Diplomarbeit Parodontale Mundgesundheit bei TAVI- und sAVR-Patienten Optimierung interdisziplinärer Zusammenarbeit eingereicht von Dr. med. univ. Gernot Ernst Steyer zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Zahnheilkunde (Dr. med. dent.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt an der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde unter der Anleitung von Sen. Scientist Priv.-Doz. Dr. med. univ. Gernot Wimmer (Klinische Abteilung für Zahnersatzkunde) und Dr. med. univ. Michael Sacherer (Klinische Abteilung für Kardiologie) Graz, am 10.11.2014 Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Graz, am 10.11.2014 Dr. Gernot Ernst Steyer i Vorwort Während meiner Praktika an der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und der Klinischen Abteilung für Kardiologie der Universitätsklinik für Innere Medizin der Medizinischen Universität Graz kam ich mit Patienten in Kontakt, die an Erkrankungen der Aortenklappe und des Zahnhalteapparates litten. Aufgrund von Vorarbeiten und meiner allgemeinmedizinischen und zahnärztlichen Ausbildung interessierte ich mich für den Zusammenhang dieser Erkrankungen, die beide in großer Häufigkeit in der Bevölkerung vorliegen. So schlug ich Herrn Priv.-Doz. Dr. Gernot Wimmer und Dr. Michael Sacherer eine fächerübergreifende Arbeit zu diesen Themen vor. In der Literatur ist jedes Thema für sich gut aufgearbeitet, oft beschrieben und seit langem bekannt, verglichen dazu, jedoch kaum in Zusammenhang gebracht. In dieser Arbeit wird, wie derzeit von der Medizinischen Universität Graz gefordert, eine geschlechtergerechte (aber dadurch z.B. auch schwieriger zu lesende) Schreibweise verwendet, sollte dies fallweise nicht geschehen sein, steht das generische Maskulinum stellvertretend für die feminine und maskuline Form. Selbstverständlich sind mit dieser Schreibweise stets auch nicht erwähnte mögliche weitere Geschlechter gemeint… ii Danksagung Ein zweites Studium geht zu Ende und so bedanke ich mich herzlich bei meinen Eltern und meiner Familie für die jahrelange große Unterstützung. Großer Dank gilt auch allen meinen medizinischen Lehrern, meinen Diplomarbeitsbetreuern und Mitarbeitern anderer Institute, die mir bei der Erstellung dieser Arbeit behilflich waren. iii Zusammenfassung In der vorliegenden Arbeit wurde die parodontale Mundgesundheit von PatientInnen mit Aortenklappenstenose, welche in den Jahren 2011 - 2013 an der Medizinischen Universität Graz behandelt wurden, retrospektiv untersucht, da parodontale Erkrankungen mit Herzerkrankungen assoziiert werden. Die PatientInnen wurden nach ihren unterschiedlichen Behandlungsvarianten der Aortenklappenstenose, nämlich des offenen chirurgischen Eingriffs (sAVR) und des minimalinvasiven Eingriffs (TAVI) in zwei Gruppen unterteilt. Von insgesamt 86 Patienten der letzten drei Jahre wurden standardisierte Röntgenbilder (OPG) ausgewertet, die an der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde gemacht wurden. Die parodontale Mundgesundheit wurde definiert als interproximale Knochenhöhe am Zahn (als Maß einer parodontalen Destruktion) und der Zahnanzahl. Die Messung der Knochenhöhe erfolgte mit dem üblichen Messwerkzeug „Shei-Ruler“ auf Ausdrucken der digitalen Röntgenbilder. Die verifizierten Messwerte beider Gruppen wurden miteinander verglichen. Inoperable- und Hochrisikopatienten werden dem Eingriff mittels TAVI zugeführt. Diese sind im Vergleich zu den sAVR-Patienten wesentlich älter und zeigen auch eine geringere Anzahl der Restzähne, jedoch weisen diese noch verbliebenen Zähne ein höheres Knochenniveau auf. Auch gibt es innerhalb der PatientInnen weniger Schwankung des Knochenniveaus in der TAVI-Gruppe als in der sAVRGruppe. In beiden Gruppen sind die Frontzähne häufiger vorhanden als die Zähne des Seitenzahnbereiches, am häufigsten erhalten sind die Zähne der Unterkieferfront. Ebenfalls gleich in beiden Gruppen ist, dass rund einer von fünf Patienten zahnlos ist. Während der Risikofaktor BMI in beiden Gruppen jeweils ähnlich verteilt ist, kommt der zweite erhobene Risikofaktor Rauchen ausschließlich in der Gruppe der sAVR-PatientInnen vor. Die Zeit zwischen dem jeweiligen Eingriff und der Röntgenaufnahme variiert in beiden Gruppen sehr stark. Im Vergleich ist jedoch die Zeitspanne der TAVI-Gruppe im Mittel deutlich höher. Von etwa ¾ der sAVR-PatientInnen wurde das Röntgenbild erst innerhalb eines Monats vor dem Eingriff gemacht. Um PatientInnen eine optimale und umfassende Behandlung zukommen zu lassen, sollte zeitlich ausreichend vor den Eingriffen (bei beiden Therapieoptionen) eine standardisierte Erhebung und Sanierung der oralen Gesundheit als interdisziplinäre Maßnahme vor dem Eingriff erfolgen. Weitere Studien mit größeren PatientInnenzahlen und klinischen Diagnostiken sind nötig, um etwaige Dissoziationen weiter zu untersuchen. iv Abstract In this study we retrospectively investigated the oral health in Patients with aortic stenosis given therapy at the Medical University of Graz in years 2011 to 2013, because of an association between periodontal and cardiac diseases. The subjects were categorized into two groups defined by the way of therapy namely surgical aortic valve replacement and minimal invasive intervention (trans-catheter aortic valve implantation). Among these patients in total 86 standardized radiographs of the last three years were taken and assessed at the Department of Dentistry and Maxillofacial Surgery. Oral health was defined as interproximal bone level at the tooth (as a measurement of periodontal destruction) and number of teeth. The measurement of the bone level happened with the common tool Sheiruler on paper-print. The verified measured values of both groups were compared. Treated with TAVI inoperable and high-risk patients are older and present less teeth compared to sAVR-patients, nevertheless TAVI-patients have a higher bone level and less variation of the bone level. Anterior teeth are more often seen than molars in both groups. Most often the Mandible anterior teeth are remained. Likewise one out of five patients is edentulous. The risk-factor BMI is distributed equally to both groups while the risk-factor smoking occurs in sAVR-patients only. Time between intervention and radiograph varies intensive in both groups, on average this duration lasts clearly longer in TAVI-patients. In ¾ of sAVR-patients radiographs were taken within the last month before intervention. To grant patients optimally and wide treatment a chronological sufficient survey and restoration of oral health is needed as an interdisciplinary scheme already well before intervention. Further studies will be needed with larger number of patients and clinical diagnostics to investigate potential dissociation. v Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................................................. ii Danksagung ........................................................................................................................ iii Zusammenfassung ............................................................................................................ iv Abstract ................................................................................................................................ v Inhaltsverzeichnis .............................................................................................................. vi Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ........................................................................... viii Abkürzungen....................................................................................................................... ix 1 Einleitung .................................................................................................................... 1 1.1 Mundgesundheit ............................................................................................ 2 1.2 Aufbau des Zahnhalteapparates .................................................................... 2 1.3 Parodontitis .................................................................................................... 3 1.4 Aortenklappenstenose ................................................................................... 4 1.5 sAVR – surgical Aortic Valve Replacement ................................................... 4 1.6 TAVI – Trans-catheter Aortic Valve Implantation ........................................... 5 1.7 Orthopantomogramm – OPG ......................................................................... 5 2 Ziel der Arbeit ............................................................................................................. 6 3 Material und Methoden ............................................................................................. 7 3.1 Zeitraum ......................................................................................................... 7 3.2 Auswahl der ProbandInnen für die zwei Untersuchungsgruppen................... 7 3.3 Statistik .......................................................................................................... 8 3.4 Datenschutz ................................................................................................... 8 3.5 Ethikkommission ............................................................................................ 8 3.6 Röntgenaufnahmetechnik .............................................................................. 8 3.7 Vermessungsmethode ................................................................................... 8 3.7.1 Shei Ruler ...................................................................................................... 9 3.8 Verifikation der Messungen.......................................................................... 11 3.8.1 Messmethode .............................................................................................. 11 3.8.2 Messwerte.................................................................................................... 11 4 Ergebnisse ................................................................................................................ 13 4.1 Untersuchungsgruppen ................................................................................ 13 4.1.1 Untersuchungsgruppe 1 (TAVI) ................................................................... 13 4.1.2 Untersuchungsgruppe 2 (sAVR) .................................................................. 13 vi 4.1.3 Vergleich der Untersuchungsgruppen.......................................................... 14 4.2 PatientInnenalter beim Eingriff ..................................................................... 15 4.2.1 PatientInnenalter bei TAVI ........................................................................... 15 4.2.2 PatientInnenalter bei sAVR .......................................................................... 15 4.2.3 Vergleich PatientInnenalter .......................................................................... 15 4.3 Zeit zwischen Röntgenaufnahme und Eingriff .............................................. 16 4.3.1 Gruppe 1 (OPG – TAVI) ............................................................................... 16 4.3.2 Gruppe 2 (OPG- sAVR) ............................................................................... 16 4.3.3 Vergleich der Zeit zwischen Röntgenaufnahme und Eingriff ........................ 17 4.4 Risikofaktoren (Rauchen und BMI) der PatientInnen ................................... 18 4.4.1 RF Gruppe 1 (TAVI) ..................................................................................... 18 4.4.2 RF Gruppe 2 (sAVR).................................................................................... 18 4.4.3 Vergleich der Risikofaktoren ........................................................................ 19 4.5 Zahnanzahl pro PatientIn ............................................................................. 20 4.5.1 Zahnanzahl Gruppe 1 (TAVI) ....................................................................... 20 4.5.2 Zahnanzahl Gruppe 2 (sAVR) ...................................................................... 20 4.5.3 Vergleich Zahnanzahl .................................................................................. 20 4.6 Zahnhäufigkeit ............................................................................................. 22 4.6.1 Zahnhäufigkeit Gruppe 1 (TAVI) .................................................................. 22 4.6.2 Zahnhäufigkeit Gruppe 2 (sAVR) ................................................................. 23 4.6.3 Vergleich Zahnhäufigkeit ............................................................................. 24 4.7 Knochenniveau ............................................................................................ 25 4.7.1 Knochenniveau Gruppe 1 (TAVI) ................................................................. 26 4.7.2 Knochenniveau Gruppe 2 (sAVR) ................................................................ 26 4.7.3 Vergleich Knochenniveau ............................................................................ 27 5 Diskussion ................................................................................................................ 28 6 Literaturverzeichnis ................................................................................................. 33 Anhang ............................................................................................................................... 38 vii Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abbildung 1: Schematische Darstellung des Zahnes mit Zahnhalteapparat .......... 3 Abbildung 2: Lineal nach Shei zur Messung des Knochenverlustes in Prozent. .... 9 Abbildung 3: Vergrößerte Darstellung des Shei-Rulers .......................................... 9 Abbildung 4: Darstellung der Anwendung des Shei-Rulers .................................. 10 Abbildung 5: PatientInnenenalter der Untersuchungsgruppen ............................. 15 Abbildung 6: Zeitraum zwischen Röntgenaufnahme und Eingriff ......................... 17 Abbildung 7: Risikofaktor BMI bei den Untersuchungsgruppen............................ 19 Abbildung 8: Zahnanzahl der Untersuchungsgruppen ......................................... 20 Abbildung 9: Zahnhäufigkeit pro Zahnposition der Untersuchungsgruppe 1 ........ 22 Abbildung 10: Zahnhäufigkeit pro Zahnposition der Untersuchungsgruppe 2 ...... 23 Abbildung 11: Zahnhäufigkeit der Sextanten 1-6 der Untersuchungsgruppe 1 .... 24 Abbildung 12: Zahnhäufigkeit der Sextanten 1-6 der Untersuchungsgruppe 2 .... 25 Abbildung 13: Knochenniveau der jeweiligen Zahnposition der Gruppe 1 ........... 26 Abbildung 14: Knochenniveau der jeweiligen Zahnposition der Gruppe 2 ........... 27 Tabelle 1: PatientInnenenanzahl Gruppe 1………………………………………..…11 Tabelle 2: Geschlechtsverteilung Gruppe 1………………………………………….11 Tabelle 3: PatientInnenenanzahl Gruppe 2…………………………………………..12 Tabelle 4: Geschlechtsverteilung Gruppe 2………………………………………….12 viii Abkürzungen AKE Aortenklappenersatz AS Aortenstenose BMI Body Mass Index CT Computertomographie DMS Deutsche Mundgesundheitsstudie DVT Digitale Volumentomographie EKG Elektrokardiogramm ICD International Classification of Diseases KB Kleinbild OPG Orthopantomogramm PSA Panoramaschichtaufnahme sAVR surgical Aortic Valve Replacement SOP Standard Operating Procedure TAVI Trans-catheter Aortic Valve Implantation WHO World Health Organisation ix 1 Einleitung Lange vermutete man, dass eine Aortenstenose nur durch einen passiven Verschleiß der Klappe entsteht, doch zeigt die neueste Literatur, dass dafür aktive Prozesse, ähnlich der Atherosklerose, mit Beteiligung verschiedener Mediatoren verantwortlich sind. (Thaden 2014; Mookadam 2010) Kardiovaskuläre Erkrankungen entwickeln sich durch Entzündungsprozesse. Entzündungsauslösend können dabei unter anderem orale Mikroorganismen (Ibana 2010; Nakano 2009) sowie eine Kombination aus Endothelverletzungen und Lipidablagerungen in der Aortenklappe sein. (Dweck 2012) Auch die Parodontitis selbst ist ein durch Bakterien ausgelöstes Entzündungsgeschehen, wodurch in weiterer Folge durch Restriktion des Zahnhalteapparates Zähne verloren gehen können. Außerdem stellt die Parodontitis eine metastasierende systemische Erkrankungen Entzündung begünstigt. dar, die (Cafiero ein Auftreten 2013) Ein von Kardiovaskulären bestehendes Zeichen für Parodontitis ist der im Röntgenbild sichtbare Knochenschwund. (Pasler, Visser 2003) Eine bakteriell bedingte Entzündung kann durch Antibiotika behandelt werden, welche aber zusätzlich eine Verringerung der Diversität im gesamten Gastrointestinaltrakt bewirken, (Steyer 2012, Steyer 2014) häufig ist dabei auch das Immunsystem beteiligt. (Steyer 2012) Seit einigen Jahren gibt es neben der chirurgischen Therapie der Aortenstenose auch eine Minimalinvasive mittels Katheter. (Iribane 2011; Korach 2010) Daher wurde anhand von Orthopantomogrammen von PatientInnen beider Therapievarianten das Knochenniveau des Zahnhalteapparates, sowie die Zahnanzahl erhoben. Beides lässt, neben den aus den Krankenakten erhobenen Risikofaktoren (Rauchen und BMI), auf eine mögliche Parodontitis schließen. (Wolf, Rateitschak 2012) In weiterer Folge zählt eine Parodontitis zu den Risikofaktoren einer Aortenklappenstenose. In der Literatur wurden keine Vergleiche im Hinblick auf die Mundgesundheit zwischen den Aortenklappenersatzmethoden TAVI und sAVR gefunden. 1 1.1 Mundgesundheit Die Mundgesundheit ist ein wesentlicher Bestandteil des guten Allgemeinzustandes und der Lebensqualität. Die WHO beschreibt den Zustand als: „Being free from mouth and facial pain, oral and throat cancer, oral infection and sores, periodontal (gum) disease, tooth decay, tooth loss, and other diseases and disorders that limit an individual’s capacity in biting, chewing, smiling, speaking, and psychosocial wellbeing.” (WHO 2012) 1.2 Aufbau des Zahnhalteapparates Das Saumepithel umschließt ringförmig den Zahnhals in einer Höhe von etwa zwei Millimeter beim Gesunden, von der Schmelz-Zement-Grenze bis zum Boden des gingivalen Sulkus. (Schröder 2000) Darunter vermitteln bindegewebige Befestigungsstrukturen (gingivale und parodontale Faserbündel, das Desmodont) den Zusammenhalt zwischen den Zähnen (Zement) und der Alveole, den Zähnen und der Gingiva sowie zwischen den Zähnen untereinander. (Wolf, Rateitschak 2012) Das Wurzelzement verankert die desmodontalen Kollagenfaserbündel mit der Wurzeloberfläche und dient sowohl der Befestigung des Zahnes in der knöchernen Alveole, als auch adaptiven und reparativen Prozessen. (Schröder 2000) Die Alveolarfortsätze des Ober- und Unterkiefers sind zahnabhängige Strukturen. Sie entwickeln sich mit der Bildung und während des Durchbruchs der Zähne und atrophieren nach Verlust derselben. Man unterscheidet den eigentlichen Alveolarknochen von der Spongiosa und der äußeren Kompakta. (Wolf, Rateitschak 2012) Die parodontalen Gewebe sind sehr stark wegen des hohen Stoffwechsels und der mechanisch-funktionellen Aufgaben durchblutet. (Wolf, Rateitschak 2012) 2 Schmelz Denitn Zement Pulpa Saumepithel Desmodont Alveolarknochen Spongiosa Kompakta Abbildung 1: Schematische Darstellung des Zahnes mit Zahnhalteapparat (nach Rateitschak) 1.3 Parodontitis Wird der Zahnhalteapparat dauerhaft geschädigt spricht man von Parodontitis. Dabei handelt es sich um eine bakteriell bedingte Erkrankung, die zunächst als Zahnfleischentzündung beginnt. Liegt zumindest ein Zusatzfaktor wie z.B. Zeit, Rauchen, oder Stress etc. vor, kann sich diese in tiefere Anteile des Parodonts ausbreiten. (Wolf, Rateitschak 2012) Die Parodontitis ist eine metastasierende systemische Entzündung, die ein Auftreten von z.B. kardiovaskulären Erkrankungen begünstigt. (Cafiero 2013) Prophylaxe statt Therapie Neben einer stufenweisen Therapie, die sich in drei Phasen der häuslichen und professionellen supra- und subgingivalen, nicht-chirurgischen (Phase I) bzw. chirurgischen Behandlung (Phase II) sowie Nachsorge (Phase III) unterteilt (Wolf, Rateitschak 2012), liegt schon seit sehr langem das Augenmerk auf der Verhinderung der Erkrankung durch Prophylaxe: „Die Heßlichkeit, welche der Weinstein an denselben verursachet, geben einem jeden, der ihn wahrnimmt, einen wiederlichen Anblick. Im übrigen aber machet auch der Weinstein den Mund 3 übelriechend, er zerfrißt das Zahnfleisch, folglich entblösset er die Wurzeln der Zähne, machet sie los, und richtet sie oft zu Grunde. Man kann daher nicht genugsam Vorsichtigkeit gebrauchen seine Zähne sauber zu halten, damit man dadurch verhüte, daß der Weinstein nicht auf der Oberfläche derselben formiret und zusammenhäufet werde. Vor allen Dingen aber muß man nicht unterlassen sich den Weinstein wegnehmen zu lassen.“ (Fauchard 1733) 1.4 Aortenklappenstenose Die Aortenklappe ist als Taschenklappe eine der vier Herzklappen und verhindert den Rückstrom des Blutes in die linke Herzkammer während der Diastole. (Waldeyer 2012; Hafferl 1969) Eine mögliche Insuffizienz der Aortenklappe tritt als Aortenstenose (AS) (I35.0 Aortenstenose) auf. (ICD-10 Version 2013; Böcker/Denk/Heitz 2004) Die Aortenstenose zählt bei älteren und alten PatientInnen zu den häufigsten Herzvitien. (Nkomo 2006; Iung 2003; Otto 1999; Herold 2014) Die Ätiologie der AS ist multifaktoriell bedingt und ein dynamischer Vorgang aus Fettansammlung, Kalzifikation und Entzündungen (Otto 2014), bedingt u.a. durch Bakterien, (Luk 2014) oder Pilze (Steyer/Wallner 2013) Neben einem erhöhten Alter begünstigen Risikofaktoren wie, Hyperlipidämie oder Rauchen zusätzlich eine Aortenklappenstenose. (Stewart 1997) Die Diagnose wird von den behandelnden ÄrztInnen über die Anamnese und invasive sowie nicht-invasive klinische Untersuchungen (z.B. Auskultaion, Thoraxröntgen, EKG, Echocardiographie, Belastungstest, CT, LH/RH-Katheter, Coronarangiographie) gestellt. (Czarny 2014; ESC 2012) Die Therapie der Aortenklappenstenose erfolgt neben einer medikamentösen Behandlung chirurgisch im Sinne eines Aortenklappenersatzes mit Eröffnung des Brustkorbes (sAVR - surgicalAorticValveReplacement) oder minimalinvasiv als „Trans-catheterAorticValve Implantation“ (TAVI). (ESC 2012; Widder 2014) 1.5 sAVR – surgical Aortic Valve Replacement Der erste Aortenklappenersatz gelang 1960. (Harken 1962) Er stellt die Methode der Wahl bei AS dar. Bei dieser Methode erfolgt der Zugang über den geöffneten Brustkorb, wobei die Patientin/der Patient an die Herz-Lungen-Maschine 4 angeschlossen ist. (Ziemer 2010) Der chirurgische Eingriff gilt derzeit als Goldstandard und zeigt eine im Vergleich zu TAVI geringere 30-Tage-Mortalität sowie weniger postoperativen Blutrückfluss. (D'Onofrio 2013) 1.6 TAVI – Trans-catheter Aortic Valve Implantation Erstmals 2002 beim Menschen beschrieben (Cribier 2002), ist TAVI eine sichere Alternative für den Aortenklappenersatz bei alten, inoperablen oder high risk PatientInnen, (Sehatzadeh 2013) deren Lebenserwartung höher als ein Jahr ist und deren Lebensqualität durch diesen Eingriff verbessert werden kann. (Nashef 1999) Da mit beiden Methoden ähnliche Ergebnisse erzielt werden (Nagaraja 2014; Panchal 2013) wird wohl zukünftig die Zahl der TAVI-Eingriffe im Verhältnis zum traditionellen chirurgischen Aortenklappenersatz stark zunehmen. (Rozen 2014; D’Onofrio 2013; Hui-Xiong 2011) Der Vorteil einer TAVI verglichen mit sAVR liegt auch in einer kürzeren Operationszeit, weniger Schmerzen für die PatientInnen und einem kürzeren Krankenhausaufenthalt. (Thoenes 2013) 1.7 Orthopantomogramm – OPG Das Orthopantomgramm stellt als Panoramaschichtaufnahme (PSA) den heutigen Standard in der zahnärztlichen Diagnostik dar. Bei dieser Technik wird der fortgeschrittene Knochenabbau übersichtlich dargestellt. (Pasler 2003) Eine dreidimensionale Computertomographie stellt die Strukturen im Gegensatz zum OPG unverzerrt und überlagerungsfei dar, (Hosten 2006) im Vergleich zum konventionellen Röntgen kommt es dabei jedoch zu einer höheren Strahlenexposition. (Freyschmidt 2002) 5 2 Ziel der Arbeit Das Ziel dieser Arbeit ist, den parodontalen Zustand (definiert als interproximale Knochenhöhe am Zahn als Maß der Entzündung bei einer Aortenstenose) und die Zahnanzahl von TAVI- und sAVR-PatientInnen anhand vorhandener Röntgenbilder an der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Medizinischen Universität Graz zu erheben und diese Unterschiede zu interpretieren. Darüber hinaus soll ein Vorgangsschema (SOP) die künftige interdisziplinäre Zusammenarbeit für alle auf diesem Gebiet Involvierten (Hausärztin/Hausarzt, Zahnärztin/Zahnarzt, InternistIn und ChirurgIn) optimiert werden. 6 3 Material und Methoden Für diese Untersuchung wurden Daten (Geburtsdatum, Eingriffsdatum, Geschlecht, BMI und Raucheranamnese) aller verfügbaren TAVI-PatientInnen der Klinischen Abteilung für Kardiologie der Klinik für Interne Medizin der Medizinischen Universität Graz des angegebenen Zeitraumes erhoben. Aus demselben Zeitraum wurden alle PatientInnen mit der ICD Diagnose I35.0 (Aortenklappenersatz - AKE) der Abteilung für Kardiologie gesucht. 3.1 Zeitraum Der Zeitraum für diese Untersuchung wurde auf die gesamten letzten drei Jahre festgelegt, d.h. vom 01.01.2011 bis einschließlich 31.12.2013. 3.2 Auswahl der ProbandInnen für die zwei Untersuchungsgruppen Gruppe 1 In Gruppe 1 befinden sich die TAVI-PatientInnen. Mit Hilfe der Röntgen-Software Sidexis XG 2.56 2012 Sirona Dental Systems wurden alle Röntgenbilder gesucht, die von den oben genannten TAVI-PatientInnen an der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde gemacht wurden. Gruppe 2 In Gruppe 2 befinden sich die sAVR-PatientInnen. Aus allen PatientInnen mit der ICD Diagnose I35.0 wurden jene herausgefiltert, die bereits in der TAVI-Gruppe waren und jene, die mit dieser ICD Diagnose stationär waren, aber keinen Eingriff erhielten. Von den verbleibenden wurden mit Hilfe der Röntgensoftware Sidexis XG 2.56 2012 Sirona Dental Systems alle Röntgenbilder gesucht die an der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde gemacht wurden. 7 3.3 Statistik Die so gewonnenen Daten wurden in das Tabellenkalkulationsprogramm Microsoft Excel 2010 übertragen und geordnet. Die statistische Auswertung sowie die grafische Darstellung erfolgten mit der Statistik- und Analysesoftware IBM SPSS Statistics, Version 22. Die Daten wurden deskriptiv ausgewertet. 3.4 Datenschutz Alle PatientInnen wurden mit einer fortlaufenden Nummer codiert (pseudonymisiert). Die auszuwertenden Daten wurden nur mit diesem Code versehen in einer Excel-Tabelle auf einem PC gespeichert und anschließend ausgewertet. 3.5 Ethikkommission Der Antrag zur Durchführung dieser Studie wurde im Februar 2014 bei der Ethikkommission der Medizinischen Universität Graz gestellt. Ein positives Votum durch die Ethikkommission für die Durchführung der Studie in dieser Form wurde im Juni 2014 gegeben. 3.6 Röntgenaufnahmetechnik Die Röntgenaufnahmen wurden nach der Standardmethode der Universitätsklinik für Zahn-, Mund-, und Kieferheilkunde an der Medizinischen Universität Graz durch geschulte RadiologietechnologInnen mittels Panoramaröntgenapparat Orthophos XG Plus Sirona durchgeführt und im Programm Sidexis XG 2.56 2012 Sirona Dental Systems gespeichert. 3.7 Vermessungsmethode Zur Vermessung des Knochenniveaus wurde die Methode nach Shei angewendet. Die Orthopantomogramme wurden größtmöglich auf Papier ausgedruckt und das Knochenniveau für jeden Zahn mittels „Shei Ruler“ gemessen. Nicht berücksichtigt wurden Implantate und Wurzelreste, sowie total-retinierte Zähne. 8 3.7.1 Shei Ruler Abbildung 2: Lineal nach Shei zur Messung des Knochenverlustes in Prozent auf Röntgenbildern. Beim Messwerkzeug nach Shei, genannt Shei-Ruler, handelt es sich um eine Messskala auf transluzentem Kunststoff. Zehn radiär verlaufende Linien, jeweils durch exakt denselben Abstand voneinander getrennt, werden durch eine weitere Linie 1mm oberhalb ergänzt. Diese beschreibt die normale Distanz des Alveolarknochens zur Schmelz-Zementgrenze des Zahnes. Zur Messung wird das Lineal so auf den zu vermessenden Zahn gelegt, dass von den zehn radiär verlaufenden Linien die unterste am Apex zu liegen kommt, die zusätzliche oberste Linie an der Schmelz-Zement-Grenze. Danach wird am Knochen, der beidseits des Zahnes ist, die tiefste Stelle gesucht und die Höhe am Lineal abgelesen. (Shei 1959) Knochenniveau Aufgrund oben genannter Beschreibung ergibt sich eine Maßeinheit in Prozent. Abbildung 3: Vergrößerte Darstellung des Shei-Rulers mit Beschriftung der Messlinien 9 Abbildung 4: Darstellung der Anwendung des Shei-Rulers am Ausdruck des digitalen Orthopanthomogrames. Gemessen in dieser Abbildung wird das Knochenniveau an Zahn 33 mit 80%. 10 3.8 Verifikation der Messungen 3.8.1 Messmethode Um die Genauigkeit der Messmethode mittels Shei Ruler zu überprüfen, wurden folgende weiterführende Messungen angewendet: 3.8.1.1 Messvergleich verschiedener bildgebender Verfahren (2D, 3D) Bei PatientInnen, bei denen unterschiedliche Bildgebungsverfahren angewendet wurden (OPG, KB, DVT), wurde bei denselben Zähnen jeweils das Knochenniveau vermessen und anschließend verglichen. Dazu wurde das OPG und das KB größtmöglich auf Papier ausgedruckt und nach oben genannter Methode mittels Shei-Ruler das Knochenniveau gemessen. Bei der DVT wurde mittels Messfunktion der Röntgen-Software Sidexis XG 2.56 2012 Sirona Dental Systems das Knochenniveau im Computer vermessen. 3.8.1.2 Messvergleich verschiedener Messprinzipien Bei den zweidimensionalen Bildern (OPG, KB) wurde jeweils das Knochenniveau der einzelnen Zähne mit Hilfe der Messfunktion der Röntgen-Software Sidexis XG 2.56 2012 Sirona Dental Systems im Computer und mittels Shei-Ruler auf dem Papierausdruck vermessen und verglichen. 3.8.2 Messwerte Um die Qualität der Messwerte zu gewährleisten wurden dieselben Röntgenbilder mit derselben Messmethode vom Diplomarbeitsverfasser mehrfach, zu verschiedenen Zeitpunkten und von einem im Bereich der Parodontologie tätigen Zahnarzt der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Medizinischen Universität Graz vermessen und verglichen. Statistisch wünschenswert ist die mehrfache Vermessung aller Messwerte durch verschiedene Personen. Für diese Diplomarbeit wurden alle Vermessungen vom 11 Diplomarbeitsverfasser mehrfach und zu verschiedenen Zeitpunkten durchgeführt, die Verifikation der Messwerte durch eine weitere Person fand ressourcenbedingt (Anzahl der vielen Messungen) nur stichprobenartig statt. 12 4 Ergebnisse 4.1 Untersuchungsgruppen 4.1.1 Untersuchungsgruppe 1 (TAVI) Die zu untersuchenden Gruppen stellen sich, nach den Beschreibungen im Teil „Material und Methoden“ folgend dar: Die Durchsicht aller Daten ergab, dass in den Jahren 2009 – 2013 insgesamt 188 TAVI durchgeführt wurden. Im Jahr 2009 wurde 1 TAVI, 2010 keine TAVI, 2011 58 TAVI, 2012 65 TAVI und 2013 64 TAVI durchgeführt. Von diesen PatientInnen standen für eine Vermessung insgesamt 21 OPG zur Verfügung. Aus dem Jahre 2009 1 OPG, 2010 kein OPG, 2011 2 OPG, 2012 6 OPG, 2013 12 OPG. Daher besteht die erste Gruppe (TAVI) aus insgesamt 20 PatientInnen, 9 männliche und 11 weibliche. Jahr Untersuchungszeitraum 2009 2010 2011 2012 2013 2011 2012 2013 TAVI-Liste OPG 1 0 58 65 64 188 1 0 2 6 12 21 2011-2013: 20 Tabelle 1: PatientInnenanzahl Gruppe 1 Geschlecht % m 9 45% w 11 55% gesamt 20 100% Tabelle 2: Geschlechtsverteilung Gruppe 1 4.1.2 Untersuchungsgruppe 2 (sAVR) Im selben Zeitraum gab es 848 PatientInnen mit der Diagnose I35.0. 2011 261 AKE, 2012 289 AKE und 2013 298 AKE. Davon standen für eine Vermessung 146 13 OPG zur Verfügung. Aus dem Jahre 2011 45 OPG, 2012 42 OPG und 2013 59 OPG. Von diesen 146 PatientInnen erhielten jedoch nicht alle einen AKE (Aortenklappenersatz), bzw. sind bereits in der ersten Gruppe enthalten. Daher besteht die zweite Gruppe (sAVR) aus 66 PatientInnen, 25 aus dem Jahre 2011, 23 aus 2012 und 18 aus 2013, 43 männliche und 23 weibliche. Untersuchungszeitraum Diagnose ICD35.0 OPG sAVR 2011 2012 2013 261 289 298 848 45 42 59 146 25 23 18 66 2011-2013: 66 Tabelle 3: PatientInnenanzahl Gruppe 2 Geschlecht % m 43 65% w 23 35% gesamt 66 100% Tabelle 4: Geschlechtsverteilung Gruppe 2 4.1.3 Vergleich der Untersuchungsgruppen Gruppe 1 (TAVI) besteht aus 20 PatientInnen und entspricht damit etwa einem Drittel (30,3%) der Gruppe 2 (sAVR) mit 66 PatientInnen. In Gruppe 1 (TAVI) ist das Geschlechterverhältnis mit 45% männlichen zu 55% weiblichen PatientInnen nahezu ausgeglichen. In Gruppe 2 (sAVR) überwiegt das männliche Geschlecht mit etwa 2/3 (65%) zu etwa 1/3 (35%) weiblicher PatientInnen. 14 4.2 PatientInnenalter beim Eingriff 4.2.1 PatientInnenalter bei TAVI Zum Zeitpunkt des Eingriffes (TAVI) betrug das Alter der PatientInnen im Mittel 82,63 Jahre, der Median liegt bei 83,42 Jahren. Die/der jüngste PatientIn war zum Zeitpunkt des Eingriffes 68,59, die/der älteste 90,49 Jahre alt. 4.2.2 PatientInnenalter bei sAVR Zum Zeitpunkt des Eingriffes (sAVR) betrug das Alter der PatientInnen im Mittel 71,56 Jahre, der Median liegt bei 71,79 Jahren. Die/der jüngste PatientIn war zum Zeitpunkt des Eingriffes 36,34, die/der älteste 86,59 Jahre alt. Alter [Jahre] 4.2.3 Vergleich PatientInnenalter Abbildung 5: PatientInnenalter der Untersuchungsgruppen 1 (TAVI) und 2 (sAVR) Zum Zeitpunkt des Eingriffes war das mittlere Alter der Gruppe 1 (TAVI) mit 82,63 Jahren um 10,42 Jahre höher als das mittlere Alter der Gruppe 2 (sAVR) mit 71,56 Jahren. 15 Der Median liegt bei Gruppe 1 (TAVI) mit 83,42 Jahren ebenfalls um etwa eine Dekade (9,14 Jahre) höher als bei Gruppe 2 (sAVR) mit 74,28 Jahren. Das Mindestalter in Gruppe 1 (TAVI) liegt bei 68,59 Jahren, somit ist die/der jüngste TAVI-PatientIn fast doppelt so alt (188%) wie die/der jüngste sAVRPatientIn mit 36,34 Jahren. Das Höchstalter in Gruppe 1 (TAVI) liegt bei 90,49 Jahren und liegt mit 3,9 Jahren knapp über dem Höchstalter der Gruppe 2 (sAVR) mit 86,59 Jahren. 4.3 Zeit zwischen Röntgenaufnahme und Eingriff Berechnet wurde die Zeit zwischen der Röntgenaufnahme und dem Eingriff. Waren bei einer/einem Patientin/Patienten mehrere Röntgenbilder vorhanden, wurde jeweils das dem Eingriff zeitlich am nächsten gelegene gewählt. 4.3.1 Gruppe 1 (OPG – TAVI) Die Zeit zwischen Röntgenaufnahme und Eingriff (TAVI) beträgt im Mittel 644 Tage, der Median liegt bei 92 Tagen. In Gruppe 1 wurden zwei Röntgenbilder an der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde erst 121 bzw. 114 Tage nach dem Eingriff (TAVI) gemacht. Das älteste Röntgenbild ist 3141 Tage vor dem Eingriff gemacht worden. 4.3.2 Gruppe 2 (OPG- sAVR) Die Zeit zwischen Röntgenaufnahme und Eingriff (sAVR) beträgt im Mittel 129 Tage, der Median liegt bei 15 Tagen. In Gruppe 2 wurden ebenfalls Röntgenbilder erst nach dem Eingriff (sAVR) gemacht, 665 bzw. 42 Tage. Das älteste Röntgenbild ist 3432 Tage vor dem Eingriff gemacht worden. 16 Zeitraum [Tage] 4.3.3 Vergleich der Zeit zwischen Röntgenaufnahme und Eingriff Zeitraum [Tage] Abbildung 6: Zeitraum [Tage] zwischen Röntgenaufnahme und Eingriff der Untersuchungsgruppen 1 (TAVI) und 2 (sAVR) Abbildung 7: Zeitraum [Tage] zwischen Röngenaufnahme und Eingriff der Untersuchungsgruppen 1 (TAVI) und 2 (sAVR). 17 Die Zeitspanne zwischen der Röntgenaufnahme und dem Eingriff beträgt in Gruppe 1 (TAVI) im Mittel 644 Tage (etwa 1 ¾ Jahre) und ist somit um 515 Tage (etwa 1 ½ Jahre) höher als in Gruppe 2 (sAVR) mit 129 Tagen (etwa 1/3 Jahr). Der Median der Gruppe 1 (TAVI) ist mit 92 Tagen etwa sechs Mal so hoch wie in Gruppe 2 (sAVR) mit 15 Tagen. Das älteste Röntgenbild der Gruppe 1 (TAVI) ist mit 3141 Tagen (etwa 8 ½ Jahre) vor dem Eingriff um 291 Tage (etwa ¾ Jahr) jünger, als das älteste Röntgenbild der Gruppe 2 (sAVR) mit 3432 Tagen (etwa 9 ½ Jahre). In Gruppe 1 wurden bei nur zwei PatientInnen die Röntgenbilder innerhalb eines Monats (7 bzw. 18 Tage) vor Eingriff (TAVI) gemacht. In Gruppe 2 wurden hingegen bei ¾ der PatientInnen (50 PatientInnen) die Röntgenbilder innerhalb eines Monats vor Eingriff (sAVR) und bei 1/5 der PatientInnen (14 PatientInnen) sogar erst innerhalb einer Woche vor Eingriff gemacht. 4.4 Risikofaktoren (Rauchen und BMI) der PatientInnen Die Risikofaktoren Rauchen und Body-Mass-Index wurden aus den Krankenakten erhoben. Eine Dokumentation war bei allen PatientInnen vorhanden, jedoch nur anamnestisch erhoben und leider nicht einheitlich. So ergibt sich beim Risikofaktor Rauchen eine Diskrepanz zwischen „gelegentlich“ und einer „Angabe in Packyears“. 4.4.1 RF Gruppe 1 (TAVI) Laut Krankengeschichten findet sich keinE RaucherIn in der Gruppe 1. Der mittlere BMI liegt bei 24,55, der Median bei 24,24. Der geringste BMI beträgt 17,26, der höchste 40,86. 4.4.2 RF Gruppe 2 (sAVR) In Gruppe 2 finden sich laut Krankengeschichten 7 RaucherInnen. Der mittlere BMI liegt bei 26,56, der Median bei 26,33. Der geringste BMI beträgt 17,05, der höchste 36,29 18 4.4.3 Vergleich der Risikofaktoren Der Risikofaktor Rauchen kommt in Gruppe 1 (TAVI) gar nicht vor, in Gruppe 2 (sAVR) raucht mit 7 PatientInnen etwa jedeR Zehnte. Beim Risikofaktor Body Mass Index zeigt sich zwischen den beiden Gruppen ein nur geringer Unterschied: In Gruppe 1 (TAVI) beträgt der mittlere mit BMI 24,55 um 2,01 weniger als bei Gruppe 2 (sAVR) mit 26,56. Fast gleich ist auch der Unterschied des Median mit 2,09 von Gruppe 1 mit 24,24 und Gruppe 2 mit 26,33. Der Minimalwert liegt in beiden Gruppen im selben BMI-Bereich. Gruppe 1 (TAVI) 17,26, Gruppe 2 (sAVR) 17,05, Differenz 0,21. Der Maximalwert ist bei Gruppe 1 mit BMI 40,86 um 4,57 höher als bei Gruppe 2 BMI mit BMI 36,29. Abbildung 7: Risikofaktor BMI bei den Untersuchungsgruppen 1 (TAVI) und 2 (sAVR) 19 4.5 Zahnanzahl pro PatientIn Es wurde die Anzahl der verbliebenen Eigenzähne pro PatientIn gezählt. Nicht gewertet wurden Implantate, Wurzelreste und total-retinierte Zähne. 4.5.1 Zahnanzahl Gruppe 1 (TAVI) Von den 20 PatientInnen sind vier zahnlos. Die maximale Zahnanzahl beträgt 23 Zähne. Der Mittelwert liegt bei 9,1 und der Median bei 8,5 Zähnen. 4.5.2 Zahnanzahl Gruppe 2 (sAVR) Von den 66 PatientInnen sind 14 zahnlos. Die maximale Zahnanzahl beträgt 31 Zähne. Der Mittelwert liegt bei 11,9 und der Median bei 12 Zähnen. Zahnanzahl 4.5.3 Vergleich Zahnanzahl Abbildung 8: Zahnanzahl der Untersuchungsgruppen 1 (TAVI) und 2 (sAVR) Das Verhältnis der zahnlosen PatientInnen ist in beiden Gruppen ähnlich mit jeweils einem Fünftel der PatientInnen: vier von 20 (20%) in Gruppe 1 (TAVI) und 14 von 66 (21%) in Gruppe 2 (sAVR). 20 Die höchste Anzahl an verbliebenen Zähnen ist in Gruppe 1 (TAVI) mit 23 Zähnen deutlich (8 Zähne, entspricht ¼ einer/eines Vollbezahnten) unter der Höchstanzahl in Gruppe 2 (sAVR) mit nur einem fehlenden Zahn. Der Mittelwert der Zahnanzahl ist in der Gruppe 1 (TAVI) mit 9,1 Zähnen um 2,8 geringer als in Gruppe 2 (sAVR) mit 11,9 Zähnen. Der Median liegt bei Gruppe 1 (TAVI) mit 8,5 Zähnen um 3,5 niedriger als in Gruppe 2 (sAVR) mit 12 Zähnen. 21 4.6 Zahnhäufigkeit Gezählt wurde die Häufigkeit der Zähne jeder Zahnposition in der jeweiligen Gruppe. Diese werden sowohl pro Zahnposition als auch pro Sextant angegeben. Um diese Zahlen trotz der unterschiedlichen Gruppengröße vergleichen zu können, werden diese auch im Verhältnis zur jeweiligen PatientInnenanzahl angegeben. 4.6.1 Zahnhäufigkeit Gruppe 1 (TAVI) Auf die jeweiligen Zahnpositionen teilen sich die insgesamt 182 Zähne dieser Gruppe wie in folgender Grafik dargestellt auf: 18 17 16 15 14 13 48 47 16 45 44 43 12 11 21 22 23 24 25 26 27 28 42 41 31 32 33 34 35 36 37 38 Abbildung 9: Zahnhäufigkeit pro Zahnposition der Untersuchungsgruppe 1 (TAVI) 22 KeineR der 20 PatientInnen hat einen Zahn 18 und 38. Am häufigsten erhalten ist der Zahn 43, bei 13 von 20 PatientInnen. 4.6.2 Zahnhäufigkeit Gruppe 2 (sAVR) Auf die jeweiligen Zahnpositionen teilen sich die insgesamt 786 Zähne dieser Gruppe wie in folgender Grafik dargestellt auf: Von den 66 PatientInnen haben nur vier PatientInnen den Zahn 18. Am häufigsten erhalten ist der Zahn 43 mit 49 von 66 PatientInnen. 18 17 16 15 14 13 12 11 21 22 23 24 25 26 27 28 48 47 16 45 44 43 42 41 31 32 33 34 35 36 37 38 Abbildung 10: Zahnhäufigkeit pro Zahnposition der Untersuchungsgruppe 2 (sAVR) 23 4.6.3 Vergleich Zahnhäufigkeit In Sextanten zusammengefasst zeigt sich dasselbe Bild. In beiden Gruppen sind die Zähne des Seitenzahnbereiches (1., 3., 5. und 6. Sextant) seltener erhalten als die Frontzähne (2. und 4. Sextant). Die Zähne der Unterkieferfront sind am Zahnhäufigkeit öftesten erhalten. Abbildung 11: Zahnhäufigkeit der Sextanten 1-6 der Untersuchungsgruppe 1 (TAVI) 24 Zahnhäufigkeit Abbildung 12: Zahnhäufigkeit der Sextanten 1-6 der Untersuchungsgruppe 2 (sAVR) Abgesehen von den Zähnen 18 und 38, die in Gruppe 1 (TAVI) gar nicht vorkommen, ist das Verhältnis der jeweiligen Zähne zur Gesamtanzahl der Zähne der jeweiligen Gruppe ähnlich (1,19 ± 0,67). Lediglich Zahn 17 kommt in Gruppe 2 (sAVR) fast viermal (3,94) so oft vor wie in Gruppe 1 (TAVI), doppelt so oft Zahn 47 (2,08) und 48 (2,32). 4.7 Knochenniveau Die Differenz zwischen dem gemessenen minimalen und maximalen Knochenniveau innerhalb einer/eines Patientin/Patienten beträgt in der Gruppe 1 (TAVI) im Mittel 22,5% ± 15,6%, in der Gruppe 2 (sAVR) 26,5%. ± 14,3% Sowohl das Minimum als auch das Maximum ist in beiden Gruppen gleich mit 0% und 60%. 25 4.7.1 Knochenniveau Gruppe 1 (TAVI) Im Mittel haben die PatientInnen ein Knochenniveau von 78% bei ihren Zähnen. Die/der PatientIn mit dem geringsten Knochenniveau hat 23%, das höchste ist 100%. Auf die Zahnposition bezogen zeigt sich folgendes Bild: Im Mittel haben die Zähne ein Knochenniveau von 82,73%. Die Zähne 48 haben mit 60% das geringste, die Zähne 44 und 47 mit 95% das höchst Knochenniveau. 18 17 16 15 14 48 47 16 45 44 13 12 11 21 22 23 24 25 26 27 28 43 42 41 31 32 33 34 35 36 37 38 Abbildung 13: Knochenniveau der jeweiligen Zahnposition der Untersuchungsgruppe 1 (TAVI) 4.7.2 Knochenniveau Gruppe 2 (sAVR) Im Mittel haben die PatientInnen ein Knochenniveau von 78% bei ihren Zähnen. Die/der PatientIn mit dem geringsten Knochenniveau hat 20%, das höchste ist 98%. Auf die Zahnposition bezogen zeigt sich folgendes Bild: Im Mittel haben die Zähne ein Knochenniveau von 80,5%. Die Zähne 37 haben mit 76,15% das geringste, die Zähne 18 mit 87,5% das höchst Knochenniveau. 26 18 17 16 15 14 48 47 16 45 44 13 12 11 21 22 23 24 25 26 27 28 43 42 41 31 32 33 34 35 36 37 38 Abbildung 14: Knochenniveau der jeweiligen Zahnposition der Untersuchungsgruppe 2 (sAVR) 4.7.3 Vergleich Knochenniveau Innerhalb einer/eines Patientin/Patienten schwankt das Knochenniveau der Zähne in Gruppe 1 (TAVI) mit 22,5% um 4% weniger als in Gruppe 2 (sAVR) mit 26,5%. Die Zähne der 1. Gruppe (TAVI) zeigen mit einem Mittelwert von 82,7% ein um 2,2% höheres Knochenniveau als die Zähne der 2. Gruppe (sAVR) mit 80,5%. 27 5 Diskussion Obwohl in diese retrospektive Untersuchung alle in den elektronischen Krankenakten der miteinbezogen Medizischen wurden, Universität konnten Graz damit vorhandenen nur zwei relativ Daten kleine Untersuchungsgruppen gebildet werden. Ursache dafür ist, dass derzeit nicht bei allen PatientInnen, die einem therapeutischen Eingriff (TAVI bzw. sAVR) zugeführt werden, standardmäßig ein Röntgenbild respektive eine klinische Untersuchung zur Befundung des aktuellen Zustandes der Mundgesundheit vorliegt. Alle gemessenen Merkmale waren in beiden Gruppen vorhanden und jeweils miteinander vergleichbar. Nicht vermessen wurden Implantate, Wurzelreste, sowie retinierte Zähne. Implantate wurden nicht berücksichtigt, da bei den insgesamt neun implantatversorgten PatientInnen unterschiedliche Implantatsysteme und – Versorgungskonzepte (Einzelzahnversorgung, Implantatversorgung im zahnlosen Kiefer – festsitzend/abnehmbar) verwendet wurden und darüber keine Informationen vorlagen. Die bei den untersuchten PatientInnen vorhandenen Wurzelreste waren allesamt aus der radiologischen Beurteilung nicht erhaltungswürdig und nur mehr deutlich unter der Schmelz-Zementgrenze erhalten. Bei den zehn retinierten Zähnen handelte es sich ausnahmslos um totalretinierte Weisheitszähne. Somit war eine Vermessung des Konchenniveaus in Bezug zur Schmelz-Zementgrenze nicht möglich. In der Erstbeschreibung der Messmethode mittels Shei-Ruler wurde diese bei Kleinbildern angewendet. (Shei 1959) In der vorliegenden Arbeit fand dieses Lineal bei Orthopantomogrammen Anwendung. Bei beiden Röntgentechniken kommt es durch unterschiedliche Winkel bei der Aufnahme zu nicht einheitlichen Verzerrungen. (Pfeiffer 2012; Pasler 2003) Da jedoch stets ein Verhältnis und nicht absolute Werte gemessen wurden, ist dieser Aspekt zu vernachlässigen, wie auch die erfolgten Verifizierungen zeigten. Alle drei Röntgenverfahren, das zweidimensionale Kleinbild und OPG sowie das dreidimensionale DVT, lieferten bei dieser Untersuchung an den jeweils selben Zähnen die gleichen Messwerte (relative Höhe des Knochens um den Zahn). Außerdem stellt das OPG den heutigen Standard in der zahnärztlichen Röntgendiagnostik dar, da es im Gegensatz zum einst angewendeten Röntgenstatus mittels mehrerer Kleinbilder 28 oder der dreidimensionalen Schichtaufnahmetechnik DVT den Patienten mit einer geringeren Strahlung belastet. (Pasler 2003) Um systematische Fehler bei den Messungen zu vermeiden wurden vom Diplomarbeitsersteller die Messungen mehrfach, zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in veränderter Reihenfolge durchgeführt. Zusätzlich wurden diese auch von einem im Gebiet der Parodontologie arbeitenden Zahnarzt durchgeführt. Ressourcenbedingt jedoch nur stichprobenartig. Es konnte keine Abweichung bei den Messungen festgestellt werden. Die Röntgenaufnahme stellt nur einen Teil der Diagnostik dar. Dennoch liefert das Röntgenbild teilweise mehr Informationen (z.B. Knochenniveau, retinierte Zähne), als bei einer klinischen Untersuchung festgestellt werden können. (Moll 2013) Wünschenswert wäre die zusätzliche klinische Untersuchung (im Sinne einer Parodontalen Grunduntersuchung) der PatientInnen inklusive Anamnesegespräch gewesen. Bei der geringen Anzahl an vorhandenen Röntgenbilder im Verhältnis zur Anzahl behandelter PatientInnen stellt sich die Frage, ob jene PatientInnen, von denen es an der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Medizinischen Universität Graz keine Röntgenbilder gibt, vor dem jeweiligen Eingriff zahnärztlich gar nicht, oder von ihrer/ihrem Hauszahnärztin/Hauszahnarzt gesehen wurden. Auch stellt sich die Frage warum teilweise nur sehr alte Bilder vorhanden sind. Gibt es in diesen Fällen neuere, von anderen BehandlerInnen oder wurden die alten Bilder als ausreichend erachtet, da die PatientInnen nur mehr eine geringe Restbezahnung aufwiesen bzw. anamnestisch beschwerdefrei waren oder erst kürzlich bei der/dem Hauszahnärztin/Hauszahnarzt vorstellig wurden? Offensichtlich wurden nicht alle PatientInnen vor dem jeweiligen Eingriff auf die Zahnklinik für einen sogenannten Herdbefund überwiesen. Dieser Beschreibt die aktuelle Situation der/des Patientin/Patienten in Bezug auf den Zahnstatus (Erhaltbarkeit, Versorgbarkeit), Entzündungen, sogenannte Beherdungen, und die eventuelle Notwendigkeit einer akuten oder längerfristigen zahnärztlichen Versorgung. Dass dies jedoch für die/den Patientin/Patienten von großem Nutzen sein kann, zeigen Studien die Herzerkrankungen (Amano 2012), Artherosklerose (Lockhart 2012) und eine Besiedelung der Aortenklappe (Luk 2014; Nakano 2009) mit Keimen der Mundhöhle assoziieren. Parodontitis ist ein negativer Faktor für den Verlauf systemischer Erkrankungen. (Manjunath 2012) 29 Rezente Mikrobiomuntersuchungen zeigen auch, dass sogar die Besiedlung der Plazenta jener der Mundhöhle am ähnlichsten ist. (Aagaard 2014) Ein Eingriff mittels TAVI wird derzeit vor allem bei sogenannten HochrisikoPatientInnen angewendet. Zur Risikoeinschätzung dienen dem Herzteam bestehend aus HerzchirurgInnen, AnästhesistInnen und KardiologInnen der EuroScore I bzw. II (z.B. Alter, Geschlecht, Arteriopathien, aktive Endocarditits) und der STS-Score (Society of Thoracic Surgeons). Alternativ dazu wurde der AKL-Score entwickelt, mit zusätzlicher Einbeziehung z.B. des BMI. (Möllmann 2013) Der TAVI werden derzeit inoperable, multimorbide HochrisikopatientInnen, also vergleichsweise ältere PatientInnen zugeführt. Das zeigte sich auch in dieser Untersuchung, wo die PatientInnen der Untersuchungsgruppe 1 (TAVI) im Durchschnitt um 10 Jahre älter waren als die PatientInnen der Untersuchungsgruppe 2 (sAVR). Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Zahnanzahl bei der Untersuchungsgruppe 1 (TAVI) um durchschnittlich zwei Zähne geringer war als in der Untersuchungsgruppe 2 (sAVR). Bezüglich des Knochenniveaus hat sich gezeigt, dass die PatientInnen der Untersuchungsgruppe 1 (TAVI) zwar ein höheres Knochenniveau haben, jedoch bei einer geringeren Gesamtanzahl an Zähnen. (Das zeigt auch die DMS IV; wonach ältere PatientInnen heute mehr verbleibende Zähne, aber mit einem schlechteren Zustand des Zahnhalteapparates haben) Dies lässt darauf schließen, dass die PatientInnen der Untersuchungsgruppe 2 (sAVR) unter der höheren Gesamtanzahl mehr parodontal befallene, oder auch nicht erhaltungswürdige Zähne aufweisen. In der Dekade, die den PatientInnen der Untersuchungsgruppe 2 (sAVR) im Durchschnitt auf das Mittlere Alter der PatientInnen der Untersuchungsgruppe 1 (TAVI) fehlen, werden wahrscheinlich diese Zähne mit geringerem Knochenniveau verloren gehen. Vor allem die Zähne der Unterkieferfront sind die am häufigsten erhalten gebliebenen. Grund dafür sind wahrscheinlich unzureichende Hygienemaßnahmen im oft schwer zugänglichen Seitenzahnbereich und nach dem Verlust dieses, eine vermehrte Belastung der Oberkieferfront durch eine nicht mehr oder schlecht prothetisch versorgte Seitenzahnabstützung (wechselseitig geschützte Okklusion). Das stimmt wiederum damit überein, dass bei den PatientInnen der Untersuchungsgruppe 1 (TAVI) innerhalb einer/eines individuellen Patientin/Patienten das Knochenniveau 30 weniger Schwankung aufweist, verglichen mit der Untersuchungsgruppe 2 (sAVR). In beiden Gruppen waren die Zahlen der zahnlosen PatientInnen mit etwa einem Fünftel gleich groß, was bekanntlich dem Durchschnitt in der Bevölkerung in dieser Altersklasse entspricht. Der Risikofaktor Rauchen kommt anamnestisch bei den PatientInnen der Untersuchungsgruppe 2 (sAVR) häufiger vor. Wahrscheinlich gab es unter den PatientInnen der Untersuchungsgruppe 1 (TAVI) früher auch RaucherInnen, welche aufgrund der Multimorbidität dieses aufgegeben mussten, vielleicht sind PatientInnen, die in diese Gruppe gekommen wären, frühzeitig verstorben. Da mit zunehmendem Alter der ideale BMI steigt, befindet sich der mittlere BMI der PatientInnen beider Untersuchungsgruppen im altersgemäßen Normbereich. Die PatientInnen der Untersuchungsgruppe 1 (TAVI) tendieren mit ihrem Durchschnitts-BMI am Unterrand der Norm eher zu einer Untergewichtigkeit, vielleicht auch aufgrund ihres schlechteren Allgemeinzustandes. Beim Vergleich der Zeiten zwischen Röntgenaufnahme und Eingriff zeigt sich, dass im Rahmen der durch ChirurgInnen veranlassten Operationstauglichkeitsprüfung für eine mögliche Sanierung eventuell zu wenig Zeit bleibt im Vergleich zur vom Internisten zeitgerechten zahnmedizinischen Voruntersuchung der TAVI-PatientInnen. Daraus schließend sollte empfohlen werden, dass vor einem Aortenklappenersatz neben einer allgemeinen Tauglichkeitsuntersuchung für den Eingriff auch die gründliche, aber einfach durchzuführende rechtzeitige Erhebung des Parodontalstatus und ggf. zeitgerechte Sanierung von Risikostellen stattfindet. Weitere Studien müssen mit größeren Fallzahlen und prospektiv gemacht werden. Bei der/dem alternden Patientin/Patienten muss an Parodontitis als Risikofaktor für systemische Erkrankungen gedacht werden. Dazu müssen vor allem PatientInnen mit kardiovaskulären Vorerkrankungen sowohl von der/dem Hausärztin/Hausarzt als auch von der/dem Internistin/Internisten rechtzeitig zur/zum Zahnärztin/Zahnarzt überwiesen werden. Es empfiehlt sich auch scheinbar zahnlose PatientInnen zur zahnärztlichen Kontrolle zu überweisen, da diese in einigen Fällen entzündete Wurzelreste haben können. Neben der allgemeinen OP-Tauglichkeit sollte auch der Status der Mundgesundheit von der/dem Chirurgin/Chirurgen und AnästhesistIn nicht unterschätzt werden. Zum 31 Erhalt einer guten Mundgesundheit muss diese durch häusliche Mundhygiene aufrechterhalten werden. Ist die/der PatientIn dazu nicht im Stande, muss dies durch eine Pflegeperson gewährleistet werden, die dahingehend auch einzuweisen ist. In der Gerontostomatologie zeigt sich bei einem möglichen Zahnersatz nach Zahnverlust eine veränderte Mundflora und Milieu in der Mundhöhle. (Arnetzl 2008) Kontrollen und weiterführende professionelle Maßnahmen müssen regelmäßig durch die/den Zahnärztin/Zahnarzt erfolgen. Um der/dem Patientin/Patienten eine optimale Behandlung zukommen zu lassen, empfiehlt sich, dass die beteiligten Fachgebiete für diese Fälle koordinierte Abläufe generieren, die genügend Zeit für eventuell nötige Vorbehandlungen lassen, sowie gemeinsame Fallbesprechungen durchzuführen. Es wird daher empfohlen, PatientInnen mit bekannter Herzerkrankung neben den allgemeinen und internistischen Untersuchungen von einer/einem Hausärztin/Hausarzt bzw. Internistin/Internisten, auch regelmäßig zu Kontrollen durch eineN Zahnärztin/Zahnarzt zu überweisen. Ein auf dem Gebiet der Parodontologie tätigeR Zahnärztin/Zahnarzt soll bei dieser Patientin/diesem Patienten engmaschig den parodontalen Zustand im Verlauf beobachten und ggf. therapieren. Zusätzlich empfiehlt es sich, die interdisziplinäre SOP (Standard Operating Procedure) der Medizinischen Universität Graz zu erweitern. Neben den bereits vorhanden aktuellen Vorschriften für den Ablauf der Versorgung von AortenklappenersatzpatientInnen (SOP Univ. Klinik für Innere Medizin 2014; siehe Anhang) soll unter dem Punkt 6 (Versorgung vor dem Eingriff) „die Vorstellung bei einer/einem Zahnärztin/Zahnarzt“ aufgenommen werden. 32 6 Literaturverzeichnis Aagaard K et al. The placenta harbors a unique microbiome. 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