2 Induktive Statistik Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.1 Grundprinzipien der induktiven Statistik 2.1 Grundprinzipien der induktiven Statistik Ziel: Inferenzschluss, Repräsentationsschluss: Schluss von einer Stichprobe auf Eigenschaften der Grundgesamtheit, aus der sie stammt. • Von Interesse sei ein Merkmal X̃ in der Grundgesamtheit Ω̃. • Ziehe eine Stichprobe (ω1, . . . , ωn) von Elementen aus Ω̃ und werte X̃ jeweils aus. • Man erhält Werte x1, . . . , xn. Diese sind Realisationen der i.i.d Zufallsvariablen oder Zufallselemente X1, . . . , Xn, wobei die Wahrscheinlichkeitsverteilung der X1, . . . , Xn genau die Häufigkeitsverhältnisse in der Grundgesamtheit widerspiegelt. 2 Induktive Statistik 212 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende Deduktion wahre Verhältnisse in Gg (Wahrscheinlichkeitstheorie) gegeben: wahre Wskverteilung P ⇓ ↓ Berechnung Zufallsvariable X1, . . . , Xni.i.d. ∼P ⇓ gesucht: P (X1 = x1, . . . , Xn = xn) für alle möglichen Realisationen x1, . . . , xn 2 Induktive Statistik 2.1 Grundprinzipien der induktiven Statistik Induktion (Statistik) gesucht: ⇑ Repräsentationsschluss Inferenzschluss ⇑ gegeben: x1 , . . . , x n eine konkrete Realisation 213 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.1 Grundprinzipien der induktiven Statistik Die Frage lautet also: wie kommt man von Realisationen x1, . . . , xn von i.i.d. Zufallsvariablen X1, . . . , Xn auf die Verteilung der Xi? • Dazu nimmt man häufig an, man kenne den Grundtyp der Verteilung der X1, . . . , Xn. Unbekannt seien nur einzelne Parameter davon. Beispiel: Xi sei normalverteilt, unbekannt seien nur µ, σ 2. =⇒ parametrische Verteilungsannahme (meist im Folgenden) • Alternativ: Verteilungstyp nicht oder nur schwach festgelegt (z.B. symmetrische Verteilung) =⇒ nichtparametrische Modelle • Klarerweise gilt im Allgemeinen (generelles Problem bei der Modellierung): Parametrische Modelle liefern schärfere Aussagen – wenn ihre Annahmen zutreffen. Wenn ihre Annahmen nicht zutreffen, dann existiert die große Gefahr von Fehlschlüssen. 2 Induktive Statistik 214 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.1 Grundprinzipien der induktiven Statistik Wichtige Fragestellungen der induktiven Statistik: Treffe mittels der Auswertung einer Zufallsstichprobe • möglichst gute/genaue ? ? ? • Aussagen ?? • über bestimmte Charakteristika ? der Grundgesamtheit. ? Welche Charakteristika sind für die Fragestellung relevant? Natürlich werden für die Inferenz bezüglich des Erwartungswerts andere Methoden als für Schlüsse über die Varianz benötigt. ?? verschiedene Formen: – Punktschätzung: z.B. wahrer Anteil 0.4751 – Intervallschätzung: z.B. wahrer Anteil liegt zwischen 0.46 und 0.48 – Hypothesentest: Die Annahme, der Anteil liegt höchstens bei 50% kann nicht aufrecht erhalten werden ? ? ? Was heißt gut? – Festlegung von Gütekriterien “(Genauigkeit? Wahrscheinlichkeit eines Fehlers gering?) ” – Wie konstruiert man ein gutes/optimales Verfahren? – Sicherheitsstellung der Objektivität der statistischen Analyse“. Jeder wendet das beste Verfahren ” an ⇒ gleiche Auswertung 2 Induktive Statistik 215 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung 2.2 Punktschätzung Ziel: Finde einen möglichst guten Schätzwert für eine bestimmte Kenngröße ϑ (Parameter) der Grundgesamtheit, z.B. den wahren Anteil der rot/grün-Wähler, den wahren Mittelwert, die wahre Varianz, aber auch z.B. das wahre Maximum (Windgeschwindigkeit). 2.2.1 Schätzfunktionen Gegeben sei die in Kapitel 2.1 beschriebene Situation, also eine i.i.d. Stichprobe X1, . . . , Xn eines Merkmales X̃ . Definition 2.1. Sei X1, . . . , Xn i.i.d. Stichprobe. Eine Funktion T = g(X1, . . . , Xn) heißt Schätzer oder Schätzfunktion. Inhaltlich ist g(·) eine Auswertungsregel der Stichprobe: Welche Werte sich auch in der Stichprobe ” ergeben, ich wende das durch g(·) beschriebene Verfahren auf sie an.(z.B. Mittelwert)“ 2 Induktive Statistik 216 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Typische Beispiele für Schätzfunktionen: 1. Arithmetisches Mittel der Stichprobe: n 1X Xi X̄ = g(X1, . . . , Xn) = n i=1 Für binäre, dummy-kodierte Xi ist X̄ auch die relative Häufigkeit des Auftretens von Xi = 1“ in ” der Stichprobe 2. Stichprobenvarianz: n n 1X 1X 2 2 2 S̃ = g(X1, . . . , Xn) = (Xi − X̄) = Xi − (X̄) n i=1 n i=1 2 2 Induktive Statistik 217 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung 3. Korrigierte Stichprobenvarianz: 2 S = g(X1, . . . , Xn) = 1 n−1 n X 2 (Xi − X̄) = i=1 1 n−1 n X ! 2 Xi − n · X̄ 2 i=1 4. Größter Stichprobenwert: X(n) = g(X1, . . . , Xn) = max Xi i=1,...,n 5. Kleinster Stichprobenwert: X(1) = g(X1, . . . , Xn)) = min Xi i=1,...,n 2 Induktive Statistik 218 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Schätzfunktion und Schätzwert: Da X1, . . . , Xn zufällig sind, ist auch die Schätzfunktion T = g(X1, . . . , Xn) zufällig. Zieht man mehrere Stichproben, so erhält man jeweils andere Realisationen von X1, . . . , Xn, und damit auch von T . Die Realisation t (konkreter Wert) der Zufallsvariable T (Variable) heißt Schätzwert. X1, ↓ x1 , ... ... Xn ↓ xn Zufallsvariable ↓ Realisationen T = g(X1, . . . , Xn) ↓ t = g(x1, . . . , xn) Man hat in der Praxis meist nur eine konkrete Stichprobe und damit auch nur einen konkreten Wert t von T . Zur Beurteilung der mathematischen Eigenschaften werden aber alle denkbaren Stichproben und die zugehörigen Realisationen der Schätzfunktion T herangezogen. D.h. beurteilt wird nicht der einzelne Schätzwert als solcher, sondern die Schätzfunktion, als Methode, d.h. als Regel zur Berechnung des Schätzwerts aus der Stichprobe. Andere Notation in der Literatur: ϑ̂ Schätzer für ϑ. Dabei wird nicht mehr direkt unterschieden zwischen Zufallsvariable (bei uns Großbuchstaben) und Realisation (bei uns klein). =⇒ Schreibe ϑ̂(X1, . . . , Xn) bzw. ϑ̂(x1, . . . , xn) wenn die Unterscheidung benötigt wird. 2 Induktive Statistik 219 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Bsp. 2.2. Durchschnittliche Anzahl der Statistikbücher in einer Grundgesamtheit von Studenten schätzen. • Grundgesamtheit: Drei Personen Ω̃ = {ω̃1, ω̃2, ω̃3}. • Merkmal X̃ : Anzahl der Statistikbücher X̃(ω̃1) = 3 X̃(ω̃2) = 1 X̃(ω̃3) = 2. Wahrer Durchschnittswert: µ = 2. • Stichprobe X1, X2 ohne Zurücklegen (Stichprobenumfang n = 2): X1 = X̃(ω1) X2 = X̃(ω2) wobei ω1 erste gezogene Person, ω2 zweite gezogene Person. 2 Induktive Statistik 220 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Betrachte folgende möglichen Schätzer: 2 Induktive Statistik T1 = g1(X1, X2) = X̄ = T2 = X1 T3 = g(X1, X2) = X1 + X2 2 2 2 X(2) = max(X1, X2) 3 3 221 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Zur Beurteilung: Alle möglichen Stichproben (vom Umfang n = 2, ohne Zurücklegen) betrachten: Nummer der Stichprobe 1 2 3 4 5 6 2 Induktive Statistik Personen in der Stichprobe ω̃1, ω̃1, ω̃2, ω̃2, ω̃3, ω̃3, ω̃2 ω̃3 ω̃1 ω̃3 ω̃1 ω̃2 Realisationen von X1 3 3 1 1 2 2 X2 1 2 3 2 3 1 T1 2 2.5 2 1.5 2.5 1.5 T2 3 3 1 1 2 2 T3 2 2 2 1.3̄ 2 1.3̄ 222 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung 2.2.2 Gütekriterien Beurteile die Schätzfunktionen, also das Verfahren an sich, nicht den einzelnen Schätzwert. bei komplexeren Schätzproblemen sind klar festgelegten Güteeigenschaften wichtig. Besonders Natürlich ist auch zu Beginn genau festzulegen, was geschätzt werden soll. Im Folgenden sei der Parameter ϑ stets eine eindimensionale Kenngröße der Grundgesamtheit (z.B. Mittelwert, Varianz, Maximum) Der Punkt ist, dass T zufällig ist; der Wert schwankt mit der konkreten Stichprobe. • Man kann also nicht erwarten, dass man immer den richtigen Wert trifft. • Die Beurteilung der Güte des Schätzers bezieht sich auf Kenngrößen seiner Verteilung (v.a. Erwartungswert und Varianz) 2 Induktive Statistik 223 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Erwartungstreue, Bias: Gegeben sei eine Stichprobe X1, . . . , Xn und eine Schätzfunktion T = g(X1, . . . , Xn) (mit existierendem Erwartungswert). • T heißt erwartungstreu für den Parameter ϑ, falls gilt Eϑ(T ) = ϑ für alle ϑ. • Die Größe Biasϑ(T ) = Eϑ(T ) − ϑ heißt Bias (oder Verzerrung) der Schätzfunktion. Erwartungstreue Schätzfunktionen haben per Definition einen Bias von 0. Man schreibt Eϑ(T ) und Biasϑ(T ), um deutlich zu machen, dass die Größen von dem wahren ϑ abhängen. 2 Induktive Statistik 224 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Bsp. 2.3. [Fortsetzung des Beispiels] Nehmen Sie an, die Stichprobenziehung sei gemäß einer reinen Zufallsauswahl erfolgt, d.h. jede Stichprobe hat dieselbe Wahrscheinlichkeit gezogen zu werden (hier 61 ). Sind die oben betrachteten Schätzfunktionen T1, T2, T3 erwartungstreu? Für die Träger Ti von Ti, i = 1, 2, 3 gilt: T1 = {1.5, 2, 2.5} T2 = {1, 2, 3} T3 = {1.3̄, 2} 2 1 = 6 3 2 1 2}) = P ({T2 = 3}) = = 6 3 4 2 P ({T3 = 3}) = = 6 3 Bei T1 gilt: P ({T1 = 1.5}) = P ({T1 = 2}) = P ({T1 = 2.5}) = Bei T2 gilt: P ({T2 = 1}) = P ({T2 = Bei T3 gilt: P ({T3 = 1.5}) = 2 Induktive Statistik 2 1 = ; 6 3 225 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung und damit bei ϑ = µ = 2 E2(T1) = X t1 · P ({T1 = t1}) = t1 ∈T1 1 (1.5 + 2 + 2.5) = 2 3 In der Tat gilt allgemein: Das arithmetische Mittel ist erwartungstreu für den Erwartungswert. X E2(T2) = t2 ∈T2 1 t2 · P ({T2 = t2}) = (1 + 2 + 3) = 2 3 Wieder gilt allgemein: Einzelne Stichprobenvariablen ergeben erwartungstreue Schätzer für den Erwartungswert. E2(T3) = X t3 ∈T3 1 2 16 t3 · P ({T3 = t3}) = · 1.3̄ + · 2 = 6 2 = 3 3 9 T3 ist also nicht erwartungstreu. Es gilt 16 18 2 Bias(T3) = E2(T3) − 2 = − =− 9 9 9 2 Induktive Statistik 226 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Bias und Erwartungstreue bei einigen typischen Schätzfunktionen 1 n Pn • Das arithmetische Mittel X̄ = i=1 Xi ist erwartungstreu für den Mittelwert µ einer Grundgesamtheit: Aus X1, . . . , Xn i.i.d. und Eµ(X1) = Eµ(X2) = . . . = µ folgt: ! ! n n X X 1 1 E(X̄) = Eµ Xi = Eµ Xi n i=1 n i=1 n = 1X E(Xi) n i=1 = 1 1X µ= ·n·µ=µ n i=1 n n • Sei σ 2 die Varianz in der Grundgesamtheit. Es gilt 2 Eσ2 (S̃ ) = n−1 2 σ , n also ist S̃ 2 nicht erwartungstreu für σ 2. 2 Biasσ2 (S̃ ) = 2 Induktive Statistik n−1 2 1 2 2 σ −σ =− σ n n 227 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung (Für n → ∞ geht Biasσ2 (S̃ 2) gegen 0, S̃ 2 ist asymptotisch erwartungstreu“.) ” • Für die korrigierte Stichprobenvarianz gilt dagegen: ! n X 1 2 2 (Xi − X̄) Eσ2 (S ) = Eσ2 n − 1 i=1 ! n X n 1 2 = Eσ2 · (Xi − X̄) n − 1 n i=1 n n n−1 2 2 2 = Eσ2 S = · σ =σ n−1 n−1 n Also ist S 2 erwartungstreu für σ 2. Diese Eigenschaft ist auch die Motivation für die Korrektur der Stichprobenvarianz. • Vorsicht: Im Allgemeinen gilt für beliebige, nichtlineare Funktionen g Eg(X) 6= g(E(X)). √ Man kann also nicht einfach z.B. · und E vertauschen. In der Tat gilt: S 2 ist zwar erwartungstreu √ √ für σ 2, aber S 2 ist nicht erwartungstreu für σ 2 = σ. 2 Induktive Statistik 228 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Bsp. 2.4. [Wahlumfrage] Gegeben sei eine Stichprobe der wahlberechtigten Bundesbürger. Geben Sie einen erwartungstreuen Schätzer des Anteils der rot-grün Wähler an. Grundgesamtheit: Dichotomes Merkmal 1 rot/grün: ja X̃ = 0 rot/grün: nein Der Mittelwert π von X̃ ist der Anteil der rot/grün-Wähler in der Grundgesamtheit. Stichprobe X1, . . . , Xn vom Umfang n: 1 Xi = 0 2 Induktive Statistik i-te Person wählt rot/grün sonst 229 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Aus den Überlegungen zum arithmetischen Mittel folgt, dass n 1X Xi X̄ = n i=1 ein erwartungstreuer Schätzer für den hier betrachteten Parameter π ist. Also verwendet man die relative Häufigkeit in der Stichprobe, um den wahren Anteil π in der Grundgesamtheit zu schätzen. 2 Induktive Statistik 230 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Bedeutung der Erwartungstreue: Erwartungstreue ist ein schwaches Kriterium! Betrachte die offensichtlich unsinnige Schätzfunktion T2 = g2(X1, . . . , Xn) = X1, d.h. T2 = 100%, falls der erste Befragte rot-grün wählt und T2 = 0% sonst. Die Schätzfunktion ignoriert fast alle Daten, ist aber erwartungtreu: E(T2) = E(X1) = µ Deshalb betrachtet man zusätzlich die Effizienz eines Schätzers, s.u. 2 Induktive Statistik 231 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung 2.2.3 Effizienz Beispiel Wahlumfrage: Gegeben sind zwei erwartungstreue Schätzer (n sei gerade): T1 T2 = n 1 X Xi n i=1 = n/2 1 X Xi n/2 i=1 Was unterscheidet formal T1 von dem unsinnigen Schätzer T2, der die in der Stichprobe enthaltene Information nicht vollständig ausnutzt? Vergleiche die Schätzer über ihre Varianz, nicht nur über den Erwartungswert! 2 Induktive Statistik 232 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Wenn n so groß ist, dass der zentrale Grenzwertsatz angewendet werden kann, dann gilt approximativ n X (Xi − π) n n X 1X Xi − π Xi − n · π n 1 i=1 i=1 i=1 ∼ N (0; 1) =√ p = r √ p n π(1 − π) π(1 − π) n π(1 − π) n und damit n 1X T1 = Xi ∼ N n i=1 π(1 − π) π; n . Analog kann man zeigen: n/2 1 X Xi ∼ N T2 = n/2 i=1 π(1 − π) π, n/2 . T1 und T2 sind approximativ normalverteilt, wobei T1 eine deutlich kleinere Varianz als T2 hat. T1 und T2 treffen beide im Durchschnitt den richtigen Wert π . T1 schwankt aber weniger um das wahre π , ist also im Durchschnitt genauer“. ” 2 Induktive Statistik 233 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Andere Interpretation: Dichte von T1 Dichte von T2 π− π π+ Für jeden Punkt π+ > π ist damit P (T1 > π+) < P (T2 > π+) und für jeden Punkt π− < π ist P (T1 < π−) < P (T2 < π−). 2 Induktive Statistik 234 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Es ist also die Wahrscheinlichkeit, mindestens um π+ − π bzw. π − π− daneben zu liegen, bei T2 stets größer als bei T1. Umgekehrt gesagt: Ein konkreter Wert ist damit verlässlicher, wenn er von T1, als wenn er von T2 stammt. Diese Überlegung gilt ganz allgemein: Ein erwartungstreuer Schätzer ist umso besser, je kleiner seine Varianz ist. Var(T ) = Erwartete quadratische Abweichung von T von E(T ) | {z } =ϑ ! Je kleiner die Varianz, umso mehr konzentriert sich die Verteilung eines erwartungstreuen Schätzers um den wahren Wert. Dies ist umso wichtiger, da der Schätzer den wahren Wert i.A. nur selten exakt trifft. 2 Induktive Statistik 235 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Effizienz: • Gegeben seien zwei erwartungstreue Schätzfunktionen T1 und T2 für einen Parameter ϑ. Gilt Varϑ(T1) ≤ Varϑ(T2) für alle ϑ und ∗ Varϑ∗ (T1) < Varϑ∗ (T2) für mindestens ein ϑ so heißt T1 effizienter als T2. • Eine für ϑ erwartungstreue Schätzfunktion T heißt UMVU-Schätzfunktion für ϑ (uniformly minimum v ariance unbiased), falls ∗ Varϑ(T ) ≤ Varϑ(T ) für alle ϑ und für alle erwartungstreuen Schätzfunktionen T ∗. 2 Induktive Statistik 236 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Bem. 2.5. • Inhaltliche Bemerkung: Der (tiefere) Sinn von Optimalitätskriterien wird klassischerweise insbesondere auch in der Gewährleistung von Objektivität gesehen. Ohne wissenschaftlichen Konsens darüber, welcher Schätzer in welcher Situation zu wählen ist, wäre die Auswertung einer Stichprobe willkürlich und der Manipulation Tür und Tor geöffnet. Allerdings gibt es wirkliche Eindeutigkeit nur bei idealen“, sauberen Daten. Z.B. sind ausreißerunempfindliche Verfahren bei idealen“ Daten weniger ” ” effizient, haben aber den Vorteil, stabiler bei kleinen Abweichungen von den Verteilungsannahmen zu sein. • Ist X1, . . . , Xn eine i.i.d. Stichprobe mit Xi ∼ N (µ, σ 2), dann ist – X̄ UMVU-Schätzfunktion für µ und – S 2 UMVU-Schätzfunktion für σ 2. • Ist X1, . . . , Xn mit Xi ∈ {0, 1} eine i.i.d. Stichprobe mit π = P (Xi = 1), dann ist die relative Häufigkeit X̄ UMVU-Schätzfunktion für π . • Bei nicht erwartungstreuen Schätzern macht es keinen Sinn, sich ausschließlich auf die Varianz zu konzentrieren. Z.B. hat der unsinnige Schätzer T = g(X1, . . . , Xn) = 42, der die Stichprobe nicht beachtet, Varianz 0. 2 Induktive Statistik 237 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Man zieht dann den sogenannten Mean Squared Error MSEϑ(T ) := Eϑ(T − ϑ) 2 zur Beurteilung heran. Es gilt MSEϑ(T ) = 2 Varϑ(T ) + (Biasϑ(T )) . Der MSE kann als Kompromiss zwischen zwei Auffassungen von Präzision gesehen werden: möglichst geringe systematische Verzerrung (Bias) und möglichst geringe Schwankung (Varianz). 2 Induktive Statistik 238 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung 2.2.4 Asymptotische Gütekriterien • Asymptotische Erwartungstreue * Eine Schätzfunktion heißt asymptotisch erwartungstreu, falls lim E(θ̂) = θ n→∞ bzw. lim Bias(θ̂) = 0 n→∞ gelten. * Abschwächung des Begriffs der Erwartungstreue: Gilt nur noch bei einer unendlich großen Stichprobe. * Erwartungstreue Schätzer sind auch asymptotisch erwartungstreu. * Sowohl S 2 als auch S̃ 2 sind asymptotisch erwartungstreu. • Für komplexere Modelle ist oft die Erwartungstreue der Verfahren ein zu restriktives Kriterium. Man fordert deshalb oft nur, dass sich der Schätzer wenigstens für große Stichproben gut verhält. Hierzu gibt es v.a. zwei verwandte aber etwas“ unterschiedliche Kriterien. ” 2 Induktive Statistik 239 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung • Ein Schätzer heißt MSE-konsistent oder konsistent im quadratischen Mittel, wenn gilt lim (MSE(T )) = 0. n→∞ Beispiel: Der MSE von X̄ ist gegeben durch MSE(X̄) 2 = Var(X̄) + Bias (X̄) = σ2 +0 n = σ2 → 0. n X̄ ist also ein MSE-konsistente Schäter für den Erwartungswert. • Anschaulich bedeutet die Konsistenz, dass sich die Verteilung des Schätzers für wachsenden Stichprobenumfang n immer stärker beim richtigen Wert zusammenzieht“. Er trifft also für unendlich ” große Stichproben praktische sicher den wahren Wert. (Dies gilt als eine Minimalanforderung an statistische Verfahren.) 2 Induktive Statistik 240 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung 2.2.5 Konstruktionsprinzipien guter Schätzer Die Methode der kleinsten Quadrate =⇒ Regressionsanalyse Das Maximum-Likelihood-Prinzip Aufgabe: Schätze den Parameter ϑ eines parametrischen Modells anhand einer i.i.d. Stichprobe X1, . . . , Xn mit der konkreten Realisation x1, . . . , xn. Idee der Maximium-Likelihood (ML) Schätzung für diskrete Verteilungen: • Man kann für jedes ϑ die Wahrscheinlichkeit ausrechnen, genau die Stichprobe x1, . . . , xn zu erhalten: n Y Pϑ(X1 = x1, X2 = x2, . . . , Xn = xn) = Pϑ(Xi = xi) i=1 • Je größer für ein gegebenes ϑ0 die Wahrscheinlichkeit ist, die konkrete Stichprobe erhalten zu haben, umso plausibler ist es, dass tatsächlich ϑ0 der wahre Wert ist (gute Übereinstimmung zwischen Modell und Daten). 2 Induktive Statistik 241 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Bsp. 2.6. I.i.d. Stichprobe vom Umfang n = 5 aus einer B(10, π)-Verteilung: 6 5 3 4 4 Wahrscheinlichkeit der Stichprobe für gegebenes π : P (X1 = 6, . . . , X5 = 4||π) = = P (X1 = 6||π) · . . . · P (X5 = 4||π) 10 10 6 4 4 6 π (1 − π) · . . . · π (1 − π) . 6 4 P (. . . ||π) Wahrscheinlichkeit, wenn π der wahre Parameter ist“ ” 2 Induktive Statistik 242 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Wahrscheinlichkeit für einige Werte von π : π P (X1 = 6, . . . , X5 = 4|π) 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 0.0000000000001 0.0000000227200 0.0000040425220 0.0003025481000 0.0002487367000 0.0000026561150 0.0000000250490 0.0000000000055 0.0000000000000 Man nennt daher L(ϑ) = Pϑ(X1 = x1, . . . , Xn = xn), nun als Funktion von ϑ gesehen, die Likelihood (deutsch: Plausibilität, Mutmaßlichkeit) von ϑ gegeben die Realisation x1, . . . , xn. Derjenige Wert ϑ̂ = ϑ̂(x1, . . . , xn), der L(ϑ) maximiert, heißt Maximum-Likelihood-Schätzwert; die zugehörige Schätzfunktion T (X1, . . . , Xn) Maximum-Likelihood-Schätzer (siehe genauer Definition 2.8). 2 Induktive Statistik 243 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Bem. 2.7. • Zwei Sichtweisen auf Pϑ(X1 = x1, . . . , Xn = xn) : – Deduktiv (Wahrscheinlichkeitsrechnung): ϑ bekannt, X1, . . . , Xn zufällig ( unbekannt“). ” – Induktiv (Statistik): ϑ unbekannt, x1, . . . , xn bekannt. Deduktiv geg: Parameter bekannt Induktiv ges: Plausibilität des Parameters Pϑ(X1 = x1, . . . , Xn = xn) Funktion von x1, . . . , xn bei festem ϑ 6 Pϑ(X1 = x1, . . . , Xn = xn) Funktion von ϑ bei festem x1, . . . , xn ? ges: Wskt von Beobachtungen 2 Induktive Statistik geg: Beobachtung bekannt 244 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung • Für stetige Verteilungen gilt Pϑ(X1 = x1, X2 = x2, . . . , Xn = xn) = 0 für beliebige Werte ϑ. In diesem Fall verwendet man die Dichte fϑ(x1, . . . , xn) = n Y fϑ(xi) i=1 als Maß für die Plausibilität von ϑ. • Für die praktische Berechnung maximiert man statt der Likelihood typischerweise die Log-Likelihood l(ϑ) = ln(L(ϑ)) = ln n Y Pϑ(Xi = xi) = i=1 bzw. l(ϑ) = ln n Y i=1 n X ln Pϑ(Xi = xi) i=1 fϑ(xi) = n X ln fϑ(xi). i=1 Dies liefert denselben Schätzwert ϑ̂ und erspart beim Differenzieren die Anwendung der Produktregel. Der Logarithmus ist streng monoton wachsend. Allgemein gilt für streng monoton wachsende Funktionen g : x0 Stelle des Maximums von L(x) ⇐⇒ x0 auch Stelle des Maximums von g(L(x)). 2 Induktive Statistik 245 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Definition 2.8. Gegeben sei die Realisation x1, . . . , xn einer i.i.d. Stichprobe. Die Funktion in ϑ n Y Pϑ(Xi = xi) falls Xi diskret i=1 L(ϑ) = Y n fϑ(xi) falls Xi stetig. i=1 heißt Likelihood des Parameters ϑ bei der Beobachtung x1, . . . , xn. Derjenige Wert ϑ̂ = ϑ̂(x1, . . . , xn), der L(ϑ) maximiert, heißt Maximum-Likelihood-Schätzwert; die zugehörige Schätzfunktion T (X1, . . . , Xn) Maximum-Likelihood-Schätzer. 2 Induktive Statistik 246 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Bsp. 2.9. 1 falls Rot/Grün Xi = 0 sonst Verteilung der Xi: Binomialverteilung B(1, π) (Bernoulliverteilung) P (Xi = 1) = π P (Xi = 0) = 1−π P (Xi = xi) = π xi · (1 − π) 1−xi , xi ∈ {0; 1}. Hier ist π der unbekannte Parameter, der allgemein mit ϑ bezeichnet wird. 2 Induktive Statistik 247 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Likelihood: L(π) = = P (X1 = x1, . . . , Xn = xn) n Y π xi (1 − π) 1−xi i=1 n X = n− xi · (1 − π) π i=1 n X xi i=1 Logarithmierte Likelihood: l(π) = ln(P (X1 = x1, . . . , Xn = xn)) = n X xi · ln(π) + (n − i=1 n X xi) · ln(1 − π) i=1 Ableiten (nach π ): n X ∂ l(π) = ∂π 2 Induktive Statistik i=1 π n− xi + n X i=1 1−π xi · (−1) 248 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Nullsetzen und nach π auflösen ergibt: n X ∂ l(π) = 0 ∂π ⇐⇒ ⇐⇒ n− xi i=1 = π (1 − π) n X n X i=1 1−π xi = n · π − π i=1 ⇐⇒ n X xi n X xi i=1 xi = n · π i=1 also n X π̂ = xi i=1 n Also ist X̄ der Maximum-Likelihood-Schätzer für π . 2 Induktive Statistik 249 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung ML-Schätzung bei Normalverteilung 1. Schritt: Bestimme die Likelihoodfunktion 2 L(µ, σ ) = n Y i=1 = 1 exp √ 1 2π(σ 2) 2 1 n n 2π 2 (σ 2) 2 exp 1 2 − 2 (xi − µ) 2σ n 1 X 2 − 2 (xi − µ) 2σ i=1 ! 2. Schritt: Bestimme die Log-Likelihoodfunktion 2 l(µ, σ ) 2 = ln(L(µ, σ )) = n n 1 X 2 2 ln(1) − ln(2π) − ln(σ ) − (x − µ) i 2 2 2σ 2 i=1 n 2 Induktive Statistik 250 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung 3. Schritt: Ableiten und Nullsetzen der Loglikelihoodfunktion ∂l(µ, σ 2) ∂µ ∂l(µ, σ 2) ∂σ 2 n = X 1 2· (xi − µ) = 0 2 2σ i=1 = n 1 1 X 2 − + (x − µ) =0 i 2 σ2 2(σ 2)2 i=1 n 4. Schritt: Auflösen der beiden Gleichungen nach µ und σ 2 Aus der ersten Gleichung erhalten wir n X xi − nµ = 0 also µ̂ = x̄. i=1 Aus der zweiten Gleichung erhalten wir durch Einsetzen von µ̂ = x̄ n X 2 2 (xi − x̄) = nσ i=1 also n 1X 2 2 σ̂ = (xi − x̄) n i=1 2 Induktive Statistik 251 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.2 Punktschätzung Fazit: • Der ML-Schätzer µ̂ = X̄ für µ stimmt mit dem üblichen Schätzer für den Erwartungswert überein. • Der ML-Schätzer σ̂ 2 = S̃ 2 für σ 2 ist verzerrt, d.h. nicht erwartungstreu. Bem. 2.10. [Einige allgemeine Eigenschaften von ML-Schätzern] • ML-Schätzer θ̂ sind im Allgemeinen nicht erwartungstreu. • ML-Schätzer θ̂ sind asymptotisch erwartungstreu. • ML-Schätzer θ̂ sind konsistent (und meist in einem asymptotischen Sinne effizient). 2 Induktive Statistik 252 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung 2.3 Intervallschätzung 2.3.1 Motivation und Hinführung Bsp. 2.11. [Wahlumfrage] Der wahre Anteil der rot-grün Wähler 2009 war genau 33.7%. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, in einer Zufallsstichprobe von 1000 Personen genau einen relativen Anteil von 33.7% von rot-grün Anhängern erhalten zu haben? Xi = 1, rot/grün 0, sonst P (Xi = 1) = π = 0.337 X = n X Xi ∼ B(n, π) mit n = 1000 i=1 2 Induktive Statistik 253 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende P (X = 337) = = = 2.3 Intervallschätzung n x n−x · π · (1 − π) x 1000 337 663 · 0.337 · (1 − 0.337) 337 0.02668164 D.h., mit Wahrscheinlichkeit von etwa 97.3%, verfehlt der Schätzer den wahren Wert. Hat man ein stetiges Merkmal, so ist sogar P (X̄ = a) = 0 für jedes a, d.h. der wahre Wert wird mit Wahrscheinlichkeit 1 verfehlt. 2 Induktive Statistik 254 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung Schaut man genauer nach: Es gab 14.633.760 gültige Zweitstimmen für SPD und Grüne von insgesamt 43.371.190 gültigen Zweitstimmen. Da 43.371.190 = 2 × 5 × 4.337.119 (4.337.119 ist prim), kann der wahre“ Anteil von ” 1.463.376/4.337.119 nur in einer Stichprobe mindestens vom Umfang 4.337.119 gefunden werden. In einer Stichprobe vom Umfang 1000 ist die Wahrscheinlichkeit, einen Anteil von exakt 1.463.376/4.337.119 zu erhalten, 0. Angenommen, man hätte eine Stichprobe vom Umfang 4.337.119. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, exakt 1.463.376 rot-grün Wähler in der Stichprobe zu haben: P (X = 1.463.376) 2 Induktive Statistik = 4.337.119 1.463.376 1.463.376 1.463.376 4.337.119−1.463.376 · · 1− 1.463.376 4.337.119 4.337.119 = 1.6699 × 10 = 0.00040514 . . . 1.204.175 × 5.6372 × 10 −690.488 × 4.3037 × 10 −513.692 255 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung Konsequenzen: • Insbesondere Vorsicht bei der Interpretation knapper Ergebnisse“ (z.B. Anteil 50.2%) ” • Suche Schätzer mit möglichst kleiner Varianz, um im Durchschnitt möglichst nahe dran zu sein“ ” • Es ist häufig auch gar nicht nötig, sich genau auf einen Wert festzulegen. Oft reicht die Angabe eines Intervalls, von dem man hofft, dass es den wahren Wert überdeckt: Intervallschätzung Symmetrische Intervallschätzung basierend auf einer Schätzfunktion T = g(X1, . . . , Xn): I(T ) = [T − a, T + a] 2 Induktive Statistik 256 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung Trade off“ bei der Wahl von a: ” Je größer man a wählt, also je breiter man das Intervall I(T ) macht, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass I(T ) den wahren Wert überdeckt, aber umso weniger aussagekräftig ist dann die Schätzung. Extremfall im Wahlbeispiel: I(T ) = [0, 1] überdeckt sicher π , macht aber eine wertlose Aussage. ⇒ Wie soll man a wählen? Typisches Vorgehen: • Man gebe sich durch inhaltliche Überlegungen einen Sicherheitsgrad (Konfidenzniveau) γ vor. • Dann konstruiert man das Intervall so, dass es mindestens mit der Wahrscheinlichkeit γ den wahren Parameter überdeckt. 2 Induktive Statistik 257 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung 2.3.2 Definition von Konfidenzintervallen: Gegeben sei eine i.i.d. Stichprobe X1, . . . , Xn zur Schätzung eines Parameters ϑ und eine Zahl γ ∈ (0; 1). Ein zufälliges Intervall C(X1, . . . , Xn) heißt Konfidenzintervall zum Sicherheitsgrad γ (Konfidenzniveau γ ), falls für jedes ϑ gilt: Pϑ(ϑ ∈ C(X1, . . . , Xn) ) ≥ γ. | {z } zufälliges Intervall Bem. 2.12. • Die Wahrscheinlichkeitsaussage bezieht sich auf das Ereignis, dass das zufällige Intervall den festen, wahren Parameter überdeckt. Streng genommen darf man im objektivistischen Verständnis von Wahrscheinlichkeit nicht von der Wahrscheinlichkeit sprechen, dass ϑ in dem Intervall liegt“, ” da ϑ nicht zufällig ist und somit keine Wahrscheinlichkeitsverteilung besitzt. Ein Zurückziehen auf subjektive Wahrscheinlichkeiten führt aber auch Widersprüche. • Typischerweise konstruiert man Konfidenzintervalle symmetrisch um einen Schätzer T . Es sind aber auch manchmal z.B. einseitige Konfidenzintervalle der Form [X̄, X̄ + b] sinnvoll. 2 Induktive Statistik 258 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung 2.3.3 Konstruktion von Konfidenzintervallen Für die Konstruktion praktische Vorgehensweise: Suche Zufallsvariable Zϑ, die • den gesuchten Parameter ϑ enthält und • deren Verteilung aber nicht mehr von dem Parameter abhängt, ( Pivotgröße“, dt. Angelpunkt). ” • Dann wähle den Bereich CZ so, dass Pϑ(Zϑ ∈ CZ ) = γ und • löse nach ϑ auf. 2 Induktive Statistik 259 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung Konfidenzintervall für den Mittelwert eines normalverteilten Merkmals bei bekannter Varianz: X1, . . . , Xn i.i.d. Stichprobe gemäß Xi ∼ N (µ, σ 2), wobei σ 2 bekannt sei. Starte mit der Verteilung von X̄ : 2 X̄ ∼ N (µ, σ /n). Dann erfüllt X̄ − µ √ · n ∼ N (0; 1) Z= σ die obigen Bedingungen an eine Pivotgröße. Bestimme jetzt einen Bereich [−z, z], wobei z so gewählt sei, dass P (Z ∈ [−z; z]) = γ 2 Induktive Statistik 260 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1−γ 2 @ @ 2.3 Intervallschätzung 1−γ 2 γ @ R @ -z 0 z Bestimmung von z : P (Z ∈ [−z; z]) = γ ⇐⇒ P (Z ≥ z) = 1−γ 2 beziehungsweise 1−γ 2−1+γ 1+γ = = . 2 2 2 Der entsprechende Wert lässt sich aus der Tabelle der Standardnormalverteilung ablesen. P (Z ≤ z) = 1 − Typische Beispiele: 2 Induktive Statistik 261 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende Die Größe z heißt das 2.3 Intervallschätzung γ = 90% 1+γ = 95% 2 z = 1.65 γ = 95% 1+γ = 97.5% 2 z = 1.96 γ = 99% 1+γ = 99.5% 2 z = 2.58 1+γ 2 -Quantil und wird mit z 1+γ bezeichnet. 2 Damit gilt also P −z 1+γ ≤ Zµ ≤ z 1+γ 2 2 Induktive Statistik 2 =P −z 1+γ 2 X̄ − µ ≤ ≤ z 1+γ σ 2 =γ 262 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung Jetzt nach µ auflösen P (. . . ≤ µ ≤ . . .): γ = = = P P P z 1+γ · σ z 1+γ · σ ! 2 2 − √ ≤ X̄ − µ ≤ √ n n z 1+γ · σ z 1+γ · σ ! 2 2 ≤ −µ ≤ −X̄ + √ −X̄ − √ n n ·σ z · σ! z X̄ − Damit ergibt sich das Konfidenzintervall " z ·σ X̄ − 2 Induktive Statistik 1+γ 2 √ n 1+γ 2 √ n ≤ µ ≤ X̄ + 1+γ 2 √ n " z 1+γ · σ # z 1+γ · σ # 2 2 , X̄ + √ = X̄ ± √ n n 263 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung Ceterisparibus-Analyse“: Alle Größen bis auf eine festhalten, diese variieren. ” Bem. 2.13. • Je größer σ , desto größer das Intervall! (Größeres σ ⇒ Grundgesamtheit bezüglich des betrachteten Merkmals heterogener, also größere Streuung von X̄ ⇒ ungenauere Aussagen.) • Je größer γ , desto größer z 1+γ (Je mehr Sicherheit/Vorsicht desto breiter das Intervall) √ 2 • Je größer n und damit n, desto schmaler ist das Intervall (Je größer der Stichprobenumfang ist, desto genauer!) √ Aufpassen, die Genauigkeit nimmt nur mit n zu. Halbierung des Intervalls, Vervierfachung des Stichprobenumfangs. Kann man zur Stichprobenplanung verwenden! 2 Induktive Statistik 264 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung Konfidenzintervall für den Mittelwert eines normalverteilten Merkmals bei unbekannter Varianz: Neben dem Erwartungswert ist auch σ 2 unbekannt und muss entsprechend durch den UMVU-Schätzer n 1 X 2 S = (Xi − X̄) , n − 1 i=1 2 √ (mit S = S 2) geschätzt werden. Allerdings ist Z= X̄ − µ √ · n S jetzt nicht mehr normalverteilt, denn S ist zufällig. Wir führen deshalb ein neues Verteilungsmodell ein. 2 Induktive Statistik 265 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung t-Verteilung: Gegeben sei eine i.i.d. Stichprobe X1, . . . , Xn mit Xi ∼ N (µ, σ 2). Dann heißt die Verteilung von Z= X̄ − µ √ · n S t-Verteilung (oder Student-Verteilung) mit ν = n − 1 Freiheitsgraden. In Zeichen: Z ∼ t(ν). Wichtige Werte der t-Verteilung sind tabelliert. Angegeben sind, für verschiedene δ , die Lösung tδ der Gleichung (ν) P (Z ≤ tδ ) = δ, (ν) wobei tδ von der Anzahl ν der Freiheitsgrade abhängt. tδ ist das δ -Quantil der entsprechenden t-Verteilung (analog zu zδ als Quantil der Standardnormalverteilung). Die Dichte einer t-Verteilung ist der Dichte der Standardnormalverteilung sehr ähnlich: Sie ist auch symmetrisch um 0, besitzt aber etwas höhere Dichte für extreme Werte ( schwerere Enden“). ” 2 Induktive Statistik 266 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung f(x) 0.4 0.3 0.2 0.1 0.0 x -4 -2 0 ( ) 2 ( ) 4 ( ) ( ) Dichten von t-Verteilungen für ν = 1 (—), = 2 (· · · ), = 5 (- - -) und = 20 (−−) Freiheitsgrade. 2 Induktive Statistik 267 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung Je größer ν ist, umso ähnlicher sind sich die t(ν)-Verteilung und die Standardnormalverteilung. Für ν → ∞ sind sie gleich, ab ν = 30 gilt der Unterschied als vernachlässigbar. √ Je größer n, desto geringer ist der Unterschied zwischen S 2 und σ 2 und damit zwischen X̄−µ n und S √ X̄−µ n. σ Konfidenzintervall zum Konfidenzniveau γ : Ausgehend von X̄ − µ √ (n−1) · n ≤ t 1+γ P ≤ =γ S 2 wie im Beispiel mit bekannter Varianz nach µ auflösen (mit S statt σ ) (n−1) −t 1+γ 2 P X̄ − (n−1) t 1+γ 2 ·S √ n ≤ µ ≤ X̄ + (n−1) t 1+γ 2 ·S √ n =γ Damit ergibt sich das Konfidenzintervall X̄ ± 2 Induktive Statistik (n−1) t 1+γ 2 ·S √ n 268 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung Bem. 2.14. • Es gelten analoge Aussagen zum Stichprobenumfang und Konfidenzniveau wie bei bekannter Varianz. • Für jedes γ (und jedes ν ) gilt t 1+γ > z 1+γ 2 2 also ist das t-Verteilungs-Konfidenzintervall (etwas) breiter. Da σ 2 unbekannt ist, muss es geschätzt werden. Dies führt zu etwas größerer Ungenauigkeit. • Je größer ν , umso kleiner ist der Unterschied. Für n ≥ 30 rechnet man einfach auch bei der t-Verteilung mit z 1+γ . 2 2 Induktive Statistik 269 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung Bsp. 2.15. Eine Maschine füllt Gummibärchen in Tüten ab, die laut Aufdruck 250g Füllgewicht versprechen. Wir nehmen im folgenden an, dass das Füllgewicht normalverteilt ist. Bei 16 zufällig aus der Produktion herausgegriffenen Tüten wird ein mittleres Füllgewicht von 245g und eine Stichprobenstreuung (Standardabweichung) von 10g festgestellt. a) Berechnen Sie ein Konfidenzintervall für das mittlere Füllgewicht zum Sicherheitsniveau von 95%. b) Wenn Ihnen zusätzlich bekannt würde, dass die Stichprobenstreuung gleich der tatsächlichen Streuung ist, wäre dann das unter a) zu berechnende Konfidenzintervall für das mittlere Füllgewicht breiter oder schmäler? Begründen Sie ihre Antwort ohne Rechnung. 2 Induktive Statistik 270 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung • Füllgewicht normalverteilt. (µ = 250g nicht benötigt) • 16 Tüten gezogen ⇒ n = 16. • Mittleres Füllgewicht in der Stichprobe: x̄ = 245g . • Stichprobenstreuung: s = 10g . zu a) Konstruktion des Konfidenzintervalls: Da die Varianz σ 2 unbekannt ist, muss das Konfidenzintervall basierend auf der t-Verteilung konstruiert werden: S [X̄ ± t 1+γ (n − 1) · √ ] n 2 Aus dem Sicherheitsniveau γ = 0.95 errechnet sich 1+γ 2 = 0.975. Nachschauen in t-Tabelle bei 0.975 und 15 Freiheitsgraden (T = Freiheitsgeraden) liefert t0.975 = 2.13. X̄−µ √ n S ist t-verteilt mit n-1 Einsetzen liefert damit 10 ] = [239.675; 250.325] 4 zu b) Jetzt sei σ 2 bekannt. Dann kann man mit dem Normalverteilungs-Intervall rechnen: [245 ± 2.13 · σ [X̄ ± z 1+γ · √ ] n 2 2 Induktive Statistik 271 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung Da jetzt σ bekannt, ist die Unsicherheit geringer und damit das Konfidenzintervall schmaler. In der Tat ist z 1+γ < t 1+γ . 2 2 Rechnerisch ergibt sich mit z 1+γ = 1.96 das Konfidenzintervall 2 [240.100; 249.900] 2 Induktive Statistik 272 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung Bsp. 2.16. [Klausurergebnisse (Fiktives Beispiel)] i punkte i punkte i punkte i punkte i punkte i punkte 1 16.5 7 27.5 13 23 19 14 25 19.5 31 35.5 2 16.5 8 22 14 15 20 21 26 18 32 12.5 3 25.5 9 16.5 15 31 21 19.5 27 37.5 33 25 4 25 10 8 16 26 22 17.5 28 15.5 34 25.5 5 20.5 11 33.5 17 13.5 23 36 29 7.5 35 18.5 6 27.5 12 19.5 18 24 24 31.5 30 18 • Mittelwert und Varianz der Grundgesamtheit (alle 35 Klausuren): µ̂ = punkte = 21.81 2 = spunkte = 7.56 σ̂ 2 2 • Wir ziehen insgesamt 80 Stichproben vom Umfang n = 5, n = 10, n = 20, n = 35 und bestimmen Konfidenzintervalle zum Niveau 95%. 2 Induktive Statistik 273 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung 5 10 15 20 25 30 35 40 95% KI’s, Stichprobenumfang n=5 5 5 10 10 15 15 20 20 25 25 30 30 35 35 40 40 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 Stichprobe 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 52 52 54 54 56 56 58 58 60 60 62 62 64 64 66 66 68 68 70 70 72 72 74 74 76 76 78 78 80 80 95% KI’s, Stichprobenumfang n=10 95% KI’s, Stichprobenumfang n=20 2 2 4 4 6 6 8 8 10 10 12 12 14 14 16 16 18 18 20 20 22 22 24 24 26 26 28 28 30 30 32 32 34 34 36 36 38 38 40 42 44 40 42 44 Stichprobe Stichprobe 46 46 48 48 50 50 25 30 35 40 Punktzahl der Klausur Statistik I: Konfidenzintervalle für 80 Stichproben mit jeweiligem Stichprobenum95% KI’s, Stichprobenumfang n=35 fang n = 5 (oben) und n = 20 (unten). 15 20 2 Induktive Statistik 274 1 5 8 10 12 der 14 Soziologie 16 18 20 und 22 24 26 28 30 32 34 36 Statistik2 II 4für 6Studierende Nebenfachstudierende 38 40 42 Stichprobe 44 46 48 50 74 76 78 80 2.3 72Intervallschätzung 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 5 10 15 20 25 30 35 40 95% KI’s, Stichprobenumfang n=35 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 Stichprobe 44 46 48 50 72 74 76 78 80 Punktzahl der Klausur Statistik I: Konfidenzintervalle für 80 Stichproben mit jeweiligem Stichprobenumfang n = 35. 2 Induktive Statistik 275 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung 55 10 10 15 15 20 20 25 25 30 30 35 35 40 40 95% KI’s, KI’s, Stichprobenumfang Stichprobenumfang n=5 n=5 95% 22 44 66 88 10 10 12 12 14 14 16 16 18 18 20 20 22 22 24 24 26 26 28 28 30 30 32 32 34 34 36 36 38 38 40 40 42 42 44 44 Stichprobe Stichprobe 46 46 48 48 50 50 52 52 54 54 56 56 58 58 60 60 62 62 64 64 66 66 68 68 70 70 72 72 74 74 76 76 78 78 80 80 56 56 58 58 60 60 62 62 64 64 66 66 68 68 70 70 72 72 74 74 76 76 78 78 80 80 55 10 10 15 15 20 20 25 25 30 30 35 35 40 40 KI’s, Stichprobenumfang n=10bekannt 95% KI’s,95% Stichprobenumfang n=5, Varianz 22 44 66 88 10 10 12 12 14 14 16 16 18 18 20 20 22 22 24 24 26 26 28 28 30 30 32 32 34 34 36 36 38 38 40 40 42 42 44 44 Stichprobe Stichprobe 46 46 48 48 50 50 52 52 54 54 Punktzahl der Klausur Statistik I: Konfidenzintervalle für 80 Stichproben mit Stichprobenumfang n = 5. Oben ist die Varianz unbekannt, unten als bekannt vorausgesetzt. 2 Induktive Statistik 276 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung • Ergebnis: – Die Breite der Konfidenzintervalle nimmt mit wachsendem n ab. – Nicht alle Konfidenzintervalle enthalten den wahren Mittelwert µ = 23.1 (per Konstruktion mit Wahrscheinlichkeit 5%). – Die Intervalle mit bekannter Varianz sind im Mittel enger. – Die Intervalle mit bekannter Varianz sind immer gleich lang. 2 Induktive Statistik 277 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung Approximative Konfidenzintervalle: Ist der Stichprobenumfang groß genug, so kann wegen des zentralen Grenzwertsatzes das Normalverteilungs-Konfidenzintervall auf den Erwartungswert beliebiger Merkmale (mit existierender Varianz) angewendet werden. Man erhält approximative Konfidenzintervalle, die meist auch der Berechnung mit Software zugrundeliegen Beispiel: Konfidenzintervall für den Anteil π : Seien X1, . . . , Xn i.i.d. mit 1 Xi = , P (Xi = 1) = π. 0 E(Xi) = π Var(Xi) = π · (1 − π) ⇒ E(X̄) = π Var(X̄) = π · (1 − π) n und approximativ für großes n: X̄ − π ∼ N (0, 1) q π·(1−π) n 2 Induktive Statistik 278 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 2.3 Intervallschätzung π im Zähler: unbekannter Anteil = interessierender Parameter q π(1−π) π im Nenner: unbekannte Varianz von X̄ ; schätzen, indem X̄ für π eingesetzt wird im Nenner n γ ≈ X̄ − π P −z 1+γ ≤ q 2 X̄(1−X̄) n = s P X̄ − z 1+γ · 2 ≤ z 1+γ 2 X̄(1 − X̄) ≤ π ≤ X̄ + z 1+γ · n 2 s X̄(1 − X̄) n und damit das Konfidenzintervall s X̄ ± z 1+γ · 2 X̄(1 − X̄) n Bsp. 2.17. [Wahlumfrage] Seien n = 500, X̄ = 46.5% und γ = 95%. z 1+γ = 1.96 2 2 Induktive Statistik 279 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende Konfidenzintervall: s X̄ ± z 1+γ · 2 X̄(1 − X̄) n 2.3 Intervallschätzung = 0.465 ± 1.96 · = [0.421; 0.508] s 0.465(1 − 0.465) 500 Inhaltliche Bemerkung • Man beachte die relativ große Breite, trotz immerhin mittelgroßer Stichprobe • Zum Sicherheitsniveau 95% ist keine eindeutige Aussage über die Mehrheitsverhältnisse möglich. Berücksichtigen, wenn man über Wahlumfrage urteilt • In der Praxis sind aber Wahlumfragen etwas genauer, da man Zusatzinformation verwendet (insbesondere auch frühere Wahlergebnisse) Gebundene Hochrechnung“ ” 2 Induktive Statistik 280