Rechnungslegung im gemeinnützigen Sektor: Eine - Beck-Shop

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Rechnungslegung im gemeinnützigen Sektor: Eine vergleichende
Studie zu Handlungsansätzen in der Rechnungslegung von
spendensammelnden Organisationen
Bearbeitet von
Julia Tecklenborg
1. Auflage 2015. Taschenbuch. 92 S. Paperback
ISBN 978 3 95485 319 9
Format (B x L): 15,5 x 22 cm
Wirtschaft > Wirtschaftssektoren & Branchen: Allgemeines > Non-Profit
Organisationen
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Leseprobe
Textprobe
Kapitel 3.1.2.1 Aktivierungswahlrechte nach HGB
Aktivierungswahlrechte sind Ermessensspielräume, die der Gesetzgeber dem Bilanzierenden
einräumt. Unternehmen können hierdurch entsprechend ihrer bilanzpolitischen Ziele selber
entscheiden, ob bestimmte Güter aktiviert werden sollen oder nicht.
Vermögensgegenstände, für die ein solches Aktivierungswahlrecht besteht, sind selbst
geschaffene, nicht entgeltlich erworbene immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens (§
248 (2) Satz 1 HGB), Damnum von Verbindlichkeiten (§ 250 (3) HGB) und aktive latente Steuern
(§ 274 (1) Satz 2 HGB)
Gemäß § 248 (2) Satz 1 HGB besteht ein Aktivierungswahlrecht für selbst geschaffene, nicht
entgeltlich erworbene immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens. Das Wahlrecht ist
gemäß § 255 (2a) Satz 4 HGB auf die Entwicklungskosten beschränkt und betrifft beispielsweise
die Entwicklung einer eigenen Software, nicht aber deren Forschungskosten. Können Forschung
und Entwicklung nicht verlässlich voneinander unterschieden werden, ist eine Aktivierung gemäß
§ 255 (2a) Satz 4 HGB ausgeschlossen. Zudem dürfen VGG nur mit in die Bilanz aufgenommen
werden, wenn das Unternehmen ausreichend dokumentiert hat, dass das immaterielle Gut die
Voraussetzungen eines VGG im Sinne der GoB erfüllt. Nicht mit aufgenommen werden dürfen
nach § 248 (2) Satz 2 HGB selbst geschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte und Ähnliches
Ein weiteres Aktivierungswahlrecht betrifft das Damnum. Dieses liegt vor, wenn der
Rückzahlungsbetrag einer aufgenommenen Verbindlichkeit höher ist als der Ausgabebetrag durch
den Gläubiger. Der hieraus resultierende Unterschiedsbetrag darf auf der Aktivseite der Bilanz als
Rechnungsabgrenzungsposten bilanziert werden. Falls das Wahlrecht nicht in Anspruch
genommen wird, ist der Unterschiedsbetrag zum Zeitpunkt der Darlehensausgabe als Aufwand in
der GuV zu erfassen.
Nach § 274 (2) HGB steht es den Unternehmen zudem frei, aktive latente Steuern zu aktivieren.
Sie entstehen durch unterschiedliche Wertansätze nach Handels- und Steuerrecht. Dies ist
beispielsweise durch die Aktivierung selbst geschaffener, nicht entgeltlich erworbener
immaterieller Vermögenswerte des Anlagevermögens in der Handelsbilanz möglich.
Grundsätzlich erschweren Wahlrechte die Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen. Zudem sieht
das HGB für die Ansatzwahlrechte kein Stetigkeitsgebot vor. Für spendensammelnde
Organisationen ist es jedoch wichtig, dass die Abschlüsse nicht zu stark voneinander abweichen,
da potentielle Spender für die Entscheidung über ihre Spendenvergabe eine einheitliche
Grundlage benötigen. Um weitere Informationen bezüglich etwaiger Unterschiede zu liefern, ist
daher die Erstellung eines Anhangs unabdingbar. In diesem sollten gemäß § 284 (2) Nr. 1 und 3
HGB Ansatzregelungen und gegebenenfalls Abweichungen zum Vorjahr erläutert werden.
Beispielsweise führt die Aktivierung beziehungsweise Nicht-Aktivierung von selbst geschaffenen,
nicht entgeltlich erworbenen immateriellen Vermögenswerten zu unterschiedlichen
Jahresabschlüssen und den Spendern würde die Vergleichsgrundlage fehlen. Dies könnte zu
Vermutungen über Intransparenz und somit zu einem Vertrauensverlust des Spenders führen.
Durch das Wahlrecht werden jedoch keine Kosten verschleiert sondern ein bilanzpolitisches
Instrument gegeben, mit dem die Organisation selbst entscheiden kann, in welcher Höhe sie ihr
Jahresergebnis belasten will. Fraglich ist jedoch, inwieweit eine spendensammelnde Organisation
auf bilanzpolitische Instrumente zurückgreifen muss oder will, da keine Gewinnausschüttung
stattfindet und kein Profit erzielt wird
Aufgrund dessen scheint eine Vereinheitlichung des bestehenden Wahlrechtes in Anbetracht der
Transparenz, Vergleichbarkeit und Einheitlichkeit des Jahresabschlusses die bessere Alternative
darzustellen. Eine Umwandlung des Wahlrechts in ein Gebot würde grundsätzlich die Ansprüche
des Spenders und der interessierten Öffentlichkeit besser befriedigen, da gerade größere
Organisationen eventuell nicht auf bilanzpolitische Instrumente verzichten wollen
Das Damnum ist ebenfalls ein bilanzpolitisches Instrument. Hier entscheidet die Organisation
gleichermaßen nur, wann und in welcher Höhe der Aufwand anfallen soll. Aus den bereits im
vorherigen Absatz beschriebenen Gründen der Einheitlichkeit und Transparenz gegenüber dem
Spender, sollte dieses Wahlrecht aufgehoben und in ein Gebot umgewandelt werden. Hierdurch
würden verschiedene Kreditformen übersichtlich dargestellt und dem Bilanzleser ein besserer
Überblick gewährt werden
Aktive latente Steuern entstehen nur, wenn sich die Bilanz nach Steuer- und Handelsrecht
unterscheiden. Im Falle einer spendensammelnden Organisation ist dieses Wahlrecht jedoch nur
interessant, wenn sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb führt und aufgrund dessen Steuern
abführt. Die Mehrheit der Organisationen wird jedoch eine steuerliche Anerkennung der
Gemeinnützigkeit nach den §§ 51ff. AO innehaben. Für Organisationen, die nicht steuerbefreit
sind, erscheint die Beibehaltung des Wahlrechts daher unproblematisch.
3.1.2.2 Aktivierungsverbote nach HGB
Wie bereits erläutert, dürfen VGG oder Schulden nur aktiviert werden, wenn sowohl eine abstrakte
als auch eine konkrete Bilanzierbarkeit vorliegt. Daher besteht im Einzelnen ein Aktivierungsverbot
für Aufwendungen für die Gründung des Unternehmens (§ 248 (1) Nr. 1 HGB), Aufwendung für
die Beschaffung des Eigenkapitals (§ 248 (1) Nr. 2 HGB) und Aufwendungen für den Abschluss
von Versicherungsverträgen (§ 248 (1) Nr. 3 HGB), da diese nicht dem Betriebsvermögen
zurechenbar und somit auch nicht konkret bilanzierungsfähig sind
Zudem verbietet der Gesetzgeber gemäß § 248 (2) Satz 2 HGB die Aktivierung von bestimmten,
selbst geschaffenen, immateriellen VGG des Anlagevermögens aufgrund der eingeschränkten
Bewertungszuverlässigkeit. Hierdurch soll ein zu großer Ermessenspielraum bei der Bewertung
und Gewinnerzielung unterbunden werden. Im Einzelnen handelt es sich um Marken, Drucktitel,
Verlagsrechte und Kundenlisten oder vergleichbare selbst geschaffene immaterielle
Vermögensgegenstände des Anlagevermögens.
Hinsichtlich des originären Firmenwertes verzichtet der Gesetzgeber auf ein explizites
Aktivierungsverbot, da eine Bilanzierung aufgrund fehlender Vermögensgegenstandseigenschaft
von vornherein ausscheidet. Dies gilt auch für Aufwendungen für die Ingangsetzung und
Erweiterung des Geschäftsbetriebs
Für spendensammelnde Organisationen stellen die oben genannten Aufwendungen ebenfalls
keine VGG dar und entstehen zumeist einmalig, damit die Organisation ihre Arbeit aufnehmen
kann. Daher ist das Verbot als unproblematisch einzuschätzen und sollte nicht verändert werden.
In diesem Zusammenhang ist jedoch auf den Anhang des Jahresabschlusses hinzuweisen, da
dort nicht bilanzierungsfähige Kosten dargestellt werden können. Hierbei sind insbesondere die
Gründungskosten sowie die Kosten für die Beschaffung des Kapitals nicht zu vernachlässigen. Im
ersten Jahresbericht der spendensammelnden Organisation kann dieser Kostenfaktor
aufgeschlüsselt und detailliert dargestellt werden. Dies würde die Transparenz gegenüber
Spendern und der interessierten Öffentlichkeit erhöhen
Grundsätzlich sind die Regelungen der handelsrechtlichen Ansatzgrundsätze der Akiva auf
spendensammelnde Organisationen unproblematisch anwendbar. Eine Diskussion ist nur im
Bereich der Aktivierungswahlrechte angebracht. Hier besteht für privatwirtschaftliche
Unternehmen ein Spielraum, der für spendensammelnde Organisationen überdacht werden sollte.
Aktivierungsverbote und -gebote sollten jedoch sowohl für privatwirtschaftliche Unternehmen, als
auch für spendensammelnde Organisationen gelten, um Ungleichbehandlungen zu vermeiden
und eine Vergleichsmöglichkeit zwischen den Organisationen zu ermöglichen. Jedoch sollten
bilanzierungsunfähige Kosten der Aktivierungsverbote im Anhang der spendensammelnden
Organisation dargestellt und erläutert werden, um den Adressaten notwendige Informationen zu
bieten, die von Interesse sein könnten
3.1.3 Passiva nach HGB
Auf der Passivseite der Bilanz steht das im Unternehmen investierte Gesamtkapital. Dieses ist
nach dem Prinzip der Zahlungsdringlichkeit und der Rechtsstellung der Kapitalgeber geordnet und
stellt somit die Mittelherkunft des Unternehmens dar. Die Passivposten gliedern sich gemäß § 247
(1) HGB in Eigenkapital, Schulden, passive Rechnungsabgrenzungsposten und passive latente
Steuern. Unter dem Oberbegriff Schulden werden Passivposten subsumiert, die nicht
Eigenkapital, passive Rechnungsabgrenzungsposten oder passive latente Steuern sind. Ob dann
eine Schuld als Verbindlichkeit oder Rückstellung zu bilanzieren ist, hängt davon ab, ob die
Verpflichtung sicher oder unsicher ist und/oder ob die aus der Verpflichtung resultierende
wirtschaftliche Belastung exakt oder lediglich in einer Bandbreite quantifizierbar ist.
Verbindlichkeiten sind Verpflichtungen der Unternehmung gegenüber seinen Lieferanten oder
sonstigen Gläubigern, deren Grund und Höhe bekannt ist. Nach
§ 253 (1) HGB sind diese mit dem künftigen Erfüllungsbetrag zu passivieren. Dieser stimmt auch
überiwegend mit dem zugeflossenen Betrag überein. Bei Darlehen oder Anleihen ist jedoch
oftmals der Ausgabebetrag geringer als der Erfüllungsbetrag. Für dieses sogenannte Damnum
besteht, wie bereits erläutert, ein Aktivierungswahlrecht.
Bei Rückstellungen sind, im Gegensatz zu den Verbindlichkeiten, der Grund und/oder die Höhe
der Verpflichtung nicht sicher. Allerdings dürfen diese nicht nur vage bestehen und in maximaler
Höhe bilanziert werden. Vielmehr sollte eine gewisse Eintrittswahrscheinlichkeit bestehen und ein
objektiver Wert angesetzt werden. Daher ist nach HGB nur die Bildung für folgende
Rückstellungen möglich
ungewisse Verbindlichkeiten (§ 249 (1) Satz 1 HGB, erster Sachverhalt), drohende Verluste aus
schwebenden Geschäften (§ 249 (1) Satz 1 HGB, zweiter Sachverhalt), Gewährleistungen ohne
rechtliche Verpflichtung (§ 249 (1) Satz 2 Nr. 2 HGB) und im Geschäftsjahr unterlassene
Aufwendungen für Instandhaltung, die im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von drei Monaten,
oder für Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt werden (§ 249 (1) Satz 2
Nr. 1 HGB)
Zudem sind gemäß § 250 (2) HGB passive Rechnungsabgrenzungsposten Bestandteil der
Passiva. Diese müssen, analog zu den aktiven Rechnungsabgrenzungsposten, gebildet werden,
wenn das Unternehmen Einnahmen erhält, die einen Ertrag für eine bestimmte Zeit nach dem
Bilanzstichtag darstellen. Dies kann beispielsweise bei Mieteinnahmen der Fall sein
Weiters befinden sich auf der Passivseite passive latente Steuern. Wie bei aktiven latenten
Steuern entstehen diese, wenn unterschiedliche Wertansätze nach Handels- und Steuerrecht
existieren. Der handelsrechtliche Gewinn bildet hierbei die Ausgangsbasis und wird um
steuerrechtliche Vorschriften korrigiert. Ist der Steueraufwand nach HGB höher als die
Steuerzahlung nach Steuerrecht wird der Differenzbetrag auf der Passivseite als latente Steuer
ausgewiesen.
Im Gegensatz zu Verbindlichkeiten oder Rückstellungen handelt es sich beim Eigenkapital nicht
um eine Verpflichtung der Unternehmung gegenüber Dritten. Vielmehr ist es die Differenz aus der
Aktiva abzüglich aller anderen Passivposten. Die Eigenkapitalhöhe ergibt sich somit erst nach
Ansatz und Bewertung der übrigen Bilanzposten. Nach derzeitigem Recht müssen alle
Eigenkapitalpositionen, der Gewinn- oder Verlustvortrag sowie der Jahresüberschuss oder fehlbetrag ausgewiesen werden. Hierdurch kann die Entstehungsgeschichte der
Eigenkapitalpositionen sowie die unterschiedlichen Rechtspositionen nachvollzogen werden.
Zudem ist eine Differenzierung hinsichtlich der Ausschüttbarkeit möglich.
Grundsätzlich sollten alle geltenden passiven Ansatzgrundsätze auch von spendensammelnden
Organisationen eingehalten werden. Hierdurch wird ein klares und transparentes Bild über die
Schuldensituation vermittelt und Ungleichheiten zu privatwirtschaftlichen Unternehmen reduziert.
Zudem sollte jedoch, sobald eine Außenverpflichtung aufgrund einer Bewilligung vorliegt oder eine
Willenserklärung erfolgt ist, grundsätzlich eine Projektrückstellung gebildet werden. Wenn
Zahlungszeitpunkt und –höhe der Jahresabschlusserstellung feststehen, ist eine
Projektverbindlichkeit auszuweisen. Weiters sollte für spendensammelnde Organisationen ein
Erläuterungsgebot für alle Rückstellungen bestehen, da innerhalb der Bilanz nicht für jeden Leser
klar ersichtlich ist, für welche Zwecke Rückstellungen gebildet wurden oder projektbezogene
Verbindlichkeiten bestehen. Der Anhang sollte diese daher hinsichtlich Begründung, Höhe und
zeitlicher Verteilung zwingend erläutern und aufschlüsseln. Zudem wird so eine Vergleichbarkeit
verschiedener Organisationen erleichtert und untereinander können Benchmarks gesetzt werden.
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