Obukhov und Kolmogorov 1962 vorgestellt. Es basiert auf der bereits oben erwähnten refined similarity und liefert für die Exponenten der Strukturfunktionen ζ (p) = p p (p − 3) −µ 3 18 (3.1) also einen zusätzlichen Korrekturterm zum ursprünglichen ζ (p) = p3 -Gesetz. Für einen Intermittenz-Parameter von µ = 0.2 ergibt sich für p ≤ 10 eine gute Übereinstimmung mit experimentellen und numerischen Ergebnissen. 3.1 Intermittenz im Euler-Bild 21 3.1.2. β-Modell In dem β-Modell geht man nicht mehr von der Vorstellung aus, dass die auftretenden Strukturen raumfüllend sind, sondern eine fraktale Dimension D < 3 besitzen. Betrachten wir dazu Abb. 2.2. Die Idee bei diesem Modell ist, dass die Wirbel auf kleinen Skalen ein kleineres Volumen ausfüllen als die großskaligen Wirbel. Der Parameter β gibt dabei an, wie stark das ausgefüllte Volumen und damit die HausdorffDimension zu kleiner werdenden Skalen hin abnimmt. Damit besitzt die fraktale Menge, die durch die “Summe” aller Wirbel gebildet wird, eine skalenabhängige Dimension ln β <3. D =3− ln l Mit diesem Ansatz erhält man für die Skalenexponenten h= 1 3−D − 3 3 (3.2) bzw. für die Exponenten der Strukturfunktionen p p ζ (p) = + (3 − D) 1 − 3 3 eine Geradengleichung, die für p = 0 nicht durch den Ursprung verläuft. 3.1.3. Bi-Fraktales Modell Das Bi-Fraktale Modell ist eine Erweiterung des β-Modells. Anstatt einer, stellt man sich nun zwei fraktale Mengen M mit den Dimensionen D1 ≤ D2 vor. Aus einer Sattelpunktapproximation der beiden dazugehörigen Skalenabhängigkeiten Sp (l) ∝ 2 X i=1 l L !phi +3−D(hi ) ∝ lζ(p) erhält man für die Exponenten der Strukturfunktionen ζ (p) = min (ph1 + 3 − D1 , ph2 + 3 − D2 ) Setzt man für die beiden fraktalen Mengen zum Einen das β-Modell, Gleichung (3.2), und zum Anderen die K41 Theorie (h = 31 , D = 3) ein, ergibt sich ζ (p) = min p p p , + (3 − D2 ) 1 − 3 3 3 also eine stückweise lineare Funktion, die an der Stelle ζ (p = 3) = 1 ihre Steigung ändert. Diese Funktion verläuft nun auch wieder durch den Ursprung. 22 3 Intermittenz 3.1.4. Multifraktales Modell Bei dem Übergang vom β-Modell zum Bi-Fraktalen Modell wurde von einer auf zwei fraktale Mengen erweitert. Frisch und Parisi (1985) gingen noch einen Schritt weiter und führten nun ein Intervall von Skalenexponenten I = [hmin , hmax ] mit 0 < hmin < hmax < 1 ein. Nach dieser Theorie existiert für jedes h in dem Intervall I eine fraktale Menge der Dimension D(h). Für die Exponenten der Strukturfunktionen ergibt sich damit ein glatter Verlauf, ζ (p) = inf (ph + 3 − D (h)) . h (3.3) Wie in Abb. 3.2 zu sehen ist, bilden sich in inkompressibler Turbulenz dünne Vortex-Schläuche, in deren Nähe die Dissipation am größten ist. Unter der Annahme einer monotonen Abhängigkeit der Dimension D vom Skalenexponent h, lässt sich D (hmin ) ≈ 1 und D (hmax ) ' 3 abschätzen. Der genaue Zusammenhang zwischen D und h und die Werte von hmin bzw. hmax bleiben in diesem Modell jedoch offen. 3.1.5. She-Lévêque Modell Das bisher erfolgreichste Modell zur Erklärung der Exponenten der Strukturfunktionen in inkompressibler Navier-Stokes Turbulenz wurde von She und Lévêque (1994) vorgestellt. In ihrem Modell gehen die Autoren davon aus, dass die Strukturfunktionen und die Energie-Transferrate skalieren wie h|δvl |p i ∝ lζ(p) εpl ∝ lτ (p) bzw. und den beiden Exponenten der Zusammenhang ζ (p) = p + τ (p/3) 3 (3.4) besteht, wobei Letzteres eine Folgerung aus der refined similarity Hypothese ist. Damit ist das Problem der Berechnung von ζ (p) auf die Bestimmung von τ (p) zurückgeführt. Ausgehend von der Intensität der Dissipationsstruktur p-ter Ordnung (p) εl εp+1 = lp , εl welche die Autoren in ihrer Arbeit einführen, schätzen sie das Verhalten der charakteristischen Strukturen zu (0) lim εl l→0 (∞) lim εl l→0 = const (p) = lim lim εl l→0 p→∞ 2 ∝ l− 3 3.1 Intermittenz im Euler-Bild 23 (p) ab. Eine weitere grundlegende Annahme des Modells ist, dass εl durch eine uni(p−1) (∞) verselle Gleichung eindeutig durch εl und εl bestimmt ist. (∞) Die εl sind verknüpft mit den stärksten dissipativen Strukturen in der Turbulenz. Als eine wesentliche Eigenschaft dieser Strukturen geht deren Dimension, oder genauer deren Kodimension C0 , in diese Theorie ein. Motiviert durch die fadenförmigen Vortex-Filamente in inkompressibler Turbulenz (siehe Abb. 3.2), nehmen She und Lévêque (1994) für C0 = 2 an. Aus diesen Annahmen leiten die Autoren für das Verhalten der Energie-Transferrate im Inertialbereich p 2 2 τ (p) = − p + 2 1 − (3.5) 3 3 her und mit (3.4) folgt eine Parameter-freie Formel für die Exponenten der Strukturfunktionen. p/3 ! 2 p (3.6) ζ (p) = + 2 1 − 9 3 Aus dieser Theorie ergibt sich für das Energiespektrum 2 2/3 E (k) ∝ k − 9 +2( 3 ) 29 5 ' k − 3 −0.03 also ein kleiner Korrekturterm zum 53 -Gesetz von Kolmogorov (vgl. Gleichung (2.8)). In dieser Formel bezeichnet k wieder die Wellenzahl k = 2π/l. Bringt man die Gleichung (3.3) des Multifraktalen Modells mit (3.6) in Bezug, lässt sich eine geschlossene Form für die fraktale Dimension p∗ (h) 1 2 D (h) = 1 + p∗ (h) h − +2 9 3 3 1 − 9h p∗ (h) = 2 ln ln 3 6 ln 32 3 (3.7) herleiten, wobei p∗ (h) die Inverse von (3.3) minimiert. Diese Formel ist nur gültig für 1 0 < hmin = < h, (3.8) 9 womit das Intervall der möglichen Skalenexponenten im She-Lévêque Modell auf 1 I = ,1 9 festgelegt ist. 3.1.6. Verallgemeinerte She-Lévêque Modelle Das Ergebnis von She und Lévêque (1994) enthält keine freien Parameter. Bei der Herleitung der Gleichung (3.6) geht jedoch die Skalierung (∞) lim εl l→0 ∝ l−κ mit κ = 2 3 24 3 Intermittenz und die Kodimension C0 = 2 ein. Lässt man diese Parameter offen, verallgemeinert sich (3.6) zu (1 − κ) p C0 − κ + C0 1 − ζ (p) = 3 C0 p3 ! . (3.9) Je nach physikalischen Gegebenheiten sind in dieser Formel die Parameter C0 und κ entsprechend zu setzen. Eine Anwendung auf die 1D Burgers-Gleichung und die ausführliche Herleitung von Gleichung (3.9) findet man in Grafke (2008). Einen ähnlichen Weg geht Boldyrev (2002), in dem er für die Geschwindigkeit und für die typische Zeitskala der großskaligen Dynamik (eddy-turnover time) ein Skalierungsverhalten wie vl ∝ lΘ tl ∝ lκ ansetzt. Damit ergibt sich die verallgemeinerte Gleichung ζ (p) = Θ (1 − κ) p + C0 die mit Θ = 13 , κ = 2 3 C0 − κ 1− C0 Θp ! , (3.10) und C0 = 2 wieder die Gleichung (3.6) liefert. 3.2. Intermittenz im Lagrange-Bild t v (x, t) t0 + τ X (t0 + τ ; x0 , t0 ) X (t; x0 , t0 ) t0 x0 x Abb. 3.3: Bei dem Lagrange’schen Geschwindigkeits-Inkrement werden zwei Geschwindigkeiten zu zwei verschiedenen Zeitpunkten auf der Trajektorie eines Fluid-Elements miteinander verglichen. Die bisher genannten Modelle beschreiben das Phänomen der Intermittenz im EulerBild. Dabei wurde die Statistik der Geschwindigkeitsdifferenz δ~l ~v zwischen zwei 3.2 Intermittenz im Lagrange-Bild 25 Punkten im Raum zu Grunde gelegt. Wie bereits im Abschnitt 1.2 erwähnt, kann man die Turbulenz auch aus der Sicht einzelner Fluid-Elemente ~ (t + τ ; ~x, t) , t + τ − ~v (~x, t) δτ ~v = ~v X (3.11) betrachten5 . Für große Werte von τ τη besitzen die zu vergleichenden Geschwindigkeiten auf den Trajektorien keine Korrelation. Die PDF der GeschwindigkeitsInkremente ist somit normalverteilt. Werden die zeitlichen Abstände hingegen sehr klein gewählt, τ = O (τη ), so entspricht die PDF derjenigen der Beschleunigung. In diesem Fall sind die Flanken (engl. tails) der PDF stark überhöht gegenüber der Normalverteilung, was auf intermittentes Verhalten hinweist. Ausgehend von δτ ~v definiert man analog zu (2.13) SpL (τ ) = h|δτ vi |p i (3.12) die Lagrange’schen Strukturfunktionen, wobei eine Unterscheidung in longitudinalen und transversalen Komponenten hier nicht sauber definiert werden kann und man über alle Komponenten i der Geschwindgeitsdifferenz mittelt. Äquivalent zu den Euler’schen Strukturfunktionen würde man auch hier im Inertialbereich ein Skalierungsverhalten gemäß L SpL (τ ) ∝ τ ζ (p) (3.13) erwarten. Aus dem Skalierungsverhalten (2.9a-c) folgt, dass die GeschwindigkeitsInkremente wie h δτ v ∝ τ 1−h von der Zeitskala abhängen. Nach der K41 Theorie ergibt sich damit für die Exponenten der Strukturfunktionen p (3.14) ζ L (p) = 2 und insbesondere sollte ζ L (2) = 1 gelten. 3.2.1. Biferale-Modell Biferale u. a. (2004) haben versucht, aus der Intermittenz im Euler-Bild auf die Intermittenz im Lagrange-Bild zu schließen. Dabei gingen sie vom Multifraktalen Modell aus und benutzen zusätzlich die Annahme, dass die Geschwindigkeitsdifferenzen δτ v ∼ δl v (3.15) im Euler- und Lagrange-Bild äquivalent sind, wenn man die Beziehung τ∼ 5 Lh 1−h l V (3.16) ~ (t + τ ; ~x, t) die Trajektorie des Teilchens, welches sich zum Zeitpunkt t am Dabei bezeichnet X ~ (t; ~x, t) = ~x. Ort ~x befand und es gilt X 26 3 Intermittenz zwischen den räumlichen und zeitlichen Abständen ansetzt. Dabei bezeichnet L die Skala der Energiezufuhr und V die großskaligen Geschwindigkeitsfluktuationen. Hieraus erhält man eine zu (3.3) äquivalente Gleichung hp + 3 − D (h) ζ L (p) = inf h 1−h ! (3.17) für die Lagrange’schen Exponenten der Strukturfunktionen. In diese Gleichung kann man nun (3.7) aus dem She-Lévêque Modell bzw. eine äquivalente Formel für D (h) aus dem verallgemeinerten She-Lévêque Modell einsetzen. Für sehr große p 1 ist das Infimum von (3.3) und (3.17) durch den Vorfaktor von p bestimmt. Im She-Lévêque Modell ergibt sich (3.8) lim ζ (p) = hmin p + 3 − D (hmin ) ∼ p→∞ p 9 und für das Biferale-Modell lim ζ L (p) = p→∞ hmin 3 − D (hmin ) (3.8) p ∼ p+ . 1 − hmin 1 − hmin 8 Somit sollte im Lagrange-Bild die Intermittenz stets schwächer in Erscheinung treten sein als im Euler-Bild. Wie im Anhang B.1 gezeigt wird, kann man aus Gleichung (3.17) eine einfache Beziehung ζ L (p − ζ (p)) = ζ (p) (3.18) zwischen den Euler’schen ζ und den Lagrange’schen ζ L Exponenten der Strukturfunktionen herleiten. Da ζ (p) eine monoton wachsende Funktion ist, gilt somit ζ L (p) > ζ (p) , p>0. (3.19) Insbesondere ergibt sich aus ζ (3) ≡ 1, dass im Lagrange-Bild ζ L (2) ≡ 1 gilt. Dieses Modell für den Übergang von der Euler’schen zur Lagrange’schen Statistik erhält weiterhin die Monotonie. Betrachtet man beispielsweise die Intermittenz der Navier-Stokes und der MHD-Turbulenz, gilt im Euler-Bild nach Homann (2006) ζN S (p) > ζM HD (p) , p>3. (3.20) Im Anhang B.2 wird gezeigt, dass in Verbindung mit Gleichung (3.18) daraus für das Lagrange-Bild L ζNL S (p) > ζM p>2 (3.21) HD (p) , folgt. Mit Hilfe numerischer Simulationen konnte Homann (2006) jedoch zeigen, dass dies so nicht zutrifft. Auf die Diskrepanzen im Biferale-Modell werde ich am Ende dieser Arbeit, im Abschnitt 8.5, ausführlicher eingehen. 27 4. Kompressible Turbulenz Seit Kolmogorov wurden im Bereich der inkompressiblen Turbulenz große theoretische Fortschritte durch die phänomenologische Beschreibung erzielt. Eine Übertragung der Theorien auf den kompressiblen Fall erweist sich jedoch als schwierig. Behält man die Vorstellung einer Kaskade entsprechend der Richardson-Kaskade bei, dann skaliert die Dichte nach von Weizsäcker (1951) wie ρ ∝ l−3α , (4.1) wobei α ein Maß für die Kompressibilität ist. Ausgehend von einer konstanten Energie-Transferrate pro Volumenelement εV = ρε ∝ ρv 2 v = const l leitet Fleck (1996) die Skalenrelationen v ρ ∝ ∝ l1/3+α l−3α (4.2a) (4.2b) E (k) ∝ l−5/3−2α (4.2c) her. Die Gleichung (4.2a) lässt bereits vermuten, dass das 54 -Gesetz von Kolmogorov (2.14) für den Fall der kompressiblen Turbulenz seine Gültigkeit verliert. Das äußerst erfolgreiche She-Lévêque Modell für inkompressible Intermittenz setzt jedoch die Gültigkeit von S3 (l) ∝ l bzw. v ∝ l1/3 als exaktes Verhältnis voraus. Eine mögliche Lösung dieses Problems bietet das verallgemeinerte She-Lévêque Modell von Boldyrev (2002) nach Gleichung (3.10). Kritsuk u. a. (2007) haben noch einen anderen Weg aufgezeigt, um die Intermittenz-Theorie aus der inkompressiblen auf die kompressible Turbulenz zu übertragen. Sie definieren dazu eine neue Größe w ~ := ρ1/3~v , (4.3) l1/3 (4.2d) welche nach (4.2a) und (4.2b) wie w ∝ skaliert. Für diese Größe gilt nun wie im inkompressiblen Fall Sp (l) = h|δl w|p i ∝ lξ(p) mit ξ (3) = 1 . Inwieweit das She-Lévêque Modell auf die Exponenten der Strukturfunktionen dieser neuen Größe anwendbar ist, wird in dieser Arbeit im Abschnitt 8.3.1 genauer untersucht. Ich möchte im Rahmen dieser Einleitung jedoch zunächst weitere Eigenschaften der kompressiblen Turbulenz anhand eines einfachen Modells, der 1D Burgers-Gleichung, diskutieren. 28 4 Kompressible Turbulenz 4.1. Burgers-Gleichung Die Navier-Stokes Gleichungen (2.2, 2.3) bilden ein System gekoppelter, partieller Differentialgleichungen und es ist extrem schwierig aus diesen analytische Aussagen über das Verhalten turbulenter Strömungen abzuleiten. Im Rahmen der inkompressiblen Turbulenz hat sich die phänomenologische Beschreibung als äußerst fruchtbar erwiesen und wie im vorherigen Abschnitt beschrieben, gibt es Bemühungen diese Theorie auch auf den kompressiblen Fall auszudehnen. Wir wollen nun noch einen anderen Zugang betrachten. In den dreißiger Jahren wurde von J.M. Burgers (siehe auch Burgers (1974)) ein eindimensionales Modell eines drucklosen Gases vorgestellt: ∂v ∂ 2v ∂v +v =ν 2 . ∂t ∂x ∂x (4.5) Dies entspricht einer ideal kompressiblen Strömung. Wegen der Vernachlässigung des Druckes ist diese viskose Burgers-Gleichung lokal im Raum und kann mittels der Hopf-Cole Transformation v = −2ν ∂xφφ in eine Diffusionsgleichung φt = νφxx überführt und damit exakt gelöst werden. Im Limes verschwindender Viskosität ν → 0 erhält man die Hopf-Gleichung ∂v ∂v +v =0, ∂t ∂x (4.6) auf welche ich mich im Folgenden beschränken möchte. 4.1.1. Phänomenologie v(x) Aufgrund der fehlenden Glättungseigenschaft der Viskosität bildet die Hopf-Gleichung (4.6) in endlicher Zeit aus glatten Anfangsbedingungen Unstetigkeiten, die man als Schocks bezeichnet. Ein typischer eindimensionaler Schock ist in Abb. 4.1 wiedergegeben6 . x Abb. 4.1: Die Hopf-Gleichung bildet nach endlicher Zeit Schocks. 6 In Bec und Khanin (2007) wird die Topologie mehrdimensionaler Burgers Schocks diskutiert. Ich möchte an dieser Stelle aber nicht zu tief in dieses Thema einsteigen. 4.1 Burgers-Gleichung 29 4.1.2. PDF und Strukturfunktion Unter Vernachlässigung der zeitlichen Entwicklung und nach Normierung von x und v lässt sich dieser eindimensionale Schock mit periodischen Randbedingungen beschreiben als v (x) = x − bxc . (4.7) Dabei bezeichnet bxc das Abrunden auf die nächstkleinere ganze Zahl. Man erkennt sofort, dass in diesem Modell die Wahrscheinlichkeitsdichte für das Auftreten einer gewissen Geschwindigkeit ( P (v) = 1, 0 ≤ v < 1 0, sonst ist. Für die Geschwindigkeits-Inkremente δl v = v (x + l) − v (x) ergibt sich hingegen für 0 ≤ l < 1 die Wahrscheinlichkeitsverteilung: p (u) = P (δl v) = = Z 1 δ (u − [v (x + l) − v (x)]) dx 0 Z 1−l δ (u − l) dx + Z 1 δ (u − [l − 1]) dx 1−l 0 = (1 − l) δ (u − l) + lδ (u − [l − 1]) , wobei δ(. . . ) die Dirac’sche Delta-Funktion bezeichnet. Auch die Strukturfunktionen lassen sich für dieses einfache Schock-Modell analytisch berechnen: Sp (l) = h|v (x + l) − v (x)|p i = Z 1 |v (x + l) − v (x)|p dx 0 = Z 1−l 0 lp dx + Z 1 (l − 1)p dx 1−l = (1 − l) lp + l(1 − l)p (4.8) 30 4 Kompressible Turbulenz 4.1.3. Exponenten der Strukturfunktionen Durch die Unstetigkeit wird trotz verschwindender Viskosität der Hopf-Gleichung Energie dissipiert. Die dazugehörige Dissipationsskala η ist eine Nullmenge im Bereich der Ortskoordinaten und besitzt damit die Länge Null. Für die Bestimmung der Exponenten der Strukturfunktionen müssen sich die betrachteten Skalen im Inertialbereich befinden. Dafür genügt es 0 < l 1 zu fordern, und man erhält folgendes Skalierungsverhalten lim Sp = (1 − l) lp + l (1 − pl) l&0 = l + lp − lp+1 − pl2 ( = O (lp ) 0 ≤ p ≤ 1 O (l) 1 ≤ p . (4.9) Die Exponenten der Strukturfunktionen lassen sich hieraus zu ( ζ (p) = p, 0 ≤ p ≤ 1 1, 1 ≤ p (4.10) ablesen. Dieses Ergebnis basiert auf dem vereinfachten Fluid-Modell der BurgersGleichung (4.6) und ist stark idealisiert. Es zeigt jedoch den charakteristischen Verlauf der Exponenten in der kompressiblen Turbulenz, in denen Schocks über Wirbelröhren dominieren. 1.2 1 ζ(p) 0.8 0.6 0.4 0.2 0 0 1 2 3 4 p 5 6 7 8 Abb. 4.2: Das Auftreten von Schocks in den Lösungen der Burgers-Gleichung spiegelt sich in den Exponenten der Strukturfunktionen wider. 4.1 Burgers-Gleichung 31 4.1.4. Lagrange-Bild Zur Beschreibung der Burgers-Turbulenz im Lagrange-Bild betrachtet man passive Teilchen in dem Geschwindigkeitsfeld v(x). Diese bewegen sich, je nach Position, entweder schneller oder langsamer als der Schock. Mit der Zeit würden in diesem idealisierten Beispiel somit mehr und mehr Teilchen durch den Schock aufgesammelt werden. Dieser bewegt sich mit der Schockgeschwindigkeit vS = v+ + v− = 0.5 , 2 wobei v + und v − dabei die Geschwindigkeiten auf beiden Seiten des Schocks bezeichnen. Nach einer hinreichend großen Zeit ist die Anzahl der Teilchen außerhalb des Schocks für eine statistische Auswertung vernachlässigbar. Damit folgt für die Lagrange’schen Geschwindigkeitsdifferenzen P (δτ v) = δ (0) und für die Strukturfunktionen SpL (τ ) = h|v (t + τ ) − v (t)|p i = Z ∞ |v (t + τ ) − v (t)|p dt 0 =0. (4.11) Die zugehörigen Exponenten der Strukturfunktionen sind somit nicht festgelegt. Anhand dieser einfachen Überlegung erkennt man bereits grundlegende Unterschiede zwischen der Euler’schen und der Lagrange’schen Darstellung. Die Lagrange’schen Strukturfunktionen sind unabhängig von p und l und enthalten somit weniger Informationen als im Euler-Bild. Eine Übertragung der Statistik ist in diesem Fall zwar von Euler nach Lagrange möglich, aber nicht umgekehrt. Teil III Numerik 35 5. Einführung Die direkte numerische Simulation (DNS) von Turbulenz machte aufgrund der enormen Leistungssteigerung von digitalen Computern in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte. Nach wie vor benötigen Computersimulationen jedoch einfache Randbedingungen und moderate Reynolds-Zahlen. Sie ermöglichen dafür jedoch eine detaillierte Auswertung aller interessanten Größen, während bei einem Experiment teilweise beachtliche technische Anstrengungen nötig sind, um z.B. Testteilchen im Lagrange-Bild zu verfolgen. 5.1. Konservative Formulierung In der Numerik ist es nicht möglich, Felder, wie sie im Euler-Bild auftreten, vollständig zu beschreiben, sondern man ist auf eine Näherung durch die endliche Gitterauflösung beschränkt. Dadurch treten Fehler auf, die sich während der Simulation aufsummieren und verstärken können. Es ist daher wünschenswert, dass gewisse physikalische Randbedingungen, wie Erhaltungssätze für Masse, Impuls und Energie, intrinsisch durch das numerische Verfahren erhalten bleiben7 . Ein erster Schritt in diese Richtung ist die konservative Formulierung der Gleichungen. Für die numerische Untersuchung der kompressiblen Turbulenz bin ich in meiner Arbeit von der Euler Gleichung (2.1) ausgegangen. Zunächst muss diese Gleichung auf die Variablen Impulsdichte (~p = ρ~v ) und Dichte (ρ) umgeschrieben werden. Die Massenerhaltung ist bereits durch die Gleichung (2.3) gegeben. Wegen der verwendeten isothermen Zustandsgleichung wird in meinen Simulationen auf die Energietransport-Gleichung verzichtet und es gilt P = ρ. Insgesamt ergibt sich damit folgendes Gleichungssystem: ∂ρ + ∇ · p~ = 0 ( ∂t ) ∂~p p~p~t +∇· + ρ1 = f~ ∂t ρ (5.1a) (5.1b) Vernachlässigt man den Treiber f~, so sind diese Gleichungen von hyperbolischer Form, welche sich allgemein ausdrücken lässt als ∂t u + ∇ · F (u) = 0 . (5.2) Dabei bezeichnet u ein beliebiges skalares oder vektorielles Feld und F (u) den Flusstensor des Feldes u. Wie bereits oben erwähnt, verwendet man in der Numerik Gitter endlicher Auflösung. Die Integration der Gleichung (5.2) über das Volumen V einer 7 Inkompressible und MHD Simulationen müssen zusätzlich noch die Divergenzfreiheit der Felder ~ garantieren. ~v bzw. B 36 5 Einführung einzelnen Gitterzelle liefert 0= Z ∂t u dV + VZ = ∂t u dV + V = ∂t ū + Z ∇ · F (u) dV IV F (u) · ~n dV ∂V 1 F| . |V | ∂V (5.3) Dabei wurde im ersten Schritt der Satz von Gauss angewandt und im zweiten Schritt 1 R der Mittelwert des Feldes ū = |V | V u und der Fluss durch die Oberfläche der Gitterzelle F |∂V eingesetzt. Bei diesem numerischen Verfahren betrachtet man somit die Zellmittelwerte der Felder und nicht den Wert an einer speziellen Position, wie beim Finite-Differenzen-Verfahren. Dementsprechend wird dieses Verfahren als Finite-Volumen-Methode bezeichnet. Der Fluss, der aus einer Zelle herausführt, erhöht den Wert des Feldes der entsprechenden Nachbarzelle um den gleichen Betrag, um den er in der aktuellenR Zelle verringert wird.R Damit erhält dieses Verfahren intrinsisch den Gesamtimpuls p~ dV und die Masse ρ dV . Die Kunst liegt nun darin, aus den Zellmittelwerten den mittleren Fluss F (ū) durch die einzelnen Zelloberflächen richtig abzuschätzen. 5.2. Fluss-Berechnung Die Diskretisierung der Finite-Volumen-Methode entspricht einer stückweise konstanten Approximation der Felder. An den Zellgrenzen treten dabei Unstetigkeiten auf, die Ausgangspunkt verschiedener Wellen mit unterschiedlichen Ausbreitungsgeschwindigkeiten und -richtungen sind. Dies bezeichnet man als Riemann-Problem. Die Fluss-Rekonstruktion erfolgt aus diesem Grunde häufig mittels eines RiemannSolvers. In dieser Arbeit wurde hingegen die CWENO8 -Rekonstruktion nach Kurganov und Levy (2000) verwendet. Sie benutzt eine links- und rechtseitige lineare Rekonstruktion sowie eine zentrale quadratische Interpolation der Felder innerhalb einer Zelle. Diese drei Einzel-Polynome werden zu einem Gesamt-Polynom kombiniert, wobei die Gewichtung von der Glattheit der Lösung an dieser Stelle abhängt. Durch diese Gewichtung werden Oszillationen unterdrückt, woher das Verfahren seinen Namen erhält. Mit diesem Interpolations-Polynom werden die Werte der Felder an den Zellgrenzen bestimmt und mit Hilfe der Gleichungen (5.1a, 5.1b) können damit die Flüsse an den Grenzen der Zelle berechnet werden. Um die Stabilität des Verfahrens zu garantieren, ist zusätzlich zu dem CFLKriterium (Courant u. a. (1928)) eine numerische Diffusion erforderlich. In den klassischen Central schemes, wie dem Lax-Friedrich Verfahren, ist die “Diffusionslänge” auf eine halbe Zelle festgesetzt. Dadurch entsteht in Bereichen kleiner Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wellen oder bei zu klein gewählten Integrations-Zeitschritten eine unnötig hohe numerische Dissipation. Das in dieser Arbeit verwendete 8 Central Weighted Essentially Non-Oscillatory 5.3 Zeitintegration 37 Verfahren von Kurganov und Levy (2000) verwendet hingegen ein von der maximalen Wellengeschwindigkeit und dem Zeitschritt abhängiges Glättungsintervall, um die numerische Dissipation lokal so klein wie möglich zu halten. Für eine detaillierte Beschreibung des Verfahrens möchte ich an dieser Stelle auf die ausführliche Darstellung in Beetz (2006) verweisen. 5.3. Zeitintegration Für die zeitliche Integration wurde das Runge-Kutta Verfahren dritter Ordnung nach Shu und Osher (1988) verwendet. u(1) = un − ∆t F (un ) 1 1 3 u(2) = un + u(1) + ∆t F 4 4 4 1 2 2 un+1 = un + u(2) + ∆t F 3 3 3 u(1) u(2) Diese Methode besitzt im Vergleich zum klassischen Runge-Kutta Verfahren gleicher Ordnung den Vorteil, dass es sich mit einem geringeren Speicherverbrauch für die Zwischenergebnisse implementieren lässt. Da die Flussberechnung nicht explizit von der Zeit abhängt, können in dem Butcher-Schema (siehe Tabelle 5.1) bei diesem Verfahren die Zeit-Koeffizienten vernachlässigt werden (durch ∗ gekennzeichnet). 0 ∗ 1 ∗ 1 4 1 6 1 4 1 6 2 3 Tabelle 5.1: Butcher-Schema für die Runge-Kutta Integration dritter Ordnung nach Shu und Osher (1988) 5.4. Passive Tracer-Teilchen Ein Hauptbestandteil dieser Arbeit besteht in der Untersuchung der Turbulenz aus der Lagrange’schen Sichtweise, entsprechend Abschnitt 1.2.2. Dazu ist es erforderlich, die Felder entlang der Trajektorien einzelner infinitesimaler Fluid-Elemente auszuwerten. Diese Fluid-Elemente werden in meiner Simulation durch passive Teilchen, die sich gemäß der Gleichung d ~ ~ X (t) = ~v X(t), t dt (1.3) bewegen, realisiert. Die notwendige Interpolation der Felder an der jeweiligen Teilchenposition und die Kopplung der zeitlichen Integration der Trajektorien mit der Zeitintegration 38 5 Einführung der Felder wurde von mir bereits während meiner Diplomarbeit durchgeführt und sind im Detail in Schwarz (2007) nachzulesen. An dieser Stelle möchte ich lediglich darauf hinweisen, dass aufgrund der konservativen Formulierung der Gleichungen (5.1a, 5.1b) es nicht möglich ist, das Geschwindigkeitsfeld ~v direkt zu interpolieren. Stattdessen ist es erforderlich, ~v durch Impuls p~ und Dichte ρ auszudrücken. Bei der Interpolation der Dichte muss dabei ein nicht-oszillierendes Verfahren benutzt werden, um unphysikalische Nulldurchgänge zu vermeiden. Bemerkung. Es erscheint im ersten Augenblick sinnvoll und konsistent, für die Interpolation auf die Teilchenposition die gewichteten Polynome der CWENO-Rekonstruktion aus Abschnitt 5.2 zu verwenden. Das Problem dabei ist, dass diese Polynome eindimensional sind und die Flüsse für jede Richtung separat berechnet werden. Eine Verallgemeinerung auf mehrere Dimensionen zur gleichzeitigen Rekonstruktion der Felder an allen Zellgrenzen ist mir bisher nicht bekannt. Für die Dichte-Auswertung wurde daher eine stückweise lineare Interpolation benutzt. 39 6. Setup der Simulation Meine Untersuchungen der Euler’schen und Lagrange’schen Statistik in kompressibler Turbulenz basieren im Wesentlichen auf einer Simulation der konservativen Euler-Gleichung (5.1a-b) mit dem Rahmenprogramm racoon II , welches im Anhang A beschrieben wird. Die Felder wurden mit Orszag-Tang ähnlichen Anfangsbedingungen initialisiert und für die externe Kraft wurde ein Treiber von Beetz (2006) verwendet. Die Rekonstruktion erfolgte mit dem CWENO-Schema nach Abschnitt 5.2. Das Simulationsgebiet besaß eine Größe von (2π)3 unterteilt in 512 Zellen je Richtung und periodische Randbedingungen. Für die Zeitintegration wurde ein Runge-Kutta Verfahren dritter Ordnung entsprechend Abschnitt 5.3 mit einer konstanten Schrittweite von ∆t = 10−4 eingesetzt. Insgesamt wurde die Rechnung über 100 000 Zeitschritte bis T = 10 ausgeführt, was auf den verwendeten 32 Prozessoren des institutsinternen Opteron-Clusters einer Rechenzeit von etwa zwei Monaten entsprach. Zur Untersuchung der Turbulenz aus der Lagrange’schen Sichtweise enthielt die Simulation 2 000 000 passive Tracer-Teilchen, wie sie in Abschnitt 5.4 beschrieben wurden. Die hier beschriebenen Parameter sind in Tabelle 6.1 noch einmal zusammengefasst. Parameter L = 2π N = 512 n = 2 000 000 ∆t = 1 · 10−4 T = 10 ' 17TI TCP U ' 45 000 10TI ≤ Tused ≤ 17TI Kommentar Ausdehnung der Simulationsbox Anzahl der Zellen je Richtung Anzahl passiver Tracer-Teilchen Schrittweite der zeitlichen Integration Gesamte Simulationszeit Verbrauchte CPU-Stunden Für die Auswertung verwendete Daten Tabelle 6.1: Parameter der Simulation. Die Integrale Zeitskala TI wird in Abschnitt 6.1.2 definiert. 40 6 Setup der Simulation 6 5 Machzahl 4 3 2 1 0 10 11 12 13 14 15 16 17 T / TI Abb. 6.1: Über das Volumen gemittelte Machzahl M 6.1. Zeitskalen 6.1.1. Dynamische Zeitskala Für die Auswertungen im Kapitel 7 und 8 wurde der stationäre Bereich ab dem 60 000-ten Integrationsschritt (T ≥ 10TI ) herangezogen. Für diesen Bereich ergab sich eine mittlere Machzahl von M ' 4.5, wie es aus dem zeitlichen Verlauf in Abb. 6.1 zu ersehen ist. Damit besitzt die dynamische Zeitskala TD = L 2M (6.1) einen Wert von TD = 2π ' 0.70 . 2 · 4.5 6.1.2. Integrale Zeitskala Mit der Varianz Var (X) und der Kovarianz Cov (X, Y ) ist die Auto-Korrelation des Geschwindigkeitsfeldes gegeben als Rτ (~v , ~v ) = Cov (vi (t + τ ) , vi (t)) . Var (vi ) i∈{x,y,z} X (6.2) In Abb. 6.2 ist der monotone Abfall dieser Auto-Korrelation erkennbar. Die Integrale Zeitskala TI = Z ∞ 0 Rτ (~v , ~v ) dτ (6.3) 6.1 Zeitskalen 41 1 ρ v p 0.8 R 0.6 0.4 0.2 0 0.1 1 τ / TI Abb. 6.2: Komponentenweise Auto-Korrelation der Geschwindigkeit vi , des Impulses pi und der Dichte ρ, wobei über die Komponenten i gemittelt wurde ist ein Maß für das Zeitintervall, in dem sich das Geschwindigkeitsfeld an seine Vergangenheit “erinnert”. Sie beträgt bei meiner Simulation TI ' 0.6 . 6.1.3. Lagrange’sche “Taylor”-Zeitskala Während die Integrale Zeitskala ein Maß für das “Gedächtnis” der Felder ist, lässt sich auch eine Zeitskala für die schnellen Fluktuationen definieren. Nach Yeung (2002) bezeichnen wir τT = v u u t Var (vi ) Var (Dt vi ) (6.4) als die Lagrange’sche “Taylor”-Zeitskala der Turbulenz. Dabei bezeichnet Dt vi die konvektive Ableitung der i-ten Komponente des Geschwindigkeitsfeldes. Die Auswertung meiner Daten liefert hierfür einen Wert von τT ' 0.12. Teil IV Übergang von Euler’scher zu Lagrange’scher Statistik 45 7. PDF der Geschwindigkeits-Inkremente Nachdem ich in den vorherigen Abschnitten die wesentlichen Begriffe der TurbulenzTheorie und die verwendete Numerik meiner Simulation erläutert habe, möchte ich in diesem Teil die Zusammenhänge zwischen der Euler’schen und Lagrange’schen Statistik in kompressibler Turbulenz untersuchen. Kamps u. a. (2009) stellen eine Theorie vor, wie sich die Statistik der Euler’schen Geschwindigkeits-Inkremente uE in die Lagrange’schen uL überführen lässt. Dazu wird ein neues Euler-Lagrange’sches Geschwindigkeits-Inkrement uEL eingeführt. Der Übergang von der PDF der Euler’schen Inkremente f E zu der Euler-Lagrange’schen Statistik f EL erfolgt mittels einer bedingten Wahrscheinlichkeit pA , die als Übergangswahrscheinlichkeit aufgefasst werden kann. Von diesem Zwischenergebnis gelangt man in analoger Weise mittels einer weiteren Übergangswahrscheinlichkeit pB zur Lagrange’schen PDF f L der Geschwindigkeits-Inkremente. Für isotrope, inkompressible Turbulenz ist diese Methode ein exaktes statistisches Resultat. Dies wird auch durch die numerischen Ergebnisse von Kamps u. a. (2009) und Homann u. a. (2009) bestätigt. In den folgenden Abschnitten werde ich diese Theorie ausführlich beschreiben und sie auf die Daten aus meiner kompressiblen Turbulenz-Simulation anwenden. Insbesondere werde ich dabei auf die Übergangswahrscheinlichkeit pB und deren Bedeutung eingehen. Die Beziehungen zwischen den verwendeten GeschwindigkeitsInkrementen werden in Abb. 7.1 illustriert. Beginnen möchte ich diese Diskussion mit dem Ziel, den Lagrange’schen Inkrementen, und mich dann entgegen der Transformations-Richtung bis zu den Euler’schen Inkremente vorzuarbeiten. t v (x, t) x0 t0 + τ uEL X (t0 + τ ; x0 , t0 ) uL uP X (t; x0 , t0 ) t0 l x0 uE x Abb. 7.1: Beziehung zwischen den Geschwindigkeits-Inkrementen im Euler-, Lagrange- und gemischten Bild 46 7 PDF der Geschwindigkeits-Inkremente 7.1. Lagrange’sche Inkremente Das Lagrange’sche Geschwindigkeits-Inkrement eines einzelnen Fluid-Elements wurde bereits in Abschnitt 3.2 als ~uL (τ ) = δτ ~v ~ (t + τ ; ~x, t) , t + τ − ~v (~x, t) = ~v X (7.1) eingeführt. Für die Bestimmung der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion (PDF) einer gewissen Geschwindigkeitsänderung D E f L (u; τ ) = δ ~uL · êi − u (7.2) i,t,k betrachtet man die Komponenten êi der Differenz-Vektoren ~uL separat und bildet den Mittelwert über alle Test-Teilchen k und der zeitlichen Entwicklung t der Turbulenz. In Abb. 7.2 sind die Resultate aus meinen numerischen Simulationen für drei verschiedene Zeitintervalle τ wiedergegeben. Für sehr große zeitliche Abstände sind die Geschwindigkeiten unkorreliert und die Verteilung ist nahezu gaussförmig. Hingegen treten bei sehr kleinen Zeitdifferenzen große Geschwindigkeitsänderungen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auf. 1 τ = 0.033 TI τ = 0.40 TI τ = 2.0 TI Gauss 0.1 0.01 fL 0.001 0.0001 1e-005 1e-006 1e-007 -20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 L u Abb. 7.2: PDF der Lagrange’schen Geschwindigkeits-Inkremente. Die Zeitdifferenzen sind relativ zu der Integralen Zeitskala TI (6.3) angegeben. 7.2 Euler-Lagrange’sche Inkremente 47 7.2. Euler-Lagrange’sche Inkremente 7.2.1. Räumliches Geschwindigkeits-Inkrement Das gemischte Euler-Lagrange’sche Geschwindigkeits-Inkrement ist definiert als ~ (t + τ ; ~x, t) , t + τ − ~v (~x, t + τ ) . ~uEL (τ ) = ~v X (7.3) Die Mittelung für die PDF D E f EL (u; τ ) = δ ~uEL · êi − u i,t,k (7.4) erfolgt wie bei der Lagrange’schen PDF über alle Komponenten i des Differenzvektors, allen Teilchen k und der Zeit t. Das hier betrachtete Geschwindigkeits-Inkrement besitzt Ähnlichkeit mit dem Euler’schen Inkrement (2.11), nur dass der Abstandsvektor ~l nicht fest vorgegeben ist, sondern sich aus der Entfernung, die die einzelnen Teilchen im Zeitintervall τ überbrücken, bestimmt. Da sich die Geschwindigkeiten, mit der sich die einzelnen Teilchen bewegen, stark unterscheiden, legen sie somit in dem Zeitintervall τ auch sehr unterschiedliche Entfernungen ~l (τ ) = X ~ (t + τ ; ~x, t) − ~x zurück. Damit treten selbst für kleine Zeitintervalle bereits große Geschwindigkeitsdifferenzen auf. Betrachtet man die Auswertung in Abb. 7.3, erkennt man dies anhand der großen Varianz der PDF f EL für das Zeitintervall τ = 0.033TI . Dies ist eine Aussage, die insbesondere für kleine Zeitintervalle relevant ist. Will man hingegen große Zeitintervalle betrachten, stößt man bei diesen gemischten Geschwindigkeits-Inkrementen auf Probleme, die durch die endliche räumliche Ausdehnung der Simulationsbox begründet sind und zu einer Einschränkung des sinnvollen Parametererbereichs für τ führen. 7.2.2. Einschränkung der Parameter Für eine Verbindung zwischen Euler’scher und Lagrange’scher Statistik ist eine Abschätzung, in welchem Parameterbereich dies überhaupt möglich ist, von wesentlichem Interesse. Aufgrund der periodischen Randbedingungen in meiner Simulation ist es zwecklos, für die Euler’schen Geschwindigkeits-Inkremente einen Abstand l größer als L/2 = π entlang der Koordinatenachsen zu betrachten. Damit ist auch die maximale Zeitdifferenz τ für die Lagrange’schen Geschwindigkeits-Inkremente, die man aus den Euler’schen berechnen kann, beschränkt. Für eine Abschätzung dieser Zeitskala betrachten wir die Wahrscheinlichkeit für die Entfernung, die ein Teilchen in einer vorgegebenen Zeit überbrückt. Dieser darf für eine sinnvolle Übersetzung der Statistiken nicht größer als π werden. Wie man aus der Abb. 7.4 entnimmt, ergibt sich daraus eine maximale Zeitdifferenz von τmax ' 0.6TI . Diese maximale Zeitdifferenz ist auch bei der Auswertung von uEL zu beachten. 48 7 PDF der Geschwindigkeits-Inkremente 1 τ = 0.033 TI τ = 0.10 TI τ = 0.50 TI 0.1 0.01 fEL 0.001 0.0001 1e-005 1e-006 1e-007 -20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 EL u Abb. 7.3: PDF der Euler-Lagrange’schen Geschwindigkeits-Inkremente. Die Zeitdifferenzen sind relativ zu der Integralen Zeitskala (6.3) angegeben. 6 τ = 0.067 TI τ = 0.20 TI τ = 0.40 TI τ = 0.67 TI τ = 1.00 TI 5 p(l; τ) 4 3 2 1 0 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 l Abb. 7.4: Wahrscheinlichkeit für die überbrückte Entfernung eines Teilchens in der Zeit τ . 7.3 Übergang von Euler-Lagrange zu Lagrange 49 7.2.3. Zeitliches Geschwindigkeits-Inkrement Ausgehend von uEL und uL lässt sich noch ein weiteres Geschwindigkeits-Inkrement definieren. ~uP (τ ) = ~uL − ~uEL = ~v (~x, t + τ ) − ~v (~x, t) (7.5) Es gibt die zeitliche Änderung der Geschwindigkeit an einer festen Position an und wird im nächsten Abschnitt zur Bestimmung der bedingten Wahrscheinlichkeit pB verwendet. 7.3. Übergang von Euler-Lagrange zu Lagrange Vergleicht man die Definitionen (7.1), (7.3) und (7.5), dann gilt offensichtlich: ~uL (τ ) = ~uP (τ ) + ~uEL (τ ) (7.6) Diese Formel zerlegt das Lagrange’sche Geschwindigkeits-Inkrement entlang einer Trajektorie in eine zeitliche ~uP und eine räumliche Komponente ~uEL . Damit lässt sich mit Gleichung (7.2) die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer bestimmten Geschwindigkeitsänderung im Lagrange-Bild bestimmen. Z L f (u; τ ) = d~u EL P P d~u δ u − ~u + ~u EL · êi i,t,k = *Z Z = = Z d~u EL Z P d~u δ u − d~uEL p u − uEL i EL du pB u − u uPi − uEL i + t,k i i uEL f EL uEL EL (7.7) Im letzten Schritt wurde unter Zuhilfenahme von P (A) = P (A| B) P (B) die Übergangswahrscheinlichkeit pB uP uEL ; τ = D ~uL − ~uEL · êi ~uEL · êi E i,t,k (7.8) eingeführt. Die Auswertung der Teilchen-Daten meiner kompressiblen TurbulenzSimulation, wie sie in Abb. 7.5 dargestellt ist, bestätigt dieses exakte, statistische Resultat. In den folgenden Abschnitten möchte ich nun auf die Eigenschaften dieser Übergangswahrscheinlichkeit pB genauer eingehen. 50 7 PDF der Geschwindigkeits-Inkremente 1 τ = 0.033 TI τ = 0.10 TI τ = 0.50 TI 0.1 0.01 fL 0.001 0.0001 1e-005 1e-006 1e-007 -20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 L u Abb. 7.5: Vergleich zwischen den nach Gleichung (7.7) berechneten (durchgezogene Linien) und den direkt bestimmten (Punkte) Lagrange’schen Geschwindigkeits-PDFs. 7.3.1. Bedeutung und Modellbildung In der Form (7.8) wurde pB ursprünglich von Kamps u. a. (2009) definiert. Die physikalische Bedeutung erschließt sich jedoch besser, wenn man statt pB p̂B uL uEL ; τ = pB uL − uEL uEL ; τ (7.9) betrachtet. Die zu (7.7) äquivalente Gleichung lautet damit L f (u; τ ) = Z duEL p̂B u| uEL ; τ f EL uEL ; τ . (7.10) Die bedingte Wahrscheinlichkeit p̂B gibt also an, wie häufig eine Geschwindigkeitsdifferenz im Lagrange-Bild auftritt, wenn man das Geschwindigkeits-Inkrement im gemischten Euler-Lagrange-Bild kennt. Bestimmt man, wie hier, pB aus den Daten der Simulation bzw. einer Messung, könnte man auch gleich die Statistiken im Lagrange-Bild auswerten. Eine Theorie, die die Euler’schen und die Lagrange’schen Geschwindigkeits-Inkremente verbinden will, muss somit auch ein Modell für pB enthalten. Dazu möchte ich zunächst einige Grenzfälle betrachten. 7.3 Übergang von Euler-Lagrange zu Lagrange 51 τ = 0.033 TI 0.7 0.6 0.5 τ = 0.033 TI 20 1 15 0.1 uEL = -5 uEL = 0.0 uEL = +5 10 0.4 0.01 5 0.3 0 0.2 EL u -5 0.1 0.001 0.0001 -10 0 1e-005 -15 -20 -20 -15 -10 -5 0 L 5 10 15 1e-006 -20 20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 15 20 15 20 uL - uEL EL u -u τ = 0.10 TI 0.4 τ = 0.10 TI 20 1 0.3 15 0.1 0.25 10 0.2 5 0.35 0.15 0 0.1 0.01 EL u -5 0.05 uEL = -5 uEL = 0.0 uEL = +5 0.001 0.0001 -10 0 1e-005 -15 -20 -20 -15 -10 -5 0 L u -u 5 10 15 1e-006 -20 20 -15 -10 -5 0 5 10 uL - uEL EL τ = 0.50 TI 0.3 0.25 τ = 0.50 TI 20 1 15 0.1 0.2 10 0.15 5 0.1 0 0.05 -5 uEL = -5 uEL = 0.0 uEL = +5 0.01 EL u 0.001 0.0001 -10 0 -15 -20 -20 -15 -10 -5 0 L u -u 5 EL 10 15 20 1e-005 1e-006 -20 -15 -10 -5 0 5 10 uL - uEL Abb. 7.6: Übergangswahrscheinlichkeit pB uL − uEL uEL ; τ für verschiedene Zeitintervalle τ . Rechts sind die Schnitte durch pB für drei unterschiedliche uEL -Werte wiedergegeben. 52 7 PDF der Geschwindigkeits-Inkremente Kleine Zeitintervalle: Die PDF im Lagrange-Bild konvergiert im Grenzfall kleiner Zeitintervalle gegen die PDF der Beschleunigung f a = P (a). f L (u) → f a (u) Dies erkennt man aus der Definition der Beschleunigung ai = dvi vi (t + τ ) − vi (t) = lim τ →0 dt τ im Vergleich mit Gleichung (7.1). Für pB bedeutet dies, dass lim pB (u| 0; τ ) = lim p̂B (u| 0; τ ) = f a (u) τ →0 τ →0 (7.11) gilt. Die Beschleunigung wiederum ist durch die rechte Seite der Euler-Gleichung (2.1) zu f~ 1 ~a = − ∇P + ρ ρ gegeben. Insgesamt lässt sich also f L und damit auch pB bzw. p̂B für τ → 0 mit dem Euler-Bild beschreiben. Die Modellbildung der Beschleunigungs-PDF ist jedoch noch Gegenstand der aktuellen Forschung (siehe z.B. Arimitsu und Arimitsu (2004) und Toschi und Bodenschatz (2009)). Große Zeitintervalle: Für sehr große Zeitintervalle τ ≳ TI wird die Lagrange’sche Statistik normalverteilt (siehe Abb. 7.2). Entsprechend sollte sich für p̂B uL uEL bei festem uEL ein gaussförmiges Profil ergeben, wobei der Mittelpunkt in Abhängigkeit von uEL verschoben ist. Wir sind bei der Auswertung von uEL und damit von pB jedoch auf Zeitintervalle τ ≤ 0.6TI beschränkt. Somit ist in Abb. 7.6 (unten rechts) zwar ein entsprechender Trend zur Normalverteilung erkennbar, sie wird aber aufgrund der Beschränkung des maximalen Zeitintervalls nicht erreicht. Winkel: Wie man in Abb. 7.6 erkennt, konzentriert sich die maximale Wahrscheinlichkeit für uL − uEL entlang einer Graden, die ungefähr einen Winkel von ϕ = −45◦ mit der Abszisse bildet. Zum Vergleich ist in der Abbildung die Grade g(uEL ) = −(uL − uEL ) als Linie in Cyan eingezeichnet. Ich werde nun den Einfluss dieses Winkels auf die Transformation der Statistik vom Euler-Lagrange- ins Lagrange-Bild diskutieren und dabei im ersten Schritt da von ausgehen, dass ein Schnitt parallel zur Abszisse durch p̂B uL uEL ein von uEL unabhängiges Profil liefert. Aus dem Zusammenhang zwischen pB und p̂B nach Gleichung (7.9) folgt, dass ein ein Winkel von ϕ = −45◦ in pB einem Winkel von ϕ̂ = ±90◦ in p̂B entspricht, und die Lagrange’sche Verteilung f L ist damit unabhängig von der Euler-Lagrange’schen f EL . Dies sieht man wie folgt ein: Die Multiplikation von pB mit der PDF f EL 7.3 Übergang von Euler-Lagrange zu Lagrange 53 entspricht einer Gewichtung von pB entlang der uEL -Achse. Da pB nach den hier benutzten Annahmen allerdings unabhängig von uEL ist, muss auch das Ergebnis der Integration dieses Produkts über uEL unabhängig von der Eingangs-Verteilung f EL sein. Diese Aussage wird in Abb. 7.7 (links) noch einmal verdeutlicht. Das andere Extrem wäre ein Winkel von ϕ = −90◦ in pB . Dies entspricht einem Winkel von ϕ̂ = 45◦ in p̂B , wie in Abb. 7.7 (rechts) skizziert. Wäre ein Schnitt durch p̂B eine δ-Distribution, würde sich f L (u) = f EL (u) ergeben. Da jedoch das Profil von p̂B eine endliche Varianz besitzt, erfährt die PDF f L dadurch eine zusätzliche Glättung D E f L (u) = f EL (u) , p̂B die ich hier wieder mittels spitzer Klammern kennzeichne. Für einen allgemeinen Winkel ϕ̂ erhält man aus diesen Überlegungen * L f (u) = f EL (u cot ϕ̂) cot ϕ̂ + (7.12) p̂B als Zusammenhang zwischen den Statistiken. Wie wir sehen, lässt sich die Wirkung des Winkels recht anschaulich am Beispiel von p̂B erklären. p̂B uL uEL f EL f EL uL uL fL uEL uEL p̂B uL uEL fL Abb. 7.7: Wirkung von p̂B bei unterschiedlichem Winkel ϕ̂. links: Bei einem Winkel von ϕ̂ = 90◦ ist f L unabhängig von f EL . rechts: Hingegen entspricht ein Winkel von ϕ̂ = 45◦ einer Glättung von f EL . 54 7 PDF der Geschwindigkeits-Inkremente Kamps u. a. (2009) und Homann u. a. (2009) betrachten jedoch in ihren Arbeiten den Winkel ϕ von pB . Beide Winkel sind über die Relation cot ϕ̂ = 1 + cot ϕ (7.13) miteinander verknüpft. Für eine bessere Vergleichbarkeit der Resultate werde ich in den nachfolgenden Auswertungen auch pB statt p̂B benutzen. Die Änderung der Korrelation zwischen uEL und uL in Abhängigkeit vom Intervall τ spiegelt sich als Drehung des Winkels ϕ in der bedingten Wahrscheinlichkeit pB wieder. Die Winkel erhält man durch eine Geradenanpassung an die Schwerpunkte µup uEL ; τ = Z du upB u| uEL ; τ (7.14) der Verteilung. Die so ermittelte Abhängigkeit des Winkels ϕ vom Zeitintervall τ ist in Abb. 7.8 wiedergegeben. An diese Daten wurde eine Kurve der Art ϕ (τ ) = α + βe−τ /Tϕ (7.15) angepasst. Aufgrund der Einschränkung der Parameter aus Abschnitt 7.2.2 reichen die Daten jedoch nicht aus, um das asymptotische Verhalten eindeutig festzulegen. Die Parameter des Fits können somit keine zusätzlichen Informationen liefern. Auffällig ist jedoch die Änderung des Winkels ϕ von etwa −52◦ für τ ' 0 zu einem Wert von ϕ ≈ −55◦ für τ ' 0.6TI . Dass der Winkel für τ → 0 nicht gegen −45◦ konvergiert, zeigen auch die Untersuchungen von Homann u. a. (2009) für die inkompressible Turbulenz. Im Gegensatz zu meinen Ergebnissen ändert sich der Winkel ϕ jedoch im inkompressiblen Fall um fast 30◦ . Eine mögliche Begründung dieses Unterschieds kann in den verschiedenen Strukturen von kompressibler und inkompressibler Turbulenz gesehen werden. Die inkompressible Turbulenz wird durch Wirbelröhren dominiert, in deren Nähe die Teilchen starke Beschleunigungen erfahren, wodurch der Betrag und die Richtung ihrer Geschwindigkeit extremen Änderungen unterliegt (siehe Toschi und Bodenschatz (2009)). Die Wirbel selbst verändern im Vergleich dazu ihre Lage nur langsam. Somit folgt uL ' uEL , was wiederum einem Winkel von ϕ ' ±90◦ entspricht. Hingegen befinden sich in kompressibler Turbulenz die meisten Teilchen in der Nähe der Schockfronten. Diese bewegen sich mit nahezu konstanter Geschwindigkeit durch die Flüssigkeit, was zu einer großen Korrelationszeit der Teilchengeschwindigkeit führt (siehe Abb. 6.2). Damit ist im Allgemeinen uL uEL , was zu einem Winkel von ϕ ' −45◦ führt. Wie wir sehen, haben die Eigenschaften der Strukturen in der Turbulenz direkten Einfluss auf die Übergangswahrscheinlichkeit pB . Veränderung der Varianz Wie aus der Abb. 7.6 hervorgeht, ist die Annahme aus dem vorherigen Abschnitt, dass das Profil von pB unabhängig von uEL ist, nur für große Zeitintervalle gültig. Bei kleinen Intervallen (τ TI ) ergibt sich eine 7.3 Übergang von Euler-Lagrange zu Lagrange -50 ϕ f(t) = a+b*exp(-t/T) a = -63.10 b = 11.77 T = 1.73 TI -51 ϕ [Grad] 55 -52 -53 -54 -55 0 0.1 0.2 0.3 τ [TI] 0.4 0.5 0.6 Abb. 7.8: Abhängigkeit des Winkels ϕ von pB vom betrachteten Zeitintervall τ . Abhängigkeit vom Betrag von uEL . Bestimmt man für verschiedene Werte von τ die Varianz des Profils von pB σu2P EL u ;τ = Z du (u − µup )2 pB u| uEL ; τ (7.16) als Funktion von uEL , so ergibt sich der in Abb. 7.9 gezeigte Verlauf9 . Durch die Abhängigkeit der Varianz σ 2 von uEL hängt f L selbst bei einem Winkel von ϕ̂ = 90◦ von f EL ab10 . Eine Anpassung des Ansatzes σ = a uEL + b (1 − ς) + dς mit (7.17) ς = e−τ /Tσ an die Daten liefert den Parametersatz a = 0.29 , b = 0.35 , d = 2.9 , Tσ = 0.7TI . (7.18) Die entsprechenden Kurven sind in Abb. 7.9 als Linien dargestellt. 9 10 Die Varianz ist unabhängig davon, ob man pB oder p̂B betrachtet. Man könnte hier also genauso gut σu2 L statt σu2 P schreiben. Prinzipiell ist es sogar möglich, durch die gewichtete Überlagerung von reinen Gausskurven mit unterschiedlicher Breite (Varianz) eine PDF zu generieren, die der Beschleunigungs-PDF ähnelt. Dies wird in Anhang B.4 gezeigt. 56 7 PDF der Geschwindigkeits-Inkremente 3.5 3 2.5 σuP 2 1.5 1 τ =0.033 TI τ =0.10 TI τ =0.20 TI τ =0.30 TI τ =0.50 TI 0.5 0 -10 -5 0 5 10 EL u Abb. 7.9: Abhängigkeit der Standardabweichung σ von pB vom betrachteten Zeitintervall τ und der Kondition uEL . 7.3.2. Modell Die Kombination der Drehung nach Gleichung (7.15) und der Änderung der Varianz nach Gleichung (7.17) in einem Modell, dass für den Schnitt durch pB ein gaussförmiges Profil ansetzt, stellt sich wie folgt dar: (u − w cot ϕ)2 1 p̃B (u| w) = √ exp − 2σ 2 2πσ 2 ϕ (τ ) = α + βe−τ /Tϕ σ= ! a uEL + b (1 − ς) + dς (7.19) (7.15) (7.17) Damit erhält man ein Modell für die Übertragung der Statistiken f˜L (u) = Z dw p̃B (u − w| w) f EL (w) , (7.20) dessen Ergebnis in Abb. 7.10 wiedergegeben ist. Besonders in den Flanken weicht dieses Modell erheblich von den Daten ab. Dies ist verständlich, denn in Gleichung (7.19) wurde für alle Zeitintervalle τ eine Normalverteilung der Schnitte durch p̃B angenommen. Dies widerspricht hingegen der Aussage von Gleichung (7.11), nach der für τ TI das Profil von pB gegen die Beschleunigungs-PDF f a konvergiert. Bemerkung. Interessant ist jedoch die Tatsache, dass man diese Abweichungen durch eine weitere Vergröberung des Modells wieder ausgleichen kann. Für die Ergebnisse 7.3 Übergang von Euler-Lagrange zu Lagrange 57 1 τ = 0.033 TI τ = 0.10 TI τ = 0.50 TI 0.1 0.01 fL 0.001 0.0001 1e-05 1e-06 1e-07 -20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 uL Abb. 7.10: Anwendung des Modells (7.19) für pB mit den Parametern aus (7.18) für die Varianz und Abb. 7.8 für die Winkel. 1 τ = 0.033 TI τ = 0.10 TI τ = 0.50 TI 0.1 0.01 fL 0.001 0.0001 1e-05 1e-06 1e-07 -20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 L u Abb. 7.11: Anwendung des Modells (7.19) für pB mit den Parametern aus (7.18) für die Varianz und festem Winkel ϕ = −63◦ . 58 7 PDF der Geschwindigkeits-Inkremente von Abb. 7.11 wurde der Winkel in Gleichung (7.19) auf den asymptotischen Wert des Fits in Abb. 7.8 von ϕ = −63◦ festgesetzt. Wie man sich leicht überzeugt, liefert dieses vereinfachte Modell sehr gute Resultate. Es scheint in diesem Fall also möglich zu sein, dass in pB die Abhängigkeit der Form und des Winkels von dem Zeitintervall τ gleichzeitig ersetzt werden kann durch eine konstante Form (Gaussglocke) und einen festen Winkel, ohne dabei die Ergebnisse der Transformation (7.20) maßgeblich zu beeinflussen. Eine Begründung für diesen Umstand kann ich leider nicht liefern und vermute, dass es sich dabei um eine Zufallsbeobachtung handelt. Für ein vollständiges Modell der bedingten Wahrscheinlichkeit pB muss nun noch geklärt werden, wie die freien Parameter von den charakteristischen Größen der Turbulenz, wie Reynoldszahl, Machzahl oder der Kompressibilität, abhängen. Diese Frage konnte im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht beantwortet werden. 7.4. Euler’sche Inkremente Die nächste offene Frage, der ich mich nun zuwenden will, ist, wie man aus der Euler’schen auf die oben verwendete Euler-Lagrange’sche Statistik schließt. Dazu betrachten wir zunächst die Euler’sche PDF. Die Euler’schen Geschwindigkeits-Inkremente wurden in Abschnitt 2.3 als ~uE ~l = δ~l ~v = ~v ~x + ~l, t + τ − v (~x, t + τ ) (7.21) eingeführt. Ähnlich der Lagrange’schen Geschwindigkeits-PDF (7.2) definieren wir hier die Euler’sche Geschwindigkeits-PDF11 als D E f E (u; l) = δ ~uE · êi − u i,t,V,l=|~l| , (7.22) wobei zusätzlich über alle Orientierungen des Abstandsvektors ~l zu mitteln ist. Im Unterschied zur Lagrange’schen Statistik bildet man hier den Mittelwert über das Volumen V und nicht über die Teilchen. In inkompressibler Turbulenz, wie sie von Kamps u. a. (2009) und Homann u. a. (2009) untersucht wurden, sind die Teilchen gleichmäßig im Volumen verteilt, so dass dieser Umstand nicht weiter beachtet werden muss. Hingegen bilden in kompressibler Turbulenz die Teilchen ausgeprägte Strukturen, die mit der Dichteverteilung korreliert sind (siehe Schwarz (2007)). Um die Euler’sche in die Lagrange’sche PDF überführen zu können, muss das Maß während der Mittelung identisch sein. Dies kann durch eine Gewichtung mit der Dichte 11 Da häufig die longitudinalen Strukturfunktionen von Interesse sind, werden in der Literatur dementsprechend oft lediglich die longitudinalen Anteile der Geschwindigkeitsänderungen als PDF betrachtet. Die hier verwendete Definition weicht davon ab. 7.4 Euler’sche Inkremente 59 erreicht werden: D E fρE (u; l) = δ ~uE · êi − u D ρ,i,t,V,l=|~l| D ρ (~x) ρ ~x + ~l δ ~uE · êi − u = E i,t,V,l=|~l| E ρ (~x) ρ ~x + ~l . (7.23) t,V,l=|~l| In Abb. 7.12 sind die Dichte-gewichteten PDFs für drei Abstände l wiedergegeben. Wie im Lagrange-Bild sind auch hier für große Abstände die Geschwindigkeiten unkorreliert und die Verteilung ist gaussförmig. Bei sehr kleinen Abständen12 fallen die Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten starker Ereignisse hingegen annähernd exponentiell ab. 10 l = 0.024 l = 0.30 l = 3.0 Gauss 1 0.1 fEρ 0.01 0.001 0.0001 1e-05 1e-06 1e-07 -20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 E u Abb. 7.12: PDF der Dichte-gewichteten Euler’schen Geschwindigkeits-Inkremente nach Gleichung (7.23). 12 l = 0.025 entspricht einem Abstand von lediglich drei Zellen auf dem Simulations-Gitter. 60 7 PDF der Geschwindigkeits-Inkremente 7.5. Übergang von Euler zu Euler-Lagrange Aus den Gleichungen (7.21) und (7.3) lässt sich ein Zusammenhang zwischen ~uEL und ~uE formulieren. ~u EL (τ ) = Z ~ (t + τ ; ~x, t) − ~x − ~l ~uE ~x, ~l d~l δ X Diese Formel besagt, dass man uEL (τ ) aus uE ~l erhält, wenn man den Abstandsvektor ~l gleich dem zurückgelegten Weg des Teilchens in dem Zeitintervall τ setzt. Einsetzen in Gleichung (7.4) liefert Z f EL (u; τ ) = δ ~ (t + τ ; ~x, t) − ~x − ~l ~uE ~x, ~l · êi − u d~l δ X i,t,k Z = D − ~x − ~l ~uE ~ − ~x − ~l δ ~uE · êi − u d~l δ X i,t,k = Z ~ d~l δ X · êi E D i,t,k δ ~uE · êi − u E i,t,k und unter der Annahme von Isotropie folgt = Z ∞ 0 = Z ∞ 0 E D ~ − ~x − ~l ~uE · êi dl 4πl2 δ X D i,t,k,l=|~l| E δ ~uE · êi − u i,t,k,l=|~l| dl pA (l| u; τ ) fρE (u; l) . (7.24) Im letzten Schritt wurde die Übergangswahrscheinlichkeit E D ~ (t + τ ; ~x, t) − ~x − ~l ~uE ~l · êi pA l| uE ; τ = 4πl2 δ X = D E ~ (t + τ ; ~x, t) − ~x − l ~uE ~l · êi δ X i,t,k,l=|~l| i,t,k (7.25) eingeführt. Sie ist eine bedingte Wahrscheinlichkeit, die angibt, welche Entfernung l ein Teilchen in der Zeit τ zurücklegt, wenn sich dabei die Geschwindigkeiten in diesem Abstand l um uE unterscheiden. Zum intuitiveren Verständnis der Wirkung von pA wird in Abb. 7.13 die Gleichung (7.24) noch einmal graphisch veranschaulicht. Die Struktur von pA und deren Abhängigkeit vom betrachteten Zeitintervall τ , ist in Abb. 7.14 zu erkennen. Für große Zeitintervalle τ hängt der Erwartungswert von l annähernd linear vom Betrag der Kondition uEL ab, wobei er auch für uEL = 0 größer Null bleibt. Wie bereits in Abschnitt 7.2.2 erwähnt, ist in meinen Auswertungen der räumliche Abstand l auf den Bereich zwischen 0 und π beschränkt, so dass für sehr große uEL -Werte von einer Sättigung des Erwartungswertes von l auszugehen ist. Betrachtet man hingegen sehr kleine Zeitintervalle, fallen die zurückgelegten Abstände der Teilchen erwartungsgemäß klein aus. Die für große τ beobachtete lineare Abhängigkeit kann hier jedoch nicht mehr festgestellt werden. 7.5 Übergang von Euler zu Euler-Lagrange 61 fEL Integration Multiplikation uEL 10 5 0 u -5 0 0.5 1 1.5 l 2 -10 2.5 Abb. 7.13: Anschauliche Darstellung der Wirkung von pA nach Gleichung (7.24). Die bedingte Wahrscheinlichkeit pA ( l| u) (unten) hängt von dem Zeitintervall τ ab (in diesem Beispiel ist τ = 0.50TI ). Diese wird mit der PDF der Euler’schen Geschwindigkeits-Inkremente fρE ( u| l) (mitte) punktweise multipliziert. Aus der Integration dieses Zwischenergebnisses (oben) entlang der l-Achse ergibt sich schließlich die rekonstruierte PDF f EL der gemischten Inkremente (oben rechts). 62 7 PDF der Geschwindigkeits-Inkremente τ = 0.033 TI 14 12 4 10 8 2 6 0 4 2 uEL -2 0 -4 0 0.05 0.1 0.15 0.2 0.25 l τ = 0.50 TI 1.4 10 1.2 1 5 0.8 0.6 0 0.4 uEL 0.2 -5 0 0 0.5 1 1.5 2 -10 2.5 l Abb. 7.14: Übergangswahrscheinlichkeit pA für verschiedene Zeitintervalle τ . Man beachte dabei die unterschiedliche Achsenbeschriftung. 7.5 Übergang von Euler zu Euler-Lagrange 63 Theorie und Simulationsergebnisse Ein Vergleich der Ergebnisse aus Gleichung (7.24) und den direkt bestimmten Euler-Lagrange’schen PDFs f EL ist in Abb. 7.15 wiedergegeben. Es zeigt sich, dass die Theorie für diesen Übergang starke Diskrepanzen aufweist. Betrachtet man den Übergang zu kleinen Machzahlen und damit zu verringerter Kompressibilität, wie in Abb. 7.16 dargestellt, stellt man fest, dass die Transformation (7.24) tendenziell bessere Ergebnisse liefert. Auch die Auswertungen von Kamps u. a. (2009) und Homann u. a. (2009) zeigen, dass sich im inkompressiblen Fall die Euler-Lagrange’sche PDF exakt rekonstruieren lässt. Offensichtlich reicht eine einfache Gewichtung der Euler’schen PDF entsprechend Gleichung (7.23) nicht aus, um den Einfluss der Teilchen- bzw. Dichteverteilung richtig zu berücksichtigen. 1 0.033 TI 0.10 TI 0.50 TI 0.1 0.01 fEL 0.001 0.0001 1e-005 1e-006 1e-007 -20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 EL u Abb. 7.15: Vergleich zwischen den nach Gleichung (7.24) berechneten (Linien) und den direkt bestimmten (Punkte) Euler-Lagrange’schen Geschwindigkeits-PDFs. 64 7 PDF der Geschwindigkeits-Inkremente M = 1.4 10 τ = 0.08 τ = 0.24 τ = 0.96 1 0.1 fEL 0.01 0.001 0.0001 1e-005 1e-006 -4 -2 0 2 4 uEL M = 0.4 100 τ = 0.20 τ = 0.60 τ = 2.40 10 1 fEL 0.1 0.01 0.001 0.0001 1e-005 1e-006 -2 -1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5 2 EL u Abb. 7.16: Vergleich zwischen den nach Gleichung (7.24) berechneten (Linien) und den direkt bestimmten (Punkte) Euler-Lagrange’schen Geschwindigkeits-PDFs. Im Gegensatz zu den anderen Auswertungen wird im oberen Diagramm eine Simulation mit einer mittleren Machzahl von M ' 1.4 und im unteren von M ' 0.4 betrachtet. 7.6 Resümee 65 7.6. Resümee Es wäre wünschenswert, dass die Transformation vom Euler zum Lagrange-Bild die Verteilung der Teilchen beinhaltet, so dass die “klassischen” Euler’schen Inkremente f E nach Gleichung (7.21) als Eingangsgröße dienen können. Eine entsprechende Erweiterung der Theorie steht jedoch noch aus. pA pB Insgesamt betrachtet liefert die Transformation f E −→ f EL −→ fL f L (u; τ ) = Z dw pB (u| w; τ ) Z ∞ 0 dl pA (l| w; τ ) f E (u; l) (7.26) hier jedoch zufriedenstellende Ergebnisse, wie in Abb. 7.17 zu erkennen ist. Dies liegt daran, dass in kompressibler Turbulenz sehr viel Information in pB enthalten ist und die Transformation mit pA nur einen geringen Einfluss auf das Endergebnis besitzt. 1 τ = 0.033 TI τ = 0.10 TI τ = 0.50 TI 0.1 0.01 fL 0.001 0.0001 1e-005 1e-006 1e-007 -20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 L u Abb. 7.17: Vergleich zwischen den nach Gleichung (7.26) berechneten (Linien) und den direkt bestimmten (Punkte) Lagrange’schen Geschwindigkeits-PDFs. Wie sich das Biferale-Modell aus Abschnitt 3.2.1 durch den hier dargestellten Übergang zwischen dem Euler- und Lagrange-Bild beschreiben lässt, werde ich in Abschnitt 8.5 bei der Betrachtung der Strukturfunktionen erläutern. Bemerkung. Die hier vorgestellte Theorie für den Übergang von den Euler’schen zu Lagrange’schen Geschwindigkeits-PDFs ist ein statistischer Ansatz. Entgegen den phänomenologischen Modellen aus Abschnitt 2.2 und dem Modell von Biferale u. a. (2004) ist der Ansatz von Kamps u. a. (2009) unabhängig von der betrachteten Skala. Es wird also nicht zwischen dem Dissipations- und Inertial-Bereich unterschieden. Man hat jedoch die Einschränkung der Parameter aus Abschnitt 7.2.2 zu beachten. 66 8 Strukturfunktionen 8. Strukturfunktionen Eine der wesentlichen Größen in der Turbulenz-Forschung sind die Exponenten der Strukturfunktionen, wie sie in Abschnitt 2.3.1 und 3.2 eingeführt wurden. Mit ihrer Hilfe lassen sich Rückschlüsse auf das intermittente Verhalten der Turbulenz ziehen. In diesem Abschnitt werde ich mich mit diesen Größen im Euler- und LagrangeBild beschäftigen und dabei insbesondere auf Besonderheiten in kompressibler Turbulenz eingehen. Beginnen möchte ich mit der Betrachtung der Exponenten der Lagrange’schen Strukturfunktionen. 8.1. Lagrange Unter der Voraussetzung, dass die Lagrange’schen Strukturfunktionen SpL (τ ) = h|δτ ~v · êi |p ii,t,k ∝ τζ L (p) (8.1) nach einem Potenzgesetz skalieren, erhält man deren Exponenten. Die Mittelung wird, wie bei Gleichung (7.2), über alle Test-Teilchen k, der zeitlichen Entwicklung t und den Komponenten i der Geschwindigkeitsdifferenz gebildet. Zur Bestimmung der Exponenten ζ L berechnet man die logarithmische Ableitung d ln SpL (τ ) d (ln τ ) = τ dSpL (τ ) SpL (τ ) dτ der Strukturfunktionen. Ein Potenzgesetz wie (8.1) bildet dabei ein Plateau, an dessen Niveau der Exponent direkt abgelesen werden kann. Ein solches Verhalten wird allerdings nur für den Inertialbereich τη τ TI erwartet. In Abb. 8.1 ist die verwendete obere Grenze τ ≤ TI /4 als dünne Linie eingezeichnet. Anhand der Abbildung erkennt man weiterhin, dass die Auswertung der Exponenten nur für Strukturfunktionen bis p ' 6 sinnvoll ist. Alle höheren Ordnungen weisen zu starke Schwankungen auf. Die in dem verwendeten Intervall TI /20 < τ < TI /4 gemittelten Exponenten und deren Standardabweichung sind in Abb. 8.2 gegenüber der Ordnung p aufgetragen. Offensichtlich gilt in guter Näherung ζ L (2) = 1 . Dies deckt sich mit den Überlegungen aus Abschnitt 3.2. 8.1 Lagrange 67 3 p=1 p=2 p=3 p=4 p=6 p = 10 d ln(Sp) / d ln(τ ) 2.5 2 1.5 1 0.5 0 0.1 1 τ [TI] Abb. 8.1: Logarithmische Ableitung der Lagrange’schen Strukturfunktionen. 2 ζL 1.5 1 0.5 0 0 1 2 3 4 5 p Abb. 8.2: Exponenten der Lagrange’schen Strukturfunktionen. 6 68 8 Strukturfunktionen 8.2. Euler In der Literatur werden im Allgemeinen die longitudinalen Euler’schen Strukturfunktionen, wie sie in Abschnitt 2.3 eingeführt wurden, verwendet. Aus Gründen der Konsistenz mit den Lagrange’schen Strukturfunktionen (8.1) betrachte ich hier Strukturfunktionen der Art p E D SpE (l) = δ~l ~v · êi ∝ lζ E (p) x∈V,i,t l=|~l|,~ , (8.2) die im Inertialbereich ebenso nach einem Potenzgesetz skalieren sollten. Die logarithmische Ableitung der Strukturfunktionen zu verschiedenen Ordnungen ist in Abb. 8.3 dargestellt. Man erkennt ein schwach ausgeprägtes Plateau der Exponenπ ten im Intervall 12 ≤ l ≤ π3 , welches durch die gestrichelten Linien in der Darstellung abgegrenzt ist. Die daraus erhaltenen mittleren Exponenten ζ E (p) und deren Fehlerabschätzungen sind in Abb. 8.4 wiedergegeben. Entgegen der K41-Theorie (siehe Frisch (1995)), für die ζ E (3) = 1 als exaktes Ergebnis gilt, finden wir hier ζ E (2) ' 1. Dies ist kein Widerspruch, denn die K41-Theorie geht von inkompressiblen Strömungen aus. 4 p=1 p=2 p=3 p=4 p=6 p=8 3.5 d ln(Sp) / d ln(l) 3 2.5 2 1.5 1 0.5 0 0.1 1 l Abb. 8.3: Logarithmische Ableitung der Euler’schen Strukturfunktionen. 8.3 Berücksichtigung der Dichte 69 2 ζE 1.5 1 0.5 0 0 1 2 3 p 4 5 6 Abb. 8.4: Exponenten der Euler’schen Strukturfunktionen. 8.3. Berücksichtigung der Dichte 8.3.1. Energietransfer-Größe Das Kaskadenmodell beschreibt den Energietransfer zwischen den Skalen. In inkompressibler Turbulenz kann man dabei die Dichte vernachlässigen, da diese nur einen konstanten Faktor liefert. Dies ist im kompressiblen Fall nicht mehr möglich. Um die Intermittenz-Modelle aus Abschnitt 3.1 anwenden zu können, darf man nicht die Geschwindigkeit ~v allein, sondern muss die Energietransfer-Größe w ~ = ρ1/3~v (4.3) betrachten. Die Exponenten der zugehörigen Strukturfunktion p E D 1/3 ρ ~ v (~x + ~l) − ρ1/3~v (~x) · êi ∼ lξ(p) (8.3) sind in Abb. 8.6 aufgetragen. Wie von der in Kapitel 4 vorgestellten Theorie, vorhergesagt wird, ergibt sich hier ξ(3) ' 1. Somit ist es möglich, die freien Parameter des verallgemeinerten She-Lévêque Modells (3.9) an die Daten anzupassen. Der Fit ergibt eine Kodimension von C0 ' 1.50 und einen Skalenfaktor13 von κ ' 1.16. Aus der Abb. 8.6 erkennt man, dass dieser Parametersatz die Daten sehr gut beschreibt. Mit κ ≥ 1 werden die Exponenten ζ(p) nach Gleichung (3.9) für hinreichend große p negativ. Inwieweit somit ein κ ≥ 1 physikalisch sinnvoll ist, muss hier jedoch offen bleiben. 13 Zur Erinnerung: κ bezeichnet im She-Lévêque Modell (Abschnitt 3.1.5) den Skalenexponenten (∞) εl ∝ l−κ der dissipativsten Strukturen und C0 deren Kodimension. 70 8 Strukturfunktionen 3 p=1 p=2 p=3 p=4 p=6 p=8 d ln(Sp) / d ln(l) 2.5 2 1.5 1 0.5 0 0.1 1 l Abb. 8.5: Logarithmische Ableitung der Strukturfunktionen der Energietransfer-Größe. 2 Kritsuk et al. (longitudinal) Kritsuk et al. (orthogonal) She-Leveque Modell C0 = 1.50 κ = 1.16 ξ 1.5 1 0.5 0 0 1 2 3 4 5 6 p Abb. 8.6: Exponenten der Strukturfunktionen der Energietransfer-Größe. 8.3 Berücksichtigung der Dichte 71 Die Strukturfunktionen der Größe (4.3) wurden erstmals von Kritsuk u. a. (2007) anhand von numerischen Simulationen untersucht. Die Autoren unterscheiden dabei zwischen longitudinalen und transversalen Anteilen. Beide liefern in guter Übereinstimmung mit meinen Ergebnissen für die Strukturfunktion dritter Ordnung ein Skalierungsverhalten, wie es aus der inkompressiblen Turbulenz bekannt ist ξ(3) = 1. Diese Literaturwerte sind ebenso in Abb. 8.6 wiedergegeben. 8.3.2. Dichte-Korrelation Für den nachfolgenden Teil ist es wichtig, dass wir uns zunächst mit den Momenten der Dichte-Korrelation Dh ρ ~x + ~l ρ (~x) ip E ∝ X ∝l l2pα(h)+3−D(h) h χ(p) (8.4) beschäftigen. Auch für diese Größe gehen Boldyrev u. a. (2002) von einem Potenzgesetz aus. Dabei ist im Rahmen des Multifraktalen Modells der Exponent durch χ (p) = inf (2pα (h) + 3 − D (h)) (8.5) h gegeben. Die Autoren setzen für α (h) als einfachsten Fall eine lineare Funktion α (h) = a + bh (8.6) an und leiten aus der Nebenbedingung der Massenerhaltung für die Parameter a = −ζ E (p0 ) und b = p0 her, wobei p0 noch näher zu bestimmen ist. Ausgehend von einigen weiteren Zusatzannahmen, auf die ich hier nicht weiter eingehen möchte, leiten die Autoren für den Inertialbereich l L und sehr hohe Machzahlen eine Bestimmungsgleichung für p0 her: ζ E (2p0 + 2) = 2ζ E (p0 ) . (8.7) Unter Benutzung des She-Lévêque Modells mit C0 = 1 geben Boldyrev u. a. (2002) die Werte p0 = b ' 2.28 a ' −0.82 an. Wie wir bereits in Abschnitt 8.2 gesehen haben, gilt in kompressibler Turbulenz ζ E (3) > 1 , und für das She-Lévêque Modell (3.9) aus Abschnitt 3.1.6 ist ζ (3) ≡ 1 , 72 8 Strukturfunktionen unabhängig von den Parametern C0 und κ. Die Autoren benutzten bei der Auswertung ihrer Daten das ESS-Verfahren nach Benzi u. a. (1993) mit der Annahme ζ(3) = 1. Dies steht im Widerspruch zu den von mir ermittelten Werten der Exponenten der Strukturfunktionen im Euler-Bild (vgl. Abb. 8.3). Entsprechend ist auch die Benutzung des She-Lévêque Modells zur Bestimmung des Parameters p0 fragwürdig. Wendet man hingegen die Formel (8.7) auf die Daten aus Abb. 8.4 an, ergibt sich p0 und damit b zu b = p0 ' 1.5 . (8.8) Da hingegen in die Herleitung der Formel (8.7) der Limes sehr hoher Machzahlen einfließt, was mit M ' 4.5 in meiner Simulation nicht gegeben ist, muss man auch diesen Wert kritisch betrachten. Bei der Betrachtung der Dichte-gewichteten Euler’schen Strukturfunktionen im nächsten Abschnitt ergibt sich jedoch die Möglichkeit, diesen Parameter ohne die Grundannahme M → ∞ abzuschätzen. Bemerkung. Aus dieser Theorie für die Strukturfunktionen der Dichte-Korrelation folgt, dass die Exponenten χ (p) negativ sind. Dies konnte ich durch die Auswertung der Daten meiner Simulation bestätigen. Auf eine Darstellung der Exponenten in Abhängigkeit von der Ordnung p werde ich hier jedoch verzichten, da sie für diese Arbeit nicht weiter relevant sind. 8.3.3. Dichte-gewichtete Euler’sche Strukturfunktionen In Abschnitt 7.4 wurde die Dichte-gewichtete Euler’sche PDF (7.23) eingeführt. Die dazugehörigen Strukturfunktionen lauten D pE E (l) = δ~l ~v · êi Sp,ρ = ρ(~ x)ρ(~ x+l) p E D ρ (~ x) ρ (~x + l) ~v ~x + ~l − ~v (~x) · êi hρ (~x) ρ (~x + l)i ∝l ζρE (p) . (8.9) Die Frage ist nun, wie diese mit den “klassischen” Euler’schen Strukturfunktionen zusammenhängen. In dem Multifraktalen Modell sind die Exponenten gegeben als ζ E (p) = inf (ph + 3 − D (h)) . h (3.3) Entsprechend folgt aus der Arbeit von Boldyrev u. a. (2002), dass sich die Exponenten für p E D ρ (~ x) ρ (~x + l) ~v ~x + ~l − v (~x) · êi ∝ lχ̃(p) schreiben lassen als χ̃ (p) = inf (ph + 2α (h) + 3 − D (h)) . h 8.3 Berücksichtigung der Dichte 73 In Kombination mit dem linearen Ansatz (8.6) und der Gleichung (8.5) für die Exponenten der Dichte-Korrelation erhält man hieraus die Exponenten der Dichtegewichteten Strukturfunktionen (8.9) ζρE (p) = χ̃ (p) − χ (1) = inf (ph + 2α (h) + 3 − D (h)) − inf (2α (h) + 3 − D (h)) h h = inf ((p + 2b) h + 3 − D (h)) − inf (2bh + 3 − D (h)) h E h E = ζ (p + 2b) − ζ (2b) . (8.10) In Verbindung mit der konkaven Form von ζ E (p) besagt diese Formel, dass die Dichte-gewichteten Exponenten stets kleiner als die ungewichteten sind. ζρE ≤ ζ E , ∀p (8.11) Somit schneiden sich die Kurven nie, sondern treffen lediglich am Punkt ζρE (0) = ζ E (0) = 0 aufeinander. Für einen Vergleich dieser Theorie mit den direkt aus der Numerik bestimmten Exponenten betrachten wir zunächst wieder die logarithmischen Ableitungen der Strukturfunktionen. Wie durch die Gegenüberstellung von Abb. 8.7 mit Abb. 8.3 zu erkennen ist, zeigen diese ein deutlich ausgeprägteres Plateau als die ungewichteten Strukturfunktionen. Jedoch treten hier bei hohen Ordnungen zunehmend starke Schwankungen in den Ableitungen auf. Die ermittelten Exponenten zeigen, wie nach Gleichung (8.11) erwartet, einen flacheren Verlauf als diejenigen ohne Gewichtung, und es gilt annähernd ζρE (3) ' 1. Für das Modell (8.10) wurde ein optimaler Parameter b ' 0.29 ermittelt. Das Resultat ist ebenfalls in Abb. 8.8 als grüne Linie wiedergegeben. Es treten allerdings Abweichungen von den Referenzdaten auf. Auffällig ist hier der signifikante Unterschied zu dem im vorherigen Abschnitt ermittelten Wert von b = p0 ' 1.5. Eine mögliche Ursache könnte darin liegen, dass die Voraussetzung von sehr hohen Machzahlen für die Gleichung (8.7) in meiner Simulation nicht hinreichend erfüllt wird. Somit muss im Allgemeinen der freie Parameter b in Gleichung (8.10) auf andere Weise bestimmt werden. Ich möchte hier jedoch nur eine Abschätzung der möglichen Grenzwerte liefern. Für den inkompressiblen Grenzfall ist ζρE (p) = ζ E (p) und damit muss hierbei b = 0 gelten. Hingegen ergibt sich für die ideal kompressible Turbulenz, wie sie von der Burgers-Gleichung beschrieben wird, nach Anhang B.3, dass die Exponenten ζρE (p) verschwinden. Somit muss in diesem Fall der Parameter b ≥ 21 sein. Damit verträglich ist das Ergebnis b = p0 = 12 aus Gleichung (8.7), wenn man diese auf die Exponenten der BurgersGleichung (Abb. 4.2) anwendet. Dieser Parameter hängt somit offensichtlich von der Kompressibilität und damit von der Machzahl M ab. 74 8 Strukturfunktionen 3 p=1 p=2 p=3 p=4 p=6 p=8 d ln(Sp) / d ln(l) 2.5 2 1.5 1 0.5 0 0.1 1 l Abb. 8.7: Logarithmische Ableitung der Dichte-gewichten Euler’schen Strukturfunktionen. 2 Theorie ζ Eρ 1.5 1 0.5 0 0 1 2 3 p 4 5 6 Abb. 8.8: Exponenten der Dichte-gewichten Euler’schen Strukturfunktionen (rot) im Vergleich mit dem im Text beschriebenen Modell (grün). 8.4 Mellin-Transformation 75 Die hier abgeschätzten Grenzen sind gut verträglich mit dem in meinen Auswertungen bestimmten Wert des Parameters b ' 0.29. Die von Boldyrev u. a. (2002) angegebene obere Schranke von b ' 2.28 erscheint in diesem Rahmen zu groß, was vermutlich auf die Benutzung des She-Lévêque Modells in deren Herleitung zurückzuführen ist. 8.4. Mellin-Transformation In diesem Kapitel möchte ich mich damit beschäftigen, wie es prinzipiell möglich ist von den Exponenten der Strukturfunktionen auf die PDF der dazugehörigen Größe zurückzurechnen. Dazu bedienen wir uns der Mellin-Transformation (siehe z.B. Remmert und Schuhmacher (2002)), die ich zunächst kurz vorstellen möchte. 8.4.1. Grundlagen Die Mellin-Transformation einer Funktion f (x) ist definiert als fˇ (s) = M [f (x)] (s) = Z ∞ f (x) xs−1 dx , (8.12) 0 wobei s für eine komplexe Zahl steht. Diese Transformation ist eng verwandt mit der Laplace- und Fourier-Transformation. Ihre Inverse ist gegeben durch h i 1 Z c+i∞ ˇ f (s) x−s ds , f (x) = M−1 fˇ (s) (x) = 2πi c−i∞ (8.13) wobei die Integration über eine vertikale Linie in der komplexen Ebene erfolgt. 8.4.2. Anwendung Gegeben sei eine Verteilung f (u) von Geschwindigkeits-Inkrementen, wie sie in Abschnitt 7.1, 7.2 oder 7.4 eingeführt wurden. Die dazugehörigen Strukturfunktionen Sp = Z f (u) |u|p du sind die absoluten Momente dieser PDF. Unter der Annahme, dass f (u) symmetrisch ist, entspricht dies bis auf einen konstanten Faktor der Mellin-Transformation (8.12) mit s = p + 1. Somit sollte man mit Hilfe der inversen Transformation (8.13) von den Strukturfunktionen auf die Verteilung zurückrechnen können. Im Inertialbereich skalieren die Strukturfunktionen nach einem Potenzgesetz Sp (λ) = A (p) λζ(p) mit λ ∈ {l, τ } , (8.14) wobei A (p) ein von der Ordnung p abhängiger Skalierungsfaktor ist. Will man von den Exponenten ζ (p) auf die Strukturfunktionen schließen, benötigt man eine Abschätzung dieser Vorfaktoren A (p). Yakhot (2006) geht dafür von der vereinfachten 76 8 Strukturfunktionen Annahme aus, dass die dazugehörige PDF der Geschwindigkeits-Inkremente annähernd normalverteilt ist. Damit liefert eine kurze Rechnung 1 Z − x22 2p e 2σ x dx 2πσ 2 2p σ 2p Z −y p−1/2 = √ e y dy π 2p σ 2p 1 √ = Γ p+ π 2 2p = σ (2p + 1)!! S2p = √ ⇒ A (2p) ∝ (2p + 1)!! . (8.15) (8.16) für die Abhängigkeit der Vorfaktoren von der Ordnung p. Der funktionale Zusammenhang der Standardabweichung σ von der Skala (l bzw. τ ) beeinflusst dabei ausschließlich den Exponenten ζ(p) und nicht den Faktor A. Lineare Skalierung Zunächst möchte ich den einfachsten Fall der linearen Skalierung ζ (p) = ap betrachten14 . Setzt man dies in Gleichung (8.14) ein und wendet darauf die inverse Mellin-Transformation (8.13) an, erhält man mit σ = 1 für die PDF der Geschwindigkeits-Inkremente f (u; λ) = M−1 [A (p) λap ] (u) " # 1 Z i∞ λap Z ∞ p −y2 /2 √ y e dy u−p−1 dp = 2πi −i∞ 2π −∞ u2 1 =√ e− 2λ2a . a 2πλ (8.17) Offensichtlich ist dies wiederum eine Normalverteilung, deren Breite wie λa mit der Skala anwächst. Im speziellen Fall der Kolmogorov-Theorie würde somit 1 σ ∝ λ3 gelten. Höhere Ordnung Die nächst höhere Ordnung ergibt sich aus einer Abhängigkeit der Exponenten ζ von der Ordnung p äquivalent zum Obukhov-Kolmogorov Modell. Ich möchte die Gleichung (3.1) hier jedoch etwas allgemeiner als ζ (p) = ap + bp2 14 Für a = 1 3 entspricht dies dem Modell von Kolmogorov. 8.4 Mellin-Transformation 77 schreiben. Die Transformation mit diesen Exponenten wurde von Yakhot (2006) durchgeführt. h 2 i f (0) (u; λ) = M−1 A(0) (p) λap+bp (u) = ... Z ∞ ln √2λu a x 1 2 √ = e−x exp − 4b ln λ πu 4b ln λ −∞ 2 dx (8.18) Die numerische Auswertung dieses Ausdrucks zeigt eine starke Abhängigkeit der Flanken der PDF von der Skala λ, siehe (Yakhot, 2006, Abb. 1), was als Zeichen für Intermittenz interpretiert wird. Für kleine Skalen ist somit die aus (8.18) berechnete PDF nicht konsistent mit der Grundannahme, dass die erhaltene PDF annähernd eine Normalverteilung ist. Die Faktoren A(0) (p) nach Gleichung (8.16) müssen also im nächsten Schritt aus der Verteilung f (0) (u; λ) neu bestimmt werden, um die genauere Abschätzung A(1) zu erhalten. Einsetzen des Ergebnisses in (8.18) liefert die nächst bessere Abschätzung f (1) (u; λ) für die PDF, wobei die Auswertung nun komplett numerisch durchgeführt werden muss. Dieses Vorgehen wiederholt man so lange, bis f (u; λ) und A (p) zu einer selbstkonsistenten Lösung konvergieren. Das hier beschriebene Vorgehen ist jedoch nur eine theoretische Überlegung, denn meines Wissens wurde eine solche selbstkonsistente Lösungsvorschrift bisher noch nicht umgesetzt. 8.4.3. Verallgemeinerung Das oben dargestellte Verfahren sollte prinzipiell mit jeder belieben Funktion ζ (p) durchführbar sein. Damit wäre es prinzipiell möglich, aus den Exponenten der Euler’schen Strukturfunktionen ζ E (p) auf die dazugehörigen PDFs zurückzurechnen. In Verbindung mit dem Modell von Kamps u. a. (2009), welches ich im Kapitel 7 beschrieben hab, lassen sich diese PDFs in die PDFs der Lagrange’schen Geschwindigkeits-Inkremente transformieren, woraus sich wiederum die Lagrange’schen Strukturfunktionen und deren Exponenten ζ L (p) berechnen lassen. Insgesamt erhielten wir damit eine Theorie zur Übertragung der Exponenten der Strukturfunktionen aus dem Euler- ins Lagrange-Bild. Im nächsten Abschnitt werde ich eine weitere Anwendung der Mellin-Transformation vorstellen, mit der sich Gleichung (3.18) des Biferale-Modells sehr elegant herleiten lässt. 78 8 Strukturfunktionen 8.5. Biferale-Modell Ich möchte nun noch einmal auf das Modell von Biferale u. a. (2004) zurückkommen. Wie in Anhang B.1 gezeigt wird, liefert dieses Modell eine einfache Beziehung zwischen den Exponenten der Euler’schen und Lagrange’schen Strukturfunktionen: ζ̂ L p − ζ E (p) = ζ E (p) (3.18) Dabei bezeichnet ζ̂ die aus dieser Theorie zu erwartenden Langrange’schen Exponenten der Strukturfunktionen. Wendet man diese Formel auf die (Dichte-gewichteten) Euler’schen Exponenten aus Abschnitt 8.2 bzw. 8.3.3 an, ergeben sich die in Tabelle 8.1 gezeigten Resultate. Im Lagrange-Bild gilt ζ L (2) ' 1. Demzufolge muss nach Gleichung (3.18) für das Euler-Bild ζ (3) ' 1gelten, was für die kompressible Turbulenz jedoch nicht zutrifft. L E Die berechneten ζ̂ ζ können somit nicht stimmen. p ζE ζρE ζL ζ̂ L ζ E ζ̂ L ζρE 1 0.61 ± 0.03 0.44 ± 0.01 0.52 ± 0.03 1.06 ± 0.06 0.67 ± 0.02 2 1.04 ± 0.05 0.79 ± 0.02 0.96 ± 0.05 1.42 ± 0.08 1.05 ± 0.02 3 1.33 ± 0.06 1.04 ± 0.02 1.23 ± 0.03 1.63 ± 0.10 1.28 ± 0.02 4 1.53 ± 0.07 1.24 ± 0.02 1.38 ± 0.02 1.76 ± 0.12 1.44 ± 0.03 5 1.68 ± 0.09 1.38 ± 0.02 1.43 ± 0.05 1.85 ± 0.15 1.56 ± 0.04 6 1.78 ± 0.10 1.50 ± 0.03 1.42 ± 0.07 1.91 ± 0.17 1.65 ± 0.06 Tabelle 8.1: Anwenden der Formel (3.18) auf die Exponenten der Euler’schen ζ E und der Dichte-gewichteten Euler’schen ζρE Strukturfunktionen und Vergleich der Ergebnisse ζ̂ L ζ E bzw. ζ̂ L ζρE mit den numerisch bestimmten Lagrange’schen Exponenten ζ L. Für die Dichte-gewichteten Exponenten gilt näherungsweise ζρE (3) ' 1. Dennoch zeigt die Auswertung mit Gleichung (3.18) signifikante Abweichungen von den Lagrange’schen Exponenten. Dies mag zweierlei Ursachen haben. Zum Einen kann dies an Unzulänglichkeiten des Modells von Biferale u. a. (2004) und damit an Gleichung (3.18) liegen. Darauf werde ich weiter unten genauer eingehen. Zum Anderen ist es auch denkbar, dass die Dichte in den Strukturfunktionen SρE noch nicht optimal berücksichtigt worden ist. Entsprechende Hinweise haben wir bereits in Abschnitt 7.5 gesehen. Ich möchte nun das Modell von Biferale u. a. (2004) im Rahmen des Modells von Kamps u. a. (2009) weiter untersuchen. 8.5 Biferale-Modell 79 8.5.1. Zusammenhang mit dem Modell von Kamps Die Mellin-Transformation aus dem vorherigen Abschnitt eröffnet die Möglichkeit, die Gleichung (3.18), die aus dem Biferale-Modell folgt, auf sehr elegante Weise herzuleiten. Die Transformation der PDFs vom Euler- ins Lagrange-Bild erfolgt dabei mittels der Theorie aus Kapitel 7. Wie in Kamps u. a. (2009) gezeigt wird, muss man hierzu die Übergangswahrscheinlichkeiten pA l| uE ; τ = δ l − uE τ und pB uP uEL ; τ = δ uP (8.19) = δ uL − uEL (8.20) ansetzen. Die Delta-Funktion für pA resultiert aus der Annahme τ∼ l δl v und die für pB aus δτ v ∼ δl v . Des Weiteren sei bemerkt, dass aufgrund der hier verwendeten δ-Funktionen die Normierung A (p) keine Rolle spielt. Die Gleichung (8.19) besagt, dass der zurückgelegte Abstand l eines Teilchens dem Produkt aus dem Zeitintervall τ und der Geschwindigkeits-Differenz zwischen den beiden Positionen entspricht. Für große Abstände, bei denen die Geschwindigkeiten v (x + l) und v (x) unkorreliert sind, mag dies eine brauchbare Näherung sein. Auf kleinen Skalen gilt jedoch v (x + l) ' v (x) und damit uE ' 0, so dass l durch Gleichung (8.19) zu klein abgeschätzt wird. Dies zeigt auch ein Vergleich mit Abb. 7.14, woraus deutlich wird, dass für uE ' 0 der Abstand l endliche Werte annimmt. Der Gleichung (8.20) entspricht ein vertikaler Peak in Abb. 7.6. Dass dies für die von mir untersuchte kompressible Turbulenz nicht zutrifft, ist offensichtlich. Selbst für inkompressible Turbulenz würde eine so gewählte δ-Funktion lediglich für große Zeitintervalle τ eine sinnvolle Abschätzung liefern, da der Winkel ϕ der bedingten Wahrscheinlichkeit pB in diesem Fall annähernd 90◦ annimmt. Unter diesem Blickwinkel betrachtet, kann man aus dem Biferale-Modell lediglich gute Vorhersagen für große Zeitintervalle τ in der inkompressiblen Turbulenz erhalten. Entsprechend große Zeitintervalle befinden sich jedoch nicht mehr im Inertialbereich und man kann somit kein exponentielles Skalieren der Strukturfunktionen erwarten. Damit erscheint die Bestimmung der Lagrange’schen Exponenten der Strukturfunktion mittels hp + 3 − D (h) ζ (p) = inf h 1−h L als recht fragwürdig. ! ( 3.17) Teil V Epilog 83 9. Zusammenfassung und Ausblick In dieser Arbeit habe ich mich mit der Euler’schen und Lagrange’schen Sichtweise der Turbulenz beschäftigt. Dabei wurde deutlich, dass beide Bilder sehr unterschiedliche Aussagen bei den Auswertungen liefern. In Kapitel 7 bin ich der Frage nachgegangen, wie sich die beiden Bilder ineinander übersetzen lassen. Dazu habe ich das Modell von Kamps u. a. (2009) erstmals auf die Daten einer Simulation kompressibler Turbulenz angewandt. Dieses unterteilt die Transformation vom Euler- ins Lagrange-Bild in zwei Teilschritte, wobei man als Zwischenergebnis die Statistik eines gemischten Euler-Lagrange-Bildes erhält. Es stellte sich dabei heraus, dass die Übersetzung von dem gemischten ins Lagrange-Bild auch für die kompressible Turbulenz als exakt angesehen werden kann. In diesem Zusammenhang habe ich in Abschnitt 7.3.1 die Bedeutung der Übergangswahrscheinlichkeit pB ausführlich beschrieben. Insbesondere bin ich dabei auf die Abhängigkeit des Profils und des in diesem Abschnitt definierten Winkels vom betrachteten Zeitintervall eingegangen. Davon ausgehend wurde in Abschnitt 7.3.2 ein einfaches Modell konstruiert, das die Transformations-Eigenschaften von pB sehr gut widerspiegelt. Um eine vollständige Theorie für den Übergang vom Euler- ins Lagrange-Bild zu erhalten, ist es nötig, die Parameter des Modells aus den äußeren Randbedingungen, wie der Kompressibilität, der Dimension der dissipativsten Strukturen und Ähnlichem, festzulegen. Wünschenswert wäre es auch, wenn man diesen Parametern eine physikalische Bedeutung zuordnen könnte. Obwohl die Gewichtung der Euler’schen PDF mit der Dichte in meiner Auswertung noch nicht ideal ist, konnte festgestellt werden, dass bei der Übertragung der Statistik vom Euler- ins Euler-Lagrange-Bild die Berücksichtigung der Dichteverteilung eine ausschlaggebende Rolle spielt. Dies spiegelt sich auch in den Exponenten der Strukturfunktionen wieder. Wie in Abschnitt 8.3 aufgezeigt wird, ergibt sich bei den Dichte-gewichteten Euler’schen Strukturfunktionen ein deutlich besseres Skalierungsverhalten als ohne Gewichtung. In kompressibler Turbulenz muss die Dichte auch bei der Anwendung von Theorien, die auf dem Kaskadenmodell, also dem Energietransfer zwischen den Skalen, basieren, in geeigneter Weise berücksichtigt werden. Wie in der Einleitung erläutert, ist das She-Lévêque Modell von phänomenologischer Natur und basiert auf dieser Annahme über den Energietransport zwischen den Skalen. Während in inkompressibler Turbulenz dieses Modell die Abhängigkeit der Exponenten von der Ordnung p außerordentlich gut beschreibt, existiert für den Fall der kompressiblen Turbulenz noch keine vergleichbare, allgemein anerkannte Theorie. In Abschnitt 8.3.1 dieser Arbeit konnte ich die Überlegungen von Kritsuk u. a. (2007) bestätigen, wonach die Größe ρ1/3 v eher den klassischen, inkompressiblen Theorien gehorcht und sich die Exponenten der dazugehörigen Strukturfunktionen mit dem She-Lévêque Modell beschreiben lassen. Wie in der Einleitung motiviert, ist eine Übertragung der Statistik aus dem Eulerins Lagrange-Bild von wesentlichem Interesse in der Turbulenz-Forschung, da das Euler-Bild experimentell leicht zugänglich ist, das Lagrange-Bild hingegen dem Be- 84 9 Zusammenfassung und Ausblick obachter weitestgehend verschlossen bleibt. Dazu habe ich in Abschnitt 8.5 das Modell von Biferale u. a. (2004) für die Übertragung der Exponenten der Euler’schen Strukturfunktionen zu den Lagrange’schen auf meine Daten angewendet und ebenso wie Homann (2006) signifikante Abweichungen von der direkt ermittelten Lagrange’schen Statistik gefunden. Mit Hilfe der Mellin-Transformation lässt sich diese Theorie im Rahmen der Methode von Kamps u. a. (2009) darstellen, wenn man für die in dieser Theorie auftretenden bedingten Wahrscheinlichkeiten entsprechende Annahmen macht. In Abschnitt 8.5.1 wurden diese Annahmen mit den tatsächlichen Übergangswahrscheinlichkeiten verglichen. Insbesondere für kleine Zeitskalen ergeben sich dabei erhebliche Diskrepanzen. Als Ausblick möchte ich nun, aufbauend auf den Erkenntnissen aus dieser Arbeit, eine Alternative zum Modell von Biferale u. a. (2004) skizzieren. Ausgangspunkt soll dabei das She-Lévêque Modell für die Euler’schen Strukturfunktionen in inkompressibler Turbulenz sein, von der aus wir zu einer Lagrange’schen Theorie der kompressiblen Turbulenz gelangen. In den einzelnen Schritten sind jedoch häufig noch Fragen offen, auf die ich an gegebener Stelle hinweise. Die Vorgehensweise untergliedert sich wie folgt: 1. Ausgangspunkt dieser Theorie ist das She-Lévêque Modell, welches man für die Größe w ~ = ρ1/3~v benutzt. In diese Theorie fließt die Kodimension C0 als Parameter ein, die wiederum von der Art der Turbulenz bestimmt wird. In der Literatur setzt man für Wirbelröhren in inkomressibler Navier-Stokes-Turbulenz C0 = 2, und für MHDTurbulenz wird aufgrund der Stromschichten C0 = 1 angenommen. Der Ansatz des Multifraktalen Modells legt jedoch nahe, dass die Dimension auch fraktale Werte annehmen kann, wie wir in Abschnitt 8.3.1 gesehen haben. Die Abhängigkeit des Skalenparameters κ von den Kenngrößen der Turbulenz ist, meines Wissens nach, bisher noch vollkommen ungeklärt. 2. Als Nächstes müssen die so erhaltenden Exponenten ζwE in diejenigen für die Dichte-gewichteten Strukturfunktionen ζρE umgerechnet werden. Eine zu Abschnitt 8.3.3 äquivalente Theorie wäre dafür ein geeigneter Ansatz. 3. Mittels der Mellin-Transformation berechnet man aus den Exponenten ζρE die dazugehörige PDF, so wie es in Abschnitt 8.4 beschrieben wurde. In diesem Abschnitt habe ich außerdem erklärt, wie es prinzipiell möglich ist, eine selbstkonsistente Lösung zu erhalten. Die Umsetzung dieser Idee steht jedoch noch aus. 4. Diese Dichte-gewichtete PDF kann nun mittels der Übergangswahrscheinlichkeiten pA und pB aus Kapitel 7 in die Lagrange’sche PDF überführt werden. Wie aus Abschnitt 7.5 hervorgeht, treten bei hohen Machzahlen zunehmend Abweichungen beim Übergang vom Euler- zum Euler-Lagrange-Bild auf. Dies könnte durch eine fehlerhafte Berücksichtigung der Dichte in der PDF fρE bedingt sein. 85 5. Aus der so gewonnen PDF f L berechnet man deren Momente (Strukturfunktionen) und ermittelt daraus die dazugehörigen Exponenten ζ L (p). Die Bestimmung der Exponenten aus der logarithmischen Ableitung der Strukturfunktionen gestaltet sich oft als schwierig, da die Resultate im Allgemeinen von den verwendeten Skalengrenzen des Inertialbereich abhängen. Wenn man darauf vertraut, dass ζ(3) ≡ 1 bzw. ζ(2) ≡ 1 gilt, wird hier häufig die ESS nach Benzi u. a. (1993) eingesetzt. Fazit: Es bleibt noch viel zu tun. Teil VI Anhang 89 A. racoon II Das Rahmenprogramm racoon II 15 wurde von Jürgen Dreher zur massiv parallelen Lösung hyperbolischer Differentialgleichungen entwickelt und in der objektorientierten Sprache C++ implementiert (siehe Dreher und Grauer (2005) und Dreher). Dabei umfasst es die in Kapitel 5 beschriebene Fluss-Berechnung, die Zeitintegration und die passiven Tracer-Teilchen. Im speziellen zeichnet sich racoon II durch folgenden wesentlichen Merkmale aus. A.1. Wesentliche Merkmale A.1.1. Gitter 8 x 8 Zellen pro Block 2 Randzellen 4 x 4 Blöcke vom Level 2 Abb. A.1: Blockstruktur von racoon II . In racoon II werden zwei- und dreidimensionale Rechengebiete unterstützt. Diese werden in gleichgroße Blöcke unterteilt, wobei die Auflösungsstufe L (engl. Level) die Anzahl der Blöcke N = 2L je Richtung festlegt. Jeder Block ist wiederum in eine gleichgroße Anzahl von Zellen unterteilt. Die Anzahl der Zellen kann jedoch richtungsabhängig sein. Jeder Block wird dabei als eigenständiges Rechengebiet betrachtet und ist aus Sicht des Benutzers unabhängig von seinen Nachbarn. Um auch Ableitungen an den Rändern der Blöcke berechnen zu können, enthält jeder Block zusätzliche Randzellen, die die Informationen aus den Nachbarblöcken widerspiegeln. Die Aktualisierung dieser Randzellen, auch Geisterzellen genannt, erfolgt automatisch durch das Rahmenprogramm. 15 refined adaptive computations with object-oriented numerics 90 A racoon II A.1.2. AMR racoon II unterstützt weiterhin das Rechnen mit verschiedenen Auflösungsstufen. Dabei werden jedem Block des Levels L 2d Blöcke des Levels L + 1 zugeordnet, wobei d die Dimension des Gitters bezeichnet. Die Verfeinerung eines einzelnen Blockes kann an die lokalen Eigenschaften, z.B. den Gradienten der Felder, gekoppelt werden. Damit entsteht ein adaptives Gitter (engl. Adaptive Mesh Refinement), in dem die Auflösung lokal an kritischen bzw. interessanten Stellen erhöht ist. A.1.3. Parallelisierung Numerische Simulationen sind oft sehr speicheraufwendig und rechenintensiv. Daher ist eine Verteilung des Problems auf mehrere Rechner erforderlich. In racoon II wird diese Parallelisierung dadurch realisiert, dass die Gesamtzahl der Blöcke auf mehrere Prozesse P aufgeteilt wird. Im allgemeinen Fall übersteigt die Anzahl der Blöcke die Zahl der verwendeten Prozesse bei weitem. Jeder Prozess verwaltet also mehrere Blöcke. Um den Datentransfer zu minimieren, ist es daher wünschenswert, dass benachbarte Blöcke auch dem selben Prozess zugeordnet sind. In racoon II werden aus diesem Grund die Blöcke entlang einer Hilbert-Kurve angeordnet. Die einzelnen Kurvenabschnitte werden danach gleichmäßig auf die verfügbaren Prozesse aufgeteilt. Das Versenden ganzer Blöcke bzw. der Randaustausch zwischen Blöcken auf verschiedenen Rechner erfolgt in racoon II mittels Message Passing Interface. Durch die Verteilung der Blöcke ist das Problem des enormen Speicherbedarfs gelöst. Um den Rechenaufwand effizient zu verteilen, gehört jedoch noch mehr. A.1.4. Skalierung In einem Programm, welches die Berechnungen parallel auf mehrere Prozessoren P verteilt, lässt sich die Gesamt-Rechenzeit T einteilen in den Aufwand für • Code der parallel ausgeführt wird, Tp ∝ 1 , P • Code der sich nicht parallelisieren lässt, Ts = const, • zusätzlicher Aufwand, der durch die Parallelisierung entsteht, z.B. für Synchronisation oder Datenaustausch, To ∝ P . Für ein Rahmenprogramm, das massiv paralleles Rechnen unterstützt, ist es wesentlich, den Aufwand für seriellen Code Ts und den Overhead für die Parallelisierung To im Vergleich zum parallel ausgeführten Code Tp klein zu halten. Wie oben bereits erwähnt, sind in racoon II die einzelnen Blöcke weitgehend autonom. Die Berechnungen in jedem Block können somit unabhängig von den anderen Blöcken durchgeführt werden. Damit ist eine effektive Verteilung des Rechenaufwands auf mehrere Prozessoren möglich. In Abb. A.2 sind die Ergebnisse eines Skalierungs-Tests einer kompressiblen Turbulenz-Simulation wiedergeben. Anhand des linearen Geschwindigkeitszuwachses bis A.1 Wesentliche Merkmale 91 hin zu 16 384 Prozessoren erkennt man die ausgezeichneten Parallelisierungs-Eigenschaften von racoon II . Speed (steps/sec) normalized to 10243 0.1 12833 bs=16 1283 bs=32 2563 bs=32 2563 bs=64 512 bs=64 102433 bs=64 1024 bs=32 0.01 0.001 0.0001 10 100 Number of processors 1000 Abb. A.2: Schwache Skalierung von racoon II für kompressible Turbulenz auf der BlueGene/P im Forschungszentrum Jülich. [Quelle: Christoph Beetz] A.1.5. Zeitschritt Ein einzelner Runge-Kutta Integrationsschritt besteht aus mehreren Teilschritten, abhängig von der Ordnung der Verfahrens. In racoon II kann ein Runge-Kutta Verfahren von erster bis dritter Ordnung nach Shu und Osher (1988) gewählt werden. Die Rekonstruktion der Felder wird standardmäßig mit dem CWENO-Verfahren von Kurganov und Levy (2000), entsprechend Abschnitt 5.2, durchgeführt. Andere Verfahren können vom Benutzer jedoch leicht implementiert und verwendet werden. Hauptaufgabe des Problem-abhängigen Codes ist es, die Flüsse aus diesen rekonstruierten Werten zu berechnen. Dafür steht in racoon II eine entsprechende Schnittstelle16 zur Verfügung. Die Anwendung des Flusses auf die Felder entsprechend der Gleichung ∆t F| , (A.1) ūn+1 = ūn − |V | ∂V welche sich aus der Zeitdiskretisierung von Gleichung (5.3) ergibt, wird von racoon II selbstständig durchgeführt. 16 Diese Schnittstelle ist eine rein virtuelle Methode, die in einer abgeleiteten Klasse überschrieben werden muss. 92 A racoon II Auch der Austausch der Randzellen der Blöcken, sowie die Synchronisierung zwischen den einzelnen Prozessen nach jedem Teilschritt wird dem Benutzer von diesem Rahmenprogramm abgenommen. A.1.6. Erweiterungen Bis hierher habe ich die grundlegende Funktionsweise von racoon II beschrieben. Es enthält allerdings noch zusätzliche Erweiterungen, auf die man in dem SimulationsCode zurückgreifen kann. Multigrid Um auch elliptische Differential-Gleichungen, wie sie bei der Lösung von Poisson-Gleichungen der Art ∆Φ = ρ auftreten, behandeln zu können, enthält racoon II einen Poisson-Löser auf der Basis des Multigrid-Verfahrens. In meiner Arbeit kam diese Erweiterung jedoch nicht zum Einsatz. Ich möchte für eine ausführlichere Beschreibung deshalb auf Grafke (2008) verweisen. Teilchen Für die Untersuchung der Turbulenz im Lagrange-Bild kann in racoon II die Simulation um passive Tracer-Teilchen (siehe Abschnitt 5.4) erweitert werden. Dazu wird in der Initialierungs-Phase des Programms die gewünschte Anzahl an Teilchen erzeugt. Diese können systematisch oder zufällig positioniert werden. Die Integration der Trajektorien und die Aufteilung der Teilchen auf die einzelnen Prozesse geschehen selbstständig durch das Rahmenprogramm. Der Benutzer muss lediglich an geeigneter Stelle die Ausgabe der Teilchendaten aufrufen. Diese Daten enthalten die Koordinaten und die auf diese Positionen interpolierten Werte der Felder. Die eigentliche Auswertung der Lagrange-Statistik kann dann mit zusätzlichen Tools erfolgen, die diese Daten verarbeiten. Diese Erweiterung wurde von mir während meiner Diplomarbeit implementiert. Für weitere Details zur Realisierung möchte ich somit auf Schwarz (2007) verweisen. Paralleles I/O Bei parallelen Rechnungen auf einer Vielzahl von Prozessoren kann bei der Ausgabe entweder jeder Prozess eine eigene Datei erzeugen oder alle Prozesse schreiben parallel in eine gemeinsame Datei. Die optimale Strategie hängt von der verwendeten Maschine und dem Dateisystem ab. In racoon II sind beide Methoden verfügbar. A.2 Problemklasse 93 A.2. Problemklasse Die Problemklasse ist das physikalische Kernstück. Sie wird von mehreren Basisklassen abgeleitet und muss die vordefinierten Schnittstellen (virtuelle Methoden) überschreiben. Ihre Hauptaufgaben sind im Wesentlichen: • Definieren der Anzahl und Art der verwendeten Felder und Teilchen • Festlegen der Rekonstruktions-Methode und der Ordnung der Zeit-Integration • Initialisieren der Felder mit Startwerten • Berechnung der Flüsse aus den rekonstruierten Werten • Diagnostik und Zeitschritt-Steuerung • Markieren kritischer Zellen/Blöcke, falls AMR benutzt wird • Treiben von Feldern • Implementation problemspezifischer Randbedingungen Damit sind in ihr alle problemabhängigen Programm-Eigenschaften vereint. 94 B Nebenrechnungen B. Nebenrechnungen B.1. Beweis von Gleichung (3.18) Im Multifraktalen Modell gilt für die Euler’schen Exponenten der Strukturfunktionen die Gleichung ζ (p) = inf (ph + 3 − D (h)) . h (3.3) Das Infimum findet man durch Null setzen der Ableitung nach h: p = D0 (h∗ ) , womit ζ (p) = ph∗ + 3 − D (h∗ ) folgt. Das Modell von Biferale u. a. (2004) liefert für die Lagrange’schen Exponenten den Zusammenhang ! pk + 3 − D (k) L . ζ (p) = inf k 1−k Ersetzt man p durch p − ζ (p) folgt hieraus ! (p − ζ (p)) k + 3 − D (k) ζ (p − ζ (p)) = inf k 1−k ! ∗ (p − ph − 3 + D (h∗ )) k + 3 − D (k) = inf k 1−k ! ∗ p (1 − h ) k + 3 (1 − k) + D (h∗ ) k − D (k) = inf . k 1−k L (B.1) Wie oben findet man auch hier das Infimum durch Null setzen der Ableitung: p (1 − h∗ ) − 3 + D (h∗ ) − D0 (k ∗ ) 0= + 1 − k∗ p (1 − h∗ ) k ∗ + 3 (1 − k ∗ ) + D (h∗ ) k ∗ − D (k ∗ ) + (1 − k ∗ )2 = p (1 − h∗ ) + D (h∗ ) − D0 (k ∗ ) + D0 (k ∗ ) k ∗ − D (k ∗ ) = [D (h∗ ) − D (k ∗ )] + [D0 (h∗ ) − D0 (k ∗ )] − [D0 (h∗ ) h∗ − D0 (k ∗ ) k ∗ ] . Damit die Summe insgesamt Null ergibt, müssen die Ausdrücke in den eckigen Klammern einzeln verschwinden. Dies ist nur für k ∗ = h∗ erfüllt. Einsetzen in Gleichung (B.1) liefert schließlich p (1 − h∗ ) h∗ + 3 (1 − h∗ ) + D (h∗ ) h∗ − D (h∗ ) 1 − h∗ ∗ ∗ = ph + 3 − D (h ) = ζ (p) , ζ L (p − ζ (p)) = womit Gleichung (3.18) bewiesen ist. B.2 Beweis von Gleichung (3.21) 95 B.2. Beweis von Gleichung (3.21) Nach Voraussetzung gilt ζN S (p) > ζM HD (p) für p>3 (3.20) bzw. L ζNL S (p − ζN S (p)) = ζN S (p) > ζM HD (p) = ζM HD (p − ζM HD (p)) . Mit n = p − ζNL S (p) folgt daraus L ζNL S (n) > ζM HD (n + ζN S (p) − ζM HD (p)) L > ζM HD (n) , wobei ζN S (p) − ζM HD (p) > 0 benutzt wurde. Für p = 3 gilt n = 2. Damit ist L ζNL S (p) > ζM HD (p) gezeigt. für p>2 96 B Nebenrechnungen B.3. Dichte-gewichtete Strukturfunktionen für Burgers In dieser Nebenrechnung werde ich die Exponenten der Dichte-gewichteten Euler’schen Strukturfunktion hρ (x) ρ (x + l) |v (x + l) − v (x)|p i Sp,ρ (l) = hρ (x) ρ (x + l)i (8.9) für den idealisierten Fall der Burgers-Gleichung analytisch berechnen. Dafür sei das Geschwindigkeits-Profil wie in Abschnitt 4.1 durch v (x) = x − bxc (4.7) gegeben und für das Dichteprofil setzen wir ( ρ (x) = 1 ε 1 |x| < ε sonst an, wobei 0 ε 1 den Kleinheitsparameter bezeichnet. Da es hier um die Skalierungsverhalten geht, kann bei der nachfolgenden Abschätzung der Nenner in (8.9) vernachlässigt werden. Des Weiteren muss für den Inertialbereich εl1 gelten. Unter diesen Voraussetzungen erhält man durch eine äquivalente Rechnung wie in Gleichung (4.8) für die Strukturfunktionen: S̃p,ρ (l) = Z 1 ρ (x) ρ (x + l) |v (x + l) − v (x)|p dx 0 = = Z 1 1 1 p Z 1−l p Z 1−ε (l − 1)p + (l − 1)p l + l + 1−ε ε 1−l 0 ε ε lp + (1 − l − ε) lp + (l − ε) (l − 1)p + (l − 1)p Z ε εl −−→ (2 − l) lp + (l + 1) (l − 1)p l1 −−→ (2 − l) lp + (l + 1) (1 − pl) = 2lp−lp+1 + l − pl2 − pl +1 , ∀p ≥ 0 . = O l0 Verglichen mit dem Ergebnis von (4.8) tritt hier zusätzlich noch der Summand l0 = 1 auf. Somit verschwinden alle Exponenten ζρ (p) = 0 , unabhängig von der Ordnung p. (B.2) B.4 PDF der Beschleunigung aus Normalverteilungen 97 B.4. PDF der Beschleunigung aus Normalverteilungen In diesem Abschnitt möchte ich zeigen, wie es möglich ist, aus einer gewichteten Überlagerung von Normalverteilungen eine PDF ähnlich zu derjenigen der Beschleunigung f a zu konstruieren. Dies ist vergleichbar mit dem in Abschnitt 7.3 beschriebenen Übergang von der Euler-Lagrange- zur Lagrange-Statistik. Der Einfachheit halber möchte ich hier jedoch die Variablen u = uL und w = uEL verwenden. Zunächst definieren wir eine Übergangswahrscheinlichkeit u2 1 exp − 2 p̂ (u| w) = √ 2σ 2πσ 2 ! B mit einer von w abhängigen Standardabweichung von beispielsweise w2 σ (w) = 2 − 1.8 exp − 8 ! . Diese Funktion ist an Abb. B.1 wiedergegeben. 10 1 0.1 pB 0.01 4 2 -4 0 -2 u -2 0 2 4 w -4 Abb. B.1: Modell der Übergangswahrscheinlichkeit p̂B . Die Gewichtung erfolgt über die Eingangsgröße w, welche hier auch als normalverteilt ! 1 w2 EL f (w) = √ exp − 2 2π angenommen wird. Eine Integration entsprechend Gleichung (7.10) L f (u) = Z dw p̂B (u| w) f EL (w) 98 B Nebenrechnungen liefert eine PDF für u, wie sie in Abb. B.2 dargestellt ist. Ein Vergleich mit Abb. 7.2 bestätigt die qualitative Ähnlichkeit dieses Ergebnisses mit der Lagrange’schen PDF für Geschwindigkeits-Inkremente bei kurzen Zeitintervallen τ . Dieses Ergebnis unterstreicht die Bedeutung der uEL -abhängigen Varianz in pB für den Übergang ins Lagrange-Bild. 10 1 fL 0.1 0.01 0.001 0.0001 1e-005 -4 -2 0 2 L u Abb. B.2: Ergebnis der Modellrechnung. 4 99 C. Lebenslauf 09. Juli 1976 geboren in Leinefelde Sept 1983 – Juli 1993 Realschule in Niederorschel Sept 1993 – Juni 1996 Lehre als Physik-Laborant am Max-Planck Institut in Göttingen März 1997 – Dez 1997 Grundwehrdienst in Wolfhagen Sept 1998 – Aug 2002 Sachbearbeiter für Qualitätssicherung SCHOTT Lithotec in Jena Sept 2000 – Juni 2002 Abitur an der Kreisvolkshochschule Saale-Holzland Okt 2002 – März 2007 Physikstudium an der Ruhr-Universität Bochum Apr 2006 – März 2007 Diplomarbeit über “Lagrange Statistik in kompressibler Turbulenz” Apr 2007 – Aug 2009 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für TP I der Ruhr-Universität Bochum. Arbeiten zum “Übergang zwischen Euler’scher und Lagrange’scher Statistik in kompressibler Turbulenz”. bei 101 D. Literatur Paper [Aref u. a. 1999] Aref, A. ; Boyland, P. L. ; Stremler, M. A. ; Vainchtein, D. L.: Turbulent statistical dynamics of a system of point vortices. In: Gyr, A. (Hrsg.) ; Kinzelbach, W. (Hrsg.) ; Tsinober, A. 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