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DER
DA
FORTSCHRITTE
MATHEMATISCHEN WISSENSCHAFTEN
IN MONOGRAPHIEN
HERAUSGEGEBEN VON OTTO BLUMENTHAL
======
HEFT 2
========
H. A. LORENTZ
A. EINSTEIN· H. MINKOWSKI
S RELATIVITATSPRINZIP
EINE SAMMLUNG VON ABHANDLUNGEN
MIT ANMERKUNGEN VON A. SOMMERFELD
UND VORWORT VON O. BLUMENTHAL
ZWEITER, DURCHGESEHENER
ABDRUCK
LEIPZIG UND BERLIN
DRUOK UND VERLAG VON E.G. TEUBNER
1915
-
COPYRIGHT 1915 BY B. G. TEUBNER IN LEIPZIG.
ALLE RECHTE, EINSCHLIESSLICH DES UBERSETZUNGSRECHTS, YORBEHALTEN.
Vorwort zum' ersten Abdruck.
Minkowskis Vortrag "Raum und Zeit", del' im Jahre 1909 mit einem
Vorwort von A. Gutzmer als selbstandige Schrift erschienen ist, ist bereits
vergriffen. Herr Sommerfeld hat die gluckliche Anregung gegeben, die von
dem Verlage gewunschte Neuausgabe zu einer groBeren Publikation zu erweitern, in del' die grundlegenden Orginalarbeiten uber das Relativitatsprinzip zusammengestellt werden soUten. Die freundliche Bereitwilligkeit
del' Herren H. A. Lorentz und Einstein hat die Ausfuhl'ung dieses Planes
ermoglicht. So enthalt dieses Bandchen, ali:'! eine Sammlung von Urkunden
zur Geschichte des Relativitiitsprinzips, die Entwicklung del' Lorentzschen
Ideen, Einsteins erste groBe Al'beit und Minkowskis V oritag, mit dem die
Populal'itiit des Relativitatsprinzips einsetzt. Ais Erganzung dient das erste
Biindchen diesel' Sammlung "Fol'tschritte del' mathematischen Wissenschaften
in Monographien", das die beiden ausflihrlichen Veroffentlichungen Minkowskis enthiilt.
Del' el'sten Auflage del' Schrift "Raum und Zeit" ist Minkowskis Bild
vorangestellt. Tl'otz des allgemeineren Charakters del' neuen Ausgabe glaubten wir, fur Minkowski das Vorrecht del' Toten in Al1spruch nehmen und
auch diesen Band mit seinem Bilde schmucken zu durfen.
Aachen, Mai 1913.
OTTO BLUMENTHAL.
INHA1TS VERZEICHNIS.
H. A. LORENTZ, Der Interferenzversuch Michelsons. . . . . . . . . . . . "
H. A. LORENTZ, Elektromagnetische Erscheinungen in einem System, das sich mit
beliebiger, die des Lichtes nicht erreichender Geschwindigkeitbewegt. . .
A. EINSTEIN, Zur Elektrodynamik bewegter Karper . "
.....
A. EINSTEIN, 1st die Tragheit eines Karpers von seinemEnergieinhalt abhangig?
H. MrNKowsKI, Raum und Zeit . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . '. . .
A. SOMMERFELD, Anmerkungen zu Minkowski, Raum und Zeit . . . . . . . .
H. A. LORENTZ, Das Relativitatsprinzip und seine Anwendung auf einige besondere physikalische Erscheinungen. . . . . . . . . . . . . • . . . . . . .
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6
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74
H. A.. LORENTZ. Der Interferenzversuch Michelsons
1
Der Interferenzversuch Michelsons.
Von H. A. LORENTZ. *)
1. Wie zuerst von Maxwell .bemerkt wurde und aus einer sehr einfachen Rechnung folgt, muE sich die Zeit, die ein Lichtstrahl braucht, um
zwischen zwei Punkten.A und B hin und zuriick zu gehen, andern, sobald
diese Punkte, ohne den Ither mit sich fortzufUhren, eine gemeinschaftliche
Verschiebung edeiden. Die Veranderung ist zwar eine GroEe zweiter Ordnung; sie ist jedoch groE genug, um mittelst einer empfindlichen Interferenzmethode nachgewiesen werden zu konnen.
Del' Versuch wurde im Jahre 1881 von Herm Michelson ausgefiihrt.**)
Sein Apparat, eine Art Interferentialrefraktor, hatte zwei gleich lange, hodzontale, zueinander senkrechte Arme P und Q, und von den beiden miteinander interferierenden Lichtbiindeln ging das eine Htugs dem Arme P und
das andere langs dem Al"me Q hin und zuriick. Das ganze Instrument, die
Lichtquelle und die Beobachtungsvon'ichtung miteinbegriffen, lieE sieh urn
eine veTtikale Achse dl"ehen, und' es kommen besonders die beiden Lagen in
Betracht, bei denen del" Al"m P odeI' del' Ann Q so gut wie moglich die
Richtung del" El"dbewegung hatte. Es wurde nun, auf Grund del" Fl"esnelschen Theol"ie, eine Verschiebung del" Interferenzstl"eifen bei del' Rotation
aus del" einen jenel" "Hauptlagen" in die andere erwartet.
Von diesel" durch die Andel"ung del' Fmtpflanzungszeiten bedingten Vel"schiebnng - wir wollen dieselbe del' Kiirze halber die Maxwellsche Verschiebung nennen - wurde abel' keine SpUl" gefunden, und so meinte Herr
Michelson denn schlieBen zu ditrfen, daB derlther bei del' Bewegung del"
Erde nicht in Ruhe bleibe, eine Folgerung freilich, deren Richtigkeit bald
in Frage gestellt wurde. Durch ein Versehen hatte namlich Herr Michelson
die nach del" Theode zu 6J:wartende Veranderung del' Phasendifferenzen auf
das Doppelte des richtigen Wertes veransehlagt; verbesserl man diesen Fehler,
so gelangt man zu Vel"schiebungen, die durch Beobachtungsfehler gerade
noch vel"deckt wel"den konnten.
*) Aus: Versuch einer Theorie der elektrischen und optischen Erscheinungen
in bewegten Korpern (Leiden 1895) §§ 89-92.
*"') Michelson, A.merican Journal of Science (3) 22 (1881) S. 120.
2
H. A.
LORENTZ
In Gemeinschaft mit Herrn Morley hat dann spater Herr Michelson
die Untersuchung wieder aufgenommen*), wobei er, zur Erhohung der Empfindlichkeit, jedes Lichtbundel durch .einige Spiegel hin und her refiektieren
lieB. Dieser Kunstgriff gewahrte denselben Vorteil, als wenn die A.rme des
fruheren Apparates betrachtlich verlangert worden Waren. Die Spiegel wurden
von einer schweren, auf Quecksilber schwimmenden, und also leicht drehbaren Stein platte getragen. 1m ganzen hatte jetzt jedes Bundel emen Weg
von 22 Metern zu durchlaufen, und war nach del' Fresnelschen Theorie,
beim Ubergange von der einen Hauptlage zur anderen, eine \T erschiebung
von 0,4 der Streifendistanz zu erwarten. NicMsdestowelliger ergabell sich
bei del' Rotation nur Verschiebungen von- hochstens 0,02 del' Streifendistanz;
dieselben durften wohl von Beobachtungsfehlern herruhren.
Darf man nun auf Grund dieses Resultates annehmen, daB del' Ather
an der Bewegung der Erde teilnehme und ulso die Stokessche Aberrationstheorie die richtige sei? Die Schwierigkeiten, auf welche diese TheOl·ie bei
der Erklarung der Aberration stoBt, scheinen mil' zu graB zu sem, als
daB ich diesel' Meinung sein konnte, und nicht vielmehr versuchen solite,
den Widerspruch zwischen der' Fresnelschen Theorie und dem Michelsonschen Ergebnis zu beseitigen. In del' Tat gelingt das mittelst einer Hypothese, welche ich schon vor einiger Zeit ausgesprochen habe**), und zu
der, wie ich spateI' erfahren habe, auch Herr Fitzgerald ***) gelangt ist. Worin
dieselbe besteht, soli del' nachste Paragraph zeigen.
2. Zur Vereinfachung wollen wir annehmen, daB man mit einem Instrumente wie dem bei den erSten Yersuchen beriutzten arbeite, und daB bei der
einen Hauptlage der Arm P genau in die Richtung del' Erdbewegung falle.
Es sei .p die Geschwindigkeit dieser Bewegung und L die Lange jades Armes,
mithin 2L der Weg der Lichtstrahlen. Nach der Theoriet) bewirkt dann
die Translation, daB die Zeit, in del' das eine Lichtbi1ndel an P entlang hin
uml zuruck geM, UUl
jl2
L· Vii
langer ist als die Zeit, in der das andere Bundel seinen Weg vollendet. Eben
diese Differenz wi1rde auch bestehen, wenn, ohne daB die Translation einen
*) Michelson and Morley, American Journal of Science (3) 34 (1887) S. 333;
Phil. Mag. (5) 24 (1887) S. 449.
Lorentz, Zittingsverslagen der Akad. v. Wet. te Amstel;il,am, 1892-93, .8. 74.
Wie Herr Fitzgerald mir freundlichst mitteilte, hat~'er seine Hypothese
schon seit Hi-ngerer Zeit in seinen Vorlesungen behandelt. In der Literatur habe ich
dieselbe nur bei Herrn Lodge, in der Abhandlung "Aberration problems" (London
Phil. 'Trans. 184 A (1893) S. 727) erwahnt gefunden.
t) Vgl. Lorentz, Arch. neerl. 21 (1887) S. 168-176.
Der Interferenzversuch Michelsous
3
EinfiuB hatte, der Arm P urn
Hinger ware alB del' Arm Q. Ahnliches gilt von del' zweiten Hauptlage.
Wir sehen also, daB die von del' Theorie erwarteten Phasendifferenzen
auch dadurch entstehen konnten, daB bei del' Rotation des Apparates bald
d,er eine, bald del' andere ArJIl die groBere'Lange hatte. Daraus folgt, daB
dieselben durch entgegengesetzte Veranderungell del' Dimensiollen kompensiert werden kannen.
Nimmt man an, daB del' in der Richtung del' El'dbewegung liegende
Arm um
kiirzer sei als del' andere, und zugleich die Translation den EinfiuB habe,
del' sich aus del' Fresnelschen Theorie t:ll'gibt, so ist das Resultat des
Michelsonschen Yersuches vollstandig erklart.
Man hatte sich sonach vorzustellen, daB die Bewegung eines festen
Karpel's, etwa eines Messingstabes, odeI' del' bei den spateren Yersuchen benutzten Steinplatte, durch den ruhenden Ather hindurch eiuen EinfiuB auf
die Dimensionen habe, del', je nach del' Orientierung des Korpel's in Bezug
auf die Richtung del' Bewegung, vel'schieden ist. Wiil'den z. B. die del' Bewegungsrichtung parallelen Dimensionen im Vel'haltnis von 1 zu 1 0 und
die zu derselben senkl'echten im'Yel'haltn~s von 1 zu 1 + s geandert, so miiBte
+
(1)
sem.
Es bliebe hierbei del' Wert einer del' GraBen. 0 und s unbestimmt. Es
kannte s = 0, 0 = ,
lJ2
2i2 sein, abel' auch s = 2t-2' 0=0, odeI' s T;2'
2
2
lJ •
=
4
und 0='--·
4V2
3. So befremdend die Hypothese auch auf den ersten Blick erscheinen
mag, man wird dennoch zugeb'en mussen, daB sie gar nicht so fel'n liegt, sobald man annimmt, daB auch die Molekularkrafte, ahnlich wie wir es gegenwartig von den elektrischen ,und magnetischen Kl'aften bestimmt behaupten
konnen, durch den Ather vel'mittelt. werden. 1st dem so, so wird die Translation die Wil'kung zwischen zwei Molekiilen odeI' Atomen hachstwahl'scheinlich in ahnlicher Weise andel'll, wie die Anziehung odeI' AbstoBung zwischen
geladenen Teilchen.Da nun die Gestalt und die Dimensionen eines festen
Korpel's in letzter 1nstanz durch die 1ntensitat del' Molekularwil'kungen bec1ingt werden, so kann dann ailch eine Anderung der Dimensionen nicht
ausbleiben.
4
H. A.
LORENTZ
In theoretiseher Hinsieht ware also niehts gegen die Hypothese einzuwenden. Was die experimentelle Priifung derselben betrift't, so ist zunaehst
zu bemerken, daB die in Rede stehenden VerHingerungen nnd Verkiirzungen
auBerordentlich klein sind. Es ist lJl!j"Vll = 10-8, und somit wiirde, falls ~an
(; = 0 setzt, die Verkiirzung des einen Durchmessers der Erde etwa 6,5 em
betragen. Die Lange eines Meterstabes aber anderle sich, wenn man ihn
aus del' einen Hauptlage rn die andere iiberfiihrte, urn %00 Mikron. Wonte
man so kleine GraBen wahrnehmen, so konnte man sieh wohl nur von ein~r
1nterferenzmethode Erfolg versprechen. Man hatte also mit zwei zuernander
senkrechten f3taben zu arbeiten und von zwei miteinander interferierenden
Lichtbiindeln das eine an dem ersten und das andere an dem zweiten Stabe
entlang hin- und hergehen zu lassen. Hierdurch gelangte man aber wieder
zu dem Michelsonschen Versuch und wiirde bei der Rotation gar keine
Verschiebung del' Streifen wahrnehmen. Umgekehrt wie wir es fruher ausdriickten, konnte man jetzt sagen, daB die aus den Langenanderungen
hervorgehende Verschiebung durch die Maxwellsche Verschiebung kompensiert werde.
4. Es ist beachtenswert, daB man gerade zu den oben vorausgesetzten
Veranderungen der Dimensionen gefiihrl wird, wenn man erstens, ohne die
Molekularbewegung zu beriicksichtigen, annimmt, daB in ernem sich selbst
iiberlassenen festen Karper die auf ein beliebiges Molekiil wirkenden Krafte,
Anziehungen oder AbstoBungen, einander das Gleichgewicht halten, und
zweitens - wozu freilich kein Grund vorliegt - auf diese Molekularkrafte
das Gesetz anwendet, das wir friiher*) fUr die elektrostatischen Wirkungen
abgeleitet haben. Vel'steht man namlich jetzt unter 8 1 und 8 2 nicht, wie an
jener Stelle, zwei Systeme geladenel' Teilchen, sondern zwei Systeme von
Molekiilen - das zweite ruhend und das erste mit der Geschwrndigkeit t>
in der Richtung der x-Achse - , zwischen deren Dimensionen die friiher angegebene Beziehung besteht, und nimmt man an, daB in beiden Systemen
die x-Komponenten der Krafte dieselben seien, dieJf und z-Komponenten
sich aber durch den Faktor
111 - t:
voneinander unterscheiq~n, so ist klar,
daB sich die Krafte in 8 1 aufheben werden, sobald dies rn 8 2 geschieht.
1st demnach 8l! der Gleichgewichtszustand eines ruhenden festen Korpers, so haben in 8 1 die Molekiile gerade diejenigen Lagen, in denen sie
unter dem Einfl.usse der Translation verharl'en konnen. Die Verschiebung
wiirde diese Lagerung natitrlich von selbst herbeifiihren und also nach den
an der genannten Stelle gegebenen Formeln erne Verktlflung in der Be*) Namlich in § 23 des Buches: Versuch einer Theorie der elektrischen und
optischen Erscheinungen in bewegten Korpern.
Der Interferenzversuch Michelsons
wegungsrichtung im Verhaltnis von 1 zu
zu den vVerten
111 -
~22 bewirken. Dieses fiihrt
V2
d'=-2V 21 c=O,
was mit (1) iibereinstimmt.
In Wirklichkeit befinden sich die Molekiile eines Karpers nicht in Ruhe,
sondern es besteht in jedem "Gleichgewichtszustande" eine stationare Bewegung. Inwiefern dieser Umstand bei der betrachteien Erscheinung von
EinfluB ist, mage dahingestellt bleiben; jedenfalls lassen die Versuche der
Herren Michelson und Morley wegen der unvermeidlichen Beobachtungsfehler einen ziemlich weiten Spielraum fur die Werte von d' und c.
6
H. A.
LORENTZ
Elektromagnetische Erscheinungen in einem System,
das sich mit beliebiger, die des Lichtes nicht erreich.ender Geschwindigkeit bewegt.
Von H. A.
LORENTZ."')
1. Wenn man durch theoretische Betraehtungen den EinfluB zu bestimmen
versucht, den eine Translation, wie sie z. B. aile Systeme Clurch die jfihrliche Erdbewegung e~fahren, auf elektrische und optische Erscheinungen
ausiiben kannte, so gelangt man in verhaltnismaBig einfacher Weise zum
Ziel, solange nul' solche GraBen betraehtet zu werden brauchen, die proportional del' ersten Potenz des Verhaltnisses del' Translationsgeschwindigkeit
w zur Lichtgeschwindigkeitc sind. Faile, in denen GraBen von zweiter
Ordnung, also von del' Ordnung :22, wahl'llehmbar sein kannten, hieten mehr
Schwierigkeiten. Das erste Beispiel diesel' A.rt ist Michelsons wohlhekannter Interferenzversuch, dessen negatives Ergebnis Fitzgerald und mich
zu dem Sehlusse fiihl'te, daB die Dimensionen fester Korper sieh infolge
ihrer Bewegung durch den lther ein wenig andel'll.
Einige weitere Versuche, in den en eine Wirkung zweiter Ordnung gesueht wurde, sind kUrzliclrveraffentlicht worden. Einmal haben Rayleigh **)
und Braee***) untersucht, ob die Erdbewegung ei11en Karpel' doppelhrechend
macht; man kannte dies zunachst erwarten r wenn man die eben erwahnte
Veranderullg del' Dirnensionen anl1immt. BeidePhysiker kommen jedoch
1'.
zu einem negativen Ergebnis.
Dann haben sieh Trouton und Noblet) bemiiht, .jin Drehmoment zu
entdecken, das auf einen geladenen Kondensator wirkt, clessen Platten einen
Winkel mit derTranslationsrichtung bilden. Die Elektronentheorie forded
unzweifelhaft die Existenz eines solchen Drehmoments, wenn man sie nicht
durch eine neue Hypothese verandert. Urn das' einzusehen, geniigt es, einen
*) Deutsche Ubersetzung d er in englischer Sprache ,~chienenen Abhandlung:
Electromagnetic phenomena in a syst~m moving with any velocity smaller than that
of light. (Proceedings Acad. Sc. Amsterdam 6 (1904) S.809.)
**) Rayleigh, Phil, Mag. (Il) 4 (1902) S. 678.
Brace, PhiL Mag. (6) 7 (1904) S. 317.
t) Trouton und Noble, Londou R. Soc. Tran8. A 202 (1903) S. 165.
EJektromagnet. Erscheinungeu in eiuem System mit beliebiger Geschwindigkeit
7
KOlldensator mit Ather als Dielektrikum zu betrachten. Es liiBt sich zeigen,
daB in jedem elekhostatischen mit einer Geschwindigkeit W *) bewegten
System eine gewisse "elektromagnetische BewegungsgroBe" besteht. Wenn
wir diese nach GraBe und Hichtung durch einell Vektor @ bezeichllell, so
bestimmt sich das erwiihllte Drehmoment durch das Vektorprodukt **)
[@. W].
(1)
V{ eun nun die .e -Achse senkrecht zu den Kondensatorplattp,n gewiihlt wird,
die Geschwindigkeit W eine beliebige RichtUllg hat, und wenn U die in ublicher Weise berechnete Energie des KOlldensators ist, dann sind die Komponenten von @, bis zur 1. Ordnung genau, durch die folgellden Formeln
gegeben***):
.
2U
@",=
7 W""
Setzen wir diese Werte in (1) ein, so el'halten wir fur die Komponenten
des Drehmoments bis zu GraBen zweiter Ordnung genau:
2U
-(j2W",W z ,
o.
I)'iese Ausdrucke zeigen, daB die Achse des Drehmoments in del' Ebene
del' Platten, senkrecht ZUl' Translation liegt. Wenn a del' Winkel zwischen
del' Geschwindigkeit und del' Normalen zu den Platten ist, so wird das DrebU ·
.
moment c2 w 2 sin 2 ai es sucht den Kondensatol' so zu drehen, daB die Platten
sich parallel zur Erdbewegung einstellen.
Beim Apparat von Trouton und Noble saB del' Kondensator am Balken einer TOl'sionswage von genugender Empfindlichkeit, urn durch ein
Drehmoment del' erwiihnten GroBenol'dnung abgelenkt zu werden. Es kOllnte
abel' nichts derartiges beobachtet werden.
2. Die besprochenen Versuche sind nieht del' einzige Grund, weshalb eine
neue Behandlung del' mit del' Bewegung del' Erde verbundenen Probleme
wUllschenswert ist. Poincaret) bat gegen die bisherige TheOl'ie del' optischen und elektrischell Erscheilluugen bewegtel' Korper eingewandt, daB
ZUl' ErkHirung des negativen Ergebuisses Michelsons eine neue Hypothese
eingefuhrt werden muBte, und daB dies jedesmaillotwendig werden konne,
*) Eiu 'Vektor wird durch eillen deutschell Buchstaben bezeichnet, seine Grii£\e
durch den entsprechenden lateinischen.
V gl. meinen Artikel: "Weiterbildung der Maxwellschen Theorie. Elektronentheorie" in der Mathematischen Encyklopadie 'V 14, §21 a. (Dieser Artikel wird zitiert
mit M. E.)
***) M. E. § 56 c.
t) Poincare, Happons du Congres de physique de 1900. Paris. 1 S. 22, 23.
R. A. LOREN'£z
8
wenn neue Tatsachen bekannt wurden. Sicherlich haftet diesem Aufstellen
von besonderen Hypothesen' fur jedes neue Versuchsergebnis etwas Kunstliches an. Befriedigender ware es, konnte man mit Hilfe gewisser grundlegender Annahmen zeigen, daB viele elektromagnetische Vorgange streng,
d. h. ohne irgendwelche Vernachlassigung von Gliedern hoherer Ordnung,
unabhangig von der Bewegungdes Systems sind. Vor einigen Jahren habe
ich schon versncht, eine derartige TheOl·ie*) aufzustellen. Jetzt glaube ich
den Gegenstand mit besserem Erfolg behandeln zu konnen. Die Geschwindigkeit wird nur der einen Beschrankung unterworf(;jn, daB sie kleiner als die
des Lichtes sei.
3. rch gehe aus von den Grundgleichungen der Elektronentheorie.**)
Sei 0 die dielektrische Verschiebung im Ather, ~ die magnetische Kraft, Q die
V olumendichtigkeit der Ladung eines Elektrons, IJ die Geschwindigkeit eines
Punktes eines solchen Teilchens und f die elektrische Kraft, d. h. die auf
die Einheitsladung gerechnete Kraft, die der Ather auf ein Volumenelement
eines Elektrons ausubt. Wenn wir ein festes Koordinatensystem benutzen,
so ist
divO=Q, div~=O,
rot ~
(2)
=
c1 (0. + QIJ),
rot 0 = - ~
c
f,
'1,
Ich nehme nun an, daB das System sich als ganzes in der Richtung der
x-Achse mit einer konstanten Geschwindigkeit tv bewegt, und bezeichne
mit U die Geschwindigkeit, die auBerdem ein Punkt eines Elektrons haben
moge; dann ist
Wenn gleichzeitig die Gleichungen (2) autAchsen bezogen werden, die sich
mit dem System bewegen, so wird:
divo=Q, div~=
S~
*) Lorentz, Zittingsverslag Akad. Wet. 7 (1899) S. 507; Amsterdam Proe. 1898-99
427.
*"') M. E. § 2.
Elektromagnet. Erscheinungen in einem System mit beliebiger Geschwindigkeit 9
olly
1 (a
0) h
az
= - 7 ot - W OX
oll",
oll.
rz0;; =-71 (0ot,-W ox0) 'k
olly _ oll",
~ (i. _ w J...) ~
ox oy
c ot
ox·,
ollz
Fii
-
"l:x'
"ly'
=
+ 71
_
f", =
b",
fy
=
by - 7 w~z + 7 (ltz~", -It,,,~z),
t=
b. + 7 W~y +7 (U",9 y --:- Uyljx)~
(It!l~Z - ltz~y),
1
1
1
1
4. vVir transformieren diese Pormeln durch Einfiihrung neuer Veranderlieher. Wir setzen
(3)
und verstehen unter 1 eine weitere ZahlengraBe, deren Wert spater angegeben werden soll. Als unabhangige Veranderlie'he nehme ieh
(4)
X' =
(5)
klx,y'
t
,
l
k
=
ly,
z'
w
--t -7cl-x
2
=
lz,
=
c
'
und definiere zwei neue Vektoren b' und lj' dureh die Formeln
b~ = :~ b:x,
~~ =
n; = :~ (by - : 1).), b; = ~~ (b. + ~; ~!I)'
:2 ~x, 9:; = :2 (9 + ~ b ~; = :2 (1), - ~ by).
y
z),
Dafiir kannen wir wegen (3) auch sehreiben:
(6)
by = kl 2 (b'11
+ ~lj')
c:'
2
b• = kl
k ') ,
" (b'• - !::!.
c '"ly
lj y = 7cl 2 ('k'
"ly - ~b')
c
z;' lj z
=
k l2' ('k'
'Jz
+ !::!. b') ,
c
y
Del' Koeffizient 1 soll eine Funktion von tU sein, die fiir w = 0 den
Wert 1 annimmt und fiir kleine VVerte von w sich nur urn GraBen von der
zweiten Ordnung von 1 unterscheidet.
Die Verandediehe t' heiBe "Ortszeit"; in del' Tat wird sie fiir 7c = 1,
l = 1 identisch mit dem, was ich friiher darunter verstand. Setzen wir
schlieBlieh:
(7)
(8)
r
H. A.
10
LORENTZ
und deuten die letzteren Gra.Ben als Komponenten eines neuen Vektors u',
so nehmen die Gleichungen die folgende Form an:
diV' b' = (1 -
I
Wc~~) Q', div'lj' = 0,
(ob'
")
1
ro t 'f..'
"J =c 8i'+QU ,
(9)
rot' b' = _ ~ o~'
cot' ,
l
Die Symbole div und rot' in (9) entsprechen div und rot in (2), nur mussen
die Differentiationen nach x, y, z durch die entsprechenden nach x', y', z' ersetzt werdell.*)
5. Die Gleichungen (9) fiihren zu dem Schlu.B, da.B die Vektoren b' und
lj' sich durch ein skalares Potential q/ und ein vektorielles Potential a' darstellen lassen.
Diese Potentiale geniigen den Gleichungen**)
(11)
(12)
A"
£..}.
a-
1 o2a'
'(;2 0 t' 2 = -
1, ,
c2 Q U .
*) Man wird bemerken, daB ich in dieser Abhandlung die Transformationsgleichungen der Einsteinschen Relativitatstheorie nicht ganz erreicht habe. Weder
die Gleichung (7) noch die Formeln (8) haben die von Eihstein angegebene Gestalt,
und infolgedessen ist es mir nicht gelungen'j!l>s Glied -
wc~i
in der ersten Glei-
chung (9) zum Verschwinden zu bringen und Yo die Formeln (9) genau auf die fur
ein ruhendes System geltende Gestalt zu bringen. Mit Jiiesem Umstande hangt daB
Unbeholfene mancher weiteren Betrachtllngen ~n dieser' Arbeit zu'Elammen.
Es ist das Verdienst Einsteins, das Relativitatsprinzip zuerst ala allgemeineB,
'
.
streng und genau geltendes Gesetz ausgesprochen zu haben.
rch fuge noch die Bemerkung hinzu, daB Voigt bereits im Jahre 1887 (Gottinger Nachrichten S. 41) in einer Arbeit "Uber daB Dopplersche Prinzip" auf Gleichungen von der Form
eine Transformation angewandt hat, welche der in den Gleichungen (4) und (5) meiner Arbeit enthaltenen aquivalent iat. (Allmerkung von H. A. LORENTZ, 1912.)
**) M. E. §§ 4 und 10.
Elektromagnet. Erscheinungen in einem System mit beliebiger Geschwindigkeit
Die Vektoren b' und
~'
(13)
\.,1
(14)
'"'1 =
1I
11
lassen sich folgendermaBen durch sie ausdriicken:
= -
cloa'
ot' -
1'0t'
gra d" cp
+c
W
gra d" ax,
a.,
02
Das Symbol A' ist eine Abkiirzulig fiir OX'2
0
0
+ oy'2
+ 01$'2
2
2
,
,
und grad cp be-
o' ~ , 0 '
zeichnet einen Vektor, dessen Komponenten ox
~ CP" ~CP"
,,~ sind; del' Ausdruck
uy uZ
grad'
hat eine entsprechende Bedeutung.
Um die Losungen von (11) und (12) in einfacher Form zu erhalten,
nehmen wir x', y', rl als Koordinaten eines Punktes P' in einem Raum S'
und ordnen dies em Punkte fiir jeden Wert t' die Werte Q', u', cp', a' ~u, die
zu dem entsprechenden Punkte P(x, y, z) des elektromagnetischen Systems
gehoren. Fiir einen bestimmten Wert t' dervierten unabhallgigen Veranderlichen sind die Potentiale cp' und a' in dem Punkt P des Systems ader in
dem entsprechenden Punkt p' im Ranme Sf durch die Gleichungen gegeben *):
is', ,
(lD~)
cp , = _~Jhl
4n
'1"
(
a;
a'
(16)
_1_
=
4onc~
j-'[Q'~'l dS'.
r
Hierin ist dS' ein Raumelement in S', r' seine Entfernung von pI, ,und die
Klammeru bezeichnen die GroBe r/ und den Vektar Q' u', so wie sie in dem
Element dS' fiir den Wert t' - , ~c del' vierten unabhangigen Veranderlichen
erscheinen.
Statt (15) und (16) konnen wir auch unter Berilcksichtigung von (4)
und (7) schreiben:
(17)
tn'
(18)
ell' =
=
-r
~-J~ [Q) as
40n
r
'
_l-Jl(J~'] dS.
<inc
'I'
Dabei sind die Integrationen iiber das elektromagnetische System selbst zu
erstrecken. Es ist wahl zu beachten, daB in diesen Gleichungen r' nicht die
Entfernung zwischen dem Element dS und dem Punkt (x, y, z) bedeutet,
fiir den die Berechnung ausgefiihl't werden soll. 1st das Element durch den
Punkt (Xl' Yl' (1) chal'akterisiert, so miissen wir setzen
*) M. E. §§ 5 und 10.
H, A.
12
LOREN'l'Z
Wenn wir cp' und a' fur den Zeitpunkt bestimmen wollen, fur den die
Ortszeit in P gleich i' ist, so muss en wir Q und QU' den Wert geben, den
sie im Element dS bei del' Ortszeit t' - ~
des Elementes besitzen.
c
6. Es genugt fur unseren Zweck zwei Sonderfalle zu betrachtel', zunachst
den eines elekhostatischen Systemes, d. h. eines Systemes, in dem die Translation von der Geschwindigkeit w die einzige Bewegung ist. In di3sem Falle
wird u' = 0, und folglich wegen (12) a' = O. Ferner ist cp' von t' unabhangig, sodaB sich die Gleichungen (11), (13) und (14) vereinfachen zu
6,' cp' = - Q',
{
(19)
b' = _ grad' cp', ~' = O.
Nachdem wir £lurch diese Gleichungenden Vektor b' best,immt hab'~n,
kennen wU' auch die elektrische Kraft, die auf Elektronen des Systems wirk"..
Wegen u' = 0 nehmen die Gleichungen (10) fur sie die Gestalt an
(20)
Das Ergebnis HiBt sich in einfache Form bringen, wenn wir £las bewegte
System Z, urn das es sich handelt, mit einem ruhenden System E' vergleichen. Dieses soll aus E dadurch hervorgehen, daB wir die Strecken
in del' Richtung del' x-Achse mit kl und die Strecken in del' Richtung del'
y- und z-Achse mit l multiplizieren. Wir wahlen fur diese Deformation
passend £las Symbol (kt, l, l). In diesem neuen System, das sich in dem
obenerwahnten Raume S' befinden moge, .geben wir del' Dichte den durch
(7) bestimmten Wert Q', sodaB die Ladungen entsprechender V olumenelemente und entsprechender Elektronen in E und E' gleich sind. Wir erhalten danll die auf die Elektronen des bewegten Systems Z wirkenden
Krafte, wenn wirzunachst die entsprechenden Krafte in E'bestimmen~und
dann ihre Komponenten inder x-Richtung mit P und die dazu senkrechten
Komponenten mit ~ multiplizieren. Wir driicken dies passend £lurch die
Gleichung aus
(21)
ij(Z) =
(l2,
~:, ~) ij(E').
Man bemerke auBerdem, daB mit Hilfe des au~ (19) berechneten Wedes
b' sich die elektromagnetische BewegungsgroBe im bewegten System, odeI'
vielmehr ihre Komponente in del' Bewegungsrichtung, leicht ausdrucken laBt.
In del' Tat zeigt die Gleichung
1ji
[b·~] d S ,
@= C
>
. daB
@ =
~f(b
h c
y"}z
•
bz')y
h ) dE"
r.:
Elektromagnet. Erscheinungen in einem System mit beliebiger Geschwindigkeit
13
Foiglich wegen (6), da £)' = 0:
(22)
@", =
P:;UJCby'2 + b,'2) dS =
k: wjCb
2
y '2
+ b/ 2) d S'.
7. Beim zweiten Sonderfall betrachten wir ein Teilchen mit einem elektrischenMoment, also eil1en kleinenRaum S mit del' Gesamtladung ..{QdS = 0,
abel' solcher Dichteverteilullg, daB die Integrale .fQxdS, !QYclS, !QzclS
von Null verschiedene Werte haben.
Es seien x, y, z die Koordinaten in bezug auf einen festen Punkt A
des Teilchens - er heiBe del' Mittelpunkt - , und das elektrische Moment
sei definiert als ein Vektor fl mit den Komponenten
(23)
Dann ist
Werden x,y, z als unendlich klein betrachtet, so werden l1atiirlich auch
ux' uy , U z unendlich klein. Wir vernachIassigen Quadrateund Produkte
diesel' sechs GroBen.
Wir benutzen nun. die Gleichung (17) zur Bestimmung des skalaren
Potentiales q;' fiir einen auBeren Punkt P (x, y, z) in: endticher Entfernung
von dem polarisierten Teilchen, fiir den Augenblick, in dem die Ortszeit dieses Punktes einen bestimmten Wert t' hat. Dabei geben wir dem Symbol
[Q], das sich in (17) auf den Zeitpunkt bezieht, fiir den die Ortszeit in dS
gleich It' _ r' ist, eine etwas andere Bedeutung. Wir bezeichnen mit r o' den
c
Wert von 1" fiir den Mittelpunkt A und verstehen dann unter [Q] den Wert
der Dichte am Punk~e (x, y, z) zu derjenigen Zeit to, bei del' die Ortszeit
von .A gleich t' - ~ ist.
c
Man erkennt aus (5), daB diesel' Zeitpunkt frii.her ist als derjenige, auf
den sich del' Zahler in (17) bezieht, und zwar um
2
tv
k r o' - r'
l!
w
lc c2X +T-c-=lc (;2 x
01"
o~')
+ Tk c1 (or'
x a;; + y Oy'+ Z'Ffi
Zeiteinheiten. In diesem letzten Ausdruck konnen wir fiir die Dilferentialquotienten ihre Werte im Punkte A einsetzen.
In (17) haben wir nun [Q] durch
(25)[(>] + lc
2
:~ x [~~J + ~ ~ (x ~: + y ~~ + Z ~:') [~~J
zu ersetzen, dabei hezieht sich [~iJ wieder auf die Zeit to' Wenn nun del'
Wert t', fiir den die Berechnungen ausgefiihrt werden sollen,gewahlt ist,
Math.ll.fonogr. 2: Einstem, Lorentz, Minkowski: Relativit1Ltsprinzip.
2
H. A.
14
LOREN,TZ
wird diese Zeit to eine Funktion der Koordinaten x, y, PJ des Aufpunktes P
sein. Der Wert [QJ hangt infolgedessen von diesen Koordinaten ab, und
man sieht leicht, daB
o[QJ
oX
k 1 or' [OQJ
= - Tc
OX
Ft, usw.
Deshalb wird (25) gleich
[Q]
+ k2 Woo
[OQJ _
c
ot,
2
(xo[Q]
ox
+ yO[~
+zo[~).
oy
OZ
Ferner muB, wenD. wir weiterhin mit r' die oben ro' genannte GroBe bedurch
zeichnen, der Faktor -.;.
r
x~
(~) - y~
(!.) - z~
(!.)
ox r
oy r
az r
!. -
, r
ersetzt werden, sodaB schlieBlich inl Integral (17) das Element dS mit
[Q]
r'
+k2 W
~ [OQJ _ ~ xC!?] _ ~ Y[Q] _ ~ z[Q]
ot
ox f'
ay r'
az r'
c 2 r'
lllultipliziert wird.,
Das ist einfacher als die urspriingliche Form, weil wede~ r' noch die
Zeit, fliI welche die eingeklammerten GraBen genommen werden mussen,
von x, y, z abhangen. Benutzen wir (23) und bedenken, daB J(JdS
erhalten wir
, = k2_w_ [a,p"'J _ ~ {~[.p",]
~ [py]
~ [,pz]}.
rp
4:1tc 2 r' ot
4:1t ax 1"
,oy 1"
az r'
+
=
0, so
+
In diesel' Gleichung sind aile eingeklam)llerten GraBen fUr denjenigen Augenblick zu nehmen, fiir den die Ortszeit des Mittelpunktes des Teilchens gleich
;J
1.'. t
I' - - IS.
c
Wir schlieBen diese Erwagungen mit del' EinfUhrung eines neuen Vektora ~', dessen Komponenten
fJ:
(26)
=
klfJ""
~u'
=
lfJ y ,
lfJz
~
sind. Gleichzeitig gehen wir zu x', y', i, t' ala unabhangiken Veranderlichen
uber. Das SchluBergebnis ist
, _ _ w_ a[,p;! _ ~ {~ [,p~]
rp -
4 :1tC 21"
at'
4:1t
ax' r'
+ ~ [.p~] + ~ [,pa}.
a y' r'
az' r'
Die Transformation del' Gleichung (18) fiir das Vektorpotential iet weniger schwierig, weil es den unendlich kleinen Ve~br u' enthalt. Unter
Berucksichtigung von (8), (24), (26) und (5) findet man
,
1
a[,p']
a = 4:1tcr' at' •
Elektromagnet. Erscheinungen in einem System mit beliebiger Geschwindigkeit
15
Das von dem polarisierten Teilchen hervorgerufene Feld ist nun vollig
bestimmt. Die Gleichung (13) fuhrt auf
( 27)
j)' -
-
__1_·
~ [~'J
4~c! ot'! r'
+ 4n:
~ . d'
gla
{~[1>,;]
ox' r'
+~
[1>;] + ~ [1>~]}
oy' r'
oz' r' ,
und der Vektor {j' ist durch (14) gegeben. 'Vir konnen ferner die Gleichungen
(20) statt der ursprunglichen Gleichungen (10) anwenden, wenn wir die
Krafle betrachten woll~n, die von dem polarisierten Teilchen auf ein ahnliches, in einiger Entfernung gelegenes ausgeiibt werden. In der Tat konnen
beim zweiten Teilchen, wie beim ersten,. die Geschwindigkeiten u als unendlich klein geIten.
]\Iran bemerke, daB die Gleichungen fur ein ruhendes System in den gegebenen Formeln enthalten sind. Fur ein solches System werden die GroBen
mit Akzenten identisch mit den entsprechenden ohue Akzente; auBerdem
werden k und l gleich 1. Die Komponenten von (27) sind gleichzeitig die der
elektrischen Kraft, die das eine polarisierte Teilchen auf ein anderes ausubt.
8. Bis dahin haben wir nur die Fundamentalgleichungen ohue neue Annahmen benutzt. rch nehmejetzt an, daf3 die Elektronen, die ieh im Ruhez~lstand als Kugeln vom Radius R wnsehe ,. ihre Dimensionen UPller item Einfluf3 einer Translation andern, und zwm" sollen die Dimensionen in der Bewegungsrichttmg kl malund (lie in den dazn senkrechten Richtztngen 1ma.l
kleinm" werden.
Bei diesel' Deformation, die durch
~) bezeichnet werden moge,
soll jedes Y olumenelement seine Ladung behaIten.
Unsere Annahme Iauft darauf hinaus, daB in einem elektrostatischen
System 2J, das sich mit eil'ler Geschwindigkeit to bewegt, alle Elekt.ronen
sich zu Ellipsoiden abflachen, deren kleine Achsen in del' Bewegllngsrichtung liegen. Wenn wir nun, um den Satz des § 6 anwellden zu konnen,
das System der Deformat.ion (7;;l, l, 1) unterwerfen, habell wir wieder Kugelelektronen vom Radius R. Wenn wir ferner die relat.ive Lage der Elektronenmittelpunkte in 2J durch die Deformation (kl, l, l) anclern uncl in die
so erooltenen Punkte die Mittelpunkte ruhender kugelformiger Elektrone.n
legen, so erhalten wir ein System, das mit dem in § 6 besprochenen erdacMen System 2J' identisch 1st. Die Krafte in diesem System und die in
E stehen in der Beziehung zueinander, die durch (21) vermittelt wird.
Zweitens nehme ieh an, daf3 die Krafte zwischen ungeladenen Teilchen,
ebenso wie die K1"afte zwischen ungeladenen Teilchen und Elekbronen, durck
eine Tmnslation in genau dersilben Weise >wie die ele7ctriscli.en Kriifte in einem
elekt1"ostatischen System beeinfluf3t werden.
Mit anderen Worten: Wie auch die Natur del" Teilchen eines ponderabelen Korpers sei, Immel" sollen - yorausgesetzt, daB sieh die Teilchen nicht
(:l'
•
+,
2*
16
H. A.
LORENTZ
gegeneinander bewegen - die in einem ruhenden System Z;' und einem bewegten Z; wirkenden Krafte durch die Beziehung (21) miteinander verbunden sein, wenn, hinsichtlich der gegenseitigen Lage der Teilchen, Z;' aus Z;
durch die Deformation (kl, l, 1) und also Z; aus Z;' durch die Deformation
(;1' ~ , ~)
erhalten wird.
Daher mua, wenn f[ir ein Teilchen in .1:' die resultierende Kraft verschwindet; das gleiche auch fur das entsprechen,de Teilchen in ;E der Fall
sein. Wir vernachHissigen die Wirkungen der Molekularbewegung und nehmen an, daB sich an jedem Teilchen eines festen Korpers die Anziehungeu
und AbstoBungen, die von der Umgebung auf das Teilchen ausgelibt werden,
im Gleichgewicht befinden. Machen wir auBerdem noch die Annahme, daB
nur eine Gleichgewichtskonfiguration moglich ist, so konnen wir schlieBen,
daB das System Z;' von selbst in das System Z; libergeht, wenn man ihm die
Geschwindigkeit w erteilt. Mit anderen Wort en, die Translation bewirkt die
(k\' -h -}).
Deformation
Der }i'all der Molekularbewegung wird in § 12 betrachtet.
Man sieht leicht, daB die fruher in Verbindung mit Michelsons Versuch
gemachte Hypothese in der jetzt· ausgesprochenen enthalten ist. J edoch ist
die gegenwartige Hypothese allgemeiner, weil die einzige Beschrankung
del' Bewegung die ist, daB ihre Geschwindigkeit kleiner als die des Lichtes
sein soil.
9. Wir sind jetzt in del' Lage, die elektromagnetische BewegungsgroBe
eines einzigen Elektrons zu berechnen. Der Einfachheit halber nehme ich die
Ladung e als gleichmaBig libel' die Oberflache verteilt an, salange das Elektron in Ruhe ist. Dann besteht eine Verteilung derselhen A.rt im System
Z;', mit dem wir es in demletzten Integral von (22) zu tun haben. Folglich wird
'"
b'2+ b '2)dS'=! fb'2dS'= e~ r~r =~
}C
und
Y'
3J
l
6jJ
r2
6TCR
".
Man muB beachten, daB das Produkt tcl eine Funktion von wist und daB
aus Symmetriegriinden del' Veldol' ® die Translationsl'ichtung hat. Bezeichllell WIT mit \1J die Geschwindigkeit diesel' Bewegung, so haben wir all. gemein die Vektorgleichung
(28)
Nun zieht jede Veranderungill der Bewegung eines Systems eine entsprechende .Al,lderung in del' elektromagnetischen BewegungsgroBe nach
Elektromagnet. Erscheinungen in einem System mit beliebiger Geschwindigkeit
17
sich und erfordert deshalb eine gewisse Kraft, die der GraLle und Richtung
nach durch
(29)
gegeben ist.
Die Gleichung (28) laBt sich streng nur auf den Fall einer gleichfar··
migen geradlinigen Translation anwenden.Wegen dieses U mstandes wird
die 'fheorie rasch wechselnder Bewegungen eines Elektrons sehr sch wierig
- obgleich (29), immer gilt -, und zwar um so mehr, als die Hypothese
in § 8 die Forderung einschlieBt, daLl GraBe und Richtung del' Deformation
sich fortwahrend .andern. Es ist sogar bum wahrscheinlich, daB die Form
des Elektrons sich allein aus del' Geschwindigkeit im betrachteten Augenblick bestimmt.
Trotzdem erhalten wir bei Annahme hinreichendlangsamer Geschwindigkeitsanderung eine genugende Naherung, indem wir (28) fur jeden Augenblick benutzell. Die Anwendung von (29) auf eine solche q~,asi-stati01~iire
Translation, wie sie Abraham *) genannt hat, ist sehr einfach. Sei il ill
einem bestimmten Augenblick die BeschleUlligung in del' Bahnrichtung und
i2 die dazu senkrechte Beschleunigung. Dann besteht die K~aft g: aus zwei
Komponenten, welche die Richtung diesel' Beschleunigungen haben und durch
gegeben sind, wenn
(30)
g:l = m1il
e2 d (7cZw)
m l =67tc 2 R---a:w-
und
g:2 =
1n2i2
e2
und m2=67tc2Rkl.
Foiglich verhalt sich das Elektron bei Vorg1ingen, bei welchen eine
Beschleunigung in del' Bewegungsrichtung auftritt, als ob es die Masse 'lnl
hatte, bei Beschleunigung in einer zur Bewegung senkrechten Richtung, als
ob es die Masse m 2 besaLle. Diese GraBen ml und '1n2 werden deshalb passend die "longitudinale" und "transversale" elektromagnetische Masse genannt. 1ch nehme an, daf3 auf3erdem keine "wir7cliche" oder "materielle" JJIasse
besteld.
w2
Da k und l sich von der Einheit um GraLl en del' Ordnung 2" unterc.
scheiden, finden wir fur kleine Geschwindigkeiten
e2
1nl
= m 2 = 67tc'R'
Das ist die Masse, mit del' man zu rechnen hat, wenn in einem System ohne
Translation die Elektronen kleine Sch wingungen ausfuhren. 'VVenn dagegen
ein Karpel', del' sich mit del' Geschwindigkeit w in del' x-Richtung fortbewegt, Sitz derartiger Elektl'onenschwingungen ist, mussen wil' mit del' dnrch
*) Abraham Ann. Phys. 10 (1903) S. 105.
18
H. A.
LORENTZ
(30) gegebenen Masse 'ml rechnen, sobald wir die Schwingungen parallel
zur x-.Achse betrachten; dagegen kommt fur Schwingnngen parallel zu OY
odeI' 0 Z die Masse 'm 2 in Betracht.
Also kurz
(31)
'm(2) = (d~2~W), kl,
m(2'),
kl)
wenn das Zeichen 2 das bewegte, das Zeichen 2' das ruhende System anzeigt.
10. Wir konnen jetzt dazu ubergehen, den EinfluB del' Erdbewegung auf
optische Erscheinungen in einem System durchsichtiger Korper zu untersuchen. Hierbei richten wir unsere .Aufmerksamkeit auf die ve:dinderlichen
elektrischen Momente in den Teilchen odeI' "Atomen" de~ Systems. Wir
konnen auf diese Momente das in § 7 Gesagte anwenden. Del' Einfachheit
halber nehmen WIT an, daB in jedem Teilchen die Ladung in einer gewissen
.Anzahl getrenuter Elektronen konzentriert ist. Ferner sollen die "elastischen"
KriiJte, die an !:iinem diesel' Elektronen angreifen und zusammeh mit den
elektrischen Kraften seine Bewegung bestimmen, ihren Ausgangspunkt innerhalb del' Begrenzung desselben .Atomes haben.
1ch werde zeigen, daB man jedem in einem ruhenden System moglichen
Bewegungszustand einen entsprechenden, gleichfalls moglichen Bewegungszustand in dem mit Translation begabten Systemzuordnen kann, wobei die
Art del' ZuordilUng sich in folgender Weise charakterisieren laBt.
a) Seien Al" A 2', As', usw. die Mittelpunkte del' Teilchen im System
2' ohne Translation. Wir vernachIassigen Molekularbewegungen und nehmen diese Punkte als ruhend an. Das' Punktsystem A l , As, As, usw., das
von den Mittelpunkten del' Teilchen im bewegten System 2 gebildet wil'd,
erhalt man aus A/, Al /, As', usw. mit Hilfe einer Deformation
~, ~).
Entsprechend dem in § 8 Gesagten nehmen die Mittelpunkte von selbst diese
LagenA!', A 2', As', HSW. ein, wenn sie ursprunglich, VOl' del' Translation, die
.
Lagen ~, A 2 , As, usw. hatten.
Wir konnen uns vorstellen, daB jeder Punkt.Jtim Raume des Systems
2' durch die erwahnte Deformation in einen bestimmten l'unkt P von 2
ubergefiihrt wil'd. Fiir zwei entsprechende PunkteP' undPd~finieren wir entsprechende Zeitpunkte; del' erste soll zu P', del' zweite zu P gehoren. Wir
setzen namlich fest, daB die wahre Zeit im ersten Zeitpunkt gleich del' aus (5)
fur den Punkt P hestimmten Ortszeit im zweiten Zeitpunkt sein soll. Unter
entsprechenden Zeiten fur zwei entsprechende Teilchen verstehen wir sich
entsprechende Zeiten fur die lVlittelpunkte A' und A die~ Teilchen.
b) Was den inneren Zustand del' Atome betrifft, so nehmen wir an, daB
die Konfiguration eines Teilchens A in 2 zu einer gewissen Zeit mit Hilfe del'
Deformation
~, ~) aus del' Konfiguration des entsprechenden Teilchens
(;z'
(k\'
Elektromagnet. Erscheinungen in einem System mit beliebiger Geschwindigkeit
19
in JfJ' fiir den entsprechenden Zeitpunkt erhalten werde. Soweit diese Annahme sieh auf die Form del' Elektronen selbst bezieht, ist sie in del' ersten
Hypothese von § 8 enthalten.
Wenn wir von einem tatsachlich bestehenden Zustand im System L
ausgehen, haben wir offenbar dmeh die Festsetzungen a) und b) einen Zustand des bewegten Systems 2 vollstandig bestimmt. Doch bleibt die
Frage offen, ob diesel' Zustand aueh ein maglieher ist.
Um das zu entscheiden, bemerken wir zunaehst, daB die elektrischen
Momente, die nach unserer Annahme im bewegten System auftreten und
die wir mit p bezeichnen wollen, bestimmte Funktionen del' Koordinaten
x, ,!!, z del' Mittelpunkte A. del' Teilehen (odeI' , wie wir sagen wollen, del'
Koordinaten del' Teilchen) und del' Zeit t sind. Die Gleiehungen, welche die
Beziehungen zwischen f1 einerseits und x, ,!!, z, t andererseits ausdriicken,
kannen dmch andere Gleichungen ersetzt werden, die den aus (26) bestimmten Vektor f1' und die dmch (4) und (5) definieden GraBen x', yf, Zf, t'
enthalten.
Wenn nun in einem Teilehen A. des bewegten Systems, dessen Koordinaten x, '!I, z sind, zm Zeit t odeI' zur Ortszeit t' ein elektrisehes Moment f1
besteht, 80 wird nach den Annahmen a) und b) in dem anderen System in
einem Teilchen mit den Koordinaten Xf, yf, z' und zm wahren Zeit t' ein Moment bestehen, das gerade durch den dmeh (26) bestimmten Vektor.lJ' vorgestellt wird. Man sieht in diesel' Weise, daB die Gleichungen zwischen
:p', x', y', z', t' fiir beide Systeme dieselben sind, mit dem einzigen Unterschied, daB fur das System JfJ' ohne Translation diese Zeichen das Mom@t,
die Koordinaten und die wahre Zeit bedeuten, wahtend sie fiir das bewegte
System eine andere Bedeutung haben. Denn hier sind :p', x', y', z', t' mit
dem Moment :p, den Koordinaten x, '!I, z und del' allgemeinen Zeit t durch
die Beziehungen (26), (4) und (5) verbunden.
Es ist bereits gesagt, daB Gleichung (27) auf beide Systeme .Anwendung
findet. Del' Vektor b' ist folglich in .lJ' und JfJ del' gleiehe unter del' V oraussetzung, daB wir immer entspreehende Stellen und Zeiten vergleichen. Doch
hat del' Vektor nicht in beiden Fallen dieselbe Bedeutung. In JfJ' stellt er
die elektrisehe Kraft dar, in JfJ hangt er mit diesel' Kraft dureh (20) zusammen. Wir kannen deshalb schlieBen, daB die in JfJ und JfJ' auf entsprechende Teilchen zu entsprechenden Zeiten wirkenden elektrischen Krafte
miteinander dmch (21) verknupft. sind. Zi.ehen wir unsere Annahme b) in
Verbindung mit del' zweiten Hypothese von § 8 heran, so gilt die gleiehe
Beziehung zwischen den "elastischen" Kraften. Die Gleiehung (21) kann
folglieh auch als Ausdruck del' Beziehung zwischen den an entsprechenden
Elektronen zuentspl'echenden Zeiten wirkenden Gesarhtkraften angesehen
werden.
20
H. A.
LOltE!!TZ
Offenbar ist nun del' im bewegten System vorausgesetzte Zustand dann
wirklich moglich, wenn in LJ und LJ' die Produkte del' Masse m und der Beschleunigung eines Elektrons zueinander in derselben Beziehung stehen, wie
die Krafte, d. h. wenn
(32)
m J LJ =
' k ' k m J LJ ).
.() (l2 P P) .( ,-
Nun gilt fiir die Beschleunigungen
J. (LJ)
(33)
( kS'
1 kO
1 Pl)..,)
J(LJ ,
=
was sich aus (4) und (5) ableiten IaEt. Verbinden wir dieses Ergebnis mit
(32), so erhalten wir fiir die Massen
m(LJ) = (h 3 l, lel, kl)m(LJ').
Ein Vergleich mit (31) zeigt, daB fiir belie bige Werte von l diese Bedingung
immel' befriedigt ist hinsichtlich del' Massen, mit welchen wir bei den zu
del' Translationsl'ichtung senkrechten Schwingungen zu rechnen 'haben. Wir
haben also l nul' del' einzigen Bedingung zu unterwerfen:
d(klw) =
dw
le 3 l.
Wegen (3) ist abel'
sodaS
!!i
=
dto
0
'
l = konst.
Del' Wen del' K on~tanten muB 1 sein, weil wir schon wissen, daB fiir·w = 0
l = 1 wird.
Wir werden also zu del' Annahme gefiihrt, da(3 der Einflu(3 einer Translation auf Gro(3e ~md Gestalt (eines einzelnen Elektrons und eines ponderablen
Korpers als Ganzen) m£f die Dimensionen in der Bewegungsrichtung beschranlet
bleibt, Ulnd zwar we1'den diese k-mal kleiner als im Ruhezustand. N ehmen wir
diese Hypothese zu dl311 bereits gemachten hinzll.,~o sind wir sicher, daB
zwei Zustande moglich sind, der eine im bewegten System, del' andere im
gleichen ruhenden System, die sich in der friiher gekenpi~ichneten Weise
entsprechen. Ubrigens ist dieses Entsprechen nicht auf die elektrischen
Momente del' Teilchen beschrankt. In entsprechenden Punkten, die entweder
im Ather zwischen den Teilchen odeI' in dem die ponderablen Korper umgebenden Ather liegen, finden wir fiir entsprechende Zeiten denselben VektOl' b'
und, wie man leicht zeigt, denselben Vektor 1)'. Zusamliililnfassend konnen
wil' sagen: Wenn in dem System ohne Translation ein Bewegungszustand
auftritt, fiir den an einem bestimmten Orte die Komponenten von fJ, b und 1)
gewisse Funktionen der Zeit sind, dann kann im gleichen System, nachdem
Elektromagnet. Erscheinungen in einem System mit beliebiger Geschwindigkeit
21
es in Bewegung gesetzt (und folglich deformiert) ist, ein Bewegungszustand
auftreten, bei dem an dem entspreehenden Orte die Komponenten von p', D'
und lj' dieselben Funktionen del' Ortszeit sind.
Nm ein Punkt fordert noeh genauere Erwagung. Dadie Werte del'
Massen 1nl und?n 2 aus del' Theorie del' quasi-stationaren Bewegung abgeleitet
sind, so erhebt sieh die Frage, ob wir mit ihnen bei den sehnellen Sehwingungen des Lichtes reehnen diirfen. Nun findet man bei genauerer Betraehtung, daB die Bewegung eines Elektrons als quasi-stational' behandelt werden
kann, wenn sie sieh nm um wenig andert wahrendder Zeit, in del' sieh eine
Liehtwelle um eine Stracke von del' Lange des Durehmessers fortbewegt.
Das trifft bei optisehen Erseheinungen zu, weil del' Durehmesser im Vergleieh zm Wellenll1nge auBerordantlieh klein ist.
11. Man sieht leicht, daB die vorgetragene Theorie eine groBe Zahl
von Tatsaehen erkHi1't. '
Betraehten wi1' zunaehst ein System ohne Translation, fiir das in einigen
Teilen stan dig p = 0, b = 0, 9 = ist. Dann haben wir im entspreehenden
Zustand des bewegten Systems in entspreehenden Teilen (oder, wie wir sagen
konnen, in den gleichen Teilen des deformieden Systems) p'=O, 0'=0, lj'=O.
Da diese Gleichungen p = 0, 0 = 0, 1) = 0 naeh sieh ziehen, wie man aus
(26) und (6) erkennt, bleiben offenba1' alie Teile, die dunkel waren, als das
System ruhte, aueh dunkel, l1achdem es bewegt wmde. Es ist deshalb unmoglich, einen EinfluB del' Erdbewegung auf irgend welehe optischen, mit
einer ter1'est1'ischen Lichtquelle gemachten Versuche zu entdecken, bei
welchen es sich urn die Beobachtung del' geomet1'ischen Verteilung von
Licht und Dunkelheit handelt. Viele Inte1'ferenz- und Beugungsversuehe gehoren hie1'her.
Wenn zweitens in zwei Punkten eines Systems Lichtstrahlen von gleichem
Polarisationszustande sich in del' gleichel1 Richtung fortpflanzen, so ll1Bt sich
zeigen, daB das Verhiiltnis zwischen den Amplituden in diesen Punkten durch
eine Translation nieht geandert wird. Diese Bemerkung findet auf solche
Versuche Anwendung, bei denen die Intensitaten in benaehbarten Teilen des
Gesichtsfeldes verglichen werden.
Die eben gemachten Schlusse bestatigen friihere Ergebnisse, die abel'
durch Uberlegungen erhalten waren, bei denen GroBen zweiter Ordnung vernachHissigt wurden. Sie enthalten auch eine El'kIarung von Michelsons nega
tivem Ergebnis, und zwar allgemeiner als die friiher gegebene und del' Form
naeh etwas von ihr versehieden. Sie zeigen ferner, warum Rayleigh und
Brace keine Anzeichen einer durch die Erdbewegung hervorgerufenen Doppelbtechung beobachten konnten.
Das negative Resultat. del' Versuehe von Trouton und Noble wird sofort klar, wenn wir die Hypothesen des § 8 heranziehen. Aus ihnenund
°
22
H. ii·.
LORENTZ
aus/unserer letztell Annahme (§ 10) laBt sich schlieBen, daB die Translation
nic.hts anderes bewirkt als eine Kontraktion des ganzen Systems del' Elektronen und del' anderen Teilchen, aus denen sich del' geladene Kondensator,
del' Balken und del' Faden del' Drehwage zusammensetzen. Eine solche Kontraktion gibt abel' keinen AniaB zu einer merkharen Richtungsanderung.
Es braucht kaum bemerkt zu werden, daB ich diese Theorie mit allem
Vorbehalt gebe. Obgleich sie nach meiner Meinung allen gut verbiirgten
Tatsachen gerecht wird, fiihrt sie zu einigen Folgerungen, die sich noch
nicht durch den Versuch stiitzen lassen. Z. B. folgt aus del' Theorie, daB
das Ergebnis des Michelson-Yersuches negativ bleiben muS, wenn man die
interferierendenLichtstrahlen durch einen ponderablen durchsichtigen Korper
hindul'ehgehen laBt.
Von vornherein kann man von unsel'er Hypothese iiber die Kontraktion
del' Elektronen wedel' sagen, daB sie plausibel noeh daB sie unzulassig ist.
Was wir iiber die N atur del' Elektronen wissen, ist sehr wenig, und das
einzige Mittel, um vorwarts zu kommen, besteht darin, solche Hypothesen
zu priifen, wie ich sie hier gemacht habe. Natiirlich ergeben sich Schwierigkeiten, Z. B. sobald wir die Rotation del' Elektronen betrachten. Vielleicht
werden wir annehmen miissen, daB bei Erscheinungen, bei denen im ruhenden
System kugelformige Elektronen urn einen Durchmesser rotieren, die einzelnen
Punkte del' Elektronen im bewegten System elliptische Bahnen beschreiben,
die in del' § 10 angegebenen Weise den Kreisbahnen des Ruhefalles entsprechen.
12. Wir miissen noch einige W orte iiber die Molekularbewegung sagen.
Wir konnen uns denken, daB auch Karpel', bei denen sie einen merklichen
odeI' gar iiberwiegenden EinfluS hat, denselben Deformationen unterworfen .
sind, wie die Systeme mit konstanter relativer Lage det Teilchen, von denen
wir bisher gesprochen haben. In del' Tat konnen wir uns in zwei Molekularsystem en 21' und 21, von danen nul' das zweite ein~ Translation hat, einander
~eral:t ~ntsprec~ende Molekular~ewegun~en denke~daB, w~nn e~n Teil~hen
m 2J eme bestlmmte Lage zu emer bestlmmten Zeit hat, em Teilchen m 21
zur. elltsprechenden Zeit die entsprechellde Lage annimmt.J'Stellen wir uns
dies VOl', so konnen wir die Beziehung (33) zwischen den Beschlemrigungen
in allen den Fallen benutzen, fiir welche die Geschwindigkeit ,del' Molekularbewegung sehr klein im Verhaltnis zu wist. In diesen Fallen konnel1 die
Molekularkriifte durch die relative Lage als bestimmt gelten, ullabhal1gig
von den Geschwindigkeiten (leI' Molekularbewegung. Wenn, wir uns endlich
diBse Krafte auf so kleine Entfernungen beschral1kt dEli'ken, daB fiir aufeinander wirkende Teilchen die Differenz del' Ortszeiten vernachl1issigt werden
kann, so bildet ein Teilchen zusammen mit denen, die in seillem AnziehullgsodeI' AbstoBungsbereich liegen, ein System, das die oft erwahute Deformation
Elektromagnet. Erscheinullgen in einem System mit beliebiger Geschwindigkeit
23
erleidet. Wegen del' zweiten Hypothese des § 8 konnen wir deshalb Gleiehung (21) auf die an dem Teilchen angreifende resuItierende Molekularkraft anwenden. Foiglich wird die riehtige Beziehung zwischen den Kraften
und den Beschleunigungen in beiden Fallen bestehen, we:q.n wir annehmen,
daf3 die Massen aZZer Teilchen dtwch eine Tmnslation in r;te1i~selben Grade beeinflll.f3t werden wie die elekt1'ornagnetischen Massen der Elektronen.
13. Die Werte (30), die ich fur die longitudinale und transversale Masse
eines Elektrons als Funktionen del' Geschwindigkeit gefunden habe; stimmen
nicht mit den !ruher von Abraham erhaltenen
uberein. Der Grund
ist allein
..
.
darin zu suchen, daB in Abrahams TheOl'ie die Elektronen als Kugell1 von
unveranderliehen Dimensionen behandelt werden. Nun sin:d Abrahams Ergebnisse, was die transversale Masse angeht, in bemerkenswerter Weise dureh
Kaufmanns Messungen del' Ablenkung von Radiumstrahlen im elektrischen
und magnetischen Felde bestatigt worden. Wel1n ich nicht einen sehr ernsten
Einwand gegen meine Theone bestehen lassen will, muB ich zeigell kunnen,
daB diese Messungen mit meinen Werten nicht weniger gut als mit den
Abrahamschen ubereinstimmen.
Ieh bespreche zunachst zwei MeBreihen, die Kaufmunn*) im Jahre 1902
verofl'entlicht hat. Alis jeder Reihe hat er zwei GraBen 7J und S, die "reduzierten" elektrischen und magnetischen Abweichungen abgeleitet, die mit
dem Vei"haltnis (3 = u: wie folgt zusammenhlingen:
c
( 34)
R =
P
kl -.t¢
((l) = k,&~.
1) ,
Die Funktion w((3) hat einen solchen Wert, daB die transversale Masse gleich
(;35)
m2 =
3
e'
,
--- . --'--R '1/'( R)
4 6:n:c.P
wird; kl und k2 sind fur jede Reihe Konstante.
Aus del' zweiten Gleichung (30) geht henor, daBmeine Theorie auch
zu einer Gleichung del' Form (35) fiihrt; es muB nur Abrahams Funk.
tion 'l/.'({3) durch
±k
= ±(1-{32)-i
3
3 .
ersetzt werden.
Meine Theorie verlangt also, daB nach Einsetzung dieses vVertes fUr
1jJ({3) in (34) diese Gleichungen noch geIten. NatUrlich dUrfen wir, um eine
gute Ubereinstimmung zu erhaIten, ki und k2 andere Werte erteilen als Kaufmann; ferner durfen wir fur jede Messung einen geeigneten Wert der Geschwindigkeit w oder des VerhaItnisses {3 annehmen. Schreiben wir fur die
n:euen "Verte skl1 ~k2' und (3'] 80 kannen wir(34) in der Form ansetzen
*) Kaufmann, Phys. Zeitschr.4 (1902) S.55.
H. A.
24
LORENTZ
(36)
und
(37)
Um seine Gleichungen zu prufen, wiihlte Kaufmann einen solehen Wert
fur kl' daB, wenn e1' damit f3 und k2 aus (34) berechnete, die fur die letztere
Zahl gefundenen Werte in jeder Reihe moglichst genau konstant blieben.
Diese Konstanz war der Beweis fur genugende Ubereinstimmung.
Ieh habe ein ahnliches Verfahren angewandt, wobei ieh mich einiger
del' von Kaufmann bereehneten Zahlen bedienen konnte. Ieh habe fur
jede Messung den Wert des Ausdrucks
(38)
bereehnet, den man erhalt, wenn man (37) mit der zweiten GleichuIfg (34)
kombiniert. Die Werte fur 1fJ(p) und k2 sind den Kaufmannsehen Tabellen
entnommen, und fur tJ' habe ich den von ihm gefundenen Wert f3 mit s
multipliq;iert genommen. Den Koeffizienten s wiihlte ieh dabei in der Weise,
daB fur die GroBe (38) eine gute Konstanz erzielt wurde. Die Ergebnisse
finden sieh in den folgenden Tabellen, die den Tabellen III und IV in Kauf~
manns Arbeit entspreehen.
III. s = 0,933.
p
I
I
II
I
0,851
0,766
0,727
0,6615
0,6075
'lJl(P)
I
2,147
1,86
1,78
1,66
1,595
k2
I
I
1,721
1,736
1,725
1,727
1,655
P'
~
0,794
0,715
0,678
0,617
0,567
k/
2,246
2,258
2,256
2,256
2,175
1:.
I
J
IV. s = 0,954.
P
0,963
0,949
0,933
0,883
0,860
0,830
0,801
0,777
0,752
0,732
I
I
'I/>-(P)
3,23
2,86
2,73
2,31
2,195
2,06
1,96
1,89
1,83
1,785
I
I
I
I
I
k2
8,12
7,99
7,46
8,32
8,09
8,13
8,13
8,04
8,02
7,97
I
I
P'
0,919
0,905
0,890
0,842
0,820
0,792
0,764
0,741
0,717
0,698
I
k'
2
10,36
9,70
9,28
10,36
10,15
10,23
10,28
10,20
10,22
10,18
I
i
II:
I
I
,
I
Elektromagnet. Erscheinungen in einem System mit beliebiger Geschwindigkeit
25
Wie man sieht, ist die Konstanz von k2' nicht weniger befriedigend als die
von k2' umsomehr als in jedem Fall s nul' aUB zwei Messungen bestimmt
worden ist. Der Koeffizient ist so gewahlt worden, daB fur die zwei Beobachtungen, die in Tabelle III an erster und vorletzter Stelle und in Tabelle IV
an erster und letzter Stelle stehen, die Werte von kl denen von k2 proportional werden.
Ich betrachte jetzt zwei einer spateren Veroffentlichung Kaufmanns*)
entnommene MeBreihen, die von Runge**) nach der Methode der kleinsten
Quadrate durchgerechnet worden sind. Dabei sind die Koeffizienten ki und ks
so bestimmt worden, daB die fur jedes beobachtete ~ aus Kaufmanns Gleichungen (34) berechneten Werte von 'I'} moglichst gut mit den beobachteten
Werten von YJ iibereinstimmen.
Ich habe aus derselben Bedingung und gleichfalls nach der Methode der
kleinsten Quadrate die Koeffizienten a und b der Gleichung
'1]2
=
a~2
+ b~4
bestimmt, die aUB meinen Gleichungen (36) und (37) abgeleitet werden kann.
Wenn ich a und b kenne, fin de ich f3 fur jede Messung mit Hilfe der Beziehung
f3
=
-Va i..
'IJ
Fiir zwei Platten, auf denen Kaufmann die elektrische und magnetische
Ablenkung gemessen hat, sind die Ergebnisse die folgenden,wobei die Abweichungen in Zentimetern angegeben sind.
PIa tte N r. 15. a = 0,06489, b = 0,3039.
P=lI
1j
t
II
I berechnet
beobachtet I von R .
0,1495
0,199
0,2475
0,296
0,3435
0,391
0,437
0,4825
0,5265
I
I
0,0388
0,0548
0,0716
0,0896
0,1080
0,1290
0,1524
0,1788
0,2033
0,0404
0,0550
0,0710
0,0887
0,1081
0,1297
0,1527
0,1777
0,2039
Dilf.
berechnet
von L.
-16
-, 2
T 6
+ 9
- 1
- 7
- 3
+11
- 6
0,0400
0,0552
0,0715
0,0895
0,1090
0,1305
0,1532
0,1777
0,2033
. Diff.
-12
4
+ 1
+ 1
-10
-15
8
+11
0
*) Kaufmann, Gott. Nachr., Math.-phys; KIasse 1903 S.90.
**) Runge, ebendorl S.326.
berechnet von
R.
L.
0,987
0,964
0,930
0,889
0,847
0,804
0,763
0,724
0,688
0,951
0,918
0,881
0,842
0,803
0,763
0,727'
0,692
0,660
26 H. A. LORENTZ. Elektromagnet. Erscheinungen i. e. System mit bel. Geschwindigkeit
Platte Nr. 19. a = 0,05867, b = 0,2591.
~
1)
&
beobachtet
0,1495
0,199
0,247
0,296
0,3435
0,391
0,437
I 0,4825
0,5265
I
I
I
I berechnet
I
I berechnet
I Diff.
von R. I Diff.
von L.
0,0404
0,0529
0,0678
0,0834'
0,1019
0,1219
0,1429
0,1660
0,1916
0,0388
0,0527
0,067'5
0,0842
0,1022
0,1222
0,1434
0,1665
0,1906
I
+16
+ 2
+ 3
- 8
- 3
- 3
I - 5
- 5
+10
I
I
0,0379
0,0522
0,0674
0,0844
0,1026
0,1226
0,1437
0,1664
0,1902
I
+25
+ 7
+ 4
-10
- 7
7
8
4
+14
berechnet von
R.
L.
I
I
I,
0,990
0,969
0,939
0,902
0,862
0,822
0,782
0,744
0,709
0,954
0,923
0,888
0,849
0,811
0,17 3
0,736
0,702
0,671
I
II
I
i
Ich habe keine Zeit gefunden, die iibrigen Tabellen in Kaufmanns
Arbeit durchzurechnen. Da sie, ebenso wie die Tabelle fUr Platte 15, mit
einer ziemlich groBen negativen Differenz zwischen den aus den Beobachtungen abgeleiteten und den von Runge berechneten Weden 'I'J anfallgen,
k6nnen wir eine geniigende Ubereinstimmung mit meinell Formeln erwarten.
A. EINSTEIN. Zur Elektrodynamik bewegter Korper
27
Zur Elektl'odynamik bewegter Karpel'.
Von A. EINSTEIN.")
DaB die Elektrodynamik Maxwells - wie dieselbe gegenwartig aufgefaBt zu werden pflegt - in ihrer Anwendung auf bewegte Korper zu
Asymmetrien fuhrt, welche den Phanomenen nicht anzuhaften scheinen, ist
bekannt. Man ([enke z. B. an die elektrodynamische Wechselwirkung zwischen
einem Magneten und einem Leiter. Das beobachtbare Phanomen hangt hier
nur ab von del' Relativbewegung von Leiter und Magnet, wahrend nach del'
iiblichen Auffassung die beiden Falle I daB der eine oder der andere dieser
Korper der bewegte sei, streng ~oneinander zu trennen sind. Bewegt sich
namlich der Magnet und ruht der Leiter, so entsteht in der Umgebung des
Magneten ein elektrisches Feld von gewissem Energiewerte, welches an den
Orten, wo sich Teile des Leiters befinden, einen Strom erzeugt. Ruht aber
del' Magnet und bewegt sich del' Leiter I so eutsteht in der Umgebung des
Magneten kein elektrisches Feld, dagegen im Leiter eine elektromotorische
Kraft, welcher an sich keine Energie entspricht, die abel' - Gleichheit der
Relativbewegung bei -den beiden ins Auge gefaBten Fallen vorausgesetzt zu elektrischen Stromen von derselben GroBe und demselben Verlaufe Veranlassung gibt,wie im ersten Falle die elektrischen Krafte.
Beispiele ahnlicher Art, sowie die miBlungenen Versuche, eine Bewegung
der Erde relativ zum "Lichtmedium" zu konstatieren, fuhren zu der Vermutung, daB dem Begriffe del' absoluten Ruhe nichtnur in dar Mechanik,
sondern auch in der Elektrodynamik keine Eigenschaften del' Erscheinungen
entsprechen, sondern daB Yielmehr fUr alle Koordinatensysteme, fur welche
die mechanischen Gleichungen geIten, auch die gleichen elektrodynamischen
und optischen Gesetze gelten, wie dies fur die GroBen erster Ordnung **) bereits erwiesen ist. Wir wollen diese V ~rmutung (deren Inhalt im folgenden
"Prinzip del' Relativitat" genannt werden wird) zur Voraussetzung erheben
. und auBerdem die mit ihm nul' scheinbar unvertragliche'Voraussetzung einfumen, daB sich das Licht im lem'en Raume stets mit einer bestimmten, vom
Bewegungszustande des emittierenden Korpers unabhangigen Geschwindigkeit V fortpflanze. Diese beiden V oraussetzungen genugen, um zu einer einfachen und widerspruchsfreien Elektrody~amik bewegter Korper zu gelangen
unter Zugrundeleguug der Maxwellschen Theorie fur ruhende Korpel'. Die
*) Abgedruckt aus Ann, (1. Phys. 17 (1905).
**) Die im Vorhergehenden abgedruckte Arbeit von H, A. Lorentz war dem Verfasaer noch nicht bekannt.
28
A.
EINSTEIN
Einfiihrung eines "Lichtathers" wird sich insofern als iiberflfissig erweisen,
als nach der zu entwickelnden Auffassung weder ein mit besonderen Eigenschaften ausgestatteter "absolut ruhender Raum" eingefiihrt, noch einem
Punkte des leeren Raumes, in welchem elektromagnetische Prozesse stattunden, ein GeschwiI1.digkeitsvektor zugeordnet wird.
Die zu entwickelnde TheOl'ie stiitzt sich - wie jede andere Elektrodynamik - auf die Kinematik des starren Karpers, da die Aussagen einer
jeden Theorie Beziehungen zwischen starren Karpern (Koordinatensystemen),
Uhren und elektromagnetischen Prozessen betreffen. Die nicht geniigende
Beriicksichtigung dieses Umstandes ist die Wurzel der Schwierigkeiten, mit
denen die Elektrodynamik bewegter Karper gegenwartig zu kampfen hat.
I. Kinematischer Teil.
§1.
Definition der Gleichzeitigkeit.
Es liege ein Koordinatensystem vor, in welchem die N ewtonschen
mechanischen Gleichungen geIten. *) Wir nennen dies Koordinatensystem
. zur sprachlichen Unterscheidung von spater einzufiihrenden Koordinaten
systemen und zur Prazisierung der V orstellung das "ruhende System".
Ruht ein materieller Punkt relativ zu diesem Koordinatensystem, so
kann seine Lage relativ zu letzterem durch starre Ma.6stabe unter Benutzung
der Methoden der euklidischen Geometrie bestimmt und in kartesischen Koordinaten. ausgedriickt werden ..
Wollen wir die Bewegung eines materiellen Punktes beschreiben, so
geben wir die Werte seiner Koordinaten in Funktion der Zeit. Es ist nun
wohl im Auge zu behaIten, daB eine derarlige mathematische Beschreibung
erst dann einen physikalischen Sinn hat, wenn Irian sich vorher dariiber klar
geworden ist, was hier unter ,:Zeit" verstanden wir~Wir haben zu beriicksichtigen, daB alle unsere Urteile, in welchen die Zeif'eine Rolle spieIt, immer
Urteile fiber gleichzeitige Ereignisse sind. Wenn ich z. B. sage: "JeI!er Zug
kommt hier um 7 Uhr an," so heiBt dies etwa: ,;Das Zeigen des kleinen
Zeigers meiner Uhr auf 7 und das Ankommen des Zuges sind gleichzeitige
Ereignisse. **)
Es kannte scheinen, daBalle die Definition der "Zeit" betreffenden
SchwierigkeiteI1. dadurch iiberwunden werden kannten, daB ich an Stelle der
!
-----~"
*) Gemeint ist: "in erster Annaherung geIten".
**) Die Ungenauigkeit, weIche in dem Begriffe der Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse an (annahernd) demseIben Orte steckt und gleichfalls durch eine Abstraktion
iiberbruckt werden muB, solI hier nicht eroded werden.
29
Zur ElektrodYlJ.amik bewegter Korper
"Zeit" die "Stellung des kleinen Zeigers meiner Uhr" setze. E.i.ne solche Definition genugt in del' Tat, wenn es sich darum handeH, eine Zeit zu definieren aussehlieBlich fur den Ol·t, an welchem sich die Uhr eben befindet;
die Definition geniigt abel' nicht mehr, sobald es sieh daru:tp. handeH, an versehiedenen \Orten stattfindende Ereignisreihen miteinander zeitlieh zu verkniipfen, odeI' - was auf dasselbe hinauslauft - Ereignisse zeitlich zu
werten, welche in von dfjr Uhr entfernten Orten stattfinden.
Wir konnten uns allerdings damit begniigen, die Ereignisse dadureh
zeitlieh zu werten, daB ein samt del' u""hr im Koordinatenursprung befindlicher Beobaehter jedem von einem zu wertenden Ereignis Zeugnis gebenden,
dul'ch den leeren Raum zu ihm gelangenden Lichtzeichen die entsprechende
Uhrzeigerstellung zuordnet. Eine solche Zuordnung bringt abel' den Ubelstand mit sich, daB sie vom Standpunkte des mit del' Uhr versehenen Beobachters nieht unabhangig ist, wie wir durch die Erfahrung wissen. Zu einer
weit praktischeren Festsetzung gelangen wir dureh folgende Betrachtung.
Benndet sieh im Punkte A. des Raumes eines Uhr, so kann ein in A befindlicher Beobaehter die Ereignisse in del' unmittelbaren Umgebung von
A zeitlich werten dureh Aufsuchen del' mit diesen Ereignissen gleichzeitigen
Uhrzeigerstellungen. Befindet sich auch im Punkte B des Raumes eine Uhr
- wi!" wollen hinzufiigen, "eine UbI' von genau derselben Besehaffenheit
wie die in A befindliehe" - so 1St auch eine zeitliche Wertung del' Ereignisse in del' unmittelbaren Umgeblmg von B durch einen in B benndlichen
Beobachter moglich. Es ist abel' ohne weitere Festsetzung nieht moglich,
ein Ereignis in A. mit einem Ereignis in B zeitlich zu vergleichen; wir haben
bisher nul' eine "A-Zeit" und eine "B-Zeit", abel' keine fUr A und B gemeinsame "Zeit" definien. Die letztere Zeit kann nun definiert werden, indem
man d2~rch Definition festsetzt, daB die "Zeit", welche das Licht br~ucht, um
von A nach B zu gelangen, gleieh ist del' "Zeit", welehe es braucht, um vou
B nach A zu gelangen. Es gehe namlich ein Lichtstrahl zur "A-Zeit" tA von
A. naeh B ab, werde zur "B-Zeit" tB in B gegen A zu reflektiert und gelange
zur "A-Zeit" t~ nach A. zuriiek. .Die beiden Uhren laufen definitionsgemaB
synchron, wenn
c
Wir nehmen an, daB diese Definition des Synchronismus in widerspruchsfreier Weise moglich sei, und zwar fiir beliebig viele Punkte, daB also allgemein die Beziehungen gelten:
1. Wenn die Uhr in B synchron mit del' Uhr in A Hiuft, so lauft die
Uhr in A synehron mit del' Uhr in B.
2. Wenn die ,Uhr in A sowohl mit del' Uhr in B als auch mit del' Uhr
in synchron Iauft, so laufen aueh die Uhren in B und 0 synchron l'elativ
zueinauder.
a
Math. Monogr. 2: Einstein, Lorentz, Minkowski: Relativitlltsprinzip.
3
30
A.
EINSTEIN
Wir- haben SO unter Zuhilfenahme gewisser (gedachter) physikalischer
Erfahrungen festgelegt, was unter synchron laufenden, an verschiedenen
Orten befindlichen, ruhenden Uhren zu verstehen ist und damit offenbar eine
Definition von "gleichzeitig" und "Zeit" gewonnen. Die "Zeit" eines Ereignisses ist die mit dem Ereignis gleichzeitige Angabe einer am Orte des Ereignisses befindlichen, ruhenden Uhr, welche mit einer bestimmten, ruhenden
Uhr, und zwar fiir aile Zeitbestimmungen mit der namlichen Uhr, synchron
Hiuft.
Wir setzen noch der Erfahrung gemaB fest, daB die GroBe
2AB
.
t'T=V
A - .A
eine universelle Konstante (die Lichtgeschwindigkeit im leeren Raume) sei.
Wesentlich ist, daB wir die Zeit mittels im ruhenden System ruhender
Uh1'en definiert haben; wir nennen die eben definierte Zeit wegen dieser Zugehorigkeit zum ruhenden System "die Zeit des ruhenden Systems".
§ 2.
Uber die Relativitat von Langen lmd Zeiten.
Die folgenden Uberlegungen stiitzen sich auf das Relativitatsprinzip und
auf das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, welche beiden Prinzipien wir folgendermaBen definieren.
1. Die Gesetze, nach denen sich die Zustande der physikalischen Systeme
andern, sind unabhangig davon, auf welches von zwei relativ zueinander in
gleichformiger T;~nstatiorisb~weguJ;lg befindlichen.Koordinatensystemen diese
Zustandsanderungen bezogen werdell.
2. Jeder .Lichtstrahl bewegt sich im "ruhenden" Koordinatensystem mit
der bestimmten Geschwindigkeit V, unabhangig davon, ob dieser Lichtstrahl
von einem 1'uhenden oder bewegten Ko1'per emittiert iat. Hierbei ist
G h ' d' k't
Li(lht~g .
esc WID 19 e1 = Zeitdauer'
'1:~tJd/V't/} 1.
_
C ~ ':,
~'
wo bei "Zeitdaue1'" im Sinne der Definition des. § 1 aufzufassen ist.
Es sei ein ruhender starrer Stab gegeben; derselbe besitze, mit einem
ebenfalls ruhenden MaBstab gemessen, die Lange l. Wir denken uns nun die
Stabachse in die X-Achse des ruhenden Koordinatensystems gelegt und dem
Stabe hierauf eine gleichformige Paralleltranslationsbewegung (Geschwindigkeit v) langs der X-Achse im Sinne der wachsenden~erteilt. Wi1' fragen
nun nach der Lange des bewegten Stabes, welche wir uns durch folgende
zwei Operationen ermittelt denken:
a) Der Beobachter bewegt sich samt dem vorher genannten MaBstabe
mit dem auszumessenden Stabe und mi.6t direkt durch Anlegen des Ma.61
31
Zur Elektrodynamik bewegter Karpel'
stabes die Liinge des Stabes, ebenso, wie wenn sich allszumessender Stab,
Beobachter und Ma.Bstab in Ruhe beHi-nden.
.
b) Der Beobachter ermittelt mittels im ruhenden Systeme aufgesteliter,
gema.B § 1 !tynchroner, ruhender Uhren, in welchen Punkten des ruhenden
Systems sich .A.nfang und Ende des auszumessenden Stabes zu einer bestimmten Zeit t befinden. Die Entfernung diesel' beiden Punkte, gem essen
mit dem schon benlltzten, in diesem Falle ruhenden Mal3stabe ist ebenfalls •
eine Liinge, welche man als "Lange des Stabes" bezeichnen kann.
N a'Ch dem Relativitatsprinzip mu.B die bei del' Operation a) zu findende
Lange, welche wir "die Lange des Stabes im bewegten System" nennen
wollen, gleich del' Lange l des ruhenden Stabes sein.
Die bei del' Operation b) zu findende Lange, welche wir "die Lange des
(bewegten) Stabes im ruhenden System!' nennen wollen, werden wir unter
Zugmndelegung unserer beiden Prinzipien bestimmen und finden, daB sie
von l verschieden ist.
Die allgemein gebrauchte Kinematik nimmt stillschweigend an, daB die
durch die beiden erwahnten Operationen bestimmten Langen einander gcnau
gleioh seien, oder mit anderen Worten, da.B ein bewegter starrer Karpel' in
del' Zeitepoche t in geometrischer Beziebung vollstandig durch denselben
Karpel', wenn er in bestimmter Lage ntht, ersetzbar sei.
Wir denken uns ferner ali den beiden Stabenden (A und B) Uhren angebracht, welche mit den Uhren des ruhenden Systems sYllchron sind, d. h.
deren .A.ngaben jeweilen der "Zeit des ruhenden Systems" an den Orten, an
welchen sie sich gerade befinden, entspreehen; diese Uhren sind also "synchron im ruhenden System".
Wir denken uns ferner, da.B sieh bei jeder Uhr ein mit ihr bewegter
Beobachter befinde, und dal3 diese Beobachter auf die beiden Uhren das im
§ 1 aufgestelite Kriterium fiir den sychronen Gang zweier Uhren anwenden
Zm Zeit*) tA gehe ein Lichtstrahl von A aus, werde zur Zeit tB in B reflekHert und gelange zur Zeit t~ nach A zuriick. Unter Beriicksiehtigung des
Prinzips von der Konstanz del' Lichtgeschwindigkeit finden wir:
und
'l'AB
tA-tB = - -
V+v'
wo bei r A B dil:. Lange des bewegten Stabes - im ruhenden System gem essen bedeutet. Mit dem bewegten Stabe bewegte Beobaehter wiirden also die
*) "Zeit" bedeutet hier ,.Zeit des ruhenden Systems" und zugleich "Zeigerstellung del' bewegten Uhr, welche sich an dem Orte, von dem die Rede ist, befindet".
3'"
32
A.
EINSTEIN
beiden Uhren nicht synchron gehend finden, wahrend im ruhenden System
befindliche Beobachter die Uhren als synchron laufend erklaren wurden.
Wir sehen also, daB wir dem Begriffe del' Gleichzeitigkeit keine absolute
Bedeutung beimessen durfen, sondern daB zwei Ereignisse, ,velche, yon einem
Koordinatensystem aus betrachtet, gleichzeitig sind, yon einem relativ zu
diesem System bewegtell System aus betrachtet, nicht mehr als gleichzeitige
Ereignisse aufzufassen sind.
§ 3.
TheOI'ie der Koordinaten- und Zeittrans{ormation von dem ruhenden
auf ein relativ Zll dies em in gleichformiger Translationsbewegung
befindliches System.
Seien im "ruhenden" Raume zwei Koordinatensysteme, d.h. zwei Systeme
yon je drei yon einem Punkte ausgehenden, aufeinander senkrechten starren
materiellen Linien gegeben. Die X-Achsen beider Systeme magen zusammenfallen, ihre Y- und Z-Achsen bezuglich parallel sein. Jedem Systeme sei
ein starrer MaBstab und eine Anzahl Uhren beigegeben, und es seien beide
"MaBstabe sowie aile Uhren beider Systeme einander genau gleich.
Es werde nun dem Anfangspunkte des einen del' beiden Systeme (k)
eine (konstante) Geschwindigkeit v in Richtung der wachsenden x des anderen,
TUhenden Systems (K) erteilt, welche sich auch den Koordinatenachsen, dem
" betreffenden MaBstabe sowie den Uhren mitteilen mage. J eder Zeit t des
ruhenden Systems K entspricht dann eine bestimmte Lage der Achsen des
bewegten Systems und wir sind aus Symmetriegriinden befugt anzunehmen,
daB die Bewegung von k so beschaffen sein kann, daB die Achsen des bewegten Systems zur Zeit t (es ist mit "t" immer eine Zeit des TUhenden
Systems bezeichnet) den Achsen des ruhenden Systems parallel seien.
Wir denken uns nun den Raum sowohl yom ruhenden System K aus
mittels des ruhenden MaBstabes als auch yom ~egten System k mittels
des mit ihm bewegten" MaBstabes ausgemessen und so die foordinaten x, y, z
bez. ~, 1/, ~ ermittelt. Es werde ferner mittels der im mlfimden System befindlichen ruhenden Uhren durch Lichtsignale in del' in § 1 angegebenen
Weise die Zeit t des TUhenden Systems fiir aile Punkte des letzteren bestimmt, in denen sich Uhren befinden; ebenso werde die Zeit T des bewegten
Systems fur aile Punkte des bewegten Systems, in welchen sich relatiy zu
letzterem ruhende Uhren befinden, bestimmt durch Aj~endung del' in § 1
genannten Methode der Lichtsignale zwischen den .Punkten, in denen sich
die letzteren Uhren befinden.
Zu jedem Wertsystem x, y, z, t, welches Ort und Zeit eines Ereignisses
im ruhenden System yoilkommen bestimmt, gehart ein jenes Ereignis relativ
c
Zur Elektrodynamik be~egter Korper
33
zum System k festlegendes W ertsystem ~, 1], ~', 7:, und es ist nun die Aufgabe
zu lasen, das diese GraBen verknupfende Gleichungssystem zu £lnden.
Zunachst ist klar, daB die Gleichungen linear sein miissen wegen del'
Homogenitatseigenschaften, welche wir Raum und Zeit beilegen.
Setzen wir x' = x - vt, so ist klar, daB einem im System k ruhenden
Punkte ein bestimmtes, von del' Zeit unabhangigesWertsystem x', y, z zukommt. Wir bestimmen zuerst r: als Frinktion von x', y, Z Ulid t. Zu dies em
Zwecke haben wir in Gleichungen auszudriicken; daB T nichts anderes ist als
del' Inbegriff del' Angaben von im System k ruhenden Uhren, welche nach
del' im § 1 gegebenen Regel synchron gemacht worden sind.
Vom Anfangspnnkt des Systems k aus werde ein Lichtstrahl zur Zeit 'ho
langs der X-Achse nach x' gesandt und von dort zur Zeit 'hI llach dem Koordinatennrsprung reflektiert, woeI' znr Z~it 1:'2 anlange; so muB darin sein:
,
1 (
2
7:0 + 'h2 )
=
'hI
odeI', indem man die Argumente del' Funktion b beifligt und das Prinzip der
Konstanz del' Lichtgeschwindigkeit im ruhenden 8ysteme anwendet:
~ [7:(0, 0,0, t) + 7:(O,O,O,{t+ yX'v + v~v})}=7:(x"O,O,t+ yX'v)'
Hieraus.folgt, wenn man x' unendlich klein wahlt:
1 (1
oder'
'2 V-v
1) ot:
+ V+v
137:
ift=
1
07:
ox' + V vat'"
Es ist zu bemerken, daB wir statt des Koordinatenursprunges jeden
anderen Punkt als Ausgangspunkt des Lichtstrahles hatten wahlen konnen
und es gilt deshalb die eben erhaltene Gleichung fiir aIle Werte von x', y, z.
Eine analoge Uberlegung - auf die H- und Z-Achse angewandt Iiefel't, wenn man beachtet, daB sich das Licht langs diesel' Achsen vom
ruhenden System aus betrachtet stets mit der Geschwindigkeit VV2- v 2
fol'tpflanzt:
at:
-=0
oy
07:
OZ
=0
•
Aus dies en Gleichungen folgt, da'h eine lineare Funktion ist:
wobei a eine vol'lau£lg unbekannte Funktion cp(v) ist und der.Kiirze halber
angenommen ist, daB im Anfangspunkte von k flir7: = 0 t = 0 sei.
A..
34
EINSTEIN
Mit Hilfe dieses ResuItates istes leicht, die GroBen ~, 'Yj, ~ zu ermitteln,
indem man durch Gleichungen ausdriickt, daB sich daB Licht (wie' das Prinzip
del' Konstanz del' Lichtgeschwindigkeit in Verbindung mit dem Relativitatsprinzip verlangt) auch im bewegten System gemessen mit del' Geschwindigkei't V fortpflanzt. Fiir ehien zur Zeit 't = 0 in Richtung der wachsenden ~
ausgesandten Lichtstrahl gilt:
~ = V1:,
odeI'
~ = aV(t - V2~V2
Xl).
Nun bewegt sich aber der Lichtstrahl relativ zum Anfangspunkt von k im
ruhenden System gemessen mit del' Gesch windigkeit V-v, so daB gilt:
x'
V-v
Setzen wir diesen Wert
Vall
t.
=
t in die Gleichung fiir ~ ein, so erhalten wir:
V2
~ = a V2 -v 2
,
X.
Auf analoge Weise finden wir durch Betrachtung von langs den beiden
andel'en Achsen bewegteri Lichtstrahlen:
'Yj
= V't
=
aV(t - V2~V2 x'),
wobei
also
und
Setzen wir fiir x' seinen Wert!. ein, so erhalp wir:
fJJ(;)~
1: =
(t -
-,
;2 x),
~=fJJ(v)~(x-vt),
fJJ(V)Y,
t] =
~=
wobei
fJJ(V)Z,
~=
1
. Vl-(
;r
und fJJ eine vorHiufig unbekannte Funktion von v ist. Macht man iiber die
Anfangslage des bewegten Systems und iiber den Nullpunkt von 1: keinerlei
Zur Elektrodynamik bewegter Karper
35
V oraussetzung, so ist auf den rechten Seiten diesel' Gleichungen je eine additive Konstanie zuzufiigen.
Wir ha'ben nun zu beweisen, daB jeder Lichtstrahl sich, im bewegten
System gemessen, mit del' Geschwindigkeit V fortpfJ.anzt, falls dies, wie wir
angenommen haben, im ruhellden System del' Fall ist; denn wil' haben den
Beweis dafiir noch nicht geliefert, daB das Prinzip del' Konstanz del' Licht- .
geschwindigkeit mit dem Relativitatsprinzip vereinbar sei.
Zur Zeit ~ = 7: = 0 werde von dem zu diesel' Zeit gemeinsamen Koordinatenursprung beider Systeme aus eine Kugelwelle ausgesandt, welche sich
im System K mit del' Geschwindigkeit V ausbreitet. 1st (x, y, z) ein eben
von diesel' Welle ergriffener Punkt, so ist also
x 2 + y2 + (12 = V2t2.
I
Diese Gleichung transformieren wir mit Hilfe unserer Transformationsgleichungen und erhalten nach einfacher Rechnung:
~2
+ r}2 + ~2 = V 2't'2.
Die beirachtete Welle ist also auch im bewegten System betrachtet eine
Kugelwelle von del' Ausbreitungsgeschwindigkeit V. Hiermit ist gezeigt, daB
un sere beiden' Grundprinzipien miteinander vereinbar sind.*)
In den entwickelten Transformationsgleichungen tritt noch eine unbekannte Funktion cp von v auf, welche wir nun bestimmen wollen.
Wir fiihren zu diesem Zwecke noch ein drittes Koordinatensystem K' ein,
welches relativ zum System k derart in Paralleltranslationsbewegung parallel
zur $~Achse begriffen sei, daB sich dessen Koordinatenursprung mit del' Geschwindigkeit - v auf del' $-Achse bewege. Zur Zeit t = 0 mogen alle drei
Koordinatenanfangspunkte zusammenfallen und es sei fiir t = x = y =-- z = 0
die Zeit t' des Systems K' gleich Null. Wir nennen x', y', z' die Koordinaten, im System K gemessen, und erhalten durch zweimalige Anwendullg
unserer Transformationsgleichungen:
t' = rp(- v)J3~
{7: +
;2 q = rp(1J)rp(- v)t,
x' = rp (- v)J3 ~A) {~+ V7:}
= rp(v)cp (- v)x,
y' = cp (- v)r)
= cp(v)cp (- v)y,
s' =
qJ ( - v)~
=
rp(v)cp (- v)s.
*) Die Gleichungen del' Lorentz-Transformation sind einfacher direkt aus del'
Bedingung abzuleiten, da8 vermage jener Gleichungen die Beziehung
I
die andere
zur Foige haben Boll.
g2 + 11 : + r; 2 _
V2~ 2
= 0,
36
A.
EINSTErs
Da die Beziehungen zwischen x', y', z' und x, y, fJ die Zeit t nicht enthalten, so ruhen die Systeme K und K' gegeneinander, und es ist klar, daB
die Transformation von K auf K' die identische Transformation sein muS.
Es ist also:
r:p(v)rp (- v) = 1.
Wir fragen nun nach der Bedeutung von r:p(v). Wir fassen das Stiick der
und
H-Achse des Systems k ins Auge, das zwischen ~ = 0, 11 = 0, ~ =
~ = 0, Tj = 1, ~ =
gelegen ist. Dieses Stuck der H-Achse ist ein relativ
zum System K mit der Geschwindigkeit v senkrecht zu seiner Achse bewegter
Stab, dessen Enden in K die Koordinaten besitzen:
°
°
1
x1=vt,
Yl=cp(v)'
fJ1=0
und
x~ =
v t , Y~ = 0,
Die Hinge des Stabes, in K gemessen, ist also ljr:p(v); damit ist die Bedeutung der Funktion r:p gegeben. Aus Symmetriegriinden ist nun einleuchtend,
daB die ill ruhenden System gemessene Lange eines bestimmten Stabes,
welcher senkrecht zu seiner Achse bewegt ist, nur von der Geschwindigkeit,
nicht aber von der Richtung und dem Sinne del' Bewegung abhangig sein
kann. Es andert sich also die im ruhenden System gemessene Lange des
bewegten Stabes nicht, wenn v mit - v vertauscht wird. Hieraus folgt:
1
cp (v)
=
cp (- v)
,
oder
r:p(v) = r:p (- v).
Aus dieser und del' vorhin gefundenen Relation folgt, daB r:p(v) = 1 sein muB,
so daB die gefundenen Transformationsgleichungen iibergehen in:
'C
wobei
= (3
(t -
;2 x),
~ =
(3 (x - vt) ,
Tj =
y,
~ =
z,
Zur Elektrodynamik bewegter K6rper
37
§ 4.
Physikalische Bedeutung del' erhaltenen Gleichungen, bewegte
stal'l'e Korper und bewegte Uhren betreffend.
Wir betrachten eine starre Kugel *) vom Radius R, welche relativ zum
bewegten System k ruht, und deren Mittelpunkt im Koordinatenursprung
von k liegt. Die Gleichung del' OberfHiche diesel' relativ zum System K mit
del' Geschwindigkeit v bewegten Kugelist:
~2+1]2+b2=R2.
Die Gleichung diesel' Oberflache ist in x, y, fJ ausgedruckt zur Zeit t = 0:
x2
~+y2+fJ2=R2.
(Vl-(~r)
Ein starrer Karpel', welcher in ruhendem Zustande ausgemessen die Gestalt
einer Kugel hat, hat also in bewegtem Zustande - vom ruhenden System
aus betrachtet - die Gestalt eines Rotationsellipsoides mit den Achsen
R
Vl- (~)2, R, R.
Wahrend also die Y und Z-Dimension der Kugel (also auch jedes
starren Karpers von beliebiger Gestalt) dmeh die Bewegung nicht modi£lziert
erscheinen, erscheint die X-Dimension im Verhaltnis 1 :111 (v jV)2 verkul'zt,
also um so starker, je groBer v ist. FUr v = V sch'rumpfen alle bewegten
Objekte - vom "ruhenden" System aus betl'achtet - in flachenhafte Gebilde
zusammen. Fur Uberlichtgeschwindigkeiten werden unsere Ubedegungen
sinnlos; wir werden ubrigens in den folgenden Betrachtungen £lnden, daB
die Lichtgeschwindigkeit in unserer Theorie physikaliseh die Rolle unendlich groBer Geschwindigkeit spielt.
Es ist klar, daB die gleiehen Resultate von im "l'uhenden" System
rnhenden Karpern geIten, welche von einem gleichrormig bewegten System
aus betrachtet werden. Wir denken uns ferner eine del' Umen, welche l'elativ zum ruhendem
SYJltem ruhend die Zeit t, relativ zum bewegten System ruhend die Zeit 't
anzugeben befahigt sind, im Koordinatenurspnmg von k gelegen und so gerichtet, daB sie die Zeit 7: angibt. Wie schnell geht diese Uhr, vom ruhenden
System aus betrachtet?
Zwischen den GraBen x, t und 7:, welche sich auf den Ort dieser Dhr bea
ziehen, geHfen offenbar die Gleichungen:
*) Das hei8t einen K6rper, welcher ruhend" untersucht Kugelgestalt besitzt.
A.
38
EINSTEIN
und
x
=
vt.
Es ist also
?:=t-v;~(~r=t -
(1- -Vl-(~rr) t,
woraus folgt, daB die Angabe del' Uhr (im ruhenden System betrachtet) pro
Sekunde Ulll (1 - Y1- (V/V)2) Sek. odeI' - bis auf Gr6Ben viertel' und
h6herer Ordnung - um l(v/VY Sek. zuruckbleibt.
Hieraus ergibt sich folgende eigentiimliche Konsequenz. Sind in den
Punkten A und B von K ruhende, im ruhenden System betrachtet, synchron
gehende Uhren vorhanden, und bewegt man die Uhr in A mit der Geschwindigkeit v auf del' Verbindungslinie nach B, so gehen nach Ankunft diesel' Uhr
in B die beiden Uhren nicht mehr synchron, sondern die von A nach B be~
wegte Uhr geM gegeniiber del' von Anfang an inB befindlichen urn ttv2jV2 Sek.
(bis auf GroBen viertel' und h6herer Ordnung) nach, wenn t die Zeit ist, welche
die Uhr von A nach B braucM.
Man sieht sofort, daB dies Resultat auch dann noch gilt, wenn die Uhr
in einer beliebigen polygonalen Linie sich von A nach B bewegt, und zwar
auch dann, wenn die Punkte A und B zusammenfallen.
Nimmt man an, daB das fiir eine polygonale Linie bewiesene Resnltat
auch fur eine stetig gekrummte Kurve gelte, so erhalt man den Satz: Be~
finden sich in A zwei synchroll gehende Uhren und bewegt man die eine
derselben auf einer geschlossenen Kurve mit konstanter Geschwindigkeit,
bis sie wieder nach A zuriickkommt, was t Sek. dauern moge, so geM die
letztere Uhr bei ihrer Ankunft in A gegeniiber der unbewegt gebliebenen
urn tt(V/V)2 Sek. nacho Man schlieBt daraus, ,daB eine am Erdaquator befindliche Unruhulu:*) um einen sehr kleinen Betrag langsamer laufen muB
als eine genau gleich beschaffene, sonst gleichen Btci.ingungen unterworfene,
an einem Erdpole befindliche Uhr.
§ 5.
Additionstheorem der Geschwindigkeiten.
In dem langs del' X-Achse des Systems K mit der Geschwindigkeit v
bewegten System k bewege sich ein Punkt gemaB den Gleichungen:
~ = W~7:,
wobei
w~
und
w~
'fJ= W~7:,
S = 0,
Ko:iJ.stanten bedeuten.
*) 1m Gegensatz zu "Pendeluhr", welche - physikalisch betrachtet - ein System
ist, zu welchem der Erdkorper gehort; dies muBte ausgeschlossen werden.
Zur Elektrodynamik bewegter Karpel'
39
Gesucht ist die Bewegung des Punktes relativ zum System K. Fiihrt
man in die Bewegungsgleichungen des Punktes mit Hilfe der in § 3 entwickelten Transformationsgleichungen die Gro.6en x, 'Y, z, t ein, so erhalt man:
x=
~Q~+v
--"---
vw~
1+ VT,
t,
)
{,
f
Das Gesetz vom Parallelogramm der Geschwindigkeiten gilt also nach unserer
Theorie nur in erster Annaherung. Wir setzen:
und
IX =
tDy
arctg-;
20",
IX ist dann als der Winkel zwischen den Geschwindigkeiten v und w anzusehen. Nach einfacher Rechnung ergibt sich:
Es ist bemerkenswert, da.6 v und w in symmetrischer Weise in den Ausdruck
fiir die resultierende Geschwindigkeit eingehen. Hat auch w die Richtung
der X-Achse (A'-Achse), so erhalten wir:
U=v+2O.
1+
VW
V2
Aus dieser Gleichung folgt, da.6 aus der Zusammensetzung zweier Geschwindigkeiten, welche kleiner sind als V, stets eine Geschwindigkeit kleiner als V
resultiert. Setzt man namlich v = V - ", w = V-A., wobei" und 1 ''{lositiv
und klemer als V seien, so ist:
U=V
2V-"-'~
d
2V-'K-~+v
<V
40
E~NSTEIN
A.
Es folgt ferner, daB die Lichtgeschwindigkeit V durch Zusammensetzung
mit einer "Unterlichtgeschwindigkeit" nicht geandert werden kann. Man
erhalt flir diesen Fall:
V+w
U=--=V.
w
l+ V
Wir hatten die Formel fiir U fiir den Fall, da.6 v und w gleiehe Riehtung
besitzen, auch durchZusammensetzen zweier Transformationen gemaB § 3
erhalten kannen. , Fiihren wir neben den in § 3 figurierenden Systemen K
und k noch ein drittes, zu k in Parallelbewegung begriffenes Koordinatensystem k' em, dessen Anfangspunkt sich auf der A'-Achse mit der Geschwindigkeit w bewegt, so erhalten wir zwischen den GraBen x, y, $, t und den
entsprechenden GraBen von k' Gleichungen, welche sieh von den in § 3 gefundenen nur dadurch unterscheiden, daB an Stelle von "Vii die GroBe'
v+w
1+~
V2
tritt; man sieht daraus, daB solche Paralleltransformationen - wie dies sein
rouB - eine Gruppe bilden.
Wir haben nun die fiir uns notwendigen Satze der unseren zwei Prinzipien entspreehenden Kinematik hergeleitet und gehen dazu iiber, deren Anwendung in der Elektrodynamik zu zeigen.
II. Elektrodynamischer Teil.
§ 6.
Transformation del' MaxweU-Hertzschen GIeichungen fUr den leeren
Raum. tber die Natur del' bei Bewegung in einem Magnetfeld aufa
tretenden elektromotorischen, ....~afte.
Die Ma:x:well-Hertzschen Gleichungen fiir den leeren Rau,)n magen giiltig
sein fur das ruhende System K, so daB gelten mage:
1
oX
oN
oJJI
vat = 8Y - Tz'
loY'
oL
oN
oM
oL
V Tt-7fZ-i)x'
1
oZ
vat" = 'ax- - ifY'
1
()L
() Y
V -()t = -[JZ- -
oZ
8Y'
1 011:[
oZ
oX
1 oN
oX
~
vTt= 8-X-Bz'
vat = -oy - iJ:X'
wobei (X, Y, Z) den Vektor der elektrischen, (L, M, N) den der magiletischen "Kraft bedeutet.
Zur Elektrodynamik bewegter Karper
41
Wenden wir auf diese Gleichungen die in § 3 entwickelte Transformation an, indem wir die elektromagnetischen Vorgange auf das dort eingefiihrte, mit del' Geschwindigkeit v bewegte Koordinatensystem beziehen, so
erhalten wir die Gleichungen:
1
oP(N - ;
oX
V~
01/
1
oP(Y - ;N)
V
OT:
1
op(N- ;
oL
=ar
OT:
Os
1
OP(M+; z)
op(y- ;N)
of;
OP(Z+;M)
V
ilT:
Os
1
OP(N-; Y)
oL
v~
OT:
V
Y)
o~
op(z+; M). oP(M+ ;z)
V
1
oP(M+;Z)
Y)
oL
-1hl'
op(z+; M)
01/
oX
-1ff'
op(y- ;N)
oX
=-r.-
os
01/
wobei
{3=
. -V
1
1-
'vr
.
~V
Das Relativitatsprinzip fordert nun, daB die Maxwell-Hertzschen Gleichung en fiir den IeerenRaum auch im System k geiten, wenn sie im SystemK
gelten, d. h. daB fiir die im bewegten System k durch ihre ponderomotorischen
Wirkungen auf elektrische bez. magnetische Massen definie.rten VeHoren del'
elektrischen und magnetischen Kraft (CX', Y', Z') und (L', M', N')) des bewegten Systems k die Gleichungen geIten:
1
oX'
oN'
oJYI'
1
oY'
oL'
oN'
1
oZ'
oM'
()L'
17-a;-=~--at;,
V-~=ar-~'
'17
();-=Br-av'
1
oL'
V~=
10M'
oY' oZ'
of;--a:Tj'
oZ' oX'
v-a:;-=-il1--~"
oN'
eX'
1
()r'
V~=~-6T"
Offenbar miissen nun die beiden fiir das System k gefundenen.Gleichungssysteme genau dasselbe ausdriicken, da beide Gleichungssysteme den Max~
well-Hertzschen Gleichungen fiir das System l( a~luivalent sind. Da die
Gleichungen beider Systeme ferner bis auf die die Vektoren darstellenden
Symbole ,iibereinstimmen, so folgt, daB die in den Gleichungssystemen an
A.
42
EUlSTEIN
entsprechenden Stellen auftretenden Funktionen bis auf einen fur alle Funktionen des einen Gleichungssystems gemeinsamen, von ~, 1], S und .,; unabhangigen, eventuell von v abhangigen Faktor 'If; (v) ubereinstimmen miissen. .
Es geIten also die Beziehungen:
X' =
'If; (v) X,
L'= 'If; (v)L ,
Y' = 'If;ev)fJ{Y - ;
z' =
'If; (v)fJ
N),
M'= 'If; (v) fJ (M + ; Z)
N' = 'If; ev) fJ (N - ; Y) .
I
(Z + ;M),
Bildet man nun die U mkehrung dieses Gleichungssystems, erstens durch
Auflosen del' soeben erhaltenen Gleichungen, zweitens durch Anwendung del'
Gleichungen auf die inverse Transformation (von l.; auf K), welche d~rch die
Geschwindigkeit - v charakterisiel't ist, so folgt, indem man berueksiehtigt,
daB die beiden so erhaItenen Gleiehungssysteme identiseh sein miissen:
t(v) 'f(--v) = 1.
Ferner folgt aus Symmetriegrunden *)
rev) =
es ist also
tc-
v);
rev) = 1,
und Ul1sere Gleiehungen nehmen die Form an:
X'=X,
.Y' = f3 (Y -
; .N) ,
Z' = f3 (Z + ; M),
L'=L,
M' = fJ(M + ;·Z) ,
N' = fJ (N ~ ; Y) .
Zur Interpretation diesel' Gleiehungen bemerken wir folgendes. Es liegt eine
punktformige Elektrizitatsmenge vor, welche im ruhenden System K gemessen von del' GroBe "eins" sei, d. h. im ruhendJr System ruhend auf eine
gleiche Elektrizitii.tsmenge im Abstand 1 em die Kraft 1 ~n ausiibe. Nach
dem Relativitatsprinzip ist diese elektrische Masse\auch 'im~bewegt~n System
gemessen von del' Gro.Be "eillsil.Ruht diese Elektriiitatsmenge relativ zum
ruhenden System, so ist defillitionsgema.B derVektor (X, Y, Z) gleich del'
aufsie wirkenden Kraft. Ruht die Elektrizitatsmenge gegenuber dem bewegten System (wenigstens in dem betreffenden Augenblick), so ist die auf
siewirkende, in dem bewegtell System .gemessene Krafw.gleich dem Vektor
*) 1st z. B.. X = Y = Z = L = M = 0 und N =F 0, so ist aua Symmetriegriinden
klar, daB bei Zeichenwechsel von v ohne Anderung des numenschen Wertes auch Y'
sein Vorzeichen andem muLl, ohntj semen numerischen Wert zu andem.
Zur Elektrodynamik bewegter Korper
43 •
(X', Y', Z'). Die ersten drei del' obigen Gleichungen lassen sich mithin
auf folgende zwei Weisen il). W orte kleiden:
i. 1st ein punktformiger elektl'iseher Einheitspol in einem elektromagne·
tischen Felde bewegt, so wirkt auf ihn auBer del' elektrischen Kraft eine
"elektromotorische Kraft/', welche unter Vernaehliissigung von mit del' zweiten
undo hoheren Potenzen von vIV multiplizierten Gliedel'll gleich ist dem mit
del' Lichtgeschwindigkeit dividierten Vektorprodukt del' Bewegungsgeschwin.
digkeit des Einheitspoles und del' magnetischenKraft. (AlteAusdrueksweise.)
2. 1st ein punktformiger elektrischer Einheitspol in einem elektromagnetischen Felde bewegt, so ist die auf ihn wirkende Kraft gleieh del' an dem
Orte <:les Einheitspoles vorhandenen elektrisehen Kraft, welche man dureh
Transformation des Feldes auf ein relativ zum elektrischen Einheitspol ruhendes Koordinatensystem erhiilt. (Neue Ausdrucksweise.)
Analoges gilt iiber die "magnetomotorischen Krafte". Man sieht, daB
. in del' entwiekelten Theorie die elektromotorische Kraft nUl' die Rolle eines
Hilfsbegriffes spielt, welchel' seine Einfiihrung dem Umstande verdankt, daB
die elektrischen und magnetischen Krafte keine von dem Bewegungszustande
des Koordinatensystems unabhangige Existenz besitzen.
Es ist ferner IdaI', daB die in del' Einleitung angefiihrte Asymmetrie
bei del' Betrachtung del' durch Relativbewegung eines Magneten und eines
Leiters erzeugten Strome verschwindet. Aueh werden die Fragen nach dem
,Sitz" del' elektrodynamisehen elektromotorischen Krafte (Unipolarmaschinen)
gegenstandslos.
§ 7.
Theorie des Doppelerschen PTinzips und del' A.berration.
1m Systeme K befinde sich sehr ferne vom Koordinatenursprung eine
Quelle elektrodynamischerWellen, welche ill einem den Koordinatenursprung
enthaltenden Raumteil mit geniigender Annahrung durch die Gleiehungen
dargestellt seien:
X = Xo sin ([/, L = Lo sin ([/,
Y = Yo sin ([/, M =Mo sin ([/,
z = Zo sin ([/, N = No sin ([/,
Hierbei sind (.Kg, Yo, Zo) und (Lo, Mo, No) die VektOl'en, welehe die Amplitude des Wellenzuges bestimmen, a, b, c die Richtungskosinus del' Wellennormalen. Wir fragen nach del' Beschaffenheit diesel' Wellen, -nTenn diElselben
von einem in dem bewegten System k ruhenden Beobachter u~tersueht werden.
Durch Anwendung del' in § 6 gefundenen Transformationsgleichungen
fiir die elektrischen und magnetischen Kriifte und del' in § 3 gefundenen
44
A.
EINSTEIN
Tl'ansformationsgleichungen fiir die Kool'dinaten und die Zeit el'halten wir
unmittelbar:
X' =
Xo sin (PI,
L' ~
Lo sin W',
M' = {3 ( )JIo +
Y' = {3 (Yo - ; No) sin (PI,
;
Zo) sin (p I,
wobei
b,= ___b_ _
P(l-a;) ,
c'= ___C_ _
P(l-a;)
gesetzt ist.
Aus del' Gleichung fill' ()J folgt: 1st ein Beo bachtel' l'elaiivzu einer uuendlich fernen Lichtquelle von der Frequenz v mii del' Geschwindigkeii 'IJ
del'ad bewegt, daB die Verbindungslinie "Lichtquelle-Beobachter~' mit del'
auf ein relativ :7.ur Lichtquelle ruhendes Koordinatensysiem bezogenen Geschwindigkeit des Beobachtel's den Winkel g> bildet) so ist die von dem
Beobachter wahl'genommene Frequenz v' des Lichies drU'ch die Gleichung
gegeben:
I
V
1-cosrp V'
I
v
=V
-,11- (;r
.
Dies ist das Doppelersche Prinzip fiir beliebige GeschJindigkeiten. Fiir
gJ = 0 nimmt die Gleichung die iibersichiliche Form an:
- -.
Man sieM, daB v = 00 ist.
v' vY1-;
=
.
v
l+V
im Gegensatz zu del' iiblichen Auffassung -
fiir v =
-
00,
Nennt man gJ' den Wiukel zwischen Wellennormale (Strahlrichtung) im
beWegien System IT.nd del' Verbindungslinie "Lichtquelle-Beobachter", so
45
Zur Elektrodynamik bewegter Karper
nimmt die Gleichung fur a' die Form an:
v
cos cp - V
cos qJ' = - - - - 'v
1 - V CQSCP
Diese Gleichung 'drlickt das Aberrationsgesetz in seiner allgemeinsten Form
aus. 1st qJ = n/2, so nimmt die Gleichung die einfache Gestalt an:
,
cOSqJ = -
11
v·
Wir haben nun noch die Amplitude der Wellen, wie dieselbe im bewegten System erscheint, zu suchen. Nennt man A bez. A' die Amplitude
der elektrischen oder magnetischen Kraft im ruhenden bez. im bewegten
System gemessen, so erhalt man:
,
(1-~ COB cp)2
A'2 =A2
welche Gleichung fur
qJ
_V_~c-'-
l-(;r '
= 0 in die einfachere libergeht:
1-~
A'2=A2~.
1+~
V
Es folgt aus den entwickelten Gleichungen, dall fur einen Beobachter,
der sich mit der Geschwindigkeit Veiner Lichtquelle naherte, diese Lichtquelle unendlich intensiv erscheinen mliBte.
'§ 8.
Transformation del' Energie del' Lichtstrahlen. TheOl'ie des auf
voIIkommene Spiegel allsgeubten Strahlungsdruckes.
Da A2/8'.1t gleich del' Lichtenergie pro Volumeneinheit ist, so, haben wir
nach dem ReJativitatsprinzip A'2/8 '.It als die Lichtenergie im bewegten System
zu betrachten. Es ware daher A' 2/A 2 das Verhaltnis der "bewegt gemessenen"
und "ruhend gemessenen" Energie eines bestimmten Lichtkomplexes, wenn
das Volumen ein~s Lichtkomplexes in K gemessen und in k gemessell das
gleiche ware. Dies iet jedoch nicht del' Fall. Sind a, b, c die Richtul1gskosinus del' Wellel1110rmalen des Lichtes im ruhenden System, so wandert
.. durch die Oberflachen~lemente del' mit Lichtgeschwindigkeit bewegten KugelHache'
'
(x - Vat)2
It
+ (y -
Vbt)2 + (z - Vct)2
=
R2
keineEnergie hindurch; wir konnen daher sagen, daB diese Fliiche dauernd
denselbeli Lichtkomplex umschlieBt. Wir fragen nach del' Energiemenge,
Math. Monogr. 2: Einstein, Lorentz, Jl.rinkowski: Relativitatsprinzip.
4
46
A.
EINSTEIN
welche diese Flache im System k betrachtet umschlieBt, d. h. nach del'
Energie des Lichtkomplexes relativ zum System k.
Die Kugel£lache ist .- im bewegten System betrachtet - eine Ellipsoid£lache, welche zur Zeit 't = 0 die Gleichung besitzt:
(fJ~ - afJ ; ~r+ (TI- bfJ ; ~r+ (~- cfJ ; ~r= R2.
N ennt man S das Volumen del' Kugel, S' dasjenige dieses Ellipsoides, so ist,
wie eine einfache Rechnung zeigt:
V-(;r
1
8'
S=
v
1- V cosrp
N ennt man also E die im ruhenden System gemessene, E' die im bewegten
System gemessene Lichtenergie, welche von del' betrachteten Flache umschlossen wird, so erhalt man:
E'
A'2
-8'
8%
E =-:;;P-8
8%
welche' Formel fur ffJ
1-
v
V
cosrp
V1- (;r'
= 0 in die einfachel'e iibel'geht:
E'=V/~'I
E
1+..!
V
Es ist bemerkenswert, daB die Energie und die Frequenz eines Lichtkomplexes sich nach demselben Gesetze mit dem Bewegungszustande des
Beobachters andel'll.
Es sei nun die Koordinatenebene ~ = 0 eine vollkommen spiegelnde
Flii.che, an welcher die im letzten Paragraph betrachteten ebenen Wellen
l'e£lektiert werden. Wir fragen nach dem auf die~egelnde Flii.che ausgeiibten
Lichtdruck und nach del' Richtung, Frequenz und Intensitii.t d~s Lichtes nach
del' Re£lexion.
,,/t
Das einfallende Licht sei durch die GraBen A, cos ffJ, v (auf das SystemK
bezogen) definiert. Von Ie aus b'?tl'achtet sind die entspl'echenden GraBen:
v
A'=A
1--cosrp
V
."
V1- (;r'
v
cosrp- V
cos T
en' = - - - - V'
1 - V cosrp
Zur Elektrodynamik bewegter Korper
-
'/)
1- V
COB
47
cp
f
V=V
V (;r
1-
Fur das refiektierte Licht erhalten WIr, wenn WIr den V organg auf das
System k beziehen:
A" = A',
cos rpff = - cos rp',
v " =V.,
Endlich erhiilt man clnrch Rucktransformieren aufs ruhende System K fur
das refiektierte Licht:
Die auf die FHicheneinbeit des Spiegels pro Zeiteinheit auftreffencle (im
ruhenden System gemessene) Energie ist offenbar A2/8n(Vcosrp-v). Die
von del' Flacheneinheit· des Spiegels in del' Zeiteinheit sich entfernende
Energie ist A fff 2/8 n (- V cos rp + v). Die Differenz diesel' beiden Ausdrucke
ist nach dem Energieprinzip die vom Lichtdl'llcke in del' Zeiteinheit geleistete A.rbeit. Setzt man die letztere gleich dem Produkt p. v, wobei p.
del' Lichtdruck ist, so erhiilt man:
Iff
;r
l-(;r
• ..12 (coscp-
P= 2
8n
In erster Annaherung erhiilt man in Ubereinstimmung mit del' Erfahrung
und mit anderen Theorien
..1 2
P=2 8 ncos 2 rp.
Nach del' bier benutzten Methode kannen aile Probleme del' Optik bewegter Karpel' gelast werden. Das Wesentliche ist, daB die elektrische und
magnetische Kraft des Lichtes, welches dnrch eil1en bewegtel1 Karpel' beeinfiuBt wird, auf ein relativ zu dem Karpel' ruhendes Koor~atensystem trans4*
48
A.
EINSTEIN
formied werden. Dadurch wird jedes Problem del' Optikbewegter Korper
auf eine Reihe von Problemen del' Optik ruhender Korper zuriickgefiihrl.
§ 9.
Transformation der MaxweIlaHertzschen Gleichnngen mit Demcksichtignng der Konvektionsstrome.
Wir gehen aus von den
1 {
V
OX}
u",Q +"Jft
Gleic~ungen:
oN
=
oy -
1{ uyQ +7jt"
oY}
oL
=az1 {
u.Q
oN
1
oL
v 7ft
=
oY
oZ
az -
oy'
1
aM
oZ
oX
1
oN
ax
OY
ax '
vaT=aX--az'
az} oM oL
+ 7ft
= 1fX - 8Y'
v 7ft = 8Y - ox '
V
V
oM
az
'
wobei:
die 4qt-fache Dichte del' Elektrizitat und (u"" uy, u.) den Geschwindigkeitsvektor del' Elektrizitat bedeutet. Denkt man sich die elektrischen Massen
unveranderlich an kleine, stan'e Korper (lonen, Elektfonen) gebunden, so
sind diese Gleichungen die elektromagnetische Grundlage del' Lorentzschen
Elektrodynamik und Optik bewegter Korper.
Transformiert man diese ~Gleichungen, welche im System K gelten
mogen, mit Hilfe del' Transformationsgleicbungen von § 3 und § 6 auf das
System k, so erbalt man die Gleichungen:
1
V
oX'
,
oN'
oM'
{U~Q +~}=a;} -~,
oL'
0
Y'
oZ'
~=ar:--~'
oM'
,$07:
oN'
wobei
U",-v
1 - u",v
V
oZ'
=
---ar oX'
'OX'
~
,
oY'
81]- ---ar'
=u~,
2
~tz
----,-=--~
P(1- i~)
=
2~1;'
Da - wie aus dem Additionstheorem del' Geschwindigkeiten (§ 5) folgt del' Vektor (u~, u~, ui;) nichts a~deresist ala die Geschwindigkeit del' elek-
Zm Elektrodynamik bewegter Korper
49
trischen Massen im System k gemessen, so ist damit gezeigt, da£ unter Zugrundelegung unserer kinematischen Pl'inzipien die elektrodynamische Grundlage der Lorentzschen Theorie der Elektrodynamik bewegter Korper dem
Relativitatsprinzip entspricht.
Es moge noch kurz bemerkt werden, daB aus den entwickelten Gleichungen leicht del' folgende wichtige Satz gefolgert werden kann: Bewegt
sich ein elektrisch geladener Korper beliebig im Raume und anded sich
hierbei seine Ladung nicht, von einem mit dem Korper bewegten Koordinatensystem aus betrachtet, so bleibt seine Ladung auch - von dem "ruhenden" System K aus betrachtet - konstant.
§ 10.
Dynamik des (langsam beschlennigten) Elektrons.
In einem elektromagnetischen Felde bewege sich ein punktformiges, mit
einer elektrischeu Ladung a versehenes Teilchen (im folgenden "Elektron"
genannt), iiber dessen Bewegungsgesetz wir nur folgen?es annehmen:
Ruht das Elektron in einer bestimmten Epoche, so erfolgt in dem
nachsten Zeitteilchen die Bewegung des Elekirons nach den Gleichungen
d 2 :;;
f-L dt Z
=
aX
d y
f-LW=aY
2
d 2z
f-L (f[2
=
aZ,
wobei x, '11, fiJ die Koordinaten des Elektrons, die Masse des Elektrons bedeutet, sofem 'dasselbe langeam bewegt ist.
Es besitze nun zweitens das Elektron in einer gewissen Zeitepoche die
Geschwindigkeit v. Wir suchen das Gesetz, nach welch em sich das Elektron
im unmitteibar darauf folgenden Zeitteilchen bewegt.
Ohne die Allgemeinheit del' Betrachtung zu beeinflussen, konnen und
wollen, wir annehnien, daB das Elektron in dem Momente, wo wir es ins
Auge fassen, sich im Koordinatenursprung befinde und sich Hings del' X-Achse
des Systems K mit del' Geschwindigkeit v bewege. Es ist dann einlellchtend,
daB das. Elektron im genannten Momente (t = 0) relativ zu einem lange del'
X-Achee mit del' konstanten Geschwindigkeit v parallel bewegten Koordinatensystem k ruht.
Aus del' oben gemachten Voraussetzung inVerbindung mit dem Relativitatsprinzip iet klar, ,daB sich das Elektron in del' unmittelbar folgenden
Zeit (fiir kleine Werte von t) vom System k aus betrachtet nach den Gleichungen bewegt:
50
A.
EINSTEIN
d 2g
,
l'" d.. 2 = aX,
2
d 1J
l'" d .. 2
= a Y,'
d 2 {;
,
l'" d .. 2 = aZ,
wobei die Zeichen ;, 'I}, 6, 7:, X', Y', Z' sich auf das System k beziehen. '
Setzen wir noch fest, daB fiir t = x = Y = % = 0 7: = ,g = 'I} = 6 = 0 sein
soil, so gelten die Transformation~gleichungen del' §§ 3 und 6, so daB gilt:
7:=f3(t-;2
; =
X ),
f3(x - vt),
X'=X,
Y' = f3 (Y -
'I}=Y,
Z' = f3 (Z
-V N) ,
+ ; .M) .
Mi~
Hilfe diesel' Gleichungen transformieren wir die obigen Bewegungsgleichungen vom System k auf das System K und erhalten:
(A)
Wir fragen nun in Anlehnung an die iibliche BetriLChtungsweise nach
del' "longitudinalenll und "transversalen" Masse des bewegten Elektrons.
Wir schreiben die Gleichungen (A) in del' Form
2
!II"
d a;
dt 2 =
aX = a X' ,
l"'f32
:;r
af3(Y-; N)
[.13
2
=
d z = af3 ( Z
l"'f32 -ZW
=
+ VV)
M =
aY',_
aZ' .
und bemerken zunachst, daB aX', aY', aZ' die Komponenten del' auf das
Elektron wirkenden ponderomotorischen Kraft sind J unw<l' zwar in einem in
diesem Moment mit dem Elektron mit gleicher Geschwindigkeit wie dieses
bewegten System betrachtet. (Diese Kraft konnte beispielsweise mit einer
i!;!!: letzten System ruhenden Federwage gemessen werden.) Wenn wir nun
51
Zur Elektrodynamik bewegter Korper
diese Kraft schlechtweg "die auf das Elektron wirkende Kraft" nennen *) und
die Gleichung
Massenzahl >< Beschleunigungszahl = Kraftzahl
aufrechterhal~en, und wenn wir ferner festsetzen, daB die Beschleunigungen
im l'uhenden System K gemessen werden solien, so erhalteli wir aus obigen
Glelcnungen: ~..
.
.
Longitudinale Masse =
(11
!L
1-
Transversale Masse
V
(v)
!L( v ) 2
=
2)8'
•
1- -
V
Natiirlich wiirde man bei anderer'Definition der Kraft und del' Beschleunigung andere Zahlen fiir die Massen erhalten; man ersieht damus,
daB man bei del' Vergleichung verschiedener Theorien del' Bewegung des
Elektrons sehr vorsichtig verfahren muB.
Wir bemerken, daB diese Resultate iiber die Masse' auch fiir die ponderabeln materielien,Punkte gilt; denn ein ponderableI' materieller Punkt
kann durch Zufiigen einer beUebig kleinen elektrischen Ladung zu einem
Elektron (in unserem Sinne) gemacht werden.
Wir bestimmen die kinetische Energie des Elektrons. Bewegt sich ein
Elektron vom Koordinatenursprung des Systems K aus mit der Anfangsgeschwindigkeit 0 bestandig auf del' X-Achse unter del' Wirkung einer elektrostatischen Kraft X, so ist klar, daB die dem elektrostatischen Felde ep.tzogene Energie den Wert fs X dx hat. Da das Elektron l.ap.gsam beschleunigt,
sein soliund infolgedessen keille Ene:t:gie ill.:E'orm von Strahlungabgeben
llJ.oge, so muB die dem elektrostatischen Felde entzogene Energie gleich del'
Bewegungsenergie W des Elektrons gesetzt werden. Manerhalt daher, indem
man beachtet, daB wahrend des ganzen betrachteten Bewegungsvorganges
die erste del' Gleichungen (A) gilt:
ly= .. fSXdx=f!{JsvaV=lkVll!
o
.
1
v
V1-(V)
2-1l
f
W wird also fiir v = V unendlich groB. Uberlichtgeschwindigkeiten
haben - wie bei unseren friiheren ResuItaten - keiue Existenzmoglichkeit.
Auch diesel' Ausdruck fiir die kinetische EneTgie muB dem oben angefiihrten Argument zufolge.. ~benso fur ponderable Massen geIten.
*) Die hier gegebene Definition der Kraft ist nicht vorteilhaft. wie zuerst yon
M. Planck dargetan wurde, Es ist vielmehr zweckmaJ3ig, die Kraft so zu definieren,
daB der Lmpulssatz und der Energiesatz die einfachste Form annehmen,
52
A.
EINSTEIN.
Zur Elektrodynamik bewegter KOl'per
Wir wollen nun die aUB dem GIeichungssysteu{ (A) resultierenden, dem .
Experimente zuganglichen Eigenschaften .der Bewegung des Elektrons aufzahlen.
1. Aus der zweiten GIeichung des Systems (A) folgt, daB eine elektrische Kraft Y und eine magnetische Kraft N dann gleich stark ,ablenkend
wirken auf ein mit der Geschwindigkeit v bewegtes Elekhon, wenn Y =N.v/V.
Man ersieht also, daB die Ermittelung der Geschwindigkeit des Elektrons
aus dem Verhaltnis der magnetischen Ablenkbarkeit Am und der elektrischen
Ablenkbarkeit Ae nach unserer Theorie fur beliebige Geschwindigkeiten moglich ist durch Anwendung des Gesetzes:
Am
Ae
'1J
=V·
Diese Beziehung ist der Priifung durch das Experiment zuganglich, da
die Geschwindigkeit des Elekhons auch direkt, z. B. mittels rasch oszillierender elektrischer und magnetischer Felder, gem essen werden kann.
2. Aus der Ableitung fiir die kinetische Energie des Elektrons folgt,
daB zwischen der durchlaufenen Potentialdifferenz und dererlangten Geschwindigkeit v des Elektrons die Beziehung gelten muB:
p
~ JXdx ~ ;
V'
Iv ~ (f)' -1]
1
3. Wir berechnen den Kriimmungsradius R del' Bahn, wenn eine senk-·
recht zur Geschwindigkeit des Elektrons wirkende magnetische Kraft N (alB
einzige ablenkende Kraft) vorhanden ist. Aus del' zweiten der GIeichungen (A)
erhalten wir:
oder
Diese drei Beziehungen sind ein vollstandiger Ausdruck fur die Gesetze
nach denensich gemaB vorliegender Theorie das Elektron bewegen muB.
Zum Schlusse bemerke ich, daB mil' beim Al'beiten an dem hier behandelten Probleme mein Freund und Kollege M. Besso tl'eu zur Seite stand
und daB ich demselben manche wertvolle Allregung verd'b.nke.
A. EINSTEIN. 1st die Tragheit eines Korpers von seinem Energieinhalt abhangig?
53
Ist die Tragheit eines Korpers von seinem Energieinhalt
abhangig?
Von A. EINSTEIN. *)
Die Resultate del' vorstehenden Untersuchung fuhren zu emer sehr
interessanten Folgerung, die hier abgeleitet werden soll.
Ich legte d01t die Maxwell-Hertzschen Gleichungen fur den leeren Raum
nebst dem Maxwellschen Ausdruck fiir die elektromagnetische Energie des
Raumes zugrtmde und auBerdem das Prinzip:
Die Gesetze, nach denen sich die Zustande del' physikalischen Systeme
andern, sind unabhangig davon, auf welches von zwei relativ zueinander
in gleichformiger Parallel-Translationsbewegung befindlichen Koordinatensystemen diese Zustandsanderungen bezogen werden (Relativitatsprinzip).
Gestiitzt auf diese. Grundlagen **) leitete ich unter anderem das nachfolgende Resultat ab (1. C. § 8):
Ein System von ebenen Lichtwellen besitze, auf das Koordinatensystem
(x, .11, fJ) bezogen, die Energie l; die Stl'ahlrichtung (Wellennormale) bilde
den Winkel ffJ mit der x-Achse des Systems. Fiihrt man ein neues, gegen
das System (x, .11, fJ) in gleichformiger Paralleltranslation begriffenes Koordinatensystem (~, 'Yj, b) ein, dessen Ursprung sich mit del' Geschwindigkeit
Iangs del' x-Achse bewegt, so besitzt die genannte Lichtmenge - irri System
(~, 'Y}, s) gemessen die Energie:
v
V
l* = l
1-----'-c08 cp
V
,
11 (;r
1-
wobei V die Lichtgeschwindigkeit bedeutet. Von diesem Resultat ma-chen
wir im folgenden Gebrauch.
Es befinde sich nun im System (x, .11, fJ) ein ruhender Korper, dessen
Energie - auf das System (x, y, fJ) bezogen - Eo sei. Relativ zu dem wie
oben mit del' Geschwindigkeit v bewegten System (~, 'Tj, s) sei die Energie
des Korpers Ho'
*) Abgedruckt aus Ann. d. Phys. 17 (1905).
Da8 dart benutzte Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ist natiirlich in den Maxwellschen Gleichungen enthalten.
A.
EI~S'l'EI~
Diesel' Karpel' sende in einer mit del' x-Achseden Winkel fJ> bildenden
Richtung ebene LicMwellen von del' Energie L/2 (relativ zu (x, y, £I) gemess en) und gleichzeitig eine gleich groBe Lichtmenge nach del' entgegengesetzten Richtung. Hierbei bleibt del' Karpel' in Ruhe in bezug auf das
SystelIl; (x, y, £I). Fur diesen VOl'gang muB das Energieprinzip gelten und
zwar (nach dem Prinzip del' Relativitat) in bezug auf beide Koordinatensysteme. N ennen wir El bez. ~ die Energie des Karpel'S nach del' Lichtaussendung, relativ zum System (x, y, £I) bez. (~, '1'/, [;) gemessen, so erhalten
wir mit Benutzung del' oben angegebenen Relation:
Eo =Ej
+ [~ +. ~J)
L 1: - YV cos cP
H=H+
-2 /
01
[
}
.
1-
L1
+
"2
+ Vv cos cP ].
(;r V1- (;}
0
=H1 +
L
V1- (;r
•
.
Durch Subtraktion erhalt man aus diesen Gleichungen:
Die beiden in diesem Ausdruck auftl'etenden Differenzen von del' Form H - E
haben einfache physikalische Bedeutungen. H und E sind Energiewerte desselben Karpel'S, bezogen auf zwei relativ zueinal1der bewegte Koordinatensysteme, wobei del' Karpel' in dem einen System (System (x, y, £I)) ruM. Es
ist also klar, daB die Differenz H - E sich von del' kinetischen Energie K
des Karpel'S in bezug auf das andere System (System (~, 1), [;) nur durch
eine additive Konstante unterscheiden kann, welche von del' Wahl del' willkilrlichen additiven Konstanten del' Energien H und E abhangt. WIT kanuen
also setzen:
Ho-Eo·-:-Ko+ 0,
a
h
~-El=Kl+a,
da 0 sich wahrend del' Lichtaussendung nicht ikdert. Wir el'halten also:
Die kinetische Energie des Karpel'S in bezug auf (~, i]~~) nimmt infolge del'
LicMaussendung ah, und zwar urn einen von den Qualitaten des Karpel'S
unahhangigen Betrag. Die Differenz Ko -- Kl hangt femer von del' Geschwindigkeit ebenso ah wie die kinetische Energie des Elektrons (1. c. § 10).
1st die Tragheit eines Korpers von seinem Energieinhalt abhangig?
55
Unter VernachHi,ssigung von GraBen viertel' und haherer Ordnung kannen
wir setzen:
L
v!
Ko-Kl= P 2-·
Aus diesel' Gleichung folgt unmittelbar:
Gibt ein Karpel' die Energie L in Form von Strahlung ab, so verkleinert
sich seine Masse um LjV2. Hierbei ist es offenbar unwesentlich) daB die
dem Karpel' entzogene Energie gerade in Energie der Strahlung iibergeht,
so daB wir zu del' allgemeineren Folgerung ge£iihrt werden:
Die Masse eines Karpers ist ein MaB fUr dessen Energieinhalt; anderl
sich die Energie um L, so audert sich die Masse in demselben Sinne um
Lj9. lOS!}, wenn die Energie in Erg und die Masse in Grammen gemessen wird.
Es ist nicht ausgeschlossen, daB bei Karpern, deren Energieinhalt in
hohem MaBe veranderlich ist (z. B. boi den Radiumsalzen), eine Priifung del'
Theorie gelingen wird.
Wenn die Theorie den Tatsacheu entspricht, so iibertragt die Strahlung
Tragheit zwischen den emittierenden und absorbierenden Karpern.
)
56
H.
MmKOWSKI
Raum und Zeit.
Von H.
MINKOWSKI.*)
M. H.! Die Ansehauungen liber Raum unO. Zeit, die ieh Ihnen entwiekeln moehte, sind auf experimentell-physikalisehem Boden erwaehsen.
Darin liegt ihre Starke. Ihre Tendenz ist eine radikale. Von Stund an
sollen Raum fiir sieh unO. Zeit fiir sieh vollig zu Sehatten herabsinken unO.
nur noeh eine Art Union del' beiden soli Selbstandigkeit bewahren.
I.
Ieh moehte zunaehst ausfuhren, wie man von der gegenwartig ange. nommenen Meehanik wohl dureh eine rein mathematisehe Uberlegung zu
veranderten Ideen uber Raum uno. Zeit kommen konnte. Die Gleiehungen
. del' N ewtonsehen Meehanik zeigen eine zweifaehe lnvarianz. Einmal bleibt
ihre Form erhalten, wenn man das zugrunde gelegte raumliche Koordinatensystem einer beliebigen Lagenvertinde;rung unterwirft, zweitens, wenn. man
es in seinem Bewegungszustande verandert, namlich ihm irgendeine gleichformige Translation aufpragt; aueh spielt del' Nullpunkt del' Zeit keine Rolle.
Man ist gewohnt,die Axiome del' Geometrie als erledigt anzusehen, wenn
man sieh reif fur die Axiome del' Meehanik fuhlt, und deshalb werden jene
zwei Invarianzen wohl selten in einem Atemzuge genannt. Jede von ihnen
bedeutet eine gewisse Gruppe von Transformationen in sieh fur die Differentialgleiehungen del' Meehanik. Die Existenz del' ersteren Gruppe sieht man
als einen funo.amentalen Oharakter des Raumes an. Die zweite Gruppe straft
man am liebsten mit Yeraehtung, urn leiehten~mnes daruber hinwegzukommen, daB man von den physikalisehen Erseheinungen he~niemals entseheiden kann, 0 b del' als ruheno. vorausgesetzte Raum .sieh niellt am Entie in einer
gleiehformigen Translation befindet. So fuhren jene zwei G-ruppen ein vollig
getrenntes Dasein nebeneinander. Ihr ganzlieh heterogener Oharakter mag
davon abgesehreekt haben, sie zu komponieren. Aber gerade die koPlponierte volle Gruppe als Ganzes gibt uns zu denken auf.
Wir wollen uns die Verhaltnisse graphiseh zu ver~~~hauliehen suehen.
Es seienx, y, :0 reehtwinklige Koordinaten fur den Raum, unO. t bezeiehne
*) Vortrag,' gehalten auf der 80. Versammlung Deutscher Naturforscher undArzte
zu Coln am 21. September 1908.
Raum und Zeit
57
die Zeit. Gegenstand unserer Wahrnehmung sind immer nul' Orte und Zeiten'
'Verbunden. Es hat niemand einen Ort andel's bemerkt als zu einer Zeit] eine
Zeit andel's als an einem Orte. reh respektiere abel' noeh das Dogma, daB
Raum und Zeit je eine unabhangige Bedeutung haben. ,Ich will einen Raumpunkt zu einem Zeitpunkt, d. i. ein Wertsystem x, y, z, t einen Weltpunkt
nennen. Die Mannigfaltigkeit aller denkbaren Wertsysteme x, y, z, t soU die
Welt heiBen. Ieh konnte mit kiihner Kreide vier Weltaehsen auf die Tafel
werfen. Schon eine gezeiehnete Achse besteht aus lauter sehwingenden Molekiilen und macht zudem die Reise del' Erde im All mit, gibt also bereits
genug zu abstrahieren auf; die mit del' Anzahl 4verbundene etwas groBere
Abstraktion tut dem Mathematiker nieht wehe. Um nirgends eine gahnende
Leere zu la:;;sen, wollen wir uns vorstellen, daB aller Ortenund zu jeder Zeit
etwas Wahrnehmbares vorhanden ist. U m nieht Materie odeI' Elektrizitat
zu sagen, will ich fiir meses Etwas das Wort Substanz brauenen. Wir riehten
unsere Aufmerksamkeit auf den im Weltpunkt x, y, z, t vorhandenen substantiellen Punkt und stellen uns VOl', wir sind imstande, diesen substantiellen
Punkt zu jeder anderen Zeit wiederzuerkennen. Einem Zeitelement at mogen
die Anderungen ax, ay, at eter Raumkoordinaten meses substantiellen Punktes
entsprechen. Wir erhalten alsdann als Bild sozusagen fiir den ewigenLebenslauf des substantiellen Punktes eine Kune in del' Welt, eine Weltlinie, deren
Punkte sieh eindeutig auf den Parameter t 'Von - 00 bis + 00 beziehen lassen.
Die ganze Welt ers?heint aufgelost in solche Weltlinien, und ieh moehte sogleieh vorwegnehmen, daB meiner Meinung nach die physikalisehen Gesetze
ihren vollkommensten Ausdruek a]sWeehselbeziehungen unter diesen Weltlinien finden diirften.
Dureh die Begriffe Raum und Zeit fallen die x, y, t-Mannigfaltigkeit
t = 0 und ihre zwei Seiten t > 0 und t < 0 auseinander. RaUen wir del'
Einfaehheit wegen den Nullpunkt von Raum und Zeit fest; so bedeutetdie
zuerst genannte Gruppe del' Mechanik, daB wir die x, y, z-A9hsen in t = 0
einer beliebigen Drehung um den N ullpunkt unterwerfen diirfen, entspreehend
den homogenen linearen Transformationen des Ausdrucks
x2
+ +
y2
Z2
in sich. Die zweite Gruppe abel' bedeutet, daB wir, ebenfalls ohne den Ausdruck del' meeh::tnisehen Gesetze zu verandern,
x,y,z,t durch x-at, y-j3t, z-rt, t
mit irgendwelehen Konstanten a,j3, r ersetzen diirfen. Del' Zeitaehse kann
hiernach eine vollig beliebige Richtung naeh der,oberen halben Welt t> 0
gegeben werden. Was hat nun die Forderung del' Orthogonalitat im Raume
mit diesel' volligen Freiheit del' Zeitachse naeh oben hin zu tun?
58
H.
MINKOWSKJ
Die Verbindung herzustelien, nehmen wir einen positiven Parameter 0 und
betrachten das Gebilde
02t 2 - x 2 - y2 _ Z2 = 1.
Es besteht aus zwei durch t = 0 getrennten Schalen nach Analogie eim~s
zweischaligen Hyperboloids. Wir betrachten die Schale im Gebiete t> 0,
und wir fassen jetzt diejenigen homogenen linearen Transformationen von
x, y, z, t in vier neue Variable x', y', z', t' auf, wobei del' Ausdruck diesel'
Schale in den neuen Variablen entsprechend wird. Zu dies en Transformationen gehol'en ofl"enbar die Drehungen des Raumes um den Nullpunkt. Ein
volles Verstandnis del' ubrigen jener Transformationen erhalten wir hernach.
bereits, wenn wir eine solche unter ihnen ins Auge fassen, bei del' y und z
ungeanderi bleiben. Wir zeichnen (Fig. 1) den Durchschnitt jener Schale mit
del' Ebene del' x- und dert-Achse,
, .-/ den oberen Ast del' Hyperbel
(1'
c2t2 _ x2 = 1, mit seinen Asymptoten. Ferner werde ein belieR
"
biger Radiusvektor OA' dieses
:r
.P
Hyperbelastes vom Nullpunkte 0
Fig. 1.
aus eingetragen, die Tangente in
A' an die Hyperbel bis zum Schnitte B' mit del' Asymptote rechis gelegt,
oA' B' zum Parallelogramm 0 A' B' 0' vervollstandigi, endlich·fur das fjpaiere
noch B' 0' bis zum Schniit D' mit del' x-Achse durchgefiihrt. Nehmen wir
nun 00' und OA' als Achsen fUr Parallelkoordinaten x', t' mit den MaBstaben 00' = 1, OA' = 1/0, so erlangt jener Hyperbelast wiede.r den 4-usdruck 02t'2- X"2 = 1, t' > 0, und del' Ubergang von x, y, z, t zu x', y, $, t'
ist eine del' fraglichen Transformationen. Wir nehmen nun zu den charakterisierten Transformationen noch die beliebigen Verschiebungen des Raumund Zeit-Nullpunktes hinzu und konstituieren damit eine o:ff'enbar noch von
dem Parameter 0 abhangige Gruppe von Transformationen, die ich mit Go
bezeichne.
Lassen wir jetzt 0 ins Unendliche wachsen, also 1/0 n.ach Null konvergieren, so leuchtet an del' beschriebenen Figur ein, daB d~ Hype~belast sich
immer mehr del' x-Achse anschmiegt, del' Asymptotenwinkel sich zu einem
gestreckten verbreitert, jene spezielle Transformation in del' Grenze sich in
eine solche verwandelt, wobei die t'-Achse eine beliebige Richtung nach oben
haben kann und x' immer genauer ~ich an x annah«;d. Mit Riicksicht hierauf
ist klar, daB aus del' Gruppe Go in del' Grenze ffir 0 = 09 also als Gruppe G""
eben jene zu del' N ewtonschen Mechanik gehOrige vo~~' Gruppe wird. Bei
diesel' Sachlage, und da Go mathematisch verstandlicher ist als G"" hatte
wohl ein Mathematiker in fI'eieI' Phantasie auf den Geda:IJ.ken verfallen konnen,
daB am Ende die Naturel'scheinungen tatsachlich eine Invarianz nicht bei
Raum und Zeit
59
der Gruppe Goo, sondern vielmehr bei einer Gruppe Go mit bestimmtem endlichen, nur in den gewohnlichen MaBeinheiten iittf3erst grof3en c besitzen.
Eine solche Ahnung ware ein auBerordentlicher Triumph der reinen Mathematik gewesen. Nun, da die Mathematik hier nul' mehr Treppenwitz bekundet, bleibt ihr doch die Genugtuung, daB sie dank ihren glucklichen
Antecedentien mit ihren in freier Fernsicht geschiirften Sinnen die tiefgreifenden Konsequenzen einer s~lchen Ummodelung unserer Naturauffassung auf del' Stelle zu erfassen vermag.
Ich will sogleich bemerken, um welchen Wert· fiir c es sich schlieBlich
handeln wird. Fiir c wird ;die FortpflanfJungsgeschwindigkeit des Lichtes irn
leeren Raume eintreten. Um wedel' yom Raum noch von Leere zu sprechen,
konnen wir diese GroBe wieder als das Verhaltnis del' elektromagnetischen
und del' elektrostatischen Einheit del' Elektrizitatsmenge kennzeichnen.
Das Bestehen del' Invarianz del' Naturgesetze fur die bezugliche Gl'uppe Go
wurde nun so zu fassen sein:
Man kann aus del' Gesamtheit der Naturerscheinungen durch sukzessiv
gesteigerte Approximationen immer genauer ein Bezugsystem x, y, fJ und t,
. Raum und Zeit, ableiten, mittels dessen diese Erscheinungen sich dann nach
bestimmten Gesetzeh darstellen. Dieses Bezugsystem ist dabei abel' durch die
Erscheinungen keineswegs eindeutig festgelegt. Man kann das BefJugsystem
noch entsprechen'il den Transformationen der genannten Gruppe Go beliebig veriindern, ohne daf3 der Ausdruck der NaturgesetfJe sich dabei veriinderl.
Z. B. kann man der beschriebenen Figur entsprechend auch t' Zeit benennen, muB dann abel' im Zusammenhange damit notwendig den Raum
durch die Mannigfaltigkeit del' drei Parameter x', ii, fJ definiel'en, wobei nun
die physikalischen Gesetze mittels x', y, fJ, t' sich genau ebenso ausdrUcken
wiirden, wie mittels x, y, fJ, t. Hiernach wUrden wiT dann in der Welt nicht
mehr den Raum, sondern unendlich viele Raume haben, analog wie es im
dreidimensionalen Raume unendlich viele Ebenen gibt. Die dreidimensionale
Geometrie wird ein Kapitel del' vierdimensionalen Physik. Sie erkennen, weshalb ich am Eingange sagte, Raum und Zeit Bollen zu Schatten herabsinken
und nul' eine Welt an sich bestehen.
II.
NUD ist die Frage, welche Unistande zwingen Uns die veriindede Auffassung von Raum und Zeit auf, widerspricht sie tatsachlich niemals den
Erscheinungen, endlich gewahrt sie Vorteile fUr die Beschreibung del' Erscheinungen?
Bevor wir hierauf eingehen, sei eine wichtige Bemerkung vorangestellt.
Baben wir Raum und Zeit irgendwie individualisiert, so entspricht einem
ruhenden substantiellen Punkte als Weltlinie eine zur t-Achse parallele Gerade,
60
H.
MINKOWSKI
einem gleichformig hewegten substantieilen Punkte eine gegen die t-Achse
geneigte Gerade, einem ungleichformig bewegten substantieilen Punkte eine
irgendwie gekrummte Weltlinie. Fassen wir in einem beliebigen Weltpunkte
x, '!I, z, t die dort durchlaufende Weltlinie auf, und :linden wir sie dort parallel
mit irgendeinem Rafliusvektor OAf der vorhin genannten hyperboloidischen
Schale, so konnen wir OAf als neue Zeitachse einfuhren, und bei den da~it
gegebenen neuen Begriffen von Raum und Zeit erscheint die Substanz in
dem betreffenden WeUpunkte als ruhend. Wir woilen nun dieses fundamentale Axiom einfiihren: .
Die in einem beliebigen WeUpunkte vorhandene Substanz kann stets bei
geeigneter Festsetzu,ng von Raum und Zeit als ruhend aufgefa/3t werden.
Das Axiom bedeutet, daB in jedem WeUpunkte stets del' Ausdruck
c 2 dt 2 - dx 2 - dy2 _ dz 2
positiv ausfallt oder, was damit gleichbedeutend ist, daB jede Geschwindigkeit v steils kleiner als c ausfallt. Es wurde danach fiir aile substantiellen
Geschwindigkeiten c als obere Grenze bestehen und hierin eben die tiefere
Bedeutung del' GroBe c Hegen. In diesel' anderen Fassung hat das Axiom
beim ersten Eindruck etwas MiBfiiiliges. Es ist abel' zu bedenken, daB nun
eine modi:lizierte Mechanik Platz greifen wird, in del' die Quadratwurzel aus·
jener Differentialverbindung zweiten Grades eingeht, so daB Faile mit Dberlichtgeschwindigkeit nul' mehr eine Roile spielen werden, etwa wie in del'
Geometrie Figuren mit imaginaren Koordinaten!
Del' Ansto/3 und wahre Beweggrund fur die Annahme der Gruppe Go
nun kam daher, daB die Differentialgleichung fiir die Fortpflanzung von
Lichtweilen im lem'en Raume jene Gruppe Go' besitzt.*) Andererseits hat
der Begriff starrer Karper nul' in einer Mechanik mit del' Gruppe Gco einen
Sinn. Hat man nun eine Optik mit Ge , und gabe es andererseits starre
Korper, so ist leicht abzusehen, daB durch die zwei zu Ge und zu~Goo gehorigen hyperboloidischen Schalen eine t-Richtu~ ausgezeichnet sein wurde,
und das wiil:de weiter die Konsequenz haben, daB man atijgeeigneten starren
optischen Instrumenten im Laboratorium einen\Wechsel""del' Erscheinungen
bei verschiedener Orientierung gegen die. Fortschreitungsrichtung del' Erde
miiBte wahrnehmen konnen. Aile auf dieses Ziel gerichteten Bemiihungen,
insbesondere ein bel'iihmter Interferenzversnch von Michelson, hatten jedoch
ein negatives Ergebnis. Um eine Erklarung hierfiil' zu gewinnen, bildete
H. A. Lorentz eine Hypothese, deren Erfolg eben in ~);Jnval'ianz del' Optik
fur die Gruppe Go liegt. Nach Lorentz soil jeder Korpel', del' eine Bewegung
*) Eine wesentliche f,.nwendung dieser Tatsache findet sich bereits bei W. Voigt,
Giittinger Nachr. 1887 S. 41.
61
Raum und z.eit
besitzt, in Richtung del' Bewegung eine Verkurzung erfahren haben und
zwar bei einer Geschwindigkeit v im V-erhiiltnisse
l:Vl-;:.
/'
Diese Hypothese klingt auBerst phantastisch. Denn die Kontraktion ist nicht
etwa als Folge von Wiclerstanden im .Ather zu denkeu, sondern rein als Geschenk von oben, als Begleitumstand des Umstandes del' Bewegung.
Ich will mrn an unserer Figur zeigen, daB die Lorentzsche Hypothese
vallig aquivalent ist mit del' neuen Auffassung von Raum und Zeit, wodurch
sie viel verstandlicher wird. Abstrahieren wir del' Einfachheit wegen von y
und!'J und denken uns eine raumlich eindimensionale Welt, so sind ein wie
die t-Achse aufrechter und ein gegen die t-Achse geneigter Parallelstreifen
(s. Fig. 1) Bilder fur den Verlauf eines ruhenden, bezuglich eines gleichfarmig
bewegten Karpel's, del' jedesmal eine konstante raumlicheAusdehnung behiilt .
. 1st OA' parallel dem zweiten Streifen, so kannen wir t' als Zeit und x' als
Raumkoordinate einfuhren, und es erscheint dann del' zweite Karpel' als
ruhend, del' erste als gleichfarmig bewegt. Wir nehmen nun an, daB del'
erste Karpel' als ruhend aufgefaBt die Lange l hat, d. h. del' Querschnitt P P
des ersten Streifens auf del' x-Achse = l· 00 ist, wo 00 den EinheitsmaBstab auf del' x-Achse bedeutet, und daB andererseits del' zweite Karpel' als
ruhend aUfgefaf3t die gleiche Lange l hat; letzteres heiBt dal1l1" daB del' parallel
der x'-Achse gemessene Querschnitt des zweiten Streifens Q' Q' = l· 00' ist.
Wir haben nunmehr in dies en zwei Karpel'll BiMer von zweigleichen Lorentzschen Elektronen, einem ruhenden und einem gleichfarmig bewegten. Halten
wir abel' an den ursprunglichen Koordinaten x, t fest, so ist als Ausdehnung
des zweiten Elektrons del' Querschnitt QQ seines zugeharigen Streifens
parallel der x-Achse anzugeben. Nun ist offenbar, da Q' Q' = l, 00' ist,
QQ =Il · OD', Eine leichte Rechnung ergiht, wenn dx/dt fur den zweiten
Streifen=vist"OD'= OO'Vl-~~, also auchPP:QQ=l:Vl- ;:.
Dies ist abel' del' Sinn del' Lorentzschen Hypothese von del' Kontraktion del'
Elektronen bei Bewegung. Fassen wir andererseits das zweite Elekhon als
ruhend auf, adoptieren also das Bezugsystem x', t', so ist als Lange des erst en
del' Querschnitt P' P' seines Streifens parallel 00' zu bezeichnen, und wir
wurden in genau dem namlichen Verhaltnisse das erste Elektron gegen das
zweite verkurzt finden; denn es ist in del' Figur
P'P': Q'Q'= OD: 00'= OD': 00= QQ:PP.
Lorentz nannte die Verbindung t' von x und t OrtsI'Jeit des gleichf6rmig
bewegten Elektrons und verwandte eine physikalische Konstruktion dieses
Begriffs zum bessereii Vel'standnis del' Kontl'aktiollshypothese. ~ J edoeh scharf
Math. Monogr. 2: Einstein, Lorentz, Minkowski: ReiativitiitBprinzip.
()
62
H.
MINKOWSRI
erkannt zu haben, daB die Zeit des einen Elektrons ebenso gut wie die des
anderen ist, d. h. daB t und t' gleich zu behandeln sind, ist erst das Verdienst
yon A Einstein.*) Damit war nun zlmachst die Zeit als ein durch die Erscheinungen eindeutig festgelegter Begriff abgesetzt. An dem Begriffe des
Raumes riittelten weder Einstein nochLorentz, yielleicht deshalb nicht, weil
bei del' genannten speziellen Transformation, wo die x', t'-Ebene sich mit
der x, t-Ebene deckt, eine Deutung moglich ist, als sei die x-Achse das
Raumes in ihrer Lage erhalten geblieben. Dber den Begriff des Raumes in
elltsprechender Weise hinwegzuschreiten, ist auch wohlnur als Verwegenheit mathematischer Kultur einzutaxieren. Nach cliese:tp. zum wahren Verstandllis del' Gruppe Gc jedoch unerlaBlichen weiteren Schritt aber scheint
mir das Wort Relativitiitspostulat fur die Forderung einer lnvarianz bei der
Gruppe Go 8ehr matt. lndem der Sinn des Postulats wird, daB durch die
Erscheinungen nur die in Raum und Zeit vierdimensionale Welt gegeben
ist, abel' die Projektioll in Raum und in Zeit noch mit einer gewissen Freiheit vorgenommen werden kann, mochte ich dieser Behauptung eher den
Namen Postulat der absoluten Welt (oder kurz Weltpostulat) geben.
, III.
Durch das Weltpostlllat wird eine gleichartige Behandlung del' vier Be~
stimmurigsstiicke x, V, z, t moglich. Dadurch gewinnen, wie ich jetzt ausfiihren will, die Formen, unter denen die physikalischen Gesetze sich abspielen, an Verstandlichkeit. Val' allem erlangt del' Begriff der Beschleunigung
ein scharf hervortretend~s Geprage.
lch werde mich einer geometrischen Ausdrucksweise bedienen, die sich
sofort darbietet, indem man im Tripel x, y, fJ stillschweigend von fJ abstrahierb.
Einen beliebigen Weltpunkt denke ich zum
Raum - Zeit - N ullpunkt
gemacht. Del' Kegel
c 2t 2 ~.X2-'!J2-fJ2=0
mitJO als Spi:tze (Fig.2)
besteht aus zwei Teilen,
Fig. 2.
einem mit Werlen t< 0,
einem anderen mit Werten t> 0. Del' erate, der Vorlcegel von 0, besteht,
sagen wir, aus allen Weltpunkten, die "Licht mtch senden", del' zweite,
del' Nachkegel von 0, aus allen Weltpunkten, die "Licl!.\.,von empfangen".
Das vom Vorkegel allein begrenzte Gebiet mag diesseits von O,das vom Nach-
°
°
°
*) A. Einstein, Ann. d. Phys. 17 (1905) S. 891; Jahrb. d. Radioaktivitat u. Elektronik 4 (1907) S.411.
Ranm und Zeit
63
kegel allein begrenzte jenseits von 0 heiBen. Jenseits 0 fallt die schon betrachtete hyperboloidische Schale
F=c 2 t2-x2-y2_z2=1, t>O.
Das Gebiet zwischen den Kegeln wird enullt von den einschaligen hyperboloidischen Gebilden
- F = x 2 y2 Z2 _ e 2 t 2 = k 2
+ +
zu allen konstanten positiven Werten k 2• Wichtig sind fiir uns die Hyperbeln
mit 0 alB Mittelpunkt, die auf den letzteren Gebilden liegen. Die einzelnen
Aste diesel' HypeTbeln mogen kurz die Zwisehenhyperbeln zum Zent1'um 0
heiBen. Ein solcherHyperbelast wurde, als Weltlinie eines substantiellen
Punktes gedacht, eine Bewegung reprasentieren, die fur t = - 00 und t = + 00
asymptotisch auf die Lichtgeschwindigkeit e ansteigt.
N ennen wir in Analogie zum Vektorbegriff im Raume jetzt eine gerichtete Strecke in del' Mannigfaltigkeit del' x, y, z, t einen Vektor, so haben
wir zu unterscheiden zwischen den zeitartigen Vektoren mit Richtungen
von 0 nach del' Schale F = 1, t > 0 und den raumcwtigen VektoTen mit
Richtungen von 0 nach - F = 1. Die Zeitachse kann jedem Vektor del'
ersten ATt parallellaufen. Ein jeder Weltpunkt zwischen V OTkegel und N achkegel von 0 kann durch das Bezugsystem als gleiehzB1'tig mit 0, abel' ebensogut auch als fruher ala 0 oder als spiiter als 0 eingerichtet werden.· Jeder
Weltpunkt diesseits 0 ist notwendig stets fruher, jeder Weltpunkt jenseits 0
notwendig stets spater als O. Dem Grenzubergang zu e = 00 wurde ein
volliges Zusammenklappen des keilformigen Einschnittes zwischen den Kegeln
in die ebene Mannigfaltigkeit t = 0 entsprechen. In den gezeichneten Figuren
ist diesel' Einschnitt absichtlich mit verschiedener Breite angelegt.
Einen beliebigen Vektor, wie von 0 nach x, y, z, t, zerlegen wir in die
vier Komponenten x, y, z, t. Sind die Richtungen zweier Vektoren beziehungsweise die eines Radiusvektors OR von 0 an eine del' Flachen + F = 1 und
dazu erner Tangente RS im Punkte R del' betreft'enden Flache, so sollen die
Vektoren normal zueinander heiBen. Danach ist
+
\~
e2 ttl
- xX1 - YYl -
ZZl =
0
dIe Bedingung damr, daB die Vektoren mit den Komponenten x, y, Z, t und
t1 normal zueinander sind.
Fur die Betrage von Vektoren del' verschiedenen Richtungen sollen die
Einheitsmaf3stabe dadurc}l fixiert sein, daB einem raumartigen Vektor von 0
nach - .F = 1 stets del' Betrag 1, einem zeitartigen Vektor von 0 nach
+ F = 1, t > 0 stets del' Betrag lie zugeschrieben wird.
Denken wir uns nun in einem Weltpunkte P(x, y, z, t) die dort durehlaufende Weltlinie emes substantiellen Punktes, so entspricht danach dem
Xli Yl' Zll
5*
H.
64
zeitartige~l
MrmrOWSKI
Vektore,lement dX, dy, dz, dt im Fortgang del' Lillie del' Betl'ag
d't = ~
C
yc
2 dt 2 -
dx 2 - dy2 - dZ2~
.
Das Integral Jd7:= r' dieses Betrages, auf del' Weltlinie von irgendeinem
fixierten Ausgangspunkte Po bis zu dem variablen Endpunkte P gefuhrt,
nennen wir die Eigenzeit des substantiellen Punktes in P. Auf del' vVeltlinie betrachten wir x, '!I, z, t, d. s. die Komponenten des Vektors OP, als Funktionen del' Eigenzeit '0, bezeichnen deren el'ste Differentialquotienten nach 7:
mit X, y, if, i, deren zweite Differentialquotienten nach 7: mit
y, t' und
nennen die zugehorigen VektOl'en, die Ableitung des Vektors 0 P nach 7: den
Bewegungsvektor in P und die Ableitung dieses Bewegungsvektors nach 7:
den Beschleunigwzgsvektor in P. Dabei gilt
x', z,
t
x2 _ y2 _ if2 = c2,
c2 t'1 - xx- yy - zz = 0,
c2 2 _
d. h. del' Bewegungsvektor ist del' zeitartige Vektor in Richtung del' Weltlinie in P vom Betrage 1, und del' Beschleunigungsvektor in P ist normal
zum Bewegungsvektor in P, also jedenfalls ein l'aumal'tiger Vektol'.
Nun gibt es, wie man leicht einsieht, einep bestimmten Hyperbelast,
del' mit del' vVeltlinie in P drei unendlich benachbarte Punkte gemein hat
und dessen Asymptoten El'zeugende eines Vorkegels und eines Nachkegels
sind (s. unten Fig. 3). Diesel' Hyperbelast heiBe die Kriirmrmngshyperbel in P.
1st JJI das Zentrum diesel' Hypel'bel, so handelt es sich also hier um eine
Zwischenhypel'bel zum Zentrum M. Es sei Q del' Betrag des Vektors MP,
so erkennen wir den Beschleunigungsvektorin Pals den Vektor in Richtung JJiP
vom Betmge c 2/ Q .
Sind X, ii, t'samtlich Null, so reduziel't sich die Krummungshyperbel
auf' die in P die vV'eltlinie beruhrende Gerade, und es ist Q = 00 zu setzen.
z,
IV.
Um darzutun, daB die Annahme del' Gl'Uppef7a fur die physikalischen
Gesetze nil'gends Zl1 eillem Widerspruche fuhrt, ist es unJ1mganglich, eine
Revision del' gesamten Physik auf Gl'und del' Voraussetz;ng diese~' Gruppe
vorzl1nehmen. Diese Revision ist bereits in einem gewissen Umfange erfolgreich geleistet fur Fragen del' Thermodynamik und Warmestrahlung*), fur
die elekiromaglletischen V ol'gange, endlich fur die Mechanik unter Aufrechterhaltung des Massenbegriffes.**)
----'\"¢
*) M. Planck, Zur Dynamik bewegter Systeme, Berliner Bel'. 190'1 S.542 (auch
Ann. d: Phys. 26 (1908) S. 1).
**) H. Minkowski, Die Grundgleichungen fUr die elektromagnetischen Vorgange
in bewegten Karpern, Gattinger Nachr. 1908 S.53.
Raum und Zeit
65
Fiir letzteres Gebiet ist VOl' allem die Frage aufzuwerfen: Wenn eine
Kraft mit den Komponenten X, Y, Z nach den Raumachsen in einem Weltpunkte P(x, z, t) angreift, wo del' Bewegungsvektor X, ii, i ist, als welche
Kraft ist diese Kraft bei einer beliebigen Anderung des Bezugsystemes aufzufassen? Nun existieren gewisse erprobte Ansatze iiber die ponderomotorische Kraft im elektromagneiischen Felde in den Fallen, wo die Gruppe GG
unzweifelhaft zuzulassen ist.Diese Ansatze fiihren zu del' einfachen Regel:
Bei Anderung des Bezugsystemes ist die vorausgesetzte Kraft demrt als Kraft
in den neuen Raum7coordinaten anzusetzen, daf3 dabei der zugehorige Ve7ctor
mit den Komponenten
y,
z,
tX, t Y, iz, iT,
wo
T = \( .~ X
c
t
+ ~t
y + t~ z)
die durch e 2 dividierte Arbeitsleistung der Kraft im Weltp~mkte ist, sieh ~mvml­
iindert erhiiU. Diesel' Vekior ist steis normal zum Bewegungsvektor in P.
Ein solcher, zu einer Kraft in P gehorender Kraftvekior soll ein bewegender
Kraftvektor in P heiBen.
Nun werde die durch P laufende Weltlinie von einem subsianiiellen
Punkte mit konstanter meehaniseher Masse m beschrieben. Das m-fache des
Bewegungsvektors in P heiBe del' Impulsvektor in P, das m-fache des Beschleunigungsvektors in P del' Ki'aftvelctor der Bewegung in P. N ach diesen
Definitionen lautet das Gesetz dafiir, wie die Bewegung eines Massenpunktes
bei gegebenem bewegenden Kraftvektor statthat: *)
Der Kmftvektor der Bewegung ist gleieh dem bewegenden Kraftve7ctor.
Diese Aussage faBt vier Gleichungen fiir die Komponenten nach den
vier Achsen zusammen, wobei die vierte, weil von vornherein beide genannten
Vektoren normal zum Bewegungsvektor sind, sich als eine Folge del' drei
erstenansehen laBt. Nach del' obigen Bedeutung von T stellt die vierte
zweifellos den Energiesatz dar. Ais 7cinetische Energie des Massenpunktes
ist daher das e 2 -faehe der Komponente des lmpulsve7ctors naeh der t-Aehse zn
definieren. Del' Ausdruck hierfiir ist
"
" (2I t
me
Ihl-"V2
= me 2/
V 1- ~,
d. i. nach Abzug del' additiven Konstante me 2 der Ausdruck tmv2 del' Newtonschen Mechanik bis auf Groilen von del' 0rdnung 1je 2• 8eh1' anschaulich
erscheint hierbei die Abhiingiglceit der Energie vorn Bezugsysteme. _ Da nun
abel' die t-Achse in die Richtung jedes zeitartigen Vektol"s gelegt werden
"') H. lVIinkowski, a. a. O. p.l07. (1906) S.136.
Vgl. auch M. Planck, Verh. d. Physik. Ges.4
.
H.
66
MINKOWSKI
kann, so enthalt andererseits del' Energiesatz, fur jedes mogliche Bezugsystem gebildet, bereits das ganze System del' Bewegungsgleichungen. Diese
. Tatsache behalt bei dem erorterten Grenziibergang zu c = 00 ihre Bedeutung
auch fiir den axiomatischen Aufbau del' Newtonschen Mechanik und ist in
solchem Sinne bereits von Herrn I. R. Schiitz*) wahrgenommen worden.
Man kann von vornherein das Verhaltnis von Langeneinheit und Zeiteinheit derart festlegen; daB die natiirliche Geschwindigkeitsschranke c= 1 wird.
Fiihrt man dann noch
1· t = s an Stelle von t ein, so wird del' quadratische Differentialausdruck
d,,;2 = - dx 2 -'- dy2 - dfJ 2 - ds 2,
y-
also vollig symmetrisch in x, y, fJ, s, und diese Symmetrie iibertragtsich auf
ein jedes Gesetz, das dem Weltpostulate nicht widerspricht. Man kann danach.
das Wesen dieses Postulates mathematisch sehr pragnant in die mystische
Formel kleiden:
3.105 km = -V-1 sek.
V.
Die durch das Weltpostulat geschaffenen V orteile werden vielleicht durch
nichts so schlagend belegt wie durch Angabe del' von einer beliebig bewegten
t
punkt{ormigen Ladung nach del' MaxwellLorent~schen Theorie ausgehenden Wir' ...
kungen. Denken wir uns die Weltlinie
"
y eines solchenpunktformigenElektrons mit
del' Ladung e und fiihren auf ihr die Eigenzeit,,; ein von irgendeineni Anfangspunkte
aus. Urn das vom Elektron in einem beliebigen Weltpunkte PI veranlaBte Feld
zu haben, konstruieren wir den zu PI gehorigen V orke~ \F~g. 4). Diesertrifftdi.e
unbegrenzte ~ltlime des Elektrons, weil
deren Richtungen iib~~ die von zeitartigen V ektorensind, offenbar in einem
einzigen Punkte P. Wir legen in P an die
Weltlinie die Tangente und konstruierenr
Fig: 3.
Fig. 4.
durqh P 1 die N ormale P 1 Q auf diese Tangente. Del' Betrag von PI Q sei r. Ais del' Betrag von PQ ist dann gemaB
del' Definition eines Vorkegels ric zu rechnen. Nun stef!tt\der Vektor in Richtung PQ vom Betrage elr in seinen Komponenten nach den X-, y-, fJ-Achsen
.
*) I. R. Schlitz, Das Prinzip del' absoluten Erhaltung der Energie, Gottinger
Nachr. 1897 S.110.
Raum und Zeit
67
das m'it c multip7izierte Vektorpotential, in del' ](omponente nach cler f-Atltse
das skalare Potential des von e erregten Feldes fiir clen Welbpunkt PI vor.
Rierin liegen die von A. Lienard und von E. Wiechert aufgestellten Elementargesetze. *)
Beider Beschreibung des vom Elektron hervorgerufenen Feldes selbst
tritt sodann hervor, daB die Scheidung des Feldes in elektrische und magnetische Kraft eine relative ist mit Rticksicht auf die zugrunde gelegte ZeitRchse; am tibersichtlichsten sind beide Kriifte zusammen zu beschreiben in
einer gewissen, wenn aueh nieht yolligen Analogie zu einer Kl'aftschraube
del' Meehanik.
leh will jetzt die von ciner beliebig bewegten punktformigen Ladung auf
eine andere beliebig bezvegte punklfonnige Ladung ausgeiibte ponderomofot'ische
Wirkung beschreiben. Denken wir uns dureh den Weltpunkt PI die Weltlillie eines zweiten punktformigen Elektrons von del' Ladung ei flihrend. Yvir
bestimmen P, Q, r wie vorhin, konstruieren sodanl1 (Fig. 4) den Mittelpunkt M
del' Krlimmungshyperbel in P, endlich die Normale MN von M aus auf eine'
dureh P parallel zu QPI gedaehte Gerade. Wir legen nun, mit Pals Al1fangspUl1kt, ein Bezugsystem folgendermaBen fest, die t-Aehse in die Riehtung PQ,
die x-Aehse in die Riehtung QPlI die y-Aehse in die Riehtung MN, womit,
sehlieBlich auch die Richtung der z-Achse als normal zu den t-, x-, y-Achsen
der Bewegungsbestimmt ist. Del' Beschleunigungsvektor in P sei y,
vektor in PI sei Xli fill $1) t~. Jetzt lautet der von clem ersten beliebig bewegten
Elektron e auf das zweite beliebig bewegte Elektt'on ei in PI au,sgeiibte bewegende Kraftvektor:
X) ~
-eel(I
t. -~
e
'
x, z, i;
wobei fUr die KO?nJlonenten ~"" ~Y' ~z, ~t des Vektors st die drei Relationen
bestehen:
1
c Stt - ~'" = r 2 ,
~.= 0
und viertens diesel' Vektor ~ normal zum Bewegungsvektor in PI ist und durch
dieSen Umstand allein in Abhiingigkeit von dem letzteren Betoegungsvektm" sieht.
Yel'gleicht man mit dieser Aussage die bisheri/icn Formulierungen**) des
namlichen Elementargesetzes tiber die ponderomotorische Wirkung bewegter
pun~tfijrmiger Ladungen aufeinander, so wird man nicht umhin konnen zuzugeben, daB diehier in Betracht kommenden Yerhaltnisse ihr inneres Wesen
*) A. Lienard, Champ electrique et magnetique produit par une charge concentree en un point et animee d'un mouvement quelconque, L'Eclairage electrique 16
(1898) S. 5, 53,106; E. Wiechert, Elektrodynamische Elementargesetze, Arch,. neerl. (2) 5
(1900) S.549.
**) K. Schwarzschild, Gottinger Nachr. 1903 S. 132; H. A. Lorentz, Enzykl. d.
math. Wissensch. V, Art. 14, S. 199.
68
H.
MI!<KOIVSKI
voller Einfachheit erst in vier Dimensionen enthiillen, auf einen von vornherein aufgezwungenen dreidimensionalen Raum aber nur eine sehr verwickelte Projektion werfen.
In der dem Weltpostulate gemaB reformierten Mechanik fallen die Disharmonien, die zwischen der N ewtonschim Meehanik und der modernen Elektrodynamik gestort haben, von selbst aus. Ieh will nochdie Stellung des
N ewtonschen A t;traktionsgesetzes zu diesem Postulate beriihren. Ieh
will annehmen, wenn zwei Massenpunkte 'In, 'lnl ihre Weltlinien beschreiben
warde von 'In auf 'ln1 ein bewegender Kraftvektor ausgeiibt genau von dem
soeben im Falle von Elektronen angegebenen Ausdruck, nur daB statt - eel
jetzt + 'ln1ftl treten soll. Wir betrachten nun speziell den Fall, daB der Beschleunigungsvektor von 'In konstant Null ist, wobei wir dann t so einfiihren
mogen, daB m als ruhend aufzufassen ist, und es erfolge die Bewegung von 1ftl
allein mit jenem von 1ft herriihrenden bewegenden Kraftvektor. Modifizieren
wir nun diesen angegebenen Vektor zunachst dureh Hinzusetzen des Faktors
i-I =
-V
1 - ::, der. bis auf GraBen von del' Ordnung l/e 2 auf 1 hinauskommt, so zeigt sich *), daB fiir die Orte Xli '!fJ, ZI von m1 und ihren zeitlichen Verlauf genau wieder die Keplerschen Gesetze hervorgehen wiirden,
nul' daB dabei an Stelle der Zeiten tl die Eigenzeiten 7:1 von 'lnl eintreten
wiirden. Auf Grund diesel' einfaehen Bemerkung laBt sieh dann einsehen,
daB das vorgeschlagene Anzieh:mgsgesetz verkniipft mit der neuen Mechanik
nicht weniger gut geeignet ist die astronomischen Beobachtungen zu eTklaren als'das Newtonsche Anziehungsgesetz verkniipft mit del' Newtonschen
Mechanik.
.A uch die Gmndgleichungen fiir die elektTomagnetischen V OTgange in
pondeTablen KOTpem fiigen sich durchaus dem Weltpostulate. Sogar die von
Lorentz gelehrte Ableitung diesel' Gleichungen auf Gmnd von V OTstellungen
del' Elektronentheorie braucht zu dem Ende keineswegs verlassen zu werden,
wie ich anderwarts zeigen werde.
Die ausnahmslose Giiltigkeit des Weltpostulates ist ;ii so mochte ich
glauben, del' wahre Kern eines elektromagnetischen W eiibildes,,, del' von
Lorentz getroffen, von Einstein weiter herausgeschalt, nachgerade vollends
am Tage liegt. Bei del' Fortbildung del' mathematischen Konsequenzen
werden genug Hinweise auf experimentelle Verifikationen des Postulatessich
einfinden, um auch diejenigen, denen ein Aufgeben altgewohnter Anschauungen l1nsympathisch odeI' schmerzlieh ist, durch de~(ledallkell an eine
pTastabilierte Harmonie zwischen del' reinen Mathematik und del' Physik
auszusohnen.
*) II. Minkow.ski,
Ill.
a. O. S. 110.
69
Raum und Zeit
Anmerkungen.
Von A. SOMMERFELD.
Es ist selbstveratandlich, daB bei der Neuherausgabe von Minkowskis Raum und
Zeit keib. Wort des Textes verandert werden durfte. Ich habe mich auch gescheut,
durch Hinweise auf die hier folgenden Anmerkungen den GenuB des Lesers zu storen.
Diese AnmerkungBn selbst sind keineawegs weaentlich; sie bezwecken nichts anderes,
als kleine formal-mathematische Schwierigkeiten aus dem Wege zu raumen, die dem
Eindringen in die groBen Gedanken Minkowskis im Wege shehen Mnnten. Auf die
an l\'l:inkowski anschlieI.lende Literatur ist nur soweit hingewieaen, ala aie in unmittelbarer Beziehung zu dem Gegenatande dieses Vortrages stent. Sachlich iat von dem,
was Minkowski hier sagt, heute, vier Jahre nach seinem Tode, vom physikalischen
Standpunkte aus meiner Meinung nachkeinWort zuriickzunehmen und kaum etwas
hinzuzufUgenj wiJl man slch erkenntnis-theoretisch zu Minkowskis Auffassung des
Raum-Zeit-Problems stellen will, ist eine andere Frage, aber wie mir scheint eine
Frage, die den physikalischen Sachverhalt nicht wesentlich beriihrt. Den nachsten
groBen Fortschritt in der Relativitatstheorie erwarten wir von der Einordnung der
Gravitation; bis hieriiber die Ansichten gekUirt sind, laI.lt sich nicht iibersehen, ob
wesentliche.An.derungen an den Anschauungen Minkowskis natig sein werden.
1) S. 60 Z. 13 v. u. "Andererseits hab der Begriff starrer Karper nur in der Mechanik
mit der Gruppe Goo einen Sinn". Dieser Satz ist in einer Diskussion, die ein Jahr
nach Minkowskis Tode im AnschluI.l an eine Arbeit seines Schiilers M. Born entstand,
in weitestem Umfange bestatigt worden. M. Born hatte (Ann. d. Phys. 30 (1909) S.l)
als relativ-starren Karper einen solchen definiert, von dem jedes Volumelement auch
bei beschleunigten Bewegungen .die zu seiner Geschwindigkeit gehOrige Lorentz-Kontraktion erfahrt. Ehrenfest zeigte (Phys. Zeitschr. 10 (1909) S. 918), daB ein solcher
Karper nicht in Rotation versetzt werden kann, Herglotz (Ann. d. Phys. 31 (1910) S. 39'3)
und F. Nather (Ann. d. Phys. 31 (1910) S.919), daB er nul' drei Grade der Bewegungsfreiheit hat. Es wurde auch versucht, einen relativ-starren Karper von seche oder
nenn Freiheitsgraden zu definieren. Demgegeniibel' lLuBerte Planck (P:!:tys. Zeitschr. 11
(1910) S.294) die Ansicht, daB die Relativitatstheorie nur mit mehr oder minder elastischen Korpern operieren kanne, und Laue bewies (Phys. Zeitechr. 12 (1911) S. 48) mit
den Methoden Minkowskis, im AnschluB an die Fig. 2 dieses Vortrages, daB in del'
Relativitatstheorie jedel' feste Karpel' unendlich viele Freiheitsgrade haben milsse.
SchlieBlich hat Herglotz (Ann. d. Phys. 36 (1911) S.453) eine 'l'elativistische ElastizitlLtstheorie entwickelt, nach welcher elastische Spaunungen immer dann auftreten,
wenn del' Karpel' Bich nicht relativ-starr im Bornachen Sinne bewegt. Del' relativstarre Karper spielt also in dieser Elastizitatstheorie dieselbe Rolle wie del' gewohnliche atarre Karpel' in der gewohnlichen Elastizitatstheorie.
---2
2) Zu S. 61 Z.12 v. u. "Eine leichte Rechnung ergibt ... OD' = 0011 1 -
:2 ".
Es sei in Fig. 1 cc=<]::A.'OA., fJ=<]::B'OA.'=<]::O'OB', wobei die Gleichheit der
beiden letzten Winkel aus der harmonischen Lage der Asymptoten gegen die neuen KofJ = %/4 ist
ordinatenachsen (konjugierte Durchmesser del' Hyperbel) folgt. Wegen cc
sin 2{J = cos 2cc.
Der SinuBsatz ergibt im Dreieck OD'O':
oD' sin 2 fJ cos 2 IX
00' =-cosa =
oder, da 00' = OA':
OD' = OA' cos
(1)
cos 2a
cc = OA' cos a (1 - to,
'go a)
+
cosa-
H.
70
MINKOWSKI
Sind x, t die Koordinaten des Punktes A'im x, t-System, also x· OA bez. ct· 0 0= ct· OA
die entsprechenden Abstande von den Koordinatenachsen, so hat man
x
v
(2)
x· OA = sin a . OA', ct· OA = cos IX • OA', - = tg a = - .
ct
c
Setzt man diese Werte von x und ct in die Hyperbelgleichung ein, so findet man:
(3)
OA'2(cos 2a _ sin 2 a) = OA2,
OA' =
also wegen (1) und (2)
OD'= OA -';1- tg2a = OA
(4)
OA
.
cos a-';1-tg2a'
V1- ;22.
Dies ist wegen OA = 00 die zu beweisende Formel.
Ferner ist in dem rechtwinkligen Dreieck OOD:
'00
OA
OD=--=--·
cos a
cos a
cn. (3)
kann daher auch so geschrieben werd-en:
OA'=
OD
-';1- tg 2 a
oder
OD =
OA'
V
1
2
v
c2
•
Dies liefert zusammen mit (4) die Proportion
OD: OA'= OD': OA,
welche wegen OA'= 00' und OA = 00 mit der S.61 Z.4 v. u. benutzten
OD: 00'= OD'; 00
identisch ist.
3) S. 63 Z.18 v. o. "Ein jeder Weltpunkt zwischen Vorkegel und Nachkegel von 0
kann durch das Bezugssystem als gleichzeitig mit 0, aber eben80gut auch als friiher
als 0 oder spater als 0 eingerichtet werden". Hierailf fiihrt M. Laue den Beweis des
Einsteinschen Satzes zuriick (Phys. Zeitschr. 12 (1911) S. 48): In der Relativitatstheorie
kann kein Vorgang kausaler Vcrkniipfung mit Uberlichtgeschwindigkeit fortgepfianzt
werden ("Signalgeschwindigkeit
c"). Angenommen ein Ereignis 0 verursache ein
anderes Ereignis P und angenommen der Weltpunkt P liege ill Zwischengebiete von O.
In dies em Falle wiirele die Wirkung von 0 nach P mit Uberlichtgeschwindigkeit iibertragen worden sein, relati'V zu dem betrachteten Bezugssystem x, t, in dem natiirlich
die Wirkung Pals spater wie die Ursache O· angenom~n werde, tp> O. Nun kann
man aber nach dem vorangestellten Zitat das Bezugssystem aband~i:n, soda.6 P friiher
als 0 zu liegen kommt, d. h. man kann ein System x', t' auf ,,~~endlicl;L. viele Arten
so wahlen, daBt; 0 wird. Das ist unvertraglich mit der VorsteUung der Kausalitatj also mu.6 P entweder "jenseits von 0" oder auf dem Nachkegel von 0 liegen,
d. h. die Fortpfla,nzungsgeschwindigkeit eines von 0 aus zu betatigenden Signals,
welches im Weltpunkte P ein zweites Ereignis zur Folge haben soll, mu/3 notwendig
c s1lin. (Natii.rlich kann man auch in der Reld.tivitatstheorie Vorgange definieren.,
~ B. geometrisch in 8ehr einfacher Art, die mit Uberlichtgeschwindigkeit fortschreiten j
solche Vorgang'e kannen aber niemals als Signale dienen, d. ~~'es ist unmoglich, sie
nach Willkiir einzuleiten unel mit ihnen an einem entfemten Ort z. B. ein Relais in
Gang zu setzen, So kann es z. B. optische MediEm geben, in denen die "Lichtge"
schwineligkeit"
c ist. Dabei ist abel' unter Lichtgeschwindigkeit verstanden die
Fortpfhtnzung der Phasen in einem unencUichen periodischen Wellenzug. Zum Signa-
<
.".
<
<
>
Raum
un~
Zeit
71
lisieren kann diese niemals dienen. Dagegen pflanzt sich der Kopf einer Welle unter
allen Umstanden und bei beliebiger Beschaffenheit des optischen Mediums mit der
Geschwindigkeit c fort; vgl. z. B. A. Sommerfeld, Festschrift Heinrich Weber (Leipzig
(Teubner) 1912) S. 338.)
4) S.64 Z. 2 v. o. Wie Minkowski gelegentlich zu mir bemerkte, ist das Element der Eigenzeit a'!: kein vollstandiges Differential. Verbindet man also zwei Weltpunkte 0 und P durch zwei verschiedene Weltlinien 1 und 2, so ist
Ja'!:=\= Ja'!:.
1
2
Verlauft 1 parallel der t-Achse, sodaB der erste Ubergang im zu Grunde gelegten
Bezugssystem die Ruhe bedeutet, so ist ersichtlich
Ja'!:=t, Jd'!:<t.
1
2
Rierauf beruht das von Einstein hervorgehobene Nachgehen del' bewegten Uhr gegen
die ruhende. Dieser Aussage liegt, wie Einstein hervorgehoben hat, die (unbeweisbare) Annahme zu Grunde, daB die bewegte Uhr tatsachlich die Eigenzeit anzeigt,
d. h. jeweils diejenige Zeit gibt, die dem stationar gedachten, augenblicklichen Geschwindigkeitszustand entspricht. Die bewegte Uhr muE natiirlich, damit sie mit der
ruhenden im Weltpunkts P yerglichen werden kann, beschleunigt (mit Geschwindigkeits- oder Richtungsanderungen) bewegt worden sein. Das Nachgehen der bewegten
Uhr zeigt also nicht eigentlich "Bewegung", sondern "beschleunigte Bewegung" an.
Ein Widerspruch gegen das Relativitatsprinzip selbst liegt daher nicht VOl'.
5) S. 64 Z. 20 v. o. Die Bezeichnung Kriimmungshyperbel ish dem elementaren
Begriff des Kriimmungskreises genau nachgebildet. Die Analogie wird zur analytischen
Identitat, wenn man statt del' reellen Zeitkoordinate t die imaginare l = ict benutzt,
also das c-fache der von Minkowski S. 66 benntzten Koordinate s. Nach S.62 hat
eine Zwischenhyperbel in der x, t-Ebene die Gleichung
X 2 _c 2 t 2 =Q2
also in del' x, l-Ebene
(mit k=Q),
X 2 +P=Q2.
Sie kann daher in Parameterdarstellung geschrieben werden, wenn rp einen reinimaginaren Winkel bedeutet:
x = Q cos rp,
1= Q sin rp .
Man kann hie1'llach die Hyperbelbewegnng, wie ich Ann. d. Phys. 33 S. 649, § 8 vorBchlug, auch ala "zykliache Bewegung" bezeichnen, wodurch ihre Haupteigenschaften
(Mitfiihrung jies Feldes, Auftreten einer Art Zentruugalkraft) beaonders deutlich gakennzeichnet werden. Fur die Hyperbelbewegung ist
also
.
ax
d'!:
..
dx
c2 .
di =Q"cosrp,
X=
X=
.,
=-~CSlllrp,
.
dl
1= a::t =
+ ic cos rp
..
c2
dl
•
l=--=-slnrp.
aT
Q
Der Betrag des Beschleunigungsvektors bei der Hyperbelbewegung ist daher c 2/ Q.
D,a eine beliebig yorgegebene Weltlinie von der Kriimmungshyperbel dreipunktig be-
H.
72
MUlKOWSKI
riihrt wird, hat jene mit der Hyperbelbewegung den Beschleunigungsyektor und deren
Betrag c 2/Q gemein, wie S. 64 Z. 10 y. u. angegeben.
l2 = Q 2 ist ersichtlich der
Der Mittelpunkt M der zyklischen Bewegung x 2
Punkt x = 0, l = 0, und es haben alle Punkte der Hyperbel von diesem Mittelpunkte
den konstanten "Abstand" Q, d. h. einen konstanten Betrag des Radiusvektors. (! bedeutet daher die in Fig. 3 eingezeichnete Strecke MP.
6) S. 65 Z.l1 v. o. Da6 man die Kraft X, Y, Z, um sie zu einem "Kraftvektor"
zu erganzen, mit t = d t / d7: zu multiplizieren hat, erkennt man so: N ach Minkowski
ist der Impulsvektor (S. 65 Z. 20 v. 0.) definiert durch
+
mx, mil, mi, mt".
m bedeutet die "konstante mechanische Masse" oder, wie Minkowski an anderer Stelle
noch deutlicher sagt, die "Ruhmasse". Halt man an dem Newtonschen Bewegungsgesetze fest (zeitliche Anderung des Impulses gleich Kraft), so hat man zu setzen
d·
dt mx = X ,
d.
Y
dt my = ,
d·
dt mz = Z .
Multiplikation mit i macht die linken Seiten zu Vektorkomponenten im Sinne Minkowskis. Daher sind auch ix, t Y, iz die drei ersten Komponenten des "Kraftvektors". Die vierte Komponente T folgt dann eindeutig aus der Forderung, da6 der
Kraftvektor zum Bewegungsvektor normal sein soIl. Die Minkowskischen Gleichungen
fiir die Mechanik des Massenpunktes lauten d~her (bei konstanter Ruhmasse):
mx=t'X, my=t"y, mz=t"Z,
mt=tT.
Ubrigens la6t sich die Annabme von der Konstanz der Ruhmasse nux auf.cecht halten,
wenn der Energieinhalt deB Korpera bei der Bewegung nicht geandert wird (wenn
diese in der Bezeichnung von Planck "adiabatisch und isochorisch" erfolgt).
7) S.66 und 67. Das Charakteriatische an den hier angegebenen Konstruktionen
istihre volIige Unabhangigkeit von einem speziellen Bezugsaystem. Sie geben, wie
es Minkowski S.57 postuliert, "Wechselbeziehungen UIiter den Weltlinien" (oder Weltpunkten) als "vollkommensten Ausdruck der physikalischen Gesetze". Auf die Koordinatenachsen xy zt wird z. B. S.66 unten bei dem elektrodynamischen Potential ("Viererpotential") erst daun BJlzug genommen, wenn dasselbe (in konventioneller Weise) in
einen skaJaren und Vektorbeil zerlegt werden soIl, welchen Teilen abel' yom relativistiscben Standpunkte aus keine selbstandige, invariante Bedeutung zukommt.
Ais Kommentar zu Minkowski habe ich (Ann. (1: Phys. 33 (1910) S. 649; § 7) eine
invariante analytische Darstellung rur das ViererpotentiaJtUnd fiiT die ponderomoto~
riache Wirkung zwischen zwei Elekironen aus den Maxwellschen ',!lleichungen nach
den Minkowskischen Methoden abgeleitet, welche die in Rede ste'tenden J1:onstruktionen MinkowskiB umschreiben. Da eine genane BegriiIldung derselbim hier zu weit
filhren wiirde, sei auf jene Darstellung oder auf die entsprechenden Ausfilhrungen bei
],I. Laue (Das Relativitatsprinzip (Braunschweig (Vieweg) 1913) § 19) hingewiesen.
8) S. 67 Z.5 v. o. Die invariante Darstellung des elektromagnetischen Feldes ala
"Vektor zweiter Art" (wofiir ich die, wie es scheint, sich,einbiirgernde Bezeichnung
"Sechservektor" vorgeschlagenhabe), biIdet einen besonders bedeutsamen .Teil der
Minkowskischen Auffassung der Elektrodynamik. Wahrend Min~"skis Ideen in dem
Begriff des Vektors erster Art ("Vierervektor") teilweise schon von Poincare (Rend.
Circ. Mat. Palermo 21 (1906) vorweggenommen waren, ist die Einfiihrung des Sechservektors bei Minkowski neu und wesentlich.Ebellso wie del' Sechservektor hangt die
Kraftschra,ube del' lIIechanik (Inbegriff einer Einzelkraft und eines Kraftepaares) 'von 6
Raum und Zeit
73
unabhangigen Parametern ab; eb(:lllso wie bei dem elektromagnetischell Felde "die
Scheidung in elektrische und magnetische Kraft eine relative ist", laBt sich bekallntHch bei der Kraftschraube die Zerlegung in Einzelkraft und Kraftepaar in sehr
mannigfacher Weise bewerkstelligen.
9) S. 68 .Abs.1. Minkowskis relativistische Form des Newtollschen Gesetzes subsumiert sich fiir den besonderen, im Text hervorgehobenen Fa'! I verschwindender Beschleunigung unter die allgemeinere Form. die Poincare (in del' soeben zitierten Arbeit)
vorgeschlagen hat; sie geht andererseits in der Beriicksichtigung der Beschleunigung
fiber diese hinaus. Wie aus Minkowskis oder Poincares Formulierllng des Gravitationsgesetzes hervorgeht, ist es (auf mannigfache Art) maglich, das Newtonsche Gesetz mit
der Relativitatstheorie zu versahnen. Dieses Gesetz wird dabei als Pnnktgosetz, die
Gravitation also gewisserma6en als Fernwirkung aufgefaBt. Die Schwierigkeiten, die
in letzter Zeit von Einstein und Abraham hervorgehoben worden sinel, tretell erst dann
auf, wenn man - was vom heutigen Standpunkte allerdings unabweislich erscheint die Gravitation als Feldwirkung anffassen will und nach dem Verbleib del' Gravitationsenergie im Felde fragt, und wenn man iiberdies das Postulat hinzufligt, da6 tl'age
und schwere Masse genau gleich sein sollen. Von hieraus ist Einstein neuerdings
dazu gelangt, die alte Relativitatatheorie von 1905 au6erordentlich zu erweitern und
zu vertiefen. In der "allgemein,en Relativitatatheorie" (Sitzungsberichte der K PreuBischen Akademie der Wiss., Oktober 1914; Einstein-GroBmann, Zeitschrift flir Mathematik und Physik, Bd. 62, und aeparat bei ';I'eubner 1913) hat das Linienelement der
Raum-Zeit-Mannigfaltigkeit variable Lange und bestimmt sich die Haum~Zeit-Struktur
aus oder zusammen mit der Gravitation. Das Relativitatsprinzip wird dabei
in
Weiterfiihrung der Minkowskischen Gedanken - dahin formuliert, d<LB es die Covarianz der physikaliscben GroBen hinsichtlich clerjenigen Transfol'lllationen fordert,
die das Linienelement in sich iiberfUhren. Wenn sich dieae vertiefte Gravitationstheorie ala vertraglich erweist mit gewisaen astronomischen und astrophysikaliachen
Beobachtungen, so verdient sie natiirlich weitaus den Vorrang gegeniiber der im Texte
besprochenen mehr auBerlichen Anpassung des Newtonschen Gesetzes an die Relativitatstheorie, die Minkowski und Poincare vorgeschlagen haben (Zusat:6 vom August 1915).
10) S.68 Aba. 2. Die "Grundgleichungen fUr die elektromagneti~chen Vorgange
in bewegten Karpern" sind von Minkowski in den Gattinger Nachrichten 1907 entwickelt. Es war ihm nicht mehr vergannt, "die Ableitung dieser Gleichung anf Grund
von Vorstellungen der Elektronentheorie" zu Ende zu fiihren. Seine cliesbezuglichen Ansatze sind von M. Born ausgearbeitet worden und bilden zusammen'mit den "Grundgleichungen" den ersten Band dieser Sammlung von Monographien (Leipzig 1910).
74
H. A.
LORENTZ
Das Relativitatsprinzip und seine Anwendung auf einige
besondere physikalische Erscheinungen.
Von H. A.
LORENTZ.")
Das Einsteinsche Relativitatsprinzip hier in Gottingen zu besprechen,
wo Minkowski gewirkt hat, erscheint mil' eine besonders willkommene
.
Aufgabe.
Man kann die Bedeutung dieses Prinzips von verschiedenen Gesichtspunkten beleuchten. Von del' mathematischen Seite del' Frage, die durch
Minkowski eine so glanzende Darstellung gefunden hat und von Abraham,
Sommerfeld u. a. weiter ausgebaut worden ist, soli hier nicht die Rede sein.
Vielmehr soJ}.en nach einigen erkenntnistheoretischen Betrachtungen fiber
die Begriffe von Raum und Zeit diejenigen physikalischen. Erscheinungen
erortert werden, die zu einer experimentellen Priifung des Prinzips beitragen
konnten.
Das Relativitatsprinzip behauptet foIgendes: Wenn eine physikalische
Erscheinung im Bezugssystem x, y, z, t durch gewisse Gleichungen beschrieben
wird, so wird es auch eine Erscheinung geben, die sich in einem andel'll J?ezugssystem x', y', z', t' durch dieselben Gleichungen beschreiben liiBt. Dabei
hangen beide Bezugssysteme durch Beziehungen zusammen, in denen die
Lichtgeschwindigkeit c vorkommt und die ausdriicken, daB das eine System
sich relativ zum andel'll mit gleichformiger Geschwindigkeit bewegt.
Befindet sich del' Beobachter A in dem er~ten, B in dem zweiten Bezugssystem, und verfiigt jeder iiber MaBstiibe und Uhren, die in seinem
System ruhen, so wird A die Werle von x, y,
B abel' die Werte von
x', y', z', t' messen, wobei zu bemerken ist, daB A und B si~ auch desselben
MaBstabes und derselben Uhr bedienen, konnen. Wir miissen oonehmen,
daB, wenn MaBstab und Uhr von dem ersten Beo bachter irgendwie dem
zweiten in die Hande gespielt werden, sie dabei von selbst die richtige
Lange bezw. den richtigen Gang annehmen, derart, daB B aus seinen Messungen die Werte von x', y', z', t' herausbekommt. Beide werden nun fur die
Lichtgeschwindigkeit den gleichen Wert finden und ub!i'~aupt die gleichen
Beo bachtungen machen konnen.
\
*) Aus: Alte und neue Fragen del' Physik; Vorlrage, gehalten in Gottingen vom
24.-29. Okt. 1910, ausgearbeitet von M. Born (phys. Zeitscbr.11 (1910».
Das Relativitatsprinzip u. seine Anwend. auf einige besond. physik. Erscheinungen
75
Gesetzt, es gabe einen· Ather; dann ware unter allen Systemen x, y, z, t
eines dadurch ausgezeichnet, daB die Koordinatenachsen sowie die Uhr
im Ather ruhen. Verbindet man hiermit die Vorstellung (die ich nul'
ungern aufgeben wiirde), daB Raum und Zeit etwas vollig Verschiedenes
seien und daB es eine" wahre Zeit" gebe (die Gleichzeitigkeit wiirde dann
unabhangig vom Orie bestehen, entsprechend dem Umstande, daB uns die
Vorstellung unendlich groBer Geschwindigkeiten moglich ist), so sieht man
leicht, daB diese wahre Zeit eben von Uhren, die im Ather ruhen, angezeigt
werden miiBte. Wenn nun das Relativitatsprinzip in der Natur allgemeine
Giiltigkeit batte, so warde man allerdings nicht in del' Lage sein, festzu.stellen,
ob das gerade benutzte Bezugssystem jenes ausgezeichnete ist. Man kommt
also dann zu denselben Resultaten, wie wenn man im AnschluB an Einstein
und Minkowaki die Existenz des Athers und der wahren Zeit leugnet und
alle Bezugssysteme als gleichwertig ansieht. Welcher der beiden Denkweisen
man sich anschlieEen mag, bleibt wohl dem einzelnen iiberlassen.
Urn die physikalische Seite del' Frage zu diskutieren, miissen wir zunachst die Transformationsformeln aufstellen, wobei wir uns auf eine spezielle
Form beschranken;. in dersie schon im Jahre 1887 von Voigt bei Erorierungen iiber das Dopplersche Prinzip benutzt worden sind, namlich:
z' = az - bet, t , =a t - -cb z;
dabei erfullen die Konstanten a > 0, b die Relation
x' = x,
y' = y,
a 2 _b 2 =1,
welche die Identitat
X'2
+ y'2 + Z'2 _
e 2t'2
=
x 2 .+
y2
+ Z2 _
c2 t 2
zur Folge hat. Del' Ursprung des Systems x', y', z' bewegt sich gegen das
System
x, y, fJ in der
.
_ z-Richtung mit del' Geschwindigkeit ab c, die immer
kleiner als c ist. Uberhaupt muB jede Geschwindigkeit kleiner als c angenommen werden.
Samtliche Zustandsgrot\en irgendeiner Erscheinung, in dem einen bez.
dem andern System gemessen, hangen durch gewisse Transformationsformeln
zusammen. Diese lauten z. B. fiir die Geschwindigkeit eines Punktes
\:J '=
x
u'co'
"
\:J' = aUz-bc
\:J'= Uy
y
ro'
•
wobei
ro'
bU.
w=a--"
c
ist.
Wir betrachten weiter ein System von Punkten, deren Geschwindigkeit
eine stetige Funktion der Koordinaten ist. Es sei dS ein den Punkt P(x,y,z)
umgebendes Raumelement zur Zeit t; diesem Werte t und den Koordinaten
76
H. A..
LORENTZ
von P entspricht nach den Transformationsgleichungen ein Zeitpunkt t' in
dem andern Bezugssystem, und jederPunkt, del' zur Zeit t in dS liegt, hat
fur diesen festgesetzten Wert von t' bestimllite x', y', {5'. Die Punkte x', y', z'
erfullen ein Raumelement dS', welches mit dS so zusl;tmmenhangt:
dS'= dS.
w
Denken wir uns mit den Punkten ein Agens (Materie, Elektrizitat etc.)
verbunden, und nehmen wir an, daB del' Beobachter B AnlaB habe, mit jedem
Punkte dieselbe Menge des Agens zu verbinden wie del' Beobachter A, so
mussen sich offenbar die Raumdichten urngekehrt verhalten wie die Volumelemente, d. h.
(/= roQ.
Alle diese Beziehungen sind reziprok, d. h. man kann die gestrichenen
und ungestrichenen Buchstaben vertauschen, wenn man gleichzeitig b durch
-b ersetzt.
Die Grundgleichungen des elektromagnetischen Feldes behalten bei del'
Transformation ihre Gestalt, wenn man folgende GraBen einfuhrt*):
0y'=ab!l + b,£)""
'£)y'=a'£)y-bb""
b;=ab",----'b,£)y,
'£);= a f)", + bbY1
b,'=O"
'£),'='£).;
zwischen diesen, del' transformierten Raumdichte Q' und del' transformierten
Geschwindigkeit lJ' geiten also im System x', y', rl, t' die Gleichungen:
divb'=
r/,
divff = 0,
rot '£)' = ~
c (6'
+ ~>'\J'),
l'otb'= - ~ ~'.
c
Soweitgeniigen die Feldgleichungen del' itektronentheorie dem Relativitatsprinzipi es wird sich abel' noch dal'um handel~, die Bewegungsgieichungen del' Elektronen selbst mit dem Pri:qzip in Emklang zu bringen.
Wil' werden, etwas allgemeiner, die Bewegung eines beliebigen materiellen Punktes betrachten. Hierbei ist die Einfuhrung des Begriffs "Eigenzeit", erner schonen Erfindung Minkowskis, Yon Nutzen. Danach gehort
jedem Punkte gewissermaBen eine eigene Zeit zu, die vom gewahlten Bezugssystem unabhangig ist; ihr Differential wird definie~e.urch die Gleichung:
d7:
=
-V1 -
:: dt.
*) Vgl., was die Bezeichnungen betrifft, Mathematisehe Eney klopadie V 14.
DasRelativitatsprinzip u. seine Anwend. auf einige besond. physik. Erscheinungen
Die mit Hilfe del' Eigenzeit
gebildeten Ausdrueke
'r:
d dx
(J;; a;:;
77
d dy
(J;; (J;; ,
,
d
a;:;
dz
d 7ir '
line are homogene Funktionen del' gewahnliehen Beschleunigungskomponenten, bezeichnen wir als Komponenten del' "Minkowskisehen Besehleunigung".
Wir besehreibendie Bewegung eines Punktes dureh die Gleiehungen:
'/11,
cl
dx
(J;; =
V\\
J.", f
usw. ,
wo m eine Konstante ist, die wir die "Minkowskische Masse" nennen. Den
Vektor bezeichnen wir als "Minkowskische Kraft".
Es lassen sieh dann leicht die Transformationsformeln fiir diese Beschleunigung und Kraft ableiten; m lassen wir ungeandert. So hat man
sr
V\\'_V\\
~",
-
~""
!?i:'l=asr._!!..C",ftl).
z
c... ~
V\\'_V\\
~y
-
~y'
~z
Das Wesentliche ist nun folgendes. Das Relativitatsprinzip erfordert, daB,
wenn bei einer wirklichen Erscheinung die Minkowskischen Krafte in bestimmter Weise von den Koordinaten, Geschwindigkeiten usw. im einen Bezugssystem abhangen, die transformierten Minkowskischen Krafte im andern
Bezugssystem in derselben Weise von den transformierten Koordinaten, Geschwindigkeiten usw. abhangen. Das ist eine besondere Eigenschaft, die alle
Krafte del' Natur haben mussen, wenn das Relativitatsprinzip gelten soil.
SetzElll wir das voraus, so kann man die auf bewegte Karpel' wirkenden Krafte
berechnen, wenn man sie fUr den Fall del' Ruhe kennt. Bewegt sich z. B.
ein Elektron von del' Ladung e, so denken wir uns ein Bezugssystem, in dem
es momentan ruM. Dann wirkt auf das Elekkon in diesem System die Minkowskische Kraft
= eO;
hieraus folgt durch Anwendung del' Transformationsgleichungen fur und D,
daB die in einem beliebigen Koardinatensystem auf das mit del' Geschwindigkeit tJ bewegte Elektron wirkende Minkowskische Kraft
sr
,
sr =
sr
b
e
1
+ -[b·g]
c
1/1 _
V
b
2
c2
betragt. Diese Formel stimmt mit dem gewahnlichen Ansatz del' Elekbronentheorie nicht uberein infolge des Auftreten~ des Nenners. Del' Unterschied
ruhrt daher, daB man gewahnlich nicht mit unserer Minkowskisehen, sandern mit del' "Newtanschen Kraft" g: operiert, und wir sehen, daB fur ein
Elektron diese beiden Krafte folgendermaBen zusammenhangen:
g: = sr -V1 - :~ .
Man wird annehmen, daB diese Beziehung fur beliebige materielle Punkte gilt.
Math. Monogr. 2: Einstein, Lorentz, Minkowski: RelativitatBprinzip.
G
H. A.
78
LORENTZ
Somit kann man die Bewegungserscheinungen auf zwei verschiedene
Wei sen behandeln, entweder mit del' Minkowskischen oder mit del' N ewtonschen Kraft. Im letzteren Falle lauten die Bewegungsgleichungen
~
=
I
d
g
t
mi il + m2i2'
und hier bedeuten jl die gewohnliche Beschleunigung in del' Richtung del'
Bewegung, i2 die gewohnliche N ormalbeschleunigung, und man nennt die
Faktoren
Sl
s~
B
ff
m
'111
2
=-===
11
l.J2
r 1-(;2
die "longitudinale" und "transversale Masse".
Genau so wie die Minkowskischen Krafte, miissen auch die in del' Natur
vorkommenden N ewtonschen Krafte bestimmten Bedingungen geniigen, wenn
das Relativitatsprinzip erfiint sein soll. Das ist z. B. del' Fall, wenn, unabhangig von del' Bewegung, auf eine FHtche ein N ormaldruck von del' konstanten GroBe p pro FIacheneinheit wirkt; im transformierten System wirkt
dann auf das entsprechende bewegte Flachenelement ein normaler Druck von
del' gleichen GroBe.
Da wir die Invarianz der Feldgleichungen bereits erkannt haben, lauft
die Frage, ob die Bewegungen in einem Elektronensystem dem Relativitatsprinzip entsprechen, lediglich auf eine experimentelle Priifung del' Formeln fiir
die longitudinale und transversale Masse 1nl , m2 heraus; 0 bgleich die Versuche
vou Bucherer und Hupka diese Formeln zu bestatigen scheinen, ist man zu
einer definitiven Entscheidung noch nicht gekommen.
Beziiglich del' Masse des Elektrons ist noch zu bedenken, daB diese elektromagmitischer Natur ist; sie wird also von de~Yerteilung del' Ladungen
innerhalb des Elektrons abhangen. Die Formehi'l'iir die Masse konnen daher
nul' dann richtig sein, wenn die Ladungsverteilung und v~it auch die Gestalt des Elektrons in bestimmter Weise mit del' Geschwindigkeit veranderlich sind. Man muB ann ehmen, daB infolge einer Translation ein Elektron,
das ruhend eine Kugel ist, ein in del' Bewegungsrichtung abgeplattetes Ellipsoid wird; del' Betrag del' Abplattung ist
1/1 _
r
l.J
c
2
•
2
N ehmen wir an, daB Gestalt und GroBe des Elektrons durch innere Krafte
reguliert werden, so miissen diese, um mit dem Relativitatsprinzip vertraglich zU sein, derartige Eigenschaften haben, daB sich jene Abplattung bei
el
jt
el
el
II
E
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BC,
Se
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dil
.s Relativitiltsprinzip u. seine Anwend. auf einige besond. physik. Erscheinungen
79
r Bewegung von selbst einatellt. Hierzu hat Poincare folgende Hypothese
macht. Das Elektron ist eine geladene ausdehnbare Haut, und den elekschenAbstoBungen der einzelnen Punkte widersetzt sich eine innere N ormalannung von unveranderlicherGroBe. In del' Tat geniigen nach obigem solche
)rmalspannungen dem Relativitatsprinzip.
In derselben Weise mUssen alle innerhalb del' ponderablen Materie wirknen Molekulaikrafte, ebenso die auf die Elektronen wirkenden quasi-elastilen und Widerstandskrafte, bestimmtenBedingungengeniigen, urn mit dem
lativitatsprinzip im Einklang zu sein. Dann wird jeder bewegte Korper
. einen mitbewegten Beobachter unverandert sein, fUr einen ruhenden abel'
.e Veranderung del' Dimensionen .erfahren, die eben eine Folge del' durch
Ie Bedingungen geforderten Anderung del' Molekularkrafte ist. Hieraus
~ibt sich auch von selbst jene Verkiirzung del' Korper, welche schon friiher
lacht wurde zur Erklarung des negativen Aus£alls des Michelsonschen
;erferenzversuches und aller ahnlichen Versuche, die einen Ein:fl.uB del'
c1bewegung auf optische Erscheinungen festst~llen souten.
Was den starren Korper anlangt, mit dem sich Born, Herglotz, F. N oether,
,i-Civita beschiiftigt haben, so werden die bei del' Betrachtung del' Rota!len auftretenden Schwierigkeiten wohl dadurch zu heben sein, daB man
Starrheit del' Wirksamkeit besonders inteDsiver Molekularkrafte zuxeibt.
SchlieBlich wollen wir uns del' Gravitation zuwenden. Das Relativitats!lzip erfordert eine Abanderung des N emoDschen Gesetzes, VOl' allem eine
·tp:fl.anzung del' Wirkung mit Lichtgeschwindigkeit. Die Moglichkeit emer
lichen Fortp:fl.anzungsgeschwindigkeit del' Schwerkraft .ist schon von La~e diskutierl worden, del' sich als Ursache del' Schwerkraft ein gegen die
me stromendes Fluidum dachte, das die Planeteu gegen die Sonne driickt.
fand, daB die Geschwindigkeit c dieses Fluidums wenigstens 100 Millionen
. gratler als die des Lichtes angenommen werden mUsse, damit die RechIg mit den astronomischen Beobachtungen im Einklang bleibt. Die Notldigkeit emes ,so groBen Wertes yon c riihrt daher, daB in seinen Endin del' ersten Potenz auftritt, wo v die Planetengeneln die GroBe"!:"
c
w;udigkeit ist. Soll nun .abel' die Fortp:fl.anzungsgeschwindigkeit c del'
.werkraft den Wert del' Lichtgeschwindigkeit haben, wie es das Relativiprinzip forderl, so kann ein Widerspruch mit den Beobachtungen nur
n vermieden werden, wenn In dem Ausdruck fUr das modifizierte Graviauftreten.
onsgesetz nul' GroBen zweiter (und hoherer) Ordnung in ..!:..
c
Beschrankt man sich auf GroBen zweiter Ordnung, so laBt sich leicht
Grund einer naheliegenden elektronentheoretischen Analogie eine Be5ung angeben, die daB abgeanderte Gesetz in eindeutiger Weise festlegt.
6*
/
H. A.
80
LORENTZ
Betrachtet man namlich die Kraft, die auf ein mit del' Geschwindigkeit \)
bewegtes Elektron wirkt,
so hangen die Vektoren b und ~ noch von den Geschwindigkeiten \)' der das
Feld erzeugenden Elektronen ab; in dem Vektorprodukt [tJ . ~J kommen daher
wohl die Produkte del' Form \)\)' Val', nicht abel' das Quadrat \)2 del' Geschwindigkeit des betrachteten Elektrons. N ehmen wir entsprechend an,
daB im Aqsdruck del' auf den Punkt 1 wirkenden Anziehung, ausgeubt von
Punkt 2, das Quadrat der Geschwindigkeit des Punktes 1, \)1 2, nicht auftritt,
so muB in einem Bezugssystem, in dem del' Punkt 2 ruht (\),2 = 0), jede Geschwindigkeit iiberhaupt herausfallen; das Gesetz wird sich daher in diesem
System auf das gewohnliche Newtonsche reduzieren. Geht man jetzt dmch
Transformation zu einem beliebigen Koordinatensystem tiber, so findet man,
daB sich die auf den Punkt 1 wirkende Kraft aus zwei Teilen zusammensetzt, erstens einer Anziehung in Richtung der Verbindungslinie vom Betrage
R
+ c\ {~
\)2
2
R
+~
2
\)2 r
. zweitens einer Kraft in der Richtung
(r ~~ - R) \)2
(tJ1 • \)2) R } ,
vom Betrage
1
C2 \)lr R \)2;
hier bedeutet r die Entfernung zwischen zwei gleichzeitigen Lagen beider
Punkte, \)r die Komponente von \) nach del' von 1 nach 2 gezogenen Verbindungslinie und R diejenige Funktion von r, welche im Faile del' Ruhe
das Anziehungsgesetz darstellt (R = k2 bei del' Newtonschen Attraktion,
r
R=k~' bei quasi-elastischen Kraften). Zu beachten ist, daB hier unter "Kraft"
immer die "Newtonsche Kraft" zu verstehen ist, nicht die "Minkowskische".
Ubrigens hat Minkowski fur das Gesetz der Schwerkraft einen etwas anderen
Ausdruck angegeben. Bei Poincare findet sich.Jowohl diesel' als ahch del'
oben hingeschriebene.
-,
Es ist zu beachten, daB bei diesen Gesetzen del' Sch~rkraft
das Prinzip
~4"''ffi,
~
der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung nicht enullt ist:
Es sollen nun die Storungen erort.ert werden, welche durch jene Zusatzglieder zweiter Ordnung entstehen konnen. Es gibt da neben vielen kmzperiodischen Storungen, die keine Bedeutung haben, eine sakulare Bewegung
des Perihels del' Planeten. De Sitter berechnet diese fur den Merkur zu
6,69" pro Jahrhundert.*) Nun kennt man seit Lapla~'eine Perihelanomalie
des Merkurs vom Betrage 44" pro J ahrhundert; wenn diese auch das rich*) Dies war eine ersteAnnaherung. Bei ciner neuen Berechnung. hat de Sitter
den Wert 1,15" gefunden (Monthly Notices of R. A. Sc. 71 (1911) S.405).
Das Relativitatsprinzip u. seine Anwend. auf einige besond. physik. Erscheinungen
81
tige Vorzeichen hat, ist sie doch viel zu groB, um durch jene Zusatzglieder
erklart werden zu konnen. Vielmehr wird sie von Seeliger auf eine Storung
durch. den Trager des Zodiakallichtes zuriickgefiihrt, dessen Masse man in
plausibleI' Weise geeignet bestimmen kann. Hieraus kann also keine Entscheidung gewonnen werden, so lange nicht die Genauigkeit del' astronomischen Messungen wesentlich gesteigert wird. Bei einer absoluten Genauigbit wiire auch del' Unterschied del' "Eigenzeit" del' Erde von del' Zeit des
Sonnensystems zu beriicksichtigen.
Eine andere Methode, die Gultigkeit Ms abgeiinderten Gravitationsgesetzes zu priifen, kanll man auf ein Verfahrell griinden, das Maxwell zur
Entscheidung dariiber vorgeschlagen hat, ob das Sonnensystem sich durch
den Ather hindurchbewegt. Ist dieses del' Fall, so miiBten die Verfinstet~ungen der Trabanten des Jupiters, je nach del' Stellung dieses Planeten zur
Erde, Verfriihungen odeI' Verspatungen erleiden.
Denn betragt die Entfernung Jupiter-Erde a und die Geschwindlgkeitskompollente des Sonnensystems im Ather in Richtung del' Verbindungslinie
Jupiter-Erde v, so wird die Zeit a , die das Licht im Falle del' Ruhe zum
c
D~chlaufen del' Strecke a brauchell wiirde, verwandelt in c ~
es kommt
v;
also durch die Bewegung eine Verfrilhung odeI' Verspatung zustande, die
bis 8iuf Glieder zweiter Ordnung ca~ betragt und die je nach dem Werte del'
Geschwindigkeitskomponente v, welche ja von del' Stellung del' beiden Planeten abhangt, verschiedene Werte annimmt. Nun ist klar, daB eine solche
Abhangigkeit del' Erscheinungen von del' Bewegung durch den Ather dem
Relativitatsprinzip widerspricht.
U m diesen Widerspruch aufzukHi,ren, wollen wir uns die Sachlage schematisch vereinfachen. Wir denken uns, daB die Sonne Seine Masse habe,
die im Verhaltnis zu del' des Planeten unendlich graB sei. Die Geschwindigbit des Sonnensystems falle in' die
z-Achse, die wir durch die Sonne
gehell lassen. Die Schnittpunkte del'
\ ~
Bahn des Planeten mit del' .z-Achse --0;'1-----;0>+-'-'--;;S--+A-:-'·'----~> z
bezeichnen wir als obel-en bezw.
unteren Durchgang A bezw. B
Fie. 5,
(Fig. 5).
Den Beobachter verlegen wir auf die Sonne. Bei jedem Durchgange
des Planeten durch die z-Achse moge eill Lichtsignal zur Sonne hineilell.
Die Umlaufszeit sei T. Wenn die Sonne ruht, wird bei del' als kreisformig
vorausgesetzten Bewegung die Zeit zwischen 0 berem und unterem Durchgange iT betragen; clesgleichen auch die Zeit zwischen dem Eintrefl'en der
e
H. A.
82
LORE~TZ
beiden Lichtsignale. Bewegt sieh dagegen die Sonne in del" E-Riehtung, so
muE das Liehtsignal vom obm'en Durehg2.nge eine Verfriihung um ; ~, das
voni unteren Durchgange eine Verspatung vom selben Betrage erleidenj falls
die gleichformige Umlaufsbewegung (wie Maxwell als selbstverstandlich voraussetzt) ungestol't el'halten bleibt, wiirde das Zeitintervall zwischen dem
Eintl'effen del' Lichtsignale. zweiel' aufeinanderfolgender Durchgange abwechselnd um 2a.v
c - vergToEert und verkleinert erschei!len. Die hiel'bei VOl':"
ausgesetzte Erhaltung del' gleichformigen Kreisbewegung bei einer Translation im Ather ist abel' nachdem Rela~iyitatsprinzip unmoglich. Beschreiben
wil' namlich den V organg in einem Koordinatensystem, das an del' Bewegung
nicht teilnimmt, so wil'd das modifizierte Gravitationsgesetz anzuwenden sein,
und dieses ergibt eine UngleichfOrmigkeit del' Planetenbewegung, infolge
de1'en die Verschiedenheit del' Zeitintervalle zwischen demEintreffen del'
Lichtsignale gerade aufgehoben wi1'd.
Es kann daher die Feststellung, ob eine Verfrlih11ng odeI' Verspatung
del' Verfinsterungen wirklich eintritt, zur Entscheidung fiir odeI' gegen das
Relativitatsprinzip benutzt werden. Allerdings sind die nnmerischen Verhaltnisse wieder recht unglinstig. So schatzt Herr Burton, dem 330 ph"otometl'ische Beobachtungen zur Verfiigung stehen, die an del' Harvard-Sternwade libel' die Verfinsterungen des 1. Jupitersatelliten angestellt worden
sind, den wahrseheinlichen Fehler des sehlieBliehen Resultats flir v auf
50 km/sec;andl'erseits hat man Sterngesehwindigkeiten von 70 km/sec
beobachtet und die Gesehwindigkeit des Sonnensystems gegen den Fixsternhimmel wil'd auf 20 km/see geschatzt. Durch' Burtons Bereehnungen wird
also das Relativitatsprinzip sehwerlich gestiitzt, hOehstens zu Fall gebracht
werden konnen, namlich wenn sieh schlieBlich z. B. ein 100 km/see libersteigender Wert ergabe.
. Lassen WIT es dahin gestellt, ob die neue Mechanik dureh astronomisehe
Beobachtungen eine Bestatigung erfahren wird od~r nicht. Doch wollen WIT
es nieht unterlassen, noch einige ihre1' Grundfor~ln kennen zu lernen.
Definiert man die Arbeit als ·das skalare Produktjlus "Newtonseher
Kraft" und Verscliiebung, so ergeben die Bewegungsgleiehungen das Energieprinzip in del' gewohnlichen Form, daB die pro Zeiteinheit geleistete Arbeit
gleieh der Zunahme der Ene1'gie c ist:
~
q: dx
u", dt
q: dy
q:
dz _ .de
- (it'
+ Uy dt + u. dt
Dabei hat die Energie den Ausdruck:
DaB Relativitatsprinzip u. seine Anwend. auf einige besond. physik. ErBcheinungen
83
das stimmt fUr kleine Geschwindigkeiten mit dem Wert del' kinetischen
Energie del' gewohnlichen Mechanik
uberein.
Ferner kann man aus den Bewegungsgleichungen das Hamiltonsche
Prinzip
t,
JCrYL
+ rYA) dt =
0
t,
ableiten; hier ist oA die Arbeit del' "Newtonschen Kraft" bei einer virtnellen
Verruckung und L die Lagrangesche Funktion, die folgendermaBen lautet:
L=-mc2(Y1-·ctJ22
-1).
Aus dem Hamiltonschen Pr'inzip kann man umgekehrt wieder die Bewegungsgleichungen gewinnen. Die GraBen
OL
oL
oL
ox' oy'
aT
werden als Komponenten dct, Bewegungsgrof3e zu bezeichnen sein.
Alle dieooFormeln kann man an den elektromagnetischen Bewegungsgesetzen eines Elektrons verifizieren; man hat dann fur die "Minkowskische
Masse" m den Wert
2
e
m = 61tRc 2
zu setzen und zu del' elektrischen und del' magnetischen Energie die Energie
jener inneren Spannungen hinzuzufugen, welche, wie wir sahen, die Form
des Elektrons bestimmen. So kann man aus dem aligemeinen Prinzip del'
kleinsten Wirkung fur beliebige elektromagnetische Systeme, welches in dem
ersten Vortrage besprochen wurde*), durch Spezialisierung auf ein Elektron
das eben angegebene Hamiltonsche Prinzip fur einen materiellen Punkt gewinnen, doch muB wieder die Arbeit jener inneren Spannungen berilcksichtigt werden.
Wir gehen jetzt dazu uber, die Gleichtmgen. des elekbromagnetischen
Feldes fUr ponderable Korpm' zu betrachten. Diese sind rein phanomenologisch von Minkowski aufgestellt worden, dann ist von M. Born und
Ph. Frank gezeigt worden, daB sie sich auch aus den Vorstellungen del'
Elektronentheorie herleiten lassen;auch ich selbst habe auf letzterem
Wege die Gleichungen in einer formal etwas abweichenden Gestalt erhalten.
Um Beziehungen zwischen beobachtbaren GraBen zu bekommell, muB
man durch Bildung von Mittelwerten uber groBe Mengen von Elektronen
die Einzelheiten del' von ihnen herruhrenden Erscheinungen verwischen.
*) Phys. Zeitschr. 11 (1910) S. 1235.
84
H. A.
LORENTZ
Man wird so auf folgende Gleichungen gefiihrt (die mit denen del' gewahnlichen Maxwelischen Theorie gleichlauten):
divSD =
(lp
div1.8
=
0,
rot S)
=
rot ® =
~ (~+ :il),
-
~~.
c
Hierin ist SD die dielektrische Verschiebung, 1.8 die magnetische Induktion, .~ die niagnetische Kraft, ® die elektrische Kraft, ~ del' elektrische
Strom, II, die Dichte del' beobachtbaren elektrischen Ladungen. Deutetman
die Mittelwerthildung durch Uberstreichen an, so ist z. B.
®=b,
1.8=~,
wob, f) die friihere Bedeutung haben; ferner ist
SD=®+~,
S)
=
1.8 - JIJC -
c1
.
[~ ttl] ,
wo ~ das elektrische ~'1oment, M die Magn~tisierung pro Volumeinheit
und ttl die Geschwindigkeit del' Materie bedeuten. Bei del' Ableitung diesel'
Formeln sondert man die Elektronen in drei Arlen. Die erste Art, die. Polarisationselektronen, erzeugen durch ihre Verschiebung das elektrische Moment ~; die zweite Art, die Magnetisierungselektronen, erzeugen durch ihre
UmUiufe das magnetische Moment M; die dritte Art, die Leitungselektronen, bewegen sich frei in del' Materie und erzeugen die beobachtbare
Ladullgsdichte (h und den Strom~. Letzterer ist noch in zwei Teile zu
trennen; denn ist U die Relativgeschwindigkeit del' Elektronen gegen die
Materie, so ist die gesamte Geschwindigkeit del' Elektronen iJ = ttl + u, also
del' von ihnen transportierte Strom
~ = Q\) ="Qttl + QU;
Q ist die beobachtbare Ladung QI' Qttl del' Konvektionsstro% QU del' eigentliche Leitungsstrom (£l.",~l
Fiir alie diese GraBen existieren Transfor~atiol1sformeln, von denen
einige angegeben ,verden magen:
r
r'rr
\!;l.x = \!;l.""
ri}'_rr
\!;l.y - \!;l.y'
rr'
IT
b
~. = a\!;l.z- CQZI
(h' =
aQ,-
5.l3,,'= a~x- ~ (ttlz~x- ttl",~J + b~).~
l.l3 y'= (t~y- ~ (ttl.~y- ttly~z) - bM""
~z'= ~z
cb
rr
\!;l..,
Das Relativitatsprinzip u. seine Anwend. auf einige besond. physik. Erscheinungen
85
Ferner sind folgende Hilfsvektoren von Nutzen:
oPl = oP - ~ [tv·~],
~l = @
lJ:\ = 5S -
+ C1 [ttl . 5S] ,
~1
=
~
! [tv,~],
+ C1 [ttl . oP] .
Die angegebenen Feldgleichungen mussen jetzt noch erganzt werden
durch .Aufstellung del' Beziehungen, die zwischen den VektOl'en @, oP und
)\), 5S bestehen. Man kann diese Relationen auf zwei Weisen gewinnen.
Die erste phanomenologischeMethode verfahrt so: Man betrachtet einen
beliebig bewegten Punkt del' Materie und fuhrt ein Bezugssystem ein, in
dem diesel' ruM; dann wird, falls das den Punkt umgebende Volumelement
in dem Ruhesystem isotrop ist, z. B. zwischen ~ und ~ die fur ruhende
Karpel' zutreffende Gleichung gelten
~ = 8~,
odeI' auch
~1
=
f.@1'
weil die Hilfsvektoren ~1I @1 fitr Iv = 0 mit ~, @ identisch sind. Nun transformieren sich abel' ~l und @1 in gleicher Weise, und daraus folgt, daB auch
im ursprunglichen Bezugssystem die Gleichung
~1 = f.@1
gi.i.ltig bleibt. Entsprechend ist
5S1 =
fLoPl'
Was den Leitungsstrom betrifft, so bemerken wir nul', daB e1' von ~1 abhangt.
Die zweite Methode geht auf die Mechanik del' Elektronen zuruck.
Ebenso wie sich fur ruhende Karpel' die Gleichung ~ ...:.- f.@ als Folge del'
.Annahme quasi-elastischer Krafte erweist, die die Elektronen in ihre Ruhelagen zuruckziehen, wird man bei bewegten Karpern die Gleichung ~1 = f.@1
erhalten, wenn man den quasi-elastischen Kraften diejenigen Eigenschaften
zuschreibt, die das Relativitatsprinzip verlangt. Letzteres wird erfiillt sein,
wenn man fur diese Krafte den .Ausdruck des verallgemeinerten A.ttraktionsgesetzes ansetzt, wobei R proportional r genommen werden muB,
Ahnliches gilt von del' Erklarung des Leitungswiderstandes. Eine befriedigende elektronentheoretische Erklarung del' magnetischen Eigenschaften
del' Karpel' ist zurzeit nicht vorhanden.
Zum .AbschluB soli die Bedeutung del' vorstehenden Gleichungen an drei
bemerkenswerten Fallen erlautert werden.
Die erste Bemerkung kniipft an die Gleichung
Ql
an. Znfolge diesel' kann
,
=
b rr
a(Jl- c~:
(J/ verschwinden,
ohne daB !h
=
0 zu sein braucht,
86
H. A.
LORENTZ
weun nUl" ein Strom ~ vorhallden ist; d. h. ein Beobachter A wird den Korper
fiir geladen erklaren, den ein relativ zu ihnl bewegter B fiir ungeladen halten
mu13. Man kann das verstehen, wenn man beachtet, da13 in jedem Karpel'
gleich viele positive und negative Elektronen vorhanden sind, die sich bei
ungeladenen Karpel'll kompensieren. Bewegt sich del' Karpel' mit del' Geschwindigkeit ttl, so werden, wenn ein Leitungsstrom vorhanden ist, beide
Elektl'onenarten vel'schiedene Gesamtgeschwindigkeiten erhalten, also wird
verschiedene Werte habell. Befiir beide Arten auch die Gro13e w = a - b ~
e
l'echnet nun ein mit dem Korper bewegter Beobachter B den Mittelwert del'
Ladungsdichte!/ WQ fiir beide Arten von Elektronen, so kann er die
Summe Null erhalten, auch wenn sich fiir einen Beobachter A, in dessen
Bezugssystem del' Korper sich bewegt, die Mittelwerte Q del' positiven und
negativen Elektronen nicht kompensieren.
Diesel' Umstand mft eine Reminiszenz an eine alte Prage hervor. Um
das Jahr 1880 gab es unter den Physikem eine gro13e Diskussion iiber das
Olausiussche Grundgesetz del' E1ektrodynamik. Man wollte damals einen
Widerspmch dieses Gesetzes mit den Beobachtungen herleiten, indem man
sch1013, da13 nach dem Gesetze ein auf del' Erde befindlicher stromdurchfiossener Leiter auf 'eine mitbewegte Ladung e infolge del' Erdbewegung eine
Wirkung ausiiben miiEte, die man hatte auffinden konnen. Da13 das Gesetz
tatsachlich diese Wirkung nicht fordert, hat Budde bemerkt; es riihrt das
daher, daE del' Strom durch die Erdbewegung auch auf sich selbst wirkt
und eine "Kompensationsladung" auf dem durchfiossenen Leiter hervorruft,
die jene erste Wirkung genau aufhebt. Zu ahnlichen Schliissen fiihrt die
Elektronentheorie und ich finde fiir die Dichte del' Kompensationsladung,
wenn die Geschwindigkeit die Ric-htung del' z-Achs\'l hat,
1
(J2 ttlz~.;
~'
diese muE ein an del' Bewegung del' Erde nicht' teilneh:tp.ender Beobachter A
als vorhanden annehmen, wahrend sie fiir einen mitb~'iegten Beobachter B
nicht besteht. Del' angegebene Wert stimmt genau mit del' aus dem Relativitatsprinzip abgeleiteten Formel iiberein; denn ist Qz' = 0, so findet man
aus diesel' Pormel
b
{)--~
';-1-
ae
z'
und da ttl. = be nach dem im Vorhergehenden (S~75) Gesagten die Gea
schwindigkeit del' beiden Bezugssysteme gegeneinander ist, so findet man in
del' Tat
einig~
Das Relativitatsprinzip u. seine Anwend. auf
besond. physik. Erscheinungen 87
Die zweite Bemerkung geht von den Transformationsgleichungen fiir das
elektrische Moment lj5 (S.84) aus, welche dadurch, daB in ihnen die Magnetisierung'i1R vorkommt, die Unmoglichkeit erkennen lassen, scharf zwischen
Polarisations-undMagnetisierungselektronen zu unterscheiden. Vielmehr kann
in einem magnetisierten Korper('i1R=\=O), von einem Bezugssystem aus beurteilt,
lj5 = 0 sein, wahrend in einem andern Bezugssystem lj5' von Null verschieden
ist. Es soll das nun auf einen speziellen Fall angewendet werden, wobei
wir uns auf GroBen 1. Ordnung beschranken. Del' betrachtete Ki:irper (etwa
ein Stahlmagnet) enthalte nur Leitungselektronen und solche, die, wenn del'
Korper ruht, ein IDe, abel' bin ~ hervorbringen; er habe die Gestalt einer
unendlich ausgedehnten ebenen Platte, begrenzt von zwei Ebenen a, hi die
Mittelebene machen wir zur yz-Ebene (Fig. 6). Wenn er ruht, mi:ige in del'
y-Richtung eine konstante Magnetis~erung 'i1Ry be:y
stehen, wahrend lj5 = 0 ist. Bekommt der Korper
in del' z-Richtung die Geschwindigkeit v, so wird
I
I
ein an del' Bewegung nicht teilnehmender Beobach~
d
I
ao,
tel' die elektrische Polarisation
sn=-~'i1R
1-'",
C
Y
wahrnehmen. Jetzt denken ·wir uns zu beiden Seiten
des Korpers zwei Konduktoren OJ d, welche mit ihm
zusammen zwei gleiche Kondensatoren bilden, und
diese mi:igen durch einen Draht (von 0 nach d) kurzgeschlossen sein. Bei der Bewegung werden auf 0
Fig.6.
nud d Ladungen entstehen, die sich I'lO berechnen lassen. Da offenbal' ein
Strom in del' x~Richtung unmoglich ist, ist ~lx = 0 odel' ~'" = ~
)8.
Da
c
-y
del' Vorgang stational' ist, wird )8 = 0; dann folgt aus rot ~ = 0 die Existenz
eines Potentials cpo 1st A die Dicke der Platte, so hat man
CPa - CPb = : A~!I'
Aus der Symmetrie del' Anordnung folgt oft'enbar
CPa - CPa = CPb - q;c'
und weil die Platten 0, d kurzgeschlossen sind, mu.B
CPa
=
Cfic
sein; daraus ergibt sich
CPa - CPa
=
-
2'IJc
.d~Y·
1st r die Kapazitat eines der beiden Kondensatoren, so wird die Ladung
de~ Platte d gleich
'11
- 2C r.d)8y,
und 0 bekommt den entgegengesetzt gleichen Betrag.
88
H. A.
LORENTZ
Jetzt vergleichen wir diesen Vorgang mit dem umgekehrten Fail, daB
del' Magnet ab ruht und die Platten 0, d sich mit del' entgegengesetzten Geschwindigkeit bewegen. Dann muBte nach dem Relativitatsprinzip ailes ganz
ebenso sein, wi~ im ersten FaIle. In del' Tat find!3t man sofort aus dem gewohnlichen Induktionsgesetz geuau den 0 ben angegebenen Betrag del' Ladung
auf del' Platte d. Abel' es muB jetzt diese Ladung auf d eine entgegengesetzt
gleiche auf del' Ebene a des ruhenden Magneten influenzieren, und Entsprechendes muB fur b und 0 geIten. Da ein Strom mcht flie.Ben kann (~= 0),
mussen in beiden Fallen, ob del' Magnet sich bewegt und die Platten l'Uhen,
odeI' umgekehrt, dieselben Laclungen auf dem Magneten bestehen. Wir haben
uns also zu uberlegen, wie es kommt, daB in dem zuerst behandelten FaIle
auf del' Ebene a des bewegten Magneten die entgegengesetzte Ladung wie
auf del' Platte d auftritt; es wird dies nul' moglich durch jene bei del' Bewegullg entstehende Polarisation ~x = - : any. De~n man hat
~~\ =
@x
+ ~x =
f!\ - : any;
:
da hier ~ in del' Geschwindigkeit von del' ersten Ordnung, also das Glied
[~ . wJ zu, vernaehJassigen ist, wird
m- an =,p,
,p
abel' ist Null, weil die Platte unendlich ausgedehnt augenommen wird.
Daraus folgt
~x=O,
in del' bewegten Platte findet keine dielektrische Verschiebung statt, also
entspricht die Ladung auf a del' auf d, wie es das Relativitatsprinzip verlangt.
Die letrde Bemerkung betrifft wiederum den Umstand, daB nach dem
Relativitatsprinzip die Bewegung del' Erde einen Einflu.B auf die elekhomagnetischen V organge nicht haben kann. Es ist abel' von Lienard auf eine
Erscheinung aufmerksam gemacht worden, wo einlblcher EinfluB, und zwar
zu einem Betrage 1. Ordnung, zu erwarten sein soli; auch Pqincare hat dlesen
Fall in seinem Buche Electricite et Optique diskutiert. Es*handelt sich urn
die ponderomotorische Kraft au,f einen Leiter. Um diese zu bestimmen, wird
man fur die auf die Leitungselektronen wirkende Kraft pro Einheit del'
Ladung den naheliegenden Ansatz machen:
@1
=
@
+ C1
[tJ . mJ ;
elann ergibt sich die durch die Erdbewegung hervol'gerufene Kraft auf den
Leiter in Richtung del' Bewegung yom Betrage
1
c 2 (~I' @)wz ;
DaB Relativitatsprinzip u. seine Anwend. n.uf einige hesond. physik. Erscheinungen 89
da (Q:!. @) die vom Leitungsstrom Q: j entwickelte Warme ist, ist diesel' Ausdruck leicht numerisch zu berechnen (wobei sich freilich ein del' Beobachtung unzuganglicher Wert ergibt).
Fragt man sich nun, wie dieses dem Relativitatsprinzip widersprechende
Resultat zustande kommen kal1l1, so sieM man, daB man in Wirklichkeit
nicht die Kraft berechnet hat, welche auf die Materie des Leiters wirkt, sondern die, welehe die im Innern des Leiters beweglichen Elektronen angreift.
Letztere Kraft muB erst durch Krafte, die uns im einzelnen unbekannt sind,
auf die Materie iibertragen werden, und das geschieht nur dann ohne .Anderung del' GroBe, wenn fUr die KTafte zwischen MateTie und Elektronen Gleichheit von Wirkung und GegenwiTkung besteht. Fur bewegte KOTpel' ist abel'
in diesem Fall nach dem Relativitatsprinzip die Wil'kung nicht gleich der
Gegenwirkung, und diesel' Umstand kompensiert gerade genau jene Lienardsche Kraft.
Zusammenfassend kal1l1 man sagen, daB wenig Aussicht besteht, das
Relativitatsprinzip experimentell zu bestatigen; es kommen auBer einigen
ashonomischen Beobachtungen nul' die Messungen der Masse del' Elektronen
in Betracht. Doch darf man nicht vergessen, daB del' negative Ausfall
verschiedenel' Vel'suche, wie des Michelsonschen Interferenzversuches und
der Experimente zur Feststellung eineT durch die Erdbewegung hel"VoTgerufenen DoppelbTechung, nur dUTCh das Relativitatspl'inzip erklart werden
kOl1l1te.
,
Druck von B. G. Teubner in Leipzig.
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