BAND 67 BAND 6 7

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BAND 67
BAND 67
Woher kamen die Hunnen und warum waren sie so gefürchtet? Warum
drängten die Westgoten ins Römische Reich? Wie reagierten die Römer
auf den Ansturm der „Barbaren“? Warum plünderten die Vandalen Rom?
Wie haben die großen Wanderungsbewegungen Europa verändert?
Die Völkerwanderungszeit bildet die Nahtstelle zwischen der Welt
der Antike und dem Europa des frühen Mittelalters. Dr. Michael
Dr. Michael Schmauder
Schmauder, Historiker und Archäologe am Rheinischen Landesmuseum in Bonn (Landschaftsverband Rheinland), gibt einen
spannenden Einblick in diese Zeit des Umbruchs – von den
ersten Einfällen der Hunnen über die Wanderzüge der
germanischen Völker bis zur Gründung des Frankenreiches, dem neuen Machtzentrum Europas.
In dieser Reihe bereits erschienen:
Band 1 Unsere Erde
Band
2 Der Mensch
Band
3 Energie
Band
4 Chemie
Band
5 Entdecker und ihre Reisen
Band
6 Die Sterne
Band 7 Das Wetter
Band
8 Das Mikroskop
Band
9 Der Urmensch
Band 10 Fliegerei und Luftfahrt
Band 11 Hunde
Band 12 Mathematik
Band 13 Wilde Tiere
Band 14 Versunkene Städte
Band 15 Dinosaurier
Band 16 Planeten und Raumfahrt
Band 17 Licht und Farbe
Band 18 Der Wilde Westen
Band 19 Bienen, Wespen und
Ameisen
Band 20 Reptilien und
Amphibien
Band 21 Der Mond
Band 23 Architektur
Band 24 Elektrizität
Band 25 Schiffe
Band 27 Pferde
Band 28 Akustik
Band 29 Wissenschaften
Band 30 Insekten
Band 31 Bäume
Band 32 Meereskunde
Band 33 Pilze
Band 34 Wüsten
Band 35 Erfindungen
Band 36 Polargebiete
Band 37 Computer und Roboter
Band 38 Säugetiere der Vorzeit
Band 39 Magnetismus
Band 40 Vögel
Band 41 Fische
Band 42 Indianer
Band 43 Schmetterlinge
Band 44 Die Bibel.
Das Alte Testament
Band 45 Mineralien und Gesteine
Band 46 Mechanik
Band 47 Elektronik
Band 48 Luft und Wasser
Band 49 Sport
Band 50 Der menschliche Körper
Band 51 Muscheln, Schnecken,
Tintenfische
Band 52 Briefmarken
Band 53 Das Auto
Band 54 Die Eisenbahn
Band 55 Das alte Rom
Band 56 Ausgestorbene
und bedrohte Tiere
Band 57 Vulkane
Band 58 Die Wikinger
Band 59 Katzen
Band 60 Die Kreuzzüge
Band 61 Pyramiden
Band 62 Die Germanen
Band 63 Fotografie
Band 64 Die alten Griechen
Band 65 Eiszeiten
Band 66 Geschichte der Medizin
Band 67 Die Völkerwanderung
Band 68 Natur
Band 69 Fossilien
Band 70 Das alte Ägypten
Band 71 Piraten
Band 72 Heimtiere
Band 73 Spinnen
Band 74 Naturkatastrophen
Band 75 Fahnen und Flaggen
Band 76 Die Sonne
Band 78 Geld
Band 79 Moderne Physik
Band 80 Tiere – wie sie sehen,
hören und fühlen
Band 81 Die sieben Weltwunder
Band 82 Gladiatoren
Band 83 Höhlen
Band 84 Mumien
Band 85 Wale und Delfine
Band 87 Türme und
Wolkenkratzer
Band 88 Ritter
Band 89 Menschenaffen
Band 90 Der Regenwald
Band 91 Brücken und Tunnel
Band 92 Papageien und Sittiche
Band 93 Die Olympischen Spiele
ISBN 978-3-7886-0407-3
00995
09 070803070808 060004000703
Europreis [D]
08/10
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www.wasistwas.de
Band 94 Samurai
Band 95 Haie und Rochen
Band 96 Schatzsuche
Band 97 Zauberer, Hexen
und Magie
Band 98 Kriminalistik
Band 99 Sternbilder und
Sternzeichen
Band 100 Multimedia und
virtuelle Welten
Band 101 Geklärte und
ungeklärte Phänomene
Band 102 Unser Kosmos
Band 104 Wölfe
Band 105 Weltreligionen
Band 106 Burgen
Band 107 Pinguine
Band 108 Das Gehirn
Band 109 Das alte China
Band 110 Tiere im Zoo
Band 112 Fernsehen
Band 113 Europa
Band 114 Feuerwehr
Band 115 Bären
Band 116 Musikinstrumente
Band 117 Bauernhof
Band 118 Mittelalter
Band 119 Gebirge
Band 120 Polizei
Band 121 Schlangen
Band 122 Bionik
Band 123 Päpste
Band 124
Band 125
Band 126
Band 127
Band 128
Band 129
Bergbau
Klima
Deutschland
Ernährung
Hamster, Biber und andere Nagetiere
Lkw, Bagger und Traktoren
BAND 67
SEHEN | HÖREN || MITMACHEN
SEHEN
MITMACHEN
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02.06.2010
13:58 Uhr
Seite 3
Inhalt
Die Hunnen kommen!
4
5
Wie begann die Völkerwanderung?
Die Völkerwanderung
Europa vor der Völkerwanderung
Welches Reich beherrschte weite Teile Europas?
Wie lebten Römer und Germanen miteinander?
Wie reagierten die Römer auf die Einfälle der
Barbaren?
Warum wurde das Römische Reich geteilt?
Menschen auf Wanderschaft
6
6
7
9
9
Sturm über Europa
Wer waren die Hunnen?
Wie lebten die Hunnen?
Was sagen die antiken Schriftsteller über die
Hunnen?
Warum waren die Hunnen so gefürchtete
Krieger?
14
14
15
16
Eine gefürchtete Waffe: der Reflexbogen
17
Wie bedrohten die Hunnen das Römische Reich? 18
Wie kam Attila an die Macht?
19
War Attila eine Bedrohung für das Römische
Reich?
20
Wie endete die hunnische Herrschaft in
Südosteuropa?
21
Die Goten
Was geschah mit dem Ostgotenkönig
Ermanerich?
24
Warum drängten die Westgoten ins Römerreich? 25
Die Gotensage
25
Warum zogen die Westgoten nach Italien?
26
Die Germanen – wie sie
lebten 10–13
Völkergemisch 10
Kleidung, Runen 11
Handwerk 12
Handel 13
Bewaffnung 13
Wer war Alarich?
Wo entstand das Reich der Westgoten?
Wie eroberte Theoderich der Große Italien?
Wie herrschte Theoderich der Große in Italien?
Wie endete das Reich der Ostgoten in Italien?
27
28
28
30
31
Die Vandalen
Wie kamen die Vandalen nach Spanien?
Warum verließen die Vandalen Spanien?
Wie lebten die Vandalen in Nordafrika?
Warum plünderten die Vandalen Rom?
Wer zerstörte das vandalische Reich?
34
35
36
37
37
Die Langobarden
Woher haben die Langobarden ihren Namen?
Woher kamen die Langobarden?
Warum verließen die Langobarden Ungarn?
Warum eroberte Alboin Italien?
Wie verlief die Eroberung Italiens?
Experimentelle Archäologie
38
39
39
40
41
41
Angeln, Sachsen und Franken
Wie wurde England erobert?
42
Was geschah mit den Bewohnern Englands? 43
Das Schiffsgrab von Sutton Hoo
43
Wie entstand das fränkische Reich?
44
Europa nach der Völkerwanderung
Wie hat die Völkerwanderung Europa
verändert?
Welche neue Macht entstand im Osten?
46
47
Zeittafel, Index
48
Auf Spurensuche 22–23
Schriftquellen 22
Grabfunde 22
Luftbildarchäologie 22
Geoelektrik und
Radar 23
Phosphatanalyse 23
Germanen und
Christentum 32–33
Germanische Götter 32
Christianisierung 32
Arianismus 33
Bestattungen 33
3
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Leder gegerbt, das vielfältig verarbeitet
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Zwischen Römern und Germanen wurde
wurde: Man nähte daraus Kleidung, be-
ein reger Han-
HANDEL
spannte Schilde oder stellte Schwert-
del betrieben.
scheiden her. Die Keramik für den Haus-
Die Germanen lieferten Pelze, Bernstein
gebrauch wurde entweder nur mit der
und Sklaven – meist Gefangene, die sie
Hand geformt oder auf der Töpferscheibe
auf Kriegszügen gemacht hatten. Im Ge-
gedreht. Auch die Glasherstellung war
genzug erhielten sie vor allem Lebensmit-
den Germanen bekannt, neben Perlen
tel. Die meisten Waren wurden getauscht,
fertigten sie auch Trinkgläser an.
Geld hatte als Zahlungsmittel für die Bar-
Geschickt waren die germanischen
baren nur wenig Bedeutung. Sie schätz-
Handwerker auch in der Metallverarbei-
ten die römischen Münzen jedoch als
tung. Sie verstanden es, verschiedene
Rohstoff, zum Beispiel für die Herstellung
Metalle miteinander zu verschmelzen (zu
von Fibeln. Auch römische Luxusgüter wie
„legieren“), um auf diese Weise die für
wertvolle Keramik- und Metallgefäße,
unterschiedliche Gegenstände notwendi-
Glasprodukte und Schmuck waren bei den
ge Härte und Biegsamkeit des Metalls zu
Germanen beliebt. Oft erhielten einfluss-
erlangen. Bei der Herstellung von Waffen
reiche Persönlichkeiten unter ihnen sol-
hochwertige
erreichten sie allerdings nicht die Qua-
che wertvollen Dinge als Geschenke vom
römische Eisen oder das
lität der römischen Waffenschmiede.
römischen Staat. Bei manchen Produkten
Wissen über den Bau von
Waffen aus dem Römischen Reich waren
und handwerklichen Kenntnissen war ei-
Schiffen keinesfalls die
daher höchst begehrt, ob als Handelswa-
ne „Ausfuhr“ aus dem Römischen Reich
Grenzen des Reiches ver-
re oder als Beute bei Kriegszügen.
jedoch bei Strafe verboten: So durften das
lassen.
Die wichtigsten Waffen der
Germanen waren Schwert
BEWAFFNUNG
Luxusgüter – hier fränkische Gläser (6. Jh.)
und eine römische Silberkanne (5. Jh.) –
waren bei den Germanen als Geschenke
und Handelsgüter sehr begehrt.
Stoßen als auch zum Schlagen diente.
Die Franken verwendeten häufig eine
(Spatha), Lanze und Bogen. Als Schutz diente
Wurfaxt, die sogenannte Franziska. Saxe und
ein Schild, der durch einen Schildbuckel –
Wurfäxte waren aber auch bei anderen germani-
meist aus Eisen – verstärkt war. Auch eine
schen Völkern in
Körperpanzerung gab es. So hatten die Lango-
Gebrauch.
barden Panzer aus länglichen Metallplat-
Rechts: germanische
Spatha (Original und
Rekonstruktion)
ten, die schuppenartig übereinanderlagen. Helme trugen wohl nur die
Krieger der Oberschicht.
Fränkischer
Krieger
Welche Waffen im Kampf verwendet wurden, konnte bei den verschiedenen Völkern ganz unterschiedlich sein. Die Goten, deren
Stärke besonders die berittenen
Krieger waren, verwendeten im
Kampf eine Stoßlanze (Contus).
Ziel war es, den Gegner mit der
Lanze zu durchbohren oder ihn aus
dem Sattel zu heben. Die Hauptwaffe der Sachsen war ein Kurzschwert, der Sax, das nur eine
Pfeile und Bogen
(Rekonstruktion)
Schneide hatte und sowohl zum
Spangenhelm eines
Germanen
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Sturm über Europa
Die Hunnen treten erstmals um
370 ins Licht der
europäischen Geschichte. Aus den
Wer waren
die Hunnen?
Steppengebieten
nördlich des Kaspischen Meeres
kommend, überquerten sie die Wolga
und fielen in die südrussische Steppe
ein. Als Erstes trafen sie auf die
Alanen, ein Reitervolk iranischen Ursprungs, das mit seinen Viehherden
nördlich des Kaukasus und entlang
der Schwarzmeerküste lebte. Die
Alanen waren gefürchtete Krieger,
dennoch unterlagen sie den Hunnen.
Im Jahr 375 n. Chr. wurde schließlich
auch die ganze antike Welt auf die
Hunnen aufmerksam: Im Handstreich
hatten sie das Großreich des ostgotischen Königs Ermanerich erobert.
Schon bald sollte sich ein Flüchtlingsstrom nach Westen bewegen.
14
Wie viele andere Völker jener Zeit
waren die Hunnen aber kein einheitliches Volk. Sie sahen auch nicht alle
asiatisch aus, wie viele Leute meinen.
Neben einem Kern asiatischer Völker
gehörten schon bald Alanen und Sarmaten, Ostgoten und Gepiden zu ihnen – Völker, deren Gebiete sie erobert hatten und die sich den Siegern
anschließen mussten.
Die Hunnen waren ausgezeichnete Reiter. Sie saßen so sicher
im Sattel, als wären sie mit
ihren Pferden verwachsen.
DIE HERKUNFT DER
HUNNEN ist ungeklärt. Früher
hielt man sie für Nachfahren
eines Volkes namens Xiungnu, das bereits im 2. Jahrhundert vor Christus in chinesischen Quellen erwähnt wird.
Das meiste, was wir über die
Hunnen wissen,
stammt aus der
Feder antiker
Wie lebten
die Hunnen?
Geschichtsschreiber, denn
die
Hunnen
selbst haben kaum Spuren hinterlassen. Sie waren Reiternomaden, hatten also keine festen Wohnsitze. Alles, was sie besaßen, mussten sie
jederzeit mit sich nehmen können.
Heute vermutet man eher, dass
die Hunnen zu einem größeren
locker zusammenhängenden
Verbund unterschiedlicher
Völker gehörten, die in Mittelasien lebten. Erst im 4. Jahrhundert bildete sich dann in
den Steppengebieten nördlich
des Kaspischen Meeres jenes
Volk heraus, das in den
lateinischen Quellen „huni“ –
Hunnen – genannt wird.
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Kämpfende Reiternomaden auf einem
Stofffragment (um 600). Unten im Bild:
ein reiternomadischer Herrscher.
DIE SPÄTANTIKEN
QUELLEN liefern uns wichtige
Hinweise zum Aussehen und
zur Kleidung der Hunnen.
Demnach trugen die Männer
weite Hosen und ein langärmeliges Obergewand, das auf
der Vorderseite übereinandergeschlagen und mit einem
Gürtel in der Taille verschlossen wurde. Die Haare hatten
sie an der Stirn rasiert und am
Hinterkopf zu einem Zopf zusammengebunden. Als Kopfbedeckung trugen sie häufig
eine Kappe.
Mit ihren Viehherden zogen sie
durch die weiten Steppengebiete, die sich über viele Tausend
Kilometer von Asien bis nach
Europa erstrecken. Ihr größter
Reichtum waren ihre Pferdeherden. In den Weiten der Steppen
konnten die Hunnen nur überleben, indem sie sich bestens an
die Bedingungen der Natur anpassten. Das Wissen um geeignetes Weideland und um Wasserstellen für das Vieh war von
entscheidender Bedeutung. Immer wieder mussten sie ihre Herden
vor feindlichen Angreifern und Pferdedieben schützen.
Ein Großteil des Lebens spielte sich
auf dem Pferderücken ab. Mehrfach
beschreiben die antiken Autoren die
große Verbundenheit zwischen
Mensch und Tier. Der Historiker Ammianus Marcellinus berichtet über die
Hunnen: „Auf ihren abgehärteten, doch
unschönen
Pferden sitzen sie wie angegossen.
Vom Pferd aus wird (...) gekauft und
verkauft, dort wird gegessen und getrunken, und auf dem schmalen Hals
des Tiers wird geschlafen.“
Die
spätantiken Schriftsteller
schildern uns
die Hunnen als
Was sagen die
antiken Schrift- ein rohes, unsteller über die
zivilisiertes und
Hunnen?
grausames Volk.
Dieses Bild ist
allerdings von den jahrhundertealten
Vorurteilen gegenüber den „Skythen“, den reiternomadisch lebenden
Völkern, geprägt. Den ausführlichsten Bericht über die Lebensweise von
Hunnen und Alanen liefert uns Ammianus Marcellinus. In seinem bedeutenden Werk „Res Gestae“
(Die Taten) behandelt er die römische Geschichte vom Jahr 96
bis zum Jahr 378. Allerdings
hat man bei ihm den Eindruck,
Hunnische Kupferkessel, die vielleicht religiösen Zwecken dienten. Sie sind aus mehreren gegossenen Teilen zusammengelötet.
Schwerter wie das links abgebildete waren
typisch für die Reitervölker des Ostens.
Vielleicht hat dieses Schwert einmal einem
Alanen oder Hunnen gehört.
15
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Heutige Reiternomaden in der Mongolei. Noch
immer spielt sich ein Großteil ihres Lebens auf
dem Pferderücken ab.
dass er die Hunnen, die Feinde der
Römer, so abstoßend wie möglich
darstellen möchte: „Das Leben der
Hunnen vollzieht sich in einem Zustand unbeschreiblicher Wildheit.
Den Jungen werden schon nach der
Geburt mit einem Messer tiefe Furchen in die Wangen geschnitten, damit der Bartwuchs dadurch gehemmt
wird. Alle besitzen sie gedrungene,
starke Arme und Beine sowie
einen muskulösen Nacken
und sind so entsetzlich entstellt und gekrümmt, dass
14:00 Uhr
Seite 16
man sie für zweibeinige Bestien oder
roh behauene Steinblöcke halten
könnte. Durch ihre Lebensweise sind
sie so abgehärtet, dass sie kein Feuer und keine gewürzte Speise brauchen. Sie leben von den Wurzeln wilder Kräuter und halbrohem Fleisch,
das sie zwischen ihre Schenkel und
den Pferderücken legen und etwas
erwärmen. (...) Ruhelos schweifen sie
durch Berge und Wälder und sind
von klein auf gewöhnt, Kälte, Hunger und Durst zu ertragen.“
Dass die Hunnen jedoch keineswegs so unzivilisiert und wild waren,
wie Ammianus seine Leser glauben
machen wollte, zeigen schon ihre
große Kunstfertigkeit in der Herstellung von Waffen und Schmuck oder
ihre hervorragenden Fähigkeiten in
der Kriegsführung.
TURMSCHÄDEL
Die künstliche Verformung des
Schädels war in der Völkerwanderungszeit sehr beliebt.
Lang gestreckte „Turmschädel“ galten als schön. Schon
bei Säuglingen wurde der
Schädel durch straffe Bandagen und dünne Holzbrettchen
verformt, um eine lang
gestreckte Form zu erreichen.
Die starke Verbundenheit mit dem
Pferd und die
Notwendigkeit,
Warum waren
ihre Viehherden
die Hunnen so
gefürchtete
schützen
zu
Krieger?
müssen, hatte
die Hunnen zu
ausgezeichneten und äußerst gefährlichen Reiterkriegern gemacht. Sie
Die Sitte stammte vermutlich
aus dem Gebiet nördlich des
Schwarzen Meeres. Mit dem
Vordringen der Hunnen gelangte sie nach Südosteuropa
und verbreitete sich auch bei
den germanischen Völkern.
Die Grassteppe ist
der Lebensraum
der Reiternomaden.
Links: Blick in eine
Jurte. Vermutlich
besaßen die Hunnen ähnliche Rundzelte, die leicht aufund abgebaut werden konnten.
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KIMMERER UND SKYTHEN
besaßen auch bemerkenswerte taktische
Fähigkeiten. So griferste reiternomadische Volk,
fen die Hunnen nicht
das in Europa Angst und
als große geschlosseSchrecken verbreitete. Schon
ne Streitmacht an,
im 8. Jahrhundert v. Chr. stieß
sondern teilten sich
das Reitervolk der Kimmerer
in kleinere Gruppen
bis nach Südosteuropa vor.
von 500 bis 1 000
Um 700 v. Chr. erschienen die
Kriegern auf, die aus
Skythen am Schwarzen Meer.
verschiedenen RichDer Name „Skythen“ wurde
tungen auf den Gegspäter auch oft auf andere Völner
einstürmten.
ker übertragen, deren LebensNoch bevor die Hunweise reiternomadisch geprägt
nen in die Reichweite Reiternomaden in Afghanistan bei dem Reiterspiel „Bozkashi“
war. So werden in manchen
ihrer Feinde gelangten, ließen sie be- Wer nun aber dachte, die Hunnen
spätantiken Schriften die
reits einen wahren Hagelsturm aus würden fliehen, und ihnen nachsetzHunnen und auch die Goten
Pfeilen auf diese niederprasseln. Wie- te, wurde schnell eines Besseren beals Skythen bezeichnet.
der und wieder kam der Reflexbogen, lehrt: Die scheinbare Flucht war nur
die gefürchtete Waffe der Hunnen, eine Finte. In einem Hinterhalt lauerzum Einsatz. Für den Gegner war ten weitere hunnische Truppen. In
blinder Angriff die einzige Möglich- Windeseile verwandelte sich nun der
keit, dem Pfeilhagel ein Ende zu be- scheinbar völlig chaotische Haufen
reiten. Doch da verschwanden die aus Menschen und Tieren wieder in
hunnischen Krieger plötzlich ebenso eine geordnete Schlachtaufstellung –
schnell, wie sie gekommen waren. und wie der Sturmwind brachen die
hunnischen Kriegerscharen erneut
EINE GEFÜRCHTETE WAFFE: DER REFLEXBOGEN
über den völlig überrumpelten Gegner herein. Erst wenn es unter den
Die herausragende Waffe der Hunnen war der Reflexbogen. Zwischen 60 und
Feinden schon viele Tote und Ver160 Zentimeter lang, bestand er aus mehreren dünnen Holz-, Sehnen- und
wundete gegeben hatte, suchten die
Hornschichten, die ihn extrem stabil und gleichzeitig biegsam machHunnen den Nahkampf. Dann katen. Bis zu zehn Jahre konnte die Anfertigung eines solchen Bogens
men auch ihre Stoßlanzen
in Anspruch nehmen. Mit seiner enorm hohen Durchschlagsund ihre bis zu einem
kraft – die Pfeile mit den berüchtigten dreiflügeligen PfeilMeter langen, geraden
spitzen flogen bis zu 500 Meter weit –
Schwerter zum Einsatz.
war der Reflexbogen eine
Diese Überraschungsäußerst gefährliche Ferntaktik war einer der
waffe. Er konnte auch
Gründe
für
die
bestens vom Pferd aus vergroßen militärischen
wendet werden. Die Hunnen
Erfolge der Hunnen. Am
waren treffsichere und schnelle
Ende des 4. und zu BeSchützen: Bis zu zwanzig Pfeile
ginn des 5. Jahrhunderts
vermochte ein hunnischer Krieger in
konnten sie zahlreiche Völder Minute abzuschießen, und dies
ker unterwerfen. Der Krieg, das
sowohl nach vorn
Plündern und Beutemachen, wurde
als auch nach hinten
mehr und mehr zu ihrer Lebens- und
gewandt.
Herrschaftsgrundlage.
Die Hunnen waren nicht das
17
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Um 350 Die Hunnen erscheinen am
Kaspischen Meer. Einfälle der
Sachsen, Angeln und Jüten in
Britannien.
367–369 Gotenkriege des römischen
Kaisers Valens.
375 Die Hunnen erobern das
Reich des Ostgotenkönigs Ermanerich. Ein
Großteil der Ostgoten
wird unterworfen.
376 Die Westgoten fliehen
über die Donau.
378 Schlacht bei Adrianopel: Sieg der Westgoten
über die Armee von Kaiser Valens, Tod Valens’.
379–395 Theodosius I., der Große.
382 Theodosius der Große siedelt
die Westgoten im Norden der
Provinz Thrakien an.
391–403 Plünderungszüge des Westgotenkönigs Alarich I. auf dem
Balkan und in Italien.
395 Theodosius der Große stirbt.
Das Römische Reich wird geteilt: Honorius (bis 423) übernimmt das Westreich, Arkadius
(bis 408) das Ostreich.
406 Vandalen, Alanen und Sueben
überschreiten den Rhein.
408 Ermordung Stilichos; Theodosius II. wird Kaiser von Ostrom.
409 Vandalen, Alanen und Sueben
dringen in Spanien ein.
410 Alarich erobert Rom. Die letzten römischen Truppen verlassen Britannien.
Index
A
ëtius, Feldherr 18, 20
Alamannen 7, 45
Alanen 10, 14, 15, 24, 34,
43
Alarich, Westgotenkg.
27, 28
Alaviv, Westgote 5, 25, 26
Alboin, Langobardenkg.
39–41
Amalasuintha 31
Ammianus Marcellinus,
Geschichtsschreiber 15
Angeln 42, 43, 46
Araber 47
Ardarich, Gepidenkg. 19,
21
Arianismus 30, 33, 36, 45
Arkadius, Kaiser 26, 48
Athanarich, Westgote 4,
25
Athaulf, Westgotenkg. 28
Attila, Hunnenherrscher
19–21, 29, 35
48
Audoin, Langobardenkg.
39
Augustinus, Bischof 35
Awaren 39–41, 46
B
arbaren 6, 22
Belisar, Feldherr 37
Bleda, Hunnenherrscher
19
Burgunder 19, 44
C
hilderich, Frankenkg.
44
Chlodwig, Frankenkg. 44,
45
Christentum 32, 33
D
E
iokletian, Kaiser 8
rmanerich, Ostgotenkönig 14, 24
Eurich, Westgotenkg. 28
F
ranken 7, 13, 44–46
Fritigern, Westgote 4, 5,
25, 26
14:05 Uhr
Seite 48
Zeittafel
418
Ansiedlung der Westgoten in
Südfrankreich. Gründung des
Tolosanischen Reiches mit der
Hauptstadt Toulouse.
425–455 Valentinian III.
429 Überfahrt der Vandalen von
Gibraltar nach Afrika.
439 Einnahme von Karthago durch
die Vandalen.
442 Schwere Sachseneinfälle in
Britannien.
Nach 450 Sachsen, Angeln und Jüten
erobern weite Teile Britanniens
und gründen zahlreiche Kleinreiche.
450 Theodosius II. stirbt.
451/52 Attila unternimmt einen
Feldzug nach Frankreich und
Italien.
451 Aëtius besiegt Attila auf
den Katalaunischen
Feldern.
453 Tod Attilas.
454 Ermordung von
Aëtius.
454/55 Ostgoten und
Hunnen werden von
germanischen Völkern geschlagen.
455 Die Vandalen erobern Rom.
456 Ansiedlung der Ostgoten im
westlichen Ungarn (bis 473).
474–491 Kaiser Zeno.
476 Odoaker setzt den letzten
G
alla Placidia, Kaiserin
18, 27, 28, 35
Geiserich, Vandalenkg.
35–37
Gelimer, Vandalenkg. 37
Gepiden 7, 14, 21, 24,
39–41
Germanen 6, 7, 10–13, 19,
21, 25, 32, 33, 42, 43
Goten 10, 13, 15, 24–34, 43
H
adrian, Kaiser 42
Hadrianswall 7, 42
Heerkönigtum 26
Honorius, Kaiser 25–27,
28, 31, 34
Hunnen 4, 14–21, 24, 25,
29, 34
I
J
slam 47
ordanes, Geschichtsschreiber 21, 25, 28, 35
Julius Cäsar, Feldherr 10
Justinian I., Kaiser 31, 37
Jüten 42, 43, 46
K
arl der Große,
Frankenkönig 45
Karthago 35–37
Konstantin I., Kaiser 8,
9, 33
Konstantinopel 9, 18, 28,
29, 37, 47
Konstantius, Feldherr 28,
34
L
azius, Wolfgang 5
Lamellenhelm 40
Lamellenpanzer 40
Langobarden 13, 31,
38–41, 46
Leo I., Papst 20, 37
Limes 7
Luftbildarchäologie 22
M
arkian, Kaiser 20
Markomannen 7
Mohammed, Prophet 47
N
arses, Feldherr 31
Nibelungenlied 19
weströmischen Kaiser Romulus
Augustulus ab. Ende des Weströmischen Reiches.
477 Tod Geiserichs.
488/89 Die Ostgoten unter Theoderich dem Großen ziehen nach
Italien; die Langobarden besetzen Niederösterreich.
497 Kaiser Anastasius erkennt die
Herrschaft Theoderichs des
Großen in Italien an.
507 Sieg der Franken über die
Westgoten; Ende des Tolosanischen Reiches.
508/09 Sieg der Langobarden über
die ostgermanischen Heruler.
Taufe Chlodwigs (508).
526 Tod Theoderichs des Großen.
526/27 Besetzung Westungarns
durch die Langobarden.
527–565 Kaiser Justinian I.
533–534 Eroberung des Vandalenreiches durch den oströmischen
Feldherrn Belisar.
536–552 Oströmische Truppen
erobern Italien zurück.
547/548 Besetzung Südungarns
durch die Langobarden.
567 Sieg der Langobarden über die
Gepiden.
568 Die Langobarden erobern weite
Teile Italiens.
507–711/20 Reich der Westgoten in
Spanien bis zur arabischen Eroberung (Hauptstadt: Toledo).
774 Karl der Große erobert das
Langobardenreich.
O
din 32
Odoaker 30, 39
Omaiyaden 47
Opfer 32
Ostgoten 4, 14, 19, 21,
24, 25, 28–31, 34, 41
Skythen 15
Slawen 47
Stilicho,
Feldherr 25, 31
Sueben 34, 41
P
T
aulus Diakonus,
Geschichtsschreiber
38, 39
Phosphatanalyse 22, 23
Priskus, Gesandter 19
R
heoderich, Ostgotenkönig 28–31, 33, 41
Theodosius I., Kaiser 9,
26, 27, 28, 33
Theodosius II., Kaiser 20
V
avenna 28–32, 37
Reiternomaden 14–17
Rom 6, 20, 27, 36, 37
Romulus Augustulus,
Kaiser 30
Ruga, Hunnenherrscher
18, 19
Runen 11, 32
alamir, Ostgotenkg. 19
Valens, Kaiser 5, 25, 26
Valentinian III., Kaiser
20, 28, 37
Vandalen 7, 10, 25, 34–
37, 38, 43
Vandalismus 37
S
estgoten 4, 5, 18,
24–28, 34, 46, 47
Wodan 32, 38
Wulfila 33
achsen 13, 42, 43, 46
Sarmaten 14, 21, 41
Sax 13, 42, 43
Schriftquellen 22
W
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