Herzlich willkommen! Meine „Koordinaten“: Prof. Dr. Michael Häder Volkswirtschaftslehre, insb. Mittelstandspolitik Raum AW 1-32 Tel.: 0234 – 32 10642 Fax.: 0234 – 32 00642 e-mail: [email protected] Sprechstunde: donnerstags 14.00 – 15.00 Uhr Häder VWL II Folie 0 WS 2008/09 Gliederungsübersicht VWL II 1. Einführung 2. Ex-post-Analyse des Wirtschaftsprozesses 3. Grundlagen der makroökonomischen Theorie 3.1 Die klassisch-neoklassische makroökonomische Theorie 3.1.1 Arbeitsmarkt 3.1.2 Güter- und Kapitalmarkt 3.1.3 Geldmarkt 3.1.4 (Neo-)klassisches Totalmodell 3.2 Die Keynesianische makroökonomische Theorie 3.2.1 Konsumnachfrage und Sparfunktion 3.2.2 Investitionsnachfrage 3.2.3 Keynesianisches Einkommen-Ausgaben-Modell 3.2.4 Keynesscher Einkommensmultiplikator 3.2.5 Güternachfrage und Preisniveau 3.3 Neoklassische Synthese und wirtschaftspolitische Folgerungen 4. Stabilitätspolitik 4.1 Wirtschaftswachstum 4.2 Vollbeschäftigung 4.3 Preisniveaustabilität Häder VWL II Folie 1 WS 2008/09 Literaturhinweise Blanchard, Olivier, Illing, Gerhard (2007): Makroökonomie, 4. Aufl., München. Bofinger, Peter (2007): Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., München. Edling, Herbert (2006): Volkswirtschaftslehre schnell erfasst, Berlin, Heidelberg. Mankiw, N. Gregory (2008): Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 4. Aufl., Stuttgart. Mussel, Gerhard (2007): Einführung in die Makroökonomik, 9. Aufl., München. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR, 2007): Das Erreichte nicht verspielen. Jahresgutachten 2007/2008, Wiesbaden. Häder VWL II Folie 2 WS 2008/09 Stabilitätspolitik Stabilitätspolitik • Politik zur Erhaltung der im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz der Bundesrepublik Deutschland definierten Teilziele: • Stabilität des Preisniveaus • hoher Beschäftigungsstand (Vollbeschäftigung) • außenwirtschaftliches Gleichgewicht • stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum Im Folgenden werden die zwei Grund legenden unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Konzeptionen zur Stabilitätspolitik vorgestellt und ihre wirtschaftspolitischen Implikationen diskutiert. Dies sind: die klassisch-neoklassische Theorie und die keynesianische Theorie. Häder VWL II Folie 3 WS 2008/09 1. Einführung Mikro- und Makroökonomik: ein Vergleich Mikroökonomik Makroökonomik Analyse des Verhaltens von Wirtschaftseinheiten • Analyse des Verhaltens einzelner Wirtschaftseinheiten • Analyse des durchschnittlichen Verhaltens von Gruppen • Betrachtung der Nachfrage eines Haushalts nach einem Gut • Betrachtung der Gesamtnachfrage aller Haushalte nach allen Gütern • Betrachtung des Angebots eines Unternehmens für ein bestimmtes Gut • Betrachtung des Angebots aller Unternehmen für sämtliche Güter • Betrachtung des Preises auf einem Markt • Betrachtung des Preisniveaus aller Güter Quelle: in Anlehnung an Mussel (2007), S. 3. Häder VWL II Folie 4 WS 2008/09 1. Einführung (Neo-)Klassik vs. Keynes – die zentralen Unterschiede (Neo-)Klassik Keynes Stabilität des marktwirtschaftlichen Systems Instabilität des marktwirtschaftlichen Systems • Vollbeschäftigung • beharrende Unterbeschäftigung möglich • Vertrauen auf die „Selbstheilungskräfte des Marktes“ • Markt führt nicht „automatisch“ zu Vollbeschäftigung • keine staatlichen Eingriffe in Konjunktur • deshalb stabilisierende Eingriffe des Staates notwendig („antizyklische Haushaltspolitik“) • stattdessen: Stärkung der Preisflexibilität auf den Märkten Häder VWL II Folie 5 WS 2008/09 1. Einführung Die Kreislaufanalyse In der Kreislaufanalyse werden gleichartige Wirtschaftssubjekte zu Gruppen („Sektoren“, „Pole“) zusammen gefasst und die Aktivitäten („Stromgrößen“) zwischen den Gruppen untersucht. Folgende Gruppen von Wirtschaftseinheiten mit den nachstehenden Aktivitäten werden dabei gebildet: Haushalte: • Konsum von Gütern • Sparen Unternehmen: • Produktion von Konsumund Investitionsgütern • Investition • Angebot von Arbeit Staat: • Nachfrage von Arbeit • Produktion von Gütern Ausland: • Steuererhebung/ Transfers • Nachfrage von Arbeit Häder VWL II Folie • Empfänger von Exporten • Lieferant von Importen 6 WS 2008/09 2.1 Der Wirtschaftskreislauf Kreislaufmodell I: 2-Pole-Wirtschaft Geschlossene stationäre Wirtschaft ohne staatliche Aktivität: • Unternehmen (U) stellen Konsumgüter her und zahlen den Haushalten für Arbeitsleistungen Einkommen. • Haushalte (HH) verausgaben ihre Einkommen vollständig für den Kauf von Konsumgütern; es gibt keine Ersparnis und Investition, ergo keine Vermögensbildung („stationäre Wirtschaft“) • Kein Staat, kein Ausland Konsumausgaben 100 GE Konsumgüter 100 ME U HH Realer Strom: in Mengeneinheiten (ME) Monetärer Strom: in Geldeinheiten (GE) Häder VWL II Faktorleistungen 10 ME Faktoreinkommen 100 GE Folie 7 WS 2008/09 2.1 Der Wirtschaftskreislauf Das Kreislaufaxiom Kreislaufaxiom: Das Kreislaufaxiom stellt fest, dass die Summe der einen Sektor verlassenden Ströme wertmäßig gleich ist der Summe der einem Sektor zufließenden Ströme. Monetärer und realer Kreislauf zeichnen sich durch entgegen gesetzte Stromrichtungen aus. Im Weiteren wird nur noch der monetäre Kreislauf dargestellt. Häder VWL II Folie 8 WS 2008/09 2.1 Der Wirtschaftskreislauf Kreislaufmodell II: 3-Pole-Wirtschaft (1) Geschlossene Wirtschaft ohne staatliche Aktivität: • Unternehmen (U) stellen Konsum- und Investitionsgüter her und zahlen den Haushalten für Arbeitsleistungen Einkommen. • Haushalte (HH) verwenden ihr Einkommen für Konsum oder Ersparnis. • Vermögensänderung (V): Dieser (künstlich eingeführte) Sektor übernimmt in der Modellwelt die Aufgabe, die Ersparnis (Kapitalangebot) der HH´e aufzunehmen und zur Finanzierung von Investitionen an die U`gen (Kapitalnachfrage) weiter zu reichen. Konsumausgaben 100 GE • Kein Staat, kein Ausland (C) U Faktoreinkommen 150 GE (Y) (I) Investitionen 50 GE Häder VWL II Folie 9 V WS 2008/09 HH (S) Sparen 50 GE 2.1 Der Wirtschaftskreislauf Kreislaufmodell II: 3-Pole-Wirtschaft (2) Gemäß Kreislaufaxiom ergeben sich für jeden Sektor folgende, wertmäßig gleiche Zu- und Abflüsse: Sektor Wert abfließender Wert zufließender = Ströme Ströme Y = C + I U C + S = Y HH I = S V Die Gleichheit von Investieren und Sparen (I = S) folgt aus der Axiomatik der Kreislaufanalyse und ist ex post stets erfüllt. Häder VWL II Folie 10 WS 2008/09 2.1 Der Wirtschaftskreislauf Kreislaufmodell III: 4-Pole-Wirtschaft (1) Geschlossene Wirtschaft mit staatlicher Aktivität: • Unternehmen (U) stellen Konsum- und Investitionsgüter sowie Güter und Dienstleistungen für den Staat her, zahlen den Haushalten für Arbeitsleistungen Einkommen (Y) und an den Staat Steuern (TU). • Haushalte (HH) verwenden ihr Einkommen für Konsum oder Ersparnis, zahlen Steuern an den Staat (THH) und erhalten staatliche Transfers (Tr). • Staat (St) fragt Güter nach (G), erhebt Steuern (T = THH + TU), zahlt Transfers (Tr) und spart bei Budgetüberschuss (SSt). • Vermögensänderung (V) bringt Kapitalangebot der HH´e (SHH), der U`gen (SU) und des Staates (SSt) mit Kapitalnachfrage der U´gen zusammen. • kein Ausland Häder VWL II Folie 11 WS 2008/09 2.1 Der Wirtschaftskreislauf Kreislaufmodell III: 4-Pole-Wirtschaft (2) G SSt Tr St TU THH C U HH Y SU I V SHH Kreislaufgleichungen: U : Y + T U + SU = C + G + I HH : C + THH + SHH = Y + Tr St : V : Häder G + Tr + SSt = TU + THH I = SU + SHH + SSt VWL II Folie 12 WS 2008/09 2.1 Der Wirtschaftskreislauf Übungsaufgabe Stellen Sie den Wirtschaftskreislauf für eine Modellwirtschaft auf, für die folgende makroökonomischen Größen ermittelt wurden: Einkommen Y = 8.000 Konsum der Haushalte C = 6.000 Sparen der Haushalte SHH = 800 Sparen der Unternehmen SU = 200 Staatsausgaben G = 1.000 Steuerzahlungen der HH´e THH = 1.200 Steuerzahlungen der U´gen TU = 500. Wie hoch sind die Investitionen im Unternehmenssektor? Häder VWL II Folie 13 WS 2008/09 2.1 Der Wirtschaftskreislauf Bruttoinlandsprodukt Bruttoinlandsprodukt Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist der Marktwert aller für den Endverbrauch bestimmten Waren und Dienstleistungen, die in einem Land in einem bestimmten Zeitraum hergestellt werden. Berechnung des BIP: Bruttoproduktionswerte aller Wirtschaftsbereiche (= Wert aller erstellten Güter und Dienstleistungen zu Faktorkosten) minus: Vorleistungen = Bruttowertschöpfung aller Wirtschaftsbereiche plus: indirekte Steuern minus: Subventionen = Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen Häder VWL II Folie 14 WS 2008/09 2.2.1 2.2 Einkommen Messung des und Beschäftigung Einkommens Vom Bruttoinlandsprodukt zum Nettoinlandsprodukt Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen minus: Abschreibungen = Nettoinlandsprodukt zu Marktpreisen minus: indirekte Steuern plus: Subventionen = Nettoinlandsprodukt zu Faktorkosten Häder VWL II Folie 15 WS 2008/09 2.2.1 Messung des Einkommens Bruttoproduktionswert und Wertschöpfung Bauer 10 5 Löhne Getreide Müller 15 Gewinn VorMehl leistung 15 Löhne 5 Miete 5 Gewinn Bäcker Bruttoproduktionswert = 15 + 40 + 57 = 112 minus Vorleistungen = 15 + 40 = - 55 = Bruttowertschöpfung Häder VWL II = 57 Folie 16 VorBrot leistung 40 10 Löhne 7 Gewinn Quelle: Edling (2006), S. 153. WS 2008/09 2.2.1 Messung des Einkommens 57 Bruttowertschöpfung nach Wirtschaftsbereichen (1970; 2006) öffentliche und private Dienstleister 1970* 2006 Land-, Forstwirtschaft, Fischerei 3,3 % 15,4 % Finanzierung, Vermietung, Unternehmensdienstleister 13,9 % Produzierendes Gewerbe (ohne Bau) 1% 21,9 % 26 % 40,3 % 3,9 % 29 % 19 % 18,3 % 8 % Handel, Gastgewerbe, Verkehr Baugewerbe * alte Bundesrepublik Quelle: Statistisches Bundesamt, VGR Häder VWL II Folie 17 WS 2008/09 2.2.1 Messung des Einkommens Produktionspotenzial und Auslastungsgrad Produktionspotenzial (mögliche Produktion) Auslastungsgrad = tatsächliche Beschäftigung des Produktionspotenzials Arbeit Kapital Inlandsprodukt (tatsächliche Produktion) Häder VWL II Folie 18 WS 2008/09 2.2.1 Messung des Einkommens Entwicklung des Auslastungsgrads des Produktionspotenzials (1970-2002) Quelle: SVR, Jahresgutachten 2003/04, S. 418. Häder VWL II Folie 19 WS 2008/09 2.2.1 Messung des Einkommens Messung der Arbeitslosigkeit Bevölkerung Arbeitskräftepotenzial Erwerbspersonenpotenzial Nicht-Erwerbstätige freiwillig Arbeitslose Erwerbstätige Arbeitnehmer unfreiwillig Arbeitslose Selbstständige registrierte Arbeitslose stille Reserve Erwerbspersonen Häder VWL II Folie 20 WS 2008/09 2.2.2 Messung der Beschäftigung Entwicklung der Arbeitslosenquote in Deutschland (1950-2007) % 14 bis 1990 Daten für Gebiet der alten Bundesrepublik 12 2007: durchschnittlich 3,776 Mio. Arbeitslose 10 8 6 4 2 0 1950 Häder 1960 VWL II 1970 1980 Folie 1990 21 2000 WS 2008/09 Quelle: Bundesagentur für Arbeit 2.2.2 Messung der Beschäftigung Ursachen von Arbeitslosigkeit Formen von Arbeitslosigkeit kurzfristig friktionell x saisonal x konjunkturell x langfristig gesamtwirtschaftlich sektorspezifisch arbeitsmarktspezifisch x x x strukturell - Mismatch x x - demographisch x x - wachstumsdefizitär x x x - tariflohnbedingt x (x) (x) - regulierungsbedingt x - technologiebedingt x (x) x x x Quelle: Edling (2006), S. 228. Häder VWL II Folie 22 WS 2008/09 2.2.2 Messung der Beschäftigung Die klassisch-neoklassische makroökonomische Theorie • Wichtigste Vertreter/ Begründer der Theorie: Adam Smith, David Ricardo, Thomas R. Malthus, John Stuart Mill, Jean Baptiste Say, Arthur Cecil Pigou, Leon Walras, Alfred Marshall, Stanley Jevons • Wichtigste Aussagen: 1. Der Preismechanismus führt (gleich einer „unsichtbaren Hand“) zur Koordination der dezentral aufgestellten Wirtschaftspläne und zu einem Ausgleich von Angebot und Nachfrage. 2. Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage („Saysches Theorem“). 3. Geld ist allein Tauschmittel und hat keine Auswirkungen auf reale Größen wie die Güterproduktion („klassische Dichotomie“) Häder VWL II Folie 23 WS 2008/09 3.1 Die klassischneoklassische Theorie Das Arbeitsangebot (1) HH steht bei geg. Lohnsatz (l) vor der Entscheidung, wie viele Arbeitsstunden er pro Tag anbieten möchte: Einkommen/ Tag Lohnsatz (l) Arbeitsangebotskurve: 4 X atypischer Verlauf 64 l=4 l=2 l=1 2 32 16 x 1 x typischer Verlauf X x 8 11 12 Häder X VWL II 16 Freizeit in Std. /Tag Folie 4 5 24 WS 2008/09 8 Arbeitsangebot in Std./Tag 3.1.1 Arbeitsmarkt 3.1.1.1 Arbeitsangebot Das Arbeitsangebot (2) Das gesamtwirtschaftliche Arbeitsangebot ergibt sich wieder als Horizontalaggregation der individuellen Angebotskurven. • atypische Verläufe der Arbeitsangebotskurve oberhalb von Punkt B (sehr hohe Lohnsätze) und unterhalb von Punkt C (Ausdehnung des Arbeitsangebots zur Sicherung des Lebensunterhalts trotz abnehmender Lohnsätze) l B x typischer Verlauf xC • Des weiteren wird von normalem Verlauf der Arbeitsangebotskurve ausgegangen. 16 Häder VWL II A (Std./Tag) Folie 25 WS 2008/09 3.1.1.1 Arbeitsangebot Das Arbeitsangebot (3) • (Neo-)Klassiker gehen davon aus, dass Arbeiter ihr Angebot an Arbeit (AA) am Reallohn orientieren. l/pl Reallohn = Verhältnis von Geldlohnsatz und Preisniveau lr = l/p Der Reallohn drückt die Kaufkraft des Geldlohns aus. • Die Arbeiter sind bei steigenden Preisen also nur bereit, ihr Arbeitsangebot aufrecht zu erhalten, wenn der Geldlohn steigt. AA Häder VWL II Folie 26 WS 2008/09 3.1.1.1 Arbeitsangebot Die Arbeitsnachfrage (1) Unternehmen fragen so lange Arbeit nach, wie es sich für sie lohnt: Vergleich Grenzkosten der Arbeit Wert des Grenzprodukts der Arbeit und = = Nominallohnsatz bzw.: Grenzproduktivität (-ertrag) der Arbeit VWL II x Güterpreis = = Nominallohnsatz Güterpreis Häder ! = ! = Folie Grenzproduktivität (-ertrag) der Arbeit 27 WS 2008/09 3.1.1.2 Arbeitsnachfrage Die Arbeitsnachfrage (2) Als gesamtwirtschaftliche Produktionsfunktion wird sei eine neoklassische Produktionsfunktion angenommen: Y Y = f (A, K,TF,U) B A dY1 Grenzertrag der Arbeit nimmt mit zunehmendem Einsatz des Faktors ab. Punkt A: geringer Arbeitseinsatz und hohe Grenzproduktivität dY2 Punkt B: hoher Arbeitseinsatz und geringe Grenzproduktivität 1 Häder 2 VWL II 3 4 A (= Arbeit) Folie 28 WS 2008/09 3.1.1.2 Arbeitsnachfrage Die Arbeitsnachfrage (3) Wie viel Arbeit werden die Unternehmen nun nachfragen, wenn der reale Faktorpreis für Arbeit (der Reallohn) steigt? Die Unternehmen werden so viel Arbeit wählen, bis dass der Grenzertrag der Arbeit mit dem neuen Reallohn wieder übereinstimmt. Sie werden also weniger Arbeit nachfragen. l/p Die gesamtwirtschaftliche Arbeitsnachfragekurve (AN) fällt somit mit steigendem Reallohn (l/p). AN A Häder VWL II Folie 29 WS 2008/09 3.1.1.2 Arbeitsnachfrage Das Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt Im (neo-)klassischen System führt der Gleichgewichtsreallohn dazu, dass jeder, der zu diesem Lohnsatz arbeiten will, und jeder, der hierzu Arbeit nachfragt, auch zum Zuge kommt. Es herrscht Vollbeschäftigung. l/p AA (l/p)1 (l/p)* Bei Abweichung des Reallohns von seinem Gleichgewichtswert (z.B. (l/p)1) tendiert das System über Nominallohnänderungen zurück zum Gleichgewicht. AN A1 Häder VWL II A* A Folie 30 WS 2008/09 3.1.1.3 Arbeitsmarktgleichgewicht Unterbeschäftigung im neoklassischen Modell • Annahme: Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände handeln im bilateralen Monopol den Geldlohnsatz l1 aus, der beim Preisniveau p zum Reallohnsatz (l/p)1 führt. l/p Arbeitslosigkeit AA (l/p)1 • Dann entsteht Arbeitslosigkeit i.H.v. A* - A1, da der Markt keine Flexibilität zur Herstellung des GGReallohns (l/p)* besitzt. (l/p)* AN A1 Häder VWL II A* Forderung der (Neo-)Klassiker: A Folie 31 Stärkung von Preisflexibilität und Wettbewerb auf den Märkten!! WS 2008/09 3.1.1.3 Arbeitsmarktgleichgewicht Ableitung des realen Güterangebots Ausgehend von der Vollbeschäftigungs-Arbeitsmenge (A*) kann im (neo-) klassischen System über die gesamtwirtschaftliche Produktionsfunktion leicht die reale Güterproduktion (YA*) abgeleitet werden: p YA* (l/p)* YA l/p AA AN A Häder VWL II Folie 32 WS 2008/09 3.1.2 Güter- und Kapitalmarkt Say´sches Theorem Aus dem Gleichgewicht am Arbeitsmarkt, das Vollbeschäftigung impliziert, ergibt sich im (neo-)klassischen Modell das reale Güterangebot. Wie aber wird sicher gestellt, dass das Güterangebot auch nachgefragt wird? Say´sches Theorem: „Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage!“ Zwei Begründungen für diese Annahme: (1) Jeder Produktion entspricht in gleicher Höhe geschaffenes Einkommen. Dies ergibt sich aus der „Kreislaufidee“ und ist immer erfüllt. (2) Der Zinsmechanismus sorgt dafür, dass das gesamte Einkommen auch nachfragewirksam wird. Häder VWL II Folie 33 WS 2008/09 3.1.2 Güter- und Kapitalmarkt Modell I: „Ein-Konsumgut-Wirtschaft“ • Annahme: In der Volkswirtschaft wird nur ein Konsumgut (C1) hergestellt und angeboten; dann beträgt das Güterangebot bei Vollbeschäftigung auf dem Arbeitsmarkt YA* = C1*. Die Haushalte sparen nicht („stationäre Wirtschaft“). • Gemäß Kreislaufaxiom wird im Umfang des Güterangebots auch Einkommen erzeugt. Da es kein Sparen gibt, verausgaben die Haushalte ihr Einkommen vollständig. Ergo: Das gesamte Angebot an dem Konsumgut findet auch seinen Absatz! Häder VWL II Folie 34 WS 2008/09 3.1.2.1 stationäre Wirtschaft Modell II: „Mehr-Konsumgüter-Wirtschaft“ p1 AC1 p2 p2‘‘ p2‘ p1‘ p1‘‘ NC1‘ NC1‘‘ C1 C1‘‘ C1‘ AC2 • Ausgangspunkt: „2-KonsumgüterModell“ mit GG auf dem Gütermarkt (Produktion: C1‘ und C2‘) und Vollbeschäftigung (A1‘+A2‘= A*). NC2‘‘ NC2‘ C2 C2‘ C2‘‘ • Störung: Nachfrage nach Gut 1 geht auf NC1‘‘ zurück. A2 A1 A1‘ A1‘‘ • Dann sinkt Preis für Gut 1 und Produktion als auch Beschäftigung im Sektor 1 gehen zurück (C1‘‘, A1‘‘). A 2‘‘ A2‘ • Da HH´e nicht sparen, muss geänderte Bedürfnisstruktur zu Mehrnachfrage nach Gut 2 führen (NC2‘‘). Folge: Preisanstieg, Produktionsausweitung, Beschäftigungsanstieg (p2‘‘, C2‘‘, A2‘‘). C2 C1 Nach Störung kehrt Markt zu güterwirtschaftlichem GG zurück. Häder VWL II Folie 35 WS 2008/09 3.1.2.1 stationäre Wirtschaft Say‘sches Theorem in stationärer Wirtschaft Konsumgüterangebot Arbeitsmarkt: AA = AN Voraussetzung: flexible Preise Konsumgüternachfrage Einkommen Häder VWL II Folie Gleichgewicht am Gütermarkt 36 WS 2008/09 3.1.2.1 stationäre Wirtschaft Modell III: „Mehr-Konsum- und Investitionsgüter-Wirtschaft“ Wie bereits an anderer Stelle festgestellt, beschreibt eine stationäre Wirtschaft den realen Wirtschaftsprozess nur sehr ungenau. Wie aber erklären die (Neo-)Klassiker ein Gleichgewicht am Gütermarkt, wenn die Haushalte einen Teil ihres Einkommens sparen und damit nicht für Konsumgüter ausgeben? Im Folgenden werden hierzu die neoklassischen Vorstellungen zu den Zusammenhängen auf dem Kapital- und Gütermarkt dargestellt. Häder VWL II Folie 37 WS 2008/09 3.1.2.2 evolutorische Wirtschaft Das Kapitalangebot Die bei der Güterproduktion geschaffenen Einkommen der HH´e (Y) können für Konsum oder Sparen „ausgegeben“ werden: Y=C+S Die Ersparnis (S) hängt gemäß Annahme der (Neo-)Klassiker allein von der Höhe des Zinssatzes ab. Je höher der Zinssatz ist, desto mehr werden die HH´e zu sparen bereit sein. Die neoklassische Sparfunktion lautet mithin: i S = S (i) (geplante) Ersparnis der HH´e + S Häder VWL II Folie 38 WS 2008/09 3.1.2.2.1 Klassische Sparfunktion Die Konsumnachfrage Wenn angenommen wird, dass die Ersparnis vom Zins abhängig ist, so hat dies auch Auswirkungen auf die Konsumnachfrage der Haushalte. Da sich Konsum und Ersparnis gemäß Y = C + S komplementär zueinander verhalten, folgt mit S = S (i): Y=C+S C=Y-S C = Y – S (i) C (i) = Y – S (i) Somit ist auch der Konsum (indirekt) vom Zins abhängig, und zwar invers: je höher der Zinssatz, desto geringer die Konsumnachfrage, da die Haushalte einen zunehmenden Teil des Einkommens sparen: C = C (i) Häder VWL II Folie 39 WS 2008/09 3.1.2.2.1 Klassische Sparfunktion Die Kapital- und Güternachfrage der Unternehmen Die Unternehmen fragen Kapital nach, um Investitionen zu tätigen. Dabei fragen sie (analog zur Arbeitsnachfrage) so viel Kapital nach, bis der technische Grenzertrag des Kapitals dem Faktorpreis für Kapital (dem Zinssatz i) entspricht. M.a.W.: Je geringer der Zinssatz liegt, desto mehr Investitionsobjekte sind rentabel und umso mehr Kapital wird durch die Unternehmen nachgefragt. Die neoklassische Investitionsnachfragefunktion lautet mithin: - i (geplante) Investitionsnachfrage der U´gen Hinweis: Investitionsnachfrage entspricht Nachfrage der U´gen am Gütermarkt nach Inv.-gütern und am Kapitalmarkt nach Kapital. I Häder I = I (i) VWL II Folie 40 WS 2008/09 3.1.2.2.2 Klassische Investitionsfunktion Das Gleichgewicht auf dem Kapitalmarkt Im (neo-)klassischen Modell regelt der Zinssatz i, dass die HH´e im Gleichgewicht gerade so viel Ersparnis am Kapitalmarkt anbieten, wie die U´gen für Investitionen nachfragen. i S i* Bei Abweichung des tatsächlichen Zinssatzes (z.B. i‘) von seinem Gleichgewichtswert ( i*) tendiert das System über Zinssatzänderungen zurück zum Gleichgewicht. i‘ I S‘ Häder VWL II S*, I* I‘ S, I Folie 41 WS 2008/09 3.1.2.2.3 Kapitalmarkt-GG in evolutorischer Wirtschaft Stabilität des Kapitalmarkt-GG p AC p‘ p‘‘ • Ausgangspunkt: „Modell mit je einem S‘ Konsum- und Inv.-gut“ mit GG auf S‘‘ dem Gütermarkt (Produktion: C‘ und I‘) und Vollbeschäftigung (AC‘+AI‘= A*). i i‘ NC‘‘ C‘‘ C‘ NC‘ i‘‘ C I S,I S‘=I‘S‘‘=I‘‘ AI AC AC A‘ C‘‘ AI‘ I Nach Störung kehrt Markt zu GG zurück. Häder VWL II Folie • Dann sinkt Preis für Konsumgut und Produktion als auch Beschäftigung im Sektor 1 gehen zurück (C‘‘, AC‘‘). • Da HH´e mit Minderkonsum mehr sparen, führt dies zu höherem Kapitalangebot (S‘‘). Folge: Zinssenkung, Anstieg Inv.-güternachfrage und -produktion, Beschäftigungsanstieg (i‘‘, I‘‘, AI‘‘). A I‘‘ C • Störung: Nachfrage nach Konsumgut geht auf NC‘‘ zurück. 42 WS 2008/09 3.1.2.2.3 Kapitalmarkt-GG in evolutorischer Wirtschaft Das Gleichgewicht auf dem Gütermarkt Das Gütermarktgleichgewicht ergibt sich, wenn (geplante) Güterproduktion (YA) und (geplante) Güternachfrage (YN) übereinstimmen: YA = YN Die (geplante) Güterproduktion ergibt sich im Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt mit YA*. Gleichzeitig wird damit das Einkommen Y* geschaffen. Die (geplante) Güternachfrage ergibt sich aus (geplanter) Konsumnachfrage der HH´e und (geplanter) Investitionsnachfrage der U`gen: YN = C + I Das Einkommen der HH`e (Y*) wird entweder für Konsum (C) oder Ersparnis (S) verwendet: Y* = C + S , wobei C = C (i) = Y* - S (i) Der Zinssatz bewirkt Ausgleich am Kapitalmarkt derart, dass S = I gilt, und zugleich, dass jenes Einkommen, das die HH´e nicht für Konsum sondern Ersparnis verwenden, in gleicher Höhe als Investitionsnachfrage am Gütermarkt wirksam wird. Häder VWL II Folie 43 WS 2008/09 3.1.2.2.3 Kapitalmarkt-GG in evolutorischer Wirtschaft Say‘sches Theorem in evolutorischer Wirtschaft Konsum- und Investitionsgüterangebot YA Arbeitsmarkt: AA = AN Voraussetzung: flexible Preise Gleichgewicht am Gütermarkt C Konsumgüternachfrage Einkommen I=S Sparen Häder VWL II Folie I 44 Inv.-güternachfrage WS 2008/09 3.1.2.2.3 Kapitalmarkt-GG in evolutorischer Wirtschaft Geldmarkt: Begriffliche Grundlagen Um Geld zu definieren, orientiert man sich am besten an den Funktionen des Geldes: • Tausch-/ Zahlungsmittelfunktion • Wertmaßstab und Rechenmittel • Wertaufbewahrungsfunktion Aktiva, die diese 3 Funktionen erfüllen, bezeichnet man als „Geld“. Heute ist Geld vor allem als Bargeld (Banknoten + Münzen) und als Giralgeld (Sichtguthaben bei Banken) vorhanden. Geldmarkt Häder VWL II = ökonomischer Ort, an dem gesamtwirtschaftliches Geldangebot und gesamtwirtschaftliche Geldnachfrage aufeinander treffen. Folie 45 WS 2008/09 3.1.3. Geldmarkt 3.1.3.1 Begriffl. Grundlagen Das Geldangebot • Das Geldangebot wird vom Bankensystem, d.h. von der Zentralbank und den Geschäftsbanken bereit gestellt. • Des weiteren wird angenommen, dass die Zentralbank die im Umlauf befindliche Geldmenge genau steuern kann; also: M = Mfix Die Geldmenge ist exogen gegeben und damit bspw. unabhängig vom Einkommen oder Zins. Häder VWL II Folie 46 WS 2008/09 3.1.3.2 Geldangebot Die neoklassische Geldnachfrage Geld hat in der (neo-)klassischen Theorie allein die Funktionen des allgemein anerkannten Zahlungsmittels („Schmiermittel des Wirtschaftsprozesses“) und des allgemeinen Wertmaßstabs. Geld erfüllt dagegen nicht eine Wertaufbewahrungsfunktion, da es keinen Zins trägt. Weil Geld insofern keinen direkten oder indirekten (Zins!) Nutzen stiftet, stellt es nach neoklassischer Ansicht kein Gut dar. Geld ist allein technisches Hilfsmittel zur Abwicklung von Tauschaktivitäten. Die für die Abwicklung von Tauschvorgängen benötigte Geldhaltung bezeichnet man als Transaktionskasse. Häder VWL II Folie 47 WS 2008/09 3.1.3.3 Neoklassische Geldnachfrage Modell zur Erklärung der Nachfrage nach Transaktionskasse (1) € • Modell mit einem HH und einer U‘g. Transaktionskasse des HH‘s (LTHH) 3000 • HH erhält am Ende des Monats von U‘g ein Einkommen i.H.v. 3.000 €. 1500 10 € 3000 20 30 Tage Transaktionskasse der U‘g (LTU) Im Monatsdurchschnitt halten HH wie auch U‘g eine Transaktionskasse i.H.v. 1500 € (siehe ). 1500 10 Häder VWL II 20 • HH gibt täglich 100 € für Güterkäufe aus (Monat hat 30 Tage). 30 Tage Folie 48 Die gesamtwi. Geldnachfrage beträgt hier LT = LTHH + LTU = 3000 €. WS 2008/09 3.1.3.3 Neoklassische Geldnachfrage Modell zur Erklärung der Nachfrage nach Transaktionskasse (2) € Transaktionskasse des HH‘s (LTHH) 3000 1500 Wie ist die Geldnachfrage, wenn das Einkommen in zwei Tranchen von je 1500 € zur Mitte und am Ende des Monats ausgezahlt wird? 750 10 € 3000 15 20 30 Tage Transaktionskasse der U‘g (LTU) Im Monatsdurchschnitt halten HH wie auch U‘g nun nur noch eine Transaktionskasse i.H.v. 750 €. Die gesamtwi. Geldnachfrage beträgt nun LT = LTHH + LTU = 1500 €. 1500 750 10 Häder VWL II 15 20 30 Tage Folie 49 Das Geld ist in der Periode 2x zwischen HH und U‘g zirkuliert; deshalb ist die Geldnachfrage auf die Hälfte gesunken. WS 2008/09 3.1.3.3 Neoklassische Geldnachfrage „Cambridge-Gleichung“ Die Verknüpfung zwischen Geldnachfrage und Einkommen erfolgt also über die „Umlaufgeschwindigkeit des Geldes“ (v). Je höher die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes ist, umso weniger Transaktionskasse wird benötigt, um die zu einem Einkommen gehörenden Güterverkäufe tätigen zu können: Ln Umgeformt ergibt sich: „CambridgeGleichung“ ·v= mit Ln = nominelle Geldnachfrage v = Umlaufgeschwindigkeit des Geldes Yn = nominelles Einkommen (=Realeinkommen x Preisniveau) Yn Ln = 1/v · Y · p Ln = k · Y · p mit k = 1/v, wobei k = „Kassenhaltungskoeffizient“ Nach der „Cambridge-Gleichung“ ist der Geldbedarf einer Wirtschaft umso höher, je höher Realeinkommen und Preisniveau und je größer der Kassenhaltungskoeffizient (= je geringer der Umlaufgeschw. des Geldes) ist. Häder VWL II Folie 50 WS 2008/09 3.1.3.3 Neoklassische Geldnachfrage Quantitätstheorie des Geldes Das Geldmarktgleichgewicht ergibt sich als Übereinstimmung von Geldangebot und Geldnachfrage: M = Ln Bei gegebener Geldmenge (Mfix) und Geldnachfrage gemäß CambridgeGleichung folgt im Geldmarkt-GG: M=k·p· Y oder mit v = 1/k: „Quantitätsgleichung“ M·v=p· Y Mit Annahme eines konstanten v und gegebenem Realeinkommen (Y) folgt der zentrale Satz der Quantitätstheorie: Änderungen der Geldmenge schlagen sich allein in Preisniveauänderungen nieder und beeinflussen keine realen Größen! Häder VWL II Folie 51 WS 2008/09 3.1.3.4 Gleichgewicht auf dem Geldmarkt Die Geldhyperbel Die Quantitätsgleichung nach p aufgelöst ergibt: p = M · v · 1/Y Die „Geldhyperbel“ gibt an, welches Preisniveau (p) bei gegebener Geldmenge (M) und gegebener Umlaufgeschwindigkeit des Geldes (v) bei welchem Realeinkommen im Gleichgewicht besteht. Graphisch ergibt sich folgendes Bild: p • Mit höherer Geldmenge M verschiebt sich die Geldhyperbel nach oben und ordnet jedem Realeinkommen ein höheres Preisniveau zu. p = Mfix · vfix · 1/Y Y Häder VWL II Folie 52 WS 2008/09 3.1.3.4 Gleichgewicht auf dem Geldmarkt Geldmengenregel zur Vermeidung von Inflation Auf Grundlage der Quantitätstheorie fordern die (Neo-)Klassiker eine regelgebundene Geldpolitik („Monetarismus“): • Bei gegebenem Realeinkommen (Y) und konstantem v führen Erhöhungen der Geldmenge (M) allein zu Preisniveauanstieg: M ·v =p · Y • In Wachstumsraten (w) ergibt sich die Quantitätsgleichung wie folgt: wM + wv = wp + wY und umgestellt: wM = wp + wY - wv • Geldmengenregel: Um Inflation zu vermeiden, sollte die Geldmenge entsprechend dem Wachstum des Einkommens (Produktionspotenzials) wachsen. Häder VWL II Folie 53 WS 2008/09 3.1.3.4 Gleichgewicht auf dem Geldmarkt Das (neo-)klassische Totalmodell p p = M · v/Y II I YA = YN l* IV: Bestimmung des Vollbeschäftigungseinkommens über die gesamtwi. Produktionsfunktion p* (l/p)* Y* l/p Y I: Gemäß Say´schem Theorem schafft Güterangebot entsprechende Güternachfrage; Einkommen ist unabhängig vom Preisniveau („Quantitätstheorie“) A* AA AN III Häder IV A VWL II III: Bestimmung des realen GGLohnsatzes und der Arbeitsmenge bei Vollbeschäftigung Folie 54 I/II: Preisniveau ergibt sich als p = M · v/Y* und Nominallohn aus realem Lohnsatz und Preisniveau WS 2008/09 3.1.4 (Neo-)klassisches Totalmodell Stabilität des totalen GG: realwirtschaftliche Störung p p = M · v/Y II I IV: Störung: techn. Fortschritt führt zu Verschiebung der gesamtwi. Produktionsfunktion nach oben. l* p* (l/p)*‘ l/p p*‘ (l/p)* Y* III: Arbeitsnachfragekurve verschiebt sich nach außen (AN‘); neues GG mit höherer Y*‘ Y Beschäftigung (A*‘). I: Höheres Güterangebot wird gemäß Say´schem Theorem auch nachgefragt (Y*‘); Preisniveau sinkt (p*‘`). A* A*‘ AA N AN‘ A III Häder Gesamtwi. GG ist stabil. IV A VWL II Folie 55 WS 2008/09 3.1.4 (Neo-)klassisches Totalmodell Stabilität des totalen GG: monetäre Störung p II I l*‘ l* p*‘ p* (l/p)* l/p A* AA I: Störung: Erhöhung der Geldmenge auf M‘ führt YA = YN zu Verschiebung der Geldhyperbel nach oben; p = M‘ · v/Y infolgedessen steigt das Preisniveau (p*‘). p = M · v/Y Y* Y II: höheres Preisniveau führt bei konstantem Reallohn zu höherem Geldlohn (l*‘). AN III Häder IV A VWL II Folie 56 III, IV,I: keine Auswirkungen der monetären Störung auf den realen Sektor („klassische Dichotomie“). WS 2008/09 3.1.4 (Neo-)klassisches Totalmodell Gesamtwirtschaftliche Güterangebotskurve (langfristig) p I II YAlangf (l/p)* l/p Y* A* AA AN III Häder A VWL II Folie 57 Die Güterangebotskurve entspringt der vwl. Produktionssphäre. • Unter Annahme eines voll flexiblen Arbeitsmarktes (wird später revidiert) ergibt sich am Arbeitsmarkt ein Vollbeschäftigungs-GG (A*). • Über die gesamtwi. Produktionsfunktion (IV) ergibt sich das zu VollY beschäftigung kombatible Güterangebot (Y*). • Da das Arbeitsmarkt-GG vom Reallohn abhängt und sich gemäß Annahme der Nominallohn bei Preisniveauänderungen sofort anpasst, beeinflussen Preisänderungen das Güterangebot nicht (YA senkrecht IV zur p-Achse). WS 2008/09 3.1.4 (Neo-)klassisches Totalmodell Gesamtwirtschaftliche Güterangebotskurve (kurzfristig) p YA II langfI YAkurzf (l/p)* l/p Y* AN III Häder A VWL II • Preisniveauänderungen können Anbieter auf Märkten irreführen: Anbieter bemerken Änderung der Preise als erstes auf eigenem Markt Y und folgern, dass sich die relativen Preise geändert haben. • Nominallöhne sind kurzfristig starr: Steigt das Preisniveau stärker als erwartet, sinkt bei fixen Nominallöhnen der Reallohn und für Anbieter lohnt sich Angebotsausweitung. IV A* AA Während die Güterangebotskurve langfristig unabhängig vom Preisniveau ist, hat sie aus folgenden Gründen kurzfristig positive Steigung: Folie 58 WS 2008/09 3.1.4 (Neo-)klassisches Totalmodell Die Keynesianische Theorie (1) • Begründer der Theorie: John Maynard Keynes, britischer Nationalökonom, Hauptwerk: „General Theory of Employment, Interest and Money“ (1936) • Wichtigste Aussagen: 1. Keynes stellt das Say´sche Theorem auf den Kopf. Seine These lautet: „Die Produktion wird von der Absatzseite her bestimmt. Die Nachfrage schafft sich ihr Angebot, nicht umgekehrt.“ Ist die am Markt auftretende Nachfrage zu gering, dann ist ein Gleichgewicht bei dauerhafter Unterbeschäftigung möglich. 2. Der Markt führt mithin nicht „automatisch zu Vollbeschäftigung. Staatseingriffe sind zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit notwendig. Häder VWL II Folie 59 WS 2008/09 3.2 Die Keynesianische makroökon. Theorie Die Keynesianische Theorie (2) Im Wesentlichen sind es vier maßgebliche Punkte, in denen sich die Keynes´sche Sichtweise der makroökonomischen Zusammenhänge von denen der orthodoxen (neo-)klassischen Lehre unterscheidet: • Konsumfunktion, wonach die Konsumausgaben i.W. von der Höhe des aktuellen Realeinkommens abhängig sind. • modifizierte Investitionstheorie, die auf der erwarteten Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals aufbaut und nicht auf der technischen Grenzleistungsfähigkeit, wie bei den (Neo-)Klassikern. • Ersetzen der Quantitätstheorie durch die Liquiditätspräferenztheorie. • Annahme möglicher Starrheiten von Preisen und Löhnen. Häder VWL II Folie 60 WS 2008/09 3.2 Die Keynesianische makroökon. Theorie Die Keynesianische Konsumnachfragefunktion Die Keynesianische Konsumfunktion lautet: 45°-Linie C mit Ca : autonome Konsumnachfrage c : Grenzkonsumquote, wobei 0<c<1 Y: laufendes Realeinkommen C(Y) da stets gilt: Y = C + S S(Y) Ca C(Y) = Ca + c·Y folgt: Y = Ca + c·Y + S und: S = - Ca + (1 – c)·Y 0 Y - Ca Häder VWL II Folie 61 WS 2008/09 3.2.1 Konsumnachfrage und Sparfunktion Keynes` Investitionsthese Nach Keynes hängt die Investitionsnachfrage nicht von der technischen Grenzproduktivität des Kapitals ab, sondern von den erwarteten zukünftigen Erträgen einer Investition: Es wird so viel Kapital nachgefragt, bis dass die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals dem Marktzins entspricht: I = I (i) i Obwohl „optisch gleich“, gehen Klassiker und Keynesianer von unterschiedlichen Abhängigkeiten der Investitionsnachfrage aus! Y Häder VWL II Folie 62 WS 2008/09 3.2.2 Investitionsnachfrage Das Einkommen-Ausgaben-Modell (1) Annahmen: • Das Investitionsvolumen ist gegeben. • Es bestehen unausgelastete Produktionskapazitäten. • Die Produktion passt sich vollständig und ohne Veränderung der Güterpreise an die Nachfrage an (= geg. Preisniveau). Die „effektive Nachfrage“ nach Keynes ergibt sich dann als: YN = Ca + c·Y + I mit YN : Güternachfrage I : gegebene Investitionen Die Gleichgewichtsbedingung für den Gütermarkt lautet: Güternachfrage = Güterproduktion YN = Y Häder VWL II Folie 63 WS 2008/09 3.2.3 Das Keynesianische Einkommen-Ausgaben-Modell Das Einkommen-Ausgaben-Modell (2) Mit Einsetzen von YN = Y in die Gleichung zur Güternachfrage ergibt sich: Y = Ca + c·Y + I bzw.: Y = 1/ (1 – c) · (Ca + I) Das Ergebnis lautet: 1. Es gibt nur ein Realeinkommen, das der Gleichgewichtsbedingung genügt. 2. Dieses Gleichgewichtseinkommen fällt nur „zufällig“ mit dem Vollbeschäftigungseinkommen zusammen, das unabhängig von der Güternachfrage durch den Arbeitsmarkt determiniert wird. Häder VWL II Folie 64 WS 2008/09 3.2.3 Das Keynesianische Einkommen-Ausgaben-Modell Das Einkommen-Ausgaben-Modell (3) 45°-Linie C I YN Ax x C(Y) + I B C(Y) Ca + I Unterbeschäftigung völlig unabhängig davon, wo der Reallohn liegt. Ca YGG Häder „Nachfragelücke“ in Höhe der Strecke AB VWL II Folie Y* 65 Y WS 2008/09 3.2.3 Das Keynesianische Einkommen-Ausgaben-Modell Das Einkommen-Ausgaben-Modell (4) Alternative Darstellung am Kapitalmarkt, wo Gleichgewicht herrscht, wenn gilt: S (Y) = I S, I S(Y) Ax x B YGG Y* I Y Beim Vollbeschäftigungseinkommen (Y*) liegt die Ersparnis über der Investitions(kapital)nachfrage. Es entsteht eine Nachfragelücke (Strecke AB), in Folge derer die Produktion bis auf YGG reduziert wird. -Ca Häder VWL II Folie 66 WS 2008/09 3.2.3 Das Keynesianische Einkommen-Ausgaben-Modell Anpassungsprozess zum GG-Einkommen (1) Gegeben sei folgende Situation: • Konsumfunktion: Ct = 200 + 0,8 · Yt • U‘gen bieten Güter entsprechend Nachfrage der Vorperiode an („Lundberg-Lag“): YAt = YNt-1 • autonome Investitionen: Ia = 200 • In der Ausgangssituation bieten die Unternehmen Güter im Wert von 2500 an, also YA1 = 2500. Wie entwickelt sich das Einkommen dieser Modellwirtschaft im Zeitablauf? Häder VWL II Folie 67 WS 2008/09 3.2.3 Das Keynesianische Einkommen-Ausgaben-Modell Anpassungsprozess zum GG-Einkommen (2) Periode YAt = YNt-1 Ct St It Nt Iu 1 2500 2200 300 200 2400 +100 2 2400 2120 280 200 2320 +80 3 2320 2056 264 200 2256 +64 n 2000 1800 200 200 2000 +/-0 Häder VWL II Folie 68 WS 2008/09 3.2.3 Das Keynesianische Einkommen-Ausgaben-Modell Bedeutung des „Sparens“ bei Keynes und Klassik (Neo-)Klassik Keynes S1 S2 i S,I S,I S2 Y2 Y1 S1= I1 S2= I2 • höheres Sparen führt zu höheren Investitionen. S1 Y • höheres Sparen führt zu Nachfrageausfall. • Investitionen erhöhen Produktions- • Folge: Unterbeschäftigung und Rezession. kapazität der VW und ermöglichen so Wachstum. Sparen ist vwl. unerwünscht! Sparen ist vwl. erwünscht! Häder VWL II Folie 69 WS 2008/09 3.2.3 Das Keynesianische Einkommen-Ausgaben-Modell Keynes: „Die Nachfrage bestimmt das Angebot“ C I 45° YGG (l/p)* l/p Nach Keynes schafft sich die Nachfrage ihr Angebot. Liegt die C(Y)+I effektive Nachfrage niedriger als das Güterangebot bei Vollbeschäftigung (YGG > Y*), dann schränken Y die U‘gen wegen der Absatzbeschränkung ihre Produktion ein Y und fragen entsprechend weniger Arbeit nach. Folge ist nachfrageseitig ausgelöste Arbeitslosigkeit (AGG < A*). Y* AGG AL A* AA Keynes‘sches Unterbeschäftigungs-GG AN III Häder IV A VWL II Folie 70 WS 2008/09 3.2.3 Das Keynesianische Einkommen-Ausgaben-Modell Fazit zum Einkommen-Ausgaben-Modell • Nach Keynesianischer Ansicht wird das Angebot von der Nachfrage bestimmt. Deshalb wurde im Einkommen-Ausgaben- Modell allein die Nachfrageseite des Gütermarktes betrachtet. Das Angebot passt sich an die Nachfrage an. • Auch wenn U‘gen ihre Kapazitäten vollständig auslasten wollten, so führte dieses Angebot bei geringerer „effektiver Nachfrage“ zu einem Angebotsüberschuss, auf den die U‘gen mit Einschränkung der Produktion (und folgender Unterbeschäftigung) reagieren. • Keynes geht davon aus, dass reife Volkswirtschaften zu „kontraktiven Nachfragelücken“ (S > I) und damit zu Wirtschaftskrisen neigen; Begründung: Sättigungsthese und rückläufige Investitionen wegen zunehmend ungewisser Zukunftserwartungen. • Um Wirtschaftskrisen zu vermeiden, sollte Staat durch Eingriffe gegensteuern. Häder VWL II Folie 71 WS 2008/09 3.2.3 Das Keynesianische Einkommen-Ausgaben-Modell Der Einkommensmultiplikator Das Gleichgewichtseinkommen berechnet sich im Keynesianischen Modell wie folgt: YGG = 1/(1-c) · (Ca + I) Wie wirkt sich eine marginale Änderung der Investitionsnachfrage auf das Einkommen aus? dYGG 1 = dI 1-c Eine marginale Änderung der Investitionsnachfrage führt zu einer entsprechenden Änderung des Einkommens um 1/(1-c). 1/(1-c) ist der „elementare Einkommensmultiplikator“. Häder VWL II Folie 72 WS 2008/09 3.2.4.1 Der elementare Einkommensmultiplikator Der Multiplikatorprozess 45°-Linie C I YN C(Y) + I + dI C(Y) + I Änderungen der Investitionsnachfrage haben multiplikative Wirkungen auf das Gleichgewichtseinkommen dI Ca + I dY = 1/(1-c) · dI YGG1 YGG2 Y dY Häder VWL II Folie 73 WS 2008/09 3.2.4.1 Der elementare Einkommensmultiplikator Anpassungsprozess bei Zunahme der Investitionen (1) Ausgangssituation: Modellwirtschaft von Folie 59/60; es herrsche GGSituation mit YGG = 2000 (Periode n von Folie 60); nun dauerhafte Erhöhung der Investitionen auf Ia = 300. Wie entwickelt sich das Einkommen dieser Modellwirtschaft im Zeitablauf? Periode YAt = YNt-1 Ct St It Nt Iu 0 2000 1800 200 200 2000 +/-0 1 2000 1800 200 300 2100 -100 2 2100 1880 220 300 2180 -80 3 2180 1944 236 300 2244 -64 n 2500 2200 300 300 2500 +/-0 Häder VWL II Folie 74 WS 2008/09 3.2.4.1 Der elementare Einkommensmultiplikator Anpassungsprozess bei Zunahme der Investitionen (2) Ausgangssituation: Modellwirtschaft von Folie 59/60; es herrsche wiederum GG-Situation mit YGG = 2000 (Periode n von Folie 60); nun einmalige Erhöhung der Investitionen auf Ia = 300 in t = 1; ab t = 2 wieder Ia = 200. Wie entwickelt sich das Einkommen dieser Modellwirtschaft im Zeitablauf? Periode YAt = YNt-1 Ct St It Nt Iu 0 2000 1800 200 200 2000 +/-0 1 2000 1800 200 300 2100 -100 2 2100 1880 220 200 2080 +20 3 2080 1864 216 200 2064 +16 n 2000 1800 200 200 2000 +/-0 Häder VWL II Folie 75 WS 2008/09 3.2.4.1 Der elementare Einkommensmultiplikator Modellwirtschaft mit staatlicher ökonomischer Aktivität Der Staat tätige autonome, vom Einkommen unabhängige Staatsausgaben (Ga), zahle direkte, ebenfalls autonome Transfers an die HH‘e (Tr) und finanziere seine Ausgaben über einkommensunabhängige Steuern (Ta) sowie über einkommensabhängige Steuern (T(Y) = t · Y). Dann ergibt sich die gesamtwirtschaftliche Güternachfrage wie folgt: Y=C+I+G mit C(Y) = Ca + c · Yv Yv = Y – Ta – t · Y + Tr G = Ga (Yv = verfügbares Einkommen) I = Ia Eingesetzt: Y = Ca + c · (Y – Ta – t · Y + Tr) + Ia + Ga Y= 1 1 – c (1 – t) Häder VWL II [Ca + Ia + Ga + c · (Tr – Ta) ] Folie 76 WS 2008/09 3.2.4.2 Der Einkommensmultiplikator mit Staat Veränderung der autonomen Staatsausgaben Wie wirkt eine Veränderung der autonomen Staatsausgaben auf das GGEinkommen der Volkswirtschaft? dY dGa 1 = 1 – c (1 – t) • Eine Veränderung der autonomen Staatsausgaben hat die gleiche Multiplikatorwirkung auf das Einkommen wie eine Veränderung der autonomen Investitionen. Für t = 0 ergibt sich der bereits bekannte elementare Einkommensmultiplikator. • Der Staat kann mithin in Rezession durch staatliches Ausgabenprogramm die Konjunktur ankurbeln. Häder VWL II Folie 77 WS 2008/09 3.2.4.2 Der Einkommensmultiplikator mit Staat Veränderung der marginalen Steuerquote (t) Wie wirkt eine Veränderung der marginalen Steuerquote t auf das GGEinkommen der Volkswirtschaft? Y= 1 1 – c (1 – t) [Ca + Ia + Ga + c · (Tr – Ta) ] • Eine Veränderung der marginalen Steuerquote führt zu einer Veränderung des Einkommensmultiplikators, über den die autonomen Größen auf das Einkommen wirken. • Je größer t ist, desto flacher verläuft die Konsumfunktion und damit auch die gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve im Einkommen-Ausgaben-Modell. • Mit einer Senkung der Steuersätze kann der Staat also die Konsumnachfrage der Haushalte anregen. Häder VWL II Folie 78 WS 2008/09 3.2.4.2 Der Einkommensmultiplikator mit Staat Veränderung der staatlichen Transfers Wie wirkt eine Veränderung der staatlichen Transfers an die Haushalte auf das GG-Einkommen der Volkswirtschaft? dY dTr c = 1 – c (1 – t) „Transfermultiplikator“ • Der Einkommenseffekt bspw. einer Erhöhung der staatlichen Transfers ist geringer als der einer direkten Erhöhung der Staatsnachfrage, da die Transfers nur in Höhe der marginalen Konsumquote einkommenswirksam werden. • Je höher die marginale Konsumquote der Transfereinkommensbezieher ist, desto stärker ist der Einkommenseffekt. Häder VWL II Folie 79 WS 2008/09 3.2.4.2 Der Einkommensmultiplikator mit Staat Veränderung der autonomen Steuern (Ta) Wie wirkt eine Veränderung der autonomen, d.h. einkommensunabhängigen Steuern auf das GG-Einkommen der Volkswirtschaft? dY dTa -c = 1 – c (1 – t) „Steuermultiplikator“ • Eine Erhöhung (Senkung) der autonomen Steuern führt zu einem kontraktiven (expansiven) Multiplikatoreffekt auf das Einkommen. • Formal ist der Steuermultiplikator gleich dem Transfermultiplikator (mit umgekehrtem Vorzeichen!), d.h. ein gleich hohe Erhöhung der Steuern und der Transfers hat keinen Einfluss auf das GG-Einkommen (Voraussetzung: marginale Konsum- und Steuerquote der Betroffenen ist identisch). Häder VWL II Folie 80 WS 2008/09 3.2.4.2 Der Einkommensmultiplikator mit Staat Haavelmo-Theorem (1) Haavelmo-Theorem Annahme: Das Haavelmo-Theorem besagt, dass eine gleich große Änderung der Staatsausgaben und der Steuern (d.h. dT = dG) nicht neutral ist in Bezug auf das GG-Einkommen der Volkswirtschaft. Erhöhung der autonomen Staatsausgaben und in gleicher Höhe Erhöhung der autonomen Steuern, also: dGa = dTa ; t = 0. Das GG-Einkommen steigt um dY = dGa. Häder VWL II Folie 81 WS 2008/09 3.2.4.2 Der Einkommensmultiplikator mit Staat Haavelmo-Theorem (2) Berechnung: dY dGa dY dTa dY = mit ∆ Ga = ∆ Ta folgt: dY = · ∆ Ga = · ∆ Ta = dY dGa 1 1–c 1–c Häder VWL II Folie · ∆ Ga 1–c -c · ∆ Ta 1–c · ∆ Ga + 1–c dY = 1 dY dTa · ∆ Ga + · ∆ Ta -c 1–c · ∆ Ga = ∆ Ga 82 WS 2008/09 · ∆ Ga , was zu zeigen war. 3.2.4.2 Der Einkommensmultiplikator mit Staat Übungsaufgabe Gegeben sei eine Volkswirtschaft mit folgenden Größen: - marginale Konsumquote: 0,8 - marginale Steuerquote: 0,2 - autonome Nachfrage: Investitionen 500; Konsum 250; Staatsausgaben 250; Steuereinnahmen 200; staatliche Transfers 50. Ermitteln Sie a) den Staatsausgaben-, den Steuer- und den Transfermultiplikator. b) die Höhe des GG-Einkommens mit und ohne staatliche Aktivität. c) die Wirkung einer Erhöhung der staatlichen Transfers um 50 auf das Einkommen, d) die Erhöhung der Staatsausgaben um 100, die vollständig durch Steuererhöhung (Ta) gegen finanziert wird. Häder VWL II Folie 83 WS 2008/09 3.2.4.2 Der Einkommensmultiplikator mit Staat „Built-in-flexibility“ Die Keynesianische Konsumfunktion enthält mit C(Y) = Ca + c (1 – t) · Y + c (Tr – Ta) - marginaler Steuerquote (t) und - den staatlichen Transfers an private HH zwei Komponenten, die i.d.R. eine gewisse Konjunkturreagibilität besitzen: • In einem System mit progressiver Einkommenbesteuerung sinkt die marginale Abgabenquote, wenn das Bruttoeinkommen zurück geht und umgekehrt. • Im Konjunkturabschwung, der mit steigender Arbeitslosigkeit verbunden ist, nehmen Transferzahlungen i.R. der Arbeitslosenunterstützung zu; im Aufschwung ist hingegen mit einem Rückgang dieser Übertragungen zu rechnen. Schwankungen des Einkommens auf das verfügbare Einkommen der HH werden so gedämpft. Häder VWL II Folie 84 WS 2008/09 3.2.4.2 Der Einkommensmultiplikator mit Staat Übungsaufgabe Gegeben sei eine Volkswirtschaft mit folgenden Größen: - marginale Konsumquote: 0,9 - marginale Steuerquote: 0,15 - autonome Nachfrage: Investitionen 400; Konsum 300; Staatsausgaben 1500; Steuereinnahmen 100; staatliche Transfers 100. Ermitteln Sie a) den Staatsausgaben-, den Steuer- und den Transfermultiplikator. b) die Höhe des GG-Einkommens mit und ohne staatliche Aktivität. c) ob der Staatshaushalt ausgeglichen ist oder nicht. d) Das GG-Einkommen soll durch ein Staatsausgabenprogramm auf 10.000 gesteigert werden, wobei die zusätzlichen Ausgaben vollständig durch Erhöhung der auto-nomen Steuern gegen finanziert werden sollen. Um welchen Betrag müssen die Staatsausgaben ausgeweitet werden, um das Einkommensziel zu erreichen? Häder VWL II Folie 85 WS 2008/09 3.2.4.2 Der Einkommensmultiplikator mit Staat Kritik am Einkommensmultiplikator • Die Wirkungen des Einkommensmultiplikators sind abgeschwächt, wenn der Konsum nicht vom laufenden, sondern vom permanenten oder gar dem erwarteten Lebenseinkommen abhängt. • Es wird allein die Nachfrageseite betrachtet. Die Angebotsseite, bspw. Preiserhöhungen im Zuge einer zunehmenden Nachfrage wie auch die Kapazitätseffekte von Investitionen, werden ausgeblendet. • Finanzierungseffekte einer Erhöhung der Staatsausgaben im Zuge einer Kreditaufnahme am Kapitalmarkt (Verschuldung) bleiben unberücksichtigt. • Fiskalische Eingriffe können zeitverzögert und mit ungewissem Dosis-WirkungsZusammenhang wirken. Häder VWL II Folie 86 WS 2008/09 3.2.4.2 Der Einkommensmultiplikator mit Staat Die Güternachfrage in Abhängigkeit vom Preisniveau Bisher Annahme geg. Preisniveaus bei Darstellung des EinkommenAusgaben-Modells. Wie wirken nun Preisänderungen auf die Güternachfrage? • „Pigou-Effekt“: Preissenkungen erhöhen den Realwert der Vermögensbesitzer, die daraufhin ihre Konsumnachfrage ausdehnen („Vermögenseffekt“); Folge: die Güternachfrage nimmt zu. Umgekehrt führt demnach eine Preissteigerung zu einem Rückgang der Güternachfrage. • „Keynes-Effekt“: Preissenkungen führen zu einer Erhöhung des realen Geldangebots („Realkasseneffekt“); Folge: Die Wirtschaftssubjekte haben mehr Geld für den Kauf von Wertpapieren übrig. Die zunehmende Wertpapiernachfrage führt zu steigenden Kursen und im Gegenzug zu sinkenden Zinsen, wodurch tendenziell die Investitionsnachfrage angeregt wird. Damit führt die Preissenkung zu einer zinsinduzierten Erhöhung der Güternachfrage. Umgekehrt führt demnach eine Preissteigerung zu einem Rückgang der Güternachfrage. Häder VWL II Folie 87 WS 2008/09 3.2.5 Güternachfrage und Preisniveau Gesamtwirtschaftliche Güternachfragekurve YN= C(Y) + I + G p Wichtig: hier besteht kein direkter UrsacheWirkungs-Zusammenhang zwischen Preis und Nachfrage, wie wir ihn aus der Mikroökonomie kennen. Vielmehr gilt der Zusammenhang nur, wenn bestimmte Konstellationen auf anderen makroökonomischen Teilmärkten (z.B. Kapital-, Geld-, Gütermarkt) gegeben sind. Y VWL II C(Y) = Ca + c · Yv Die gesamtwirtschaftliche Güternachfragekurve hat somit im Normalfall einen fallenden Verlauf, d.h. mit sinkendem Preisniveau nimmt die Güternachfrage zu. YN Häder mit Folie 88 WS 2008/09 3.2.5 Güternachfrage und Preisniveau „Keynes-Effekt“ in zwei Fällen durchbrochen: Investitionsfalle p p1 1. Fall: Die Investitionsfalle • Ist die Investitionsnachfrage vollkommen zinsunelastisch, so führen sinkende Zinsen nicht zu einer erhöhten Güternachfrage. YN • Folglich ist der „Keynes-Effekt“ durchbrochen: die gesamtwirtschaftliche Güternachfrage verläuft unabhängig vom Preisniveau. Y Mit sinkendem (steigendem) Preisniveau bleibt die gesamtwirtschaftliche Güternachfrage (YN) somit unverändert. Häder VWL II Folie 89 WS 2008/09 3.2.5 Güternachfrage und Preisniveau „Keynes-Effekt“ in zwei Fällen durchbrochen: Liquiditätsfalle p 2. Fall: Die Liquiditätsfalle • Die Investitionsnachfrage reagiert zwar auf Zinsänderungen, doch Preissenkungen führen in diesem Fall nicht zu Zinssenkungen am Kapitalmarkt. YN Y Mit sinkendem (steigendem) Preisniveau bleibt die gesamtwirtschaftliche Güternachfrage (YN) somit unverändert. Häder VWL II Folie • Erklärung: Am Kapitalmarkt herrscht bereits ein außergewöhnlich niedriges Zinsniveau. Zu diesem Zinsniveau sind Wirtschaftssubjekte nicht bereit, Wertpapiere zu kaufen, da sie Kursverluste befürchten. Sie halten ihr Geld vielmehr in der Spekulationskasse. Folglich führt die in Folge der Preissenkung erhöhte reale Geldmenge nicht zu einer höheren Wertpapiernachfrage; die Zinsen sinken somit auch nicht. 90 WS 2008/09 3.2.5 Güternachfrage und Preisniveau Neoklassische Synthese Wir halten fest: (Neo-)Klassik Keynesianismus Angebotsseite Arbeitsmarkt als strategischer Markt „Nachfrage schafft sich ihr Angebot“ Nachfrageseite „Angebot schafft sich seine Nachfrage“ EinkommenAusgaben-Modell Nun erfolgt Zusammenführung von (Neo-)Klassik und Keynesianismus; d.h.: • statt Say‘schem Theorem Verwendung der nach Keynes entwickelten Güternachfrage. • statt Annahme eines sich an die Nachfrage flexibel anpassenden Angebots die Einführung der neoklassisch entwickelten Güterangebotskurve. Häder VWL II Folie 91 WS 2008/09 3.3 Neoklassische Synthese/ wirtschaftspol. Folgerungen Totalmodell der Neoklassischen Synthese (1): langfristiges GG p In der Ausgangssituation befindet sich die Volkswirtschaft in einem langfristigen Gleichgewicht mit dem Einkommen Y*. YAlangf YN p* l/p AA Häder YAkurzf Y* Y AN VWL II • Das gleichgewichtige Einkommen (Y*) und Preisniveau (p*) werden von gesamtwirtschaftlicher Nachfrage (YN) und langfristigem Güterangebot bestimmt (YAlangf). • Auch die kurzfristige Angebotskurve läuft durch den obigen Schnittpunkt und zeigt somit an, dass die Erwartungen der Individuen erfüllt werden. A Folie 92 WS 2008/09 3.3 Neoklassische Synthese/ wirtschaftspol. Folgerungen Totalmodell der Neoklassischen Synthese (2): Nachfrageschock p YAlangf In der Ausgangssituation befindet sich die Volkswirtschaft in einem langfristigen GG mit Y*. YAkurzf p0 p1 • Nun sinke die gesamtwirtschaftliche Nachfrage („Nachfrageschock“) von YN0 nach YN1. YN0 N Y 1 Y1 YGG Y* • Bei gegebenem Preisniveau entstünde eine erhebliche Nachfragelücke (Y* - Y1). Die Anbieter reagieren jedoch kurzfristig auf den Angebotsüberhang mit sinkenden Preisen. Y • Letztlich stellt sich kurzfristig ein neues Gleichgewicht bei YGG und p1 ein, bei dem Unterbeschäftigung besteht (Rezession). Wie gelangt man aus der Rezession? Häder VWL II Folie 93 WS 2008/09 3.3 Neoklassische Synthese/ wirtschaftspol. Folgerungen Nachfrageschock: Selbstheilung des Marktes p YAlangf In der Ausgangssituation befindet sich die Volkswirtschaft in Rezession mit YGG. YAkurzf YAkurzf p0 p1 p2 YN1 YGG Y* • Mittelfristig reagieren die Unternehmen auf sinkende Preise mit sinkenden Löhnen, so dass sich YAkurzf nach rechts verschiebt. YN0 • Preisniveau sinkt weiter bis auf p2, zu dem wieder Vollbeschäftigung herrscht. Y Argumentation der Neoklassiker: Markt tendiert auch bei temporären Störungen längerfristig wieder zum Gleichgewicht! Dagegen Keynes: „In the long run, we`re all dead!“ Häder VWL II Folie 94 WS 2008/09 3.3 Neoklassische Synthese/ wirtschaftspol. Folgerungen Nachfrageschock: Selbstheilung und Inv.-/Liquiditätsfalle p YN1 YN0 YAlangf In der Ausgangssituation befindet sich die Volkswirtschaft in Rezession mit YGG. YAkurzf YAkurzf p0 p1 YGG Y* • Mittelfristig reagieren die Unternehmen auf sinkende Preise mit sinkenden Löhnen, so dass sich YAkurzf nach rechts verschiebt. • Trotz weiter sinkenden Preisniveaus bleibt Unterbeschäftigung bestehen, da die Güternachfrage nicht zunimmt (KeynesEffekt durchbrochen). Y Argumentation der Keynesianer: In dieser Situation ist Arbeitslosigkeit weder durch Senkung der Preise noch der Löhne abzubauen. Häder VWL II Folie 95 WS 2008/09 3.3 Neoklassische Synthese/ wirtschaftspol. Folgerungen Nachfrageschock: Fiskalpolitik p YN0 YAlangf In der Ausgangssituation befindet sich die Volkswirtschaft in Rezession mit YGG. Nun sei wieder ein normaler, d.h. fallender Verlauf der gesamtwirtschaftlichen Güternachfragekurve unterstellt: YAkurzf p0 p1 N YN1 Y 2 YGG Y* • Durch Ausweitung der Staatsnachfrage (expansive Fiskalpolitik) wird Güternachfragekurve nach rechts verschoben wird(YN2). Der negative Nachfrageschock wird somit durch einen positiven Nachfrageschock kompensiert. Y • Im Idealfall wird wieder das Vollbeschäftigungseinkommen Y* erreicht. Häder VWL II Folie 96 WS 2008/09 3.3 Neoklassische Synthese/ wirtschaftspol. Folgerungen Nachfrageschock: Geldpolitik p YN0 YAlangf In der Ausgangssituation befindet sich die Volkswirtschaft in Rezession mit YGG. Wieder sei ein normaler, d.h. fallender Verlauf der gesamtwirtschaftlichen Güternachfragekurve unterstellt: • Durch eine Ausweitung der Geldmenge (expansive Geldpolitik) wird die Ausstattung der Wirtschaftssubjekte mit Geld erhöht, die daraufhin vermehrt Wertpapiere kaufen, woraufhin deren Kurs steigt und das Zinsniveau am Kapitalmarkt sinkt. Mit geringerem Zins steigt die Investitionsnachfrage und mithin auch die Güternachfrage, YAkurzf p0 p1 N YN1 Y 2 YGG Y* Y • Die Güternachfragekurve verschiebt sich nach rechts (YN2) und im Ideal wird wieder das Vollbeschäftigungseinkommen Y* erreicht. Häder VWL II Folie 97 WS 2008/09 3.3 Neoklassische Synthese/ wirtschaftspol. Folgerungen Totalmodell der Neoklassischen Synthese (3): Angebotsschock YAlangf p In der Ausgangssituation befindet sich die Volkswirtschaft in einem langfristigen GG mit Y*. YAkurzf p1 p0 YAkurzf • Bspw. ein sprunghafter Kostenanstieg führt zu einer Linksverschiebung der kurzfristigen Güterangebotskurve. YN0 YGG Y* Y • Neues (kurzfristiges) Gleichgewicht bei höherem Preisniveau und Unterbeschäftigung (Stagflation) Wie gelangt man aus der Rezession und gleichzeitiger Inflation? Häder VWL II Folie 98 WS 2008/09 3.3 Neoklassische Synthese/ wirtschaftspol. Folgerungen Angebotsschock: Fiskal- und Geldpolitik YAlangf p YAkurzf p1 p0 YN1 YAkurzf YN0 YN2 YGG Y* Y In der Ausgangssituation befindet sich die Volkswirtschaft in einem kurzfristigen Gleichgewicht bei YGG mit höherem Preisniveau und niedrigerem Beschäftigungsstand gegenüber Y*. • Expansive Fiskal-/Geldpolitik (YN1) führt zwar zu Einkommens- und Beschäftigungszuwachs, gleichzeitig aber auch zu einem weiter ansteigenden Preisniveau (Inflation). • Kontraktive Fiskal/Geldpolitik (YN2) dämpft hingegen zwar den Preisanstieg, verschärft aber das Einkommens- und Beschäftigungsproblem. Nachfrageseitige Maßnahmen können nicht beide Probleme (Inflation + Arbeitslosigkeit) gleichzeitig attackieren. Häder VWL II Folie 99 WS 2008/09 3.3 Neoklassische Synthese/ wirtschaftspol. Folgerungen Phillips-Kurve Gegeben sei eine Situation, in der die Volkswirtschaft für die nächste Periode zwischen zwei Güternachfragekurven wählen kann: p YN1 p1 p0 YAkurzf YN0 B A Y0 wp 5% Y1 Y B • Für YN1 ergibt sich aufgrund der höheren Güternachfrage ein höheres Einkommen (Y1) und damit eine geringere Arbeitslosigkeit (1,5%), aber auch eine größere Preissteigerungsrate (5%). A 3% 1,5% 3% Häder • Für YN0 ergibt sich ein kurzfristig gleichgewichtiges Einkommen Y0 und ein Preisniveau p0, das 3% Arbeitslosigkeit und 3% Inflation bedeutet. VWL II ALQ Phillips-Kurve: Trade-Off zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation Folie 100 WS 2008/09 3.3 Neoklassische Synthese/ wirtschaftspol. Folgerungen Angebotsschock: Selbstheilung des Marktes YAlangf p YAkurzf p1 p0 YAkurzf YN0 YGG Y* In der Ausgangssituation befindet sich die Volkswirtschaft in einem kurzfristigen Gleichgewicht bei YGG mit höherem Preisniveau und niedrigerem Beschäftigungsstand gegenüber Y*. • Zunächst herrscht Unterbeschäftigung bei YGG. Y • Arbeitslosigkeit und Rezession drücken mittelfristig die Löhne, so dass die kurzfristige Angebotskurve wieder sinkt auf die ursprüngliche kurzfristige Angebotskurve. • Letztendlich erreichen Preisniveau und Einkommen wieder das Niveau p0 und Y*. Häder VWL II Folie 101 WS 2008/09 3.3 Neoklassische Synthese/ wirtschaftspol. Folgerungen Wirtschaftspolitische Empfehlungen der (Neo-)Klassik Ablehnung von staatlichen Eingriffen in den Markt! Stattdessen Stärkung der Flexibilität und Wirkungsweise von Preissignalen auf den Märkten: • konsequente Wettbewerbspolitik • Flexibilisierung des Arbeitsmarktes • Schaffung leistungsfördernder, innovationsfreundlicher staatlicher Rahmenbedingungen • Vorrang der Geld- vor der Fiskalpolitik (Monetarismus) = angebotsorientierte Wirtschaftspolitik Häder VWL II Folie 102 WS 2008/09 3.3 Neoklassische Synthese/ wirtschaftspol. Folgerungen Geldpolitik aus Sicht der (Neo-)Klassik Gemäß Quantitätstheorie führt eine Erhöhung der Geldmenge allein zu einer Erhöhung des Preisniveaus: M · v =p · Y Inflation ist ein monetäres Problem! Regelgebundene Geldpolitik Häder VWL II Die Zentralbank sollte die Geldmenge mit der Wachstumsrate des Realeinkommens wachsen lassen („monetaristische Geldmengenregel“). Folie 103 WS 2008/09 3.3 Neoklassische Synthese/ wirtschaftspol. Folgerungen Keynesianismus: „Märkte sind instabil und neigen zu Krisen“ Die Keynesianer leugnen nicht die Allokationsfunktion von Märkten, kurzfristig sehen sie jedoch Instabilitäten des Marktes, die der Bewegung zu Vollbeschäftigung entgegen stehen oder zu Inflation führen. Gründe für Instabilitäten: • Konsumsättigung („Sättigungsthese“) • Liquiditätspräferenz der Wirtschaftssubjekte • erratische Schwankungen der Investitionsnachfrage • starre Löhne und/oder Preise Keynesianer argumentieren, dass Instabilitäten des marktwirtschaftlichen Systems in reifen Volkswirtschaften zu starken konjunkturellen Schwankungen führen. Häder VWL II Folie 104 WS 2008/09 3.3 Neoklassische Synthese/ wirtschaftspol. Folgerungen Wirtschaftspolitische Empfehlungen der Keynesianer Aktive Stabilisierungspolitik des Staates! Um die Instabilitäten des Marktsystems aufzufangen, sollte der Staat wie folgt tätig werden: • diskretionäre, antizyklische Wirtschaftspolitik • Vorrang der Fiskal- gegenüber der Geldpolitik (Fiskalismus) • Ausgleich des Staatsbudgets über den Konjunkturzyklus hinweg (deficit spending/surplus saving) = nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik Häder VWL II Folie 105 WS 2008/09 3.3 Neoklassische Synthese/ wirtschaftspol. Folgerungen Konjunkturzyklus (1) Konjunktur …sich wiederholende, wellenförmige Schwankungen der wirtschaftlichen Aktivität einer Volkswirtschaft um einen langfristigen Wachstumstrend. Produktionspotenzial Y Abschwung Boom Wachstumstrend Aufschwung Rezession Zeit Ansatz der Keynesianer: Staat kann durch aktive Politik Konjunkturschwankungen verringern (z.B. roter Zyklus). ein Konjunkturzyklus Häder VWL II Folie 106 WS 2008/09 3.3 Neoklassische Synthese/ wirtschaftspol. Folgerungen Konjunkturzyklus (2) Abschwung • Konsum- und Investitionsnachfrage nimmt weniger stark zu oder sogar absolut ab. • Güterangebot wächst ebenfalls kaum noch, da Nachfrage gedämpft ist und Gewinnerwartungen abnehmen. • Sinkende Investitionen, Einführung von Kurzarbeit, erste Entlassungen, zunehmende Unterauslastung des Produktionspotenzials • Löhne, Preise, Zinsen steigen nur noch moderat oder sinken sogar. Rezession • Abschwung nimmt an zeitlicher Länge und Intensität zu. Rezession: BIP sinkt real mind. zwei Quartale hintereinander (ggü. Vorjahresquartal) • Ist die Rezession sehr lang, spricht man auch von einer Depression. • extreme Unterauslastung des Produktionspotenzials (zeitweise nur 70%), zunehmende Arbeitslosigkeit Häder VWL II Folie 107 WS 2008/09 3.3 Neoklassische Synthese/ wirtschaftspol. Folgerungen Konjunkturzyklus (3) Aufschwung • erst verhaltene, dann zunehmender Anstieg von Nachfrage und Produktion. • optimistische Zukunftserwartungen (z.B. zunehmende Auftragseingänge) und steigende Auslastung der Produktionskapazitäten forcieren Investitionstätigkeit. • allmählicher Rückgang der konjunkturellen Arbeitslosigkeit. • noch niedrige, aber anziehende Zinsen sowie noch geringe Preissteigerung; steigende Löhne Boom • Aufschwung nimmt an zeitlicher Länge und Intensität zu (Hochkonjunktur). • Engpässe in der Produktion (Vollauslastung des Produktionspotenzials) • weiterer Rückgang der Arbeitslosigkeit bis auf die natürliche Arbeitslosigkeit. • Ansteigende Zinsen, Preise und Löhne Häder VWL II Folie 108 WS 2008/09 3.3 Neoklassische Synthese/ wirtschaftspol. Folgerungen Aufschwung- und Abschwungphasen in Deutschland (1992-2006) Häder VWL II Folie 109 WS 2008/09 Quelle: SVR 2006, S. 55 Der Geschäftsklimaindex des Ifo-Instituts Häder VWL II Folie 110 WS 2008/09 Quelle: SVR 2006, S. 66 Antizyklische Fiskalpolitik Y Boom Abschwung Staat soll „gegen den Strom schwimmen“, d.h. • im Abschwung expansive Budgetpolitik, Aufschwung • im Aufschwung kontraktive Budget- politik betreiben. Rezession Zeit Budgetdefizit Vorteile: • gleichmäßige ökonomische Entwicklung „deficit spending“ • keine konjunkturelle Arbeitslosigkeit Zeit „surplus saving“ Budgetüberschuss Häder VWL II Folie 111 WS 2008/09 3.3 Neoklassische Synthese/ wirtschaftspol. Folgerungen Antizyklische Fiskalpolitik: Probleme, Kritik (1) Antizyklische Fiskalpolitik in der Praxis nicht durchführbar wegen „timelags“ (Diagnose-, Entscheidungs-, Durchführungs-, Wirkungsverzögerung) (2) Fehlende fiskalische Disziplin des Staates verhindert Budget-Ausgleich über einen Konjunkturzyklus hinweg. (3) In international vernetzter Wirtschaft „verpufft“ aktive Fiskalpolitik mangels Masse. (4) Nicht konjunkturelle, sondern strukturelle Arbeitslosigkeit ist der Kern bestehender wirtschaftlicher Probleme. Häder VWL II Folie 112 WS 2008/09 3.3 Neoklassische Synthese/ wirtschaftspol. Folgerungen Stabilitätspolitik Stabilitätspolitik • Politik zur Erhaltung der im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz der Bundesrepublik Deutschland definierten Teilziele: • stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum • hoher Beschäftigungsstand (Vollbeschäftigung) • Stabilität des Preisniveaus • außenwirtschaftliches Gleichgewicht Häder VWL II Folie 113 WS 2008/09 4. Stabilitätspolitik Stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum Stärkung der Wachstumsdynamik Y Wachstumstrend Zeit Häder VWL II Folie 114 WS 2008/09 4.1 Wirtschaftswachstum Kondratieff-Zyklen: Basisinnovationen und Wachstum In fo r ni mat ka i o tio ns ns - u te nd ch K no o lo mm gi e u- Y Häder 1890 VWL II El e Ch ktro em nik ie , 1850 3. 4. 1940 Folie 5. T Ke ran Au rnen sist to er or, m gi ob e, il 2. E Da ise m nb pf ah sc n hi , ffe Da m pf m as ch in e 1. 115 6. Zeit 1990 WS 2008/09 Bio-, Nanotechnologie, erneuerbare Energien ?? 4.1 Wirtschaftswachstum Entwicklung des Wirtschaftswachstums in Deutschland (1950- 2007) Veränderung des realen BIP gegenüber Vorjahr in % 4 2,9 2,5 2 0,8 0 2005 Häder VWL II Folie 116 WS 2008/09 2006 2007 Quelle: Statistisches Bundesamt 2008; www.factcheckdeutschland.de Bestimmungsfaktoren des Wachstums (1) Wachstum misst man an der Entwicklung des Produktionspotenzials einer Volkswirtschaft. Je stärker das Produktionspotenzial wächst, umso stärker sind die Wachstumsspielräume einer Volkswirtschaft. Formal lässt sich das Produktionspotenzial durch eine Produktionsfunktion beschreiben, die den Zusammenhang zwischen Produktionsinput und Output darstellt: YP= f(A, K, TF, U) mit YP= Produktionspotenzial A = Arbeitspotenzial (Erwerbspersonen x Arbeitszeit) K = Kapitalstock (Maschinen, Werkzeuge etc.) TF= technologischer Fortschritt U = Umweltressourcen Häder VWL II Folie 117 WS 2008/09 4.1 Wirtschaftswachstum Bestimmungsfaktoren des Wachstums (2) p YAlangf YAlangf Y l/p Ziel der Wachstumspolitik ist es somit, die langfristige Angebotskurve nach rechts zu verschieben. Somit sind angebotsorientierte Maßnahmen gefragt, die die Determinanten der Produktionsfunktion positiv beeinflussen. A* A*‘ YP= f (A , K , TF , U ) AA Häder N AN‘ A VWL II Folie 118 WS 2008/09 4.1 Wirtschaftswachstum Wachstum, Produktivität und Beschäftigung (1) Die Produktivität des Faktors Arbeit zeigt an, wie viel Wertschöpfung je Arbeitseinheit durchschnittlich geschaffen wird. Es gilt: AP = BIP / A mit AP = Arbeitsproduktivität BIP = reales Bruttoinlandsprodukt A = Arbeitseinsatz (gemessen in Arbeitsstunden oder in Anzahl der Erwerbstätigen) In Wachstumsgrößen folgt (vereinfacht): wAP = wBIP - wA oder umgestellt: wA = wBIP - wAP Wachstum führt somit nur dann zu zusätzlicher Beschäftigung, wenn es höher liegt als das Wachstum der Arbeitsproduktivität. Häder VWL II Folie 119 WS 2008/09 4.1 Wirtschaftswachstum Wachstum, Produktivität und Beschäftigung (2) Quelle: IW 2004 Was folgt aus diesen Daten? Häder VWL II Folie 120 WS 2008/09 4.1 Wirtschaftswachstum Arbeitslosigkeit im internationalen Vergleich (1991-2003) Quelle: IW 2004 Häder VWL II Folie 121 WS 2008/09 4.1 Wirtschaftswachstum Ansatzpunkte der Wachstumspolitik YP= f (A , K , TF , U ) A • Bildungspolitik • Lohnpolitik, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes K • Schaffung attraktiver Investitionsbedingungen (Steuerpolitik, Wettbewerbspolitik, Entbürokratisierung, Infrastrukturpolitik) TF • F&E-Politik, Bildungspolitik • aktive Industriepolitik (?) U Häder VWL II • Umweltpolitik Folie 122 WS 2008/09 4.1 Wirtschaftswachstum Konjunkturelle versus strukturelle Arbeitslosigkeit Produktionspotenzial Wachstumstrend Y AL konjunkturelle AL konjunkturelle AL strukturelle AL strukturelle AL Zeit Entwicklung der AL im Zeitablauf Trend der Arbeitslosigkeit Häder VWL II Folie 123 WS 2008/09 4.2 Vollbeschäftigung Arbeitslosenquote in Deutschland: Sockelarbeitslosigkeit nahm zu % 14 10,4% bis 1990 Daten für Gebiet der alten Bundesrepublik 12 9,0% 7,2% 10 8 3,8% 6 4 0,7% 0,7% 2 0 1950 Häder 1960 VWL II 1970 1980 Folie 124 1990 2000 WS 2008/09 Quelle: Bundesagentur für Arbeit 4.2 Vollbeschäftigung Formen struktureller Arbeitslosigkeit Mismatch-AL demographische AL • Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage passen nicht zueinander (z.B. Facharbeitermangel und gering qualifizierte Arbeitslose). • AL infolge überproportionalen Anstiegs der Zahl der Erwerbspersonen (z.B. durch geburtenstarke Jahrgänge, Zuwanderung, zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen) wachstumsdefizitäre AL • AL infolge zu geringen Wirtschaftswachstums (siehe Ansätze der Wachstumspolitik) tariflohnbedingte AL • AL infolge Beschäftigung hemmender Lohnhöhe und/oder Lohnstruktur regulierungsbedingte AL • AL infolge übermäßiger Regulierung des Arbeitsmarktes (z.B. Kündigungs- und Arbeitsschutz) technologiebedingte AL • AL infolge Arbeitsplatz sparenden technischen Fortschritts Häder VWL II Folie 125 WS 2008/09 4.2 Vollbeschäftigung Mismatch: qualifikationsspezifische Arbeitslosigkeit (1975-2005) Häder VWL II Folie 126 WS 2008/09 Quelle: IAB, Kurzbericht 18/2007 Entwicklung am Lehrstellenmarkt (2003-2007) 700000 600000 625.914 557.612 572.980 576.153 550.180 abgeschlossene Ausbildungsverträge 500000 noch nicht vermittelte Bewerber 400000 noch offene Lehrstellen 300000 200000 35.015 100000 14.840 44.576 40.915 13.394 12.636 49.487 15.401 29.100 18.359 0 2003 Häder VWL II 2004 2005 Folie 127 2006 WS 2008/09 2007 Quelle: Bundesagentur für Arbeit/BiBB 20078 4.2 Vollbeschäftigung Entwicklung am Lehrstellenmarkt: Lücke zwischen Angebot und Nachfrage (1992-2005) Häder VWL II Folie 128 WS 2008/09 Quelle: BIBB 2005 Tariflohnbedingte Arbeitslosigkeit l tariflohnbedingte Arbeitslosigkeit • Liegt der tariflich vereinbarte Mindestlohn über dem Gleichgewichtslohn (l*), wird mögliche Beschäftigung unterdrückt. AA • Lohnflexibilität: unterschiedliche Entwicklungen in Sektoren, Regionen und Betrieben erfordern flexible Anpassungen. tariflicher Mindestlohn • Lohnspreizung: Spreizung der Löhne entsprechend der jeweiligen Arbeitsproduktivität verringert Beschäftigungsbarriere für Geringqualifizierte. l* AN A1 Häder VWL II A* Folie • Auch gesetzlich fixierte (Mindest-)Löhne und Lohnersatzleistungen wirken wie A Mindestlöhne. 129 WS 2008/09 4.2 Vollbeschäftigung Arbeitskosten, Arbeitsproduktivität und Lohnstückkosten Die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität hatten wir bereits eingeführt als Verhältnis von BIP und eingesetzter Arbeitsmenge: AP = BIP / A Die Lohnstückkosten (LSK) berechnen sich gesamtwirtschaftlich als durchschnittlicher Lohnsatz (l) multipliziert mit der eingesetzten Arbeitsmenge (A), dividiert durch das BIP: LSK = l x A / BIP LSK = l / BIP/A LSK = l / AP In Wachstumsgrößen ausgedrückt bedeutet dies: wLSK = wl - wAP Ergo: Wachsen die Löhne stärker als die Arbeitsproduktivität, so steigen die Lohnstückkosten. Häder VWL II Folie 130 WS 2008/09 4.2 Vollbeschäftigung Entwicklung von Tariflohn, Arbeitskosten und Arbeitsproduktivität Deutschland (1995-2004) Häder VWL II Folie 131 WS 2008/09 Quelle: IW, iw-trends 4/2005 Konzepte der Lohnpolitik produktivitätsorientierte Lohnpolitik kostenniveauneutrale Lohnpolitik expansive Lohnpolitik Lohnabschlagspolitik Häder VWL II • Orientierung von Lohnerhöhungen an der Wachstumsrate der gesamtwirtschaftlichen (sektoralen) Arbeitsproduktivität. • Orientierung von Lohnerhöhungen an der Entwicklung der gesamten Stückkosten (also inkl. Kapitalkosten, Steuern, Importe). Sinken die anderen Stückkosten, so können die LSK um diese Marge über das Wachstum der Arbeitsproduktivität hinaus wachsen. Steigen die anderen Stückkosten, so kann die Lohnerhöhung nur entsprechend geringer als die Steigerungsrate der Arbeitsproduktivität ausfallen. • Orientierung von Lohnerhöhungen an Arbeitsproduktivitätswachstum plus Umverteilungszuschlag. • Lohnerhöhungen unterhalb des Arbeitsproduktivitätswachstums Folie 132 WS 2008/09 4.2 Vollbeschäftigung Entwicklung der Lohnstückkosten im internationalen Vergleich (1995-2002) Quelle: DIW 2004 Häder VWL II Folie 133 WS 2008/09 Wettbewerbs- und Exportsituation der deutschen Industrie (1990-2005) Quelle: IW, iw-trends 3/2006 Häder VWL II Folie 134 WS 2008/09 Regulierungsbedinge AL: Flexibilisierung des Arbeitsmarktes Arbeitnehmerschutz • Einführung von Öffnungsklauseln in Tarifverträge • Änderung von Kündigungsschutzregeln (z.B. Einschränkung der Sozialauswahl) Arbeitnehmermobilität • Stärkere Einkommensdifferenzierung zwischen Branchen, Unternehmen, Regionen • Senkung der Lohnersatzleistungen (und Ausweitung der Zumutbarkeitsregeln) zur Stärkung der Anreize zur Arbeitssuche und -aufnahme Arbeitszeit • Ausweitung flexibler Arbeitszeitmodelle • Anpassung der Arbeitszeit an Auslastungsschwankungen in Unternehmen (z.B. Arbeitszeitkonten) Häder VWL II Folie 135 WS 2008/09 4.2 Vollbeschäftigung Preisniveaustabilität: Messung von Inflation Inflationsrate Preisindex • Preisniveaustabilität wird an der Inflationsrate gemessen. Die Inflationsrate gibt die prozentuale Änderung des Preisniveaus gegenüber dem Vergleichszeitpunkt an. • Zur Ermittlung von relativen Preisniveaus bedient man sich bestimmter Preisindizes. Grundlage eines Preisindex ist der sog. Warenkorb, in den typische, von den betrachteten Wirtschaftssubjekten gekaufte Waren und Dienstleistungen mit ihren jeweiligen Preisen eingehen. Der Preisindex (und die Inflationsrate) berechnet sich dann wie folgt: Preisindex = Preis für Warenkorb im Berichtsjahr x 100 (Berichtsjahr) Preis für Warenkorb im Basisjahr Preisindex (Berichtsjahr) Inflationsrate = Häder VWL II Folie Preisindex (Jahr vor Berichtsjahr) 136 WS 2008/09 x 100 4.3 Preisniveaustabilität Wägungsschema für Verbraucherpreisindex (Basisjahr 2005) 74,47 103,55 43,99 38,99 7,40 48,88 115,68 31,00 308,00 131,90 Quelle: Statistisches Bundesamt 2008 40,27 Häder VWL II Folie 137 WS 2008/09 55,87 4.3 Preisniveaustabilität Entwicklung der Inflationsrate in Deutschland (1965-2007) 8 7 6 5 4 3 2 1 19 65 19 69 19 73 19 77 19 81 19 85 19 89 19 93 19 97 20 01 20 05 0 -1 Häder VWL II Folie 138 WS 2008/09 Quelle: Statistisches Bundesamt 4.3 Preisniveaustabilität Folgewirkungen von Inflation Umverteilung • Wird Inflation nicht richtig erwartet („antizipiert“), so folgt daraus ein Wertverlust bei Besitzern von Geldvermögen; Kreditschuldner sind Gewinner, Gläubiger Inflationsverlierer. „Schuhsohlen“Kosten • Insb. bei galoppierender Inflation erfordert die rasche Geldentwertung, Geld möglichst rasch in Güter zu tauschen, um Wertverlust zu vermeiden. „Speisekarten“Kosten • Zunehmende Informationskosten zur Schaffung von Marktund Preistransparenz; Kosten für Anpassung von Preislisten etc.. Fehlallokation von Kapital Häder VWL II • Inflation kann relative Preise verzerren; Preise werden undurchsichtiger und insofern richtige Allokation von Ressourcen erschwert. Folie 139 WS 2008/09 4.3 Preisniveaustabilität Inflationsursachen N0 N1 nachfrageinduzierte Inflation A p z.B. Erhöhung Konsum-, Investitions-, Staats-, Exportnachfrage N0 A1 angebotsinduzierte Inflation z.B. höhere Importpreise, Löhne, Steuern, Zinsen geldmengeninduzierte Inflation VWL II p M ·v=p · Y „Quantitätstheorie“: Inflation ist langfristig ein allein monetäres Phänomen. Ausweitung der Geldmenge Häder A0 Folie 140 WS 2008/09 4.3 Preisniveaustabilität Europäische Zentralbank: Zwei-Säulen-Strategie vorrangiges Ziel: Preisniveaustabilität 1. Säule: 2. Säule Analyse der Entwicklung der Geldmenge Analyse weiterer wirtschaftlicher und finanzieller Einflussgrößen (Konjunktur, Löhne, Wechselkurse, Zinsen, Steuern etc..) Bekanntgabe einer Richtgröße für Geldmengenwachstum Häder VWL II Folie 141 WS 2008/09 4.3 Preisniveaustabilität Referenzwert für das mittelfristige Wachstum der Geldmenge Die EZB veröffentlicht einen Richtwert für die mittelfristige Entwicklung der Geldmenge in der Europäischen Union. Dabei sollte diese (entsprechend der Quantitätstheorie) so wachsen, dass das Preisniveau sich stabil verhält. Unter Preisniveaustabilität versteht die EZB eine Inflationsrate von unter, aber nahe bei 2%. Daraus folgt, wenn man die Quantitätsgleichung in Wachstumsgrößen schreibt: wM + wv = wp + wY wM = wp + wY - wv Derzeit liegt der Referenzwert für das mittelfristige Geldmengenwachstum bei 4,5% unter Annahme eines 2%igen Wachstums des BIP und einer abnehmenden Umlaufgeschwindigkeit des Geldes von 0,5-1% p.a. Häder VWL II Folie 142 WS 2008/09 4.3 Preisniveaustabilität Geldmengenaggregate: M1, M2 und M3 M1 • Bargeld • Sichteinlagen (tgl. fällig) M2 • umfasst M1 plus … • ..Termineinlagen (Laufzeit bis zu 2 J.) • ..Spareinlagen (Kündigungsfrist bis zu 3 Mon.) M3 • umfasst M2 plus … • ..Geldmarktfondsanteile • ..Geldmarktpapiere • ..Schuldverschreibungen (Laufzeit bis zu 2 J.) • ..Beträge aus Repogeschäften (Wertpapiergeschäften) Häder VWL II Folie 143 WS 2008/09 4.3 Preisniveaustabilität Entwicklung der Geldmenge M3 (2000-2006) Quelle: Bloomberg Häder VWL II Folie 144 WS 2008/09 4.3 Preisniveaustabilität Instrumente der Geldpolitik Offenmarktgeschäfte • An- und Verkauf von Wertpapieren gegen Zentralbankgeld durch die EZB im Wege von Ausschreibungsverfahren inkl. Rückkaufvereinbarung (Wertpapierpensionsgeschäft). • Laufzeit 1 Woche; EZB veröffentlicht Leitzins für Hauptrefinanzierungsgeschäfte. ständige Fazilitäten • Spitzenrefinanzierungsgeschäfte zur kurzfristigen Beschaffung von Zentralbankgeld über Nacht • Einlagefazilitätsgeschäfte zur Anlage kurzfristig überschüssiger Zentralbankgeld-Liquidität Mindestreserve Häder VWL II • Verpflichtung für Geschäftsbanken, entsprechend der Höhe ihrer Verbindlichkeiten (= Einlagen von Bankkunden) einen bestimmten Prozentsatz an Zentralbankgeld zu hinterlegen. Folie 145 WS 2008/09 4.3 Preisniveaustabilität Entwicklung der EZB-Zinssätze (9/2000-8/2007) Spitzenrefinanzierungssatz % 6 Hauptrefinanzierungssatz 5 Einlagefazilitätssatz Mindestreservesatz 4 3 2 1 0 9/00 9/01 9/02 9/03 9/04 9/05 9/06 9/07 Quelle: EZB Häder VWL II Folie 146 WS 2008/09 4.3 Preisniveaustabilität