ATOSnews Schwerpunkt: Schmerzen nach ­orthopädischen ­Eingriffen Was ist normal, was ist bedenklich? :: Endoprothetik: • Ellenbogen • patellofemorales ­Kompartiment :: Traumatologie: Akute Gehirn­ erschütterung beim Sport :: Neurologie: Epilepsie bei Kindern ATOS Kliniken: Ihr Vorteil – Unsere Spezialisten ATOSnews | Ausgabe 27 | April 2016 n, , ger Halbschen rztehaben um die chnell ngsorienzu Jahr. Sport“ untersozialen irkungen n mit erinnen . zu Fragen chluß erden nisse in twissendenten. m sportlienschaft n uns auf Programm 09:00 Begrüßung Organisatorisches 09:15 Sportverletzungen bei Frauen und Männern – muss anders behandelt werden? (Schmitt,Leiter: Heidelberg) Wissenschaftlicher Prof. Dr. Holger Schmitt 09: 45 Optimale Ernährung des Ausdauerathleten – Deutsches Gelenkzentrum Heidelberg, auch als Vegetarier? (Brüning, Frankfurt) ATOS Klinik Heidelberg 10:15 und Sport – sinnvoll oder gefährlich? Kontakt und Brustkrebs Anmeldung: (Wiskemann, Heidelberg) Prof. Dr. Holger Schmitt 10:45 Gelenkzentrum Kaffeepause Deutsches Heidelberg, ATOS11:15 Klinik Heidelberg Leistungsphysiologische Unterschiede zwischen E-mail: [email protected] Männern und Frauen (FriedmannBette, Heidelberg) Tel.: Frau Pender, 06221-983182 11:45 Optimale Trainingsvorbereitung auf einen Kosten: Halbmarathon Ärzte Nichtmitglieder 50,00 € (Frese, Heidelberg) Ärzte Mitglieder (DGSP/GOTS) 40,00 € 12:15 Junge Leistungssportlerinnen – ein Physiotherapeuten 30,00 € besonderer Fall aus sportpsychologischer Sicht? Studenten kostenfrei Referenten 1. Heidelberger Schmitt, Holger, Prof. Dr. Sportmedizin-Symposium: Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Sportmedizin Deutsches Gelenkzentrum Heidelberg an der ATOS Klinik Frau und Sport Brüning, Kirsten, Diplom-Oecotrophologin ESSENtiell Praxis für Ernährungsberatung, Sportmedizinisches Institut Frankfurt am 16. April 2016 9.00 - 17.00 Uhr im Hörsaal des Instituts für Sport und Sportwissenschaft (ISSW) Friedmann- Bette, Birgit, Prof. Dr. kommissarische Ärztliche Direktorin, InnereFeld Medizin700 VII, Im Neuenheimer Sportmedizin der Universität Heidelberg 69120 Heidelberg Wiskemann, Joachim, Dr. phil. Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg (NCT) Frese, Falko, Dr. med. Oberarzt Innere Medizin VII, Sportmedizin der Universität Heidelberg Mayer, Jan, Prof. Dr. phil. Institut für Sportpsychologie und Mentales Training Schwetzingen (Mayer, Schwetzingen) Fortbildungspunkte 12:45 Podiumsdiskussion: Leistungssport – junger Frauen wurden in der heutigen Zeit bei der LÄK Baden beantragt. Sponsoren (ehemalige und aktuelle Spitzensportlerinnen) Weiterbildung Zusatzbezeichnung Sportmedizin: 13:30 Mittagessen (Cantina OSP) 4 Stunden (1 Stunde Kat. B und 3 Stunden 14:00 Sportmedizin Sportmedizinische Aspekte im Sport: RadfahrenSportmedizinische Aspekte im Sport Kat. G) und 4-Stunden - Laufen Kat. 1, 2, 3 und 6) entsprechend 0,5 (jeweils eine Stunde - Faszientraining mit Black Roll ZTK 9 17:00 Ende der Veranstaltung Unter dem Patronat der GOTS veranstaltet vom mit Ausgabe der Zertifi kate Sportärztebund Baden. Referenten nnern – eten – efährlich? zwischen Schmitt, Holger, Prof. Dr. Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Sportmedizin Deutsches Gelenkzentrum Heidelberg an der ATOS Klinik Brüning, Kirsten, Diplom-Oecotrophologin ESSENtiell Praxis für Ernährungsberatung, Sportmedizinisches Institut Frankfurt Wiskemann, Joachim, Dr. phil. Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg (NCT) Friedmann- Bette, Birgit, Prof. Dr. kommissarische Ärztliche Direktorin, Innere Medizin VII, Sportmedizin der Universität Heidelberg en Frese, Falko, Dr. med. Oberarzt Innere Medizin VII, Sportmedizin der Universität Heidelberg sonderer Mayer, Jan, Prof. Dr. phil. Institut für Sportpsychologie und Mentales Training Schwetzingen unger Sponsoren nnen) Empfohlener Partner der Gesellschaft für OrthopädischTraumatologische Sportmedizin ::Editorial ATOSnews Was ist normal? Liebe Leserinnen und Leser, Normal – ein Wort, das jeder selbst definiert. Es schließt ein und grenzt aus. Alles was anders ist, also „nicht normal“, sollte sich ändern. Gleichzeitig streben wir für uns selbst an, anders zu sein, nicht normal. Doch wenn alle gleich sind, ist keiner mehr besonders. Wenn jedoch alle besonders sind, sind alle auch gleich. Wir sollen besonders sein und wollen normal behandelt werden. Normal. Was wir (die Ärzte?) wollen, ist richtig. Rastervorlage, Plan, das haben wir gemacht. Es muss sich ändern, wer da nicht hineinpasst. Normal – ein Wort, das die ­Frage verlacht: ist der Mensch oder die Norm fehlerhaft? Normalität – das sind die Unterschiede! Ist der 50- und 60-jährige mit den Normwerten von vor 20, 30 Jahren noch genauso abgebildet wie zu dem Zeitpunkt, als diese Normwerte erhoben wurden? Die Normalität, die Normwerte bilden eine Richtschnur, die man im Borderline-Bereich sehr differenziert interpretieren sollte. Ist ein Borderline-Hochdruck nicht die Abbildung unseres Gefäßsystems mit zunehmendem Alter und führt die Nichtbehandlung zwingend zu pathologischen Veränderungen im kardiovaskulären System? Oder verhindert bei Herrn Müller die Gabe entsprechender Medikamente das Auftreten dieser pathologischen Veränderungen? Und bei Meyer oder bei Schulze nicht? Betrachten wir das „Mess-Normal“ im Hinblick auf normal, Norm, Normierung, Normalität, welches ein meteorologischer Vergleichsgegenstand ist, Vergleichsmaterial oder präzises Messgerät, das zur Kalibrierung anderer Messgeräte dient. Beispiele für Normalität werden in Widerständen, Atomuhren, Masse-Normale in der Physik und der Chemie wiedergegeben. In der Medizin haben wir Normalgewichte, die als Body-Mass-Index gewertet werden und diese werden vernetzt mit normalem Blutdruck, mit normalen Blutwerten, mit normaler Lebenserwartung und normaler Krankheitsentwicklung. Bei der Beschäftigung mit Medizin und Wissen­schaft zeigt sich für mich: 1. dass es keine Wahrheiten gibt und 2. dass Wahrheiten nicht mathematisch durch Algorithmen konstruiert werden, wie das die Evidence Based Medicine tut, wie zum jetzigen Zeitpunkt das goldene Kalb der Messwerte und Normen darstellt. Die Behandlung von Schmerzen, von Veränderungen der Weichteile, von Achsen, von Bewegungsabläufen, Belastungen, kinematischen Profilen im Individuum lassen sich sicherlich in der Gauß´schen Verteilungskurve erfassen. Man sollte nicht vergessen, dass in der Verteilungskurve „2 S“, obwohl es selten vorzufinden ist, als eine Standardabweichung des Normalen gilt. Erfahrungen und Expertenmeinungen, gerade im Zusammenhang mit langjähriger Tätigkeit bei endoprothetischen Versorgungen, sollten nicht von den (medizinischen) Medien gegenüber Evidence Based Medicine herabgesetzt werden. Wann sind unsere Normalwerte im medizinischen Bereich definiert worden? Haben wir die Normalwerte von 1960 immer noch für die Bluthochdruckdefinition und für den pathologischen Blutzuckerspiegel? Prof. Dr. Hajo Thermann Im internen Zirkel weiß man, wie Wissen­ schaft mit Unterstützung der Industrie gemacht wird. Normal ist die genaue Beobachtung ­jedes einzelnen Patienten, des Verlaufes, die Zurücknahme seiner eigenen Erwartungen. Normal ist „salutogenes“, also zur Gesundheit hinführendes Handeln. Dies bedeutet, den Patienten so zu unterstützen, dass er mit einem neuen Gelenk ein für ihn normales Leben führen kann. Normalität, das sind die Unterschiede! Prof. Dr. Hajo Thermann 3| Für ein Leben in Bewegung ® CDS – mit Federkraft zurück ins Leben Die Vorteile der Dynamischen Redression: • dehnt das kontrakte Gewebe auf • dient als Kontrakturprophylaxe • dehnt die hypertone Muskulatur • wirkt tonusmindernd • gibt bei einschießender Spastik nach Das Plus des albrecht CDS®-Programms: • individuell einstellbare Federkraft • einfaches Ein- und Ausschalten der Redressionskraft – ohne Werkzeug und ohne die eingestellte Federkraft zu verändern • individuell anpassbarer Redressionsbereich • Baukastensystem für den Individualbau • anpassbare, fertigkonfektionierte Orthesen • einfaches und sicheres Handling Made in Germany Hergestellt in Deutschland albrecht GmbH • Simser Weg 2 • D-83071 Stephanskirchen • Telefon: +49 (0) 8036 30329-0 • Fax: +49 (0) 8036 30329-20 E-Mail: [email protected] • www.albrechtgmbh.com • Internationale Service-Hotline: 00800 030329-00 ::Inhalt ATOSnews ::Editorial 3 ::Schwerpunkt: Schmerzen nach orthopädischen Eingriffen Von C. Garving, P. Habermeyer, F. Martetschläger und M. Tauber Heilverlauf nach arthroskopischer Rekonstruktion der Rotatorenmanschette 20 „Shoulder Tour“ machte Station in Heidelberg 24 GOTS „Young Academy Hands-on Day“ 28 Schulterworkshop mit Prof. Loew in Südkorea 37 Neu in der ATOS Klinik Heidelberg: PD Dr. Christoph Becher 40 36 Neu in der Notfallambulanz der ATOS Klinik Heidelberg: Dr. Steffen Thier 47 38 10 Jahre Notfallambulanz in der ATOS Klinik Heidelberg 51 5. Shoulder Arthroplasty Convention in München 54 Neu in der ATOS Klinik Heidelberg: Kinderneurologin Dr. Cornelia Bußmann 58 Dr. Tauber zum Associate Professor ernannt 61 Patienteninformationsabende der ATOS Klinik München 76 Spitzenathleten auf dem Weg nach Rio 79 43 Ankündigung: ATOS Hip Expert Meeting 80 52 Neu in der ATOS Klinik München: Dr. Alexander Rauch 81 10. Heidelberger Schlosskongress 2016 82 PR: Aesculap AG – ein Hersteller stellt sich vor 34 PR: CDS-Redressionsschienen von albrecht 61 Impressum 50 25 29 ::Prävention 66 Von M.A. Thome Das Check-up Programm der ATOS Klinik Heidelberg 68 ::Fachbeiträge Die akute Gehirnerschütterung im Sport Von S. Thier und A. Klonz Kreuzbandverletzung bei Kindern Von R. Siebold Kasuistik: Kombinationsdeformitäten von Hüft- und Kniegelenk 56 Von C. Bußmann Diagnose, Therapie und Prävention der Onychomykose 55 Von F. Thorey Epilepsie im Kindesalter 9 Champions League Meeting der ATOS Klinik München Von C. Becher Die Früherkennung von Darmkrebs ACL Study Group Meeting 21 Von L.P. Müller, M. Loew und S. Lichtenberg Patellofemorale Endoprothetik 2 20 ::Endoprothetik 1. Heidelberger Sportmedizin-Symposium Tag der offenen Tür bei ATOS Klinik Heidelberg Von H. Thermann Ellenbogenprothetik – State of the Art ::News & Notes 17 Von H. Schmitt Schmerzen nach Sprunggelenkprothese 77 Von M. Scharei und B. Bürgler 16 Von C. Becher und H. Thermann Schmerzen nach Kreuzbandoperation Prof. Thorey bei Hüftkongress in Osaka Von H. Gollwitzer Schmerzen nach Knieprothese 13 Von F. Thorey Schmerzen nach hüftnahen Osteotomien 10 Von M. Loew, P. Magosch und S. Lichtenberg Schmerzen nach Hüftendoprothese 72 Von J. Schröter Physiotherapie: Rugby und der Traum von Olympia Schmerzen nach Implantation einer Schulterprothese 6 Intensivierte Rehabilitation nach lumbalen Wirbelsäuleneingriffen 62 Von C. Jäger ATOS Klinik Heidelberg Bismarckstraße 9–15 69115 Heidelberg www.atos.de ATOS Klinik München Tel. 06221/983-0 [email protected] Effnerstraße 38 81925 München www.atos-muenchen.de Tel. 089/20 4000-0 [email protected] 5| ::Schwerpunkt „Schmerzen nach orthopädischen Eingriffen“ Schmerzen nach Implantation einer Schulterprothese – wie lange ist das normal? Von Christina Garving, Peter Habermeyer, Frank Martetschläger und Mark Tauber Keywords: Postoperative Schmerztherapie – Individuelle Schmerzgrenze – Patientenkontrollierte Schmerzbehandlung (PCA) Bei fortgeschrittener Omarthrose gibt es bei ausgereizter konservativer Therapie keine Alternative zur Implantation eines künstlichen Schultergelenks. Ein solcher Eingriff ist für viele Patienten angstbehaftet. Nach dem Eingriff schließt sich ein ca. einwöchiger stationärer Aufenthalt an, in dem Ärzte, Pflegekräfte und Physiotherapeuten unsere Patienten gemeinsam einweisen, was es mit dem neuen Gelenk zu beachten gilt. Insbesondere Wert legen wir dabei auf eine wirksame Schmerztherapie, die sich in den ersten Tagen aus Infusionen, Tabletten und Lokalanästhesie zusammensetzt und so den Schmerz wirksam bekämpft. Zurück zu Hause sind die Schmerzen durch die individuelle Einstellung während des Aufenthalts sicher behandelt. Die einzige sinnvolle und konsequente operative Maßnahme bei fortgeschrittener Omarthrose und entsprechender Einschränkung der Lebensqualität und Funktion ist die Implantation eines künstlichen Schultergelenkersatzes (Abb. 1). Die verschlissenen Gelenkanteile des Oberarmkopfes und der Schulterpfanne werden durch Prothesen ersetzt. Hierbei kommen je nach individuellen Voraussetzungen (Verschleiß eines oder beider Gelenkpartner, zusätzlicher Riss der Rotatorenmanschette, Ausmaß der knöchernen Zerstörung) unterschiedliche Prothesentypen in Frage. Die Schultergelenkendoprothetik führt abhängig von der richtigen Operationstechnik, vom richtigen Endoprothesentyp und der richtigen Indikationsstellung in der Regel zu guten bis sehr guten Langzeitergebnissen, zur signifikanten |6 Schmerzreduktion und zur Wiederherstellung der Lebensqualität der zuvor stark eingeschränkten Patienten. Nach dem Einbau eines künstlichen Schultergelenks muss heute niemand mehr „die Zähne zusammenbeißen“. Schmerzen können behandelt werden: Sie sind nicht nur sehr unangenehm, sie können auch die Genesung verzögern (1). So ist es wichtig, nach einer Operation möglichst schnell wieder auf die Beine zu kommen, damit die Muskeln nicht zu viel Kraft verlieren. Schmerzen können aber daran hindern, aufzustehen und sich zu bewegen. Mangelnde Bewegung erhöht zudem das Risiko für die Bildung einer Thrombose und kann wichtige Körperfunktionen wie das Durchatmen oder Abhusten beeinträchtigen, was wiederum das Risiko für eine Lungenentzündung erhöht. Im Gegensatz zu früher gibt es mittlerweile viele Möglichkeiten, Wundschmerzen zu lindern. Kann der Patient sich auf den Eingriff vorbereiten? Die Behandlung postoperativer Schmerzen beginnt eigentlich schon vor der Operation mit der Planung der Therapie. Dazu gehört, dass der Arzt über mögliche Schmerzen nach dem Eingriff aufklärt, damit der Patient sich darauf einstellen kann. Eine realistische Einschätzung der Folgen eines Eingriffs kann helfen, Ängste abzubauen. Es ist außerdem hilfreich zu wissen, wie die Behandlung nach einem bestimmten Eingriff normalerweise verläuft und welche Anzeichen auf Komplikationen hinweisen können. Falls eine selbst kontrollierte Schmerzbehand- ATOSnews lung (PCA = patient controlled analgesia) infrage kommt, ist es gut, schon vor der Operation über diese Therapie zu informieren. Wichtig ist auch, dass der Patient den Arzt vor der Operation darüber informiert, ob schmerzlindernde Medikamente eingenommen werden. Wer regelmäßig starke Schmerzmittel, Alkohol oder andere Drogen zu sich nimmt, benötigt möglicherweise andere Medikamente als die üblicherweise eingesetzten (2). Abb. 1 a, b: Beispiel einer Schulter vor und nach Implantation einer anatomischen Schulterprothese a b Was passiert während und nach der Operation? Es wird grundsätzlich unter Vollnarkose operiert. Bei der Operation werden zunächst die erkrankten Knochen­und Gewebeanteile entfernt, damit die Prothese exakt an den verbleibenden Knochen angepasst und fixiert werden kann. Ob die Prothese mit zementierter oder zementfreier Technik eingesetzt wird, hängt vom Prothesentyp und der Knochenbeschaffenheit ab. Grundsätzlich ist ein künstlicher Gelenk­ ersatz an der Schulter für den Körper weniger belastend als an der Hüfte oder am Kniegelenk. So werden zum Beispiel bei einer solchen Schulteroperation nur in Ausnahmefällen Bluttransfusionen benötigt. Die Zeit nach einer Operation wird als „postoperative Phase“ bezeichnet. Diese beginnt bereits mit dem Verschluss der Wunde per Naht oder Klammer. Gab es beim Aufwachen aus der Narkose keine Schwierigkeiten, wird der Patient nach kurzer Zeit auf die Krankenstation zurückgebracht. Dort wird die Nachsorge, zu der auch die Schmerzbehandlung gehört, fortgesetzt. Die Patienten verbringen stationär ca. eine Woche im Krankenhaus. Je genauer der Patient seine Schmerzen beschreiben kann, desto besser können sie behandelt werden. Für eine ausreichende Schmerztherapie benötigen Ärzte oder Pflegekräfte Informationen über -- Ort des Schmerzes (beispielsweise die Wunde) -- Art des Schmerzes (zum Beispiel stechend, dumpf oder brennend) -- Stärke des Schmerzes (meist auf einer Skala von 0–10 abgefragt). Abb. 2: Schmerzkatheter, über den lokale Betäubung direkt oder über eine PCA-­ Pumpe appliziert werden kann. Auch im Verlauf der Behandlung ist es wichtig, Pflegekräfte und Ärzte darüber zu informieren, wie lange der Schmerz anhält, und ob und nach welchem Zeitraum er wieder einsetzt. Bei älteren oder verwirrten Menschen, die sich nur eingeschränkt äußern können, ist es hilfreich, wenn in der Zeit nach einer Operation regelmäßig eine vertraute Bezugsperson da ist und vermitteln kann. Diese Menschen äußern Schmerzen oft auf andere, mitunter sehr persönliche Weise. Dies können bestimmte Gesichtsausdrücke, Bewegungen, Laute oder verändertes Verhalten sein. Wie kommt es zu postoperativen ­Schulterschmerzen? Bei den Schmerzen nach der Operation handelt es sich in den meisten Fällen Weichteilschmerzen. Darunter versteht man Schmerzen, die nicht von den Knochen der Schulter, sondern vielmehr von den die Schulter stabilisierenden und bewegenden Strukturen ausgehen. Nachts treten die Schmerzen meistens beim Liegen auf der betroffenen Schulter auf, weshalb die Betroffenen oft nicht durchschlafen können. Die wichtigste Regel nach einer Schulteroperation ist: locker bleiben. Alle verkrampfenden Körperhaltungen müssen vermieden werden. Aus diesem Grund beginnt bereits am ersten Tag nach dem Einbau der Prothese die Krankengymnastik. Wie lange dauert der Schmerz und welche Medikamente gibt es? Schmerzen sind eine sehr subjektive Empfindung und können in ganz unterschiedlicher Intensität auftreten. Mal klingen sie rasch ab, mal ist eine mehrtägige Behandlung nötig. In der Phase direkt nach der Implantation des künstlichen Schultergelenks kommen oft Opioide wie das Morphin zum Einsatz. Sie können allein oder zusammen mit anderen Schmerzmitteln angewendet werden. Opioide werden auch oft als Lösung gegeben und als Infusion verabreicht. Darüber hinaus bekommen unsere Patienten bereits in Narkose einen Schmerzkatheter (Abb. 2). Bei diesem Verfahren handelt es sich um eine örtliche Nervenblockade im Sinne einer Regionalanästhesie, wobei im Bereich des Halses ein Katheter bis an die Nervenwurzeln des Armes vorgeschoben wird. Dabei werden durch die Injektion von Lokalanästhetikum im Bereich der Musculi scaleni am Hals die Wurzeln des Plexus brachialis reversibel blockiert. Diese Blockade ist ein relativ einfach durchzuführendes und nebenwirkungsarmes Verfahren und dient ➔ 7| ::Schwerpunkt „Schmerzen nach orthopädischen Eingriffen“ bereits während der Operation zur Reduktion des Narkosemittelbedarfs. Nach der Operation ist der Arm so betäubt und meist völlig lahm und der Patient verspürt für die Dauer der Wirkung keine Schmerzen. Lässt die Wirkung nach, kann über den Katheter erneut ein Lokalanästhetikum appliziert werden und somit eine sehr effektive Schmerztherapie gewährleistet werden. Mit der patientenkontrollierten Schmerzbehandlung (PCA) können Patienten in Abhängigkeit des Schmerzniveaus per Knopfdruck selbst bestimmen, wann eine erneute Dosis erforderlich ist. Treten Schmerzen auf, kann man sich selbst einen Bolus verabreichen (3). In das System ist eine wichtige Sicherung eingebaut: Die Menge der Einzeldosen ist begrenzt, damit es nicht zu Überdosierungen kommt. Welche Nebenwirkungen haben Schmerzmittel? Die schmerzlindernde Wirkung wie auch die unerwünschten Wirkungen aller Mittel hängen von ihrer Dosierung ab: Eine zu hohe Dosis kann zu mehr Nebenwirkungen führen – ist die Dosis zu niedrig, werden die Schmerzen nicht ausreichend gelindert. Per Infusion, als Tabletten oder Tropfen werden oft Opioide wie Morphin angewendet. Zu den häufigen Nebenwirkungen der Opioide gehören Übelkeit, Erbrechen, Harnverhalt, Verstopfung oder Juckreiz. Solche Beschwerden können allerdings immer auch Folgen der Operation sein. In jedem Fall ist es wichtig, sie sofort der betreuenden Pflegekraft und Ärzten mitzuteilen – vor allem, wenn Atembeschwerden auftreten. Werden Opioide mit anderen Schmerzmedikamenten wie NSAR kombiniert, können einige ihrer Nebenwirkungen vermindert werden (4). Lassen sich Schmerzen auch ohne Medikamente lindern? Manche Beschwerden können vielleicht auch mit anderen Methoden verringert werden als mit zusätzlichen Schmerzmedi- |8 Allgemeine Hinweise für Patienten, um Schmerzen nach einer Operation zu reduzieren: ▪ B eachten der Schmerzgrenze. ▪ Ü ben Sie nur bis an die Schmerzgrenze heran. Sobald Schmerzen auftreten, sollten Sie das Training unterbrechen. ▪ T rainieren Sie nicht zu lange, denn dies überreizt die Schulter und wirft Sie ggf. zurück!! Abb. 3: Tipps zur Schmerzreduktion kamenten. So kann es sein, dass man nach der Operation falsch liegt. Zum Beispiel schmerzt eine Operationswunde, wenn sie unter Spannung steht. Besteht das Gefühl, dass die Wunde spannt, reicht es manchmal, wenn die Pflegekräfte das Bett etwas anders einstellen oder man sich anders hinlegt. Falls ein Körperteil auf einer zu harten Unterlage aufliegt, kann ein Kissen oder etwas Schaumstoff Abhilfe schaffen. Insbesondere ein Aufrichten des Oberkörpers vermindern die Schmerzen im Bereich der Schulter. Ein wesentliches Augenmerk muss auch auf die korrekte Anlage der Schulterorthese gelegt werden. Auch sie kann zu Druckstellen oder Fehllagerungen führen, die für Schmerzen mitverantwortlich sein können. Für einen schmerzfreien bzw. schmerzarmen postoperativen Verlauf insbesondere wenn das Schultergelenk durch die regelmäßige Krankengymnastik bewegt wird, ist es sehr wichtig, regelmäßig die verordneten Medikamente (für Schmerz- und Entzündungshemmung sowie Magenschutz) einzunehmen. Sie tragen wesentlich zur schnelleren Rehabilitation/Wiedergewinnung der Beweglichkeit und der Funktion des operierten Schulter bei. Da der Arm nach der Operation ruhiggestellt ist, können die Medikamente (Schmerzund Entzündungshemmung) nach ca. einer Woche reduziert werden. Die meisten Medikamente, die nach Operationen verordnet werden (5) gehören zwei Gruppen an: 1. Schmerz- und entzündungshemmende Medikamente (Diclofenac, Ibuprofen, Voltaren etc) 2. Magenschutzpräparate (z. B. Pantoprazol) um evtl. gastrointestinale Nebenwirkungen zu verhindern. Die verordnete Krankengymnastik sollte bis zum Beginn der Reha 2–3 mal pro Woche stattfinden. Wir haben ein spezielles Nachbehandlungsschema entwickelt, dass nach der Operation für jeden Patienten individuell angepasst wird und noch vor der Entlassung ausgehändigt wird. Die wichtigste Regel: Unabhängig von jedem Behandlungsplan ist die individuelle Schmerzgrenze zu beachten – die Krankengymnastik darf keine nachwirkenden Schmerzen verursachen! Kommt es nach den Übungseinheiten oder nach krankengymnastischer Behandlung zu anhaltenden Schmerzen oder gar zu einer Funktionsverschlechterung, so muss die Übungsintensität vermindert oder sogar pausiert werden (Abb. 3). Dr. Christina Garving Prof. Dr. Peter Habermeyer PD Dr. Frank Martetschläger PD Dr. Mark Tauber Deutsches Schulterzentrum ATOS Klinik München [email protected] www.deutsches-schulterzentrum.de ATOSnews N O T E S Literatur 1.Liu SS, Wu CL. The effect of ­analgesic technique on postoperative patient-reported outcomes including analgesia: a systematic review. Anesth Analg 2007; 105(3): 789-808. 2.Wheeler M, Oderda GM, Ashburn MA, Lipman AG. Adverse events associated with postoperative opioid analgesia: a systematic ­review. J Pain 2002; 3(3): 159180. 3.McNicol ED, Ferguson MC, ­Hudcova J. Patient controlled ­opioid analgesia versus con­ ventional opioid analgesia for postoperative pain. Cochrane Data­base Sys Rev 2015; (6): CD003348. 4.Marret E, Kurdi O, Zufferey P, Bonnet F. Effects of non­steroidal antiinflammatory drugs on patient-controlled analgesia morphine side effects: meta-­ analysis of randomized controlled trials. Anesthesiology 2005; 102(6): 1249-1260. 5.Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Schmerztherapie (DIVS) e.V. S3-Leitlinie „Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen“. 01.04.2009. & N E W S :: A CL Study Group Meeting 2016: Flache vordere Kreuzbandanatomie von Experten bestätigt Das Treffen der 120 weltweit renommiertesten Kreuzbandchirurgen und Wissenschaftler der ACL Study Group fand dieses Jahr in Are (Schweden) statt. Die 80 Vorträge zum vorderen Kreuzband wurden von den Experten wie immer leidenschaftlich diskutiert (Abb. 1). Ziel der internationalen Studiengruppe ist es, Kreuzbandverletzungen durch Prävention zu verringern, Operationstechniken zu verfeinern und die Reruptur- und Arthroserate zu senken. Dabei spielt die Kreuzbandanatomie eine Schlüsselrolle. Der Kniespezialist Prof. Rainer Siebold vom HKF der ATOS Klinik Heidelberg stellte dem internationalen Gremium seine aktuelle anatomisch-histologische Studie zur flachen tibialen Kreuzbandanatomie vor. Die Studie wurde in Kooperation mit der Universität Heidelberg durchgeführt und beweist die flache Struktur des vorderen Kreuzbandes nahe der knöchernen tibialen Insertion (Abb. 2). Das erstmals 2012 vorgestellte Konzept der flachen Kreuzbandanatomie ist mittlerweile – nicht zuletzt durch viele anatomische Publikationen von Dr. Smigielski aus Polen und Prof. Siebold von den Experten weltweit anerkannt. Durch die neuen anatomischen Erkenntnisse wird sich die Operationstechnik zur Kreuzbandrekonstruktion in den nächsten Jahren deutlich wandeln. Abb. 1: Spezialisten der Kreuzbandanatomie, von links nach rechts: Prof. Fink aus Österreich, Prof. Siebold vom HKF der ATOS Klinik Heidelberg, Prof. van der Merwe aus Südafrika, Prof. Freddie Fu aus den USA, Dr. Smigielski aus Polen, Prof. Amis aus Großbritannien und Prof. Menetry aus der Schweiz. Abb. 2: Histologische Untersuchung der Arbeitsgruppe von Prof. Siebold. Seitliche histologische Darstellung des vorderen Kreuzbandes mit knöchernem Ansatz am Schienbein und 3–4 mm flachem ­funktionellem Anteil (publiziert in KSSTA Journal 3/2016). 9| ::Schwerpunkt „Schmerzen nach orthopädischen Eingriffen“ Heilverlauf nach arthroskopischer Rekonstruktion der Rotatorenmanschette – was ist normal, was ist pathologisch? Von Markus Loew, Petra Magosch und Sven Lichtenberg Keywords: Rotatorenmanschette, Arthroskopie, Rekonstruktion, Schmerzen, Rehabilitation Die endoskopische Rekonstruktion der Rotatorenmanschette ist ein komplexer Eingriff mit hohem Rehabilitationsaufwand, bei dem Bewegung zur Vermeidung von Einsteifung und Immobilisierung zum Schutz der rekonstruierten Sehnen in einem abgewogenen Verhältnis ­zu­e inander stehen müssen. Schmerzen haben hierbei auch eine Kontrollfunktion. Symptomatische Rotatorenmanschettenläsionen können mit gutem Ergebnis anatomisch rekonstruiert werden, so lange die Retraktion der Sehnen und die Atrophie der Muskulatur nicht zu weit fortgeschritten sind und so lange keine fettige Umwandlung der Muskelbäuche eingetreten ist (Abtahi et al. 2015). Im vergangenen Jahrzehnt hat sich die arthroskopische Rotatorenmanschettenrekonstruktion als Goldstandard durchgesetzt (Lichtenberg et al. 2015), nicht zuletzt deswegen, weil eine zusätzliche Schädigung des M. deltoideus, wie sie beim konventionellen offenen Vorgehen mit Akromioplastik, aber auch beim mini-open Repair (arthroskopische Dekompression und offene Sehnenrekonstruktion über einen Delta-split) regelmäßig eintritt, ausbleibt. Auch wird erwartet, dass bei endoskopischem Vorgehen der postoperative Verlauf weniger kompliziert und der Wundschmerz geringer aus- | 10 geprägt ist als bei der offenen Operation. Dennoch ist die endoskopische RM-Rekonstruktion ein komplexer Eingriff mit hohem Rehabilitationsaufwand. Postoperative Mobilisation und Rehabilitation Grundsätzlich unterscheidet sich die Nachbehandlung nach arthroskopischer Rekonstruktion nicht von der nach offen ausgeführten Eingriffen, da ja die biologischen Prämissen der Sehnenheilung die gleichen sind. Es existieren unterschiedliche Konzepte und Protokolle der Rehabilitation. Frühzeitige, aggressive Programme vermeiden eine stärkere Einsteifung der Schulter, führen aber zu einer höheren Rerupturquote (Cuff und Pupello 2012). Bei einer einfachen Sehnenläsion Grad I-II der Klassifikation nach Patte, d. h. nach dem spannungsfreien Repair einer einzigen, in der Regel der Supraspinatussehne, ist nach unserer Erfahrung eine Ruhigstellung auf einem Abduktionskissen für 3 Wochen ausreichend. Bei einer Rekonstruktion massiver Rotatorenmanschettenläsionen, d. h. von zwei und mehr Sehnen (Abb. 1), muss das Kissen insgesamt für 6 Wochen konsequent getragen werden. Da in dieser Zeit aktive Bewegungen der Schulter nur sehr eingeschränkt erlaubt sind, ist zur Verhinderung einer Einsteifung eine frühe passive krankengymnastische Mobilisierung in dem durch den Operateur vorgegebenen Bewegungsrahmen unabdingbar. Zusätzlich zu Lymphdrainagen muss eine passive Mobilisierung mindestens 2x pro Woche gewährleistet sein; der Einsatz von CPM (Continuous Passiv Motion)Schienen ist jedoch nicht empfehlenswert, da individuell – vor allem in der Heimbehandlung – schwer kontrollierbar. ATOSnews a b Abb. 1: Arthroskopische Rekonstruktion einer 2-Sehnen­läsion a) Massive Läsion von Supra- (SSP) und Infraspinatussehne (ISP). Der Ansatz (Footprint) ist dekortiziert und einer der beiden medialen Anker eingebracht Trotz ausreichender Physiotherapie durchläuft die Schulter in der Rehabilitationsphase häufig eine unterschiedlich ausgeprägte kapsuläre Steife. Nach 6 Wochen ist das passive Bewegungsausmaß in Flexion und Abduktion bis zur Schulterhöhe und in der Außenrotation bis in die Neutralstellung in der Regel möglich. Die transitorische Schultersteife ist eine physiologische Reaktion zum Schutz der rekonstruierten Sehnenstrukturen; unabhängig ob endoskopische oder Mini-open-Rekonstruktion ist in der Regel zwischen der 6. und der 12. Woche post operationem eine weitgehende Normalisierung des Bewegungsausmaßes zu erwarten (Parsons et al. 2010, Kasten et al. 2011). b) 4 x 1 Suture Bridge Repair über einen lateralen Anker Ohne einen Schmerzkatheter kann vor allem bei massiver Ruptur der perioperative Schmerzmittelbedarf sehr hoch sein. Daher wird die Rekonstruktion der Rotatorenmanschette auch bevorzugt im Rahmen einer kurzstationären Maßnahme durchgeführt. Ab dem 3. postoperativen Tag ist der Wundschmerz in der Regel durch nicht steroidale Antiphlogistika (NSAR), z. B. Ibu- Schmerzverlauf und postoperative Schmerztherapie Bei der stationären Rekonstruktion der Rotatorenmanschette ist die Operation ausschließlich oder adjuvant mit einem interskalenären Plexusblock oder -katheter (Lehmann et al. 2015) durchführbar und state of the art. Dies führt zu einer weitgehenden Schmerzfreiheit in den ersten 36 bis 48 Stunden nach der Operation, die durch den Patienten gesteuerte oder mit Medikamentenpumpe automatisierte, fraktionierte Injektion gewährleistet wird. Abb. 2: Subjektiver Schmerzverlauf nach arthroskopischer und mini-open Rekonstruktion der Rotatorenmanschette. = signifikanter Unterschied (nach Lit. 3.) profen, Diclofenac oder Cox–2-Inhibitoren ausreichend kontrolliert. Allenfalls vor der Physiotherapie ist eine zusätzliche Analgetikagabe (Paracetamol/Metamizol) gelegentlich hilfreich. Allerdings hat der Schmerz im Bewegungsablauf eine Kontrollfunktion und zeigt eine Überbelastung der rekonstruierten Strukturen an. In der Ruhestellung im Abduktionskissen sollten ab der 2. Woche post operationem keine wirklichen Schmerzen mehr bestehen. Ein erhöhter Schmerzmittelbedarf über NSAR hinaus ist ab diesem Zeitpunkt verdächtig auf eine Überlastung, eine Störung der Sehnenheilung oder evtl. einen beginnenden Weichteilinfekt. Im Zweifelsfall ist dann eine sonographische Untersuchung indiziert, in deren Rahmen ein Flüssigkeitsverhalt, eine Sehnennekrose oder eine Reruptur ausgeschlossen werden können. Zum Zeitpunkt der aktiven Mobilisierung, spätestens ab der 7. Woche, sollten keine Schmerzmittel mehr notwendig sein. In dieser Phase wird das erlaubte Bewegungs- und Belastungsausmaß nicht mehr durch freigegebene Gradzahlen, sondern durch die Schmerzgrenze definiert. Das Konzept der postoperativen Rehabilitation ist unabhängig davon, ob die Rekonstruktion endoskopisch oder in mini-open Technik ausgeführt wurde. ➔ 11 | ::Schwerpunkt „Schmerzen nach orthopädischen Eingriffen“ Interessanterweise ist das subjektive Schmerzempfinden der Patienten in den ersten Wochen nach der Operation bei den Mini-open operierten Patienten eher geringer als nach arthroskopischer Rekonstruktion. In einer prospektiv randomisierten Studie fand die Heidelberger Arbeitsgruppe um Kasten et al. (2011) sogar signifikante Unterschiede zwischen der vierten und achten Woche postoperativ (Abb. Abb. 3: Bedarf an Analgetika (NSAR) nach arthroskopischer und mini-open Rekonstruktion der Rotatorenmanschette. = signifikanter Unterschied (nach Lit. 3.) Abb. 4: Beweglichkeit in Abduktion nach arthroskopischer und mini-open Rekonstruktion der Rotatoren­manschette. = signifikanter Unterschied (nach Lit. 3.) 2). Im Schmerzmittelbedarf ergab sich demgegenüber in der unmittelbar postoperativen Woche ein statistischer Unterschied zugunsten der arthroskopisch operierten – danach unterscheiden sich die beiden Gruppen nicht mehr signifikant (Abb. 3). 3 Monate nach der Rekonstruktion ist in der Regel eine weitgehende Belastbarkeit der Schulter im täglichen Leben gegeben; zu diesem Zeitpunkt bestehen auch keine relevante Bewegungseinschränkung und kein Schmerzmittelbedarf mehr. Sportliche Belastung ist ab diesem Zweitpunkt schmerzadaptiert erlaubt. Im Bewegungsausmaß bestehen zu diesem Zeitpunkt in der Regel keine Unterschiede nach arthroskopischer oder mini-open Rekonstruktion (Abb. 4). Die Einheilungsrate nach endoskopischer Rotatorenmanschettenrekonstruktion beträgt in Abhängigkeit von der Größe der Läsion und auch von dem Nachweisverfahren im Literaturvergleich etwa 70 % – 90 % (Abtahi et al. 2015) Dabei scheint es keinen Einfluss zu haben, ob es sich um eine traumatische oder degenerative Läsion handelt (Loew et al. 2015). Ein Jahr postoperativ sind die Patienten in der überwiegenden Mehrzahl mit dem Resultat der Operation hoch zufrieden. Durch die Fortschritte in der endoskopischen Rekonstruktion (stabile Fadenanker, differenzierte Nahttechniken, double-row Rekonstruktion) und im Einzelfall durch den Einsatz von Wachstumsfaktoren konnte in den letzten Jahren eine weitere Verbesserung des endoskopischen Standards erzielt werden. Prof. Dr. Markus Loew Dr. Petra Magosch Dr. Sven Lichtenberg ATOS Klinik Heidelberg [email protected] | 12 Literatur 1.Abtahi A, Granger E, Tashjian R (2015). Factors affecting healing after arthroscopic rotator cuff repair. World J Orthop 18; 6: 211-220 2.Cuff D, Pupello D (2012). Prospective randomized study of arthroscopic rotator cuff repair using an early versus delayed postoperative physical therapy protocol. J Shoulder Elbow Surg 21: 1450-1455 3.Kasten P, Keil C, Grieser T, Raiss P, Streich N, Loew M (2011) Prospective randomised comparison of arthroscopic versus mini-open rotator cuff repair of the supraspinatus tendon. Int Orthop 35: 1663–1670 4.Lehmann L, Loosen G, Weiss C, Schmittner M (2015). Interscalene plexus block versus general anaesthesia for shoulder surgery: a randomized controlled study. Eur J Orthop Surg Traumatol. 2015 Feb;25(2):255-61. doi: 10.1007/s00590-014-1483-3. Epub 2014 May 15. 5.Lichtenberg S, Magosch P, Loew M, Habermeyer P (2015). Historie und Entwicklung der arthroskopischen Rotatorenmanschettennaht. Obere Extremität 10: 3–9 6.Loew M, Magosch P, Lichtenberg S, Habermeyer P, Porschke F (2015). How to discriminate between acute traumatic and chronic degenerative rotator cuff lesions – an analysis of specific criteria in X-Ray and MRI. J Shoulder Elbow Surg. 24: 1685–1693 7.Parsons B, Gruson K, Chen D, Harrison A, Gladstone J, Flatow E (2010). Does slower rehabilitation after arthroscopic rotator cuff ­repair lead to long-term stiffness? J Shoulder Elbow Surg. 19 (7):1034–1039 ATOSnews Schmerzen nach hüftendoprothetischem Eingriff – wie lange ist das normal, was gibt es für Ursachen? Von Fritz Thorey Keywords: Hüftendoprothetik, Schmerzen, postoperativ Seit Jahren gilt die Hüftendoprothetik als eine der erfolgreichsten Operationen des letzten Jahrhunderts. Gerade im Vergleich zu anderen Gelenken, wie beispielsweise die Knieendoprothetik, zeigt die Hüftendprothetik eine sehr schnelle Rekonvaleszenz und Rehabilitation. In der Regel sind die Patienten nach einer sehr kurzen Zeit annähernd beschwerdefrei und können wieder ihre normale berufliche und private Aktivität aufnehmen. Dennoch gibt es immer wieder Fälle, bei denen eine verlängerte Heilungsdauer sowie anhaltende Beschwerden bestehen. In diesen Fällen ist eine differenzierte Betrachtung jedes einzelnen Patienten notwendig. Zu unterscheiden wären Probleme, die durch das eingebrachte Implantat ausgelöst werden und Beschwerden, die das Hüftgelenk umgebende Gewebe betreffen, wie beispielsweise die Muskulatur. Bei jedem betroffenen Patienten ist es daher wichtig, eine dezidierte Anamnese sowie Schmerzhistorie zu eruieren. Man kann hierbei direkt postoperative Einschränkungen, die innerhalb weniger Tage nach der Operation auftreten, von mittelfristigen und spät auftretenden Problemen unterscheiden. Einen wichtigen Einfluss hat ebenfalls die Patientenerwartung, die vor einem operativen Eingriff stark variieren kann. Hierbei ist es wichtig, eine soziale Anamnese zu erheben, was der betroffene Patient von dem geplanten Gelenkeingriff erwartet und was für sportliche und private Aktivitäten wieder aufgenommen werden sollen. Zusätzlich spielen die Aktivität vor dem operativen Eingriff sowie die Dauer der Beschwerden und Einschränkungen, die der Betroffene erfahren hat, eine wichtige Rolle. Das hat ebenfalls einen entscheidenden Einfluss auf die Dauer der Rekonvaleszenz und kann mitunter bei zu zügiger Rehabilitation und Muskelaufbau zu Beschwerden führen. Ein weiterer Faktor ist das gewählte Implantat. Einige Implantattypen weisen eine distale, tiefere Verankerung des Hüftschaftes im Oberschenkelknochen auf. Dies kann zu einem Schaftschmerz führen, der über mehrere Monate persistieren kann. Die Problematik tritt bei proximalen, im oberen Bereich verankerten Hüftschäften seltener auf. ob die Beschwerden eher lokalisiert oder ausstrahlend nach distal sind. Hierbei müssen dann Pathologien im Bereich der Lendenwirbelsäule mit einbezogen werden, die zu einer ähnlichen Beschwerdesymptomatik ­ führen ➔ Anamnese der Schmerzen Bei der Beurteilung von Schmerzen nach hüft­endoprothetischem Einsatz ist es essentiell, den Schmerz möglichst genau zu lokalisieren. Bei Patienten, die eher den Oberschenkel als Hauptschmerzlokalisation angeben, kann es sich möglicherweise um eine Schaftproblematik handeln. Hierbei hängt es davon ab, Abb. 1: Regelrechte Lage einer Kurzschaft-Hüft­ endoprothese 13 | ::Schwerpunkt: Schmerzen nach orthopädischen Eingriffen Gangbildes Auskunft darüber, wie sich die Beschwerden und Einschränkungen auswirken. Liegt ein sog. Trendelenburg-Hinken vor, kann das ein Hinweis auf eine Insuffzienz der glutealen Muskulatur sein, so dass eine Stabilisierung des Beckens beim Gehen nur eingeschränkt möglich ist. Ein sog. Schmerzhinken mit einer verkürzten Standphase der betroffenen Hüfte kann auf andere Pathologien hindeuten. Zeitpunkt, an dem die Beschwerden auftreten Abb. 2: Heterotope Ossifikationen nach Hüftkopfkappe bei einem 57-jährigen Patienten Hierbei sind drei unterschiedliche Phasen festzustellen. Treten die Beschwerden eher in einer frühen postoperativen Phase auf, fallen diese erst nach einigen Wochen und Monaten auf oder erst nach Jahren? Frühzeitig auftretende Beschwerden Abb. 3: Low-Grade Infektion, der ­bereits durch Osteolysen am Schaftbereich imponiert. können. Ebenfalls ist die Unterscheidung zwischen dem Schmerz, der vor der Operation bestanden hat, von dem nach dem Eingriff wichtig, um auszuschließen, dass neben der ursächlichen Hüftarthrose nicht möglicherweise eine weitere Pathologie vorgelegen hat. Ein Nacht- oder Ruheschmerz gibt ebenfalls Hinweise darauf, ob Verknöcherungen, anhaltende Low Grade Infektionen oder Implantatlockerungen in die Überlegung mit einbezogen werden. Ein überwiegend beim Sitzen auftretender Schmerz kann ein Hinweis auf ein Hüft-Impingement sein, wobei es hier häufig zu einer Reizung der Psoassehne kommt. Ebenso gibt die Analyse des | 14 Ursachen für früh auftretende Beschwerden nach dem operativen Eingriff können periprothetische, intraoperative Frakturen oder Fissuren, heterotope Ossifikationen (Verknöcherungen), Frühinfektionen oder Nervenschädigungen sein. Gerade bei zementfreien Implantaten kann es beim Einbringen des Hüftschaftes und bei verringerter Knochenqualität zu kleinen Fissuren kommen, die anschließend bei einer Mobilisation zur Erweiterung und zu Beschwerden sowie Sinterung des Hüftschaftes führen können. Dieses kann in meist mittels konventioneller Röntgenkontrollen oder einer Computer Tomographie (CT) diagnostiziert werden. Muskelschmerzen und Kraftminderung bei Hüftbeugung können durch direkte Nervenverletzung oder sekundäre Kompression der Nerven durch ein Hämatom verursacht sein. Abhängig vom Ausmaß der Schädigung können sich diese innerhalb weniger Tage bis Monate zurückbilden. Bei großen Defekten und Läsionen kann dieses mitunter Jahre dauern oder persitieren. Intraoperative Nervenläsionen hängen oft vom gewählten Zugangsweg ab, wobei der dorsale Zugang eher eine Gefährdung des N. ischiadicus und ein direkt anteriorer Zugang ein erhöhtes Risiko zur Schädigung des N. femoralis aufweisen. Abb. 4: Metall-Metall Gleitpaarung bei einem 62-­jährigen Patienten bei einliegender Kappen-Prothese Heterotope Ossifikationen, deren Auftretungsrisiko durch eine Ossifkationsprophylaxe reduziert werden sollen, können ebenfalls zur frühen Einschränkung der Beweglichkeit und zu Beschwerden im Bereich der Muskulatur führen. Diese können nach weiterer Verdichtung der Ossifkation auf einer konventionellen Röntgendarstellung dargestellt und beurteilt werden. Bei sehr starker Ausbildung führen diese zu massiven Einschränkungen und sollten dann operativ entfernt werden. Frühe Infektionen nach dem operativen Eingriff äußern sich durch einen erhöhten Anstieg der Entzündungsparameter des Blutes (CRP, Leukozyten, BSG) und das klinische Bild (Fieber, Umwohlsein, Überwärmung). Hier ist i.d.R. eine chirurgische Intervention und Sanierung notwendig. Mittelfristig auftretende Beschwerden Treten die Beschwerden nach wenigen Wochen oder Monaten auf, ist primär eine Infektion des Hüftgelenkes auszuschließen. Hierzu stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung, die neben der laborchemischen Untersuchung der Entzündungswerte auch eine Punktion des Hüftgelenkes oder arthroskopische Probe-Entnahme einschließen. Ggf. können erweiternde Maßnahmen wie eine Leukozyten-/Entzündungsszintigraphie oder eine SPECT-CT weitere Informationen liefern. ATOSnews Take home message Die Hüftendoprothetik gehört zu den erfolgreichsten orthopädischen Operationen. Schmerzen treten in der Regel in Abhängigkeit vom Status vor dem Eingriff und dem Arthrosegrad nur kurzzeitig auf und können durch minimal-invasive Operationstechniken und eine ­individuelle Rehabiliation deutlich reduziert werden. Treten Schmerzen über längere Zeit auf und fallen diese erst nach Wochen und Monaten auf, sollten andere Ursachen wie Lockerungen, Infekte oder Begleit­ erkrankungen ausgeschlossen werden. Mechanische Einschränkungen durch ein Anschlagen (Impingement) der Prothese an den vorderen Pfannenrand können ebenfalls zu Problemen führen. Dieses wird verkompliziert, sollten sich Verknöcherungen oder knöcherne Anlagerungen um das Hüftgelenk herum gebildet haben. Auch können muskuläre Imbalancen zu einem Beschwerdebild führen und sich aufgrund von Verletzungen von Muskelanteilen, Nervenläsionen mit Einschränkung von Muskelgruppen sowie eine veränderte Statik des Hüftgelenkes (OffsetVeränderung) bilden. Darüber hinaus spielt hier auch eine Beinlängendifferenz eine Rolle, die sekundär zu Problemen um das Hüftgelenk herum führt, Schmerzen im Bereich des Ileosakralgelenkes oder des lumbosakralen Übergangs auslösen können. Langfristig auftretende Beschwerden Zu den nach längerer Zeit einsetzenden Beschwerden zählen beispielsweise hämatogene Infektionen im Bereich des Hüftgelenkes, die dann eine ausgeprägte Beschwerdesymptomatik hervorbringen können. Zusätzlich zeigte sich, dass durch Metall-MetallGleitpaarungen Metallabrieb indizierte Reaktionen im Hüftgelenk verursacht werden können. Diese traten vorwiegend beim Oberflächenersatz auf und konnten hier- bei zu sog. ALVAL-Reaktionen mit Metallose sowie der Entstehung von Pseudotumoren führen. Ebenfalls können in diesem Rahmen auch neurologische Pathologien auftreten. Zusätzlich kann es nach Jahren der Operation zu Lockerungen kommen, die ebenfalls schleichend zu Beschwerden führen können. Hierbei ist insbesondere der Polyethylenabrieb zu nennen, der zu großen Defekten und Osteolysen im Bereich der Hüftpfanne und des Hüftschaftes führen kann. Plötzlich beginnende Beschwerden sind häufig der Hinweis auf Frakturen, die nach Stürzen oder im Rahmen einer zunehmenden Osteoporose auftreten können. Diese sind in der Regel gut auf konventionellen Röntgenaufnahmen oder CT zu diagnostizieren. Neben den hüftspezifischen Pathologien müssen auch Differenzialdiagnosen in Betracht gezogen werden, die Schmerzausstrahlung aus dem Bereich der Lendenwirbelsäule oder des Ileosakralgelenkes verursachen. Hier sind neben degenerativen Veränderungen Spinalkanalstenosen, osteoporotisch bedingte Wirbelkörperkompressionen, Tumore oder ISG-Blockierung zu nennen. Leistenschmerzen können Hinweise auf Ursachen im Gefäßbereich geben, die beispielsweise durch Thrombosen oder Gefäßverschlüsse im Leistenbereich ausgelöst werden können. Ebenfalls nicht direkt das Hüftgelenk betreffende Ursachen sind bei- Abb. 5: Große Osteolysen im Acetabulum mit Pfannenlockerung bei PE-Abrieb bei einer 81-jährigen Patientin Abb. 6: Periprothetische Fraktur nach Sturz einer 82-jährigen Patientin. spielsweise Leistenhernien oder Pathologien, die im Bauchraum zu finden sind. Hierbei sollte insbesondere eine urologische, gynäkologische und internistische Abklärung erfolgen, wenn die Ursache nicht im Bereich des Hüftgelenkes gefunden werden kann. ➔ 15 | ::Schwerpunkt: Schmerzen nach orthopädischen Eingriffen „Normaler“ Schmerzverlauf nach der Operation Nach einem operativen Eingriff hat die Dauer und Intensität von Beschwerden einen erheblichen Einfluss auf das Wohlbefinden und die Rehabilitation des Patienten. Bei vielen Patienten stehen Schmerzen im Bereich der Muskulatur für die ersten Tage nach dem Eingriff im Vordergrund. Diese können von dem Zugangsweg, der für diesen operativen Eingriff gewählt wurde, von der Ausbildung der vorhandenen Oberschenkelmuskulatur sowie auf den Grad der Relaxation während des operativen Eingriffs abhängen. Ferner hat der Grad der Arthrose mit den entsprechenden Bewegungseinschränkungen einen entscheidenden Einfluss auf den postoperativen Verlauf, da sich sowohl der Band- als auch Muskelapparat den neuen Bewegungen erst wieder anpassen müssen. N O T E S & In Fällen, bei denen die Beweglichkeit durch eine Protrusionsstellung des Hüftkopfes in der Pfanne oder durch massive osteophytäre Anbauten stark eingeschränkt war, sind gerade Bewegungsausmaße postoperativ vorerst muskulär einschränkt. Ebenfalls haben periartikuläre Pathologien wie beispielsweise eine länger dauernde Bursitis trochanterica oder Insertionstendinopathien einen Einfluss auf den postoperativen Schmerzverlauf. Diese müssen dann ebenso postoperativ physiotherapeutisch mitbehandelt werden, was eine Verbesserung der Beweglichkeit und das Auftrainieren der Muskulatur mit beinhaltet. Es gibt daher eine Vielzahl von Patienten, die bis zu 4–6 Wochen muskuläre Einschränkungen und Beschwerden bei Belastung angeben können. Seltener findet man die Patienten, die direkt postoperativ kaum über Einschränkungen und Beschwerden klagen. Hierbei ist es sicherlich auch entscheidend, dass eine spezifische Schmerztherapie den Patienten angeboten wird und der Patient präoperativ physiotherapeutisch auf den Eingriff vorbereitet wurde. Sollten die Schmerzen über längere Zeit bestehen, ist hingegen, wie oben beschrieben, eine weitere Diagnostik bzgl. des Vorliegens verschiedener Pathologien unumgänglich. Literatur beim Verfasser Prof. Dr. Fritz Thorey Internationales Zentrum für Hüft-, Knie- und Fußchirurgie (HKF), Sport­traumatologie ATOS Klinik Heidelberg [email protected] N E W S :: Prof. Thorey auf dem Jahreskongress der japanischen Hüftgesellschaft in Osaka Prof. Thorey war als Ehrengast und internationaler E­ xperte zu einem Übersichtsvortrag auf dem 42. Jahrestreffen der japanischen Hüftgesellschaft in ­ Osaka eingeladen. Dort konnte er über die Prinzipien von aktuellen Hüftpfannenmodellen referieren und über die Ergebnisse eines neuen Implantates berichten. In der folgenden Diskussion mit den ca. 400 Teilnehmern der Sitzung konnte Prof. Thorey den interessierten internationalen Kollegen weitere Antworten zu Pfannenverankerungen und den aktuellen Oberflächenbeschichtungen dieser Systeme geben. „Mir ist es wichtig, meine Erfahrung und Wissen mit anderen Kollegen zu teilen und ebenfalls in den interessanten ­Diskussionen gute Ideen in mein klinisches Umfeld mitzunehmen“, betonte Prof. Thorey. | 16 Prof. Dr. Fritz Thorey (deutscher Repräsentant der Europäischen Hüftgesellschaft, EHS) in Osaka ATOSnews Schmerzen nach hüftnahen Osteotomien – wie lange ist das normal? Von Hans Gollwitzer Keywords: hüftgelenksnahe Osteotomie, Hüftendoprothetik, Nachbehandlung Die Häufigkeit hüftgelenksnaher Osteotomien bei Erwachsenen hat in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen. Ein Grund ist das flächendeckend etablierte Neugeborenenscreening für Hüftdysplasie. Ein anderer Grund ist die enorme Erfolgsgeschichte der Hüftendoprothetik mit den entsprechend hohen Erfolgsraten. Aufgrund minimal-invasiver und schonender Techniken sowie verschleißfester Gleitpaarungen werden künstliche Hüftgelenke heute häufig schon bei jungen Patienten eingesetzt. Ferner verläuft die Rehabilitation und Wiederaufnahme berufliche Tätigkeiten nach Hüfttotalendoprothese (Hüft-TEP) meist deutlich schneller als nach Korrekturosteotomie. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass Hüft-TEPs nach wie vor eine begrenzte Haltbarkeit besitzen. Gerade bei jungen Patienten unter 55 Jahren wurden beispielsweise im finnischen Prothesenregister Revisionsraten von bis zu 40 % nach nur 15 Jahren beobachtet. Bei entsprechend guter Indikation sind Erfolgsraten durch hüftnahe Osteotomien von 90 % nach 10-15 Jahren publiziert. Daher sollte bei jungen Patienten mit präarthrotischer Deformität die Indikation zur gelenkerhaltenden Operation stets geprüft und abgewogen werden. Heute werden hüftnahe Osteotomien nur noch an relativ wenigen spezialisierten Zentren in größerer Zahl durchgeführt, weshalb das Wissen über Indikation, Technik und postope- a b rativen Verlauf nicht mehr so weit verbreitet ist. Inhalt des vorliegenden Beitrags ist daher die postoperative Nachbehandlung mit Schwerpunkt auf sogenannten Warnsignalen, die auf einen komplikativen Verlauf hinweisen können. Hüftgelenknahe Osteotomien Heutzutage werden hüftnahe Osteotomien zumeist bei den Indikationen Hüftdysplasie Abb. 1: Röntgenkontrolle nach subtrochantärer derotierender Femurosteotomie mit winkelstabiler Platte. (a) postoperative Kontrolle; (b) Röntgenkontrolle 6 Wochen postoperativ mit deutlicher ­Kallusbildung (Pfeil) und beginnender knöcherner Konsolidierung, weshalb die Aufbelastung mit 15 kg/Woche erfolgen kann. und femoroazetabuläres Impingement (FAI) durchgeführt. Bei der Hüftdysplasie wird je nach Deformität eine beckenseitige Korrektur (3-fache Beckenosteotomie nach Tönnis und Kalchschmidt (Abb. 2) oder periazetabuläre Osteotomie nach Ganz) oder eine femorale Korrektur notwendig. Femoral kann dabei in allen 6 Freiheitsgraden korrigiert werden, wobei am häufigsten entweder eine isolierte Derotationsosteotomie subtrochantär (Abb. 1) oder intertrochantär erfolgt, oder eine 3-dimensionale derotierende und varisierende intertrochantäre Osteotomie durchgeführt wird. Bei FAI kann die Korrektur der impingierenden Deformität heutzutage in vielen Fällen arthroskopisch erfolgen. In etwa 5-15 % der Deformitäten wird jedoch ein offener Eingriff mit Trochanterosteotomie und chir­ urgischer Hüftluxation notwendig (Abb. 3). Weitere seltenere Indikationen umfassen u.a. die Schenkelhalspseudarthrose, die Hüftkopfnekrose sowie Residuen des Morbus Perthes. ➔ 17 | ::Schwerpunkt: Schmerzen nach orthopädischen Eingriffen Abb. 2: Anti-Schwerkraft Laufband (Alter-G, Proxomed), welches eine stufenlose Entlastung zwischen 10 % und 80 % des Körper­ gewichts erlaubt. (mit Genehmigung von ECOS Reha, München) Nachbehandlung nach hüftnahen Osteotomien Phase 1: stationäre Behandlung (ca. Tag 0-7) Größere Knocheneingriffe – insbesondere am Becken – erfordern eine suffiziente perioperative Analgesie. Kombinierte Narkosen aus einem Regionalanästhesieverfahren in Kombination mit einer (weniger tiefen) Vollnarkose werden meist bevorzugt. Bei den Regionalanästhesieverfahren besitzen vor allem die Periduralanästhesie sowie der sog. PsoasKompartmentblock eine wichtige Bedeutung. Postoperativ erfolgt die Analgesie entweder mittels Periduralkatheter oder mittels Patientengesteuerter Analgesie, der sog. „Schmerzpumpe“ (patient controlled analgesia = PCA). Aufgrund des erhöhten Sturzrisikos durch Regionalanästhesieverfahren sowie die postoperative Schmerzsituation ist die Mobilisationsfähigkeit – einschließlich des Betttransfers – in den ersten Tagen deutlich eingeschränkt. Interessanterweise ist bei fast allen Patienten von einem Tag auf den anderen ein regelrechter „Sprung“ in der | 18 Mobilisation zu beobachten, der individuell unterschiedlich zumeist zwischen 1. und 5. postoperativen Tag auftritt. Anschließend sind die Patienten regelhaft eigenständig an Unterarmgehstützen mobil und selbständig im Betttransfer. Die Analgesie ist dann gut oral einzustellen. Bei den klassischen Osteotomien sollte auf nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) aufgrund der Hemmung der Knochenheilung möglichst verzichtet werden. Nach chirurgischer Hüftluxation mit Trochanterosteotomie ist eine NSAR-Gabe über ca. 3 Wochen postoperativ hingegen als Ossifikationsprophylaxe obligat, da bei fehlender medikamentöser Prophylaxe das Auftreten heterotoper Ossifikationen in 35 % der Fälle beobachtet wurde. Phase 2: postakute Phase, „Stabilisierungsphase“ (Woche 2-6/Woche 2-8 bei Becken­ osteotomie) Ist der Patient eigenständig an Gehstützen mobil, sicher auf der Treppe und selbständig im Betttransfer, so folgt eine mehrwöchige ambulante Weiterbehandlung zuhause. Eine Teilbelastung von 20 kg sollte dabei nicht überschritten werden, ebenso sollte eine aktive Kräftigung unterbleiben. Insbesondere das aktive Anheben des gestreckten Beines sollte vermieden werden, da dabei mehr als das zweifache Körpergewicht auf das betroffene Hüftgelenk einwirkt. Die Schwerpunkte dieser Phase liegen auf der Lymphtherapie, der passiven Mobilisation des Gelenkes zur Prävention von Adhäsionen und Kontrakturen (Beckenosteotomie Flexion bis maximal 60-90°, je nach Vorgabe des Operateurs) sowie der Gangschule. Die orale Analgesie kann zumeist relativ rasch auf eine reine Bedarfsmedikation reduziert werden. Unter 20 kg Teilbelastung sollte in der zweiten Hälfte dieser Phase Schmerzfreiheit erreicht werden. Vor Beginn der nächsten Phase erfolgt in der Regel eine Kontrolluntersuchung beim Operateur mit Durchführung einer Röntgenuntersuchung zur Beurteilung der knöchernen Durchbauung (Abb. 1). Die klinische Untersuchung zeigt zu diesem Zeitpunkt meist ATOSnews noch eine endgradig schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit sowie einen Flexions-/Innenrotationsschmerz der operierten Hüfte. Stauchungs- oder Rüttelschmerz sollten nicht vorliegen. Phase 3: verzögerte Anschlussheilbehandlung (Woche 7-9/Woche 9-11 bei Beckenosteotomie) Je nach Röntgenbefund und Stadium der knöchernen Durchbauung kann die Belastung nun mehr oder weniger rasch – meist um 10-15 kg/Woche gesteigert werden. Nach chirurgischer Hüftluxation mit Trochanter­ osteotomie kann aufgrund der stabilen Osteosynthese nach Stufenosteotomie meist die schmerzadaptierte Belastung erfolgen (Abb. 4). Der Belastungsaufbau sollte dabei im schmerzfreien Bereich erfolgen. Unter Belastung auftretende Beschwerden deuten auf eine zu hohe Belastung der Osteosynthese hin. Dann sollte die Belastung auf die vorherige Belastungsstufe reduziert werden und ein erneuter Aufbelastungsversuch eine Woche später erfolgen. Zudem können eine zunehmende isometrische Kräftigung sowie Aquagymnastik erfolgen. Die Gangschule kann idealerweise durch ein Anti-Schwerkraft-Laufband unterstützt werden, welches ein normales Gehen und sogar Laufen unter Aufhebung der Schwerkraft erlaubt (Abb. 2). Die Beweglichkeit wird in dieser Phase freigegeben. Bewegungsabhängige Schmerzen können insbesondere bei endgradigen Bewegungen noch auftreten. Auch hier gilt, a b Abb. 3: Röntgenkontrolle 12 Wochen nach Becken-Dreifachosteotomie rechts. Es zeigt sich eine knöcherne Durchbauung der Osteotomiespalten bei noch aktivem Remodelling des Kallus. dass keine Beübung über die Schmerzgrenze hinaus erfolgen sollte. Analgetika sind meist nur bedarfsweise notwendig. Phase 4: ambulante Weiterbehandlung, berufliche Wiedereingliederung, „return to sport“ In der abschließenden Phase der Nachbehandlung erfolgt eine nochmalige radiologische Kontrolle 12 Wochen postoperativ, bei welcher zumeist eine fortgeschrittene knöcherne Durchbauung dokumentiert wird (Abb. 3). Die Belastung kann dann auf eine schmerzadaptierte Vollbelastung gesteigert werden. Auftretende Schmerzen können u.a. Hinweise auf eine verzögerte Knochenhei- Abb. 4: Röntgenkontrolle nach chirurgischer Hüftluxation und Trochanterosteotomie: (a) Intraoperative Aufnahme; aufgrund der Stufenosteotomie wird eine anatomische Reposition mit hoher Primärstabilität erreicht, so dass beschwerde­ abhängig eine rasche Voll­ belastung erfolgen kann. (b) Röntgen nach knöcherner Durchbauung. lung sein. Nach erreichter Vollbelastung liegt der Fokus auf der Erlernung eines flüssigen und gleichmäßigen Gangbildes. Grundlage ist u.a. die Kräftigung der hüftstabilisierenden Muskulatur (v.a. M. gluteus medius und M. gluteus minimus) zur Therapie des häufig auftretenden Trendelenburg-Hinkens. Eine Rückkehr zu sportlicher Betätigung ist meist nicht vor dem 5. postoperativen Monat sinnvoll. Belastungsabhängige Beschwerden oder Schmerzen bei plötzlichen Drehbewegungen sind auch in dieser Phase noch häufig. Die Rehabilitation sowie die Adaptationsprozesse des Gelenkes an die neue Biomechanik sind meist nicht vor Abschluss des ersten postoperativen Jahres abgeschlossen; entsprechend kann das Endergebnis der Korrektur auch erst zu diesem Zeitpunkt beurteilt werden. Eine Besonderheit stellen schließlich noch implantatbedingte Beschwerden dar, die entsprechend bis zur Entfernung des Osteosynthesematerials persistieren. Häufig sind dabei vor allem bei schlanken Patienten Beschwerden durch (tastbare) Schraubenköpfe am Beckenkamm nach Beckenosteotomie. Etwa 50 % der Patienten nach chirurgischer Hüftluxation berichten über peritrochantäre Beschwerden, die zumeist durch eine Irritation des Tractus iliotibialis durch die Schraubenköpfe entstehen (Abb. 4). Schmerzen ➔ 19 | ::Schwerpunkt: Schmerzen nach orthopädischen Eingriffen über dem Plattenlager, die entlang des Tractus iliotibialis nach distal ausstrahlen, sind besonders nach femoraler Korrekturosteotomie und dabei vor allem nach Verwendung einer Klingenplatte zu beobachten. -- Schmerzen bei Aufbelastung -- Ruheschmerzen -- Thrombosezeichen -- Infektionszeichen. Warnsignale („red flags“): Fazit -- Neuralgische Schmerzen postoperativ im Bereich des N. ischiadicus oder N. femoralis (Risiko einer Nervenläsion bei ca. 1,5 %) -- Neuralgische Schmerzen Oberschenkelvorderseite (Meralgia paraesthetica) -- Verschlechterung eines bereits erreichten Zustandes -- Stauchungs- oder Rüttelschmerz Hüftnahe Osteotomien erfordern eine stadienabhängige Nachbehandlung. Unmittelbar postoperativ aufgetretene neuralgische Schmerzen können durch eine Schädigung von N. ischiadicus, N. femoralis oder N. cutaneus femoris lateralis bedingt sein und sollten bezüglich einer Revisionsnotwendigkeit abgeklärt werden. Warnsignale für einen komplikativen Verlauf sind insbesondere be- | 20 lastungsabhängige Schmerzen unter Aufbelastung sowie die Verschlechterung eines bereits erreichten Zustandes. Hier sollten die Stabilität der Osteosynthese kontrolliert und die Belastung wieder reduziert werden. Literatur beim Verfasser Prof. Dr. Hans Gollwitzer ATOS Klinik München ECOM Excellent Center of Medicine [email protected] www.ecom-muenchen.de ATOSnews Schmerzen nach Knieprothese – wie lange ist das normal? Von Christoph Becher und Hajo Thermann Keywords: Knieprothese, Arthrose, Schmerz, Diagnostik In Deutschland wurden im letzten Jahr ca. 160.000 Knieendoprothesen (K-TEP) bei Patienten mit Gonarthrose eingesetzt. Die Anzahl der mit einer Knieprothese versorgten Patienten wurde in den letzten Jahren kontrovers diskutiert; der allgemeine Vorwurf lautet, dass zu viel und zu schnell operiert wird. Allerdings gilt zu beachten, dass in einer aktuellen Publikation aus dem renommierten Fachjournal „New England Journal of Medicine“ bewiesen wurde, dass in einem Zeitraum von einem Jahr die operative Versorgung mit einer Knieprothese zu einer signifikant größeren funktionellen Verbesserung und stärkerer Schmerzreduktion führt als wenn die Patienten rein konservativ behandelt werden [1]. Es bestätigt auch die eigene klinische Erfahrung, dass bei intensiver Auseinandersetzung mit dem Patienten und seinem problematischen schmerzhaften Knie ein hohes Maß an Zufriedenheit erreicht werden kann. Dem entgegen steht die immer wieder postulierte Aussage, dass nach einer Knieprothesenimplantation bis zu 25 % der Patienten mit dem Ergebnis nicht zufrieden wären [2, 3] und „nur“ knapp 80 % der Patienten den Eingriff noch einmal durchführen lassen würden [3]. Anspruch und Wirklichkeit scheinen also trotz der Verbesserung vom Schmerz und Funktion durch die Knieprothese nicht immer im Einklang zu stehen. Eine kritische Indikationsstellung und Aufklärung der Patienten über das zu erwartende Ergebnis im jeweils individuellen Fall sollte die Zufriedenheitsrate erhöhen sowie die allgemeine Sichtweise auf die Knieendoprothetik verbessern können. Im postoperativen Verlauf ist es entscheidend beurteilen zu können, was als „normaler“ bzw. „nicht normaler“ Verlauf zu bewerten ist. Dies stellt allerdings auch für den Spezialisten eine große Herausforderung dar. Typischerweise finden sich bei „nicht normalem“ Verlauf persistierende Ruhe- und/oder Belastungsschmerzen, eine rezidivierende Schwellneigung, eine Steifheit des Gelenks oder ein Instabilitätsgefühl. In vielen Fällen ist der Verlauf allerdings nicht ungewöhnlich und die Beschwerden lassen durch konservative Maßnahmen oder auch einfach nur durch den individuell physiologischen Heilungsverlauf mit der Zeit nach. Trotzdem liegt die Revisionsrate mit Wechsel des Implantates nach primärer Implantation einer Knieendoprothese innerhalb der ersten 5 Jahre bei 2,8 % [4]. Revisionen ohne Implantatwechsel erfolgen sogar bei fast 5 % der Patienten. Hier sind die Gründe vor allem eine persistierende Steifheit, Probleme mit der Patella, eine Wundheilungsstörung bzw. Infektion oder ein starker Bluterguß [4]. Ziel dieses Beitrages ist den „normalen“ Heilungsverlauf nach Implantation einer Knieendoprothese darzustellen und bei „nicht-normalem“ Verlauf die notwendigen Schritte aufzuzeigen. Die ersten drei Monate Was ist „normal“: Durch den Operationszugang zum Knie besteht oberhalb des Kniegelenkes eine ca. 10–15 cm lange Narbe. Das Knie ist geschwollen und es zeigt sich in individuell unterschiedlicher Art ein Bluterguß. Die direkt nach der Operation vorhandenen Schmerzen können mit einem sog. 3-in-1 Schmerzkatheter und einer standardisierten Schmerztherapie nach Maßgabe der WHO gut beherrscht werden. Die Beweglichkeit ist schwellungs- und schmerzbedingt zunächst noch deutlich eingeschränkt. Die oberflächliche Wundheilung ist nach ca. 2 Wochen abgeschlossen und das Nahtmaterial kann entfernt werden. Anwendungen im Wasser können dann erfolgen. Innerhalb der ersten Wochen werden Unterarmgehstützen benutzt, bis ein sicheres Gangbild – möglichst ohne Hinken – wiederhergestellt ist. Bei der Kontrolluntersuchung nach 3 Monaten erwarten wir als normal: -- ein sicheres Gangbild ohne Hilfsmittel -- eine Beweglichkeit des Gelenkes, welche mindestens der Beweglichkeit vor der Operation entspricht ➔ 21 | ::Schwerpunkt Schmerzen nach orthopädischen Eingriffen -- keine regelmäßig notwendige Schmerzmitteleinnahme. Diese Kriterien werden natürlich durch die individuellen Gegebenheiten des Patienten beeinflusst. Je besser vor der Operation das Gelenk beweglich und umso besser der Fitnesszustand war, umso schneller ist in der Regel der Fortschritt im Rahmen der Rehabilitation. Ein Kraftdefiizit ist meistens noch vorhanden und vor allem das Treppensteigen fällt oft noch schwer. Das Schmerzniveau wird durch die vor der Operation bestandenen Schmerzen beeinflusst. Wenn der Patient über Jahre chronische Schmerzen hatte und Schmerzmittel verwendet hat, wird die Reduktion der benötigten Schmerzmittel in der Regel länger dauern. Eine gelegentliche belastungsabhängige Schmerzmitteleinnahme ist nicht ungewöhnlich. Lokalisierbare Schmerzen z. B. im Bereich der Sehnenansätze oder der Kniescheibe sind ebenfalls noch häufig. Auch leichte Schwellzustände und eine leichte Überwärmung finden sich nicht selten. Insgesamt sollte im Verlauf aber eine stetige Besserung der Schmerzen, eine Reduktion der Schwellung und eine Verbesserung der Funktion eingetreten sein. Was ist „nicht normal“: Abweichungen des üblichen Heilungsverlaufes betreffen anfangs häufig eine geringe Beweglichkeit des operierten Kniegelenks. Innerhalb der ersten 2 Wochen sollte sich die Beugefähigkeit mindestens ca. 90° betragen und die Schwellung rückläufig sein. Wenn ein starker Bluterguss besteht, muss evtl. eine Entlastung erfolgen. Eine persistierende Wundsekretion, starke Schwellung, Rötung, Überwärmung und hohe Entzündungsparameter bei der Blutuntersuchung sind selten, bedürfen aber bei Infektverdacht unbedingt einer weiteren Abklärung und bei Bestätigung der operativen Revision. Im Rahmen der klinischen Untersuchung sind deutliche Achsabweichungen sowie eine erhebliche Instabilität der Seitenbänder zu beachten. Die Röntgenuntersuchung gibt Aufschluss über eine grobe Implantatfehlplazierung, freie Gelenkkörper, den Stand der Kniescheibe (Patella) und sonstige knöcherne Auffälligkeiten. Die Aussage des Patienten, dass „von Anfang an starke Beschwerden“ bestanden | 22 Abb. 1: Gute Beweglichkeit und reizfreies Gelenk nach beidseitiger Knieprothesenimplantation ein- bzw. eineinhalb Jahre nach der Operation. und die „Prothese bisher nie richtig funktioniert“ habe, sollte auch schon nach 3 Monaten hellhörig werden lassen und zumindest eine grundlegende Diagnostik eingeleitet werden. Das erste Jahr Was ist „normal“: Die Funktion des Kniegelenks sollte im weiteren Verlauf stetig besser werden. Längere Spaziergänge sind zunehmend möglich und auch längere Wanderungen können in der Regel nach 4-6 Monaten wieder durchgeführt werden. Allerdings wird der Patient die Muskulatur und auch das Gelenk mit seinem Weichteilmantel v.a. nach längeren Gehbelastungen mit Steigungen „noch spüren“. Innerhalb des ersten Jahres geben ca. 50 % der Patienten an, dass sich das Knie nicht „wie ihr eigenes“ anfühlt. Die Gewöhnung an den neuen Zustand dauert deutlich länger als beispielsweise nach Implantation einer Hüftendoprothese. Schmerzen und Schwellungen treten vor allem noch belastungsabhängig auf, sollten aber im Verlauf weiter rückläufig sein. Falls das Bewegungsausmaß und die Funktion noch nicht zufriedenstellend sind, sollten durch physiotherapeutische Unterstützung weiter daran gearbeitet werden. Bei sportlichen Belastungen sollten stoßartige Belastungen und abrupte Richtungswechsel vermieden werden. Sportarten wie z. B. Walking, Radfahren, Schwimmen, Golf und Kegeln sind zu empfehlen und können wieder aufgenommen werden. Bei Sportarten mit erhöhtem Verletzungsrisiko wie z. B. Skifahren, Tennis, Reiten und Ballspielen ist darauf zu achten, dass bereits ein gutes muskuläres Niveau besteht und das Knie gut stabilisiert werden kann. Bei der Kontrolluntersuchung nach einem Jahr erwarten wir als normal: -- ein sicheres Gangbild ohne Hinken -- ein reizfreies Gelenk ohne Weichteilschwellung oder Erguss (Abb. 1) -- eine Beweglichkeit des Gelenkes, welche besser als die Beweglichkeit vor der Operation ist (Abb. 1) -- keine notwendige Schmerzmitteleinnahme. Auch hier sind selbstverständlich individuelle Gegebenheiten des Patienten zu berücksichtigen. Was ist „nicht normal“: Wenn Fortschritte ausbleiben und das erreichte Niveau in Bezug auf Schmerz, Beweglichkeit und Funktion sogar wieder rückläufig ist, wird die Unzufriedenheit des Patienten mit der Situation stetig zunehmen. Nun ist eine genaue Analyse gefordert, um die Ursache des unbefriedigenden Verlaufes herauszufinden. Die Schmerzanamnese ist hierbei äußerst wichtig, um entsprechend einer Verdachtsdiagnose die weitere Diagnostik einleiten zu kön- ATOSnews nen und zur Diagnose zu kommen. Es sollten folgende Punkte abgeklärt werden [5]: Analyse der Schmerzen -- Änderung der Schmerzen nach der Operation? Falls die Art der Schmerzen nicht verändert ist, war das Knie evtl. nicht die Ursache der Schmerzen. Eine Besserung durch die Knieprothese kann entsprechend nicht eintreten. Knieschmerzen können auch durch Pathologien der Wirbelsäule und der Hüfte verursacht werden. -- Liegen Ruheschmerzen oder belastungsabhängige Schmerzen vor? Bei Ruhe- Take home message Die Implantation einer Knietotalendoprothese ist ein sehr erfolgreiches schmerzen muss immer an eine sog. „low-grade“ Infektion gedacht werden. Belastungsabhängige Beschwerden sind eher mechanisch verursacht. -- Gibt es auffällige Begleitsymptome wie Missempfindungen (Parästhesien), eine mechanische bzw. thermische Überempfindlichkeit oder trophische Störungen der Haut? Die Ursache könnte neurologisch im Rahmen der Narbenbildung oder vaskulär bzw. rheumatisch bedingt sein. -- Gab es ein schmerzfreies Intervall? Da die Prothese schon „funktioniert“ hat, sind mechanische Ursachen im Sinne einer Fehlpositionierung des Implantates eher unwahrscheinlich. Abb. 2: Am rechten Knie persistierende Schwellung, Rötung und Überwärmung fast ein Jahre nach der Operation. Es muss eine weitere Diagnostik erfolgen, insbesondere zum Ausschluss eines Infektes. -- Gab es Komplikationen/gesundheitliche Probleme sonstiger Art (z.B Thrombose, Herzinfarkt etc.)? Durch Vernachlässigung der Rehabilitation mit Fokussierung auf andere Probleme, können sekundär verstärkte Beschwerden des Knies auftreten. ­operatives Verfahren zur Behandlung der Arthroseschmerzen. Zur Beurteilung von persistierenden Schmerzen ist vor allem die indivi­duelle Ausgangslage des Patienten und der Verlauf zu beachten. Jede Knieprothese ist wie jede Kniearthrose ein Unikat! Eine ausführliche Analyse mit Anamnese und klinischer Untersuchung sind entscheidend für die weitere Diagnostik. Zeit, Geduld und ein kollegiales interdisziplinäres Vorgehen ist sinnvoll und erleichtert die Patientenführung. Bei eindeutig definierbarer Ursache muss gehandelt werden. In manchen Fällen bleibt die Schmerz­ ursache trotz intensiver Diagnostik ­unklar. Eine operative Revision sollte dann vermieden werden. Analyse der klinischen Befunde -- Gibt es Infektzeichen bei Inspektion und Palpation (Abb. 2)? Gibt es einen Ausschlag als Zeichen einer möglichen Allergie? -- Besteht eine schmerzhafte Beweglichkeit? In welchem Bereich ist die Beweglichkeit schmerzhaft bzw. eingeschränkt? Streckdefizit, Beugedefizit? Das eingeschränkte Bewegungsausmaß an sich ist relativ unspezifisch. -- Wie ist die Stabilität des Bandapparates? Die Untersuchung der Seitenbänder muss in Streckung, 30° und 90° Beugung erfolgen. Zudem Überprüfung der ap-Stabilität durch Lachman-Test und Schubladentest. Diese Befunde sind mit der Anamnese des Patienten zu korrelieren (Instabilitätsgefühl/Vorderer Knieschmerz beim z. B. Treppensteigen?) -- Gibt es ein Fehlgleiten der Patella? Ist dies weichteilbedingt? Gibt es Zeichen eines Malalignment bzw. einer Malrotation? Gibt es Zeichen einer sekundären Retropatellararthrose? ➔ Abb. 3: Ausgeprägte hintere Instabilität, welche schon in der seitlichen Röntgen­ aufnahme im Stehen sichtbar ist. Therapie der Wahl ist ein Wechsel der femoralen Komponente mit Implantation eines PS (posterior stabilized) Implantates. 23 | ::Schwerpunkt Schmerzen nach orthopädischen Eingriffen -- Besteht Druckschmerz über Insertionen der Muskulatur, Bänder und Sehnen? Dies könnte durch Malalignment, Malrotation oder Overstuffing der Prothese verursacht sein. Analyse der bildgebenden Befunde -- Standard ist das Röntgenbild in 3 Ebenen im Vergleich zu den präoperativen Aufnahmen. Gibt es Zeichen einer Lockerung, für Osteolysen, für eine sekundäre Retropatellararthrose, PE-Verschleiß, Overstuffing, Malposition der Implantate? Dabei Beurteilung des Patellastandes in der axialen und sagittalen Ebene als Hinweis für ein Malalignment, eine Malrotation, Patella baja oder alta. Zudem Beurteilung der Gelenklinie und des tibialen Slopes im Hinblick auf eine Malposition der Implantate. Eine grobe Instabilität kann gegebenenfalls in der seitlichen Aufnahme vermutet werden (Abb. 3). -- Bei verdächtigem klinischem und bildgebendem Befund evtl. weitere Diagnostik mit Ganzbeinaufnahme, gehaltenen Röntgenaufnahmen, Rotations-CT und 3-Phasen Skelettszintigrafie. Analyse der Laborbefunde -- Gibt es Zeichen eines Infektes im Blutserum? Insbesondere bei low-grade Infekten können die Infektparameter allerdings normwertig sein. Die Blutsenkungsgeschwindigkeit spielt aufgrund der niedrigen Spezifität keine Rolle. Die Leukozytenzahl ist insbesondere aufgrund der niedrigen Spezifität ebenfalls uninteressant. Auch das C-reaktive Protein (CRP) hat nur eine geringe Spezifität. Den besten Vorhersagewert hat das Interleukin-6 (IL-6) mit einer Sensitivität von 1,0 und Spezifität von 0,95 [6]. -- Gibt es Zeichen eines Infektes im Gelenkpunktat? Wenn die Leukozyten > 2000 μl oder neutrophilen Granulozyten > 70 % betragen, muss bis zum Beweis des Gegenteils von einer Protheseninfektion ausgegangen werden. | 24 Weiterführende Analyse -- Das Punktat muss einer mikrobiologischen Untersuchung zugeführt werden. Es sollte sichergestellt sein, dass 14 Tage vor Punktion keine Antibiotika eingenommen wurden. Das Punktat sollte 14 Tage bebrütet werden. -- Eine arthroskopische Probenentnahme aus allen Gelenkbereichen mit mikrobiologischer und histologischer Untersuchung erhöht die Sicherheit der Diagnostik im Hinblick auf Infekt, Allergie oder Arthrofibrose. Fazit Die korrekte Indikationsstellung unter Beachtung der Kontextfaktoren sollte kritisch erfolgen, um Fehlschläge zu vermeiden. Wenn persistierende Schmerzen nach der Knieprothesenimplantation verbleiben, ist die Kenntnis des Patienten mit seiner Vorgeschichte essentiell. Die genaue Analyse führt häufig zu einer Ursache mit entsprechender Möglichkeit, eine adäquate Therapie einleiten zu können. Dabei ist Zeit und manchmal auch Geduld erforderlich. Ein kollegiales interdisziplinäres Vorgehen ist sinnvoll und erleichtert die Patientenführung. Bei eindeutig definierbarer Ursache muss gehandelt werden. In manchen Fällen bleibt die Schmerzursache trotz intensiver Diagnostik unklar. Eine Revision mit Wechsel der Prothese ist dann allerdings mit einem sehr hohen Risiko der Beschwerdepersistenz oder sogar Verschlimmerung verbunden. Die konservative Therapie mit Ausschöpfung aller Maßnahmen mit evtl. auch unkonventionellen Wegen steht im Vordergrund. PD Dr. Christoph Becher Prof. Dr. Hajo Thermann HKF – Internationales Zentrum für Hüft-, Knie- und Fußchirurgie, Sporttraumatologie ATOS-Klinik Heidelberg [email protected] Literatur 1.Skou, S.T., et al., A Randomized, Controlled Trial of Total Knee ­Replacement. N Engl J Med, 2015. 373(17): p. 1597-606. 2.Carr, A.J., et al., Knee replacement. Lancet, 2012. 379(9823): p. 1331-40. 3.Shan, L., et al., Intermediate and long-term quality of life after total knee replacement: a systematic review and meta-analysis. J Bone Joint Surg Am, 2015. 97(2): p. 156-68. 4.Zmistowski, B., et al., Incidence and reasons for nonrevision ­reoperation after total knee ­arthroplasty. Clin Orthop Relat Res, 2011. 469(1): p. 138-45. 5.Thiele, K., et al., Current failure mechanisms after knee arthroplasty have changed: poly­ ethylene wear is less common in revision surgery. J Bone Joint Surg Am, 2015. 97(9): p. 715-20. 6.Worner, M., et al., [Painful total knee arthroplasty. A treatment ­algorithm]. Orthopade, 2014. 43(5): p. 440-7. ATOSnews Schmerzen nach Kreuzbandoperation – wie lange ist das normal? Von Holger Schmitt Komplikationen nach vorderer Kreuzbandplastik - Infektion und Wundheilungsstörung - Thrombose und Embolie - Instabilität des Kniegelenkes - Bewegungseinschränkung Keywords: Schmerz, Kreuzbandersatz, Arthrofibrose, Komplikation Die Schmerzen nach operativer Versorgung von Rupturen der vorderen Kreuzbänder gehen gehen üblicherweise rasch zurück, so dass oft bereits nach etwa einer Woche keine A ­ nalgetika mehr erforderlich sind. Welche Ursachen für ­e inen verzögerten Rückgang der Beschwerden oder für das Auftreten erneuter Schmerzen verantwortlich sein ­können, beschreibt der vorliegende Beitrag. - Gefäß- und Nervenläsion - Reruptur der Kreuzbandplastik Tabelle 1 Schmerzursachen nach vorderer Kreuzbandplastik - Akute/Chronische Synovitis - Streckdefizit - Arthrofibrose - Restinstabilität - Hämatom Unterschenkel - Sensibilitätsdefizit Ramus infrapatellaris - Sehnenentnahmeproblematik - Patellofemoraler Schmerz - Thrombose - Begleitschäden (Knorpel/Meniskus) Tabelle 2 Vordere Kreuzbandrupturen sind ein häufig anzutreffendes Problem bei sportlich aktiven Menschen, bei denen es als Folge der Verletzung zu einer Instabilität des Kniegelenkes kommt. In vielen Fällen wird eine operative Versorgung empfohlen, um zum einen die Stabilität des Gelenkes zu verbessern, zum anderen möglichst das Risiko des Auftretens von Folgeschäden (Meniskus und Knorpel) zu reduzieren. Üblicherweise werden heutzutage vordere Kreuzbandplastiken arthroskopisch durchgeführt. Als Ersatz dienen körpereigene Sehnen wie z. B. die Semitendinosussehne, die in mehr als 80 % der Fälle zur Anwendung kommt. Auch wenn beim akuten Ereignis, das zur Ruptur des vorderen Kreuzbandes geführt hat, häufig Schmerzen auftreten, können diese durch konservative Maßnahmen rasch reduziert werden, sodass viele Patienten wenige Tage nach Trauma kaum noch über Schmerzen klagen. Prinzipiell sind zwischen 75 und 97 % der Patienten mit dem operativen Ergebnis zufrieden (George et al. 2006, Baer et al. 2007). Komplikationen nach einer Kreuzbandoperation können in ca. 10 % der Fälle auf- treten (Tabelle 1) (Bach 2004), in den ersten 30 Tagen nach Operation nur in ca. 1,5 % (Cvetanovitch et al. 2016). Nach einer Kreuzbandoperation können auch Schmerzen bestehen. Wann ist welcher Schmerz normal? Erste Postoperative Phase (Tag 1–5): Direkt postoperativ, d. h. noch am Tage der Operation klagen viele Patienten über Schmerzen, die im wesentlichen durch den operativen Eingriff (u.a. mit Bohren von Knochenkanälen) verursacht werden. Je nach Schwellungszustand werden Spannungsschmerzen angegeben, eine häufig eingelegte intraartikuläre Redondrainage kann ebenfalls zu Schmerzen führen. Postoperative Eisauflage (Kryotherapie) kann den Schmerz reduzieren (Secrist et al. 2015). Je nach Mitversorgung von Begleitverletzungen an Meniskus oder Knorpel können ebenfalls Schmerzen verursacht werden. Üblicherweise sind die postoperativ bestehenden Schmerzen durch Gabe von nicht­ steroidalen Analgetika (NSAR, z. B. Ibuprofen u.a.) gut beherrschbar und in vielen Fällen ➔ 25 | ::Schwerpunkt Schmerzen nach orthopädischen Eingriffen Zweite postoperative Phase (Tag 6–28): Da nach Ersatz des Kreuzbandes in den ersten Wochen sehr häufig eine Bewegungslimitierung vorgegeben wird, kann es bei der krankengymnastischen Mobilisation sowie bei Eigenübungen im Grenzbereich der Beweglichkeit zu Schmerzen kommen, die sich im Laufe der Rehabilitation aber auch häufig reduzieren, so dass meistens nach ca. 4–6 Wochen eine Belastung ohne Unterarmgehstützen und mit nur noch gering eingeschränkter Bewegung erfolgen kann. Ungewöhnlich sind Schmerzen dann, wenn nach der Rehabilitation und Aufnahme der Volllast Ruhe- und oder belastungsabhängige Schmerzen auftreten, die sich durch konservative Maßnahmen wie manuelle Therapie, detonisierende Massagen oder auch Schmerzmittel nur unzureichend reduzieren lassen. Abb. 1: akute Synovitis mit Schwellung und Entzündungszeichen Abb. 2: Bildung eines Cyclops nach vorderer Kreuzband­ ersatzplastik mit Streckdefizit und Schmerz Folgende Ursachen können hierfür verantwortlich sein (siehe auch Tabelle 2): Akute oder chronische Synovitis Abb. 3: ausgeprägte Narbenbildung im oberen Recessus als Ausdruck der Arthrofibrose mit schmerzhafter Bewegungs­einschränkung ist nach 5–7 Tagen keine medikamentöse Schmerzmedikation mehr erforderlich. Im Rahmen der Operation gelegte Nervenblockaden oder die intraartikuläre Analgetikagabe können den postoperativen Schmerz signifikant reduzieren (Secrist et al. 2015). Auch eine lokale Infiltration der Wundränder | 26 mit Anästhetikum führt zu einer geringeren Schmerzentwicklung. Auch wenn Kompression direkt nach Operation zu einer Reduktion der Schwellung führt, haben Tapeverbände in den ersten drei Tagen nach Operation keinen Einfluß auf die Schmerzentwicklung (Laborie et al. 2015). Intraartikuläre Reizzustände und Entzündungen können zu persistierenden Schmerzen führen. Bei abakteriellen Synovitiden kommt es durch übermäßige Produktion von Synovialzellen und Flüssigkeit zu dauerhaften Schwellungszuständen, die neben einer Bewegungseinschränkung auch zu Schmerzen führen können (Abb. 1). Kommt es zu einer bakteriellen Besiedelung (Risiko ca. 0,5 %, Burks et al. 2003), sind die Beschwerden meist erheblich, die laborchemischen Entzündungsparameter steigen an, teilweise entstehen auch Rötungen im Wundbereich und/oder Fieber und Schüttelfrost. In diesen Fällen muss nach Keimisolierung eine operative Revision mit Spülung und nachfolgender Antibiose erfolgen. Ohne Keimnachweis und Entzündungszeichen kann meistens konservativ behandelt werden. Belastungsreduktion, manuelle Lymphdrainage und Krankengymnastik sind zu empfehlen. Streckdefizit Üblicherweise ist eine volle Streckung in den ersten Tagen postoperativ nicht möglich. Phy- ATOSnews siotherapeutisch kann in dieser Zeit schonend in die Streckung beübt werden. Volle Streckung sollte nach 4–6 Wochen möglich sein, in Ausnahmefällen dauert es drei Monate. Sollte sich zu diesem Zeitpunkt weiterhin ein Streckdefizit zeigen, ist eine kernspintomographische Diagnostik zu empfehlen, um gegebenenfalls das Vorhandensein eines sog. Cyclopssyndroms nachzuweisen. Hierbei kommt es durch eine vermehrte Narbenbildung vor der Kreuzbandplastik zu einem mechanischen Einklemmungsphänomen, das die Streckung behindert und operativ (arthroskopisch) behandelt werden sollte (Abb. 2). Die hiermit verbundenen Schmerzen können somit relativ rasch und einfach behoben werden. Take home message Schmerzen nach vorderem Kreuz­ bandersatz sind in den ersten Tagen nicht ungewöhnlich und können durch medikamentöse und physio­ therapeutische Maßnahmen erfolgreich a­ ngegangen werden. Finden sich Schmerzen, Schwellungs­ zustände und Bewegungsein­ schränkungen auch noch 6 Wochen nach einem Eingriff, sollte eine ­Ursachenanalyse erfolgen, um ­ Arthrofibrose möglichst frühzeitig Komplikationen Bewegungseinschränkungen treten nach einer vorderen Kreuzbandplastik in 5–24 % der Fälle auf, wobei sich Funktionseinschränkungen häufig erst bei einem Bewegungsdefizit im Seitvergleich von mehr als 5 Grad bemerkbar machen (Harner et al. 1992). Ursache einer postoperativen schmerzhaften Bewegungseinschränkung in Beugung und Streckung kann einen sog. Arthrofibrose sein. Hierbei handelt es sich um eine ausgeprägte posttraumatische oder postoperative intraartikuläre Bindegewebevermehrung, als deren Auslöser eine abnormale Fibroblastenproliferation gesehen wird (Mayr et al. 2004). Man unterscheidet zwischen einer primären (früh postoperativ auftretend, in Verbindung mit Schwellung und Reizzustand stehend, Ursache unklar) und einer sekundären Arthrofibrose (Folge inadäquater Rehabilitation, falsche Operationstechnik, Folge postoperativer Komplikationen wie Infektion u.a.). Je nach Ausprägung der Bewegungseinschränkung sind operative Revisionen indiziert (Abb. 3). Eine arthroskopische Lösung der Verwachsungen und intensive frühfunktionelle Behandlung sind erforderlich, um das Bewegungsausmaß zu verbessern. entgegenzuwirken. Restinstabilität Auch wenn in den meisten Fällen nach operativer Versorgung eine erhebliche Verbesserung der Stabilität des Gelenkes erzielt wird, auftreten. Selten ist in diesen Fällen eine operative Revision erforderlich. Physiotherapeutische Maßnahmen können die Resorption des Hämatoms unterstützen. Je nach Ausprägung des Hämatoms kann diese Phase bis zu 4 Wochen andauern. kann in ca. 5 % der Fälle eine Restinstabilität zu immer wiederkehrenden belastungsabhängigen Schmerzen führen. Eine postoperative Instabilität von mehr als 5 mm im Seitvergleich wird häufig als Grund für eine operative Revision gesehen (Noyes et al. 2001). Teilweise können diese Beschwerden mit einer Schwellneigung kombiniert sein. Gelingt es nicht, eine geringe Restinstabilität (bis ca. 3–4 mm im Seitvergleich) muskulär durch intensives Aufbautraining zu kompensieren, kann eine Revisionsoperation erforderlich werden. Muss das Kreuzbandtransplantat ausgetauscht werden, schließt sich an die Operation eine mindestens so lange dauernde Rehabilitationsphase an, wie sie auch beim Primäreingriff erforderlich war. Sensibilitätsdefizit am Unterschenkel (R. infrapatellaris) Insbesondere bei der Präparation der Semitendinosussehne als Spendersehne für den Kreuzbandersatz, aber auch bei Legen eines der Bohrkanäle kann es zu einer Verletzung des Ramus infrapatellaris kommen, die sich entweder im Sinne eines Sensibilitätsdefizits im Bereich des Unterschenkels und/oder als Überempfindlichkeiten mit Schmerzen äußern kann. In den meisten Fällen sind derartige Beschwerden über Wochen nach einer Operation rückläufig, selten können persistierende Schmerzen beobachtet werden. Lokale anästhetische Therapiemaßnahmen werden empfohlen, um die Beschwerden anzugehen. Schmerzen an der Entnahmestelle der Patellasehne Insbesondere bei einer Schnittführung im Verlauf der Patellasehne werden bei Patienten, bei denen ein Patellasehnendrittel als Kreuzbandersatz zur Anwendung kommt, Schmerzen im Bereich der Entnahmestelle angegeben (bis zu 30 %, Riaz et al. 2015). Auch das Knieen kann noch über Monate zu Beschwerden führen. In Einzelfällen sind operative Revisionen erforderlich, um verhärtetes Narbengewebe zu entfernen und prominente Knochenkanten zu glätten. Patellofemoraler Schmerz Hämatom im Unterschenkel Insbesondere in der Frühphase nach der Operation kann es zu einer Verlagerung des Hämatoms aus der Muskelloge (z. B. bei Entnahme der Semitendinosussehne) am Oberschenkel auf die Innenseite des Unterschenkels kommen. Schmerzen können von der Rückseite des Oberschenkels bis zur Innenseite des Unterschenkels am Innenknöchel Ein Schmerz im Bereich der Kniescheibe postoperativ kann im Rahmen der Rehabilitation nach Kreuzbandersatz auftreten (vorderer Knieschmerz in 3–47 % der Fälle (Brown et al. 1999)). In vielen Fällen führt ein Muskelungleichgewicht, ausgelöst insbesondere durch die im Anschluss an ein Trauma stattfindende und durch die nach einer Operation erforderliche Teilbelastung, zu den Beschwerden. Der ➔ 27 | ::Schwerpunkt Schmerzen nach orthopädischen Eingriffen M. vastus medialis reagiert auf diese Teilbelastung mit einem relativ raschen Muskelabbau. Vernarbungen im Bereich der Patellasehne können zu einem Tiefstand der Patella mit veränderter biomechanischer Belastung und sich entwickelnden Schmerzen führen. Führt eine Mobilisierung der Patella physiotherapeutisch zu keiner Verbesserung, können operative Eingriffe erforderlich werden. Thrombose Thrombosen im Bereich des Unterschenkels werden trotz medikamentöser Prophylaxe in 3–5 % der Fälle nach operativer Kreuzband­ operation festgestellt. Schmerzen in den Waden verbunden mit einem erhöhten Spannungszustand machen darauf aufmerksam. Die dopplersonographische Darstellung der Venen dient zur Diagnosestellung. Je nach Ausmaß der Thrombose müssen medika- N O T E S & mentöse mit physiotherapeutischen Maßnahmen kombiniert werden. Die Schmerzen sind dann häufig schnell rückläufig. Begleitschäden In 45–81 % der Fälle kommt es neben einer vorderen Kreuzbandverletzung zu einer Mitbeteiligung der Menisken, in bis zu 80 % der Fälle zumindest zu einer Kompression des Knorpels (in der kernspintomographischen Darstellung sog. bone bruises) (Samitier et al. 2015). Die Behandlung der Begleitschäden sollte wenn möglich einzeitig mit dem Kreuzbandersatz erfolgen. Morbus Sudeck Als Resultat einer übersteigerten Entzündung im Rahmen des Heilungsprozesses kann es zur Entwicklung eines sog. Morbus Sudeck bzw. CRPS (complex regional pain syndrome) kommen. Es äußert sich durch extreme Schmerzen auch in Ruhe, verbunden mit einer erheblichen Bewegungseinschränkung, häufig kombiniert mit glänzenden rötlichen Hautverhältnissen. Derartige Probleme können meist konservativ behandelt werden (multimodal und interdisziplinär) und zeichnen sich durch einen besonders langwierigen Verlauf aus (viele Monate). In der Anfangsphase stehen passive physiotherapeutische Maßnahmen im Vordergrund, um den Reizzustand zu reduzieren. Literatur beim Verfasser Prof. Dr. Holger Schmitt ATOS Klinik Heidelberg [email protected] N E W S :: Erfolgreicher 1. GOTS Young Academy Hands-On Day Am 14. November 2015 fand in Mannheim der erste Hands-On Day der GOTS Young Academy statt. Erstmals fanden sich 35 Studenten und Auszubildende der Medizin, Sportwissenschaft und Physiotherapie im „Thesima“ in Mannheim ein, welches uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde. Der Tag begann mit einer Vorstellung der GOTS sowie der Young Academy durch Prof. Dr. Holger Schmitt, der die Veranstaltung organisierte. Anschließend begann der theoretische Teil der Veranstaltung mit Vorträgen von Sebastian Schmitt, Dr. Gregor Berrsché sowie Prof. Dr. Holger Schmitt zur funktionellen Anatomie des Sprunggelenkes, zu Sprunggelenksverletzungen im Sport sowie zur Therapie von Sportverletzungen am Sprunggelenk. Nachdem die theoretischen Grundlagen aufgefrischt waren, stand nach der Mittagspause der spannende Praxisteil an. Aufgeteilt in vier Gruppen konnten die Teilnehmer nun an verschiedenen Stationen ausgiebig praktisch üben. Angeboten wurden die klinische Untersuchung des Sprunggelenks, das Anlegen von Bandagen und Orthesen, die Ultraschall-Diagnostik des | 28 Die große Gruppe aus Teilnehmern und Dozenten vor dem „Thesima“ Sprunggelenks und der Achillessehen sowie das Anlegen eines Kompressions- und Tapeverbandes. Teilnehmer und Dozenten zogen am Ende des spannenden und lehrreichen Tages ein durchweg positives Resümee. Besonderer Dank geht an die Firma Medi für die freundliche Unterstützung der Veranstaltung! ATOSnews Schmerzen nach Sprunggelenks­ endoprothesen Von Hajo Thermann Keywords: Sprunggelenksprothese, Versteifung, Sprunkgelenksarthrose In Deutschland werden, mit zunehmender Anzahl, etwa 2.000 Sprunggelenksprothesen im Jahr implantiert (zum Vergleich: 160.000 Knieprothesen). Das Verhältnis zwischen der Implantation einer Prothese und einer Versteifung des oberen Sprunggelenkes beträgt in etwa 1:10. Allein anhand dieser Zahlen wird klar, dass Erfahrung mit Sprunggelenksprothesen im Hinblick auf Implantationstechnik, Beurteilung der postoperativen Verläufe, Einordnung von Schmerzen und Fehlbelastungen, im Vergleich zu Knieprothesen eher ein „Unikatformat“ haben. Aus eigener Erfahrung bedarf es daher, besonders in der Beurteilung von Schmerzen nach der Implantation von Sprunggelenksendoprothesen, einer langen „Learning Curve“. Besonders durch die komplexe Situation des Übergangs vom Unterschenkel in den Fuß können sich viele unterschiedliche Pathologien aufgrund der Achsvariationen oberhalb des Sprunggelenks und unterhalb im Rückfuß ergeben. Prinzipiell werden in Europa bei den Sprunggelenksprothesen drei verschiedene Modelle mit einer tibialen und einer talaren Komponente sowie einem Gleitkern verwendet. Das Design der tibialen Komponente ist mit einer „platten“ Form, die nicht der Anatomie des Tibiaplafonds entspricht, uniform bei allen Herstellern (Abb. 1 a+b). Die individuellen Verankerungen sind jedoch unterschiedlich. Die talaren Komponenten sind unterschiedlich, entsprechen aber bei allen drei Modellen einer Taluskappenprothese. Die Beurteilung von Schmerzen hängt auch mit dem talaren Design-Typ zusammen. Hier gibt es den sogenannten Kappentyp im Gegensatz zu einem Oberflächentyp. Der Kappentyp adressiert radikaler die Arthrosen im Bereich des lateralen und medialen Malleolus. Der mediale und laterale knöcherne Anteil des Talus wird hier in die Prothese mit einbezogen. Daher sind bei diesem Typ Schmerzen im Bereich des Innenknöchels eher selten. Bei Oberflächenprothesen im talaren Anteil treten wesentlich häufiger mediale Schmerzen auf. Der wesentliche Unterschied zur Endoprothetik im Bereich der Hüfte oder des Kniegelenkes besteht darin, dass häufig mehrere anliegende Gelenke pathologisch mit involviert sind. Im Kniegelenk artikulieren hauptsächlich der Oberschenkelknochen und der Unterschenkelknochen. Diese werden bei einer fortgeschrittenen Arthrose mit einem Oberflächenersatz versorgt. Bei einer Sprunggelenksprothese ist man mit einer anderen, komplexeren Gewebestruktur konfrontiert. Neben dem unteren Sprunggelenk haben auch das Talonavikulargelenk und sogar die Vorfuß- und die Mittelfußachsen erheblichen Einfluss auf die biomechanischen Abläufe im oberen Sprunggelenk. Im Hinblick auf Schmerzen sollte aus meiner Sicht daher die Einteilung von Heilverläufen folgende unterschiedlichen Kategorien berücksichtigen: Typ 1: Arthrotisches Gelenk mit normalen Achsen und freier Beweglichkeit. Dies ist der klassische Typ für eine OSG-Prothese, die auch von Endoprothetikern mit weniger Erfahrung sicher und erfolgreich implantiert werden kann. Hier wird mit einer Erneuerung der Gelenkoberfläche eine relativ sichere Schmerzfreiheit erzielt, da keine zusätzlichen Pathologien auftreten. Diese Indikation hat auch eine optimale Prognose in den Standzeiten von Prothesen bei 5- und 10-Jahresergebnissen. Peter Woods, einer der großen, erfahrenen Endoprothetiker aus England, hatte in seiner Indikationsstellung nur bei diesen Patienten Prothesen implantiert und auf diese Weise bei über 90–92 % der Patienten Überlebenszeiten von 5 Jahren erzielt. Von daher ist bei einer komplexen Fehlstellung und auch aus meiner Erfahrung manchmal „weniger mehr“ und eine Prothese nicht immer sinnvoll. ➔ 29 | ::Schwerpunkt Schmerz nach orthopädischen Eingriffen sen und einer verbesserten Beweglichkeit kann dann eine Prothese implantiert werden, wenn die Schmerzen wiederum permanent auftreten. Postoperative Schmerzen und ihre Behandlung a b Abb. 1 a+b: Uniformes „flaches“ Design der tibialen Komponente, „Kappen“ Design der talaren Komponente bei (a) HINTEGRA und Typ 2: Einsteifung der Gelenkbeweglichkeit durch die Arthrose. Dies ist sicherlich die größte Gruppe, da die Betroffenen auch auf Grund von Zweifel am Erfolg einer Endoprothese so lange durchhalten, bis es wirklich nicht mehr geht. Dies liegt auch daran, dass viele niedergelassene Orthopäden von einer Prothesenimplantation abraten, da sie häufig Misserfolge gesehen haben! Mit den zunehmenden Schmerzen, Verknöcherungen und knöchernen Wucherungen kommt es jedoch besonders in der Dorsalextension (Anheben des Vorfußes) zu einer massiven Limitierung dieser Bewegungsrichtung mit Verkürzung des Gastrocsoleus-Achillessehnen-Komplexes und im weiteren Verlauf zu einer exzentrischen Verlagerung des Talus aus dem Gelenk heraus. Aufgrund dieser Situation ist der chir­urgische Eingriff komplexer als beim Typ 1. Knöcherne und auch nicht knöcherne Verwachsungen müssen entfernt, das Gelenk muss zentriert und die anliegenden Bänder, | 30 (b) STAR-Prothese Sehnen und Muskeln müssen so balanciert werden, dass die Beweglichkeit wieder gegeben ist. Nur ein voll bewegliches Gelenk, zumindest intraoperativ, kann zu einem normalen schmerzfreien Gelenk führen! Typ 3: Starke Bewegungseinschränkung mit Veränderungen der Rückfußachse Der dritte Typ ist ohne Frage die schwerste Gruppe. Hier haben die Patienten meistens eine starke Bewegungseinschränkung verbunden mit erheblichen Veränderungen der Rückfußachse (Varus und Valgus). Zusätzlich zeigen sich häufig grundsätzliche Pathologien der Fußanatomie, Pes plano valgus oder Pes cavo varus. Aus meiner Sicht ist es hier notwendig, erst die Alignmentpathologien zu korrigieren. Dies geschieht durch supramalleoläre Osteotomien, Rückfußosteotomien und Calcaneusosteotomien. Häufig erreicht man dadurch schon eine deutliche Schmerzverbesserung. Bei korrigierten Ach- Im Vergleich zum Hüft- und Kniegelenk zeigt sich gerade beim arthrotischen Sprunggelenk, dass eine Einsteifung des Gelenkes eher regelhaft ist. Dies ist dann die größte Herausforderung in der Nachbehandlung nach Implantation einer Sprunggelenksprothese, besonders auch im Hinblick auf die Schmerzbehandlung. Grundsätzlich sind postoperative Schmerzen eine Abbildung der persönlichen, individuellen Schmerzschwellen. Um hier eine gewisse Ausschaltung zu ermöglichen, ist es aus meiner Sicht obligat, jedem Patienten bei der Implantation einer Sprunggelenksprothese einen Schmerzkatheter anzulegen. Dieser sollte mindestens für 3 Tage angelegt bleiben, um somit eine Schmerzausschaltung und damit eine Katecholaminausschüttung, Verminderung der Narbenbildung, Parasympathikolyse und somit eine gute Durchblutung im OP-Gebiet zu erreichen. Grundsätzlich sollte in der postoperativen Frühphase eine komplette Ruhigstellung des Gelenkes für 2-3 Tage erfolgen, da sonst Probleme mit Wundheilungsstörungen aufgrund frühzeitiger Mobilisation auftreten können. Nach einem Verbandswechsel kann dann wieder mit milden Plantar- und Dorsal­ extensionsbewegungen begonnen werden. Es ist auch nicht zu vernachlässigen, dass die Prothesen nicht zementiert werden. Zuviel Mobilität führt zu Unruhe in der Einwachsphase und erhöht damit das Risiko, dass die Prothese nicht einwächst. Die unterschiedlichen Schwellen der Schmerzverarbeitung bei Patienten hängen häufig mit Angst und der Stärke der postoperativen Akutschmerzen im Operationsbereich zusammen, so dass der eigentliche lokale Schmerz falsch verarbeitet wird. Daher sind die Anforderungen an den Patienten im Hinblick auf Mobilisation und Bewegung des Gelenkes dieser Situation geschuldet, so dass manche Patienten ohne Frage frühzeitig ATOSnews soll, das Bein hochgelegt werden muss, evtl. muss gekühlt werden. Sollten am nächsten Tag noch weitere Beschwerden bestehen, muss eine Belastungsreduktion für 1-2 Tage erfolgen. Abb. 2: Koriumnekrose nach frühzeitiger Anwendung der CPM-Maschine ­ obilisiert werden können, bei anderen jem doch die Schmerzreduktion absolut im Vordergrund steht. Gerade durch die Rekonstruktion des Retinakulums entsteht eine besondere Spannung im Bereich des anterioren Kompartimentes, die in der Plantarflexion zu Druck auf die Subkutan- und Hautnähte führt, die in der Biegung des oberen Sprunggelenkes dann zu Vollhautnekrosen führen können (Abb. 2). Da diese Komplikation mit etwa 9 % für Frührevisionen verglichen mit anderen Endoprothesen relativ hoch sind, ist das erste Ziel eine Ruhigstellung und eine Stabilisierung der Weichteile. Dies führt dann auch zu einer Entspannung des Patienten und einer natürlichen Schmerzverarbeitung. Bei der Entlassung aus der Klinik (4.–6. Tag) sollte der Patient keine Schmerzen in Ruhigstellung haben. Natürlich sind Umlaufschwellung und Druck des Gewebes bei hängendem Fuß auch für die weitere Woche als normal anzusehen. Bei sich stabil entwickelnder Weichteilsituation sind Bewegungsübungen (CPM-Maschine) und Lymphdrainagen sowie Mobilisation in der Physiotherapie extrem wichtig. Besonders Schrumpfungs- und Narbenprozesse im posterioren Anteil, der posterioren Kapsel, aber auch Verkürzungen der hinteren Muskel-Sehnen Einheit nach Achillessehnenverlängerungen sollen dadurch verhindert werden. Es muss grundsätzlich beachtet werden, dass die Beugemuskulatur stärker als die Extensoren sind, so dass ohne Intervention keine ausreichende Dorsalextension erreicht wird. Die Schmerzbehandlung sollte neben milden Schmerzmitteln (Noramid-Tropfen), durch Antiphlogistika in höheren therapeutischen Dosen (150 mg/Tag) für 2 W ­ ochen unterstützt werden, um das negative Schmerzerlebnis zu unterbinden. Wichtig ist vor allem auch der Lymphabfluss, da gerade nach der Operation in dem Engpass zwischen Fuß und Sprunggelenk, im Mittel- und Vorfußbereich als auch im Unterschenkelbereich ein Lymphödem entstehen kann. Der Abfluss kann durch Lymphdrainage, milde Bewegungen, aber auch durch Hochlagern physikalisch unterstützt erreicht werden. Die Schmerzen sind nach 4–6 Wochen bei den Typ I (einfache Arthrose mit Beweglichkeit) mit einer Teilbelastung mit 15 kg (Touch down) eigentlich relativ gering. Das Aktivitätsniveau sollte jedoch relativ gering gehalten werden, um das Gewebe nicht zu stark durch längere Gehleistungen zu ermüden (auch an Krücken!). Letztendlich potenziert sich der Druck auf den Weichteilmantel mit der zunehmenden Dauer einer Belastung, auch wenn sie durch Krücken deutlich reduziert ist. Jeder Patient muss für sich das Ausmaß der Belastung seiner Weichteile selbst herausfinden. Die ärztliche Vorgabe ist, dass bei Schmerzen nicht weiter gelaufen werden Der zweite wesentliche Abschnitt ist der Übergang von der Teilbelastung über den 4-Punktegang in die Vollbelastung. Die erfolgt meist von der 8.–12. Woche. Hier kommt es regelmäßig zu Ermüdungsbeschwerden des Weichteilmantels, häufig mit Schwellzuständen. Der Übergang ohne Krücken führt zu einer Umstellung der Abläufe, auch im Hinblick auf die Gesamtaktivität. Die Reaktionen auf die zunehmende Belastung sollte vom Patient genau beobachtet und dosiert werden, um das Wiederreichen der „Normalität“ nicht zu gefährden. Hierbei besteht immer die Tendenz sich zu überfordern. Gerade Situationen mit viel Treppensteigen (treppab 6-faches Körpergewicht!) führt zu einer massiven Erhöhung des Workload des Weichteilmantels und damit zu einer erheblichen Sensibilisierung der Schmerzrezeptoren, die dann in einen Zustand der „Alarmbereitschaft“ kommen. Es gibt das Modell des „Envelope of Function“ von Bruce Benyon. Dieses besagt, dass sich unser Weichteilmantel gerade in der Rehabilitationsphase nicht im Normalbereich befindet und besonders in Belastungsphasen um den Normalbereich schwankt. Dies bedeutet, dass die Belastungen insgesamt zu hoch bleiben. Hier muss vor allem bei zunehmenden Beschwerden die Belastung wieder reduziert werden. Der normale Heilverlauf erlaubt nach 3 Monaten, je nach Typ, ein Weglassen der Unterarmgehstützen. Wichtig für die Belastbarkeit des Gelenkes ist ein gutes Bewegungsausmaß, vor allem der Dorsalextension (mind. 5°), da sonst ein anteriorer Hyperload entsteht, wenn das Gelenk durch „Einklemmung“ in Neutralstellung nicht weiter in der Belastung in die Dorsalextension gehen kann. Belastungen von teilweise mehrstündigen Spaziergängen, die nach Knieendoprothesenimplantation nach 3 Monaten schon möglich sind, ist bei Sprunggelenksendoprothesen in der Regel nicht zu erreichen! ➔ 31 | ::Schwerpunkt Schmerz nach orthopädischen Eingriffen a b Abb. 3 a+b: Sagittal nicht achsengerechte Ausrichtung der talaren Komponente: (a) zu weit anterior und (b) zu weit posterior. Die Zielsetzung der Rehabilitation des ersten Jahres ist auf die Verbesserung des Bewegungsausmaßes, vor allem der Dorsalextension gerichtet. Anders als bei Knie- und Hüftgelenksendoprothesen, wo der Muskelaufbau schon relativ früh aktiv angegangen werden kann. Daher sollte gerade auch bei Patienten, die eine geringe Schmerzhaftigkeit und eine gute Beweglichkeit nach 3–5 Monaten haben, noch kein Krafttraining durchgeführt werden. Belastungsschmerzen nach 3–6 Monaten sind der Normalfall, bei mittleren bis geringen Belastungen. Hier muss die Adaptation an die neuen Achsen, an die neue Kinematik des Gelenkes durch die Weichteile kompensiert werden, was unterschiedlich schnell gelingt. Schmerzen sollten in der Rehabilitationsphase immer wieder rückläufig sein. Die Situation eines konstanten Schmerzes, ohne Verbesserung der Beweglichkeit erfordert eine Fokussuche durch den behandelnden Opera- | 32 teur. Hierbei sind folgende Kriterien zu beachten: 1. Achsengerechte Implantation der Prothese und das nicht nur in der a.p.-Ebene, sondern gerade auch in der sagittalen Ebene. Ein häufiges Problem ist eine nicht achsengerechte Ausrichtung der talaren Komponente zur Achse der Tibia (Abb. 3a+b). Ist die talare Komponente zu weit anterior oder zu weit posterior, führt dies zu deutlichen Einschränkungen der entsprechenden Beweglichkeit und aus meiner Sicht auch zu einem Weichteilimpingement mit nachfolgenden Schmerzen. Durch die heutigen Implantationssets mit intraoperativer radiologischer Kontrolle sollte es ein maximales Anliegen des Operateurs sein, gerade auch in der Sagittalebene eine achsengerechte Implantation der talaren Komponente zu gewährleisten. Die nicht optimale Implantation führt nicht zwingend zu einer persistierenden Schmerzsituation, aber sie bedingt eine weitaus längere Rehabilita- Abb. 4: Zystische Läsionen im Breich des Malleolus medialis und im Talus unterhalb der Prothese tion, bis eine Stabilität des Gewebes im Hinblick auf Schmerz und Funktion erreicht ist. Dies kann häufig länger als 1 Jahr dauern. 2. Achsenfehlstellung in der koronaren Ebene, mit verbliebenem Varus und Valgus. Diese können direkt im Bereich der implantierten Prothese bestehen oder durch exzentrische Belastung indirekt, durch weitere verbliebene Fehlstellungen im Bereich des unteren Sprunggelenkes. Hierbei kommt der Kraftvektor zwar auf ein parallel gestelltes oberes Sprunggelenk durch die Prothesenimplantation, aber durch die Fehlstellung der gesamten Rückfußachse kommt es zu einer exzentrischen Belastung. Dieses kann zu erheblichen Problemen im medialen, aber auch im lateralen Kompartiment führen. Zeigen sich über ein halbes Jahr persistierende Beschwerden, sollte eine operative Revision mit Rückfußachsenkorrektur, jeweilig varisch oder valgisch, zur vollständigen Einstellung der Gelenkachse durchgeführt werden. ATOSnews Ein weiteres Problem ist eine frühzeitige Zystenbildung (Abb. 4). Hier sollte, wie bei allen Schmerzsituationen, nach einem halben Jahr neben einem Nativröntgen mit Rückfußachse ein SPECT-CT durchgeführt werden, um somit eine klare Analyse der knöchernen Zustände als auch eine Analyse der Stoffwechselsituation zu haben. Zystische Veränderungen sind aus meiner Sicht „Mikrolockerungen“. Normalerweise führt das Einwachsen des Knochens in die Prothese zu einem stabilen Dämpfungsverhalten, da die Knochen eine feste Verbindung mit der Prothesenunterfläche eingehen. Eventuelle Ungenauigkeiten bei der Präparation der Knochen auf das Prothesendesign und nicht komplett resezierte Sklerosen führen lokal zu nicht optimaler Integration des Knochens in die Prothese, wodurch dann, aus meiner Sicht, mechanisch die Dämpfung des darunterliegenden Knochens nicht adäquat ist. Es kann so zu Umbauvorgängen kommen, die letztendlich zu einem lokalen knöchernen Abbau mit Fibrose führen. In dieser Situation ist die Prothese noch nicht ganz locker (evtl.?). Jedoch sind die Umbauvorgänge im instabilen subchondralen Knochen und teilweise in tiefer liegenden Schichten schmerzhaft und sollten mindestens für 3 Monate beobachtet werden. Im Falle von weiteren persistierenden Beschwerden ist aus meiner Sicht nur ein Prothesenwechsel, meistens der talaren Komponente, durchzuführen. Eine Spongiosaplastik kann keine optimale Verbindung zur liegenden Prothese eingehen. Was kann mit einer Sprunggelenks­ prothese erreicht werden? Take home message In der Sprunggelenksendoprothetik trifft man, im Gegensatz zur Hüftund Knieendoprothetik, auf eine ­komplexere Knochen- und Weichteilstruktur des Rückfußes und Fußes. Die Heilvorgänge, die Schmerzreduktion und die Verbesserung der Belastbarkeit des Gewebes bedürfen einer deutlich längeren Rehabilitationszeit als bei der Knie- und Hüftendoprothetik (etwa 1–1,5 Jahre). Technische Fehler und vorbestehende erhebliche Weichteilveränderungen führen zu längerfristigen Schmerz­ zuständen. Daher sollte jede Prothese als Unikat betrachtet werden. Zystenbildungen führen zu lokalen ­ Veränderungen des Knochen-­ProthesenInterfaces, die zu ver­mehrten Schmerzen und Vergrößerung der Zysten führen können. Diese Prothesen sollten im ­Sinne eines Prothesenwechsels revidiert werden. Dürfen Sprunggelenksprothesen nach einem Jahr noch schmerzen? Sprunggelenksprothesen benötigen eine längere Rehabilitationszeit als Knieendoprothesen. Daher können auch noch deutliche Verbesserungen der Bewegungs- als auch der Belastungssituation nach 1-1,5, teilweise nach bis zu 2 Jahren erreicht werden. Grundsätzlich liegt die Verantwortung für die Verbesserung der gesamten Weichteilkinematik-Prothesensituation in der Hand des Patienten. Tägliche Dehnübungen in der Dorsalextension und hierbei vor allem der Beu- Die Implantation einer Sprunggelenksprothese ermöglicht keine sportlichen Aktivitäten und Dauerbelastungen vergleichbar wie bei Knie- und Hüftendoprothesen. Walking: Hierbei sollte man beachten, welche Leistungen individuell möglich sind. Über mehrere Stunden ist zumindest das Behandlungsziel. Fahrradfahren: Uneingeschränkt möglich, ebenso wie alle nicht Impakt-Betätigungen. Skifahren: Stellt nach Ansicht der Sprunggelenksendoprothetiker bei gut sitzendem Schuh und bei sonst normaler Schmerzfreiheit überhaupt kein Problem dar. gemuskelkette, der Plantarflexion im OSG im Knien auf einem weichen Untergrund und Bewegungsübungen wie Fahrradfahren und Kraulschwimmen sollten durchgeführt werden. Für den Erfolg der Operation und um funktionell optimale Ergebnisse zu erreichen ist die Einbeziehung des Patienten in das Reha-Programm bekanntermaßen eine Conditio sine qua non. Welche Ansprüche kann ich an das Ergebnis einer Sprunggelenksprothese stellen? Typ 1 – Arthrose mit freier Beweglichkeit und normaler Rückfußstellung: Eine normale Alltagsaktivität ohne Einschränkungen sollte erreicht werden. Typ 2 – Steifes Gelenk, Operation mit aufwendigem Weichteilrelease, Achillessehnenverlängerungen, massiven Abtragung von Knochenosteophyten und Mobilisation des Gelenkes: Postoperativ wird es immer zu einer vermehrten Narbenbildung kommen. Auch eine gute intraoperative Beweglichkeit (10-0-40°) wird durch die Narbenbildung in der Regel limitiert. Eine Dorsalextension von 5° ist ein akzeptables Ergebnis. Bei optimal sitzender Prothese, besonders auch in der Sagittalebene welche die Dorsal- und Plantarflexion erheblich beeinflusst, sollte eine normale Alltagsaktivität mit normaler „Ermüdung“ des Gewebes bei stärkeren Belastungen auch als „Normal“ betrachtet werden. Wichtig ist, dass sich die belasteten Strukturen auch wieder erholen. Typ 3 – Schwere Rekonstruktionen mit Umstellung des Rückfuß, Weichteilkorrekturen und korrigierenden Prothesenimplantationen: Eine freie Beweglichkeit des Gelenks wird selten erreicht. Hier sollte besonders bei Cavo varus-Deformitäten eine Neutralstellung erreicht werden. Die Belastungen ➔ 33 | ::Schwerpunkt Schmerz nach orthopädischen Eingriffen werden im Alltag immer limitiert sein. Daher ist diese Operation auch nur Patienten anzuraten, die eine Versteifung ausschließen. Bei Betrachtung der Anzahl an Implantationen und aus meiner jetzt 18-jährigen Erfahrung mit Sprunggelenksendoprothetik ist nach wie vor jede Sprunggelenksendoprothese ein Unikat. Dies gilt für die Implantation der Prothese, für die Behebung der Pathologien, aber auch vor allem für die postoperative Schmerzentwicklung und Rehabilitation der Funktion. Je länger ich Endoprothesen implantiert habe, desto mehr verzeihe ich Probleme bei Patienten, gerade bei besonders schmerzempfindlichen Menschen, da individuell völlig unterschiedliche Rehabilitations- und Schmerzreduktionszeitabläufe existieren. Schmerz und Beweglichkeit erfordern viel Geduld in der Rehaphase. Prinzipiell lässt sich fast schon präoperativ vom Phänotyp des Patienten ableiten, wie der postoperative Schmerzund Aktivitätsverlauf sein wird. Daher sollte man sich den Patienten sehr genau im Hinblick auf Schmerz und Persönlichkeitsmus- ter anschauen. Es ist zu überlegen, ob es sinnvoll ist eine Sprunggelenksprothese zu implantieren, so verlockend das auch für einen begeisterten Operateur auch ist. Prinzipiell bin ich dazu übergegangen, bei Patienten über 70 Jahren mit immobilen Gelenken eher zu einer Einsteifung zu raten. Die endoskopisch assistierte Verschraubung führt zu einer extrem schnellen Rehabilitation mit geringsten Komplikationsraten und einer normalerweise sehr, sehr guten Belastbarkeit und Aktivitätslevel nach einem halben Jahr. Das Design und die Kinematik der Sprunggelenksprothesen weisen noch erhebliche Abweichungen zu der normalen Kinematik des Sprunggelenkes auf. Erschwerend in der Behandlung von Arthrosen am Sprunggelenk kommen noch „Kollateralschäden“ des unteren Sprunggelenkes, des GastrocsoleusAchillessehnenkomplexes, der kontrakten Bänder und Kapsel sowie auch teilweise Vorfuß- und Mittelfußpathologien hinzu. Hier artikuliert nicht ein Becken mit einem Femurkopf oder ein Femur mit einer Tibia, sondern es artikulieren hier extrem komplexe biomechanische Elemente, die pathologisch verändert sind. Die Sprunggelenksendoprothetik 1. kann daher nicht so uniform angewendet werden wie die Endoprothetik des Hüft- und Kniegelenkes. 2. bedarf einer extrem genauen Analyse im Rehabilitationsbereich und eines nicht uniformen Behandlungsschemas der Schmerzen und der Einschränkung der Beweglichkeit post operationem. Die Sprunggelenksendoprothetik ist ein wichtiger Bestandteil der regenerativen Gelenkchirurgie, aber kein uniformes Anwendungsfeld bei nicht entsprechender Expertise! Prof. Dr. Hajo Thermann HKF – Internationales Zentrum für Hüft-, Knie- und Fußchirurgie, Sporttraumatologie ATOS Klinik Heidelberg [email protected] PR-Beitrag Die Aesculap AG – der Hersteller stellt sich vor Als größter deutscher Hersteller von orthopädischen Implantaten baut B|BRAUN Aesculap fest auf die enge Zusammenarbeit mit den Ärzten und Kliniken und beschäftigt sich konsequent mit der kontinuierlichen Weiterentwicklung des hohen Standards in der Gelenkendoprothetik, um so die Patientensicherheit stetig zu verbessern. Am Produktionsstandort Tuttlingen in Süddeutschland befindet sich eine der modernsten Gelenkimplantatefertigungen Europas, in der die Komponenten für den künstlichen Hüft- und Kniegelenkersatz, Wirbelsäulenimplantate und Schrauben, Platten sowie Nägel für Knochenfrakturen gefertigt werden. Der Standort Tuttlingen verfügt über ein eigenes, hochmodernes biomechanisches Labor, in dem die Im- | 34 plantate unterschiedlichsten Belastungstests – weit über den gesetzlichen Standard hinaus – unterzogen werden. Jahrzehnte lange Erfahrung gepaart mit Modernität spiegelt sich im umfangreichen Implantatesortiment wieder. So steht z. B. das Metha® Kurzschaftprothesensystem für ein Implantatekonzept mit mehr Knochenerhalt und adressiert damit eine ergänzende Versorgungsoption gerade für jüngere Patienten. In Verbindung mit dem modernen Plasmafit® Hüftpfannensystem und Gleitpartnern wie einem hochvernetztem Polyetylen angereichert mit Vitamin E – das Vitelene® – entstehen hierdurch weitere Vorteile in den Bewegungsabläufen und damit für den Patienten. Das moderne Gebäude in Tuttlingen Weitere Informationen finden Sie auf unseren Patientenseiten unter www.aesculap-patienteninfo.de ATOSnews Ellenbogenprothetik – State of the Art Von Lars Peter Müller, Markus Loew und Sven Lichtenberg Keywords: Ellenbogenprothese gekoppelt, ungekoppelt Die dritte Generation der Ellenbogenprothetik bietet die Möglichkeit, die physiologische Position der gelenktragenden Elemente anatomisch annähernd wiederherzustellen. Dabei werden Radiuskopf und das proximale Radionulnargelenk mit ersetzt, um den Kraftfluss über die radiale Säule zu rekonstruieren. Darüber hinaus kann intraoperativ je nach Weichteilsituation entschieden werden, ob die Prothese gekoppelt oder ungekoppelt eingebracht wird (Abb. 1). Durch die Verwendung von flexiblen Markbohrern und resorbierbaren Zementstoppern sowie potentiell kurzen anatomischen Schäften wird bei der Erstimplantation möglichst wenig Knochen aufgebraucht, so dass eine Revisionsendoprothese oder ggf. Arthrodese zu einem späteren Zeitpunkt etwas einfacher möglich ist. Durch neu entwickelte Osteotomie-Schablonen wird das Rotationszentrum des Ellenbogengelenkes annähernd wieder hergestellt, was die Weichteilbalance optimiert und so zur Reduzierung des Lockerungsrisikos führen kann. Durch eine Zunahme des Volumens der artikulierenden Polyethylenflächen wird der Abrieb minimiert. Das Ziel der endoprothetischen Versorgung, insbesondere bei jüngeren Patienten, ist die ungekoppelte Prothese mit Erhalt der radialen Säule zur Aufrechterhaltung der physiologischen Kraftflussverhältnisse in anatomischer Position (Abb. 3a,b). Trotzdem sind postoperativ Schlagsportarten mit dem betroffenen Arm nicht genehmigt und repetitives Tragen und Heben von Objekten über 5 Kilogramm sollte lebenslang vermieden werden. Diagnostik Präoperativ werden Nativ-Röntgenaufnahmen des Ellenbogengelenkes sowie des gesamten angrenzenden Oberarms und Unterarms durchgeführt, um potentielle Achsendeformitäten zu evaluieren. In der akuten Bruchsituation sowie nach Versagen einer Osteosynthese (Abb. 2 a, b) wird in aller Regel ein CT durchgeführt, um festzustellen, ob eine biologische Rekonstruktion durch Osteosynthese wirklich nicht möglich ist. Bei jungen Patienten führen wir darüber hinaus ein MRT durch, um die Knorpelverhältnisse definitiv präoperativ einzuschätzen, dies kann ggf. auch mittels Arthroskopie erfolgen. Bei der primären Arthrose ist eine Schnittbilddiagnostik präoperativ ebenfalls Standard, insbesondere um Osteophyten und freie Gelenkkörper aufzuspüren – ggf. ist dann zunächst das arthroskopische Debridement indiziert. Erst wenn dies nicht zum Erfolg führt, wird der Gelenkersatz vorgenommen. ➔ Abb. 1: Modulare Ellenbogenprothese der dritten Generation mit potentiellem Radiuskopfersatz, intraoperativer Entscheidungsmöglichkeit der Kopplung durch ulnare Kappe 35 | ::Endoprothetik Abb. 2 a, b: Posttraumatische generalisierte Arthrose nach OsteosyntheseVersagen bei 37-jähriger Patientin; schmerzhafte Wackelsteife a b b a Klinische Aspekte Folgende klinische Aspekte sollten präoperativ beachtet werden: -- Gelenkstabilität -- Hautdefekte, Verwachsungen, Deformitäten -- Neurovaskuläre Störungen und Besonderheiten, insbesondere des N. ulnaris (z. B. nach Vorverlagerung) -- Funktionalität des Musculus biceps und triceps (Bizepsinsuffizienz Kontraindika­ tion, Trizepsinsuffizienz schlechte ­Prognose bezüglich Lockerung) -- Gelenknahe Tumore -- Infektzeichen -- Allergien -- CRPS-Anamnese Alternativen Bei arthrotischem, aber stabilem Gelenk kommt eine Interpositionsplastik in Betracht; langfristige Erfolgsberichte liegen hier allerdings nicht vor. Die Arthrodese des Gelenks führt leider nicht sicher zur Schmerzfreiheit und die Funktionseinbußen sind erheblich – trotzdem müssen die Patienten über diese Alternative aufgeklärt werden. Die Verwendung von Gelenk-Allografts hat sich im größeren Rahmen nicht bewährt. Als nicht körpergewichttragendes Gelenk kann bei Patienten im schlechten Allgemeinzustand auch bei zerstörtem Ellenbogengelenk zunächst von einer Operation abgesehen werden – sollten im Verlauf relevante Schmerzen auftreten, ist die Implantation einer Ellenbogengelenktotalendoprothese mit vorgeschalteter Ar- | 36 throlyse mit guten Ergebnissen immer noch möglich. Bei lokalisierten Arthrosen radial ist die Radiuskopfresektion in Erwägung zu ziehen. Bei der primären und leichten posttraumatischen Arthrose ist das arthroskopische Debridement äußerst erfolgsversprechend, ggf. mit zusätzlicher Bandstabilisierung. OP-Technik Die Identifizierung und schonende Behandlung des Nervus ulnaris ist obligat. Dieser wird zu Beginn der OP sorgfältig dargestellt und spannungsfrei gelagert (ggf. anteriore Transposition). Die Seitenbänder werden humeral für die spätere Fixation abgelöst. Bei älteren Patienten mit dünner Trizeps/Unterarmfaszie erfolgt ein Trizepssplit-Zugang mit kleinen knöchernen Chips von der proximalen Ulna, bei jüngeren Patienten mit kräftigem Trizeps und Unterarmfaszie wird ein sogenannter Trizeps-Reflecting-Zugang unter Erhalt des Streckapparates inklusive des Musculus anconeus und dessen Durchblutung durchgeführt. Bei Verlust des distalen Humerus ist ein sogenannter Trizeps-On-Zugang ohne Ablösung des Ansatzes des Muskels vom Unterarm möglich. Danach werden die angrenzenden Knochen mit den dafür vorgesehenen Osteotomieschablonen aufgearbeitet und die Prothesenkomponenten nach Einbringung von resorbierbaren Zementstoppern unter Beachtung der anatomischen Winkel einzementiert. Für den Zementierungsvorgang Abb. 3 a, b: Zustand 7 Jahre postoperativ nach endoprothetischer Versorgung von Fall 2a, b: ungekoppelte Prothese, Radiuskopfersatz, kurze Ulnakomponente werden extra dünne Zementschnorchel verwendet. Nach temporärer Refixation der Weichteile erfolgt dann die Entscheidung, ob die Prothese gekoppelt werden muss oder nicht, was über eine ulnare Kappe (siehe Abb. 1) möglich ist. Zum Abschluss der OP wird nochmals der spannungsfreie dynamische Verlauf des Nervus ulnaris gesondert geprüft. Nachbehandlung Zum Ende der OP wird in Narkose der Arm in der sogenannten „State of Liberty“-Position (volle Streckung) durch eine anterior positionierte Gipsschiene (fern der dorsalen Inzisionswunde) auf zwei Kissen erhöht gelagert. Die Redon-Drainage wird am ersten postoperativen Tag entfernt. Im Anschluss erfolgt die physiotherapeutisch kontrollierte aktive assistive Übung des Gelenkes (Bewegungsausmaße: Streckung/ Beugung 0-0-90). Erst ab der dritten postoperativen Woche wird die Beugung wöchentlich um 10 Grad gesteigert, nach Konsolidierung der dorsalen Wundverhältnisse. Bei ungekoppelten Implantaten mit erfolgter Bandrekon­ struktion erfolgt die Pro- und Supinati- ATOSnews on in 90 Grad-Beugung des Gelenkes zum Schutz der Kollateralbänder. Die Lymphdrainage inklusive der Finger wird standardmäßig durchgeführt. Die aktive Streckung des Gelenkes gegen die Schwerkraft darf erst 6 Wochen postoperativ begonnen werden, außer es erfolgt ein Trizeps-On-Zugang. Die Gewichtsbelastung des Armes nach Implantation wird auf Dauer auf 5 Kilogramm beschränkt. Wir führen postoperativ und 6 Wochen postoperativ eine konventionelle Röntgenaufnahme durch. Danach werden jährliche klinische und radiologische Kon­ trollen empfohlen. Ergebnisse Die aseptische Lockerung, die Infektion und die Instabilität stellen die häufigsten Komplikationen dar. Voloshin (2011) dokumentierte in einem systematischen Review der englischsprachigen Literatur zwischen 1993 und 2009 eine Gesamtkomplikationsrate nach primärer Ellenbogentotalendoprothese (EBTEP) von 24,3 %. Posttraumatische Fälle haben im Vergleich zu rheumatischen Fäl- N O T E S & len ein erhöhtes Risiko für eine aseptische Lockerung (rheumatoide Arthritis 5,3 ­ %; posttraumatisch 10,2 %). Während mit der primären EBTEP beim rheumatischen Patienten Überlebenszeiten des Implantates (Coonrad-Morrey Prothese) von 92,4 % nach 10 bis 15 Jahren beschrieben werden (Gill 1998 ), sind die Überlebenszeiten nach Implantation einer sekundären EBTEP bei post-Traumapatienten mit 65 % nach 10 bis 15 Jahren schlechter (Cil 2008): Bei 91 Patienten mit einer sekundär implantierten EBTEP bei vorliegender Pseudoarthrose des distalen Humerus (Nachuntersuchungszeitraum Ø 6,5 Jahre) erfolgte die Implantation der Prothese im Durchschnitt 45 Monate nach dem Frakturereignis. Bei 23 Patienten musste die einliegende Prothese revidiert bzw. explantiert werden. Die Autoren beobachteten in ihrer Studie bei Patienten unter 65 Jahren ein dreifach erhöhtes Revisionsrisiko bedingt durch „mechanische Komplikationen“ (z. B. Schaftbrüche, Implantat-Dislokation, Polyethylenabrieb). Die Registerdaten aus Finnland (Skytta 2009) und Norwegen (Fevang 2009) stellten zusammenfassend dar, dass nach 15 Jahren in etwa 30 % der Fälle mindestens 1 Komponente der EBTEP gewechselt werden musste. Literatur beim Verfasser Prof. Dr. Lars Peter Müller Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Universitätsklinikum Köln (AÖR) Prof. Dr. Markus Loew Dr. Sven Lichtenberg Deutsches Gelenkzentrum Heidelberg ATOS-Klinik Heidelberg [email protected] N E W S :: Schulterworkshop mit Prof. Loew in Südkorea Die ATOS Klinik ist auch in Südostasien präsent. 20 japanische Schulterchirurgen wurden am 11. und 12. Dezember 2015 in der Samsung Universität in Seoul/Südkorea in chirurgischen Techniken wie Schulterprothetik und Latissimus-Transfer unterwiesen. Für das Deutsche Gelenkzentrum Heidelberg vor Ort: Prof. Dr. Markus Loew. Prof. Loew im Kreise der koreanischen Kollegen 37 | ::Endoprothetik Moderne patellofemorale Endoprothetik Von Christoph Becher Keywords: Knorpelschaden, Arthrose, patellofemorale Endoprothetik Die Ätiologie der Arthrose des patellofemoralen Kompartimentes ist häufig multifaktoriell und muss bei einer operativen Versorgung mit beachtet werden. Die Indikationsstellung sollte kritisch erfolgen. Die besten Ergebnisse sind bei Patienten mit einer instabilitätsbedingten Arthrose bzw. Trochleadysplasie zu erwarten; auf eventuell notwendige Zusatzeingriffe zur Beseitigung eines Malalignment ist bei diesen Patienten allerdings besonders zu achten. Eine mögliche Lockerung der Prothese spielt für das Versagen der Therapie nur eine untergeordnete Rolle, am häufigsten ist der Arthroseprogress im tibiofemoralen Gelenk­ abschnitt der entscheidende Faktor. Moderne Implantate, welche in „Inlay-Technik“ eingebracht werden, erfordern eine geringere Knochenresektion und können eine e­ rhöhte patellofemorale Druckbelastung durch ein „Overstuffing“ vermeiden. Die Arthrose des Kniegelenkes betrifft in einigen Fällen nur eines der drei Kompartimente. Am häufigsten ist das mediale tibiofemorale Kompartiment betroffen. Um möglichst gelenkerhaltend vorzugehen, hat sich der isolierte endoprothetische Ersatz mit einer „Schlittenprothese“ (unikondyläre Endoprothese) etabliert und wird im klinischen Alltag häufig eingesetzt. Die isolierte patellofemorale Arthrose ist durch eine Knorpeldegeneration der Patellarückfläche und des Gleitlagers der Patella (Trochlea femoris) gekennzeichnet. Das isolierte Auftreten ist seltener, allerdings doch häufiger anzutreffen als es die Zahlen der Implantationen des isolierten patellofemoralen Gelenkersatzes vermuten lassen. Die Ursachen für die seltenere Anwendung der patellofemoralen Endoprothetik sind vielfältig; letztendlich sind die Hauptgründe aber wohl in der Komplexität der | 38 Ursache der Arthrose und in den im Vergleich zur Schlitten-Endoprothetik insgesamt unterlegenen Ergebnissen der patellofemoralen Endoprothetik zu sehen [5]. Entsprechend wird die Anwendung der isolierten patellofemoralen Endoprothetik in der Therapie der isolierten patellofemoralen Arthrose kontrovers diskutiert. Modernere Implantate mit einer besseren Reproduktion der natürlichen anatomischen Geometrie und Biomechanik und bessere Kenntnisse über die Ursachen der patellofemoralen Arthrose lassen allerdings eine Verbesserung der Ergebnisse und zufriedenere Patienten erwarten. Analyse der Ursache der Arthrose Die Ätiologie der Arthrose des patellofemoralen Kompartimentes ist häufig multifaktoriell. Häufig sind jüngere Patienten zwischen ca. 35-60 Jahren betroffen. Neben dem idiopathischen Auftreten der Arthrose werden hauptsächlich eine patellofemorale Instabilität, patellofemorale Dysplasie, ein Malalignment der Beinachse oder des patellofemoralen Gelenks oder posttraumatische Zustände als Ursachen diskutiert [7, 12]. Diese Faktoren sind dabei in vielen Fällen miteinander verknüpft. Eine intensive klinische und bildgebende Diagnostik ist erforderlich, um bei der Therapie die auslösenden Ursachen mitbehandeln zu können. Röntgenaufnahmen in 3 Ebenen und eine Kernspintomographie (MRT) sind bei der bildgebenden Diagnostik als obligat anzusehen. In manchen Fällen ist bei Verdacht auf einen Rotationsfehler auch eine Computertomografie (CT) sowie bei Achsabweichungen in der Frontalebene eine Röntgenganzbeinaufnahme im Stehen notwendig. ATOSnews Patellofemorale Endoprothetik Abb. 1 und 2: Seitliches und tangentiales Röntgenbild nach Implantation eines isolierten patellofemoralen Ersatzes in a) „Onlay-Technik“ (Journey PFJ®, Smith & Nephew, Andover, MA, USA) und b) „Inlay-Technik“ (HemiCAP® Wave, Arthrosurface, Franklin, MA, USA). Das Onlay-Implantat ist sichtbar „wuchtiger“ und ausladender als das anatomisch angepasste Inlay-Implantat. Abb. 3: Intraoperative Darstellung einer Trochleadysplasie. Das Gleitlager (Trochlea) ist flach und prominent (physiologische Darstellung rechts unten). Dadurch kommt es zu einem Überdruck mit Arthroseentstehung sowie aufgrund der fehlenden Führung der Patella durch das Gleitlager zu einer Instabiliät der Patella. Phasenadaptierte Therapie der Arthrose Je nach Ausprägung und Ursache der Symptomatik steht primär die konservative Therapie im Vordergrund. Orthesen und Bandagen, physiotherapeutische und physikalische Maßnahmen, Injektionen sowie ein sport­ spezifisches Training kommen dabei zum Einsatz. Nach erfolgloser konservativer Therapie werden je nach Ätiologie der Arthrose verschiedenste operative Verfahren diskutiert [2, 4, 7]. Dabei werden rein symptomatische Verfahren zur Schmerzverbesserung (z. B. Lavage, Debridement, Denervierung), Weichteilverfahren (z. B. Laterales Release) und knöcherne Eingriffe zur Achskorrektur und Entlastung des patellofemoralen Gelenkes (z. B. Tuberositas Transfer), sowie Knorpelersatzeingriffe (z. B. Mikrofrakturierung, ACT) angewendet. Auf jeden Fall gilt es, die Implantation eines kompletten Oberflächenersatzes (Knieprothese) zu so lange wie möglich zu vermeiden. Mc Keever berichtete 1955 erstmals von einem metallischen Patellarückflächenersatz im Sinne einer Hemiarthroplastik [9]. Die folgenden Implantate bestanden und bestehen meist aus einem Patellarückflächenersatz aus Polyethylen und einer trochlearen Komponente aus einer Metalllegierung [1, 3, 13]. Die potentiellen Vorteile der isolierten patellofemoralen Endoprothetik liegen im weitgehenden Erhalt der strukturellen Integrität des Gelenks mit normaler Kinematik und Aufschub der Implantation eines kompletten Oberflächenersatzes [11]. Die Ergebnisse waren allerdings insgesamt enttäuschend. Ein wichtiger Grund scheint dabei das Design der Implantate zu sein. Die Implantate waren in der Regel ein „Abklatsch“ vollständiger Knieprothesen – nur auf den patellofemoralen Gelenk­ abschnitt reduziert. Diese Implantate sind durch ein relativ wuchtiges und ausladendes Design gekennzeichnet, dadurch kann es zu einer erhöhten patellofemoralen Druckbelastung und zu verstärkter Weichteilspannung kommen [6, 10]. Das Instrumentarium zum Einbringen des Implantates ist in der Regel ebenfalls an das Knieprothesensystem des Herstellers angelehnt. Der anteriore Sägeschnitt wird wie in der Knieendoprothetik an der anterioren Femurkortikalis ausgerichtet, so dass relativ viel Knochen entfernt werden muss, um das Implantat „aufzubringen“ (Onlay-System, Abb. 1a + 2a). In den letzten Jahren geht der Trend in die Richtung, die Implantate möglichst anatomisch und individuell an den Patienten anpassbar zu gestalten. Ziel ist „nicht den Patienten an das Implantat anzupassen, sondern das Implantat an den Patienten“. Potentiell vorteilhaft ist die geringere Knochenresektion und Wiederherstellung einer möglichst physiologischen Anatomie und Kinematik (Inlay-System, Abb. 1b + 2b). Besonders günstig scheint die Anwendung bei einer patellofemoralen Dysplasie (Abb. 3 und 4a-d) zu sein [8]. Die „pathologische“ dysplastische Trochlea kann in eine „physiologische“ Trochlea umgewandelt werden (Abb. 5). Dadurch wird der patellofemorale Anpress- ➔ 39 | ::Endoprothetik N O T E S & N E W S :: Privatdozent Dr. Christoph Becher verstärkt das Zentrum für Hüft-, Knie- und Fußchirurgie der ATOS Klinik Heidelberg der Medizinischen Hochschule Hannover im Bereich der Erkrankungen des Knieund Sprunggelenkes weiter spezialisieren, so dass ein Wechsel in eine leitende Position an die ATOS Klinik Heidelberg immer das Ziel war. Dr. Christoph Becher Spezialisierung ist in der Medizin eine Voraussetzung für Behandlungserfolg. Deshalb wirbt die ATOS Klinik Heidelberg seit 25 Jahren bewusst um international renommierte Spezialisten der einzelnen Fachgebiete. Zum 1. Januar 2016 konnte nun PD Dr. Christoph Becher gewonnen werden, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Spezielle Orthopädische Chirurgie und Sportmedizin. PD Dr. Becher hat in Heidelberg studiert und war danach 2 Jahre in der ATOS Klinik im damaligen Zentrum für Knie- und Fußchirurgie bei Prof. Hans Pässler und Prof. Hajo Thermann tätig. Anschließend konnte er sich an seinen weiteren Stationen am Universitätsklinikum Marburg und zuletzt an der Orthopädischen Klinik | 40 Für PD Dr. Becher steht an erster Stelle der Erhalt des Gelenkes mit Wiedererlangung der Schmerzfreiheit und Verbesserung der Funktion. Wenn eine Prothese sinnvoll ist, dann hat Dr. Becher als zertifizierter Hauptoperateur im Endoprothetikzentrum in Hannover die Expertise gewonnen, mit sog. Mini-Implantaten nur die tatsächlich geschädigten Bereiche des Gelenkes zu behandeln. Dadurch ist der Eingriff schonender und die Patienten können schneller wieder in den beruflichen Alltag zurückkehren oder ihren sportlichen Ambitionen nachgehen. Dr. Becher wird zudem das Spektrum der minimalinvasiven chirurgischen Techniken des Sprunggelenks und der Achillessehne aufgrund der vielen nationalen und internationalen Patienten mit Prof. Thermann zusammen weiter ausbauen. Mit seiner Frau hat sich Dr. Becher in ­Heidelberg bereits gut eingelebt. Dabei genießen sie die Vielfalt an Restaurants in ihrer Umgebung in Bergheim und ­gehen ihrem gemeinsamen Hobby der lateinamerikanischen Tänze (v.a. S­ alsa) nach. Spezielles Leistungsspektrum von PD Dr. Christoph Becher: – Konservative und operative Therapie bei Arthrose des Knie- und Sprunggelenkes – Individuelle Knieendoprothetik – Komplexe Pathologien des patello­femoralen Gelenkabschnittes – Operative und konservative Therapie bei Achillessehnen­ erkrankungen. ATOSnews druck reduziert und die Stabilität verbessert. Evtl. müssen weitere balancierende Eingriffe wie eine „laterale Retinakulumverlängerung“ oder eine mediale Stabilisierung (z. B. MPFLErsatzplastik) kombiniert werden. Auch komplexere Eingriffe wie eine suprakondyläre Femurosteotomie mit Korrektur der Beinachse und evtl. eines Rotationsfehlers können – wenn notwendig – zeitgleich erfolgen und somit eine physiologische Anatomie und Kinematik gewährleisten. Abb. 4: Fortgeschrittene patellofemorale Arthrose bei hochgradiger Trochleadysplasie in seitlicher und tangen­ tialer Ansicht im ­Röntgen (a+c) und im MRT (b+d). Ergebnisse der patellofemoralen Endoprothetik In einer eigenen Literaturübersicht mit Auswertung über die Ergebnisse der patellofemoralen Endoprothetik von 12 Publikationen betrug der durchschnittliche Nachuntersuchungszeitraum 8,4 Jahre [5]. Das Durchschnittsalter der erfassten Patienten zum Zeitpunkt der Operation betrug 59,8 Jahre (21–90 Jahre). Das Verhältnis von Frauen zu Männern war 2,9:1. Die Operation wurde bei 67,8 % als erfolgreich bezeichnet. Hauptursache für Revisionen bzw. fortbestehende Beschwerden waren die Arthrose-Progredienz oder ein Malalignment. Eine Prothesenlockerung spielte dagegen kaum eine Rolle. Die Revisionsrate betrug insgesamt 30,3 %. Zu unterscheiden sind eingriffsbezogene Revisionen des patellofemoralen Gelenkes von Revisionen aufgrund Beschwerden in den tibiofemoralen Kompartimenten. Revisionen zur Verbesserung des Alignment durch Weichteileingriffe (z. B. laterales Release), Korrekturosteomien (z. B. Tuberositas transfer) oder Wechsel der patellofemoralen Prothese wurden bei 12,4 % durchgeführt. Die anderen Revisionseingriffe waren hauptsächlich auf die Arthrose-Progredienz zurückzuführen. Die endgültige Versorgung mittels Totalendoprothese (TEP) erfolgte bei insgesamt 12,4 %. Die Ergebnisse eines neuartigen Inlay-Implantates (HemiCAP® Wave, Arthrosurface, Franklin, MA, USA) sind noch begrenzt, lassen aber insgesamt auch auf bessere längerfristige Resultate hoffen. In einer prospekti- Abb. 5: Intraoperative Darstellung a) vor und b) nach Implantation einer HemiCAP® Wave-Prothese bei dem Patienten aus Abb. 4 in der seitlichen Aufsicht. Die vorher nicht vorhandene physiologische Anatomie (a) wird durch das Implantat hergestellt (b). Abb. 6: Postoperative Röntgendarstellung nach Implantation einer HemiCAP® Wave-Prothese des Patienten aus den Abb. 3–5. ➔ 41 | ::Endoprothetik ven 2-Jahresuntersuchung bei 29 Patienten mit einem relativ jungen Durchschnittsalter von 42 Jahren, waren 81 % der Patienten zufrieden oder sehr zufrieden mit dem Ergebnis [8]. Auch die Anzahl an Sporteinheiten pro Woche und die Anzahl der ausgeübten Sportarten stieg signifikant an. Die besten klinischen Ergebnisse hatten die Patienten, welche unter einer instabilitätsbedingten Arthrose bzw. Trochleadysplasie litten. Vergleichsstudien zwischen verschiedenen Implantat-Typen existieren bisher nicht und sind zu fordern. Fazit Die Weiterentwicklung der patellofemoralen Endoprothetik lässt in der Zukunft auch längerfristig bessere Ergebnisse erwarten. Durch geringeren Knochenverlust moderner Implantate erscheint die Konversion auf einen kompletten Oberflächenersatz bei fortschreitender tibiofemoraler Arthrose problemlos. Entsprechend können auch „jüngere“ Patienten mit sekundär entstandener Arthrose (beispielsweise durch eine Patellainstabilität) „mit gutem Gewissen“ endoprothetisch behandelt werden. Trotzdem muss die Indikationsstellung unter Beachtung der Kontextfaktoren kritisch erfolgen, um Fehlschläge zu vermeiden. PD Dr. Christoph Becher HKF – Internationales Zentrum für Hüft-, Knie- und Fußchirurgie, Sporttraumatologie ATOS Klinik Heidelberg [email protected] Literatur 1. Ackroyd CE, Newman JH, Evans R, Eldridge JD, Joslin CC (2007) The Avon patellofemoral arthroplasty: five-year survivorship and functional results. J Bone Joint Surg Br 89: 310-315 2. 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Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 23: 1299-1307 ATOSnews Die akute Gehirnerschütterung im Sport Von Steffen Thier und Andreas Klonz Keywords: Gehirnerschütterung, Diagnostik, Return-to-play-Konzepte Im Sport können direkte Anprallkräfte bzw. fortgeleitete Beschleunigungs- oder Entschleunigungskräfte auf den Kopf zu einer Gehirnerschütterung führen. Insbesondere in Kontaktsportarten (Eishockey, Rugby, Fußball etc.) machen diese bis zu 18 % aller dokumentierten Verletzungen aus. In der Vergangenheit wurde der adäquaten Diagnostik und Therapie der häufig bagatellisierten Verletzung keine wesentliche Beachtung geschenkt. Es galt als „guter Ton“, nach einer Gehirnerschütterung weiterzuspielen, um die Mannschaft nicht im Stich zu lassen. Nachdem in der Presse wiederholt über Langzeitfolgen von rezidivierenden Schädel-Hirn-Traumen bei renommierten Sportlern wie dem Eishockeyspieler Stefan Ustorf (Karriereende 2013) oder dem Rugbyspieler George North (10 Wochen Sportpause 2015) berichtet wurde, hat das Thema „Schädel-Hirn-Trauma im Sport“ mehr Aufmerksamkeit erlangt. Mit dem zunehmenden Verständnis der Pathophysiologie der Verletzung wurden Diagnostik- und Therapiestandards sowie Return-to-Play-Konzepte erarbeitet. Die primäre Erkennung und Einschätzung der Verletzungsschwere auf dem Spielfeld ist von hoher Bedeutung, um den Sportler vor noch größerem Schaden zu bewahren. Im Amateursport ist häufig kein Mannschaftsarzt oder medizinisch geschultes Personal anwesend, um im Falle einer vermuteten Gehirnerschütterung eine standardisierte Untersuchung des jeweiligen Sportlers durchzuführen. Zu diesem Zweck wurden laienverständliche Taschenkarten erarbeitet, die insbesondere nicht medizinisch geschulten Personen (z. B. Trainern und Betreuern) eine wertvolle Hilfestellung geben einen Sportler mit akuter Gehirnerschütterung zu identifizieren. Auch unter Ärzten herrscht häufig noch Unsicherheit hinsichtlich der Erkennung der Gehirnerschütterung und eines zielgerichteten Handelns. Jeder Arzt kann am Spielfeldrand als Zuschauer involviert werden und sollte sich bei dieser Gelegenheit nochmals mit der Thematik beschäftigen. Definition Die Gehirnerschütterung wird zu den „leichten“ Schädel-Hirn-Verletzungen gezählt und beschreibt eine Schädigung des Gehirns, die durch einen komplexen pathophysiologischen Prozess definiert ist. Auslöser ist meist eine direkte Gewalteinwirkung gegen den Kopf-Hals-Bereich oder Körperstamm mit Fortleitung des Traumas zum Kopf. Die hieraus entstehende sog. „Coup-Contrecoup“Verletzung setzt das Gehirn teils rasanten Be-/Entschleunigungskräften aus. Resultierend kann es zu Schädigungen der Nervenzellen, Axone, Gliazellen und Blutgefäße kommen. Auf neurophysiologischer Ebene beginnt eine komplexe Kaskade, die zur Funktions- störung des axonalen Systems und der Nervenmembranen führt, Störungen der Ionenhomöostase hervorruft, Neurotransmitter freisetzt sowie Beeinträchtigungen des zerebralen Blutflusses und Dysfunktionen von Synapsen auslöst. Meist führt dies zu akut auftretenden, kurzzeitigen neurologischen Symptomen, die zum überwiegenden Anteil eine Funktionsstörung, jedoch keine wertige strukturelle Schädigung des Gehirns repräsentieren. Dies erklärt, warum die radiologische Bildgebung des Schädels (CT/MRT) in diesem Zusammenhang unauffällig ist. Allgemeine Zeichen und Symptome einer akuten Gehirnerschütterung Eine Gehirnerschütterung kann zu verschiedenen Symptomen oder Verhaltensänderungen führen. Sportartübergreifende Studien konnten zeigen, dass bei einer akuten ➔ 43 | © Fotos: Jürgen Kessler Sportfotografie ::Traumatologie Gehirnerschütterung die Symptome Kopfschmerz (70 %), Schwindel (30–50 %), Übelkeit/Erbrechen (20–40 %), Nackenschmerzen (ca. 20 %) und Schwäche/Müdigkeit (20–50 %) am häufigsten vorliegen. Nach dem „2012 Zurich consensus statement on concussion“ sind folgende klinische Anzeichen einer Gehirnerschütterung zuzuordnen: 1. Symptome – symptomatisch (z. B. Kopfschmerz, Schwindel, Übelkeit, Empfindlichkeit gegen Licht/Lärm), kognitiv (z. B. Wattegefühl, Erinnerungs-/Konzentrationsschwäche, verlangsamte Reaktionszeit) und/ oder emotional (z. B. Stimmungslabilität, Traurigkeit); 2. Physische Anzeichen (z. B. Bewusstseinsstörung, Amnesie); 3. Verhaltensänderungen (z. B. Reizbarkeit); 4. Schlafstörungen. In diesem Zusammenhang ist ausdrücklich zu bemerken, dass eine Gehirnerschütterung auch ohne Ohnmacht oder Erinnerungsstörung (Amnesie) vorliegen kann. Evaluation des Sportlers im Wettkampf oder Training Die primäre Erkennung und Einschätzung der Verletzungsschwere auf dem Spielfeld ist von hoher Bedeutung, um den Sportler vor noch größerem Schaden zu bewahren (s.u.). Zu diesem Zweck wurden laienverständli- | 44 che Taschenkarten erarbeitet, die insbesondere nicht medizinisch geschulten Personen (z. B. Trainer u. Betreuer) aber auch Ärzten eine wertvolle Hilfestellung geben, um einen Sportler mit akuter Gehirnerschütterung zu identifizieren. An dieser Stelle ist auf das sog. „Concussion-Recognition-Tool“ der „Concussion in Sports (CIS) Group“ zu verweisen (Abb. 1a,b). Dieses Modul fragt ausschließlich die Symptomatik und Fragen zur Orientierungsprüfung („Maddocks-Fragen“) standardisiert ab. Dies kann problemlos innerhalb einer Minute durchgeführt werden. Aufgrund der hohen Koinzidenz von HWS-Verletzungen bei Gehirnerschütterungen sollten diese ausgeschlossen werden. Laien sollten bei Nackenschmerzen des Sportlers umgehend medizinisch geschultes Personal hinzuziehen, um eine Protektion der Halswirbelsäule durchzuführen. Bei Vorliegen einer oder mehrerer Hinweise einer Gehirnerschütterung sollte der Spieler umgehend aus dem Wettkampf bzw. Training genommen werden. In diesem Zusammenhang wird in den Handlungsempfehlungen des Bundesinstituts für Sportwissenschaft („Leichtes SHT im Sport“) ein grundlegendes Prinzip beschrieben: „When in Doubt – Take him Out“! Bestehen Hinweise auf eine Gehirnerschütterung, darf der Spieler auch nicht wieder in den Wettkampf zurückgebracht werden (‚Geht schon wieder‘). Für dieses Vorgehen muss möglichst schon im Vorfeld das Verständnis von Trainer und Betreuern erworben werden. Anschließend sollte eine zeitnahe ärztliche Konsultation erfolgen, um eine detaillierte neurophysiologische Untersuchung durchzuführen. Diese sollte eine Beurteilung des mentalen Status, der kognitiven Funktionen, des Ganges und der Gleichgewichtsfunktion beinhalten. Befundabhängig wird dann über eine notfallmäßige zerebrale Bildgebung (CT/MRT) entschieden. Zur Evaluation im Profisport wurde durch internationale Fußball-, Eishockey- und Rugby-Verbände sowie dem Internationalen Olympischen Komitee (FIFA, IIHF, IRB und IOC) das sog. SCAT-3-Konzept verabschiedet. Es wurde aus den sog. „Maddock-Fragen“ und dem „Standardized Assessment of Concussion“ (SAC) entwickelt. Hierbei handelt es sich um ein ausführliches Modul, welches Mannschafts-/Turnierärzten eine standardisierte klinische sowie neurokognitive/ neuropsychologische Beurteilung des Sportlers ermöglicht (Abb. 2a, 2b). Es wurde als Screening-Test entwickelt, dessen Durchführung ca. 15–20 min in Anspruch nimmt. Sinnvoll scheint es, das SCAT-3-Modul bereits vor der Saison für die Sportler zu erfassen („Baseline-Untersuchung“), um im Ernstfall eine Vergleichsmöglichkeit zu haben. Anhand der Ergebnisse wird dann von ärztlicher Seite entschieden, ob der Sportler weiterspielen kann oder zur weiteren Diagnostik in ein Krankenhaus eingewiesen werden muss. Regeländerungen im internationalen Rugbysport ermöglichen es mittlerweile, Spieler ATOSnews für eine ärztliche Untersuchung bei vermuteter Gehirnerschütterung temporär auszuwechseln. Im Eishockey finden ohnehin häufige Wechsel statt, so dass eine ärztliche Untersuchung ohne temporäre Auswechselung stattfinden kann. Für Kinder im Alter von 5–12 Jahren wurde ein eigenes Modul entwickelt, der sog. Child-SCAT3. Unabhängig von der Screeninguntersuchung mit dem SCAT-Modul sollte grundsätzlich bei jeglichem Bewusstseinsverlust (unabhängig von der Dauer), einer Verschlimmerung von Symptomen im zeitlichen Verlauf (z. B. zunehmende Kopfschmerzen) oder bei dem Verdacht auf eine Halswirbelsäulenverletzung die Einweisung in ein Krankenhaus erfolgen. Sportverbände wie z. B. die DEL (Deutsche Eishockey Liga) sowie der IRB (International Rugby Board) haben Handlungsempfehlungen auf ihren Internetseiten für Jedermann zugänglich (http://www.del.org/de/del-intern/medicaltask-force/page/1600-4830-45—.html; http:// playerwelfare.worldrugby.org/ concussion). Behandlung Nach einer Gehirnerschütterung befinden sich die Gehirnzellen zunächst in einem Reparaturzustand, der sog. «vulnerablen Phase». In dieser Phase brauchen die Zellen genügend Zeit für die Heilung. Daher sind die Ecksteine der Behandlung einer Gehirnerschütterung die physische und kognitive Pause. Diese sollte bis zum Abklingen der akuten Symptome durchgeführt werden und eine Dauer von mind. 24–48 Stunden nicht unterschreiten. Typischerweise liegt die Symptomdauer in der Akutphase zwischen 2–4 Tagen. Im Anschluss kann der Sportler dann nach dem sechs Stufenschema der „Concussion in Sports (CIS) Group“ rehabilitiert werden. In Anlehnung an das „2012 Zurich consensus statement on concussion“ wurde eine deutsche Übersetzung des Stufenplans in den Handlungsempfehlungen des Bundesinstituts für Sportwissenschaft („Leichtes SHT im Sport“) veröffentlicht (Abb. 3). Das Rehabilitationskonzept sieht vor, dass jede Belastungsstufe absolut symptomfrei bestanden werden muss. Typische ➔ Abb. 1a, 1b: Das „Concussion Recognition Tool“ stellt Fragen zur Symptomatik und Orientierungsprüfung 45 | :: Abb. 2a: Das SCAT 3-Konzept zur standardisierten klinischen sowie neurokognitiven/ neuropsychologischen Beurteilung des verletzten Sportlers | 46 ATOSnews N O T E S & N E W S :: Dr. Steffen Thier – neue Kompetenz in der Notfallambulanz der ATOS Klinik Heidelberg Dr. Steffen Thier Kein Aprilscherz: Seit 1. April verstärkt mit Dr. med. Steffen Thier nicht nur ein hochqualifizierter Unfallchirurg, sondern auch ein ehemaliger Rugby-Nationalspieler das Team von Dr. Andreas Klonz in der Praxis für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie die integrierte orthopädische Notfallambulanz. Dr. Thier ist im Raum Heidelberg nicht nur als Chirurg, sondern auch als ehemaliger Rugby-Spitzenspieler der RG Heidelberg bekannt. Die Behandlung von Sportlern und Sportverletzungen ist daher der logische Fokus seiner Tätigkeit. Während seiner langjährigen Tätigkeit in der Universitätsklinik Mannheim hat er sich insbesondere auf arthroskopische Gelenkoperationen zur Rekonstruktion von Bändern und Sehnen spezialisiert. Nach dem Abschluss des Medizinstudiums an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg absolvierte Dr. Steffen Thier seine Facharztausbildung an der Universitätsmedizin Mannheim. Nach einem Jahr (2009-2010) als Weiterbil- dungsassistent in der Sektion für spezielle Thorax- und Onkochirurgie der Allgemeinchirurgie der Universitätsmedizin Mannheim unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Post schloß er seine experimentelle Doktorarbeit im Bereich des Tissue Engineering erfolgreich ab. Im Anschluss erfolgte der Wechsel in das Orthopädisch-Unfallchirurgische Zentrum der Universitätsmedizin Mannheim unter der Leitung von Prof. Dr. H-P. Scharf. Hier absolvierte er die Weiterbildung zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie (03/2015). Während der Zeit in der Universitätsmedizin Mannheim erfolgte unter den Sektionsleitern PD Dr. S. Fickert und Prof. Dr. L. Lehmann die Spezialisierung auf gelenkerhaltende Eingriffe der unteren und oberen Extremität. Wissenschaftliche Schwerpunkte lagen insbesondere auf klinischen Studien zur Therapie von Knorpelschäden an Hüfte und Kniegelenk, die unter Zusammenarbeit mit Prof. Dr. U. Obertacke bearbeitet wurden. Als zertifizierter Prüfarzt betreute Dr. Steffen Thier unter anderem eine multizentrisch angelegte Zulassungsstudie eines Produktes zur Knorpelregeneration (ACT). Mit 13 Jahren entdeckte er seine Liebe zum Rugbysport bei der RG Heidelberg. Nach zahlreichen deutschen Meisterschaften in Schüler- und Jugendaltersklassen zog es ihn für ein Jahr in das Mutterland des Rugbys, in ein englisches Internat (Lancaster Royal Grammar School). Im Jahre 1997 und 1998 bestritt er als 3. Reihe Stürmer zwei U18Weltmeisterschaften für Deutschland und schaffte den unmittelbaren Aufstieg in die Herren-Nationalmannschaft. Im Verein war er bereits mit 17 Jahren in die erste Herrenmannschaft aufgestiegen. Mit dieser wurde er 2004 deutscher Pokalsieger sowie mehrfacher deutscher 7er Rugby Meister. Nach einem Jahr 2004/2005 beim RC Straßburg in der Federal I in Frankreich zog es ihn wieder in die Heimat. In den Jahren 2006 und 2007 errang er mit der RG Heidelberg die deutsche Meisterschaft. In der 7er und 15er Nationalmannschaft war er Leistungsträger und schaffte im 15er Rugby mit dem sog. „goldenen Jahrgang“ 2006/2007 den Aufstieg in die erste europäische Division. Im 7er Rugby wurde er Kapitän der Nationalmannschaft und konnte mit dieser internationale europäische Turniere wie z. B. in Prag und Heidelberg gewinnen. Steffen Thier ist verheiratet und lebt in Heidelberg. Heute liegen seine Interessen neben seinem großen beruflichen Engagement in sportlichen Aktivitäten wie Joggen, Mountainbiken, Rugby, Krafttraining und Tennis. Steffen Thier beim Rugby (Foto: Miriam May, Berlin) 47 | ::Traumatologie Es wird postuliert, dass ein erneutes Trauma in der „vulnerablen Phase“ zu einer gestörten Autoregulation der ­zerebralen Gefäße führen kann. Resultierend kann dies eine Hyperämie triggern, die zur Entwicklung eines Hirnödems führt. Diesbezüglich wurden bereits Todesfälle bei jungen Sportlern beschrieben. Auch die Ausbildung eines subduralen Hämatoms wurde in der Literatur bereits beschrieben. Diese strukturellen, teils irreversiblen Folgeschäden können zu persistierenden neurologischen Symptomen führen. Sportler mit repetitiven Gehirnerschütterungen zeigten eine hohe Assoziation mit Aufmerksamkeits- und Gedächtnis­ störungen, Schwierigkeiten bei der Informationverarbeitung sowie ­chronischer Müdigkeit. Daher sind Sportler mit postkommotionellen Symptomen nicht sportfähig! Abb. 2b: Das SCAT 3-Konzept zur standardisierten klinischen sowie neurokognitiven/ neuropsychologischen Beurteilung des verletzten Sportlers Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel, Wattegefühl, Koordinationsstörungen, Konzentrationsschwäche, Licht und Lärmempfindlichkeit oder Reizbarkeit sollten vollständig abgeklungen sein, bevor die nächste Belastungsstufe am Folgetag angegangen wird. In der Mehrzahl der Fälle (80–90 %) bilden sich die Symptome einer Gehirnerschütterung innerhalb der ersten 7–10 Tage komplett zurück. Bei Kindern und jungen Erwachsenen kann diese Erholungsphase länger sein. Persistierende Symptome (>10 Tage) werden im Allgemeinen bei ca. 10–15 % der Sportler nach Gehirnerschütterung beobachtet. Hier- | 48 bei handelt es sich häufig um Verletzte, die bestimmte Risikofaktoren („Red-Flags“) aufweisen. Zu diesen werden das weibliche Geschlecht, eine vorbestehende Migräne oder Lernstörung sowie eine depressive Erkrankung gezählt. Zusätzlich scheinen das Auftreten von Schwindel sowie die Länge der initialen Bewusstlosigkeit den Behandlungsverlauf nach Gehirnerschütterung zu protrahieren. Ein erneutes Trauma, sog. „second hit“, gilt es in dieser Phase mit postkommotionellen Symptomen (z. B. Kopfschmerzen, Schwindel, Wattegefühl etc.) dringend zu vermeiden! Leider ist es zu Todesfällen bei jungen Sportlern aufgrund eines aus dem zweiten Trauma resultierenden Hirnödems gekommen (sog. „Second-Hit-Syndrome“). Bei einer postkommotionellen Symptomdauer von 3–4 Wochen sollte eine stationäre, multidisziplinäre Abklärung eingeleitet werden. In Deutschland wird in den BG-Kliniken ein eigens hierfür entwickeltes stationäres Diagnostikmodul namens „Brain-Check“ angeboten. Ein interdisziplinäres Team aus verschiedenen, medizinischen Fachrichtungen erarbeitet mit dem Sportler und dem Betreuerstab ein individuelles Return-to-Play Konzept. Postkommotionelles Syndrom Bei einer posttraumatischen Symptomdauer von über 3 Monaten wird im Allgemeinen von einem „Postkommotionellen Syndrom“ gesprochen. Hierbei handelt es sich um einen meist gemischten Symptomkomplex wie z. B. Kopfschmerzen, Schwindel, Abgeschlagenheit, Gedächtnisstörungen, Schlafstörungen, erniedrigte Stresstoleranz sowie Reizbarkeit. Bei ATOSnews tektoren zu einer höheren Risikobereitschaft führt, die in einem Anstieg der Verletzungshäufigkeit resultieren könnte. Die muskuläre Stabilisierung der Hals/Nacken Muskulatur durch spezifisches Krafttraining wird empfohlen. Eine Auswirkung auf die Inzidenz einer Gehirnerschütterung ist jedoch noch nicht ausreichend untersucht. Eine signifikante Reduktion der Inzidenz von Gehirnerschütterungen wurde durch Regeländerungen erreicht. So konnte durch ein Verbot des „Spear Tackles“ (Ausheben des Spielers mit Kopf Richtung Boden) im Football und Rugby die Rate an Gehirnerschütterungen und HWS-Verletzungen gesenkt werden. Ähnliches konnte durch das Verbot des Checkens von hinten im Eishockey erreicht werden. Präventiv sollten aggressive oder risikoreiche Spielweisen schon im Jugendalter unterbunden werden und das „Fair-Play“ als Grundprinzip jeder Sportart vermittelt werden. Zusammenfassung Abb. 3: „Leichtes SHT im Sport“ – Handlungsempfehlungen des Bundesinstituts für Sportwissenschaft den meist unspezifischen Symptomen sollten andere Erkrankungen bzw. Verletzungsfolgen als mögliche Ursache ausgeschlossen werden. Aufgrund des zunehmenden Interesses an Kontaktsportarten wird in den Medien wiederholt über Langzeitfolgen nach repetitiven Gehirnerschütterungen berichtet. Als mögliche Folge kann es zur Ausbildung einer „Chronisch traumatischen Enzephalopathie“ kommen. Sie wird mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Demenz und Alzheimer in Zusammenhang gebracht. Die wissenschaftliche Datenlage ist bisher jedoch nicht ausreichend um eine diesbezügliche Kausalität zu bestätigen. Prävention In Kontaktsportarten wie Rugby und Eishockey ist der Körperkontakt ein wesentlicher Bestandteil des Spiels. Um die Inzidenz der Gehirnerschütterungen in diesen Sportarten zu senken, wurden mehrere Ansätze verfolgt. Das Tragen von einem Kopfschutz, Helm oder Mundschutz zeigte keinen wesentlichen Einfluss auf die Inzidenz der Gehirnerschütterung. Biomechanische Studien konnten jedoch bestätigen, dass die Stoßwirkung des Traumas durch o.g. Protektoren abgeschwächt wird, um so die Anzahl struktureller Verletzungen des Kopfes zu reduzieren. Andererseits wurde postuliert, dass das Tragen von zusätzlichen Pro- Die akute Gehirnerschütterung stellt insbesondere bei Kontaktsportarten eine häufige, bisweilen unterschätzte Verletzung dar. In der Mehrzahl der Fälle (80–90 %) bilden sich die Symptome einer Gehirnerschütterung innerhalb der ersten 7–10 Tage zurück. Am Spielfeldrand sollte eine Evaluation des Sportlers durch diagnostische Module (SCAT 3TM, „Concussion-Recognition-Tool“ ) erfolgen. Eine Behandlung sollte sich an dem Return-to-Play-Protokoll orientieren und ggf. symptomabhängig individualisiert werden. Eine erneute Gehirnerschütterung ist bei noch bestehenden Symptomen aufgrund der teils drastischen Folgen dringend zu vermeiden („Second Impact Syndrome“). Literatur beim Verfasser Dr. Steffen Thier Dr. Andreas Klonz Praxis für Unfallchirurgie und Orthopädie Notfallambulanz, Sportmedizin, D-Arzt für Schul- und Arbeitsunfälle ATOS Klinik Heidelberg [email protected] [email protected] 49 | ::Fachbeiträge N O T E S & N E W S :: Die „International Shoulder Tour“ macht Station in Heidelberg Impressum Herausgeber ATOS Klinik Heidelberg GmbH & Co. KG Wissenschaftsredaktion Prof. Dr. Hajo Thermann Redaktion Dr. Barbara Voll-Peters Eichenhainallee 34 51427 Bergisch-Gladbach Tel.: 02204 97 92 54 Fax: 02204 97 92 55 [email protected] Produktmanagement und Anzeigen Osman Bal ILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA W GIT VERLAG Boschstrasse 12 69469 Weinheim Die Reisegruppe der „Schulter Reise“ in der ATOS Klinik Heidelberg. Im Rahmen einer internationalen „Schulter Reise“ verbrachten 15 Schulter­ experten aus aller Welt (Südkorea, Japan, Australien, Südamerika) vom 26.–27. November 2015 zwei Tage in der ATOS-Klinik Heidelberg und in Grünstadt, um an drei Live-Operationen zur Schulterprothetik und einem Workshop teilzunehmen. Ausrichter war das Deutsche Gelenkzentrum Heidelberg, Prof. Dr. Markus Loew. Tel.: 06201 606-374 Fax: 06201 606-790 [email protected] www.wiley.com www.gitverlag.com Grund-Layout Reinshagen & Hartung GmbH, 68161 Mannheim Produktion WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA GIT VERLAG Herstellung: Christiane Potthast L ayout: Ruth Herrmann, Ralf Prötzel Litho: Elke Palzer Druck: PVA, Landau V.i.S.d.P.: ATOS Klinik Heidelberg GmbH & Co. KG Bismarckstraße 9–15 69115 Heidelberg Telefon 06221 983-0 Telefax 06221 983-919 [email protected] www.atos.de Bildnachweis Titelbild: © vectorfusionart | Fotolia.com | 50 ATOSnews Engagement, Empathie und medizinische Qualität auch im Notfall 10 Jahre Notfallambulanz in der ATOS Klinik Heidelberg Seit bereits 10 Jahren bietet die Notfallambulanz in der ATOS Klinik Heidelberg rasche und kompetente Hilfe für akute Verletzungen und Beschwerden im Bereich des Bewegungsapparates an. Die Patienten und zuweisenden Ärzte aus Heidelberg, der Metropolregion Rhein-Neckar und auch aus überregionalen Gebieten wissen diese Möglichkeit inzwischen zu schätzen, so dass das Notfalltelefon selten stillsteht. Trotz des hohen Zulaufs ist und bleibt der Anspruch der Ärzte und des gesamten Teams, auch für den Notfallpatienten eine besondere Atmosphäre zu schaffen, in der er (oder sie) sich wohl, geborgen und gut aufgehoben fühlen kann. Die Behandlung erfolgt unter der Leitung von Dr. Andreas Klonz und Dr. Guido Volk durch einen kleinen und spezialisierten Kreis von Fachärzten für Unfallchirurgie und Orthopädie. Die Wartezeiten sind vergleichsweise sehr kurz. Soweit erforderlich und sinnvoll, wird auch die weiterführende Behandlung ohne Informationsverluste durch den erstbehandelnden Facharzt fortgeführt. Von großem Vorteil ist die enge Anbindung und Kooperation mit anderen Praxen in der ATOS Klink mit z. B. allen Möglichkeiten der modernen radiologischen Bildgebung, oder auch der rheumatologischen, internistischen oder neurologischen Abklärung. Es besteht im Übrigen nicht nur die Möglichkeit zur Behandlung von Privatpatienten oder Arbeits- und Schulunfällen. Seit 2008 können auch Kassenpatienten mit dem selben Anspruch an Engagement, Empathie und medizinische Qualität behandelt werden. Ein spezieller Schwerpunkt liegt in der Behandlung von Sportlern und Sportverletzungen im Leistungs- und Breitensport. Viele Sportler stellen sich noch am Wochenende mit ihren Blessuren vor. Dr. Klonz betreute als Mannschaftsarzt von 2008 bis 2013 die Handballer der Rhein-Neckar-Löwen. Dr. Volk betreut seit 1997 den aktuellen Deutschen Eishockey-Meister Adler Mannheim. Meist können Verletzungen mit Verbänden, Schienen, Medikamenten oder Krankengymnastik behandelt werden. Sollte doch eine operative Therapie erforderlich werden, so wird diese innerhalb kurzer Zeit im OP-Programm der ATOS berücksichtigt. Die Notfallambulanz in der ATOS Klinik ist damit in den zurückliegenden Jahren weit mehr als nur eine Alternative zu den üblichen Ambulanzen in den großen Krankenhäusern geworden. Am 2. Oktober 2015 wurde das 10-jährige Jubiläum der Notfallambulanz gebührend gefeiert. 51 | ::Fachbeiträge Kreuzbandverletzung bei Kindern und Jugendlichen Flache anatomische Doppelbündelrekonstruktion ist besser als klassische Einbündeltechnik Von Rainer Siebold Keywords: Vorderes Kreuzband, Vordere Kreuzbandruptur, Kreuzbandrekonstruktion Die meisten vorderen Kreuzbandverletzungen bei Kindern und Jugendlichen t­reten beim Fußball, Skifahren und im Schulsport auf. Die Diagnose wird durch die klinische Untersuchung und Kernspinaufnahmen (MRT) gestellt. Symptome sind ­ akute S ­ chmerzen, Schwellung und Instabilität. Bleibt die Kreuzbandruptur unbehandelt kommt es durch die Instabilität bei über 50 % der jungen Patienten zu Folge­ schäden am Meniskus. Schmerzen zwingen zur Sportaufgabe und spätestens dann müssen sich die Kinder und Jugendlichen einer Operation unterziehen, um das vordere Kreuzband und den Meniskus zu reparieren. Bei einem vorderen Kreuzbandriss im Kindes- und Jugendalter ist die Stabilisierung des Kniegelenkes durch eine Kreuzbandrekonstruktion extrem wichtig. Denn durch das meist hohe Aktivitätsniveau treten leider bei über 50 % der Patienten innerhalb kürzester Zeit Folgeverletzungen des Meniskus auf. Eine alleinige Kreuzbandläsion birgt ein Arthroserisiko von ca. 10 % nach ca. 25 ­Jahren, tritt zusätzlich ein Meniskusschaden auf, steigt das Arthroserisiko auf sehr hohe 70-90 %! Betrachtet man das jugendliche Alter der Patienten, so sind Früharthrosen zwischen dem 25. und 40. Lebensjahr vorprogrammiert. Deshalb steht außer Frage, dass ein instabiles Kniegelenk bei Kindern und Jugendlichen nach heutigem Wissensstand durch eine Kreuzbandrekonstruktion versorgt werden sollte. Die Standardtechnik zur Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes bei Kindern und Jugendlichen ist der Kreuzbandersatz mit den Kniebeugesehnen in der Single-Bundle Technik. Dabei werden die Semitendino- | 52 sus- und Gracilissehne 4-fach gelegt und gemeinsam als ein rundliches breites Transplantat über einen Bohrkanal im Oberschenkel (Femur) und Unterschenkel (Tibia) befestigt. Die Technik hat sich bewährt, da die Gefahr von Wachstumsstörungen bei einem reinen Sehnentransplantat ohne Knochenblöcke extrem gering ist. Neue anatomische Studien u.a. aus unserer Arbeitsgruppe haben allerdings gezeigt, dass das vordere Kreuzband kein rundliches dickes Band ist, sondern wie ein Uhrenarmband nur 3–5mm flach, aber dafür 10–12mm breit ist [2–4]. Auch berichten mehrere aktuelle internationale Studien, dass die Re-ruptur Rate des operierten Kniegelenkes oder der gesunden Gegenseite bei sehr hohen 20–30 % liegen. Neue Operationstechnik entwickelt Deshalb haben wir seit 2013 unsere Operationstechnik komplett umgestellt und rekonstruierten das Kreuzband bei Kindern und Jugendlichen weltweit erstmals in einer eigens dafür angepassten anatomischen Doppelbündeltechnik mit anteromedialem und posteromedialem Bündel. Dabei wird der flache gerade Ansatz am Oberschenkel und der flache „C“-förmige Ansatz am Unterschenkel durch zwei kleine Bohrkanälchen am Oberschenkel und zwei kleine Bohrkanälchen am Unterschenkel rekonstruiert. Damit unterscheidet sich die OP-Technik ganz entscheidend von der „klassischen“ EinbündelTechnik, bei der jeweils ein (zu) großer (nicht anatomischer) Bohrkanal an Ober- und Unterschenkel angelegt wird. Durch die neu entwickelte Technik resultiert eine flache anatomische Konfiguration des Sehnentransplantats, d. h. des neuen Kreuzbandes. Anstelle der Semitendinosusund der Gracilissehne verwenden wir außerdem nur noch die Semitendinosussehne. Dadurch bleibt die natürliche Funktion der Gracilissehne erhalten. Auch versuchen wir das noch vorhandene Kreuzbandgewebe mit Gefäßen und Nervenfasern im Sinne einer ATOSnews Abb. 1 a, b: Vordere Kreuzbandrekonstruktion in anatomischer flacher Zweibündeltechnik mit der 4-fachen Semi­ tendinosussehne bei 11-jährigem Jungen bzw. 13-jährigem Mädchen mit offenen Wachstumsfugen. Bei der OP-Technik werden intakte Restfasern komplett erhalten (= Augmentation). a „Augmentation“ komplett zu erhalten und flechten die Kreuzbandrekonstruktion in das noch vorhandene Gewebe ein (Abb. 1a, b). Das Ergebnis ist ein sehr schonender Kreuzbandersatz mit kleinen Bohrkanälchen und überzeugenden klinischen Ergebnissen. In der März-Ausgabe 2016 des europäischen Fachjournals für arthroskopische Kniechirurgie (KSSTA) haben wir erstmals unsere klinischen Ergebnisse dazu publiziert [5]. Dabei haben wir Kinder und Jugendliche mit „klassischer“ Einbündeltechnik (bis 2012) mit der von uns erstmals durchgeführten Doppelbündeltechnik für Kinder und Jugendliche (ab 1/2013) verglichen. Alle 57 jugendlichen Patienten, die zwischen 2008 und 2014 von uns operiert wurden, konnten nachuntersucht werden. Dabei wurde neben einer gründlichen klinischen Untersuchung und Befragung erstmals auch eine spezielle roboterunterstützte Messung der Rotationsstabilität beider Kniegelenke durchgeführt [1, 6]. Das Ergebnis der operierten Seite wurde mit dem Normalbefund des gesunden anderen Kniegelenkes verglichen. Vordere Kniestabilität und Rotations­ stabilität verbessert Die Befragung der jungen Patienten erbrachte keinen wesentlichen Unterschied beider Gruppen, jedoch war die vorderer Kniestabilität (gemessen mit dem KT-1000) und die Rotationsstabilität (gemessen mit dem Roboter) in der Doppelbündelgruppe deutlich besser. So stimmte das mittlere Gelenkspiel bei 59 % der Single Bundle Patienten und b 100 % der Doppelbündelpatienten mit dem des gesunden Kniegelenkes überein. Damit wird die biomechanische Überlegenheit der Doppelbündelmethode eindrucksvoll belegt. Die neuerliche Verletzungsrate (=Rerupturrate) nach Kreuzbandrekonstruktion konnte von 26 % in der Einbündelgruppe auf 14 % in der Doppelbündelgruppe deutlich gesenkt werden. Interessanterweise traten 92 % aller Rerupturen in den ersten 16 Monaten nach der Operation auf, davon die meisten innerhalb von 12 Monaten. Die frühen erneuten Verletzungen belegen, dass sich die jungen Patienten nach der Kreuzbandrekonstruktion nicht ausreichend Zeit für die Rehabilitation und die Rückkehr zum Sport nehmen. Bei keinem Patienten traten Wachstumsstörungen am Kniegelenk auf. Dies bestätigt die Unbedenklichkeit der Doppelbündeltechnik bei offenen Wachstumsfugen. Die flache anatomische Doppelbündeltechnik zur Rekonstruktion des Kreuzbandes mit der Semitendinosussehne zeigt eine deutlich geringere Re-Verletzungsrate als die Einbündeltechnik und deutlich gebesserte Stabilitätswerte. Damit hat sich die von uns entwickelte neue Technik der Rekonstruktion der anteromedialen und posteromedialen Kreuzbandfasern bei Kindern und Jugendlichen eindeutig bewährt und ist für uns klare Therapie der Wahl in dieser Altersgruppe. Die OP-Technik ist operativ sehr anspruchsvoll und sollte deshalb nur von absoluten Kreuzbandspezialisten durchgeführt werden, die viel Erfahrung mit der Doppelbündeltechnik auch bei Erwachsenen haben. Fazit Zur Wiederherstellung der Funktion und zum Schutz des Meniskus und des Knorpels ist die Stabilisierung des kindlichen und jugendlichen Kniegelenkes durch eine Kreuzbandrekonstruktion heute Therapie der Wahl. Folgeschäden am Meniskus sind bei Knieinstabilität eine gefürchtete Komplikation und können durch eine rechtzeitige Kreuzbandrekonstruktion meist vermieden werden. Der Kreuzbandersatz kann bei Reruptur wiederholt werden, ein verlorener Meniskusanteil ist ein unwiederbringlicher Verlust an Stoßdämpfer und führt unweigerlich zur (Früh-)Arthrose. Prof. Dr. Rainer Siebold HKF – Internationales Zentrum für Hüft-, Knie- und Fußchirurgie, Sporttraumatologie ATOS Klinik Heidelberg [email protected] 53 | ::Fachbeiträge Literatur 1.Branch TP, Stinton SK, Siebold R, Freedberg HI, Jacobs CA, Hutton WC (2015) Assessment of knee laxity using a robotic testing device: a comparison to the manual clinical knee examination. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2.Oka S, Schuhmacher P, Brehmer A, Traut U, Kirsch J, Siebold R (2016) Histological analysis of the tibial anterior cruciate ligament insertion. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 24:747-753 N O T E S & 3.Siebold R (2014) “Ribbonlike” DoubleBundle ACL Reconstruction with Restoration of “C”-Shaped Tibial ­Insertion Site. In: Siebold R, Dejour D, Zaffagnini S (eds) Anterior Cruciate Ligament Reconstruction. Springer Berlin Heidelberg, pp 291-295 4.Siebold R, Schuhmacher P, Fernandez F, Smigielski R, Fink C, Brehmer A, Kirsch J (2015) Flat midsubstance of the anterior cruciate ligament with tibial „C“-shaped insertion site. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 23:3136-3142 5.Siebold R, Takada T, Feil S, Dietrich C, Stinton SK, Branch TP (2016) Anatomical „C“-shaped double-bundle versus single-bundle anterior cruciate ligament reconstruction in pre-adolescent children with open growth plates. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 24:796-806 6.Stinton SK, Siebold R, Freedberg H, Jacobs C, Branch TP (2016) The use of a robotic tibial rotation device and an electromagnetic tracking system to accurately reproduce the clinical dial test. Knee Surg Sports Traumatol ­Arthrosc 24:815-822 N E W S :: 5. Shoulder Arthroplasty Convention in München Vom 15.–17. Oktober 2015 fand in der „Alten K­ ongresshalle“ in München die „Shoulder Arthroplasty Convention 2015“ statt, ver­anstaltet von den Teams des Deutschen Gelenkzentrums ­Heidelberg und des Deutschen Schulterzentrums. Es war seit 2006 der fünfte von Prof. Habermeyer und Prof. Loew gemeinsam organisierte Kongress über Innovationen in der Schulter­ endoprothetik und gleichzeitig ein Jubiläumsmeeting zu einem halbrunden Geburtstag. Mehr als 250 Teilnehmer aus 37 Nationen, von Neuseeland bis Chile, folgten den Vorträgen der weltweiten Meinungsführer auf diesem Gebiet, beobachteten 4 Live Operationen, diskutierten aktiv und nahmen an Workshops teil, um selbst die Implantation von Schulterprothesen zu üben. Ein großartiger Erfolg für alle, die sich bestimmt in zwei Jahren bei der „­Shoulder ­Arthroplasty Convention 2017“, wieder treffen werden. | 54 Die Organisatoren Prof. Habermeyer (links) und Prof. Loew ATOSnews Kasuistik: Kombinationsdeformitäten von Hüft- und Kniegelenk bei kleinwüchsigen Patienten Von Fritz Thorey Keywords: Deformität, Hüfte, Knie, Endoprothetik Deformitäten von Hüft- und Kniegelenk findet sich vor allem bei Patienten, die aufgrund unterschiedlicher Erkrankungen rollstuhlpflichtig sind und/oder Syndrome mit Beteiligungen des muskulo-skelettalen Bewegungsapparates aufweisen. Beim Vorliegen von Beugekontrakturen von Hüft- und Kniegelenk ist eine Versorgung von beiden Gelenken in einer Operation sinnvoll. Fazit Bei einem 26-jährigen Patienten besteht eine deformierende Arthrose von Hüfte und Knie. Eine Voroperation des proximalen Femurs mit Plattenosteosynthese erhielt der Patient vor 3 Jahren. Aktuell besteht keine Gehfähigkeit aufgrund stärkster Schmerzen. Vor 6 Monaten erhielt der Patient nach Entfernung der Platte am Femur eine Hüft-Endoprothese mit tripolarer Pfanne und einem speziellen Schaft. Ebenso benötigte er eine gekoppelte Knie-Endoprothese, da aufgrund der Deformität und der Bandinsuffizienz kein anderes Implantat sinnvoll war. Er wurde anschließend mit schmerzadaptierter Belastung mobilisiert. Ziel ist es, wieder an einem Rollator mobil zu sein. Die Versorgung dieses Patientgutes ist teilweise komplex und fordert eine exakte Indikationsstellung und operative Versorgung. Wichtig ist, die Erwartungshaltung gerade dieser Patienten in einem Gespräch zu ermitteln, um keine Hoffnungen auf Operationsergebnisse zu wecken, die aufgrund von Vorerkrankungen nicht erreichbar wären. Prof. Dr. Fritz Thorey HKF – Internationales Zentrum für Hüft-, Knie- und Fußchirurgie, Sporttraumatologie ATOS Klinik Heidelberg [email protected] www.hkf-ortho.de Abb.1 : Hüftarthrose mit einliegender Femurosteosynthese sowie defomierte Kniearthrose (A). Nach Implantation von Hüft- und Knie-Sonder­ endoprothesen (B) 55 | ::Fachbeiträge Epilepsie im Kindesalter Von Cornelia Bußmann Keywords: Epilepsie, Fieberkrampf, Säuglingsepilepsie, Absence Epilepsie ist die häufigste chronische Erkrankung des Nerven­ systems. Im Kindesalter ist sie häufiger als die viel besser bekannten chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder Rheuma. Ca. 1 % der Bevölkerung in Europa leidet unter einer Epilepsie, 50–60 % treten im Kindesalter auf [1]. Bei optimaler Therapie können mehr als 70 % der Patienten anfallsfrei werden. Voraussetzung für die bestmögliche Therapie ist die korrekte Diagnose der Epilepsie bzw. des Epilepsiesyndroms. Der Begriff ‚Epilepsie‘ leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet ‚ergriffen‘ oder ‚gepackt‘ sein. Damit wird gut beschrieben, dass dem betroffenen Mensch ‚etwas passiert‘, das er nicht selbst steuern kann. Etwa 5 % aller Menschen erleiden im Laufe ihres Lebens einen epileptischen Anfall. Ein einzelner Anfall ist noch nicht gleichbedeutend mit einer Epilepsie, sondern kann unter bestimmten Bedingungen bei jedem Menschen auftreten, z. B. bei einer schweren Kopfverletzung oder einer akuten Erkrankung. Von einer Epilepsie spricht man erst dann, wenn sich epileptische Anfälle ohne äußere Provokation wiederholen. Fieberkrämpfe Etwa 3 % aller Kinder erleiden bis zum 7. Lebensjahr einen Fieberkrampf. Betroffen sind in aller Regel normal entwickelte Kinder im Alter von sechs Monaten bis fünf Jahren. Solange diese Krämpfe nur bei Fieber bzw. im Rahmen eines Infekts auftreten, gelten sie nicht als Epilepsie. Der erste Fieberkrampf ihres Kindes ist für Eltern ein völlig unerwar- | 56 tetes und oftmals sehr dramatisches Ereignis, bei dem viele um das Leben ihres Kindes fürchten. Die Prognose auch von wiederholt auftretenden Fieberkrämpfen ist allerdings sehr gut, die weitere Entwicklung der Kinder ist unbeeinträchtigt. Nur in wenigen Fällen können fiebergebundene Anfälle auch ein erstes Zeichen für eine beginnende Epilepsie sein. Das spätere Epilepsierisiko erhöht sich nur geringfügig von 0,5–1 % auf ca. 3 % [2]. Da ein Fieberkrampf in seltenen Fällen auch erstes Symptom einer Hirnhautentzündung (Meningoenzephalitis) sein kann, sollte bei einem ersten Fieberkrampf immer eine unmittelbare ärztliche Vorstellung erfolgen und insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern die Indikation zu einer Lumbalpunktion großzügig gestellt werden. Das generelle Wiederholungsrisiko für Fieberkrämpfe beträgt ca. 30 %. Eine medikamentöse Dauertherapie ist in der Regel nicht erforderlich. Die meisten Fieberkrämpfe enden spontan innerhalb von 2–3 Minuten. Bei einer Dauer von mehr als 5 Minuten sollte der Anfall mit Hilfe eines schnell wirk- samen, oral oder rektal zu verabreichenden Notfallmedikaments unterbrochen werden. Anfallsformen Viele Menschen denken bei Epilepsie zunächst an dramatisch anzusehende Anfälle mit Muskelzuckungen (klonisch), verkrampften Muskeln (tonisch) und Bewusstseinsverlust, den so genannten Grand mal-Anfall. Doch epileptische Anfälle können auch ganz anders aussehen. Einige Kinder nesteln zum Beispiel bei einem Anfall nur wenige Augenblicke unmotiviert an einem Kleidungsstück oder schlucken und schmatzen ohne Grund. Bei anderen zuckt nur eine Hand/eine Extremität und andere haben auf einmal seltsame, nicht erklärbare Sinneswahrnehmungen (Aura). Wieder andere scheinen einen Moment lang wie weggetreten (Absence). Nicht bei allen Anfällen kommt es zu einem Bewusstseinsverlust. Bei einem Teil der epileptischen Anfälle ist das Bewusstsein vollständig erhalten, bei einigen ist das Bewusstsein eingeschränkt. ATOSnews Aura Manche epileptischen Anfälle beginnen mit einer sogenannten Aura: Die betroffenen Kinder bemerken dabei ungewöhnliche Sinneseindrücke wie zum Beispiel Kribbeln in einer Extremität, Sehstörungen/Halluzinationen oder merkwürdige Geschmacks- oder Geruchseindrücke. Andere spüren seltsame Empfindungen im Bauch oder vom Bauch her aufsteigend (epigastrische Sensationen). Einige Kinder erkennen an der Aura, dass ein größer Anfall kurz bevorsteht. Eine Aura kann aber ebenso gut das einzige Symptom eines Anfalls sein und bleiben. Eine Aura ist ein kurzer Anfall, der in einer sehr begrenzten Region des Gehirns abläuft. Sie kann in der Regel nicht von Außenstehenden beobachtet werden, da es sich um eine reine Sinneswahrnehmung handelt. Es ist wichtig, Kinder mit einer Epilepsie genau danach zu befragen, da Aura-Symptome Rückschlüsse auf die anfallsauslösende Hirnregion ermöglichen. Abb. 1: Setzen einer EEG-Haube zur Ableitung eines Elektroenzephalogramms (EEG) Absencen Epileptische Anfälle, die eher unauffällig sind und daher möglicherweise zunächst übersehen werden, sind Absencen. Absencen sind epileptische Anfälle, die durch eine kurze Abwesenheit mit fehlender Ansprechbarkeit und durch eine Erinnerungslücke gekennzeichnet sind. Absencen kommen bei Klein- und Schulkindern am häufigsten vor und sind bei Kindern allgemein die mit Abstand häufigste Form epileptischer Anfälle. Sie kommen auch bei Jugendlichen und Erwachsenen vor, werden aber mit zunehmendem Alter immer seltener [3]. Weil Absencen so kurz sind und die Betroffenen selbst nichts merken, bleiben sie oft lange unerkannt, werden als Unaufmerksamkeit („verträumte“ Kinder, „Hans Guck-in-die-Luft“) oder – besonders in der Schule – auch als Konzentrationsstörung oder fehlender Wille missverstanden. Säuglingsepilepsien Im Säuglingsalter können epileptische Krampfanfälle sehr uncharakteristisch aus- ➔ Abb. 2: EEG bei einer Okzipitallappen-Epilepsie 57 | ::Fachbeiträge N O T E S & N E W S :: M it Einfühlung und Respekt Neues Fachgebiet an der ATOS Klinik Heidelberg: Dr. med. Cornelia Bußmann eröffnet Praxis für Kinderneurologie überall dringend gesucht, und auch Dr. Bußmann hatte viele Angebote – wollte aber aus familiären Gründen in der Region bleiben. Die Verbindung zu den anderen Fachrichtungen der ATOS Klinik Heidelberg ist für Dr. Bußmann ideal, denn bei vielen orthopädischen Fragestellungen im Kindesalter ist es wichtig, eine ursächliche neurologische Störung abzuklären, um diese auch adäquat therapieren zu können. Dr. med. Cornelia Bußmann Kinderheilkunde als Fach hat Dr. Bußmann schon immer interessiert, da es ein sehr umfassendes Fachgebiet ist – sozusagen die gesamte innere Medizin für das Kind. Die Ärztin stammt aus Hameln; nach Stationen in Kiel, Paris und Montréal ist sie nun seit 20 Jahren in Heidelberg zuhause. Dass sie selbst zwei Kinder im Grundschulalter hat, hilft ihr in ihrer Praxis sehr, „denn so manche praktische Frage der Eltern lernt man nicht in Studium und Klinik, sondern im Alltag mit den eigenen Kindern“. Seit 13 Jahren widmet sich Dr. Bußmann uneingeschränkt der Kinderneurologie, einem Fach, das deutschlandweit knapp besetzt ist. Im Großraum Heidelberg ist die Praxis von Dr. Bußmann die einzige ausschließlich kinderneurologische Spezialpraxis. Kinderneurologen werden | 58 In ihrer Praxis sieht Dr. Bußmann Kinder aller Altersstufen, vom Säugling bis zum Jugendlichen. „Viele verbinden mit Kinderneurologie Kinder mit Behinderungen“, erläutert Dr. Bußmann. Diese Patienten sind ihr sehr wichtig, aber das medizinische Spektrum geht weit darüber hinaus. Sie beurteilt die Entwicklung ehemaliger Frühgeborener, Bewegungs- und Entwicklungsauffälligkeiten sowie Kopfschmerzen, genetische Syndrome und neuromuskuläre Erkrankungen. Dr. Bußmann ist Expertin für Epilepsie, die im Säuglingsalter oft schwer zu erkennen ist und die im Kindesalter von kaum wahrnehmbaren Absencen bis zu schweren Anfällen reichen kann. In der Universitätskinderklinik Heidelberg war sie zwei Jahre auf der Spezialstation für Epilepsiediagnostik tätig, bevor Dr. Bußmann Oberärztin am Sozialpädiatrischen Zentrum wurde, das sie zuletzt leitete; eine Einrichtung mit Kinderneurologen, Psychologen, Therapeuten und Sozialpädagogen. Einigen ihrer Patienten kann nach einer differenzierten Untersuchung bereits mit gezielter Krankengymnastik und Ergotherapie sehr gut geholfen werden. Bei vielen neurologischen Erkrankungen ist es insbesondere wichtig, die Eltern einfühlsam zu stützen, indem man sich Zeit nimmt, ihnen zuhört und ihnen fundierte Informationen über die Krankheit ihres Kindes gibt. Denn natürlich sind viele Eltern sehr verunsichert und in Sorge um ihr Kind. Dass sie in einem Fachgebiet arbeitet, in dem Dr. Bußmann ihren Patienten oft kein Versprechen auf Heilung geben kann – „diese Tatsache bedrückt mich natürlich auch, ich würde die Kinder lieber alle heilen können, aber diese Möglichkeit bietet die Medizin leider in vielen Fällen aktuell nicht. Dennoch kann ich den Kindern durch Festlegung geeigneter Therapien, Hilfsmittel und soweit erforderlich Medikation helfen und Folgeprobleme minimieren oder sogar vermeiden“. Die Arbeit mit chronisch kranken Kindern und ihren Eltern erlebt Dr. Bußmann als persönliche Bereicherung, und sie hat Respekt vor den Familien: „Es ist großartig, mit welcher Energie viele dieser Kinder und Familien ihren Weg gehen und individuelle Lösungen für unüberbrückbar erscheinende Hindernisse finden. Das relativiert die eigene Welt und macht dankbar und demütig.“ Informationen unter www.kinderneurologie-heidelberg.de ATOSnews sehen. So äußern sie sich bei sehr jungen Säuglingen häufig als Atempausen (Apnoe) oder kurzes Innehalten, z. T. begleitet von einem Abweichen der Augen zu einer Seite (Augendeviation), Lidflattern oder rollenden/zuckenden Augenbewegungen (Nystagmus). Sofern Muskelzuckungen (Kloni) auftreten, betreffen diese oft nur eine umschriebene Körperregion, die im Laufe eines Anfalls auch wechseln kann. Weitere Anfallssymptome können wiederholtes Schmatzen oder Vorschieben der Zunge sein [4]. Bei einer anderen Anfallsform des Säuglingsalters kommt es zu einem plötzlichen schreckhaften Öffnen der Augen und beide Arme werden zur Seite hochgerissen. Dies wiederholt sich mit kurzen Pausen in Serien. Diese so genannten BNS-Anfälle (Westsyndrom) müssen frühzeitig als Epilepsieform erkannt werden, da sie bei dem betroffenen Säugling unbehandelt zu einem Entwicklungsstillstand oder sogar Entwicklungsrückständen führen können. Da epileptische Anfälle insbesondere im jungen Säuglingsalter auch für Experten nicht immer leicht zu erkennen sind, sollten Eltern versuchen, die fraglichen Zustände in einem Video zu dokumentieren. Eher anfallsverdächtig sind Episoden, die sich in gleicher Art und Weise mehrfach wiederholen und untypisch für das Alter des Kindes erscheinen, die nicht durch Berührung des Kindes gestoppt und andererseits auch nicht nur durch Lageveränderung des Kindes ausgelöst werden können. Säuglingsmyoklonien Viel häufiger als epileptische Anfälle gibt es im Säuglingsalter eine Vielzahl von gutartigen nicht-epileptischen motorischen Phänomenen. Zu diesen gehören u.a. Schlafmyoklonien, bei denen es sich um kurze rhythmische Zuckungen handelt, die nur im Schlaf auftreten und durch Wecken des Kindes unterbrochen werden können. Auch wenn Zuckungen (Myoklonien) durch Festhalten der betroffenen Extremität zu unterbrechen sind, spricht das gegen ein epileptisches Phänomen [5]. Abb. 3 und 4: Screenshots aus dem Schulungsprogramm „Epilepsie für Familien“ (FAMOSES) für Kinder mit Epilepsie und deren Eltern (mit freundlicher Genehmigung der MOSES-Geschäftsstelle). Der erste epileptische Anfall Jeder erste epileptische Anfall kann das erste und möglicherweise über längere Zeit auch das einzige Zeichen einer akuten Schädigung des Gehirns sein. Deshalb muss er immer Anlass zu einer möglichst umgehenden Untersuchung beim Kinderarzt bzw. Kinderneurologen sein. Vom Ergebnis dieser Untersuchung hängen alle weiteren Entscheidungen ab. Die Diagnostik umfasst die Messung der Hirnstromkurven (Elektroenzephalographie =EEG, Abb. 1 und 2), eine Blutuntersuchung und zum Ausschluss einer anderen Ursache oftmals noch ein Elektrokardiogramm (EKG). Je nach Befund können weitere Untersuchungen wie eine Kernspintomographie (MRT) und in Einzelfällen auch eine Lumbalpunktion zur Untersuchung des Hirnwassers erforderlich sein. ➔ 59 | ::Fachbeiträge Literatur 1.Forsgren L: Incidence and ­prevalence. In: Wallace SJ, Farrell K, eds. Epilepsy in children, 2nd edn. London: Arnold, 2004: 21–25 2.Patel N. et al. Febrile Seizures. BMJ 2015 Aug 18:351-360 3.Park JT et al. Common pediatric epilepsy syndromes. Pediatr Ann. 2015 Feb;44(2):e30-5 4.Mizrahi E, Watanabe K. Symptomatic neonatal seizures. In: Roger J, Bureau M, Dravet C, Genton P, Tassinari CA, Wolf P, editors. Epileptic syndromes in infancy, childhood and adolescence. 5. London: John Libbey & Co Ltd; 2012. pp. 15–31. 5.Singer H, Mink J, Gilbert D, ­Jankovic J. Transient and ­Developmental Movement ­Disorders in Children. Movement Disorders in Childhood 2. Elsevier; 2016 pp 69-77. 6.Dunn DW, Kronenberger WG: Childhood epilepsy, attention problems, and ADHD: review and practical considerations. Semin Pediatr Neurol 2005; 12: 222–8. Wichtig ist, dass ein normales EEG eine Epilepsie nicht sicher ausschließt. Bei einigen Kindern sind wiederholte EEG-Ableitungen oder sogar spezielle EEG-Untersuchungen wie ein Schlaf-EEG oder ein Langzeit-EEG erforderlich. Therapie Die primäre Therapie einer Epilepsie erfolgt medikamentös. Die Wahl des Antiepileptikums richtet sich vor allem nach dem vorliegenden Epilepsiesyndrom. Je genauer die Epilepsie des Kindes einem speziellen Epilepsiesyndrom zuzuordnen ist, desto gezielter kann die Behandlung erfolgen. Bei optimaler Therapie werden mehr als 70 % der Kinder dauerhaft anfallsfrei. Sofern medikamentös keine Anfallsfreiheit erreicht wird, muß evaluiert werden, ob das Kind für einen epilepsiechirurgischen Eingriff in Frage kommt. Dies kommt nur bei einer fokalen Epilepsie in Frage, d. h. einer Epilepsie, die ihren Ursprung in einer ganz umschriebenen Hirnregion nimmt. Eine andere Behandlungsmöglichkeit besteht in einer speziellen Diät (ketogene Diät), bei der die Patienten eine kohlenhydratarme, sehr fettreiche Nahrung zu sich nehmen. Da diese Diät große Einschränkungen in der Lebensqualität mit sich bringt, wird sie nur bei sehr schweren Epilepsieformen eingesetzt. In der Regel keine Anfallsfreiheit, aber eine deutliche Anfallsreduktion kann mit Hilfe eines elektrischen Stimulators erzielt werden, der wie ein Herzschrittmacher unter dem Schlüsselbein unter die Haut implantiert wird (Vagusnervstimulator = VNS). Durch regelmäßige Stimulation eines Hirnnerven, des Vagusnerven, können epileptische Anfälle unterdrückt werden. angeboten (siehe Abb. 3 und 4). Bei diesen werden neben Informationen zur Diagnose Epilepsie auch vorherrschende Einstellungen und Meinungen reflektiert und Strategien und Verhaltensweisen für den Alltag erarbeitet. Im Umfeld der Kinder wie Freundeskreis, aber auch Kindergarten und Schule herrscht häufig eine große Unsicherheit bezüglich der Diagnose und dem Umgang mit dem an einer Epilepsie erkrankten Kind. Dabei gilt zunächst zu vermitteln, daß es nicht die EINE Epilepsie gibt, sondern dass es sich um ein sehr heterogenes Krankheitsbild mit individuellen Verläufen und Umgebungsbedingungen handelt. Die Mehrzahl aller Kinder mit einer Epilepsie sind normal intelligent. Zum Teil aufgrund der Epilepsie, zum Teil auch aufgrund der Nebenwirkungen der Therapie können bei ihnen aber häufiger Teilleistungsstörungen oder Aufmerksamkeitsprobleme auftreten [6]. Sofern das Umfeld darauf vorbereitet ist, kann dies frühzeitig erkannt und das Kind durch entsprechende Maßnahmen unterstützt werden. Schulung Da die Diagnose einer Epilepsie ihres Kindes für die meisten Familien ein einschneidendes Ereignis darstellt, sollte wo immer möglich die Teilnahme an speziellen Schulungen angestrebt werden. In dem modularen Schulungsprogramm Epilepsie für Familien (FAMOSES) werden für betroffene Familien separate Eltern- und Kinderschulungen | 60 Dr. Cornelia Bußmann Praxis für Kinderneurologie ATOS Klinik Heidelberg [email protected] www.kinderneurologie-heidelberg.de ATOSnews PR-Beitrag CDS®-Serie von albrecht: Kleiner, leichter und flexibler bei Redression Deutlich kleiner als bisher sind die neuen Gelenke der dynamischen Redressionsschienen der CDS®-Serie von albrecht. Dank des überarbeiteten Designs mit verstellbaren Spangenelementen sinkt auch das Gewicht der Orthesen, und der Tragekomfort wird weiter verbessert. Unverändert bleiben dagegen die bewährten Stärken der CDS®-Reihe: der anpassbare Redressionsbereich sowie das Beibehalten der individuell einstellbaren Federkraft beim werkzeuglosen Einund Ausschalten der Schiene. Insbesondere ist auch ein optimaler Einsatz bei der Versorgung von Kindern gewährleistet. Bei den CDS®-Schienen von albrecht sorgt ein pa- N O T E S & tentierter Mechanismus dafür, dass die individuelle Einstellung der Federkraft erhalten bleibt, auch wenn der Patient die Schiene deaktiviert und ablegt. Nach dem erneuten Anlegen und Wiederanschalten entfaltet sie wieder die definierte Kraft. Die Wirkung der dynamischen Redression mit CDS®-Orthesen wurde kürzlich auch in einer kontrollierten, randomisierten klinischen Studie bestätigt. Bei Streckdefiziten am Knie wurde eine Patientengruppe mit und eine ohne CDS®-Schienen behandelt. Die Gruppe mit den Orthesen erzielte eine signifikant stärkere Reduktion des Streckdefizits als die Kontrollgruppe. Abb.1: Dynamische Redressionsschiene aus der CDS®-Serie von albrecht Die dynamische Redression hilft Patienten mit weichteilbedingten Bewegungseinschränkungen, wie sie nach einem Trauma oder operativem Eingriff vorkommen. Sie dehnt Muskeln, Sehnen und Bänder durch die Einwirkung einer kontrollierten dynamischen Federkraft (Controlled Dynamic Stretch, CDS®). Der kontinuierliche Dehnungsreiz auf das verkürzte Gewebe trägt dazu bei, den Bewegungsumfang wieder zu erweitern, gleichzeitig lässt die Schiene die natürliche Bewegung zu. Dehnung und zyklische Gewebebelastung, etwa beim Gehen, regen Stoffwechsel und Durchblutung im kontrakten Gewebe an. Die albrecht GmbH entwickelt und produziert Medizinprodukte für Orthopädie, Neurologie und Verbrennungsmedizin. Das mittelständische Familienunternehmen mit Sitz im bayerischen Stephanskirchen feierte 2015 sein zwanzigjähriges Bestehen. N E W S :: Dr. Tauber zum Associate Professor der Paracelsus Universität Salzburg ernannt Am 1. Dezember 2015 wurde dem Ärztlichen Direktor der ATOS Klinik München, Privatdozent Dr. med. Mark Tauber, von der Paracelsus Medizinischen Universität (PMU) Salzburg der Titel des Associate Professors verliehen. Die erste private Medizinuniversität in Österreich, welche zwischenzeitlich auch einen Standort in Nürnberg betreibt, würdigt damit die Leistungen in Wissenschaft und Lehre, die von Dr. Tauber in den letzten Jahren erbracht wurden. Seine rege Publikationstätigkeit sowie Einladungen zu diversen nationalen und internationalen Fachtagungen auf seinem Spezial­ gebiet der Schulterchirurgie sind Ausdruck dieses wissenschaftlichen Engagements. (v.l.n.r.) Prof. Pirich, Dekan für Studium und Lehre der PMU Salzburg, Dr. Tauber, Associate Professor, Dr. Alexander Auffarth, Leitender O ­ berarzt der Universitätsklinik für Unfallchirurgie Salzburg. 61 | ::Fachbeiträge Diagnose, Therapie und Prävention von Pilzerkrankungen am Beispiel Onychomykose – mit Disziplin und Geduld zum Erfolg Von Claudia Jäger Keywords: Mykosen, Nagelpilz, Laser Mykosen sind durch Dermatophyten, Hefen oder Schimmelpilze verursachte Infektionskrankheiten, die sowohl durch eine primäre Infektion mit direktem Erregerkontakt als auch durch Sekundärinfektionen oder als Folge einer Antibiotikatherapie auftreten können. Fast jeder Dritte ist in Deutschland davon betroffen. Während systemische Mykosen sehr selten sind und v.a. bei Immunsupprimierten schwerwiegende Erkrankungen der inneren Organe verursachen, betreffen oberflächliche Mykosen Schleimhäute, Haut oder Nägel. Prädispositionen sind: -- Alter -- Erbliche Prädisposition -- Immundefekte -- Adipositas -- Diabetes mellitus -- Feuchtes Klima und starkes Schwitzen -- Immunschwäche -- Rauchen -- Durchblutungsstörungen -- Psoriasis -- Vorgeschädigte Nägel -- Mangelernährung Eine besonders häufige Form der Pilzerkrankung ist die Onychomykose (Nagelpilz). Sie gilt als eine der am schwierigsten zu behandelnden Pilzinfektionen. Betroffen sind 1418 % der Bevölkerung, bei den über 70-Jährigen ist sogar jeder Zweite infiziert. Zunächst | 62 ist die Onychomykose vor allem ein optisches Problem, der Leidensdruck ist hoch. Bleibt die Erkrankung unbehandelt, droht eine Ausbreitung der Infektion auf weitere Nägel, auf die Haut von Händen und Füßen oder auch auf das übrige Integument. Die Betroffenen sind eine dauerhafte Ansteckungsquelle sowohl für sich selbst als auch für andere. Eine individuelle, konsequente und langwierige Therapie ist daher zu empfehlen und verspricht gute Heilungschancen. Onychomykose – Nagelpilz Die Onychomykose macht rund ein Viertel aller Nagelerkrankungen aus; nur ca. 50 % der optisch als Onychomykose eingestuften Nagelveränderungen sind tatsächlich eine Nagelpilzerkrankung. Dabei handelt es sich um eine chronische Pilzinfektion der Fuß- oder Fingernägel, die langfristig die Nagelplatte zerstört und vorwiegend an vorgeschädigten Nägeln auftritt. Ursachen für diese Basisschäden sind Traumata, Durchblutungsstörungen, neurogene Störungen oder eine Onychodystrophie. Unterschieden werden die distale subunguale Onychomykose, die deutlich seltener vorkommende proximale subunguale Onychomykose sowie die ebenfalls seltenere weiße oberflächliche Onychomykose. Maximalund Endform ist jeweils die totale dystrophische Onychomykose, die oft einzelne Nägel ausspart. Unbehandelt schreitet die Onychomykose fort. Auch wenn das Risiko für systemische Krankheiten zu vernachlässigen ist: Die Onychomykose kann Eintrittspforte für gravierende bakterielle Erkrankungen wie ein Erysipel (Wundrose) sein. Der Nagel und seine Funktion Der Nagel besteht aus totem Gewebe ohne Zugriff auf das Immunsystem. Der sichtbare Teil ist die bis zu 0,75 mm starke Nagelplatte, die auf dem Nagelbett aufliegt. Sie besteht aus 100 bis 150 Hornzellschichten, die an der Nagelwurzel gebildet werden. Sie wird auch als Nagelmatrix bzw. Wachstumszone benannt, ihr sichtbarer Teil ist als Lunula bzw. „weißer Nagel- ATOSnews Ursachen der Onychomykose Auslöser einer Onychomykose sind folgende Erreger: -- Dermatophyten (Faden- oder Hautpilze) als mit Abstand häufigster Erreger. Dabei kommt Trichophyton rubrum mit 84 % weitaus häufiger vor als Trichophyton mentagrophytes -- Candida albicans (Hefepilz) -- Mischinfektionen aus Mykosen und Bakterien -- Sehr selten: andere Erreger, wie Scopulariopsis brevicaulis (Schimmel­ pilze), ­kommen gehäuft bei schweren Basis­schäden vor. Wer ist besonders gefährdet? Mit Pilzen und ihren Sporen kommt jeder täglich in Kontakt. Sei es in Hotels, im Fitnessstudio, beim Schuhkauf oder über bereits betroffene Nägel. Sie sind innerhalb eines enorm breiten Temperaturspektrums von –20 bis +80 °C lebensfähig. Optimal © Quelle: Taurus Pharma GmbH mond“ zu sehen. Seitlich werden die Nägel vom Nagel­wall umgeben. für eine virulente Form der Erreger ist eine feuchte „Kälte“ von 25-28 °C. Daher sind bevorzugt Menschen mit Durchblutungsstörungen an den Füßen wie Diabetiker oder Raucher betroffen. Aber auch eine familiäre Veranlagung oder eine Abwehrschwäche des Körpers können die Manifestation einer Onychomykose begünstigen. Das Risiko einer Nagelpilzinfektion steigt auch mit zunehmendem Alter in Abhängigkeit von der nachlassenden Wachstumsgeschwindigkeit der Nägel. Besonders betroffen sind Menschen über 70 Jahre: In dieser Altersgruppe ist jeder Zweite betroffen. Zwar leiden Kinder und junge Menschen seltener unter Nagelpilz, die Tendenz ist jedoch steigend. Ursache ist das veränderte Freizeitverhalten und der zunehmende Wellness- und Fitnesskult. Damit verbunden sind häufige Besuche öffentlicher Einrichtungen in einer Kombination mit feuchtem Klima in engen Schuhen. Ein weiterer Faktor, der die Ausbreitung von Fußpilz begünstigt, ist die mechanische Belastung von Füßen und Nägeln bei Sport und Spiel. Sie kann zu Mikroverletzungen und damit zu Eintrittspforten für Pilzsporen führen. Betroffene Nägel sind daher eine ernst zu nehmender Infektionsherd. Ein Betroffener ist eine Ansteckungsquelle sowohl für sich als auch für andere. Symptome und Diagnostik Die Infektion beginnt bevorzugt an der vorderen Nagelwand und breitet sich in Richtung Nagelwurzel aus. Symptome sind Verfärbungen, Verdickungen und brüchige Nägel. Fußnägel sind 4–7 mal häufiger betroffen als Fingernägel, befallen sind anfangs meist die Großzehe bzw. die fünfte Zehe. Die distale subunguale Onychomykose bildet im Anfangsstadium weißlich-gelbe krümelige Massen unter den vorderen Nagelecken. Sie breiten sich entlang der Nagelränder bis zur vollständigen Durchdringung des Nagels aus. Dieses Hornmaterial verfärbt sich durch die Besiedelung mit Bakterien und Schimmelpilzen dunkel. Haben die Pilze die Nagelmatrix erreicht, verstärken sich Wuchsstörungen in Form von Verdickung und einer unebenen Oberfläche. Während die proximale subunguale Onychomykose als weißlichgelbe Verfärbung am proximalen Nagelfalz beginnt und verbunden mit Wuchsstörun- ➔ 63 | ::Fachbeiträge gen des Nagels fortschreitet, fällt die seltene „weiße“ oberflächliche Onychomykose durch scharf begrenzte weiße, raue Flecken der dorsalen Nagelplatte auf. Eine Onychomykose wird weitaus häufiger diagnostiziert als sie tatsächlich vorkommt. Man geht davon aus, dass rund 50 % aller verdächtigen Nagelveränderungen tatsächlich eine Onychomykose zur Ursache haben. Mögliche Differentialdiagnosen sind: -- Ekzemnagel -- Nageldystrophie (Wachstumsstörung) -- Psoriasisnägel -- Lichen planus des Nagels Vorgeschädigte Nägel neigen zu zusätzlichem Nagelpilzbefall. Hilfreich ist daher neben der Blickdiagnose die Untersuchung der speziellen Beschaffenheit der subungualen keratotischen Massen. Als Basis jeder Diagnostik und damit als Voraussetzung für eine effektive Therapie ist der exakte mikrobiologische Erregernachweis notwendig. Die Materialentnahme muss exakt am aktiven Rand der Mykose erfolgen. Für den Patienten ist die Entnahme in der Regel schmerzfrei. Das Kulturergebnis liegt nach ca. 4 Wochen vor und entscheidet über die individuelle, gezielte Therapie. Prävention von Haut- und Nagelpilzen Die Erreger einer Onychomykose sind Pilzsporen, die selbst bei ungünstigsten Bedingungen und extremen Temperaturen lebensfähig sind. Bereits kleinste Verletzungen von Haut und Nägel genügen als Eintrittspforte. Mehrere Faktoren wie feucht-warmes Klima in engen Schuhen oder Durchblutungsstörungen an den Füßen begünstigen daher die Entstehung von Nagelpilzen. Eine effektive Prävention entspricht daher im Wesentlichen den Maßnahmen, die auch für eine effektive Fußpilz-Therapie essentiell sind: -- Füße stets trocken und warm halten. -- In öffentlichen Einrichtungen, Duschkabinen oder auf Teppichböden nie barfuß gehen | 64 -- Passendes, atmungsaktives Schuhwerk tragen -- Auf häusliche Hygiene achten. Therapie Die Onychomykose zeigt keinerlei Selbstheilungstendenz, da sie dem körpereigenem Immunsystem nicht zugänglich ist. Eine effektive Behandlung ist zeitaufwändig und kostenintensiv. Sie erfordert Disziplin und erstreckt sich in der Regel über eine Dauer von 9 bis 12 Monaten bei Fußnägeln und über 6 Monaten bei Fingernägeln. Liegt keine Nagelwachstumsstörung vor, ist von einer Heilungsrate von über 90 % auszugehen. Die Dauer der Therapie ist abhängig von der Wachstumsgeschwindigkeit des Nagels. Aus Faustregel gilt: Ein gesunder Daumennagel wächst im Durchschnitt 0,5 bis 1 mm/Monat, Fußnägel nur etwa halb so schnell. Durch Einnahme von Vitamin H (Biotin) kann das Nagelwachstum unterstützt werden. Die Therapie basiert auf 5 Stufen, ist multimodal und abhängig vom Verlauf der Erkrankung: -- Entfernen der infizierten Nagelmasse -- Topische, lokale Behandlung -- Systemische Therapie -- Häusliche Hygiene -- Laserbehandlung. Essentiell für den Erfolg jeder Therapie sind folgende Begleitmaßnahmen: -- Abtragen des infizierten Materials ­( Erregerreservoir) mit Fräse, Laser bzw. stark harnstoffhaltigen Externa (40 %) -- Socken und Handtücher immer bei ­mindestens 60° waschen -- Eigenes Handtuch sowie eigene Instrumente zur Fuß- und Nagelpflege für jede Person im Haushalt -- Regelmäßige Schuhdesinfektion (2–3mal/Woche) -- Füße trocken und warm halten -- Partner bzw. Familienangehörige ebenfalls untersuchen und bei entsprechender Indikation mitbehandeln lassen. Abb. 1: Onychomykose mit Befall der seitlichen Nagelränder Abb. 2: Onychomykose mit über 50 % Befall Abb. 3: Befall der gesamten Nagelplatte ATOSnews Abb. 4: Onychomykose unter Aussparung einzelner Zehen Je nach Stadium und Verlauf der Infektion wird ein individueller Therapieplan erstellt. Sind ein Drittel bis zu maximal der Hälfte der vorderen Nagelplatte und nur einzelne Nägel betroffen, spricht man von einer distalen subungualen Onychomykose. Hier sowie bei der weißen oberflächlichen Onychomykose verspricht die topische Basisbehandlung gute Erfolgschancen. Zwei Alternativen stehen zur Verfügung: Auftragen eines anti-mykotischen Nagellacks entweder täglich (Wirkstoff Ciclopiroxolamin) oder 1-2 mal wöchentlich (Wirkstoff Amorolfin). Ciclopiroxolamin ist darüber hinaus fungizid, sporozid und antibakteriell. Zusätzlich Laserung des betroffenen Nagels zur Schädigung des Erregers ohne Schädigung der Nagelmatrix. Von einem fortgeschrittenen Verlauf spricht man, sobald ein Nagel zu mehr als 50 % oder mehr als drei Nägel gleichzeitig betroffen sind. Dann wird eine zusätzliche systemische Therapie mit modernen Antimykotika angeraten. Sie galt aufgrund von Komplikationen wie Leberschäden lange Zeit als problematisch. Heute stehen mo- Abb. 5: Onychomykose der Fingernägel derne Therapieschemata zur Verfügung, die trotz niedrigerer Wirkstoffmenge ein breites Wirkungsspektrum bieten. Sie gelten als gut verträglich und zeigen ein geringes Interaktionspotential mit anderen Medikamenten. Zum Einsatz kommen die Wirkstoffe Fluconazol, Terbinafin, Itraconazol. Systemische Antimykotika müssen nach einer kurzen täglichen Anflutphase bis zum Erreichen des Therapieziels, dem optisch gesund nachgewachsenen Nagel, nur noch 1-2x pro Woche eingenommen werden. Die Rezidivquote ist abhängig von der Ausprägung der Basisschäden. Für eine erfolgreiche Therapie ist bei der fortgeschrittenen Onychomykose die Kombination von Basis- und systemischer Therapie wichtig. Sie verspricht eine Heilungsquote von insgesamt 80-90 %. Grundsätzlich ist die Heilungsrate bei Fingernägeln stets besser als bei Zehennägeln. Weiterführende Informationen und Quellen: -- Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft und der deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft -- Die Onychomykose und ihre Erreger – Hans-Jürgen Tietz in „Der Deutsche ­Dermatologe“ 4/2012 -- Nagelpilz ist ansteckend, Hautpilz auch. Patientenratgeber Taurus Pharma GmbH, Bad Homburg. Dr. Claudia Jäger Fachärztin für Dermatologie und Venerologie,Phlebologie, Allergologie, Proktologie Tätigkeitsschwerpunkt Ästhetische Medizin und Dermatologie ATOS Klinik Heidelberg [email protected] www.atos-dematologie.de 65 | ::Prävention Die Früherkennung von Darmkrebs Höchst erfolgreich, aber zu selten in Anspruch genommen Von Martin A. Thome Grundsätzlich gilt: Je früher der Krebs entdeckt wird (UICC-Stadien I und II), desto besser sind die Heilungschancen (85–95 %). Unbehandelt führt Darmkrebs hingegen in den meisten Fällen innerhalb weniger Jahre zum Tod. Einem Tumor im Darm kann man in der Regel nicht spüren. Symptome wie Blut im Stuhl, länger anhaltender Durchfall oder chronische Verstopfung treten meist erst spät auf. Bei derartigen Beschwerden untersuchen wir die Darmschleimhaut mit einer Darmspiegelung auf Veränderungen und entnehmen gegebenenfalls Gewebeproben zur mikroskopischen Untersuchung im Speziallabor. Nur so kann zwischen gutartigen und bösartigen Veränderungen unterschieden und Darmkrebs sicher diagnostiziert werden. Darmkrebs geht meist aus zunächst gutartigen Vorstufen hervor. Diese sind bei einer Darmspiegelung als kleine Wucherungen der Darmschleimhaut, sogenannten Polypen sichtbar. Die meisten dieser gutartigen Geschwulste sind Adenome. Einige von ihnen können sich über einen längeren Zeitraum von 10 bis 15 Jahren zum Karzinom ent­ wickeln (Adenom-Karzinom-Sequenz). | 66 Risikofaktoren für kolorektale Karzinome Früherkennung und Vorsorge Am stärksten erhöhen Rauchen und Übergewicht das Darmkrebsrisiko. Es folgen Bewegungsmangel und ballaststoffarme Ernährung. Auch regelmäßiger Konsum von Alkohol oder rotem Fleisch erhöht das Darmkrebsrisiko. Direkte Verwandte von Darmkrebspatienten sind besonders gefährdet, ebenfalls an Darmkrebs zu erkranken. Auch chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn können das Risiko erhöhen. Gesetzlich Krankenversicherte zwischen 50 und 55 Jahren können jährlich einen Test auf okkultes Blut im Stuhl durchführen lassen (z. B. Hämoccult® oder hemoFEC®). Moderne und effektivere immunologische Stuhlbluttests werden die älteren, guajakbasierten Tests (FOBT) voraussichtlich bald ablösen. Die zuverlässigste Früherkennungsmethode (Goldstandard), mit der man bereits die gutartigen Vorstufen erkennen und entfernen kann, Die Früherkennung von Darmkrebs – eine viel zu selten wahrgenommene Chance. Quellennachweis: Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ) und Stiftung LebensBlicke Ludwigshafen. Keywords: Darmkrebs, kolorektale Karzinome, Koloskopie, Früherkennung In Deutschland ist Darmkrebs die dritthäufigste Krebserkrankung nach Brust- und Prostatakrebs. Jährlich erkranken ca. 63.000 Menschen erstmals an Darmkrebs, ca. 26.000 Menschen versterben an dessen Folgen (RobertKoch-Institut 2015). Damit ist Darmkrebs die zweithäufigste Krebstodesursache in Deutschland. Mehr als 90 % aller Erstdiagnosen von Darmkrebs werden nach dem 55. Lebensjahr gestellt. Die Zahl der Darmkrebsfälle hat in den letzten Jahren zugenommen. Dennoch wird der Goldstandard der Früherkennung, die Koloskopie, noch viel zu selten in Anspruch genommen. ATOSnews ist nach einheitlicher Expertenmeinung derzeit die Darmspiegelung. Sie steht in Deutschland seit 2002 allen Versicherten ab dem Alter von 55 Jahren zur Verfügung mit Wiederholung nach 10 Jahren bei unauffälligem Erstbefund. Studien zufolge ist die Methode mit einer sehr geringen Komplikationsrate von 0,01 % bis 0,6 % (Blutung, Perforation) behaftet und kann daher als sehr sicher angesehen werden. Langzeituntersuchungen haben gezeigt, dass bisher ca. 300.000 Adenome entfernt und ca. 43.000 Karzinome in frühen Stadien entdeckt werden konnten. Modellrechnungen des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg (DKFZ) ergeben, dass damit über 100.000 Karzinome verhindert beziehungsweise geheilt werden konnten. Leider wird die Vorsorge-Darmspiegelung aber immer noch viel zu selten in Anspruch genommen. Im Zeitraum von 2002–2012 haben laut Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung weniger als 20 % der Vorsorgeberechtigten einen Termin zur Darmspiegelung wahrgenommen. GEKKO-Studie gemeinsam mit dem DKFZ Auch um diesem Trend Einhalt zu gebieten, beteiligt sich das Phlebologisch-Proktochirurgische Centrum (PPC) in der ATOS-Klinik Heidelberg an der Studie zur Darmkrebsfrüherkennung und Vorsorge „Gebt dem Krebs keine Chance-Onkocheck (GEKKO)“ des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) und dem Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ) unter Leitung von Prof. Dr. Hermann Brenner (s. rechts). Ablauf der Koloskopie Wichtig für ein zuverlässiges Ergebnis der Darmspiegelung ist die vorherige sorgfältige Darmreinigung mit einer Trinkspül­lösung durch den Patienten. Hierauf geht der behandelnde Arzt im Rahmen des ausführlichen Aufklärungsgespräches im Vorfeld der Untersuchung nochmals ein. Am Untersuchungstag führen die Patienten dann noch ein Gespräch mit unserem Facharzt für Anästhesie, ehe sie für die Zeit der völlig schmerzlosen Darmspiegelung (ca. 30 Minuten) in eine Kurznarkose versetzt werden. Anschließend ruhen sich die Patienten noch 30–60 Minuten im Aufwachraum aus. Zum Abschluss klärt der behandelnde Arzt die Patienten in einem ausführlichen Gespräch über die Untersuchungsbefunde auf und händigt ihnen einen detaillierten Arztbrief auf Wunsch auch für den Hausarzt aus, ehe die Patienten die Praxis mit einer Begleitperson verlassen können. Am Tag nach der Darmspiegelung können sie ihrem Alltag wieder wie gewohnt nachgehen und natürlich auch arbeiten. Dr. Martin A. Thome Phlebologisch-Proktochirurgisches Centrum (PPC) ATOS-Klinik Heidelberg [email protected] 67 | :: Prävention SCHORNSTEINFEGER BRINGEN GLÜCK, ODER: WARUM PRÄVENTION SO WICHTIG IST DR. MED. FRANK HECKMANN, FACHARZT FÜR INNERE MEDIZIN, ANGIOLOGIE UND PHLEBOLOGIE Als Kind habe ich oft beobachtet, wie mein Vater sich beim Schornsteinfeger beklagte, dass er schon wieder komme, wo er doch gerade da war. Dieser entgegnete aber immer wieder, dass es wohl gesetzlich so vorgeschrieben sei, in Abständen die Feuerstellen zu besichtigen und nach dem Rechten zu schauen. Dann habe ich gehört „Schornsteinfeger bringen Glück“ und mich gefragt, warum das so ist. Sie bringen tatsächlich Glück, indem sie Hausbrände oder Kohlenmonoxidvergiftungen verhindern, also durch Überprüfung des Zustands der Feuerstellen tatsächlich Schlimmeres verhindern oder dem zuvorkommen. Prävention kommt aus dem Lateinischen und heißt zuvorkommen oder eben verhindern. Wir leben in einem Land der Versicherungen. Wir sind es gewohnt, uns für den Notfall abzusichern und damit vorzusorgen. In unserem Land haben zwar fast alle eine Krankenversicherung, und Medizin ist somit für viele nahezu kostenlos, aber unter den Folgen von chronischen Krankheiten müssen viele Menschen dennoch leiden. Deswegen gibt es das Konzept der Vorsorge und der Prävention. Diese Begriffe, häufig synonym gebraucht, sind eigentlich zwei Teile eines Ganzen: Vorsorge bedeutet Früherkennung von Krankheiten, damit sie rechtzeitig behandelt werden und nicht zu weiteren schweren Erkrankungen führen. Prävention im weiteren Sinne setzt bei der Eigenverantwortung an, denn sie bedeutet auch eine Veränderung des Lebensstils: ein gesundes Leben zu führen, damit erst gar keine Krankheiten eintreten und es somit in der Folge auch nicht zu Notfällen kommt. Bei diesem Denkansatz gehen wir davon aus, dass Krankheiten eigenbestimmt sind; das heißt, dass wir viel tun können, um Krankheiten zu verhindern. Andere Gesellschaften auf der Welt haben die Auffassung, dass Krankheiten schicksalshaft, sozusagen von außen gesandt sind. Wahrscheinlich ist beides richtig, dennoch kann man aufgrund der Erkenntnisse der Medizin vieles vorhersehen, vorhersagen und rechtzeitig die Gefahren beseitigen. ANMELDUNG & INFORMATION: ATOS Klinik Heidelberg Zentrum für Gefäßerkrankungen und Präventivmedizin Telefon 06221 / 983 – 225 [email protected] Weitere Informationen und unsere Broschüre zum Download finden Sie unter www.atos.de/checkup | 68 Zur Vorsorgeuntersuchung zu gehen, wird von vielen als notwendiges Übel angesehen, aber sehen Sie es bitte einmal anders: Es ist die Möglichkeit, mehr über den eigenen Körper zu erfahren. Prävention ist eine Lebenseinstellung und ein Lebensstil, der viel Freude bringen kann, der uns zu einem aktiven, selbstbestimmten Leben einlädt. Sie haben es wirklich in der Hand, wie Sie mit Ihrem Körper umgehen und wie viel Freude Sie durch ein gesundes Leben verspüren können. Uns als ATOS-Check-Up-Team ist es daran gelegen, Risiken für mögliche Erkrankungen bei Ihnen rechtzeitig zu erkennen, damit Ihre Lebensfreude bis ins hohe Alter erhalten bleibt. WIE LÄUFT DAS CHECK-UP-PROGRAMM ORGANISATORISCH AB? Wenn Sie sich entscheiden, das Check-Up-Programm der ATOS zu durchlaufen, vereinbaren Sie beim Check-Up-Team einen individuellen Termin für eine Blutabnahme und ein Vorgespräch, in dem wir gemeinsam beraten, wie Ihr Check-Up aussehen soll. Sie können die einzelnen Bausteine (siehe Grafik rechts) individuell zusammenstellen. Wir koordinieren die Termine für Sie. Die Untersuchungen werden dann durch unsere Spezialisten durchgeführt. Für den BasisCheck sollten Sie zwei Stunden einplanen, für das vollständige Check-UpProgramm je nach Auswahl ein bis drei Tage, die Sie ambulant in unserer Klinik verbringen. DAS CHECK-UPPROGRAMM DER ATOS Wenn Sie sich dazu entschließen, mehr für Ihre gesundheitliche Vorsorge zu tun, dann stellt sich die Frage – welche Untersuchungen sind sinnvoll? Und zu welchem Arzt gehen Sie am besten? Das ATOS-Präventionsprogramm haben wir genau deshalb ins Leben gerufen. Wir möchten unseren Patienten die Möglichkeit bieten, koordiniert, wenn möglich sogar an einem Tag, ein individuell zusammengestelltes Check-UpProgramm zu durchlaufen. Durch ein modulares System kann der ATOS Check-Up genau auf Ihre Bedürfnisse und Gesundheitsrisiken abgestimmt werden. Er bietet die Fachkompetenz unserer Spezialisten in ihrer gesamten medizinischen Breite. Daran beteiligt sind mehr als ein Dutzend Praxen der ATOS Klinik und einige externe Praxen. In einer ersten Voruntersuchung nehmen wir Ihnen Blut ab und führen PsyChologisChe gesPräChe Foto: Johannes Vogt ATOSnews DAS CHECKUP-TEAM DER ATOS KLINIK HEIDELBERG mit Ihnen ein Gespräch, in dem wir Sie anhand Ihrer individuellen gesundheitlichen Situation beraten, welche Präventions-Untersuchungen sinnvoll sind. Danach koordinieren wir die Termine für Sie, damit Ihr Check-Up, wenn von den Untersuchungen her möglich, an einem Tag stattfinden kann. Wir bieten Ihnen unterschiedliche Möglichkeiten, wie Sie Ihren Check-Up zusammenstellen können. Der Basis-Check umfasst eine generelle Vorsorge; die weiteren Bausteine ergänzen Ihr Check-Up-Programm individuell (siehe Grafik). eXtras thromBose- und thromBoPhiliediagnostik Die Kosten für das ATOS Check-Up-Programm werden in der Regel von den Privatversicherern übernommen. Extras wie Leistungsdiagnostik oder Ernährungsberatung runden das Programm ab. strahlenFreie mrtdiagnostik: herz, ganzkörPer, mamma, Prostata, tumorFrüherkennung diaBetes- und adiPositasuntersuChung augenuntersuChung ausFührliChes med. gesPräCh inkl. imPFBeratung rheumaCheCk ultrasChalluntersuChungen indiViduell gestaltete Bewegungsanalyse Alle Leistungen können Sie gebündelt oder unabhängig voneinander in Anspruch nehmen. Das gesamte ATOS-Präventionsprogramm wird durch die jeweiligen Fachärzte begleitet. hnountersuChung komPlette körPerliChe untersuChung (Halsgefäße, Beinvenen und -arterien, Bauchorgane) hautsCreening allergieCheCk leistungsdiagnostik ausgedehnte laBoruntersuChung sChilddrüsendiagnostik ernährungsBeratung Personal CoaChing orthoPädisChe VorsorgeuntersuChung kardiologisCher CheCk: eCho, ekg und Belastungsergometrie 5-sternehotellerie urologisChe und gynäkologisChe untersuChung Das ATOS Check-Up-Programm ist in Modulen aufgebaut, die frei kombiniert werden können. lungenFunktionsCheCk Basis-CheCk Parkinsonund alzheimerFrüherkennung, neurologisCher CheCk erw magen-darmsPiegelung, enddarmerkrankungen langzeit-ekg, 24h-BlutdruCkmessung, sChlaFaPnoesCreening eiterter CheCk 69 | :: Prävention UNSER ATOS PRÄVENTIONS-TEAM Basis-Check Zentrum für Gefäßerkrankungen und Präventivmedizin Dr. med. Frank Heckmann Dr. med. Wanda Kloos Dr. med. Uwe Zwettler Dr. med. Ralph Baader ·Ausführliches med. Gespräch inkl. Impfberatung ·Komplette körperliche Untersuchung ·Laboruntersuchung ·Lungenfunktionstest ·Kardiologischer Check ·Schilddrüsendiagnostik ·Ultraschalluntersuchung ·Langzeit-EKG (erweiterter Check) ·24h-Blutdruckmessung (erweiterter Check) ·Schlafapnoe-Screening (erweiterter Check) Erweiterter Check Zentrum für Radiologie Praxis für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Praxis für Dermatologie Dr. med. Wolfgang Lederer, Dr. med. Stefan Schneider, Dr. med. Wolfgang Wrazidlo Prof. Dr. med. Markus Fischer Dr. med. Claudia Jäger ·HNO-Untersuchung ·Hautscreening Phlebologisch-Proktochirurgisches Centrum Praxis für Neurologie und Psychiatrie Praxis für Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. med. Martin A. Thome, Dr. med. Jens M. Hecker, Dr. med. Peter G. Friedl Stella Covtun, Dr. med. Kathrin Elze Dr. med. Andreas Klonz Dr. med. Guido Volk ·Parkinson- und Alzheimer-Früherkennung ·Neurologischer Check ·Orthopädische Vorsorgeuntersuchung ·Strahlenfreie MRT-Diagnostik ·Magen- und Darmspiegelungen/ Enddarmerkrankungen | 70 ATOSnews Erweiterter Check Zentrum für Rheumatologie Dr. med. Ines Dornacher, Dr. med. Verena Schmitt ·Rheumacheck Praxis für Diabetologie, Endokrinologie, Angiologie Praxis für Atemwegserkrankungen und Allergien Prof. Dr. med. Christoph Hasslacher ·Allergiecheck Dr. med. Verena Mandelbaum ·Diabetes-Check/Diabetes-Prävention ·Diabetes-typische Begleiterkrankungen In Zusammenarbeit mit unseren externen Kollegen Gynäkologische Gemeinschaftspraxis Urologische Privatpraxis Heidelberg Augenpraxisklinik Heidelberg Dr. med. Jutta Ertelt-Kircher Ingrid Schwaighofer-Bender Dr. med. Iris Mäder-Joepgen Dr. med. Thomas Dill Dr. med. Martin Löhr PD Dr. med. Robert Degenring Dr. med. Axel Gleibs ·Urologischer Check ·Augenärztlicher Check ·Gynäkologischer Check Ihre Anmeldung nehmen Sie bitte über das Zentrum für Gefäßerkrankungen und Präventivmedizin vor. Telefon: 06221 / 983 - 225 E-Mail: [email protected] Physiotherapie REHA in der ATOS adViva ·Leistungsdiagnostik ·Individuell gestaltete Bewegungsanalyse 71 | ::Fachbeiträge Evaluation einer intensivierten Rehabilitation nach lumbalen Wirbelsäuleneingriffen Von Johannes Schröter, M. Lechterbeck, F. Hartmann und E. Gercek Keywords: lumbaler Wirbelsäuleneingriff, Rehabilitation Bislang gibt es keine einheitlichen Empfehlungen zur Rehabilitation von Patienten, bei denen eine Operation im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) durchgeführt wurde. Wenngleich sich die Operationsmethoden im Laufe der letzten Jahre deutlich verbessert haben und somit die Belastungsfähigkeit nach den Operationen erhöht ist, erfolgte bislang keine Anpassung der konservativen rehabilitativen Nachbehandlung. Ein früher Start einer intensivierten Rehabilitation nach der Akutbehandlungsphase wird von Operateuren oft noch skeptisch betrachtet. Um den Effekt einer strukturierten Rehabilitation nach Operationen im LWS-Bereich in der subakuten Behandlungsphase (beginnend in der 3. Wo. nach der Operation) zu untersuchen, erfolgte im Rahmen einer prospektiven Multicenter Studie die Evaluation des Effekts einer nach zwei Wochen postoperativ begonnenen Rehabilitation (ambulante Rehabilitation oder Anschlussheilbehandlung) auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität und die Beeinträchtigung durch Rückenschmerzen. Bislang gibt es nach Wirbelsäulenoperationen keine klare Handlungsempfehlung für die postoperative Rehabilitation und den Belastungsaufbau. Weder der Zeitpunkt des Beginns und die Dauer einer gezielten Rehabilitation, noch die Dauer einer postoperativen körperlichen Schonung oder die Möglichkeit einer direkten postoperativen Anschlussheilbehandlung nach Wirbelsäulenoperationen, ist festgelegt. Exakte Empfehlungen in der Literatur finden sich nicht. Bedingt durch die Optimierung der Operationstechniken mit Einführung von sofort belastungsstabilen Spondylodeseverfahren ergeben sich auch für die direkte postoperative Rehabilitation neue Möglichkeiten. Es erfolgte ein Zusammenschluss von sieben Wirbelsäulen-operierenden Kliniken, zwei stationären und drei ambulanten Rehabilitationszentren im Rhein-Main-Gebiet. | 72 Konsens war, dass die Intensität und die Form der angewandten Therapien in dieser Phase gesteigert werden muss. Im Rahmen einer prospektiven Multicenter Studie sollte daher evaluiert werden, wie der Effekt einer nach zwei Wochen postoperativ begonnenen Rehabilitation (ambulante Rehabilitation oder Anschlussheilbehandlung) auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität und Beeinträchtigung durch Rückenschmerzen bei diesen Patienten ist. Material und Methoden Aus der intensiven Diskussion der teilnehmenden Institutionen ergab sich die Erkenntnis, dass eine alleinige Einteilung der Patienten hinsichtlich der Ausgangsdiagnose bezüglich der zu wählenden postoperativen Belastungsfähigkeit nicht geeignet ist. Es wurde daher im Konsens vereinbart, dass ein Patient jeweils durch seinen Operateur in eine von drei unterschiedlichen Belastungsgruppen eingeteilt werden sollte: Gruppe A umfasst die Patienten mit einer gegebenen Primärstabilität ohne wesentliche Einschränkung hinsichtlich des postoperativen Belastungsaufbaus, Gruppe B umfasst Patienten mit geringen Einschränkungen und Gruppe C betrifft Patienten, welche eine geringere Primärstabilität aufweisen. Im Rahmen einer umfangreichen Diskussion über etablierte rehabilitative konservative Therapieverfahren [4] erfolgte eine Festlegung der zu wählenden Therapieformen im Bereich der Physiotherapie und physikalischen Therapie, aufgeteilt nach den Gruppen und nach dem Zeitpunkt in der sub­ akuten Behandlungsphase entsprechend der in A ­ bb. 1 angegebenen Inhalte. ➔ ATOSnews Abb. 1: Therapieformen aufgeteilt nach Gruppen und Behandlungsphase Abb. 2: Übungsbogen für die Patienten – Beispiel für Gruppe A 73 | ::Fachbeiträge Durch das Grafikprogramm Physiotools® wurden sowohl für die Therapeuten als auch für die Patienten Übungsbögen erstellt. Damit konnten die Übungen, welche mit den Patienten durchgeführt wurden, für Patient und Therapeut visualisiert werden, um somit eine möglichst hohe Koinzidenz der durchgeführten Übungen in allen vier Rehabilitationseinrichtungen zu gewährleisten (Abb. 2: Beispielbogen für Gruppe A). Die Untersuchung fand von April 2013 bis Dezember 2013 statt. Für diese Studie wurden 124 Patienten aus 7 Akutkliniken gewonnen, die sich einer Operation an der LWS unterziehen mussten und einer stationären oder intensivierten ambulanten Rehabilitation zugeführt wurden. Die Rehabilitanden waren durchschnittlich 61,5 Jahre alt. Die Verteilung nach Diagnosen war wie folgt: 32 Spondylodesen, 10 langstreckige Fusionen, 60 OPs nach Bandscheibenvorfällen sowie 22 andere Operationen (Abb. 3). Die Dauer der Anschlussheilbehandlung betrug im Mittel 20,5 Tage. Abb. 3: Verteilung der Diagnosen Messinstrumente Zur Evaluation wurden die etablierten Validierungsinstrumente Oswestry Disability Score (ODI), SF-12 und die Visuelle Analog Skala (VAS) sowohl zu Anfang der Rehabilitation als auch zum Ende der Rehabilitation erhoben. Ergebnisse Entsprechend der Auswertung getrennt nach Geschlechtern und Gruppen konnte kein geschlechtsspezifischer Unterschied detektiert werden. In allen Gruppen zeigte sich eine signifikante Verbesserung in den Messinstrumenten Oswestry Disability Score (ODI) und der Visuellen Analog Skala (VAS) (Abb.4 und 5). Der SF12 Fragebogen erwies sich als nicht statistisch signifikant, da er häufig nicht vollständig ausgefüllt wurde. Diskussion Die Evidenz postoperativer Physiotherapiekonzepte nach Spondylodesen und anderen | 74 Abb. 4: Ergebnisse der Visuellen Analog Skala (VAS) ATOSnews Literatur 1.Kulig K, Beneck GJ, Selkowitz DM et al. (2009) An intensive, progressive exercise program reduces disability and improves functional performance in ­patients after single-level lumbar microdiskectomy. Physical t­ herapy 89:1145-1157 2.McGregor AH, Probyn K, Cro S, Doré CJ, Burton AK, ­Balagué F, Pincus T, Fairbank J. ­Rehabilitation following ­surgery for ­lumbar spinal stenosis. Cochrane Database Syst Rev. 2013 Dec 9;12:CD009644. doi: 10.1002/14651858.CD009644. pub2. Review. Abb. 5: Ergebnisse des Oswestry Disability Score (ODI). Eingriffen im Bereich der Lenden­wirbel­säule ist sehr klein [1,4]. Nach Microdiskektomien und Dekompression von Spinalkanalstenosen scheint ein intensiviertes physiotherapeutisches Behandlungskonzept von Vorteil [2]. Da strukturierte Nachbehandlungskonzepte fehlen [5], war es primäres Ziel der vorliegenden Studie, eine neu strukturierte Rehabilitation nach Operationen an der Lendenwirbelsäule zu evaluieren. In der vorliegenden Studie wurden die untersuchten Patienten einer ambulanten oder stationären Rehabilitation im Rahmen einer Anschlussheilbehandlung, in der Regel ab der dritten postoperativen Woche, zugeführt. Ein so frühzeitiger Beginn der Rehabilitation ist in der Literatur kaum beschrieben. Die wenigen Publikationen, die sich mit dieser Thematik befassen, unterscheiden meist einen Beginn nach 6 Wochen und 12 ­Wochen nach lumbaler Fusion [4] und zeigen keinen Unterschied im Outcome. Es konnte durch die Studie belegt werden, dass eine intensivierte Rehabilitation in der Lage ist, die Funktionsfähigkeit im Alltag nach der subakuten Behandlungsphase zu erhöhen. Parallel war eine ebenfalls signifi- kante Verringerung des Schmerzes, gemessen mit der VAS, zu verzeichnen. Reoperationswürdige Komplikationen traten nicht auf. Fazit: Eine direkt an die Operation anschließende strukturierte Rehabilitation, welche vom Operateur diagnoseunabhängig auf die Belastungsfähigkeit des Patienten abgestimmt ist, führt zu einer deutlichen Verbesserung in den Parametern Schmerz und Lebensqualität, ohne dass wesentliche Komplikationen auftreten. Dr. Johannes Schröter MEDIAN Rehaklinik Aukammtal Wiesbaden 3.Oestergaard LG, Christensen FB, Nielsen CV et al. (2013) Early versus late initiation of rehabilitation after lumbar spinal fusion: economic evaluation alongside a randomized controlled trial. Spine 38:1979-1985 4.Rushton A, Eveleigh G, Petherick EJ et al. (2012) Physiotherapy rehabilitation following lumbar spinal fusion: a systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials. BMJ open 2 5.Rushton A, Heneghan N, Heap A et al. (2014) Survey of Current Physiotherapy Practice for Patients Undergoing Lumbar Spinal Fusion in the UK. Spine(Phila Pa 1976). 2014 Aug 14. [Epub ahead of print] [email protected] M. Lechterbeck, F. Hartmann, E. Gercek Zentrum für Unfallchirurgie und Orthopädie, Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein, Ev. Stift St. Martin, Koblenz 75 | Patienteninformationsabende 14.03.2016 um 19:00 Uhr „Minimal invasive Fußchirurgie“ Dr. med. Christian Kinast Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Sportorthopädie 18.04.2016 um 19:00 Uhr „Dupuytrensche Kontraktur – verschiedene Behandlungsmöglichkeiten: Operativ, nicht operativ“ Dr. med. Klaus-Dieter Werber Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie, Handchirurgie 09.05.2016 um 19:00 Uhr „Rückenbeschwerden – Muss das sein?“ Dr. med. Achim Garnjost und Herr Bernd Sigl 13.06.2016 um 19:00 Uhr „Wenn die Hüfte schmerzt – was hilft?“ Prof. Dr. med. Hans Gollwitzer Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin 18.07.2016 um 19:00 Uhr Moderne Diagnostik in der Allgemeinmedizin Dr. med. Gregor Blome Facharzt für Allgemeinmedizin Der Veranstaltungsort ist jeweils in der ATOS Klinik München, Effnerstraße 38, 1. OG, Patientenaufenthaltsraum. Die Teilnahme ist selbstverständlich kostenfrei. ATOSnews Die ATOS Physios und die starken Männer: Rugby und der Traum von Olympia Von Mandana Scharei und Björn Bürgler Die starken Männer – das sind die Akteure der beiden Rugby­ nationalmannschaften im 7er und 15er Rugby. Was vor k­ urzer Zeit noch Träumerei war, ist heute greif bare Realität: der Aufstieg der 7er in die World Series und die Olympiateilnahme ­sowie der Klassenerhalt der 15er in der ENC Division 1A. Fristete Rugby in der Vergangenheit in Deutschland eher einem Außenseiterdasein, bewegt sich seit letztem Jahr auch hierzulande einiges. Nach sehr guten Ergebnissen in der europäischen Grand Prix Series 2015 belegte die deutsche Nationalmannschaft im 7er Rugby hinter Frankreich, Spanien und England und den punktgleich viertplatzierten Russen den fünften Platz in Europa. Dieser fünfte Platz berechtigte das Team zur Teilnahme am europäischen Olympiaqualifikationsturnier, das mit einem guten zweiten Platz beendet wurde. Der Erste Russland, Deutschland und der drittplatzierte Irland kämpfen nun im Juni beim Weltqualifikationsturnier um das letzte Olympiaticket. Im 15er Rugby steht nach dem Aufstieg in die ENC Division 1A nun die schwierige Aufgabe des Klassenerhalts bevor. Ziel ist nach einer letztjährig verpassten Weltmeisterschaftsqualifikation die Teilnahme am Rugby World Cup 2019 in Japan. Professionelles Training in Heidelberg Dass sich das deutsche Rugby so schnell in Richtung professioneller Leistungssport entwickelt hat, liegt vor allem an den Rahmenbedingungen, die geschaffen wurden. Dank der Förderung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und des Premiumsponsors Capri-Sonne und können beide Mannschaften seit letztem Jahr professioneller und intensiver trainieren. In Heidelberg, der Rugbystadt Deutschlands, entsteht derzeit ein Trainingszentrum, um die optimale Förderung junger Talente voranzutreiben. Durch das finanzielle Engagement von Dr. HansPeter Wild können beide Mannschaften zudem wichtige Erfahrung in Trainingslagern, Turnieren und Länderspielen auch in anderen Kontinenten wie Australien, Südamerika und Südafrika sammeln. Während im 7er Rugby ein Teil der Spieler als Sportfördersoldaten angestellt ist und somit optimale Bedingungen herrschen, um den Trainingsaufwand zu meistern, muss die Mehrheit der 15er Spieler ihr Geld mit „normalen“ Jobs verdienen – anders als die Spieler aus Ländern wie z. B. Georgien, Russland, Spanien und Rumänien, die Gegner der 15er, von denen viele Spieler in der Top Liga in Frankreich als Profis angestellt sind. Arbeit und Leistungssport unter einen Hut zu bekommen stellt für unsere Athleten eine enorme Doppelbelastung dar. Um auf diesem hoch professionellen Niveau existieren zu können und sich Schritt für Schritt an die Weltspitze heranzuarbeiten, braucht es neben der Mannschaft auch ein gut funktionierendes Team aus Trainern, Physiothe- rapeuten, Ärzten, Fitness-Trainern und Betreuern. So spielt neben dem Einsatz der Sportler, der finanziellen Förderung und dem professionellen Trainer- und Betreuerstab die medizinische Versorgung eine entscheidende Rolle. Wir als Physiotherapeuten müssen die Körper unserer Athleten mit ihren Stärken und Defiziten gut kennen, um sie optimal in ihrer Vorbereitung und Regeneration zu unterstützen. Im Falle einer Verletzung muss in Zusammenarbeit mit den betreuenden Ärzten und Trainern eine auf die Anforderungen und Belastungen des Sports optimal abgestimmte Rehabilitation stattfinden, um den Athlet schnellst möglich wieder in den Sport zu bringen. Gleichzeitig darf die Gesundheit des Spielers nicht aus den Augen verloren werden. Harte Arbeit für die Physios selbst an „Traumzielen“ Während ein Aufenthalt in Fiji, Dubai oder Brasilien sich erstmal nach einem Urlaub anhört, ist das aber für alle Beteiligten – Sportler, Trainer, Physiotherapeuten und Betreuer – harte Arbeit. Tägliche Trainingseinheiten fordern körperlichen Tribut und hier sind vor allem wir als Physios gefragt, um die Muskeln wieder locker zu bekommen und kleinere Verletzungen schnell zu regenerieren. ➔ 77 | An einem typischen Wettkampftag sind die Physiotherapeuten mit die ersten, die aufstehen und die letzten, die zu Bett gehen. Vor dem anstrengenden Turnier bzw. Spiel beginnt für die Spieler der Tag mit einer kurzen, intensiven Einheit, die die Muskulatur durchblutet und das Herz-Kreislauf-System hochfährt. Direkt im Anschluss beginnt unsere Arbeit als Physios mit Präventivmaßnahmen wie Tapeverbänden zur Gelenkstabilisierung, Vorbereitung der Muskulatur mit u.a. Massagen/Weichteiltechniken und Stretching. Diese Maßnahmen finden meist noch im Hotel statt. Anschließend geht es zum Turniergelände, wo in der Umkleidekabine das physiotherapeutische Equipment aufgebaut wird und die Maßnahmen fortgesetzt werden. Stattfindende Warm ups bzw. Cool downs werden teilweise auch von uns mitgestaltet und angeleitet. Zwischen den Spielen werden die Spieler einzeln behandelt: hier stehen Entspannungsmaßnahmen wie Massagen zur Muskellockerung im Mittelpunkt. Beginnt das Spiel, geht die Arbeit weiter und es ist höchste Aufmerksamkeit gefordert. Im Falle einer Verletzung müssen wir noch auf dem Spielfeld oder am Spielfeldrand eine Schnelldiagnostik durchführen. Kleinere Verletzungen werden gleich versorgt, in schwerwiegenderen Fällen muss die weitere medizinische Abklärung organisiert werden. Nach dem Spiel geht es zurück ins Hotel, wo eine globale Regenerationseinheit z. B. im Pool stattfinden kann. Nach dem Abendessen gibt es dann weitere Regenerationssessions, damit die Athleten am nächsten Tag wieder Bestleistung von ihrem Körper abrufen können. Obwohl die Betreuung einer Sportmannschaft sehr zeitintensiv ist, macht es aber auch Riesenspaß Teil des Teams zu sein und einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der Mannschaft zu leisten. Gemeinsam gilt es für uns nun, die großen Ziele zu erreichen und den Traum von Olympia und der Weltmeisterschaft zu verwirklichen. Hierfür geben wir unser Bestes und wünschen unseren starken Männern viel Erfolg! | 78 © Tobias Keil | Fotografie ::Fachbeiträge Die Arbeit der Physiotherapeuten ist immer gefragt, ob auf dem Spielfeld … ... oder in der Kabine... ... oder auch in Fiji Mandana Scharei Physiotherapeutin der Rugbymannschaft des Heidelberger Ruderklub Physiotherapeutin der Deutschen Rugby XV Nationalmannschaft Björn Bürgler Physiotherapeut der Rugbymannschaft der Rudergesellschaft Heidelberg (RGH) Physiotherapeut der Deutschen Rugby 7er Nationalmannschaft Reha in der ATOS ATOS Klinik Heidelberg [email protected] ATOSnews N O T E S & N E W S :: Spitzenathleten auf dem Weg nach Rio – betreut von der ATOS Klinik Heidelberg ger Kooperation des Deutschen Gelenkzentrums Heidelberg in der ATOS Klinik Heidelberg mit dem Olympiastützpunkt Rhein-Neckar werden einige der Athleten und Athletinnen des Team Rio medizinisch in dieser Zeit begleitet: Carolin Leonhardt, Kanutin und Goldmedaillengewinnerin 2004 in Athen so- © Foto: thomathzac23 – Fotolia.com Nur noch wenige Wochen Vorbereitungszeit verbleiben, bis die für die Olympischen Spiele qualifizierten Athleten aus der Rhein-Neckar-Region Richtung Brasilien starten. Die mit der Intensivierung des Trainings einhergehende Belastungssteigerung führt den Bewegungsapparat an Grenzen, die Beschwerden und/oder Verletzungen hervorrufen können. In en- wie Silbermedaillengewinnerin in London 2012, wird mit konservativen Maßnahmen bei Überlastungsreaktionen therapiert. Elisabeth Seitz, Gewinnerin des Gesamtweltcups im Kunstturnen 2012 und Sechste bei den Olympischen Spielen 2012 am Stufenbarren, kann sich nach Operation einer Sprunggelenkverletzung wieder voll auf das Training konzen­ trieren. Alexej Prochorow, Achter bei den Euro­ pa­ meisterschaften im Gewichtheben 2014, kann nach operativer Versorgung einer Fußverletzung wieder ins Hanteltraining einsteigen. Die Betreuung der Hochleistungssportler in Heidelberg erfolgt durch Prof. Dr. ­Holger Schmitt. Er kann auf eine mittlerweile fast 20-jährige Erfahrung in der Betreuung von Nationalmannschaftsathleten in verschiedenen Sportarten zurückblicken. Wir wünschen „unseren“ Athleten viel Glück und Erfolg in Rio! Carolin Leonhardt Elisabeth Seitz Alexej Prochorow Prof. Dr. ­Holger Schmitt 79 | :: 64. Jahrestagung der Vereinigung Süddeutscher Orthopäden und Unfall­ chirurgen HKF International Center for Hip, Knee & Foot Surgery ATOS HIP EXPERT MEETING Cartilage lesion in the hip – and now? Date: 17th of June 2016, 9–16 h > Hip Live Surgeries > Indications for Cartilage Repair > Surgical Technique: Tips and Tricks from experienced hip surgeons > Patient Rehabiliation after AMIC > Clinical Evidence for AMIC Procedure Location: ATOS Klinik Heidelberg / Germany Faculty: Prof. F. Thorey Dr. A. Fontana Dr. G. Möckel Contact for Registration: Email [email protected] Unter dem Motto „Was, Wann, Wie“ werden ca. 3.000 Fachbesucher zum wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungsaustausch von 28.– 30. April 2016 in Baden-Baden erwartet. Rund 400 Fachvorträge, Workshops, Seminare und Podiumsdiskussionen stehen auf dem Programm. Um Orthopädie und Unfallchirurgie den gleichen Stellenwert beim Kongress einzuräumen, teilen sich Prof. Dr. med. Dr. h.c. Joachim Grifka (Direktor der Orthopädischen Klinik für die Universität Regensburg) und Prof. Dr. med. Ulrich Stöckle (Ärztlicher Direktor der BG-Unfallklinik Tübingen) den Vorsitz. Schon der Auftakt zeigt den Anspruch, den die VSOU-Jahrestagung hat: Festredner Prof. Dr. jur. Heribert Prantl wird mit dem Vortragsthema „Medizin zwischen Ökonomie und Ethik“ das ärztliche Handeln im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und gesellschaftlichem Anspruch beleuchten. Das Kongressmotto: „Was, Wann, Wie“ verspricht viele konkrete Handlungsempfehlungen. „Diese Fragenfolge bestimmt unser tägliches Handeln zentral. In dem Maße, wie wir durch wissenschaftliche Evaluation, Diagnostik und Therapie beurteilen können, wie unser Behandlungsergebnis durch outcome-Messungen überprüft wird und wie Patienten eine ,Reparaturmentalität‘ entwickelt haben und einen höchsten Anspruch an die Wiederherstellung der Funktionalität formulieren, müssen wir unser Vorgehen exakt definieren“, erläutert Prof. Grifka. Als Novum in der Kongresslandschaft hat Grifka ein neues Format entwickelt: Einen Weiterbildungscontest. Dabei treten Teams von Weiterbildungsassistenten gegeneinander an, um klinische Fälle zu lösen. Dem Siegerteam winkt ein Stipendium der VSOU für den kanadischen Orthopädenkongress. PROF. F. THOREY HEIDELBERG, GERMANY Weitere Informationen unter: www.vsou.de | 80 ATOSnews N O T E S & N E W S :: N eu in der ATOS Klinik München: Dr. Alexander Rauch verstärkt die Praxis Dr. Rembeck Klinikum rechts der Isar in München wurde er von Prof. Dr. Stöckle in der Unfallchirurgie und Prof. Dr. Imhoff in der Sportorthopädie ausgebildet. Mit seiner Facharztanerkennung wechselte er 2012 nach Landshut zu Chefarzt Dr. Ganslmeier und baute dort als Oberarzt eine sport­ orthopädische Abteilung auf. Hier spezialisierte er sich auf die Behandlung von Sport- und Gelenkverletzungen sowie Verletzungen an der Wirbelsäule. Dr. med. Alexander Rauch Dr. med. Alexander Rauch ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Darüber hinaus besitzt er die Zusatzbezeichnungen Spezielle Unfallchirurgie und Sportmedizin. Er studierte von 2000–2006 in München an der Ludwig-Maximilians-Universität und der Technischen Universität Medizin. Im Rahmen seiner Facharztausbildung am Seit Dezember 2015 ist er als Kollege von Dr. med. Erich Rembeck im Excellent Center of Medicine an der ATOS Klinik München tätig. Sein Schwerpunkt liegt in der operativen arthroskopischen und der konservativen Behandlung von Kniegelenkverletzungen. Dr. Rauch hat über seinen Facharzt und die Zusatzbezeichnungen hinaus weitere Qualifikationen erworben: - Diplom in Mountain-Medicine für Höhen-, Alpin- und Bergmedizin Aesculap® Methaa® Der Kurzschaft. ■ ■ ■ Knochenerhaltende und weichteilschonende nde Operationstechnik sensortiment Vielfältigkeit durch umfangreiches Prothesensortiment ch spezielle Beschichtung Förderung der knöchernen Integration durch A-OT13003 de Weitere Informationen unter www.kurzschaft.de Aesculap AG | 78532 Tuttlingen | www.aesculap.de - ATLS®-Provider in Weiterbildung zum ATLS®-Instructor - Fachkunde Rettungsdienst (Notarzt), qualifizierter Leitender Notarzt. Auch privat ist Dr. Rauch dem Sport sehr verbunden: Als ehemaliger Leistungssportler im Rudern konnte er diverse Landesmeistertitel und mehrfache Finalteilnahmen an der Deutschen Jugendmeisterschaft sowie eine Teilnahme im Weltcup der Senioren-B erreichen. Auch im Skirennsport war er aktiv und konnte unter anderem ­einen Bronzerang bei den Bayerischen Skimeisterschaften der Junioren im ­Slalom erzielen. Bergsport, Radfahren, Fußball und Basketball sind weitere Sportarten, die Dr. Rauch betreibt. Als weiteres Hobby nennt er Bayerische Brauchtumspflege. ::ATOS intern Knee Current Concepts Arthroscopy and Replacement Live-Surgeries and Videos 10th International Heidelberg Castle Meeting ATOS-HKF Heidelberg, 10th–12th November 2016 Program Sehr geehrte Kollegen, Herzlich willkommen zum 10. Internationalen ATOS Live Surgery Meeting in Heidelberg. Führende Experten präsentieren Ihnen Tipps und Tricks der modernen Knie­chirurgie. Nutzen Sie die exzellente Möglichkeit der praxisnahen Weiterbildung mit Live-OP´s aus der ATOS Klinik im historischen Ambiente des Heidelberger Schlosses. Program | Thursday, November 10th 2016 Ihr Team des HKF – Internationales Zentrum für Hüft-, Knie- und Fußchirurgie in der ATOS Klinik Heidelberg • Meniscus root repairs Prof. Dr. Rainer Siebold Priv. Doz. Dr. Christoph Becher Prof. Dr. Hajo Thermann Prof. Dr. Fritz Thorey Session 1: MENISCUS REPAIR • Concept of Anatomical Meniscus Refixation: medial & lateral • Meniscal repair: inside-out/outside-in • Meniscal repair with different all-inside devices • Live Surgery – Repair of Large Bucket Handle Tear • Results of isolated vs ACL associated bucket handle tear repair L • ateral discoid meniscus: repair or resection? • Live Surgery Video – Meniscus Allograft Transplantion –– Coffee Break & Industrial Exhibition –– Session 2: CARTILAGE TRANSPLANTATION • Different concepts of cartilage transplantation Zertifizierung: Zertifizierungspunkte sind beantragt Online-Teilnehmerregistrierung, aktuelle Programminformationen sowie Informationen zur Anreise und Parkmöglichkeiten finden Sie unter: www.heidelberg-castle-meeting.de | 82 • Factors affecting success after ACT • Cartilage therapy with early OA • Live Surgery – Arthroscopic cartilage transplantation • Arthroscopic second-look after cartilage repair • Return to sports after ACT • Concept of tibial valgus osteotomy • Tibial valgus osteotomy with/without cartilage treatment? • Outcome of tibial valgus osteotomy vs. medial UNI ATOSnews Program | Friday, November 11th 2016 Program | Saturday, November 12th 2016 Session 3: ANTERIOR CRUCIATE LIGAMENT Session 6: UNICOMPARTIMENTAL ARTHROPLASTY • Live Preparation Video: ACL Ribbon • Live Surgery – unicompartimental arthroplasty • Histology of the tibial & femoral ACL insertion • Biomechanics in UKR – what is different to TKA? • Live Surgery – SB ACL reconstruction with • Sports after UKR – what is different to TKA? Quadriceps-Tendon • Concept & Live Surgery Video – SB ACL reconstruction with Patella Tendon • Important aspects of ACL surgery with open physis • Results of SB versus DB in kids & adolescents • Concept & Live Surgery Video of ACL augmentation –– Coffee Break & Industrial Exhibition –– • Live Surgery – Double-Bundle ACL Reconstruction • Concept & Live Surgery Video – Flat ACL reconstruction with Semi-T • Reasons for failure of ACL reconstruction • Tactics in ACL revision surgery • Concept & Live Surgery Video – posteromedial corner reconstruction • Concept & Live Surgery Video – posterolateral corner reconstruction • Live Surgery – Spongiosaplasty for ACL revision from iliac crest –– Lunch Break & Industrial Exhibition –– Session 4: PATELLAFEMORAL INSTABILITY • Diagnostics and decision making in patella instability • Live Surgery - MPFL-Reconstruction with Quadriceps Concept & Live Surgery Video – MPFL Reconstruction Concept & Live Surgery Video – Tibial Tuberosity Transfer • Live Surgery – MPFL-Reconstruction with Gracilis • Results of MPFL repair • Concept & Live Surgery Video – Arthroscopic cartilage transplantation Patella • What makes a good result? - a patient specific implant! - the help of a robot for implant positioning! - not to do it and go for TKA! ANMELDUNG –– Lunch Break & Industrial Exhibition –– Kontakt: Session 7: TOTAL KNEE ARTHROPLASTY Best solution for a satisfied Zentrum patient? für Knie- und Fußchirurgie • Bicruciate retaining TKA? – Video demonstration Vanguard XP Frau Sabine Hopf • Bicruciate substituting TKA? – Video demonstration: E-Mail: [email protected] Journey BCS • Optimal design of a classic TKA prosthesis? – Video demonstration: Attune TKA • Patient specific TKA – matching the implant to the patient – Video demonstration: ConforMIS iTotal • Patient specific TKA – matching the cutting blocks to the patient? – Video demonstration: Visionaire –– Coffee Break & Industrial Exhibition –– What is the best alignment ? • Kinematic alignment/Constitutional alignment Complication management – the infected TKA • Diagnostics and surgical management • Antibiotics are the key for success • Management of defect situations – bone/soft tissue Wissenschaftliche Leitung Prof. Dr. Rainer Siebold, PD Dr. Christoph Becher, Prof. Dr. Hajo Thermann, Prof. Dr. Fritz Thorey Kongressorganisation Intercongress GmbH Berlin Düsseldorf Freiburg Wiesbaden Karlsruher Straße 3 79108 Freiburg Program | Saturday, November 12th 2016 HKF – Die Spezialisten für Hüft-, Knie- & Fußchirurgie Session 5: PATELLOFEMORAL ARTHROPLASTY ATOS Klinik Heidelberg fon +49 761 69699-242 fax +49 761 69699-11 Live Surgery – Patellofemoral Arthroplasty • PFA: Why I prefer an Inlay-design • PFA: Why I prefer an Onlay-design • Special considerations in PFA – the dysplastic PFJ • Patella management www.hkf-ortho.com www.intercongress.de –– Coffee Break & Industrial Exhibition –– Veranstalter Siebold-Thermann-Thorey u. a. GbR Bismarckstr. 9–15 D-69115 Heidelberg 83 | Weitere Informationen auch im Internet www.arthrex-celltherapy.com SCHÖNHEIT AUS MIR SELBST Nutzen Sie Ihre körpereigenen Wirkstoffe für ein natürlich schönes Nutzen Sie Ihre körpereigenen Wirkstoffe für ein natürlich schönes Aussehen. Aussehen. Lassen Sie Ihre Zellen für sich arbeiten. Lassen Sie Ihre Zellen für sich arbeiten. © Arthrex GmbH, 2016. Alle Rechte vorbehalten.