Parodontale Mundgesundheit bei TAVI- und sAVR

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Diplomarbeit
Parodontale Mundgesundheit
bei TAVI- und sAVR-Patienten
Optimierung interdisziplinärer Zusammenarbeit
eingereicht von
Dr. med. univ. Gernot Ernst Steyer
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor der Zahnheilkunde
(Dr. med. dent.)
an der
Medizinischen Universität Graz
ausgeführt an der
Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
unter der Anleitung von
Sen. Scientist Priv.-Doz. Dr. med. univ. Gernot Wimmer
(Klinische Abteilung für Zahnersatzkunde)
und
Dr. med. univ. Michael Sacherer
(Klinische Abteilung für Kardiologie)
Graz, am 10.11.2014
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne
fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet
habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen
als solche kenntlich gemacht habe.
Graz, am 10.11.2014
Dr. Gernot Ernst Steyer
i
Vorwort
Während meiner Praktika an der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und
Kieferheilkunde und der Klinischen Abteilung für Kardiologie der Universitätsklinik
für Innere Medizin der Medizinischen Universität Graz kam ich mit Patienten in
Kontakt, die an Erkrankungen der Aortenklappe und des Zahnhalteapparates
litten.
Aufgrund von Vorarbeiten und meiner allgemeinmedizinischen und zahnärztlichen
Ausbildung interessierte ich mich für den Zusammenhang dieser Erkrankungen,
die beide in großer Häufigkeit in der Bevölkerung vorliegen.
So schlug ich Herrn Priv.-Doz. Dr. Gernot Wimmer und Dr. Michael Sacherer eine
fächerübergreifende Arbeit zu diesen Themen vor. In der Literatur ist jedes Thema
für sich gut aufgearbeitet, oft beschrieben und seit langem bekannt, verglichen
dazu, jedoch kaum in Zusammenhang gebracht.
In dieser Arbeit wird, wie derzeit von der Medizinischen Universität Graz gefordert,
eine geschlechtergerechte (aber dadurch z.B. auch schwieriger zu lesende)
Schreibweise verwendet, sollte dies fallweise nicht geschehen sein, steht das
generische Maskulinum stellvertretend für die feminine und maskuline Form.
Selbstverständlich sind mit dieser Schreibweise stets auch nicht erwähnte
mögliche weitere Geschlechter gemeint…
ii
Danksagung
Ein zweites Studium geht zu Ende und so bedanke ich mich herzlich bei meinen
Eltern und meiner Familie für die jahrelange große Unterstützung.
Großer
Dank
gilt
auch
allen
meinen
medizinischen
Lehrern,
meinen
Diplomarbeitsbetreuern und Mitarbeitern anderer Institute, die mir bei der
Erstellung dieser Arbeit behilflich waren.
iii
Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit wurde die parodontale Mundgesundheit von
PatientInnen mit Aortenklappenstenose, welche in den Jahren 2011 - 2013 an der
Medizinischen Universität Graz behandelt wurden, retrospektiv untersucht, da
parodontale
Erkrankungen
mit
Herzerkrankungen
assoziiert
werden.
Die
PatientInnen wurden nach ihren unterschiedlichen Behandlungsvarianten der
Aortenklappenstenose, nämlich des offenen chirurgischen Eingriffs (sAVR) und
des minimalinvasiven Eingriffs (TAVI) in zwei Gruppen unterteilt. Von insgesamt
86 Patienten der letzten drei Jahre wurden standardisierte Röntgenbilder (OPG)
ausgewertet, die an der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
gemacht
wurden.
Die
parodontale
Mundgesundheit
wurde
definiert
als
interproximale Knochenhöhe am Zahn (als Maß einer parodontalen Destruktion)
und der Zahnanzahl. Die Messung der Knochenhöhe erfolgte mit dem üblichen
Messwerkzeug „Shei-Ruler“ auf Ausdrucken der digitalen Röntgenbilder. Die
verifizierten Messwerte beider Gruppen wurden miteinander verglichen.
Inoperable- und Hochrisikopatienten werden dem Eingriff mittels TAVI zugeführt.
Diese sind im Vergleich zu den sAVR-Patienten wesentlich älter und zeigen auch
eine geringere Anzahl der Restzähne, jedoch weisen diese noch verbliebenen
Zähne ein höheres Knochenniveau auf. Auch gibt es innerhalb der PatientInnen
weniger Schwankung des Knochenniveaus in der TAVI-Gruppe als in der sAVRGruppe. In beiden Gruppen sind die Frontzähne häufiger vorhanden als die Zähne
des
Seitenzahnbereiches,
am
häufigsten
erhalten
sind
die
Zähne
der
Unterkieferfront. Ebenfalls gleich in beiden Gruppen ist, dass rund einer von fünf
Patienten zahnlos ist. Während der Risikofaktor BMI in beiden Gruppen jeweils
ähnlich
verteilt
ist,
kommt
der
zweite
erhobene
Risikofaktor
Rauchen
ausschließlich in der Gruppe der sAVR-PatientInnen vor. Die Zeit zwischen dem
jeweiligen Eingriff und der Röntgenaufnahme variiert in beiden Gruppen sehr
stark. Im Vergleich ist jedoch die Zeitspanne der TAVI-Gruppe im Mittel deutlich
höher. Von etwa ¾ der sAVR-PatientInnen wurde das Röntgenbild erst innerhalb
eines Monats vor dem Eingriff gemacht.
Um PatientInnen eine optimale und umfassende Behandlung zukommen zu
lassen, sollte zeitlich ausreichend vor den Eingriffen (bei beiden Therapieoptionen)
eine standardisierte Erhebung und Sanierung der oralen Gesundheit als
interdisziplinäre Maßnahme vor dem Eingriff erfolgen. Weitere Studien mit
größeren PatientInnenzahlen und klinischen Diagnostiken sind nötig, um etwaige
Dissoziationen weiter zu untersuchen.
iv
Abstract
In this study we retrospectively investigated the oral health in Patients with aortic
stenosis given therapy at the Medical University of Graz in years 2011 to 2013,
because of an association between periodontal and cardiac diseases. The
subjects were categorized into two groups defined by the way of therapy namely
surgical aortic valve replacement and minimal invasive intervention (trans-catheter
aortic valve implantation). Among these patients in total 86 standardized
radiographs of the last three years were taken and assessed at the Department of
Dentistry and Maxillofacial Surgery. Oral health was defined as interproximal bone
level at the tooth (as a measurement of periodontal destruction) and number of
teeth. The measurement of the bone level happened with the common tool Sheiruler on paper-print. The verified measured values of both groups were compared.
Treated with TAVI inoperable and high-risk patients are older and present less
teeth compared to sAVR-patients, nevertheless TAVI-patients have a higher bone
level and less variation of the bone level. Anterior teeth are more often seen than
molars in both groups. Most often the Mandible anterior teeth are remained.
Likewise one out of five patients is edentulous. The risk-factor BMI is distributed
equally to both groups while the risk-factor smoking occurs in sAVR-patients only.
Time between intervention and radiograph varies intensive in both groups, on
average this duration lasts clearly longer in TAVI-patients. In ¾ of sAVR-patients
radiographs were taken within the last month before intervention.
To grant patients optimally and wide treatment a chronological sufficient survey
and restoration of oral health is needed as an interdisciplinary scheme already well
before intervention. Further studies will be needed with larger number of patients
and clinical diagnostics to investigate potential dissociation.
v
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ................................................................................................................................. ii
Danksagung ........................................................................................................................ iii
Zusammenfassung ............................................................................................................ iv
Abstract ................................................................................................................................ v
Inhaltsverzeichnis .............................................................................................................. vi
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ........................................................................... viii
Abkürzungen....................................................................................................................... ix
1
Einleitung .................................................................................................................... 1
1.1 Mundgesundheit ............................................................................................ 2
1.2 Aufbau des Zahnhalteapparates .................................................................... 2
1.3 Parodontitis .................................................................................................... 3
1.4 Aortenklappenstenose ................................................................................... 4
1.5 sAVR – surgical Aortic Valve Replacement ................................................... 4
1.6 TAVI – Trans-catheter Aortic Valve Implantation ........................................... 5
1.7 Orthopantomogramm – OPG ......................................................................... 5
2
Ziel der Arbeit ............................................................................................................. 6
3
Material und Methoden ............................................................................................. 7
3.1 Zeitraum ......................................................................................................... 7
3.2 Auswahl der ProbandInnen für die zwei Untersuchungsgruppen................... 7
3.3 Statistik .......................................................................................................... 8
3.4 Datenschutz ................................................................................................... 8
3.5 Ethikkommission ............................................................................................ 8
3.6 Röntgenaufnahmetechnik .............................................................................. 8
3.7 Vermessungsmethode ................................................................................... 8
3.7.1 Shei Ruler ...................................................................................................... 9
3.8 Verifikation der Messungen.......................................................................... 11
3.8.1 Messmethode .............................................................................................. 11
3.8.2 Messwerte.................................................................................................... 11
4
Ergebnisse ................................................................................................................ 13
4.1 Untersuchungsgruppen ................................................................................ 13
4.1.1 Untersuchungsgruppe 1 (TAVI) ................................................................... 13
4.1.2 Untersuchungsgruppe 2 (sAVR) .................................................................. 13
vi
4.1.3 Vergleich der Untersuchungsgruppen.......................................................... 14
4.2 PatientInnenalter beim Eingriff ..................................................................... 15
4.2.1 PatientInnenalter bei TAVI ........................................................................... 15
4.2.2 PatientInnenalter bei sAVR .......................................................................... 15
4.2.3 Vergleich PatientInnenalter .......................................................................... 15
4.3 Zeit zwischen Röntgenaufnahme und Eingriff .............................................. 16
4.3.1 Gruppe 1 (OPG – TAVI) ............................................................................... 16
4.3.2 Gruppe 2 (OPG- sAVR) ............................................................................... 16
4.3.3 Vergleich der Zeit zwischen Röntgenaufnahme und Eingriff ........................ 17
4.4 Risikofaktoren (Rauchen und BMI) der PatientInnen ................................... 18
4.4.1 RF Gruppe 1 (TAVI) ..................................................................................... 18
4.4.2 RF Gruppe 2 (sAVR).................................................................................... 18
4.4.3 Vergleich der Risikofaktoren ........................................................................ 19
4.5 Zahnanzahl pro PatientIn ............................................................................. 20
4.5.1 Zahnanzahl Gruppe 1 (TAVI) ....................................................................... 20
4.5.2 Zahnanzahl Gruppe 2 (sAVR) ...................................................................... 20
4.5.3 Vergleich Zahnanzahl .................................................................................. 20
4.6 Zahnhäufigkeit ............................................................................................. 22
4.6.1 Zahnhäufigkeit Gruppe 1 (TAVI) .................................................................. 22
4.6.2 Zahnhäufigkeit Gruppe 2 (sAVR) ................................................................. 23
4.6.3 Vergleich Zahnhäufigkeit ............................................................................. 24
4.7 Knochenniveau ............................................................................................ 25
4.7.1 Knochenniveau Gruppe 1 (TAVI) ................................................................. 26
4.7.2 Knochenniveau Gruppe 2 (sAVR) ................................................................ 26
4.7.3 Vergleich Knochenniveau ............................................................................ 27
5
Diskussion ................................................................................................................ 28
6
Literaturverzeichnis ................................................................................................. 33
Anhang ............................................................................................................................... 38
vii
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1: Schematische Darstellung des Zahnes mit Zahnhalteapparat .......... 3
Abbildung 2: Lineal nach Shei zur Messung des Knochenverlustes in Prozent. .... 9
Abbildung 3: Vergrößerte Darstellung des Shei-Rulers .......................................... 9
Abbildung 4: Darstellung der Anwendung des Shei-Rulers .................................. 10
Abbildung 5: PatientInnenenalter der Untersuchungsgruppen ............................. 15
Abbildung 6: Zeitraum zwischen Röntgenaufnahme und Eingriff ......................... 17
Abbildung 7: Risikofaktor BMI bei den Untersuchungsgruppen............................ 19
Abbildung 8: Zahnanzahl der Untersuchungsgruppen ......................................... 20
Abbildung 9: Zahnhäufigkeit pro Zahnposition der Untersuchungsgruppe 1 ........ 22
Abbildung 10: Zahnhäufigkeit pro Zahnposition der Untersuchungsgruppe 2 ...... 23
Abbildung 11: Zahnhäufigkeit der Sextanten 1-6 der Untersuchungsgruppe 1 .... 24
Abbildung 12: Zahnhäufigkeit der Sextanten 1-6 der Untersuchungsgruppe 2 .... 25
Abbildung 13: Knochenniveau der jeweiligen Zahnposition der Gruppe 1 ........... 26
Abbildung 14: Knochenniveau der jeweiligen Zahnposition der Gruppe 2 ........... 27
Tabelle 1: PatientInnenenanzahl Gruppe 1………………………………………..…11
Tabelle 2: Geschlechtsverteilung Gruppe 1………………………………………….11
Tabelle 3: PatientInnenenanzahl Gruppe 2…………………………………………..12
Tabelle 4: Geschlechtsverteilung Gruppe 2………………………………………….12
viii
Abkürzungen
AKE
Aortenklappenersatz
AS
Aortenstenose
BMI
Body Mass Index
CT
Computertomographie
DMS
Deutsche Mundgesundheitsstudie
DVT
Digitale Volumentomographie
EKG
Elektrokardiogramm
ICD
International Classification of Diseases
KB
Kleinbild
OPG
Orthopantomogramm
PSA
Panoramaschichtaufnahme
sAVR
surgical Aortic Valve Replacement
SOP
Standard Operating Procedure
TAVI
Trans-catheter Aortic Valve Implantation
WHO
World Health Organisation
ix
1 Einleitung
Lange vermutete man, dass eine Aortenstenose nur durch einen passiven
Verschleiß der Klappe entsteht, doch zeigt die neueste Literatur, dass dafür aktive
Prozesse, ähnlich der Atherosklerose, mit Beteiligung verschiedener Mediatoren
verantwortlich sind. (Thaden 2014; Mookadam 2010)
Kardiovaskuläre Erkrankungen entwickeln sich durch Entzündungsprozesse.
Entzündungsauslösend können dabei unter anderem orale Mikroorganismen
(Ibana 2010; Nakano 2009) sowie eine Kombination aus Endothelverletzungen
und Lipidablagerungen in der Aortenklappe sein. (Dweck 2012) Auch die
Parodontitis selbst ist ein durch Bakterien ausgelöstes Entzündungsgeschehen,
wodurch in weiterer Folge durch Restriktion des Zahnhalteapparates Zähne
verloren gehen können. Außerdem stellt die Parodontitis eine metastasierende
systemische
Erkrankungen
Entzündung
begünstigt.
dar,
die
(Cafiero
ein
Auftreten
2013)
Ein
von
Kardiovaskulären
bestehendes
Zeichen
für
Parodontitis ist der im Röntgenbild sichtbare Knochenschwund. (Pasler, Visser
2003)
Eine bakteriell bedingte Entzündung kann durch Antibiotika behandelt werden,
welche
aber
zusätzlich
eine
Verringerung
der
Diversität
im
gesamten
Gastrointestinaltrakt bewirken, (Steyer 2012, Steyer 2014) häufig ist dabei auch
das Immunsystem beteiligt. (Steyer 2012)
Seit einigen Jahren gibt es neben der chirurgischen Therapie der Aortenstenose
auch eine Minimalinvasive mittels Katheter. (Iribane 2011; Korach 2010) Daher
wurde
anhand
von
Orthopantomogrammen
von
PatientInnen
beider
Therapievarianten das Knochenniveau des Zahnhalteapparates, sowie die
Zahnanzahl erhoben. Beides lässt, neben den aus den Krankenakten erhobenen
Risikofaktoren (Rauchen und BMI), auf eine mögliche Parodontitis schließen.
(Wolf, Rateitschak 2012) In weiterer Folge zählt eine Parodontitis zu den
Risikofaktoren einer Aortenklappenstenose. In der Literatur wurden keine
Vergleiche
im
Hinblick
auf
die
Mundgesundheit
zwischen
den
Aortenklappenersatzmethoden TAVI und sAVR gefunden.
1
1.1 Mundgesundheit
Die
Mundgesundheit
ist
ein
wesentlicher
Bestandteil
des
guten
Allgemeinzustandes und der Lebensqualität. Die WHO beschreibt den Zustand
als: „Being free from mouth and facial pain, oral and throat cancer, oral infection
and sores, periodontal (gum) disease, tooth decay, tooth loss, and other diseases
and disorders that limit an individual’s capacity in biting, chewing, smiling,
speaking, and psychosocial wellbeing.” (WHO 2012)
1.2 Aufbau des Zahnhalteapparates
Das Saumepithel umschließt ringförmig den Zahnhals in einer Höhe von etwa zwei
Millimeter beim Gesunden, von der Schmelz-Zement-Grenze bis zum Boden des
gingivalen
Sulkus.
(Schröder
2000)
Darunter
vermitteln
bindegewebige
Befestigungsstrukturen (gingivale und parodontale Faserbündel, das Desmodont)
den Zusammenhalt zwischen den Zähnen (Zement) und der Alveole, den Zähnen
und der Gingiva sowie zwischen den Zähnen untereinander. (Wolf, Rateitschak
2012) Das Wurzelzement verankert die desmodontalen Kollagenfaserbündel mit
der Wurzeloberfläche und dient sowohl der Befestigung des Zahnes in der
knöchernen Alveole, als auch adaptiven und reparativen Prozessen. (Schröder
2000) Die Alveolarfortsätze des Ober- und Unterkiefers sind zahnabhängige
Strukturen. Sie entwickeln sich mit der Bildung und während des Durchbruchs der
Zähne und atrophieren nach Verlust derselben. Man unterscheidet den
eigentlichen Alveolarknochen von der Spongiosa und der äußeren Kompakta.
(Wolf, Rateitschak 2012) Die parodontalen Gewebe sind sehr stark wegen des
hohen Stoffwechsels und der mechanisch-funktionellen Aufgaben durchblutet.
(Wolf, Rateitschak 2012)
2
Schmelz
Denitn
Zement
Pulpa
Saumepithel
Desmodont
Alveolarknochen
Spongiosa
Kompakta
Abbildung 1: Schematische Darstellung des Zahnes mit Zahnhalteapparat
(nach Rateitschak)
1.3 Parodontitis
Wird der Zahnhalteapparat dauerhaft geschädigt spricht man von Parodontitis.
Dabei handelt es sich um eine bakteriell bedingte Erkrankung, die zunächst als
Zahnfleischentzündung beginnt. Liegt zumindest ein Zusatzfaktor wie z.B. Zeit,
Rauchen, oder Stress etc. vor, kann sich diese in tiefere Anteile des Parodonts
ausbreiten. (Wolf, Rateitschak 2012) Die Parodontitis ist eine metastasierende
systemische
Entzündung,
die
ein
Auftreten
von
z.B.
kardiovaskulären
Erkrankungen begünstigt. (Cafiero 2013)
Prophylaxe statt Therapie
Neben einer stufenweisen Therapie, die sich in drei Phasen der häuslichen und
professionellen supra- und subgingivalen, nicht-chirurgischen (Phase I) bzw.
chirurgischen Behandlung (Phase II) sowie Nachsorge (Phase III) unterteilt (Wolf,
Rateitschak 2012), liegt schon seit sehr langem das Augenmerk auf der
Verhinderung der Erkrankung durch Prophylaxe: „Die Heßlichkeit, welche der
Weinstein an denselben verursachet, geben einem jeden, der ihn wahrnimmt,
einen wiederlichen Anblick. Im übrigen aber machet auch der Weinstein den Mund
3
übelriechend, er zerfrißt das Zahnfleisch, folglich entblösset er die Wurzeln der
Zähne, machet sie los, und richtet sie oft zu Grunde. Man kann daher nicht
genugsam Vorsichtigkeit gebrauchen seine Zähne sauber zu halten, damit man
dadurch verhüte, daß der Weinstein nicht auf der Oberfläche derselben formiret
und zusammenhäufet werde. Vor allen Dingen aber muß man nicht unterlassen
sich den Weinstein wegnehmen zu lassen.“ (Fauchard 1733)
1.4 Aortenklappenstenose
Die Aortenklappe ist als Taschenklappe eine der vier Herzklappen und verhindert
den Rückstrom des Blutes in die linke Herzkammer während der Diastole.
(Waldeyer 2012; Hafferl 1969)
Eine mögliche Insuffizienz der Aortenklappe tritt als Aortenstenose (AS) (I35.0
Aortenstenose) auf. (ICD-10 Version 2013; Böcker/Denk/Heitz 2004)
Die Aortenstenose zählt bei älteren und alten PatientInnen zu den häufigsten
Herzvitien. (Nkomo 2006; Iung 2003; Otto 1999; Herold 2014)
Die Ätiologie der AS ist multifaktoriell bedingt und ein dynamischer Vorgang aus
Fettansammlung, Kalzifikation und Entzündungen (Otto 2014), bedingt u.a. durch
Bakterien, (Luk 2014) oder Pilze (Steyer/Wallner 2013)
Neben einem erhöhten Alter begünstigen Risikofaktoren wie, Hyperlipidämie oder
Rauchen zusätzlich eine Aortenklappenstenose. (Stewart 1997)
Die Diagnose wird von den behandelnden ÄrztInnen über die Anamnese und
invasive sowie nicht-invasive klinische Untersuchungen (z.B. Auskultaion,
Thoraxröntgen, EKG, Echocardiographie, Belastungstest, CT, LH/RH-Katheter,
Coronarangiographie) gestellt. (Czarny 2014; ESC 2012)
Die Therapie der Aortenklappenstenose erfolgt neben einer medikamentösen
Behandlung chirurgisch im Sinne eines Aortenklappenersatzes mit Eröffnung des
Brustkorbes (sAVR - surgicalAorticValveReplacement) oder minimalinvasiv als
„Trans-catheterAorticValve Implantation“ (TAVI). (ESC 2012; Widder 2014)
1.5 sAVR – surgical Aortic Valve Replacement
Der erste Aortenklappenersatz gelang 1960. (Harken 1962) Er stellt die Methode
der Wahl bei AS dar. Bei dieser Methode erfolgt der Zugang über den geöffneten
Brustkorb, wobei die Patientin/der Patient an die Herz-Lungen-Maschine
4
angeschlossen ist. (Ziemer 2010) Der chirurgische Eingriff gilt derzeit als
Goldstandard und zeigt eine im Vergleich zu TAVI geringere 30-Tage-Mortalität
sowie weniger postoperativen Blutrückfluss. (D'Onofrio 2013)
1.6 TAVI – Trans-catheter Aortic Valve Implantation
Erstmals 2002 beim Menschen beschrieben (Cribier 2002), ist TAVI eine sichere
Alternative für den Aortenklappenersatz bei alten, inoperablen oder high risk
PatientInnen, (Sehatzadeh 2013) deren Lebenserwartung höher als ein Jahr ist
und deren Lebensqualität durch diesen Eingriff verbessert werden kann. (Nashef
1999) Da mit beiden Methoden ähnliche Ergebnisse erzielt werden (Nagaraja
2014; Panchal 2013) wird wohl zukünftig die Zahl der TAVI-Eingriffe im Verhältnis
zum traditionellen chirurgischen Aortenklappenersatz stark zunehmen. (Rozen
2014; D’Onofrio 2013; Hui-Xiong 2011) Der Vorteil einer TAVI verglichen mit sAVR
liegt auch in einer kürzeren Operationszeit, weniger Schmerzen für die
PatientInnen und einem kürzeren Krankenhausaufenthalt. (Thoenes 2013)
1.7 Orthopantomogramm – OPG
Das Orthopantomgramm stellt als Panoramaschichtaufnahme (PSA) den heutigen
Standard in der zahnärztlichen Diagnostik dar. Bei dieser Technik wird der
fortgeschrittene Knochenabbau übersichtlich dargestellt. (Pasler 2003) Eine
dreidimensionale Computertomographie stellt die Strukturen im Gegensatz zum
OPG unverzerrt und überlagerungsfei dar, (Hosten 2006) im Vergleich zum
konventionellen
Röntgen
kommt
es
dabei
jedoch
zu
einer
höheren
Strahlenexposition. (Freyschmidt 2002)
5
2 Ziel der Arbeit
Das Ziel dieser Arbeit ist, den parodontalen Zustand (definiert als interproximale
Knochenhöhe am Zahn als Maß der Entzündung bei einer Aortenstenose) und die
Zahnanzahl
von
TAVI-
und
sAVR-PatientInnen
anhand
vorhandener
Röntgenbilder an der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der
Medizinischen Universität Graz zu erheben und diese Unterschiede zu
interpretieren.
Darüber hinaus soll ein Vorgangsschema (SOP) die künftige interdisziplinäre
Zusammenarbeit für alle auf diesem Gebiet Involvierten (Hausärztin/Hausarzt,
Zahnärztin/Zahnarzt, InternistIn und ChirurgIn) optimiert werden.
6
3 Material und Methoden
Für
diese
Untersuchung
wurden
Daten
(Geburtsdatum,
Eingriffsdatum,
Geschlecht, BMI und Raucheranamnese) aller verfügbaren TAVI-PatientInnen der
Klinischen Abteilung für Kardiologie der Klinik für Interne Medizin der
Medizinischen Universität Graz des angegebenen Zeitraumes erhoben. Aus
demselben Zeitraum wurden alle PatientInnen mit der ICD Diagnose I35.0
(Aortenklappenersatz - AKE) der Abteilung für Kardiologie gesucht.
3.1 Zeitraum
Der Zeitraum für diese Untersuchung wurde auf die gesamten letzten drei Jahre
festgelegt, d.h. vom 01.01.2011 bis einschließlich 31.12.2013.
3.2 Auswahl der ProbandInnen für die zwei
Untersuchungsgruppen
Gruppe 1
In Gruppe 1 befinden sich die TAVI-PatientInnen. Mit Hilfe der Röntgen-Software
Sidexis XG 2.56 2012 Sirona Dental Systems wurden alle Röntgenbilder gesucht,
die von den oben genannten TAVI-PatientInnen an der Universitätsklinik für Zahn-,
Mund- und Kieferheilkunde gemacht wurden.
Gruppe 2
In Gruppe 2 befinden sich die sAVR-PatientInnen. Aus allen PatientInnen mit der
ICD Diagnose I35.0 wurden jene herausgefiltert, die bereits in der TAVI-Gruppe
waren und jene, die mit dieser ICD Diagnose stationär waren, aber keinen Eingriff
erhielten. Von den verbleibenden wurden mit Hilfe der Röntgensoftware Sidexis
XG 2.56 2012 Sirona Dental Systems alle Röntgenbilder gesucht die an der
Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde gemacht wurden.
7
3.3 Statistik
Die so gewonnenen Daten wurden in das Tabellenkalkulationsprogramm Microsoft
Excel 2010 übertragen und geordnet. Die statistische Auswertung sowie die
grafische Darstellung erfolgten mit der Statistik- und Analysesoftware IBM SPSS
Statistics, Version 22. Die Daten wurden deskriptiv ausgewertet.
3.4 Datenschutz
Alle
PatientInnen
wurden
mit
einer
fortlaufenden
Nummer
codiert
(pseudonymisiert). Die auszuwertenden Daten wurden nur mit diesem Code
versehen in einer Excel-Tabelle auf einem PC gespeichert und anschließend
ausgewertet.
3.5 Ethikkommission
Der Antrag zur Durchführung dieser Studie wurde im Februar 2014 bei der
Ethikkommission der Medizinischen Universität Graz gestellt. Ein positives Votum
durch die Ethikkommission für die Durchführung der Studie in dieser Form wurde
im Juni 2014 gegeben.
3.6 Röntgenaufnahmetechnik
Die Röntgenaufnahmen wurden nach der Standardmethode der Universitätsklinik
für Zahn-, Mund-, und Kieferheilkunde an der Medizinischen Universität Graz
durch geschulte RadiologietechnologInnen mittels Panoramaröntgenapparat
Orthophos XG Plus Sirona durchgeführt und im Programm Sidexis XG 2.56 2012
Sirona Dental Systems gespeichert.
3.7 Vermessungsmethode
Zur Vermessung des Knochenniveaus wurde die Methode nach Shei angewendet.
Die Orthopantomogramme wurden größtmöglich auf Papier ausgedruckt und das
Knochenniveau für jeden Zahn mittels „Shei Ruler“ gemessen. Nicht berücksichtigt
wurden Implantate und Wurzelreste, sowie total-retinierte Zähne.
8
3.7.1 Shei Ruler
Abbildung 2: Lineal nach Shei zur Messung des Knochenverlustes in Prozent auf
Röntgenbildern.
Beim Messwerkzeug nach Shei, genannt Shei-Ruler, handelt es sich um eine
Messskala auf transluzentem Kunststoff. Zehn radiär verlaufende Linien, jeweils
durch exakt denselben Abstand voneinander getrennt, werden durch eine weitere
Linie 1mm oberhalb ergänzt. Diese beschreibt die normale Distanz des
Alveolarknochens zur Schmelz-Zementgrenze des Zahnes.
Zur Messung wird das Lineal so auf den zu vermessenden Zahn gelegt, dass von
den zehn radiär verlaufenden Linien die unterste am Apex zu liegen kommt, die
zusätzliche oberste Linie an der Schmelz-Zement-Grenze. Danach wird am
Knochen, der beidseits des Zahnes ist, die tiefste Stelle gesucht und die Höhe am
Lineal abgelesen. (Shei 1959)
Knochenniveau
Aufgrund oben genannter Beschreibung ergibt sich eine Maßeinheit in Prozent.
Abbildung 3: Vergrößerte Darstellung des Shei-Rulers mit Beschriftung der Messlinien
9
Abbildung 4: Darstellung der Anwendung des Shei-Rulers am Ausdruck des digitalen
Orthopanthomogrames. Gemessen in dieser Abbildung wird das Knochenniveau an Zahn 33
mit 80%.
10
3.8 Verifikation der Messungen
3.8.1 Messmethode
Um die Genauigkeit der Messmethode mittels Shei Ruler zu überprüfen, wurden
folgende weiterführende Messungen angewendet:
3.8.1.1 Messvergleich verschiedener bildgebender Verfahren (2D, 3D)
Bei PatientInnen, bei denen unterschiedliche Bildgebungsverfahren angewendet
wurden
(OPG,
KB,
DVT),
wurde
bei
denselben
Zähnen
jeweils
das
Knochenniveau vermessen und anschließend verglichen. Dazu wurde das OPG
und das KB größtmöglich auf Papier ausgedruckt und nach oben genannter
Methode mittels Shei-Ruler das Knochenniveau gemessen. Bei der DVT wurde
mittels Messfunktion der Röntgen-Software Sidexis XG 2.56 2012 Sirona Dental
Systems das Knochenniveau im Computer vermessen.
3.8.1.2 Messvergleich verschiedener Messprinzipien
Bei den zweidimensionalen Bildern (OPG, KB) wurde jeweils das Knochenniveau
der einzelnen Zähne mit Hilfe der Messfunktion der Röntgen-Software Sidexis XG
2.56 2012 Sirona Dental Systems im Computer und mittels Shei-Ruler auf dem
Papierausdruck vermessen und verglichen.
3.8.2 Messwerte
Um die Qualität der Messwerte zu gewährleisten wurden dieselben Röntgenbilder
mit
derselben
Messmethode
vom
Diplomarbeitsverfasser
mehrfach,
zu
verschiedenen Zeitpunkten und von einem im Bereich der Parodontologie tätigen
Zahnarzt der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der
Medizinischen Universität Graz vermessen und verglichen.
Statistisch wünschenswert ist die mehrfache Vermessung aller Messwerte durch
verschiedene Personen. Für diese Diplomarbeit wurden alle Vermessungen vom
11
Diplomarbeitsverfasser mehrfach und zu verschiedenen Zeitpunkten durchgeführt,
die Verifikation der Messwerte durch eine weitere Person fand ressourcenbedingt
(Anzahl der vielen Messungen) nur stichprobenartig statt.
12
4 Ergebnisse
4.1 Untersuchungsgruppen
4.1.1 Untersuchungsgruppe 1 (TAVI)
Die zu untersuchenden Gruppen stellen sich, nach den Beschreibungen im Teil
„Material und Methoden“ folgend dar:
Die Durchsicht aller Daten ergab, dass in den Jahren 2009 – 2013 insgesamt 188
TAVI durchgeführt wurden. Im Jahr 2009 wurde 1 TAVI, 2010 keine TAVI, 2011 58
TAVI, 2012 65 TAVI und 2013 64 TAVI durchgeführt. Von diesen PatientInnen
standen für eine Vermessung insgesamt 21 OPG zur Verfügung. Aus dem Jahre
2009 1 OPG, 2010 kein OPG, 2011 2 OPG, 2012 6 OPG, 2013 12 OPG.
Daher besteht die erste Gruppe (TAVI) aus insgesamt 20 PatientInnen, 9
männliche und 11 weibliche.
Jahr
Untersuchungszeitraum
2009
2010
2011
2012
2013
2011
2012
2013
TAVI-Liste
OPG
1
0
58
65
64
188
1
0
2
6
12
21
2011-2013:
20
Tabelle 1: PatientInnenanzahl Gruppe 1
Geschlecht
%
m
9
45%
w
11
55%
gesamt
20
100%
Tabelle 2: Geschlechtsverteilung Gruppe 1
4.1.2 Untersuchungsgruppe 2 (sAVR)
Im selben Zeitraum gab es 848 PatientInnen mit der Diagnose I35.0. 2011 261
AKE, 2012 289 AKE und 2013 298 AKE. Davon standen für eine Vermessung 146
13
OPG zur Verfügung. Aus dem Jahre 2011 45 OPG, 2012 42 OPG und 2013 59
OPG. Von diesen 146 PatientInnen erhielten jedoch nicht alle einen AKE
(Aortenklappenersatz), bzw. sind bereits in der ersten Gruppe enthalten. Daher
besteht die zweite Gruppe (sAVR) aus 66 PatientInnen, 25 aus dem Jahre 2011,
23 aus 2012 und 18 aus 2013, 43 männliche und 23 weibliche.
Untersuchungszeitraum
Diagnose ICD35.0
OPG
sAVR
2011
2012
2013
261
289
298
848
45
42
59
146
25
23
18
66
2011-2013:
66
Tabelle 3: PatientInnenanzahl Gruppe 2
Geschlecht
%
m
43
65%
w
23
35%
gesamt
66
100%
Tabelle 4: Geschlechtsverteilung Gruppe 2
4.1.3 Vergleich der Untersuchungsgruppen
Gruppe 1 (TAVI) besteht aus 20 PatientInnen und entspricht damit etwa einem
Drittel (30,3%) der Gruppe 2 (sAVR) mit 66 PatientInnen.
In Gruppe 1 (TAVI) ist das Geschlechterverhältnis mit 45% männlichen zu 55%
weiblichen PatientInnen nahezu ausgeglichen. In Gruppe 2 (sAVR) überwiegt das
männliche Geschlecht mit etwa 2/3 (65%) zu etwa 1/3 (35%) weiblicher
PatientInnen.
14
4.2 PatientInnenalter beim Eingriff
4.2.1 PatientInnenalter bei TAVI
Zum Zeitpunkt des Eingriffes (TAVI) betrug das Alter der PatientInnen im Mittel
82,63 Jahre, der Median liegt bei 83,42 Jahren. Die/der jüngste PatientIn war zum
Zeitpunkt des Eingriffes 68,59, die/der älteste 90,49 Jahre alt.
4.2.2 PatientInnenalter bei sAVR
Zum Zeitpunkt des Eingriffes (sAVR) betrug das Alter der PatientInnen im Mittel
71,56 Jahre, der Median liegt bei 71,79 Jahren. Die/der jüngste PatientIn war zum
Zeitpunkt des Eingriffes 36,34, die/der älteste 86,59 Jahre alt.
Alter [Jahre]
4.2.3 Vergleich PatientInnenalter
Abbildung 5: PatientInnenalter der Untersuchungsgruppen 1 (TAVI) und 2 (sAVR)
Zum Zeitpunkt des Eingriffes war das mittlere Alter der Gruppe 1 (TAVI) mit 82,63
Jahren um 10,42 Jahre höher als das mittlere Alter der Gruppe 2 (sAVR) mit 71,56
Jahren.
15
Der Median liegt bei Gruppe 1 (TAVI) mit 83,42 Jahren ebenfalls um etwa eine
Dekade (9,14 Jahre) höher als bei Gruppe 2 (sAVR) mit 74,28 Jahren.
Das Mindestalter in Gruppe 1 (TAVI) liegt bei 68,59 Jahren, somit ist die/der
jüngste TAVI-PatientIn fast doppelt so alt (188%) wie die/der jüngste sAVRPatientIn mit 36,34 Jahren.
Das Höchstalter in Gruppe 1 (TAVI) liegt bei 90,49 Jahren und liegt mit 3,9 Jahren
knapp über dem Höchstalter der Gruppe 2 (sAVR) mit 86,59 Jahren.
4.3 Zeit zwischen Röntgenaufnahme und Eingriff
Berechnet wurde die Zeit zwischen der Röntgenaufnahme und dem Eingriff.
Waren bei einer/einem Patientin/Patienten mehrere Röntgenbilder vorhanden,
wurde jeweils das dem Eingriff zeitlich am nächsten gelegene gewählt.
4.3.1 Gruppe 1 (OPG – TAVI)
Die Zeit zwischen Röntgenaufnahme und Eingriff (TAVI) beträgt im Mittel 644
Tage, der Median liegt bei 92 Tagen. In Gruppe 1 wurden zwei Röntgenbilder an
der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde erst 121 bzw. 114
Tage nach dem Eingriff (TAVI) gemacht. Das älteste Röntgenbild ist 3141 Tage
vor dem Eingriff gemacht worden.
4.3.2 Gruppe 2 (OPG- sAVR)
Die Zeit zwischen Röntgenaufnahme und Eingriff (sAVR) beträgt im Mittel 129
Tage, der Median liegt bei 15 Tagen. In Gruppe 2 wurden ebenfalls Röntgenbilder
erst nach dem Eingriff (sAVR) gemacht, 665 bzw. 42 Tage. Das älteste
Röntgenbild ist 3432 Tage vor dem Eingriff gemacht worden.
16
Zeitraum [Tage]
4.3.3 Vergleich der Zeit zwischen Röntgenaufnahme und Eingriff
Zeitraum [Tage]
Abbildung 6: Zeitraum [Tage] zwischen Röntgenaufnahme und Eingriff der
Untersuchungsgruppen 1 (TAVI) und 2 (sAVR)
Abbildung 7: Zeitraum [Tage] zwischen Röngenaufnahme und Eingriff der Untersuchungsgruppen 1
(TAVI) und 2 (sAVR).
17
Die Zeitspanne zwischen der Röntgenaufnahme und dem Eingriff beträgt in
Gruppe 1 (TAVI) im Mittel 644 Tage (etwa 1 ¾ Jahre) und ist somit um 515 Tage
(etwa 1 ½ Jahre) höher als in Gruppe 2 (sAVR) mit 129 Tagen (etwa 1/3 Jahr).
Der Median der Gruppe 1 (TAVI) ist mit 92 Tagen etwa sechs Mal so hoch wie in
Gruppe 2 (sAVR) mit 15 Tagen.
Das älteste Röntgenbild der Gruppe 1 (TAVI) ist mit 3141 Tagen (etwa 8 ½ Jahre)
vor dem Eingriff um 291 Tage (etwa ¾ Jahr) jünger, als das älteste Röntgenbild
der Gruppe 2 (sAVR) mit 3432 Tagen (etwa 9 ½ Jahre).
In Gruppe 1 wurden bei nur zwei PatientInnen die Röntgenbilder innerhalb eines
Monats (7 bzw. 18 Tage) vor Eingriff (TAVI) gemacht.
In Gruppe 2 wurden hingegen bei ¾ der PatientInnen (50 PatientInnen) die
Röntgenbilder innerhalb eines Monats vor Eingriff (sAVR) und bei 1/5 der
PatientInnen (14 PatientInnen) sogar erst innerhalb einer Woche vor Eingriff
gemacht.
4.4 Risikofaktoren (Rauchen und BMI) der PatientInnen
Die Risikofaktoren Rauchen und Body-Mass-Index wurden aus den Krankenakten
erhoben. Eine Dokumentation war bei allen PatientInnen vorhanden, jedoch nur
anamnestisch erhoben und leider nicht einheitlich. So ergibt sich beim Risikofaktor
Rauchen eine Diskrepanz zwischen „gelegentlich“ und einer „Angabe in
Packyears“.
4.4.1 RF Gruppe 1 (TAVI)
Laut Krankengeschichten findet sich keinE RaucherIn in der Gruppe 1.
Der mittlere BMI liegt bei 24,55, der Median bei 24,24. Der geringste BMI beträgt
17,26, der höchste 40,86.
4.4.2 RF Gruppe 2 (sAVR)
In Gruppe 2 finden sich laut Krankengeschichten 7 RaucherInnen.
Der mittlere BMI liegt bei 26,56, der Median bei 26,33. Der geringste BMI beträgt
17,05, der höchste 36,29
18
4.4.3 Vergleich der Risikofaktoren
Der Risikofaktor Rauchen kommt in Gruppe 1 (TAVI) gar nicht vor, in Gruppe 2
(sAVR) raucht mit 7 PatientInnen etwa jedeR Zehnte.
Beim Risikofaktor Body Mass Index zeigt sich zwischen den beiden Gruppen ein
nur geringer Unterschied:
In Gruppe 1 (TAVI) beträgt der mittlere mit BMI 24,55 um 2,01 weniger als bei
Gruppe 2 (sAVR) mit 26,56. Fast gleich ist auch der Unterschied des Median mit
2,09 von Gruppe 1 mit 24,24 und Gruppe 2 mit 26,33.
Der Minimalwert liegt in beiden Gruppen im selben BMI-Bereich. Gruppe 1 (TAVI)
17,26, Gruppe 2 (sAVR) 17,05, Differenz 0,21.
Der Maximalwert ist bei Gruppe 1 mit BMI 40,86 um 4,57 höher als bei Gruppe 2
BMI
mit BMI 36,29.
Abbildung 7: Risikofaktor BMI bei den Untersuchungsgruppen 1 (TAVI) und 2 (sAVR)
19
4.5 Zahnanzahl pro PatientIn
Es wurde die Anzahl der verbliebenen Eigenzähne pro PatientIn gezählt. Nicht
gewertet wurden Implantate, Wurzelreste und total-retinierte Zähne.
4.5.1 Zahnanzahl Gruppe 1 (TAVI)
Von den 20 PatientInnen sind vier zahnlos. Die maximale Zahnanzahl beträgt 23
Zähne. Der Mittelwert liegt bei 9,1 und der Median bei 8,5 Zähnen.
4.5.2 Zahnanzahl Gruppe 2 (sAVR)
Von den 66 PatientInnen sind 14 zahnlos. Die maximale Zahnanzahl beträgt 31
Zähne. Der Mittelwert liegt bei 11,9 und der Median bei 12 Zähnen.
Zahnanzahl
4.5.3 Vergleich Zahnanzahl
Abbildung 8: Zahnanzahl der Untersuchungsgruppen 1 (TAVI) und 2 (sAVR)
Das Verhältnis der zahnlosen PatientInnen ist in beiden Gruppen ähnlich mit
jeweils einem Fünftel der PatientInnen: vier von 20 (20%) in Gruppe 1 (TAVI) und
14 von 66 (21%) in Gruppe 2 (sAVR).
20
Die höchste Anzahl an verbliebenen Zähnen ist in Gruppe 1 (TAVI) mit 23 Zähnen
deutlich (8 Zähne, entspricht ¼ einer/eines Vollbezahnten) unter der Höchstanzahl
in Gruppe 2 (sAVR) mit nur einem fehlenden Zahn.
Der Mittelwert der Zahnanzahl ist in der Gruppe 1 (TAVI) mit 9,1 Zähnen um 2,8
geringer als in Gruppe 2 (sAVR) mit 11,9 Zähnen. Der Median liegt bei Gruppe 1
(TAVI) mit 8,5 Zähnen um 3,5 niedriger als in Gruppe 2 (sAVR) mit 12 Zähnen.
21
4.6 Zahnhäufigkeit
Gezählt wurde die Häufigkeit der Zähne jeder Zahnposition in der jeweiligen
Gruppe. Diese werden sowohl pro Zahnposition als auch pro Sextant angegeben.
Um diese Zahlen trotz der unterschiedlichen Gruppengröße vergleichen zu
können, werden diese auch im Verhältnis zur jeweiligen PatientInnenanzahl
angegeben.
4.6.1 Zahnhäufigkeit Gruppe 1 (TAVI)
Auf die jeweiligen Zahnpositionen teilen sich die insgesamt 182 Zähne dieser
Gruppe wie in folgender Grafik dargestellt auf:
18 17 16 15 14 13
48 47 16 45 44 43
12 11 21 22 23 24 25 26 27 28
42 41 31 32 33 34 35 36 37 38
Abbildung 9: Zahnhäufigkeit pro Zahnposition der Untersuchungsgruppe 1 (TAVI)
22
KeineR der 20 PatientInnen hat einen Zahn 18 und 38. Am häufigsten erhalten ist
der Zahn 43, bei 13 von 20 PatientInnen.
4.6.2 Zahnhäufigkeit Gruppe 2 (sAVR)
Auf die jeweiligen Zahnpositionen teilen sich die insgesamt 786 Zähne dieser
Gruppe wie in folgender Grafik dargestellt auf:
Von den 66 PatientInnen haben nur vier PatientInnen den Zahn 18. Am häufigsten
erhalten ist der Zahn 43 mit 49 von 66 PatientInnen.
18 17 16 15 14 13 12 11 21 22 23 24 25 26 27 28
48 47 16 45 44 43 42 41 31 32 33 34 35 36 37 38
Abbildung 10: Zahnhäufigkeit pro Zahnposition der Untersuchungsgruppe 2 (sAVR)
23
4.6.3 Vergleich Zahnhäufigkeit
In Sextanten zusammengefasst zeigt sich dasselbe Bild. In beiden Gruppen sind
die Zähne des Seitenzahnbereiches (1., 3., 5. und 6. Sextant) seltener erhalten als
die Frontzähne (2. und 4. Sextant). Die Zähne der Unterkieferfront sind am
Zahnhäufigkeit
öftesten erhalten.
Abbildung 11: Zahnhäufigkeit der Sextanten 1-6 der Untersuchungsgruppe 1 (TAVI)
24
Zahnhäufigkeit
Abbildung 12: Zahnhäufigkeit der Sextanten 1-6 der Untersuchungsgruppe 2 (sAVR)
Abgesehen von den Zähnen 18 und 38, die in Gruppe 1 (TAVI) gar nicht
vorkommen, ist das Verhältnis der jeweiligen Zähne zur Gesamtanzahl der Zähne
der jeweiligen Gruppe ähnlich (1,19 ± 0,67). Lediglich Zahn 17 kommt in Gruppe 2
(sAVR) fast viermal (3,94) so oft vor wie in Gruppe 1 (TAVI), doppelt so oft Zahn
47 (2,08) und 48 (2,32).
4.7 Knochenniveau
Die
Differenz
zwischen
dem
gemessenen
minimalen
und
maximalen
Knochenniveau innerhalb einer/eines Patientin/Patienten beträgt in der Gruppe 1
(TAVI) im Mittel 22,5% ± 15,6%, in der Gruppe 2 (sAVR) 26,5%. ± 14,3% Sowohl
das Minimum als auch das Maximum ist in beiden Gruppen gleich mit 0% und
60%.
25
4.7.1 Knochenniveau Gruppe 1 (TAVI)
Im Mittel haben die PatientInnen ein Knochenniveau von 78% bei ihren Zähnen.
Die/der PatientIn mit dem geringsten Knochenniveau hat 23%, das höchste ist
100%.
Auf die Zahnposition bezogen zeigt sich folgendes Bild:
Im Mittel haben die Zähne ein Knochenniveau von 82,73%. Die Zähne 48 haben
mit 60% das geringste, die Zähne 44 und 47 mit 95% das höchst Knochenniveau.
18 17 16 15 14
48 47 16 45 44
13 12 11 21 22 23 24 25 26 27 28
43 42 41 31 32 33 34 35 36 37 38
Abbildung 13: Knochenniveau der jeweiligen Zahnposition der Untersuchungsgruppe 1
(TAVI)
4.7.2 Knochenniveau Gruppe 2 (sAVR)
Im Mittel haben die PatientInnen ein Knochenniveau von 78% bei ihren Zähnen.
Die/der PatientIn mit dem geringsten Knochenniveau hat 20%, das höchste ist
98%.
Auf die Zahnposition bezogen zeigt sich folgendes Bild:
Im Mittel haben die Zähne ein Knochenniveau von 80,5%. Die Zähne 37 haben mit
76,15% das geringste, die Zähne 18 mit 87,5% das höchst Knochenniveau.
26
18 17 16 15 14
48 47 16 45 44
13 12 11 21 22 23 24 25 26 27 28
43 42 41 31 32 33 34 35 36 37 38
Abbildung 14: Knochenniveau der jeweiligen Zahnposition der Untersuchungsgruppe 2
(sAVR)
4.7.3 Vergleich Knochenniveau
Innerhalb einer/eines Patientin/Patienten schwankt das Knochenniveau der Zähne
in Gruppe 1 (TAVI) mit 22,5% um 4% weniger als in Gruppe 2 (sAVR) mit 26,5%.
Die Zähne der 1. Gruppe (TAVI) zeigen mit einem Mittelwert von 82,7% ein um
2,2% höheres Knochenniveau als die Zähne der 2. Gruppe (sAVR) mit 80,5%.
27
5 Diskussion
Obwohl in diese retrospektive Untersuchung alle in den elektronischen
Krankenakten
der
miteinbezogen
Medizischen
wurden,
Universität
konnten
Graz
damit
vorhandenen
nur
zwei
relativ
Daten
kleine
Untersuchungsgruppen gebildet werden. Ursache dafür ist, dass derzeit nicht bei
allen PatientInnen, die einem therapeutischen Eingriff (TAVI bzw. sAVR) zugeführt
werden, standardmäßig ein Röntgenbild respektive eine klinische Untersuchung
zur Befundung des aktuellen Zustandes der Mundgesundheit vorliegt.
Alle gemessenen Merkmale waren in beiden Gruppen vorhanden und jeweils
miteinander vergleichbar.
Nicht vermessen wurden Implantate, Wurzelreste, sowie retinierte Zähne.
Implantate
wurden
nicht
berücksichtigt,
da
bei
den
insgesamt
neun
implantatversorgten PatientInnen unterschiedliche Implantatsysteme und
–
Versorgungskonzepte (Einzelzahnversorgung, Implantatversorgung im zahnlosen
Kiefer
–
festsitzend/abnehmbar)
verwendet
wurden
und
darüber
keine
Informationen vorlagen. Die bei den untersuchten PatientInnen vorhandenen
Wurzelreste
waren
allesamt
aus
der
radiologischen
Beurteilung
nicht
erhaltungswürdig und nur mehr deutlich unter der Schmelz-Zementgrenze
erhalten. Bei den zehn retinierten Zähnen handelte es sich ausnahmslos um
totalretinierte Weisheitszähne. Somit war eine Vermessung des Konchenniveaus
in Bezug zur Schmelz-Zementgrenze nicht möglich.
In der Erstbeschreibung der Messmethode mittels Shei-Ruler wurde diese bei
Kleinbildern angewendet. (Shei 1959) In der vorliegenden Arbeit fand dieses
Lineal bei Orthopantomogrammen Anwendung. Bei beiden Röntgentechniken
kommt es durch unterschiedliche Winkel bei der Aufnahme zu nicht einheitlichen
Verzerrungen. (Pfeiffer 2012; Pasler 2003) Da jedoch stets ein Verhältnis und
nicht absolute Werte gemessen wurden, ist dieser Aspekt zu vernachlässigen, wie
auch die erfolgten Verifizierungen zeigten. Alle drei Röntgenverfahren, das
zweidimensionale Kleinbild und OPG sowie das dreidimensionale DVT, lieferten
bei dieser Untersuchung an den jeweils selben Zähnen die gleichen Messwerte
(relative Höhe des Knochens um den Zahn). Außerdem stellt das OPG den
heutigen Standard in der zahnärztlichen Röntgendiagnostik dar, da es im
Gegensatz zum einst angewendeten Röntgenstatus mittels mehrerer Kleinbilder
28
oder der dreidimensionalen Schichtaufnahmetechnik DVT den Patienten mit einer
geringeren Strahlung belastet. (Pasler 2003)
Um systematische Fehler bei den Messungen zu vermeiden wurden vom
Diplomarbeitsersteller die Messungen mehrfach, zu unterschiedlichen Zeitpunkten
und in veränderter Reihenfolge durchgeführt. Zusätzlich wurden diese auch von
einem im Gebiet der Parodontologie arbeitenden Zahnarzt durchgeführt.
Ressourcenbedingt jedoch nur stichprobenartig. Es konnte keine Abweichung bei
den Messungen festgestellt werden.
Die Röntgenaufnahme stellt nur einen Teil der Diagnostik dar. Dennoch liefert das
Röntgenbild teilweise mehr Informationen (z.B. Knochenniveau, retinierte Zähne),
als bei einer klinischen Untersuchung festgestellt werden können. (Moll 2013)
Wünschenswert wäre die zusätzliche klinische Untersuchung (im Sinne einer
Parodontalen Grunduntersuchung) der PatientInnen inklusive Anamnesegespräch
gewesen.
Bei der geringen Anzahl an vorhandenen Röntgenbilder im Verhältnis zur Anzahl
behandelter PatientInnen stellt sich die Frage, ob jene PatientInnen, von denen es
an der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Medizinischen
Universität Graz keine Röntgenbilder gibt, vor dem jeweiligen Eingriff zahnärztlich
gar nicht, oder von ihrer/ihrem Hauszahnärztin/Hauszahnarzt gesehen wurden.
Auch stellt sich die Frage warum teilweise nur sehr alte Bilder vorhanden sind.
Gibt es in diesen Fällen neuere, von anderen BehandlerInnen oder wurden die
alten Bilder als ausreichend erachtet, da die PatientInnen nur mehr eine geringe
Restbezahnung aufwiesen bzw. anamnestisch beschwerdefrei waren oder erst
kürzlich
bei
der/dem
Hauszahnärztin/Hauszahnarzt
vorstellig
wurden?
Offensichtlich wurden nicht alle PatientInnen vor dem jeweiligen Eingriff auf die
Zahnklinik für einen sogenannten Herdbefund überwiesen. Dieser Beschreibt die
aktuelle Situation der/des Patientin/Patienten in Bezug auf den Zahnstatus
(Erhaltbarkeit, Versorgbarkeit), Entzündungen, sogenannte Beherdungen, und die
eventuelle Notwendigkeit einer akuten oder längerfristigen zahnärztlichen
Versorgung. Dass dies jedoch für die/den Patientin/Patienten von großem Nutzen
sein kann, zeigen Studien die Herzerkrankungen (Amano 2012), Artherosklerose
(Lockhart 2012) und eine Besiedelung der Aortenklappe (Luk 2014; Nakano 2009)
mit Keimen der Mundhöhle assoziieren. Parodontitis ist ein negativer Faktor für
den Verlauf systemischer Erkrankungen. (Manjunath 2012)
29
Rezente Mikrobiomuntersuchungen zeigen auch, dass sogar die Besiedlung der
Plazenta jener der Mundhöhle am ähnlichsten ist. (Aagaard 2014)
Ein Eingriff mittels TAVI wird derzeit vor allem bei sogenannten HochrisikoPatientInnen angewendet. Zur Risikoeinschätzung dienen dem Herzteam
bestehend aus HerzchirurgInnen, AnästhesistInnen und KardiologInnen der
EuroScore I bzw. II (z.B. Alter, Geschlecht, Arteriopathien, aktive Endocarditits)
und der STS-Score (Society of Thoracic Surgeons). Alternativ dazu wurde der
AKL-Score entwickelt, mit zusätzlicher Einbeziehung z.B. des BMI. (Möllmann
2013)
Der TAVI werden derzeit inoperable, multimorbide HochrisikopatientInnen, also
vergleichsweise ältere PatientInnen zugeführt. Das zeigte sich auch in dieser
Untersuchung, wo die PatientInnen der Untersuchungsgruppe 1 (TAVI) im
Durchschnitt
um
10
Jahre
älter
waren
als
die
PatientInnen
der
Untersuchungsgruppe 2 (sAVR). Daher ist es nicht verwunderlich, dass die
Zahnanzahl bei der Untersuchungsgruppe 1 (TAVI) um durchschnittlich zwei
Zähne geringer war als in der Untersuchungsgruppe 2 (sAVR). Bezüglich des
Knochenniveaus
hat
sich
gezeigt,
dass
die
PatientInnen
der
Untersuchungsgruppe 1 (TAVI) zwar ein höheres Knochenniveau haben, jedoch
bei einer geringeren Gesamtanzahl an Zähnen. (Das zeigt auch die DMS IV;
wonach ältere PatientInnen heute mehr verbleibende Zähne, aber mit einem
schlechteren Zustand des Zahnhalteapparates haben) Dies lässt darauf schließen,
dass die PatientInnen der Untersuchungsgruppe 2 (sAVR) unter der höheren
Gesamtanzahl mehr parodontal befallene, oder auch nicht erhaltungswürdige
Zähne aufweisen. In der Dekade, die den PatientInnen der Untersuchungsgruppe
2 (sAVR) im Durchschnitt auf das Mittlere Alter der PatientInnen der
Untersuchungsgruppe 1 (TAVI) fehlen, werden wahrscheinlich diese Zähne mit
geringerem
Knochenniveau
verloren
gehen.
Vor
allem
die
Zähne
der
Unterkieferfront sind die am häufigsten erhalten gebliebenen. Grund dafür sind
wahrscheinlich unzureichende Hygienemaßnahmen im oft schwer zugänglichen
Seitenzahnbereich und nach dem Verlust dieses, eine vermehrte Belastung der
Oberkieferfront durch eine nicht mehr oder schlecht prothetisch versorgte
Seitenzahnabstützung
(wechselseitig
geschützte
Okklusion).
Das
stimmt
wiederum damit überein, dass bei den PatientInnen der Untersuchungsgruppe 1
(TAVI) innerhalb einer/eines individuellen Patientin/Patienten das Knochenniveau
30
weniger Schwankung aufweist, verglichen mit der Untersuchungsgruppe 2
(sAVR).
In beiden Gruppen waren die Zahlen der zahnlosen PatientInnen mit etwa einem
Fünftel gleich groß, was bekanntlich dem Durchschnitt in der Bevölkerung in
dieser Altersklasse entspricht.
Der Risikofaktor Rauchen kommt anamnestisch bei den PatientInnen der
Untersuchungsgruppe 2 (sAVR) häufiger vor. Wahrscheinlich gab es unter den
PatientInnen der Untersuchungsgruppe 1 (TAVI) früher auch RaucherInnen,
welche aufgrund der Multimorbidität dieses aufgegeben mussten, vielleicht sind
PatientInnen, die in diese Gruppe gekommen wären, frühzeitig verstorben.
Da mit zunehmendem Alter der ideale BMI steigt, befindet sich der mittlere BMI
der PatientInnen beider Untersuchungsgruppen im altersgemäßen Normbereich.
Die PatientInnen der Untersuchungsgruppe 1 (TAVI) tendieren mit ihrem
Durchschnitts-BMI am Unterrand der Norm eher zu einer Untergewichtigkeit,
vielleicht auch aufgrund ihres schlechteren Allgemeinzustandes.
Beim Vergleich der Zeiten zwischen Röntgenaufnahme und Eingriff zeigt sich,
dass
im
Rahmen
der
durch
ChirurgInnen
veranlassten
Operationstauglichkeitsprüfung für eine mögliche Sanierung eventuell zu wenig
Zeit bleibt im Vergleich zur vom Internisten zeitgerechten zahnmedizinischen
Voruntersuchung der TAVI-PatientInnen.
Daraus schließend sollte empfohlen werden, dass vor einem Aortenklappenersatz
neben einer allgemeinen Tauglichkeitsuntersuchung für den Eingriff auch die
gründliche,
aber
einfach
durchzuführende
rechtzeitige
Erhebung
des
Parodontalstatus und ggf. zeitgerechte Sanierung von Risikostellen stattfindet.
Weitere Studien müssen mit größeren Fallzahlen und prospektiv gemacht werden.
Bei der/dem alternden Patientin/Patienten muss an Parodontitis als Risikofaktor
für systemische Erkrankungen gedacht werden. Dazu müssen vor allem
PatientInnen
mit kardiovaskulären
Vorerkrankungen
sowohl
von
der/dem
Hausärztin/Hausarzt als auch von der/dem Internistin/Internisten rechtzeitig
zur/zum Zahnärztin/Zahnarzt überwiesen werden. Es empfiehlt sich auch
scheinbar zahnlose PatientInnen zur zahnärztlichen Kontrolle zu überweisen, da
diese in einigen Fällen entzündete Wurzelreste haben können. Neben der
allgemeinen OP-Tauglichkeit sollte auch der Status der Mundgesundheit von
der/dem Chirurgin/Chirurgen und AnästhesistIn nicht unterschätzt werden. Zum
31
Erhalt einer guten Mundgesundheit muss diese durch häusliche Mundhygiene
aufrechterhalten werden. Ist die/der PatientIn dazu nicht im Stande, muss dies
durch
eine
Pflegeperson
gewährleistet
werden,
die
dahingehend
auch
einzuweisen ist. In der Gerontostomatologie zeigt sich bei einem möglichen
Zahnersatz nach Zahnverlust eine veränderte Mundflora und Milieu in der
Mundhöhle.
(Arnetzl
2008)
Kontrollen
und
weiterführende
professionelle
Maßnahmen müssen regelmäßig durch die/den Zahnärztin/Zahnarzt erfolgen.
Um der/dem Patientin/Patienten eine optimale Behandlung zukommen zu lassen,
empfiehlt sich, dass die beteiligten Fachgebiete für diese Fälle koordinierte
Abläufe generieren, die genügend Zeit für eventuell nötige Vorbehandlungen
lassen, sowie gemeinsame Fallbesprechungen durchzuführen.
Es wird daher empfohlen, PatientInnen mit bekannter Herzerkrankung neben den
allgemeinen
und
internistischen
Untersuchungen
von
einer/einem
Hausärztin/Hausarzt bzw. Internistin/Internisten, auch regelmäßig zu Kontrollen
durch eineN Zahnärztin/Zahnarzt zu überweisen. Ein auf dem Gebiet der
Parodontologie tätigeR Zahnärztin/Zahnarzt soll bei dieser Patientin/diesem
Patienten engmaschig den parodontalen Zustand im Verlauf beobachten und ggf.
therapieren.
Zusätzlich empfiehlt es sich, die interdisziplinäre SOP (Standard Operating
Procedure) der Medizinischen Universität Graz zu erweitern. Neben den bereits
vorhanden
aktuellen
Vorschriften
für
den
Ablauf
der
Versorgung
von
AortenklappenersatzpatientInnen (SOP Univ. Klinik für Innere Medizin 2014; siehe
Anhang) soll unter dem Punkt 6 (Versorgung vor dem Eingriff) „die Vorstellung bei
einer/einem Zahnärztin/Zahnarzt“ aufgenommen werden.
32
6 Literaturverzeichnis
Aagaard K et al. The placenta harbors a unique microbiome. Sci Transl Med. 2014
May 21;6(237):237ra65.
Amano A, Inaba H. Cardiovascular diseases and periodontal diseases. Clin
Calcium. 2012 Jan;22(1):43-8.
Arnetzl GV et al. Altersspezifische Veränderungen des Mundhöhlenmilieus –
Prophylaxe- und Behandlungsstrategien. Zahn Krone. 2008;04:18-21.
Böcker W, Denk H, Heitz PhU. Pathologie. 5., vollständig überarbeitete Auflage.
München: Elsevier. 2013.
Cafiero C et al. Periodontal care as a fundamental step for an active and healthy
ageing. ScientificWorldJournal. 2013 Dec 17;2013:127905.
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Anhang
SOP – Versorgung vor und nach TAVI auf der Bettenstation der Kardiologie
Richtlinie vom 08.08.2014 der Univ. Klinik für Innere Medizin-Kardiologie, Seiten 1-3
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