Vorkurs Mathematik Kapitel 4 – Wahrscheinlichkeitstheorie Christoph Hindermann Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 1 Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 4.0 Motivation Wenn 100 Münzen geworfen werden, wie ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass genau 50 davon Kopf zeigen? Angenommen, es befinden sich 300 Studenten im Hörsaal. Wie wahrscheinlich ist es, dass 2 Studenten am selben Tag Geburtstag haben? Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 2 Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 4.1 Wahrscheinlichkeitsraum Gegeben sei ein Zufallsvorgang. Die Menge der möglichen disjunkten Elementarereignisse ω des Zufallsvorgangs nennt man den Wahrscheinlichkeitsraum Ω . Ω={ ω : ω ist Elementarereignis } Beispiel: Sie werfen eine Münze. Die Elementarereignisse sind “Kopf” und “Zahl”. Ω={Kopf , Zahl } Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 3 Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 4.2 Ereignisse Sei ein Zufallsvorgang und ein Wahrscheinlichkeitsraum Ω gegeben, so ist ein Ereignis A eine wohldefinierte Teilmenge des Wahrscheinlichkeitsraumes: A⊂Ω Anmerkungen: ● A kann eine echte oder eine unechte Teilmenge sein ● Ereignisse müssen nicht disjunkt sein Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 4 Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 4.3 Ereignisse – Schreib- und Sprechweise von Ereignissen Sachverhalt Sprechweise A tritt sicher ein A ist ein sicheres Ereignis A=Ω A tritt sicher nicht ein A ist ein unmögliches Ergeignis A=∅ wenn A eintritt, tritt B ein A ist Teilereignis von B A⊂B wenau dann, wenn A eintritt, tritt B ein A und B sind äquivalente Ereignisse A=B wenn A eintritt, tritt B nicht ein A und B sind disjunkte Ereignisse genau dann, wenn A eintritt, tritt B nicht ein A und B sind komplementäre Ereignisse genau dann, wenn mindestens ein Aj eintritt, tritt A ein A ist Vereinigung der Aj genau dann, wenn alle Aj eintreten, tritt A ein A ist Durchschnitt der Aj Vorkurs Mathematik Schreibweise A∩B=∅ A= B̄ A= ∪ A j j Wahrscheinlichkeitstheorie A= ∩ A j j 5 Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 4.4 Axiome der Wahrscheinlichkeitsrechnung Eine Funktion P, die auf dem Ereignissystem eines Zufallsvorgangs definiert ist, die jedes Ereignis A eine Zahl P(A) zuordnet heißt Wahrscheinlichkeitsmaß, wenn sie die kolmogorowschen Minimalanforderungen erfüllt. Axiome: 1. P ( A)≥0 für jedes Ereignis A, 2. P (Ω)=1, 3. P ( A1∪ A 2∪A3∪...)= P( A1)+ P ( A 2)+ P ( A 3)+.. . für endlich oder abzählbar unendlich viele paarweise disjunkte Ereignisse, d.h. Ereignisse mit Ai ∩A j =∅. Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 6 Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 4.5 Der klassische Wahrscheinlichkeitsbegriff Der klassische oder laplacesche Wahrscheinlichkeitsbegriff beruht auf der Gleichverteilung der disjunkten Elementarereignisse eines Zufallsvorgangs und definiert die Wahrscheinlichkeit wie folgt: P ( A)= |A| # A = |Ω| # Ω In Worten: Anzahl der günstigen Fälle durch die Anzahl der möglichen Fälle. Beispiel: Anzahl der geraden Zahlen beim mehrmaligen Werfen eines Würfels. Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 7 Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 4.5 Der klassische Wahrscheinlichkeitsbegriff Aufgabe Ein Zufallsexperiment bestehe daraus mit einem fairen Würfel zu würfeln. Bestimmen Sie: a) den Wahrscheinlichkeitsraum, b) die Wahrscheinlickeit des Ereignisses A, eine gerade Zahl zu würfeln, c) die Wahrscheinlickeit des Ereignisses B, eine Zahl zu würfeln, die größer als 3 ist, d) die Wahrscheinlickeit des Ereignisses C, eine 6 zu würfeln, e) P ( A∪B∪C ) Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 8 Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 4.6 Häufigkeitsinterpretation des Wahrscheinlichkeitsbegriffs Gegeben sei ein wiederholbarer Zufallsvorgang, der n-mal wiederholt wird. Dann ist die relative Häufigkeit des Ereignisses A h(A) gleich: h( A)= Es gilt: Anzahl der Durchführungen in denen Aeingetreten ist n lim h ( A)=P ( A) n→∞ Wird das Zufallsexperiment unendlich oft wiederholt, dann entspricht die relative Häufigkeit des Eintretens des Ereignisses A seiner Wahrscheinlichkeit. Beispiel: Werfen Sie eine Münze 5-mal und notieren Sie die relativen Häufigkeiten von Kopf und Zahl. Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 9 Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 4.7 Unabhängigkeit von Ereignissen Zwei Ereignisse A und B eines Zufallsvorgangs sind unabhängig, wenn das Eintreten des einen keine Informationen über das Eintreten des anderen beinhaltet. Bei Unabhängigkeit von A und B gilt: P ( A∩B)=P ( A)⋅P ( B) Beispiel: Beim zweimaligen Wurf einer Münze erhalten wir aus dem Ergebnis des ersten Wurfes keine Informationen über das Ergebnis des zweiten. Keine Unabhängigkeit besteht z.B., wenn wir eine Kugel aus einer Urne ziehen und sie nicht zurücklegen. Haben wir ursprünglich zwei rote und zwei weiße Kugeln, so ist die Wahrscheinlichkeit eine rote beim ersten Zug zu ziehen 0,5. Beim zweiten Zug ändern sich jedoch die Wahrscheinlichkeiten in Abhängigkeit davon, was für eine Kugel wir beim ersten Zug gezogen haben. Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 10 Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 4.7 Unabhängigkeit von Ereignissen Aufgabe In einer Urne befinden sich eine große Zahl von Kugeln. 80% der Kugeln sind weiß, 20% sind schwarz. Bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeit beim einmaligen Ziehen: a) eine schwarze Kugel zu erhalten; b) eine weiße Kugel zu erhalten. Nun ziehen Sie dreimal hintereinander mit zurücklegen. Bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeit: c) drei schwarze Kugeln zu erhalten; d) drei weiße Kugeln zu erhalten; e) eine schwarze und zwei weiße Kugeln zu erhalten. Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 11 Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 4.8 Regeln für Wahrscheinlichkeiten Gegeben seien die Ereignisse A, B, A1, A2, A3, …. eines Zufallsvorgangs, der Wahrscheinlichkeitsraum Ω und ein Wahrscheinlichkeitsmaß P. Neben den Axiomen aus 2.3.3 gelten dann die folgenden Regeln: 1. P ( A)≤1 A 2. P (∅)=0 A Ω Venn-Diagramm zu Regel 4 3. A⊂B → P( A)≤P (B) 4. P ( Ā)=1−P ( A) 5. P ( A1∪...∪ An )=P ( A1 )+ P( Ā1∩A 2)+ P ( Ā1∩ Ā2∩ A3)+...+ P ( Ā1 +...+ A¯n−1+ An ) Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 12 Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 4.8 Regeln für Wahrscheinlichkeiten Anmerkung zu Regel 5: Prominenter als die allgemeine Regel 5 sind Spezialfälle wie: P ( A1 ∪A 2 )=P ( A1 )+ P( A2 )−P ( A1∩ A2 ) P ( A1 ∪A 2 ∪A3 )=P ( A1 )+ P ( A 2)+ P ( A3 )−P ( A1∩ A2 )−P ( A1∩ A3 )−P ( A 2∩A3 )+ P ( A1∩A 2 ∩ A3) A B Ω Wir ziehen einmal P ( A1∩A 2) ab, da wir es sonst doppelt zählen! Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 13 Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 4.8 Regeln für Wahrscheinlichkeiten Aufgabe Gegeben seien die beiden Ereignisse A und B sowie die Wahrscheinlichkeiten: P ( A)=0.5 P (B)=0.3 P ( A∩B)=0.2 Bestimmen Sie: a) P ( A∪B) b) P ( A∩B) c) P ( Ā∪ B̄) d) P ( A∪B) e) P ( Ā∩ B̄) Vorkurs Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie 14