Klägerin und Berufungsbeklag - Landesarbeitsgericht Düsseldorf

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Verkündet am 13. Juli 2005
12 Sa 616/05
4 Ca 3796/04
Arbeitsgericht Krefeld
Esser
Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In Sachen
der Frau I. X., I. 46, H.,
- Klägerin und Berufungsbeklagte Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Dr. G. I.,
P.wall 28, L.,
gegen
die W. B. GmbH & Co. KG, persönlich haftende Gesellschafterin W.
B. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer H. S.,
U. Str. 15, W.,
- Beklagte und Berufungsklägerin Prozessbevollmächtigte:
Assessoren Dr. L. u. a. i/W. C. V. e. V. - W.,
B.platz 5, N.,
hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 13.07.2005
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Plüm als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Murach und die ehrenamtliche
Richterin Franken
für R e c h t erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Krefeld vom 19.04.2005 wird kostenfällig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
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TATBESTAND:
Im Streit über die Rechtswirksamkeit einer Kündigung, zu deren soziale Rechtfertigung sich die Beklagte auf betriebsbedingte Gründe beruft, streiten die
Parteien im wesentlichen um die getroffene Sozialauswahl.
Die Klägerin, geboren am 08.10.1947, verheiratet, schwerbehindert (GdB 60),
gelernte Bürokauffrau, ist seit dem 05.12.1988 bei der Beklagten, einem in
W./Ndrh. ansässigen Unternehmen der Textilindustrie, beschäftigt. Sie war bis
1995 in der Lohnbuchhaltung eingesetzt und ist seither in der Gehaltsbuchhaltung tätig. Sie hatte als Lohnbuchhalterin Frau X. angelernt, geboren am
17.06.1965, nicht verheiratet, gegenüber einer Tochter (19 Jahre alt) zum Unterhalt verpflichtet und seit dem 01.04.1991 bei der Beklagten angestellt.
Nach Zustimmung des Integrationsamtes und Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 17.11.2004 das Arbeitsverhältnis mit der
Klägerin fristgerecht zum 31.05.2005. Am 23.11.2004 hat die Klägerin beim
Arbeitsgericht Krefeld Kündigungsschutzklage eingereicht.
Die Beklagte hat im Prozess zur Begründung der Kündigung vorgetragen:
Im Mai 2004 habe sie beschlossen, die Lohn- und Gehaltsbuchhaltung umzustrukturieren und die bisher von der Klägerin erledigten Arbeiten zusätzlich auf
die Mitarbeiterin X. zu übertragen. Dies sei möglich aufgrund der seit 1998
eingetretenen Personalreduzierung um 25 % und der im Mai 2001 eingeführten
Personalsoftware einschl. Zeiterfassung, durch die eine rationellere Bearbeitung der Abrechnungen ermöglicht werde. Frau X. sei ausgebildete Wirtschaftskauffrau und Personalfachkauffrau und verfüge über den REFA-Grundschein. Daher sei die Klägerin nicht mit ihr vergleichbar. Zudem falle die Sozialauswahl zu Lasten der Klägerin aus: Frau X. sei aufgrund ihres Lebensalters
noch lange Zeit auf eine Arbeitstätigkeit angewiesen und ihrer Tochter zum
Unterhalt verpflichtet. Zwar sei die Klägerin ihrem Ehemann ebenfalls zum
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Unterhalt verpflichtet, jedoch könne der Ehepartner in weit größerem Umfang
zum Familienunterhalt finanziell beitragen. Weil die Klägerin im Anschluss an
das Arbeitslosengeld vorgezogene Altersrente beziehen könne, sei sie von der
Kündigung weniger hart betroffen.
Die Klägerin hat entgegen gehalten, fachlich jederzeit zur Übernahme der Aufgaben von Frau X. in der Lage zu sein. Was die Unterhaltspflicht der Mitarbeiterin X. anbelange, leiste der Vater regelmäßig den von ihm geschuldeten
Kindesunterhalt. Sie, die Klägerin, arbeite gerne und erleide durch die Kündigung erhebliche Einbußen: Während ihr Monatsgehalt Euro 3.154,77 brutto
betragen habe, belaufe sich das Arbeitslosengeld, dessen Bezug nach 32 Monaten ende, auf etwas mehr als 1.200,00 Euro. Zwar stehe ihr mit Vollendung
des 63. Lebensjahres im Oktober 2010 gemäß § 37 SGB VI Altersrente für
schwerbehinderte Menschen zu; diese liege – unter der Prämisse weiterer Beitragszahlung – jedoch nur bei Euro 1.448,00. Die vorzeitige Inanspruchnahme
zum vollendeten 60. Lebensjahr habe eine Rentenminderung von 10,8 % zur
Folge.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 17.11.2004 nicht aufgelöst werden wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Durch Urteil vom 19.04.2005 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und
zur Begründung ausgeführt: Die Kündigung sei (jedenfalls) gemäß § 1 Abs. 3
KSchG sozialwidrig und daher unwirksam. Die Klägerin sei nach ausgeübter
Tätigkeit und Ausbildung mit der Lohnbuchhalterin X. vergleichbar und
auch bei Berücksichtigung der Unterhaltspflicht der Mitarbeiterin X. gegenüber
der 19-jährigen Tochter wegen der längeren Betriebszugehörigkeit, des
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höheren Lebensalters und der Schwerbehinderung sozial schutzbedürftiger. Sie
könne, was den erst mit Vollendung des 63. Lebensjahres möglichen abschlagsfreien Rentenbezug anbelange, nach der Arbeitslosigkeit auch nicht
nahtlos in Rente gehen.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift die
Beklagte das erstinstanzliche Urteil an. Sie meint, bei der Sozialauswahl zu
Lasten der Klägerin die Kriterien nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG „ausreichend“
berücksichtigt zu haben.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze Bezug genommen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I.
Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der
Klage stattgegeben. Die Kammer folgt der Begründung des erstinstanzlichen
Urteils und kann daher mit der Vorinstanz dahinstehen lassen, ob die Kündigung auch aus anderen Gründen, namentlich wegen unzureichender Darlegung
ihrer Betriebsbedingtheit, unwirksam sein könnte.
II.
Nach § 1 Abs. 3 KSchG i. d. F. des Gesetzes zu Reformen am Arbeits-
markt vom 24.12.2003 (BGBl I 2003, 3002) ist eine betriebsbedingte Kündigung
„sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat . In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitneh-
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mer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer
Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse
liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als
sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.“
Die Kündigung vom 17.11.2004 scheitert, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG an der fehlerhaften Sozialauswahl.
Daher ist sie aus diesem Grund unwirksam. Die Klägerin hat ihre erstinstanzlich
erhobene Rüge im Berufungsrechtszug auch aufrecht erhalten (vgl. BAG, Urteil
vom 22.05.2003, 2 AZR 326/02, AP Nr. 128 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).
1.
a)
In die Sozialauswahl sind die miteinander vergleichbaren, d.h.
austauschbaren Arbeitnehmer einzubeziehen: Der gekündigte Arbeitnehmer
muss die Funktion des anderen Arbeitnehmers ausüben können. Nach der
Rechtsprechung (BAG, Urteil vom 23.11.2004, 2 AZR 38/04, AP Nr. 70 zu § 1
KSchG 1969 Soziale Auswahl, Urteil vom 27.09.2001, 2 AZR 246/00, EzA
Nr. 41 zu § 2 KSchG) bestimmt sich der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit. Dies gilt
nicht nur im Falle der Identität der Arbeitsplätze, sondern auch bezogen auf
eine andersartige (gleichwertige) Tätigkeit, die der Arbeitnehmer auf Grund seiner Tätigkeit und Ausbildung ausführen kann; die Notwendigkeit einer kurzen
Einarbeitungszeit steht der Vergleichbarkeit nicht entgegen. Des weiteren vollzieht sich der Vergleich der Arbeitnehmer (nur) auf derselben Ebene der Betriebshierarchie (horizontale Vergleichbarkeit) und setzt voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einseitig auf den anderen Arbeitsplatz um- oder
versetzen kann; eine Vergleichbarkeit scheidet daher aus, wenn eine anderweitige Beschäftigung nur auf Grund einer Änderung der Arbeitsbedingungen
durch Vertrag oder Änderungskündigung in Betracht kommt (BAG, Urteil vom
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03.06.2004, 2 AZR 577/03, AP Nr. 141 zu § 102 BetrVG 1972, Urteil vom
06.11.1997, 2 AZR 94/97, AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969: „Vergleichbarkeit bedeutet Austauschbarkeit in Ausübung des Direktionsrechts“).
b)
Nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG obliegt die Darlegungs- und Beweislast
für die Tatsachen, aus denen sich die Unrichtigkeit der Sozialauswahl ergibt,
zunächst dem Arbeitnehmer. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 05.12.2002, 2 AZR 697/01, AP Nr. 60 zu § 1
KSchG 1969 Soziale Auswahl, vgl. Urteil vom 20.05.1999, 2 AZR 278/98, n.v.),
der die Kammer folgt, von einer abgestuften Darlegungslast auszugehen. Es ist
zunächst Sache des Arbeitnehmers, die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl darzulegen, sofern er über die hierzu erforderlichen Informationen verfügt. Demnach hat er im Prozess zu begründen, warum er mit Arbeitnehmern einer
bestimmten Gruppe vergleichbar ist. Die bloße Behauptung, die Vergleichbarkeit sei gegeben, reicht nicht aus. Vielmehr hat der Arbeitnehmer, soweit es ihm
möglich ist, darzulegen, welche Qualifikationsanforderungen bei der Ausübung
der Tätigkeiten, für die er sich geeignet hält, zu erfüllen sind. Gleichzeitig hat er
mitzuteilen, welche Fertigkeiten er wann und wie erworben hat und ob sie ihn
zur Ausfüllung des von ihm angestrebten Arbeitsplatzes befähigen. Liegt ein
solcher Sachvortrag des Arbeitnehmers vor, hat anschließend im Prozess der
Arbeitgeber konkret die Umstände vorzutragen, die aus seiner Sicht eine „Vergleichbarkeit“ ausschließen. Sind solchermaßen substantiierte Einwände vorgebracht, ist es wiederum Sache des Arbeitnehmers, die Einwände des Arbeitgebers durch weiteren, ins Einzelne gehenden Tatsachenvortrag auszuräumen.
Unter dieser Prämisse kann nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts
schließlich eine Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten in Betracht
kommen (BAG, Urteil vom 09.05.1996, 2 AZR 465/95, n.v.).
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c)
Wenn es um die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen geht, haben
die Arbeitsgerichte einerseits zu respektieren, dass es grundsätzlich der freien
unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers unterliegt, das Anforderungsprofil für einen eingerichteten oder neuen Arbeitsplatz festzulegen (BAG,
Urteil vom 24.06.2004, 2 AZR 326/03, AP Nr. 76 zu § 1 KSchG 1969). Andererseits wird die Befugnis des Arbeitgebers, durch freie Entscheidung das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze festzulegen, eingeschränkt durch das ultima-ratioPrinzip, das ihm gebietet, – soweit möglich und zumutbar – den bisherigen
Arbeitsplatzinhaber weiterzubeschäftigen (BAG, Beschluss vom 30.08.1995,
1 ABR 11/95, AP Nr. 5 zu § 99 BetrVG 1972 Versetzung). Der Konflikt der gegenläufigen Positionen ist im Wege einer grundrechtlich geprägten Interessenabwägung auszugleichen (vgl. BAG, Urteil vom 26.09.2002, 2 AZR 636/01,
AP Nr. 124 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Urteil vom
12.02.2004, 2 AZR 307/03, EzA Nr. 129 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung). Indem § 1 Abs. 3 KSchG das verfassungsrechtlich gebotene Maß an
sozialer Rücksichtnahme konkretisiert und die Berücksichtigung sozialer
Gesichtspunkte, insbesondere eines durch langjährige Mitarbeit erdienten Vertrauens in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, verlangt (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 27.01.1998, 1 BvL 15/87, AP Nr. 17 zu § 23 KSchG 1969), kann
nicht der bloße Hinweis des Arbeitgebers auf das (vom gekündigten Arbeitnehmer verfehlte) Anforderungsprofil zauberwortartig genügen, um eine Sozialauswahl zu vermeiden. Würde man allein an das von ihm verfasste Anforderungsprofil die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers prüfen, hätte
er es, indem er das Anforderungsprofil auf die vorhandenen bzw. fehlenden
Qualifikationen der für eine Kündigung auszuwählenden Arbeitnehmer zuschneidet, nämlich in der Hand, einem weniger geschätzten Arbeitnehmer mit
der Begründung betriebsbedingt zu kündigen, dass eine Weiterbeschäftigung
auf seinem umstrukturierten Arbeitsplatz oder auf einem anderen Arbeitsplatz
an dem Anforderungsprofil scheitere, das vom Arbeitnehmer auch nicht innerhalb einer gewissern Zeit der Einarbeitung, Umschulung oder Fortbildung zu
erfüllen sei. Hingegen liegen die Dinge anders, wenn der andere bzw. neu eingerichtete Arbeitsplatz eine originäre Höherwertigkeit aufweist oder zwischen
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dem für den Arbeitsplatz neu festgelegten Anforderungsprofil und der ordnungsgemäßen Erledigung der (aufgrund Umgestaltung der Arbeitsabläufe,
Neuausrichtung der Geschäftstätigkeit oder aus anderen Gründen) veränderten
Arbeitsaufgabe ein nachvollziehbarer sachlicher Bezug besteht. Dann bestimmt
sich nach dem Anforderungsprofil, ob der gekündigte mit dem weiterbeschäftigten Arbeitnehmer um den Arbeitsplatz konkurrieren kann (Kammerurteil vom
21.01.2004, LAGE Nr. 43 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl). Im Kündigungsschutzprozess ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Arbeitgeber die
Gestaltung des Anforderungsprofils für den freien Arbeitsplatz in der Weise
nachvollziehbar darlegt, dass das Gericht im Wege der Plausibilitätskontrolle
den Sachbezug erkennen und überprüfen kann, ob die im Anforderungsprofil
präsumierte Qualifikation nur Vorwand ist, den gekündigten Arbeitnehmer durch
eine billigere oder leistungsstärkere Arbeitskraft zu ersetzen (vgl. BAG, Urteil
vom 24.06.2004, a.a.O., das „offenbare Unsachlichkeit“ zum Kontrollmaßstab
nimmt).
d)
Die Vorinstanz hat – ausgehend von diesen Grundsätzen – zutreffend
angenommen, dass die Klägerin und die Lohnbuchhalterin X. i. S .v. § 1 Abs. 3
Satz 1 KSchG miteinander vergleichbar sind. Nach der ausgeübten Tätigkeit
(Gehaltsbuchhalterin), dem beruflichen Erfahrungswissen, das sie (bis 1995)
als Lohnbuchhalterin bei der Beklagten und durch ihre frühere Berufstätigkeit
von 1971 bis 1988 bei der Fa. G. gesammelt hat, sowie der Ausbildung als
Bürogehilfin/Bürokauffrau kann die Klägerin ohne weiteres die Funktion der
Mitarbeiterin X. ausüben. Abgesehen davon, dass sie – unwidersprochen (Seite
1 des Schriftsatzes vom 06.04.2005) – als Gehaltsbuchhalterin in Teilbereichen
auch für die gewerblichen Mitarbeiter zuständig gewesen ist, indizieren die
Sachnähe zwischen Gehalts- und Lohnbuchhaltung und die Ähnlichkeit der
Sachmaterie und der Arbeitsabläufe eine „alsbaldige Substituierbarkeit“. Die
entsprechenden Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils greift die Berufung
auch nicht an. Vielmehr macht sie geltend, dass Frau X. ausgebildete Wirtschaftskauffrau (was die Klägerin bestreitet) sowie Personalfachkauffrau sei
und den REFA-Grundschein besitze. Mit diesem Vorbringen hat die Beklagte
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keine Umstände vorgetragen, die die „Vergleichbarkeit“ ausschließen. Mit dem
Vortrag, dass der nicht gekündigte Arbeitnehmer über bestimmte (Formal-)Qualifikationen verfüge, wird schon nicht das „Anforderungsprofil“ für den
Arbeitsplatz beschrieben. Noch weniger wird plausibel dargestellt, dass die bei
Frau X. vorhandene berufliche Qualifikation Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Erledigung der Arbeitsaufgaben in der zusammengeführten
Lohn- und Gehaltsbuchhaltung ist und die Klägerin qualifikationsmäßig nicht
den „neuen“ Anforderungen genügt. Abgesehen davon, dass die Vergleichbarkeit sich ohnehin in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen richtet,
verliert nach einer langjährigen, in demselben Tätigkeitsgebiet erbrachten Arbeit
der Umstand, dass die Arbeitnehmer verschiedenartige Ausbildungsgänge
durchlaufen haben, seine Bedeutung als Bestimmungsmerkmal für die Bildung
des auswahlrelevanten Personenkreises.
Dass aus der spezifischen Berufsausbildung von Frau X. i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz
2 KSchG ein berechtigtes betriebliches Interesse an ihrer Weiterbeschäftigung
resultiert, wird von der Beklagten selbst nicht geltend gemacht und ist auch
nicht ersichtlich.
2.
Die Beklagte hat bei der getroffenen Sozialauswahl die nach § 1 Abs. 3
Satz 1 KSchG maßgebenden Kriterien nicht ausreichend berücksichtigt. Nach
der Dauer der Betriebszugehörigkeit, dem Lebensalter und aufgrund der
Schwerbehinderung war die Klägerin signifikant sozial schutzwürdiger als die
Mitarbeiterin X.. Die Auswahl kann nicht deshalb als (noch) „ausreichend“
durchgehen, weil die Mitarbeiterin X. ihrer 19 Jahre alten Tochter zum Unterhalt
verpflichtet ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten senkt die „Rentennähe“
nicht die soziale Schutzwürdigkeit der Klägerin herab.
a)
Nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG kommt es auf soziale Schutzwürdigkeit an,
nicht auf persönliche Bedürftigkeit. Auf Bedürftigkeit stellen andere Rechtsmaterien und Regelwerke ab, etwa die Tabelle zu § 115 ZPO (Kammerurteil vom
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25.08.2004, LAGE Nr. 46 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl). Das Verständnis
von sozialer Schutzwürdigkeit erhält in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG durch das Kriterienquartett „Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung“ eine genuine, arbeitsrechtliche Prägung. Die gesetzlichen Kriterien kanalisieren die Auswahlentscheidung und legen die Basis für die Zuweisung des jeweiligen Kündigungsrangs. Indem sie (ausreichend) berücksichtigt
werden müssen, verbietet es sich, sie durch andere soziale Gesichtspunkte
oder mit Feststellungen zur individuellen Bedürftigkeit abzulösen.
Es fällt in die Regelungsintention des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG, den Arbeitnehmern nach dem Maß der Erfüllung der vier Kriterien Bestandsschutz zu gewähren und damit das Auswahlergebnis berechenbar und rechtssicher zu machen
Nach diesem Normgehalt, der durch die Ausnahmeregelung in Satz 2 und
durch § 10, § 1 a Abs. 2 KSchG bestätigt wird, ist es geboten, die längere
Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers, sein höheres Lebensalter, seine Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung grundsätzlich zu seinen Gunsten zu
berücksichtigen. Der Normzweck des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG würde in sein
Gegenteil verkehrt, wenn die höhere Erfüllung von Kriterien unmittelbar oder
mittelbar zum Negativmerkmal bei der Auswahl mutieren würde.
b)
Die für die Vorgängerregelung geltende Maxime, dass alle sozial beach-
tenswerten Umstände in die soziale Auswahl und entsprechend auch bei deren
Überprüfung einzubeziehen seien (BAG, Urteil vom 17.03.2005, 2 AZR 4/04,
AP Nr. 71 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl), ist durch die Neufassung des
§ 1 Abs. 3 KSchG entfallen. Das Gesetz führt abschließend die für die Sozialauswahl allein maßgebenden Kriterien die in § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG auf
(KR/Etzel, 7. Aufl., § 1 KSchG Rz. 670, Küttner/Eisemann, Personalbuch 2005,
258 Kündigung, betriebsbedingte, Rz. 34).
Von diesem Ausgangspunkt wird allerdings erwogen, eine Korrektur des aus
den vier Grundkriterien ermittelten Auswahlergebnis für „Härtefälle“ (vgl.
APS/Kiel, 2. Aufl., § 1 KSchG Rz. 725 e) oder die Berücksichtigung von Umständen zuzulassen, soweit diese in unmittelbar speziellem Zusammenhang mit
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den gesetzlichen Grundkriterien stehen oder evidenten betrieblichen Gegebenheiten folgen (ErfK/Ascheid, 5. Aufl., § 1 KSchG Rz. 490, Stahlhacke/Preis,
Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., Rz. 1093/1107,
Däubler, NZA 2004, 181). Speziell zum Kriterium ‚Lebensalter’ wird kontrovers
und mit unterschiedlicher Akzentuierung diskutiert, ob die soziale Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers mit der Nähe zum Renteneintritt abnehme und – unter der Prämisse seiner finanziellen Absicherung durch Bezug von vorgezogener Altersrente, Arbeitslosengeld oder Inanspruchnahme von Altersteilzeit –
seine Entlassung weniger unsozial wäre als die Entlassung eines jüngeren Arbeitnehmers, der einen wesentlichen Teil seines Arbeitslebens noch vor sich
habe und deshalb auf den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses und das
Arbeitseinkommen mehr angewiesen sei. Teilweise wird in der Literatur die
„Rentennähe“ als berücksichtigungsbedürftiger Umstand erachtet (von Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 13. Aufl., § 1 Rz. 466 b, Preis, NZA 1999, 316,
Löwisch/Spinner, KSchG, 9. Aufl., § 1 Rz. 368, Moll/Ulrich, MHA Arbeitsrecht,
§ 40 Rz. 175), teilweise wird dies abgelehnt (Küttner/Eisemann, a.a.O., Rz. 35)
oder nur die Rentenberechtigung ab dem 65. Lebensjahr für berücksichtigungsfähig gehalten (Kittner, KSchR, 6. Aufl., § 1 Rz. 487, KR/Etzel, 7. Aufl.,
§ 1 KSchG Rz. 678 n; vgl. Preis/Stahlhacke, a.a.O., Rz. 1114).
c)
Die Kammer kann offen lassen, ob das Auswahlergebnis nach § 1 Abs. 3
Satz 1 KSchG in besonderen Härtefällen ausnahmsweise zu Gunsten eines
anderen Arbeitnehmers durchbrochen werden kann (vgl. KR/Etzel, § 1 KSchG
Rz. 549). Vorliegend fehlen Anhaltspunkte dafür, dass die Entlassung von Frau
X. ein besonderer „Härtefall“ wäre. Ebenso wenig bedarf es der Klärung, ob die
Tatsache, dass der gekündigte Arbeitnehmer bis zum Kündigungstermin das
65. Lebensjahr vollenden wird und ihm danach ein ungekürzter Anspruch auf
Altersrente zusteht, zu seinen Lasten berücksichtigt werden darf. Bei der
Auswahl der Klägerin geht es lediglich um „Rentennähe“, konkret um die Möglichkeit, Arbeitslosengeld für die Dauer von 32 Monaten (01.06.2005 bis
31.01.2008) bzw. nach Vollendung des 60. Lebensjahres (ab 01.11.2007) vor-
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gezogene Altersrente für Schwerbehinderte mit einem Abschlag von 10,8 %
zu beziehen.
Nach Auffassung der Kammer ist es mit § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht zu vereinbaren, die „Rentennähe“ der Klägerin (zu ihren Ungunsten) in die Sozialauswahl einzubeziehen (vgl. Kammerurteil vom 21.01.2004, a.a.O.). Indem § 1
Abs. 3 Satz 1 KSchG die Berücksichtigung des Kriteriums Lebensalters fordert,
ist, wie ausgeführt, dessen positive Beachtung gemeint. Das Kriterium darf
– genauso wenig wie die übrigen Kriterien – weder unberücksichtigt gelassen
noch gar reziprok zum Maß seiner Erfüllung dem Arbeitnehmer zum Nachteil
gereichen. Bei der Sozialauswahl ist höheres Lebensalter kein Malus, sondern
kann nur Bonus sein (vgl. auch B. Gaul, AktuellAR 2005, S. 11 f. [zu antidiskriminierungsrechtlichen Aspekten]. Demzufolge verbietet sich die Entwertung des
„Lebensalters“ durch (auswahlfremde) Erwägungen zur wirtschaftlichen, sozialversicherungs- oder versorgungsrechtlichen Situation des Arbeitnehmers. Derartige Erwägungen bleiben überdies amorph und greifen typischerweise zu
kurz: Zum einen pflegen Arbeitslosengeld und (vorgezogene) Altersrente deutlich hinter den Arbeitseinkünften zurückzubleiben. Zum anderen besagt der
Bezug der (vorgezogenen) Altersrente wenig über die finanzielle Absicherung
des einzelnen Arbeitnehmers und bedeutet erst recht nicht, dass er als Rentenbezieher sozial besser gestellt ist als der jüngere Arbeitnehmer im Arbeitslosengeldbezug. Die Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten
mit dem Ziel, ihre jeweilige Absicherung nach Bedarf und Vorhandensein zu
ermitteln, ist im Rahmen der „Sozialauswahl“ selten zu leisten. Die Sichtweise,
dass der ältere Arbeitnehmer sein Erwerbsleben nahezu hinter sich und der
jüngere es vor sich habe, verdrängt den gesetzgeberischen Ausgangspunkt,
dass es für den älteren Arbeitnehmer durchweg schwierig ist, eine neue Arbeitsstelle zu finden. Außerdem gibt die Akzeptanz der „Rentennähe“ ein Stück
Kontrolle der Sozialauswahl darauf, ob dieser Aspekt nur Camouflage für eine
Auswahl nach Leistungs-, Alters- oder Lohnkostengesichtspunkten ist, aus der
Hand. Wenn daher über das Kriterium „Lebensalter“ wie auch über die anderen
Kriterien die wirtschaftlichen Verhältnisse und der Versorgungsgrad der einzelnen Arbeitnehmer nicht einbezogen werden dürfen, erübrigt es sich, für die
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gesetzliche Sozialauswahl zu klären, ob etwa Bedürftigkeit, die durch eine auf
Verschuldung und unzureichende Altersvorsorge angelegte Lebensgestaltung
hervorgerufen ist, gegenüber Absicherung, die durch arbeit- und sparsame
Lebensführung erreicht worden ist, arbeitsplatzerhaltend wirkt.
Anzumerken ist, dass generelle arbeitsmarkt- und sozialpolitische Gründe allemal nicht in die Sozialauswahl gehören (vgl. Stahlhacke/Preis, a.a.O., Rz. 1111,
m. w. N., Linck, AR-Blattei SD, 1020.1.2., Rz. 91) und daher „Rentennähe“ auch
unter diesem Aspekt keine Berücksichtigung finden könnte.
d)
Die von der Beklagten getroffene Sozialauswahl lässt sich nicht deswe-
gen halten, weil der Arbeitgeber nach dem Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 3 S.1
KSchG die Auswahlkriterien (nur) "ausreichend" zu berücksichtigen hat.
Die These, das jedem der vier Grunddaten an sich gleiches Gewicht zukomme,
ist kein tauglicher Ansatzpunkt, weil ein objektiver Maßstab für die Bewertung
der einzelnen Daten und für ihren „wertenden Vergleich“ fehlt (KR/Etzel, § 1
KSchG, Rz. 678 f., Stahlhacke/Preis, a.a.O., Rz. 1115 f.). Indem § 1 Abs. 3
Satz 1 KSchG vier heterogene Kardinalkriterien vorgibt und deren „ausreichende“ Berücksichtigung fordert, stellt sich daher die Frage, wie leicht oder wie
schwer die Kriterien gewichtet werden dürfen, wie sie gegeneinander abzuwägen sind und wo die (wenn auch nicht konturenscharfe) Grenze zwischen dem
Prädikat „ausreichend“ und dem Prädikat „mangelhaft“ liegt. Wollte man sich
dieser Problematik metaphorisch in Anknüpfung an eine sprichwörtliche
Lebensweisheit nähern: Wenn nur Äpfel mit Äpfeln, nicht aber Äpfel mit Birnen
verglichen werden können, ist es - auf die vorliegende Konstellation bezogen noch vertrackter, reife Äpfel mit jungen Birnen oder kleine Birnen mit großen
Äpfeln zu vergleichen. Kann es mithin kein Auswahlergebnis von objektiv alleiniger Richtigkeit geben, ist nach der gesetzgeberischen Entscheidung dem
Arbeitgeber bei der Gewichtung der Sozialkriterien ein Wertungsspielraum
zuzubilligen. Dabei passieren nicht nur „geringfügige Unterschiede in der sozialen Schutzbedürftigkeit“ die gerichtliche Kontrolle (vgl. BAG, Urteil vom
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18.10.1984, 2 AZR 543/83, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl,
KHzA/Isenhardt, 6.3., Rz. 574), sondern es kann erst der deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer mit Erfolg die Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl rügen;
die Auswahlentscheidung muss nur vertretbar sein (BAG, Urteil vom
05.12.2002, 2 AZR 549/01, AP Nr. 59 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl).
e)
Selbst diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab wird die von der
Beklagten getroffene Auswahl nicht gerecht.
(11)
Die Klägerin weist gegenüber der Arbeitnehmerin X. eine längere Be-
triebszugehörigkeit auf, ist nahezu 18 Jahre älter und schwerbehindert.
Die Dauer der Betriebszugehörigkeit hat als betriebsbezogenes Sozialdatum
erhebliches Gewicht (BAG, Urteil vom 06.02.2003, 2 AZR 623/01, EzA Nr. 51
zu § 1 KSchG Soziale Auswahl). Die Klägerin ist 2 1/3 Jahre länger als Frau X.
bei der Beklagten beschäftigt. Der „Vorsprung“
ist zwar angesichts der
Gesamtdauer der Beschäftigung nicht groß, aber doch deutlich. Der Unterschied beim Lebensalter – 18 Jahre – ist erheblich und begründet eine besondere Schutzwürdigkeit der Klägerin. Die Einschätzung des Arbeitsgerichts, dass
die Klägerin wegen ihres Alters schlechtere Aussichten auf dem Arbeitsmarkt
als Frau X. hat, wird von der Berufung der Beklagten auch nicht angegriffen. Mit
der „Rentennähe“ kann weder generell, wie ausgeführt, noch im Streitfall
argumentiert werden: Die 57 Jahre alte Klägerin war bei ihrer Entlassung noch
5 ½ Jahre vom Beginn der Altersrente entfernt. Die Altersrente gleicht das verlorene Arbeitseinkommen nicht annähernd aus. Die Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente führt dauerhaft zu noch größeren Einbußen.
Schließlich erhöht die Schwerbehinderung die Schutzwürdigkeit der Klägerin.
Dieses Kriterium stellt auf besondere Probleme dieses Personenkreises ab, von
einem anderen Arbeitgeber neu eingestellt zu werden und einen behindertengerechten Arbeitsplatz zu erhalten, und bedenkt typisierend auch die Schwierigkeiten des schwerbehinderten Menschen, von seinem arbeitsplatzbezogen
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gewählten Wohnort zu einem anderen Arbeitsort zu gelangen oder einen Wohnungswechsel wegen einer neuen Arbeitsstelle vorzunehmen.
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Der Umstand, dass die Mitarbeiterin X. gegenüber ihrer 19jährigen
Tochter unterhaltspflichtig ist, lässt die Sozialauswahl nicht als ausreichend erscheinen.
Die Beklagte gesteht zu, dass die Klägerin ihrem Ehemann ebenfalls zum Unterhalt verpflicht ist, meint jedoch, dass der Ehepartner in weit größerem Umfang finanziell in der Lage sei, zum Familienunterhalt beizutragen. Die Klägerin
hält entgegen, dass die Unterhaltspflicht der Mitarbeiterin X. „letztlich theoretisch sei, da [unwidersprochen] der Kindesvater regelmäßig den von ihm geschuldeten Kindesunterhalt zahle“. Die Kammer teilt nicht die Einschätzung der
Beklagten zur tatsächlichen oder potentiellen finanziellen Leistungsfähigkeit
eines (älteren) Ehepartners einerseits und eines 19jährigen Kindes andererseits. Im Einzelfall können beide dem Arbeitnehmer auf der Tasche liegen,
kostenneutral oder ihm zusätzliche finanzielle Unterstützung sein. Mangels entsprechenden Parteivorbringens gibt es im Streitfall keine Anhaltspunkte für das
eine oder andere. Nach Dafürhalten der Kammer fällt die Gewichtung der Unterhaltspflicht auch nicht im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG ohne weiteres gegen
den verheirateten Arbeitnehmer ohne Kind und für den unverheirateten Arbeitnehmer mit Kind aus (vgl. BAG, Urteil vom 05.12.2002, a.a.O.; zur Doppelverdiener-Problematik: Kammerurteil vom 25. August 2004, a.a.O., LAG Düsseldorf, Urteil vom 04.11.2004, 11 Sa 957/04, LAGE Nr. 47 zu § 1 KSchG Soziale
Auswahl). Das gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – das unterhaltsberechtigte
Kind volljährig ist und üblicherweise erwartet werden kann, dass es in absehbarer Zeit in der Lage sein wird, selbst für den eigenen Unterhalt aufzukommen.
Der Streitfall erfordert indessen keine endgültige Stellungnahme. In den drei
Sozialkriterien Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Schwerbehinderung bestehen Unterschiede zu Gunsten der Klägerin, die, was für das Lebensalter und
die Schwerbehinderung gilt, schon in der Einzelbetrachtung signifikant sind und
erst recht in der Gesamtschau ganz erheblich sind. Was die isolierte Betrachtung der Unterhaltspflichten anbelangt, vermag die Kammer aus dem Vortrag
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der Parteien jedenfalls nicht auf eine insoweit deutlich höhere Schutzwürdigkeit
der Mitarbeiterin X. gegenüber der Klägerin zu schließen. Selbst wenn man annimmt, dass bei der Sozialauswahl der unverheiratete Arbeitnehmer mit Kind
gegenüber dem verheirateten Arbeitnehmer ohne Kind punkten kann, bewegt
sich angesichts der übrigen, für die Klägerin sprechenden Kriterien die von der
Beklagten getroffene Auswahl nicht mehr innerhalb des allgemeinen Beurteilungsspielraums des kündigenden Arbeitgebers.
II.
Die Kosten der erfolglosen Berufung hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die
Beklagte zu tragen.
Die Kammer erachtet die aufgeworfenen Rechtsfragen zu § 1 Abs. 3 Satz 1
KSchG für entscheidungserheblich und misst ihnen grundsätzliche Bedeutung
bei. Daher lässt sie für die Beklagte die Revision zu, § 72 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1
ArbbGG .
III.
RECHTSMITTELBELEHRUNG:
Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
REVISION
eingelegt werden.
Für die Klägerin ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Revision muss
innerhalb einer Notfrist von einem Monat
nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
Bundesarbeitsgericht,
Hugo-Preuß-Platz 1,
99084 Erfurt,
Fax: (0361) 2636 - 2000
eingelegt werden.
Die Revision ist gleichzeitig oder
innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils
schriftlich zu begründen.
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei
einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
Dr. Plüm
Murach
Franken
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