Das Geschäft mit Rohstoffquellen läuft wie geschmiert 24.06.2013 | 11:43 | Simone Brunner (Wirtschaftsblatt) Wirtschaftswunder. Die Misswirtschaft in der Ölbranche birgt auch ein Sicherheitsrisiko für den Westen. "Safer Sex in Nigeria" titelte zuletzt "The Economist" über einen milliardenschweren Rohstoffdeal mit der nigerianischen Regierung. 1,3 Milliarden US-$ legten Eni und Shell für die Bohrlizenzen für ein Offshore-Ölfeld auf den Tisch. Recherchen des "Economist" zufolge sollen die Gelder fast zur Gänze in die Taschen eines lokalen Ölbarons geflossen sein - unter Zwischenschaltung der nigerianischen Regierung als "Präservativ", wie ein Involvierter des Deals zitiert wird. Shell wies die Vorwürfe freilich zurück: "Wir haben in keinster Weise außerhalb der globalen Praktiken der Industrie gehandelt." Beihilfe zur Korruption. Die originelle Metapher berührt ein Kernproblem der Branche: Die Beihilfe westlicher Konzerne zum Machterhalt korrupter Eliten. Um direkte Geldflüsse an die Lokalbarone zu vermeiden, wird die Regierung dazwischen geschaltet, während das Geld in dunklen Kanälen versickert. Dass sich Shell & Co. dabei nicht der Korruption strafbar machen, kann man wohl getrost in das Reich der Fabel (Stichwort "Unbefleckte Empfängnis") verbannen. Richtig ist freilich auch die Aussage von Shell, dass diese Praktiken in der Branche Usus sind. Genau hier wollen Initiativen in den USA und in der EU ansetzen: Ab Herbst sind Rohstoffunternehmen, die an einer US-Börse gelistet sind, verpflichtet, all ihre ausländischen Geldflüsse offenzulegen. Im April haben sich EU-Kommission, Europaparlament und die EURegierungen grundsätzlich auf eine ähnliche Publikationspflicht für europäische Firmen geeinigt. Jedes EU-Unternehmen soll über seine Zahlungen je Land und Projekt genau Auskunft geben. Die Energielobby hatte sich zuvor für eine Sonderregelung für autoritäre Länder - die so genannte "Tyrannenklausel" - starkgemacht. Das wurde aber abgelehnt. Besonders schwer leidet Afrika unter dem so genannten "Ressourcenfluch". Wie der Resource Governance Index des Revenue Watch Instituts zeigt, werden Öl-und Gasvorkommen nirgends so undurchsichtig gemanagt wie dort (s. Grafik). Auf die Korrelation zwischen Reichtum an Rohstoffen und Armut der Bevölkerung haben schon viele Forscher hingewiesen. Tatsächlich leben weltweit zwei Drittel der ärmsten Menschen in Ländern mit beträchtlichen Rohstoffvorkommen. Die Summen sind enorm: 2011 überstiegen Rohstoffexporte aus Afrika die Entwicklungsgelder, die in den Kontinent flossen, um das Siebenfache. Nach Daten der Global Financial Integrity kommen Entwicklungsländern jedes Jahr eine Billion $durch Korruption, Bestechung, Diebstahl und Steuerflucht abhanden. Der hohe Anteil an Rohstoffexporten hat zudem einen Effekt, der in einem der Heimatländer von Royal Dutch Shell - den Niederlanden - gut bekannt ist: Die Öl-und Gasexporte werten die Währung auf, wodurch andere Exportprodukte an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Die rohstoffferne Wirtschaft - mit tendenziell längeren Wertschöpfungsketten - verkümmert. Ein Phänomen, das in den Niederlanden erstmals nach großen Gasfunden in den 60er-Jahren beobachtet wurde und seither "Holländische Krankheit" genannt wird. Mehr Transparenz. Jetzt soll aber zumindest die Transparenz an den Bohrtürmen von Venezuela bis Katar erhöht werden. Nach dem Abschnitt 1504 des Dodd-Frank-Acts müssen ab Oktober 2013 alle Unternehmen, die der US-Börsenaufsicht SEC unterliegen, ihre ausländischen Geldflüsse detailliert aufschlüsseln. Es wird geschätzt, dass mehr als die Hälfte des weltweiten Kapitals der Rohstoffbranche auf US-Börsen gehandelt wird. Nach SECInformationen wären das 1100 Unternehmen, darunter die Branchengiganten Chevron, Exxon, BP, Shell und Total. Bis ähnliche Regeln auch in der EU gelten, wird es aber trotz Grundsatzeinigung noch dauern: EU-Parlament und Rat müssen die Publikationspflicht noch absegnen, dann haben die EU-Staaten zwei Jahre Zeit, um die Vorgaben umzusetzen. Es sind dies die ersten Pflicht-Regeln zu mehr Transparenz. Eine freiwillige Initiative gibt es bereits: Die "Extractive Industries Transparency Initiative"(EITI) wurde 2002 ins Leben gerufen. Das EITI-Vorzeigeland Aserbaidschan zeigt aber zugleich dessen Grenzen auf: Obwohl alle EITI-Vorgaben erfüllt wurden, bleiben die Grundprobleme (Korruption, Armut und autoritäre Herrschaft) weiter bestehen. Zu diesem Schluss kommt Hannes Meißner, Forscher an der FH des BFI Wien, in seinem Buch zum "Ressourcenfluch" in Aserbaidschan und Turkmenistan: "Die Schaffung eines gesetzlichen Rahmens ist ein nächster Schritt in die richtige Richtung", so Meißner. Brutstätte. Der "Ressourcenfluch" hört aber nicht an den Checkpoints der Petro-Länder auf. Er birgt auch ein Sicherheitsproblem für die westliche Welt, so der ehemalige US-Senator Richard Lugar in einer Studie, die maßgeblich zum Dodd-Frank-Act beigetragen hat: "Die Energiereserven verschlimmern die globale Armut und sind somit eine mögliche Brutstätte für Terrorismus." Da die Weltwirtschaft am Öltropf hängt, kann jede lokale Krise in eine globale durchschlagen. Mehr Transparenz wäre somit im Sinne aller: Sowohl für die örtliche Zivilgesellschaft als auch für internationale Investoren, die Risiken dann besser abschätzen können. © wirtschaftsblatt.at