Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und

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Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
Der Präsident
An den Vorsitzendes des Sachverständigenrates
für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen
Herrn Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Schwartz
Am Probsthof 78a
53121 Bonn
14.04.2001
Betr.:
Anfrage des Sachverständigenrates an die medizinischen Fachgesellschaften vom 3.4.2000
Sehr geehrter Herr Prof. Schwartz,
wissenschaftlich exakte Daten zur Über-, Unter- und Fehlversorgung in der Zahn-, Mund- und
Kieferheilkunde existieren, abgesehen von wenigen epidemiologischen Daten, bisher nicht.
Ich habe in den einzelnen wissenschaftlichen Fachgesellschaften der DGZMK nachgefragt,
aber -wie zu erwarten- wenig exakte Daten erhalten, die über die Angaben in der DMSIII
Studie hinausgehen. Als Anlage finden Sie die eingegangenen ausführlicheren Antworten:
1. die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (Anlage 1)
2. die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (Anlage 2).
Die Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und die Deutsche
Gesellschaft für Kieferorthopädie haben sie ja direkt angeschrieben, so dass ich diesbezüglich
auf deren Stellungnahme verweisen darf. Die Stellungnahmen der KZBV/BZÄK und das
Gutachten von Prof. Staehle sind mir bekannt, so dass ich die dort gemachten Ausführungen
nur punktuell ergänzen möchte.
Die Frage der Über- und Unterversorgung ist in der Zahnmedizin ganz eng mit der
Differenzierung der subjektiven und objektiven Behandlungsnotwendigkeit, insbesondere
aber bezüglich des Umfangs einer Versorgung vor allem in der restaurativen konservierenden
und prothetischen Therapie gekoppelt. Der wichtigen Differenzierung zwischen der
subjektiven Nachfrage bzw. dem subjektiven Wunsch nach Leistung in der Bevölkerung
(Nachfrage), d.h. dem subjektiven Bedarf steht gerade in der Zahnmedizin ein nicht
deckungsgleicher oftmals ungleich niedrigerer objektiver Behandlungsbedarf entgegen, da
gerade im restaurativen Bereich ästhetische und subjektiv angenehmere, zum Teil auch
funktionell befriedigendere Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen, die über das
objektiv zur Beseitigung der Erkrankung auch präventiv notwendige Maß hinausreichen.
Eine wesentliche Quelle möglicher Überversorgung in der ZMK-Heilkunde in der GKV
besteht in einem zum Teil hohen subjektiven Behandlungswunsch (z.B: Austausch unschöner
oder vermeintlich schädlicher Amalgamfüllungen), der nur teilweise einem objektiven
Behandlungsbedarf entspricht. Hier fehlen aber stringente Grenzziehungen, die die objektive
Behandlungsbedürftigkeit eines bestimmten Befundes in Relation zum Ausprägungsgrad (z.B:
Kieferorthopädie) innerhalb der GKV festlegen, wobei auch bei geringer Ausprägung
durchaus ein subjektiver und medizinisch durchaus gerechtfertigter, aber objektiv nicht
notwendiger Behandlungsbedarf bestehen kann.
Dabei kann es nicht gelingen, mit prozentualen Erstattungen mit einer Liste von
Ausschlusskriterien oder Regelwerken ein ausreichendes Regulativ gegen Über- und
Unterversorgung zu erreichen. Hier kann nur ein Festzuschusssystem, das sich am objektiv
vorliegenden Befund orientiert, zu einer so für jeden finanzierbaren präventiven
Basisleistung als eine flächendeckende und gerechtere und ausreichende Versorgung sichern.
Dies kann dann entsprechend dem individuell unterschiedlichen subjektiven Bedarf durch
Wahlleistungen mit privater Zuzahlung oder Zusatzversicherungen ergänzt werden. Dabei
beinhaltet die präventive Basisleistung durchaus auch die Formen der Sekundär- und
Tertiärprävention und darf nicht auf die Leistungen der Primärprävention im Sinne der
Kariesprophylaxe reduziert verstanden werden. Sinnvoll könnten in diesem Zusammenhang
durchaus auch unterschiedliche versicherungstechnische Grenzen, wie zum Beispiel das Alter
des Patienten sein, so dass bei sozial fremdbestimmten Kindern und Jugendlichen ein höherer
Kostenzuschuss oder auch ein breiteres Spektrum der präventiven Leistungen angeboten wird,
während im Erwachsenenalter eine größere Eigenverantwortung durch Finanzierung der
Wahlleistungen über die präventive Basisleistung hinaus zugemutet werden kann. Völlig
ungeeignet erscheint dagegen die bisher praktizierte totale Ausgrenzung einzelner
Therapiemöglichkeiten, da es in der Regel zu einer Unterversorgung in diesem Bereich führen
muss.
Ein typisches Beispiel für die nicht befriedigende Ausgrenzung von Leistungen stellt die
Implantologie dar, da insbesondere für den stark atrophierten zahnlosen Kiefer keine objektiv
zufriedenstellende Behandlungsalternative vorliegt, obwohl die Leistung pauschal aus der
GKV ausgegrenzt ist. Dies führt zu einer zumindest partiellen Unterversorgung im Bereich
der GKV für diese konventionell auch objektiv nicht zufriedenstellend therapierbare
Patientengruppe. Geradezu unsozial wirkt es, wenn den häufig älteren Rentnern in der GKV
bei diesen Situationen aber auch im Zusammenhang mit den Ausnahmeindikationen der
Kostenzuschuss zur alternativen konventionell vorgesehenen Versorgung verwehrt wird,
wenn der Patient die funktionell und auch objektiv bessere und wissenschaftlich gut belegte
immer subjektiv befriedigendere Abstützung der Prothese mit enossalen Implantaten wählt.
Im Statement der DGZMK (Anlage 3) wurde daher für diese Behandlungsformen eine
Graduierung in 3 Stufen gewählt:
I.
für Situationen, die ohne Implantate praktisch nicht therapierbar sind,
II.
Situationen bei denen die Implantatversorgung objektive und subjektive Vorteile
gegenüber der konventionellen Versorgung besitzt und
III.
letztlich in Situationen in denen gleichwertige konventionelle Alternativen bestehen,
aber der subjektive Behandlungswunsch eine Implantatversorgung indiziert
erscheinen lässt.
Nur unvollkommen wurde in den Ausnahmeindikationen des Bundesausschusses versucht,
die erste Gruppe zu definieren, bei denen insbesondere der stark atrophierte zahnlose Kiefer
fehlt. Vor allem mit dem völligen Leistungsausschluss, wenn alternative Versorgungen
möglich sind, ist ein Zwang zur zum Teil objektiv schlechteren und weniger präventiven
Versorgung festgelegt, was ein Beschleifen und die Überkronung von gesunden Zähnen und
damit eine objektive Fehlversorgung bedeuten kann.
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Selbstverständlich muss das in der GKV zur Verfügung gestellte Geldvolumen entsprechend
angepasst werden, wenn diese in der Gruppierung I objektiv zur Vermeidung von Unter- und
Fehlversorgung sinnvolle Therapie zusätzlich integriert werden soll. Ein Festzuschuss zum
objektiven Behandlungsbedarf, der sich am Ausgangsbefund orientiert, würde bei
gleichzeitiger Wahlfreiheit des Patienten eine sachgerechtere Versorgung darstellen. Die
subjektiv gewünschte Mehrleistung kann über Zuzahlungsregelungen zur gewährten, in der
Regel konventionellen, d.h. ohne Implantate möglichen präventiven Basisversorgung
ermöglicht werden. Dies bedeutet auch eine sozialgerechtere Lösung für die Patienten in der
GKV und würde sich als solche nicht nur im Bereich der Implantologie anbieten.
Gerade in der Prothetik wird immer eine Überversorgung insbesondere im Bereich der
technischen Ausführung vermutet, ohne dass wirklich konkrete Daten hierzu vorliegen, da
gerade in diesem Gebiet die Definition des objektiv Notwendigen vom subjektiv, ästhetisch
oder funktionell Gewünschten erheblich abweicht. Die besondere Schwierigkeit entsteht bei
erkennbar präventiven Aspekten in den gewünschten Zusatzleistungen, da deren völlige
Ausgrenzung im Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung problematisch
erscheint, wenn sie nicht als Wahlleistung optional verfügbar bleiben. Es müssen
insbesondere zu der Frage der unterschiedlichen technischen Ausführung des objektiv
notwendigen Zahnersatzes wissenschaftliche Studien durchgeführt werden, die den
notwendigen Leistungsumfang und damit den objektiven Behandlungsbedarf belegen und
gegenüber aufwendigeren Versorgungsformen wissenschaftlich abgrenzen; Studien, die in
Deutschland in dieser Zielsetzung bisher in einem nicht ausreichenden Maß vorliegen.
Sicherlich ist mit dem zunehmenden Anteil älterer Menschen und den erfreulicherweise durch
präventive Maßnahmen länger erhaltenen natürlichen Zähnen nicht mit einem wesentlichen
Rückgang des objektiv notwendigen prothetischen Behandlungsbedarfes zu rechen, da
vermehrt teilbezahnte Patienten auch das hohe Lebensalter erreichen, die in der Regel
technisch aufwendiger zu therapieren sind als zahnlose Patienten.
Es besteht ein echter Mangel an wissenschaftlich exakter, vergleichender Bewertung
unterschiedlicher Behandlungsoptionen, wie sie heute als EBM gestützte
Entscheidungsprozesse erwartet werden. Rasche, fast jährlich erfolgende Entwicklungen
neuer Materialien (z.B.: Füllungsmaterialien) und neue Techniken in Wissenschaft und
Industrie (z.B.: Laserapplikation) und die gleichzeitige Notwendigkeit von
Langzeitbeobachtungen erschweren entsprechende Studien erheblich. Hier müssen zur
Vermeidung vorschneller Fehlbeurteilungen und damit langfristiger Fehlversorgung
entsprechende klinische Langzeitstudien auch finanziell gefördert werden, wie dies in der
Medizin durchaus häufiger erfolgt. Ein zusätzliches Problem ergibt sich oft in der
Zahnmedizin, das mehrere durchaus unterschiedlich aufwendige Alternativen, die bei
paraleller statistischer Betrachtung auch gleich gut abschneiden, für einen Befund existieren,
aber für den Patienten subjektiv durchaus in einem unterschiedlichen Grad akzeptiert werden.
Dadurch wird eine Wertung im Sinne kassentechnischer Bevorzugung sehr erschwert, was
aber durch Festzuschussregelung für eine objektiv notwendige Leistung erleichtert wird.
Die Erfolge der Karies-Prävention, die auch künftig weiter intensiviert werden sollte,
wurden bereits ebenso wie die Kariespolarisierung in den vorliegenden Ausführungen der
KZBV/BZÄK beschrieben, so dass eine Unterversorgung eher in sozialen Randgruppen zu
sehen ist. Diese Unterversorgung ist aber wesentlich durch die fehlende subjektive
Präventions- und Therapienachfrage in diesen Patientengruppen bedingt. Intensive
Motivationsaktionen der Körperschaften haben hier versucht entgegenzuwirken und es besteht
sicher keine strukturelle Unterversorgung in der GKV. Die derzeitige Budgetierung muss aber
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gerade bei der Behandlung dieser Patientengruppen mit hohem Sanierungsbedarf sehr
problematisch gesehen werden.
Noch unzureichend im Bewusstsein der Bevölkerung ist die Parodontalprophylaxe integriert
und auch eine entsprechende finanzielle Anreizstruktur in der GKV zur PA-Prohylaxe im
Erwachsenenalter fehlt bisher, so dass in diesem Bereich am ehesten von einer
Unterversorgung innerhalb der GKV gesprochen werden kann. Gerade die PA-Prävention
könnte als ein wesentliches Gesundheitsziel der künftigen Jahre im Bereich der Zahn-,
Mund- und Kieferheilkunde angesehen werden, da einerseits die kariesfreien Zähne zum
langfristigen Erhalt eines gesunden Zahnhalteapparates bedürfen und andererseits Hinweise
auf Wechselwirkungen zu wichtigen Allgemeinerkrankungen (Myokardinfarkt; Apoplex,
Diabetes mellitus und Frühgeburten) zunehmen. Dem gegenüber steht ein seit vielen Jahren
überholter „PA-Vertrag“ , der in der GKV keineswegs die Behandlungsmöglichkeiten und
den objektiven Behandlungs- und vor allem Therapieerhaltungsbedarf abbildet. Hier ist auch
eine sozialpolitische und fachliche Diskussion zu führen, wie die Patienten oder
Patientengruppen zu behandeln sind, bei denen objektiv auf Grund der Befunde eine
Behandlungsnotwendigkeit besteht, bei denen aber die Behandlungsfähigkeit zum Beispiel
durch mangelnde Mundhygiene nicht gegeben ist, da für diese Patienten eine regelrechte
Behandlung ohne Erfolg bleiben muß und daher streng genommen eine Überversorgung oder
Fehlversorgung darstellt.
Ein wichtiger, ebenfalls nicht ausreichend versorgter objektiver Bedarf besteht in der
Prävention und Früherkennung maligner Tumoren, da einerseits die Möglichkeiten der
Früherkennung von den Risikogruppen bei fehlendem subjektiven Bedarf nicht
wahrgenommen wird und andererseits systematische Vorsorgeprogramme analog der
gynäkologischen Vorsorge für Risikopatienten nicht existieren. Immer noch kommt die
überwiegende Patientenzahl mit fortgeschrittenen Tumorstadien mit weiterhin ungünstiger
Prognose zur weiteren Behandlung, obwohl es sich um eine leicht inspizierbare und der
klinischen Untersuchung gut zugängliche Region handelt. Hier müssen Pilotprojekte gefördert
werden, die Wege zeigen, diese Unterversorgung in der GKV abzubauen, obwohl eher
sozialmedizinische Ursachen als finanzielle Ursachen dafür verantwortlich sein dürften.
Ebenfalls im Bereich des chronischen Gesichtsschmerzes und den ebenfalls häufig
psychosomatisch mitverursachten Erkrankungen im myofunktionellen Beschwerdekreis
besteht eine tendentielle Unterversorgung innerhalb der GKV, da entsprechende
Ausbildungsangebote zur Therapie des chronischen Schmerzes und der psychosomatischen
Diagnostik in der veralteten Aprobationsordnung fehlen und auch in der Gebührenordnung
keine entsprechenden Leistungspositionen für Zahnärzte vorgesehen sind.
Die wissenschaftliche Entwicklung ist auch in der ZMK-Heilkunde vergleichbar den
Entwicklungen in der Medizin sehr schnell und kann nur durch eine möglichst rasch zu
novellierende flexiblere Aprobationsordnung und intensive und regelmäßige Fortbildung
auch in der GKV integriert werden. Die bisher trotz Vorarbeiten unterbliebene Novellierung
der Approbationsordnung stellt dabei eine wesentliche Gefahr für eine Fehlversorgung durch
eine ausbleibende Adaptierung der Ausbildungsinhalte dar, die in der gültigen Form den
zunehmend medizinischen Anforderungen und der präventiven Orientierung der Behandlung
nicht gerecht werden können. Im Bereich der Fortbildung ist ein hoher zeitlicher und
finanzieller Aufwand von den Kolleginnen und Kollegen zu erbringen und wird in hohem
Maße in der Kollegenschaft ohne finanziellen Ausgleich, wie er etwa in der Schweiz bei der
Kostenkalkulation der Leistungen integriert wurde, aufgebracht. So nehmen seit über 25
Jahren eine Vielzahl von Kollegen regelmäßig an einer kontinuierlichen und strukturierten
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Fortbildung im Bereich der Akademie Praxis und Wissenschaft (APW) der DGZMK teil, die
in ähnlicher Form auch von den Kammern angeboten wird. Diese in regelmäßigen Abständen
(alle 5 Jahre) zu erneuernde Fortbildungszertifikate stellen ein wichtiges Element der
freiwilligen strukturellen Qualitätssicherung dar, um Fehlversorgungen zu vermeiden.
Ergänzend wurden Kurrikula zu Fortbildungsschwerpunkten entwickelt, womit eine über das
durchschnittliche Fortbildungsniveau hinausgehende, den eigenen Praxisschwerpunkt
begleitende, intensivere Fortbildung strukturiert angeboten und in der Kollegenschaft auch
angenommen wird. Ob diese Schwerpunktfortbildung zur Patienteninformation ausgewiesen
werden soll, ist zur Zeit Gegenstand juristischer Auseinandersetzung und in berufspolitsicher
Diskussion, weshalb ich diese Frage nicht bewerten möchte.
Für die wissenschaftliche Fortentwicklung sind darüber hinaus Postgraduate-Programme
und Diplome an den Hochschulen sinnvoll, die Kollegen länger an den Hochschulen
wissenschaftlich und praktisch in Spezialgebieten weiterbilden und in die Forschung
einführen, so dass sie an der Klinik aber auch als niedergelassene Kollegen für besonders
schwere und ungewöhnliche Befunde als Ansprechpartner für Überweisungen auch in der
Krankenversorgung innerhalb der GKV zur Vermeidung von Fehlversorgung später zur
Verfügung stehen. Echte Weiterbildungsgebiete lassen sich wegen der fehlenden finanziellen
Basis bei Begrenzung auf das Weiterbildungsgebiet - vielleicht abgesehen von der
Parodontologie und Kinderzahnheilkunde - kaum zusätzlich zu den bestehenden
Weiterbildungsfächer in die Versorgung integrieren.
Zusammenfassend hoffe ich, dass vorbehaltlich der wirklich schwachen Datenlage meine
Ausführungen Ihnen trotz des späten Termins Anregungen zur Situation in der ZMKHeilkunde geben konnten, die aber künftig gezielt durch entsprechende Studien und
epidemiologische Erhebungen weiterentwickelt und wissenschaftlich abgesichert werden
müssen. Die derzeitige Situation der Budgetierung und der gleichzeitigen Regulierung mit
Leistungsbegrenzungen bzw. Ausgrenzungen ist nicht in der Lage, Fehl-, Unter- und Überversorgung in der GKV zu vermeiden. Wissenschaftliche Daten für eine gezielte Allokation
der Mittel zur Stärkung der Prävention stehen nicht ausreichend zur Verfügung und würden
möglicherweise falsche Signale durch unzureichende Berücksichtigung der sekundär und
tertiär Prävention setzen. Aber ein primär am objektiven Befund bzw. Diagnose und nicht
primär am eingesetzten Therapiemittel orientiertes Festzuschusssystem kombiniert mit frei
zugänglichen Wahlleistungsbereichen könnte insbesondere in der Zahn-, Mund- und
Kieferheilkunde mit einem breiten Leistungsspektrum und einer wesentlich auch vom
subjektiven Bedarf getragenen Behandlungsnachfrage eine wirklich sinnvolle Perspektive
darstellen, die allerdings ebenfalls in ihren Auswirkungen wissenschaftlich durch
sozialmedizinische, epidemiologische Studien begleitet werden sollte.
Grundsätzlich möchten wir auch unsere Bereitschaft signalisieren, künftig längerfristig
vorausplanend und wissenschaftlich fundierter an den Detailfragen zur zahnmedizinischen
Versorgung in der GKV beratend beizutragen und stehen auch für persönliche Gespräche zu
gezielten Problemen zur Verfügung. Es würde uns freuen, wenn wir ein Exemplar des
Gutachtens oder der Ausführungen zur Zahnheilkunde nach Fertigstellung erhalten könnten
und bedanken bereits an dieser Stelle
mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Dr. W. Wagner
Präsident der DGZMK
5
Anlage 1
DGZ DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR ZAHNERHALTUNG e.V.
Der Präsident
29.08.2000
Zur Nachfrage des Sachverständigenrates nach Über-, Unter- und Fehlversorgung in
der Zahnerhaltung
EINLEITUNG
Die Frage nach Über-, Unter- und Fehlversorgung im Bereich der Zahnerhaltung
betrifft restaurative, präventive und endodontologische Maßnahmen. Es ergeben
sich dabei zwangsläufig Berührungspunkte mit der Parodontologie und
Kinderzahnheilkunde, die jedoch nicht überbetont werden sollen, da hierzu
gesonderte Stellungnahmen der jeweiligen wissenschaftlichen Fachgesellschaften
abgegeben werden.
Es kann unterschieden werden zwischen Versorgungen, welche einzelne Zähne
von Patienten betreffen (zum Beispiel Füllungen, Kronen u.a.) und
Rehabilitations- oder Präventionsmaßnahmen für Patientengruppen (z.B. die
Frage der Individual- vs. Gruppenprophylaxe). Grundsätzlich muss sich die Frage
nach
Über-,
Unteroder
Fehlversorgungen
an
den
bisherigen
Steuerungsinstrumenten wie zum Beispiel Abrechnungskatalogen (BEMA, GOZ)
bzw. Finanzierungsmodellen (zum Beispiel Gruppen- oder Individualprophylaxe)
orientieren. Die Frage nach Über-, Unter- oder Fehlversorgungen kann jedoch
auch an nicht-adäquate Ausbildung von Zahnmedizinstudenten (hier sei das
Beispiel der längst überfälligen neuen Approbationsordnung genannt) oder an
allgemeingesellschaftliche Phänomene (zum Beispiel Zunahme des ästhetischen
Bewusstseins) geknüpft sein. Es würde zu weit führen, hier sämtliche Faktoren
aufzählen zu wollen, welche für die zahnmedizinische Versorgung relevant sind.
Zwei wichtige Faktoren sollten jedoch (gerade
endodontologischen Bereich) genannt werden:
im
restaurativen
und
1) Technische und materialkundliche Fortschritte ermöglichen neuartige bzw.
andere Versorgungsformen, als dies noch vor Jahren möglich war. Insofern
drückt sich auch der Zuwachs zahnmedizinischen Wissens in der jeweiligen
Versorgungsform aus.
2) Demografische Faktoren beeinflussen die Art und Menge nachgefragter
zahnmedizinischer Leistungen. Medizinische Versorgungsformen orientieren sich
zudem an politischen Vorgaben und nicht nur an objektiven Notwendigkeiten.
Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum eine Einschätzung einer Über-,
Unter- und Fehlversorgung extrem schwierig und nur in Teilbereichen möglich ist.
Sie kann zudem nicht als statische Größe verstanden werden, die einmal fixiert
für die Zukunft Gültigkeit hat.
Grundsätzlich sollten für eine Einschätzung einer Über- und Unterversorgung
epidemiologische Studien herangezogen werden können. Sie sollten stichhaltig
und eine möglichst hohe Evidenz besitzen. Für viele Behandlungsmaßnahmen
gibt es allerdings „nur“ eine klinische und keine wissenschaftliche Evidenz.
Insofern hängt die Einschätzung, ob eine Behandlungsmaßnahme notwendig oder
überflüssig ist, oft von den Erfahrungen des Zahnarztes und teilweise auch des
Patienten ab. Die Entscheidung, ob eine Über-, Unter- und Fehlversorgung
vorliegt, kann keinesfalls auf der Basis wirtschaftlicher Überlegungen von
Kostenträgern, Berufsverbänden bzw. Gesundheitspolitikern abhängen.
1.
BEURTEILUNG EINER ÜBER-, UNTER- UND FEHLVERSORGUNG IM RESTAURATIVEN
UND PRÄVENTIVEN ZAHNERHALTENDEN BEREICH
Zur Beurteilung einer Über- und Unterversorgung liegen für unterschiedliche
Bevölkerungsgruppen epidemiologische Daten aus der DAJ-Studie (1997) und
aus der dritten deutschen Mundgesundheitsstudie (1997) vor.
1.1
Zahnmedizinische Versorgung von Kindern
In der DAJ-Studie zeigt sich, dass der Sanierungsgrad der Milchzähne von 6- bis
7jährigen im Jahre 1997 mehr als zu wünschen übrig lässt. Hier ist klar eine
Unterversorgung zu erkennen. Waren bei Schulanfängern in Thüringen 49% der
kariösen Milchzähne mit einer intakten Füllung versorgt, so lag der
entsprechende Prozentsatz in Bremen bei 23,8%. Dies bedeutet im Prinzip, dass
je nach Bundesland zwischen 43,9 und 68,3% der kariösen Milchzähne nicht
gefüllt sind. Nach wie vor sind bei den 6- bis 7jährigen in der Bundesrepublik
weit mehr als die Hälfte der kariösen Defekte an Milchzähnen nicht saniert. Dies
ist sowohl aus kieferorthopädischer Sicht problematisch als auch unter dem
Blickwinkel der Prävention, da unversorgte kariöse Läsionen Biotope für
kariogene Keime bilden. Bei den 9jährigen waren zwischen 14,0 und 46,4% der
kariösen Zähne nicht mit einer intakten Füllung versorgt.
1.2
Zahnmedizinische Versorgung von Jugendlichen
Bei den 12jährigen war der Sanierungsgrad besser, hier waren 10,6 bis 36,4%
der bleibenden kariösen Zähne nicht mit einer entsprechenden Restauration
versorgt. Bei der DAJ-Studie wurden aber nur die restaurativ anzugehenden
offen kariösen Läsionen berücksichtigt. Die DMS-III-Studie ergibt für die
12jährigen, dass zusätzlich 3 initialkariöse Läsionen (beginnende Schmelzkaries)
vorhanden sind. Diese müssen zwar nicht primär restaurativ angegangen werden,
könnten sich jedoch in Zukunft zu offenen kariösen Läsionen entwickeln. Hier ist
also ein zusätzlicher Präventionsbedarf vorhanden. So lässt sich neben einer
restaurativen Unterversorgung bei Kindern und Jugendlichen außerdem noch ein
präventiver Behandlungsbedarf konstatieren. Bei Kindern und Jugendlichen kann
man zudem davon ausgehen, dass es zu einer Polarisierung des Kariesbefalls
gekommen ist. Gleichzeitig lässt sich den Schlussfolgerungen der DAJ-Studie
entnehmen, dass sich zwar insgesamt ein positiver Trend der Mundgesundheit
feststellen lässt, dass jedoch die Anstrengungen in der Gruppenprophylaxe
besonders die gesundheitserzieherischen Komponenten und der Einsatz spezieller
Prophylaxehelferinnen und Lokalfluoridierungsmaßnahmen verstärkt werden
sollten. Weiterhin sollte insbesondere bei Kindern mit erhöhtem Kariesrisiko die
Intensivprophylaxe verbessert werden. So kann bei 12jährigen festgestellt
werden, dass 21,5% der Untersuchten (DMS-III-Studie) 61,2% aller DMF-Zähne
aufweisen. Als Hochrisikogruppe konnten diejenigen 7,9% der Jugendlichen
ausgemacht werden, welche mehr als 4 DMF-Zähne aufweisen. Sie haben mit
29,6% fast ein Drittel aller erkrankten Zähne. Ähnlich ist es bei
sanierungsbedürftigen Zähnen. Hier haben 19,4% der Jugendlichen sämtliche zu
sanierenden Zähne. Im Gegensatz zu der starken Polarisierung bei den DMFZähnen und bei sanierungsbedürftigen Zähnen sind Zähne mit Initial- und
Schmelzkaries gleichmäßig unter den Jugendlichen verteilt. Nur 25,6% der
Untersuchten haben keinen Zahn mit dieser frühen Form der Karies. Die DMS-IIIStudie geht davon aus, dass ohne Präventionsmaßnahmen die initialen Defekte
zu einer manifesten, bis in das Dentin reichenden Karies fortschreiten werden.
Eine bedarfsgerechte Kariesprophylaxe ist also weiterhin unverzichtbar. Dies gilt
umso mehr, da nur ein Viertel der Jugendlichen keine Initial- oder Schmelzkaries
aufzeigen.
Für
diese
Jugendlichen
bedeuten
die
bisherigen
Präventionsmaßnahmen im Prinzip eine Überversorgung, die jedoch in Kauf
genommen werden sollte. Durch die frühzeitige Adaptation an zahnärztliche
Untersuchungen, Beratungen und Aufklärungen bedeutet eine derartige
primärpräventive Behandlung für die Betroffenen nämlich eine langfristige
Investition in ihre orale Gesundheit.
Große Bedeutung kommt nach Meinung der Autoren die Fissurenversiegelung zu.
Sie gehen davon aus, dass diese individualpräventive Maßnahme eine Erklärung
dafür sein kann, warum bislang den Kariesbefall bestimmende soziale Variablen
an Gewicht verloren haben. Grundsätzlich sollten Versiegelungsmaßnahmen
weiter ausgeweitet werden. Die Analysen der DMS-III-Studie zeigen nämlich,
dass insbesondere bei Jugendlichen mit eher beschwerdeorientiertem
Inanspruchnahmeverhalten zahnärztlicher Leistungen von Versiegelung profitieren
können, wenn im Rahmen einer solchen Konsultation zugleich Okklusalflächen
versiegelt werden würden. Es zeigt sich auch, dass die Anzahl der kariösen
Initialläsionen bei den Jugendlichen, die keine Versiegelungen an den Zähnen
aufweisen, höher ist. Man kann also davon ausgehen, dass im Bereich der
Versiegelungen und damit verbunden weiterer individualprophylaktischer
Maßnahmen eine Unterversorgung bei den meisten Jugendlichen vorhanden ist.
Eine Unterscheidung in Jugendliche mit und ohne präventiven Behandlungsbedarf
wäre wünschenswert, um eine Überversorgung zu vermeiden. Der Einsatz
entsprechender Maßnahmen (Kariesrisikobestimmung) ist allerdings sehr
aufwendig.
1.3
Zahnmedizinische Versorgung von Erwachsenen
Bei Erwachsenen zwischen 35 und 44 Jahren zeigt die DMS-III-Studie, dass nach
wie vor ein hoher DMFT-Wert (16,1) zu verzeichnen ist. Insgesamt lässt sich
feststellen, dass nur 0,8% der Erwachsenen ein naturgesundes Gebiss besitzen.
Es gibt nur sehr wenige unversorgte kariöse Zähne, aber immer noch 3,9
fehlende Zähne. Besonders auffällig ist allerdings bei Erwachsenen, dass auch
hier durchschnittlich 2,3 Zähne initialkariöse Läsionen aufweisen, die eventuell zu
manifester Karies progredieren können, wenn sie nicht präventiv angegangen
werden. Es lässt sich also konstatieren, dass eine präventive Unterversorgung
vorliegt. Ein augenfälliger Befund der DMS-III-Studie ist, dass ein kontrolliertes
Aufsuchen der zahnärztlichen Praxen mit einer geringeren Anzahl fehlender oder
kariöser Zähne einhergeht, die Anzahl gefüllter Zähne jedoch ansteigt.
Hier stehen dem Betrachter zwei mögliche Interpretationen offen. Zum einen
könnte dies bedeuteten, dass mit dem regelmäßigen Aufsuchen einer
Zahnarztpraxis eine übermäßige Restaurationstätigkeit des Zahnarztes verbunden
ist. Dies würde einer Überversorgung entsprechen. Wenn aber gleichzeitig eine
geringere Anzahl fehlender Zähne und kariöser Zähne festzustellen ist, so deuten
die Zahlen andererseits darauf hin, dass durch eine frühe Diagnose und eine
frühzeitige Intervention Zahnverlust durch Karies vermieden werden kann. Für
eine weitere Verbesserung der Mundgesundheit wäre dann erforderlich, durch
entsprechende Maßnahmen ein besseres Inanspruchnahmeverhalten von
erwachsenen Personen zu fördern.
In diesem Zusammenhang wird diskutiert, dass heutzutage zu häufig und zu früh
Füllungen ausgetauscht und Überkronungen zu schnell vorgenommen werden.
Nach wie vor gibt es jedoch keine Beweise für eine derartige Vermutung. Sollte
sich eine solche Feststellung bewahrheiten, so könnte dies in erster Linie auf eine
stark
restaurativ
ausgerichtete
Ausbildung
(siehe
Inhalte
der
Approbationsordnung) zurückzuführen sein. Es wäre möglich, dass sich hier
durch eine entsprechende Umgestaltung des Curriculums eine derartige
Fehlsteuerung vermeiden ließe. Es sei jedoch hier noch einmal betont, dass es für
derartige Vermutungen in Deutschland keine evidenz-basierten Studien gibt.
Grundsätzlich lässt sich zudem noch festhalten, dass bei Erwachsenen mit mehr
als 20 DMF-Zähnen ein statistisch signifikant höherer Plaquebefall festzustellen
ist als bei den übrigen Untersuchten. Allgemein kann man also formulieren, dass
eine
Unterversorgung
im
Bereich
der
Individualprophylaxe
(lokale
Fluoridierungsmaßnahmen, professionelle Zahnreinigung, Motivation und
Instruktion zur häuslichen Mundhygiene) vorliegt. Zum Wurzelkariesbefall lässt
sich feststellen, dass immerhin 11,8% der untersuchten Erwachsenen
mindestens eine kariöse oder gefüllte Wurzelfläche haben. Dabei haben Personen
mit hohem DMFT-Wert auch einen höheren Wurzelkariesbefall. Erneut lässt sich
dies vermutlich auf unzureichendes Präventionsverhalten zurückführen.
Insgesamt waren 9,9% aller freiliegenden Wurzelflächen nicht mehr gesund.
Wenn dies auch eine geringe Anzahl ist, so sollte der Behandlungsbedarf, der
zukünftig aufgrund einer derartigen Karies auf die Zahnmedizin zukommt, nicht
unterschätzt werden, da eventuell aufgrund der Prophylaxe im jugendlichen Alter
noch mehr Zähne erhalten werden können und somit die Anzahl der
Risikoflächen steigen dürfte. Das gilt in ähnlicher Form für nicht kariöse
Zahnhartsubstanzdefekte (Erosionen, Abrasionen). Hier wäre also zukünftig auch
eine präventive und möglicherweise restaurative Unterversorgung zu
konstatieren.
Bei Senioren zeigt sich seit zwei Jahrzehnten keine Änderung beim DMFT-Wert.
Allerdings ist die Anzahl kariöser Zähne zurückgegangen und die Anzahl gefüllter
Zähne ist gestiegen. Der Sanierungsgrad ist mit über 93% gut. Eine
Unterversorgung ist weiter im präventiven Bereich festzustellen, da immerhin
10% der vorhandenen Zähne Initialläsionen aufweisen.
2.
BEURTEILUNG
EINER
ÜBER-,
ENDODONTOLOGISCHEN BEREICH
UNTER-
UND
FEHLVERSORGUNG
IM
Zur Güte und zur Häufigkeit endodontologischer Behandlungen in Deutschland
gibt es vereinzelte (regional begrenzte) Studien, die aber zumindest einen groben
Überblick über die heutige Situation ermöglichen, auch wenn sie nicht
repräsentativ sind und daher möglicherweise nicht auf die gesamte Bevölkerung
übertragen werden können. Bei diesen Untersuchungen zeigen sich klare
Tendenzen. Zum einen lassen sich nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten
erhebliche Qualitätsmängel, die als Fehlversorgung interpretiert werden können,
feststellen. So sind nur etwa 50% der Wurzelkanalfüllungen korrekt. Zwischen
14 und 45% der Wurzelfüllungen führen nicht zu einem Erfolg. Zu einer
Überversorgung im endodontologischen Bereich lassen sich wiederum keine
Aussagen machen. Hier wäre daran zu denken, dass beispielsweise intentionelle
Wurzelkanalbehandlungen vor prothetischen Maßnahmen in einem Umfang
durchgeführt werden, der sich nicht rechtfertigen ließe. So gibt es
Lehrmeinungen, dass jeder Zahn grundsätzlich vor einer Überkronung zu
devitalisieren und mit einer Wurzelkanalfüllung zu versehen sei. Inwieweit
derartige Lehrmeinungen heute noch Gültigkeit haben und tatsächlich später in
der zahnärztlichen Praxis umgesetzt werden, ist nicht nachzuweisen. Eventuell
lassen sich zudem mit entsprechenden tertiärpräventiven Maßnahmen (zum
Beispiel schrittweiser Kariesentfernung) Wurzelkanalbehandlungen vermeiden.
Damit könnte ein Beitrag zu einer relevanten Verminderung von
Wurzelkanalbehandlungen geleistet werden.
Man kann also konstatieren, dass im endodontologischen Bereich eher eine
Fehlversorgung und möglicherweise eine Überversorgung und gleichzeitig eine
Unterversorgung (siehe Anzahl extrahierter Zähne bei Erwachsenen und
Senioren) nebeneinander existieren. Es wäre in diesem Zusammenhang
wünschenswert, die Leistungskataloge so zu verändern, dass dem Zahnarzt eine
ausreichende Vergütung für eine langwierige, lege artis durchgeführte WKBehandlung überhaupt ermöglicht wird.
3.
ZUSAMMENFASSUNG
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass im zahnerhaltenden Bereich bisher
eine
präventive
und
teilweise
restaurative
Unterversorgung,
im
endodontologischen Bereich eher eine Fehlversorgung vorliegt. Neue Techniken,
und veränderte Materialien könnten allerdings in Zukunft eine neue Beurteilung
notwendig machen. Die Ausbildung der Zahnmedizinstudenten sollte zudem
grundsätzlich überholt und neu gestaltet werden.
Inwieweit Unterversorgungen bei behinderten und schwer erkrankten Patienten
(HIV, Hepatitis C usw.) vorliegen, lässt sich nicht mit Zahlen beweisen. Es kann
aber die Vermutung geäußert werden, dass die Betreuung dieser Patienten zu
wünschen übrig lässt, da sie häufig mit einem desolaten Gebisszustand in
Universitätszahnkliniken bzw. speziell eingerichtete Praxen überwiesen werden.
In den Kliniken, deren Personal-, Sach- und Investitionsmittel überwiegend
entsprechend der Kapazitätsverordnung für die Lehre gedacht sind, wird quasi
„freiwillig“ eine spezielle Versorgung, die mit einer Personalüberbelastung
einhergeht, geleistet. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob der
Status der Universitätszahnkliniken nicht geändert werden müsste, um eine
adäquate Versorgung dieser Patientengruppen zu gewährleisten. Bis auf die
MKG-Chirurgie haben die Zahnkliniken bisher nämlich keinen Versorgungsauftrag.
Dieser liegt ausschließlich bei den Landeszahnärztekammern. Es sollte zumindest
daran gedacht werden, die bisherigen pauschalen Abschläge bei der
Leistungsvergütung (wegen Lehre ca. 20-30%) zukünftig wegfallen zu lassen.
Da es in Zukunft aufgrund der Altersstrukturen der Bevölkerung vermehrt
Problempatienten - häufig mit schwerwiegenden Erkrankungen - geben wird,
müssen im Sinne einer Ermächtigung oder eines Versorgungsauftrages
Strukturen geschaffen werden, die eine adäquate Versorgung dieser Menschen
garantieren.
LITERATUR
Bjørndal L, Larsen T, Thylstrup A:
A Clinical and Microbiological Study of Deep Carious Lesions during Stepwise
Excavation Using Long Treatment Intervals.
Caries Res 31, 411-417 (1997)
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege:
Epidemiologische Begleituntersuchungen zur Gruppenprophylaxe 1997.
ISBN 3-926-22/-13-x
Micheelis W, Reich E:
Dritte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS III).
Deutscher Ärzte-Verlag, Köln 1999
Schulte A, Pieper K, Charalabidou O, Stoll R, Stachniss V:
Prevalence and quality of root canal fillings in a German adult population.
Clin Oral Invest 2, 67-72 (1998)
Med. Zentrum für Zahn-, Mund- und
Kieferheilkunde
Schlangenzahl 14, D-35392 Gießen
Anlage 2
MED. ZENTRUM FÜR
ZAHN-, MUND- UND KIEFERHEILKUNDE
POLIKLINIK FÜR PARODONTOLOGIE
Prof. Dr. J. Meyle
Herrn
Prof. Dr. Dr. Wagner
Präsident der DGZMK
Augustus-Platz 2
Schlangenzahl 14
D-35392 Gießen
Telefon: 0641/99-46191
Telefax: 0641/99-46189
55131 Mainz
Gießen, den 25.05.00
Az.: MEY/sch/2973-00
Betr.: Frage der Über-/Unterversorgung im Bereich Zahnmedizin
Stellungnahme zur Frage der Über-/Unter- bzw. Fehlversorgung auf dem Gebiet
der Parodontologie/Zahnbetterkrankungen
Add. 2.1: Indikationsbezogene Befragung
1. Problembeschreibung:
Neben der Karies bilden Zahnbettentzündungen die häufigste Erkrankungsform in
unserer Bevölkerung. So leiden nach der jüngsten IDZ-Erhebung ca. 10-15 % der
Erwachsenen (35-44-jährige) an einer schweren generalisierten Form der marginalen
Parodontitis, die unbehandelt zur Zahnlockerung und zum Zahnverlust führt.
Geht man von einer Gesamtbevölkerungszahl von 80 Millionen aus bedeutet dies, dass
in dieser Altersgruppe bei mindestens 8 Millionen Einwohnern eine komplexe und
umfassende Therapie erforderlich ist. Dem steht gegenüber, dass in den letzten 8
Jahren (1991-1998) nach dem Jahrbuch 1999 der Kassenzahnärztlichen
Bundesvereinigung (KZBV) insgesamt im Rahmen der gesetzlichen
Krankenversicherung in den neuen und alten Bundesländern nur 5,28 Millionen
Behandlungen abgerechnet wurden. Nach Zahlen der Kassenzahnärztlichen
Vereinigung Hessen wurde auch in den Jahren 1998 bzw. 1999 nur in 39 % aller
Zahnarztpraxen überhaupt Parodontalbehandlungen durchgeführt und abgerechnet.
Für diese Diskrepanz zwischen der Prävalenz der Erkrankung und der tatsächlich
durchgeführten Anzahl der Behandlungen gibt es eine Reihe von Faktoren, die
unmittelbar bzw. mittelbar dafür verantwortlich sind:
1. Ausbildungsdefizit
Im Unterschied zu allen anderen Fächern im Studiengang Zahnmedizin sind die
Fächer “Prävention und Prophylaxe“ und “Parodontologie“ im Curriculum
hinsichtlich ihrer Stundenzahl und der Intensität der Lehrvermittlung nicht
eindeutig verankert. Ausserdem ist dieses Fach an den meisten deutschen
Zentren für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde nicht als selbständiges Fach mit
eigenem Lehrstuhl vertreten, sondern wird im Rahmen des Faches
Zahnerhaltungskunde mit vertreten. Hier unterscheidet sich die Fächerstruktur der
deutschen Universitäten deutlich von unseren skandinavischen Nachbarländern
und von der Fächerstruktur in den Vereinigten Staaten.
1
In der derzeit noch gültigen Approbationsordnung dominieren mechanistische
restaurative Ansätze, d.h. präventive Aspekte und die Zahnerhaltung durch
Behandlung des erkrankten Parodontiums kommt vielfach zu kurz.
2. Fachzahnärztemangel:
Obwohl von der wissenschaftlichen Fachgesellschaft (Deutsche Gesellschaft für
Parodontologie, DGP) seit mehr als 20 Jahren, ausser der Etablierung dieses
Faches als eines der Hauptstudienfächer im Gesamtcurriculum die Etablierung
einer Weiterbildung auf diesem Fachgebiet in Form einer
Fachzahnarztanerkennung gefordert wird, ist dies bislang nur im Kammerbereich
Westfalen-Lippe realisiert worden.
Vielfach sind die Zahnärzte aufgrund der zuvor aufgezeigten Ausbildungssituation
mit der Diagnostik und Therapie derartiger Erkrankungsformen überfordert.
3. Diagnosedefizite:
Da es sich bei der marginalen Parodontitis um eine primär chronisch verlaufende
bakteriogene Infektion des Zahnhalteapparates handelt, die nur in den wenigsten
Fällen zu akuten Beschwerden führt, wird diese Erkrankung, sofern keine
spezielle lokale Diagnostik erfolgt, in vielen Fällen zu spät oder überhaupt nicht
erkannt und führt in vielen Fällen zu einem irreversiblen Verlust des
Alveolarknochens. Nach den derzeit gültigen Gebührenordnungen in den
gesetzlichen Krankenversicherungen ist es nicht zwingend vorgeschrieben, dass
bei einer Patientenerstuntersuchung eine spezielle Diagnostik des
Zahnhalteapparates des Patienten erfolgen muss. Daher ist es verständlich, dass
diese Erkrankung zumindest in den Anfangsstadien z.T. übersehen wird und die
später durchgeführte Therapie auch bei einem erheblichen Aufwand nicht mehr in
der Lage ist die entstandenen Schäden und Defekte völlig zu beseitigen.
4. Veraltetes Behandlungskonzept:
Der in der gesetzlichen Krankenversorgung zur Zeit gültige Behandlungsvertrag
auf diesem Fachgebiet besteht seit mehr als 30 Jahren in nahezu unveränderter
Form, d.h. alle neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten 2 Jahrzehnte
blieben bislang weitgehend unberücksichtigt, dazu gehören:
-
die Einbeziehung der initialen Behandlungsphasen zur Erzielung einer
weitgehenden klinischen Entzündungsfreiheit
-
die adäquate Berücksichtigung der verschiedenen modernen
Behandlungsverfahren zur Regeneration des Halteapparates
-
sowie die regelmässige Nachsorge zur Verhinderung von Rezidiven.
Empfehlungen:
Die Frühdiagnostik einer marginalen Parodontitis gehört zu den wichtigsten Elementen
einer präventionsorientierten Zahnheilkunde! Bei einer frühzeitigen Diagnose und
adäquaten Intervention von Seiten des Zahnarztes ist es möglich das Auftreten von
Folgeschäden, d.h. durch Abbau von Alveolarknochen und des Zahnverlustes zu
vermeiden und unter normalen Voraussetzungen dem Patienten lebenslang seine Zähne
zu erhalten.
Die dafür erforderlichen therapeutischen Strategien sind seit Jahrzehnten durch
international publizierte klinisch-kontrollierte randomisierte Studien belegt. Die o.g.
2
Zahlen verdeutlichen, dass auch im Jahr 2000 in Deutschland auf diesem Gebiet ein
erheblicher Nachholbedarf besteht, der uns bei einer flächendeckenden und
konsequenten Umsetzung in die Lage versetzen würde, nicht nur den
Zahngesundheitszustand unserer Bevölkerung erheblich zu verbessern, sondern auch
die Kosten für restaurative Massnahmen zu senken.
Leider sind bis heute die dafür erforderlichen Schritte nicht konsequent getan worden,
d.h. zu allererst muss die Ausbildung im Studiengang Zahnmedizin auf diesem Gebiet
verbessert und intensiviert werden. Dies kann nur durch eine rasche Novellierung der
derzeit gültigen Approbationsordnung erfolgen.
Ausserdem ist die Novellierung des derzeit gültigen Behandlungsvertrages im Rahmen
der gesetzlichen Krankenversicherung dringend erforderlich, um den Zahnärzten die
Möglichkeit zu geben die Behandlung nach derzeit gültigen wissenschaftlichen
Grundsätzen durchzuführen und Frührezidive zu vermeiden. Dazu gehört auch die
Etablierung neuer Verfahrensweisen in der zahnärztlichen Diagnostik und die
Einbeziehung der parodontologischen Untersuchung als obligatorischen Bestandteil der
klinischen Erstuntersuchung.
Mit diesem Bündel an Massnahmen würde es gelingen, innerhalb von wenigen Jahren
den restaurativen Behandlungsbedarf deutlich zu senken und die Zahngesundheit
unserer Bevölkerung erheblich zu verbessern.
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DGZMK - Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
DGZMK Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- & Kieferheilkunde
Implantologie in der Zahnheilkunde
Quelle: DZZ 1998
Allgemeines:
Die enossale Implantologie ist als wissenschaftlich anerkannte Therapie integraler Bestandteil der
Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Implantate sind künstliche Pfeiler, die zur Verankerung von
Zahnersatz, Epithesen und kieferorthopädischen Behandlungsmitteln etc. eingesetzt werden.
Neben der hohen Funktionalität liegen die Vorteile dieser Therapieform in der stabilen und
langfristig knochenerhaltenden Verankerung. Implantatversorgungen sind zu einem hohen
Prozentsatz klinisch erfolgreich, da sie die vorgesehene Funktion langfristig ohne pathologische
Befunde und ohne Schäden am Lagergewebe erfüllen können. Zusätzlich können
Behandlungsmaßnahmen an Nachbarstrukturen (z.B. Nachbarzähnen) vermieden werden.
Das personelle, instrumentelle und hygienische Umfeld entspricht dem bei vergleichbaren
elektiven Eingriffen. Die besonderen Kenntnisse über die implantologische Therapie sollten durch
entsprechende Aus- oder Fortbildung erworben werden.
Die heute verwendeten Implantate bestehen in der Regel aus Titan mit unterschiedlichen
Oberflächenstrukturierungen. Eine reizlose knöcherne Einheilung und langfristige Funktion sind
klinisch und histologisch belegt. Daneben können Titanimplantate mit unterschiedlichen
Beschichtungen aus Hydroxylapatitikeramik klinisch zur Anwendung kommen. Überwiegend
werden rotationssymmetrische Formen als Zylinder und Schrauben mit kongruentem
Implantationsinstrumentarium eingesetzt, daneben sind blattförmige Extensionsimplantate bei
speziellen knöchernen Ausgangssituationen (z.B. schmaler Kieferkamm) gebräuchlich.
Indikation:
Es besteht bei ausreichend vorhandenem oder aufgebauten ortsständigen Hart- und
Weichgewebeangebot eine medizinische Indikation für enossale Implantate bei Patienten:
die ohne Implantate funktionell nicht befriedigend versorgt werden können (z.B. extreme
Kieferatrophie, angeborene und unfallbedingte oder nach Tumorresektion angefallene
Defekte)
bei denen die Implantatversorgung gegenüber der konventionellen Versorgung funktionelle
Vorteile bietet (z.B. zahnloser Kiefer, Freiendsituation, Schaltlücke, kieferorthopädische
Behandlungsmittel)
bei denen auch durch alternative Behandlungsmaßnahmen vergleichbare funktionelle
Ergebnisse nicht zu erzielen sind. Besondere lokale Befunde und auch subjektive Gründe
können für eine Implantation sprechen.
Indikationseinschränkungen:
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DGZMK - Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
Für die Implantologie gelten dieselben Indikationseinschränkungen wie für elektive operative
Eingriffe in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Sie können allgemeinmedizinisch bedingt
oder lokal auf das Implantationsgebiet begrenzt sein. Weitere Indikationseinschränkungen
bestehen bei mangelnder Bereitschaft zur Mundhygiene und bei unzureichender Kooperation der
Patienten.
Diagnostik und Planung:
Die präimplantologische Diagnostik umfaßt neben der klinischen Untersuchung die funktionelle
Analyse und die Beurteilung der lokalen Hart- und Weichgewebe. Planungsmodelle sind hilfreich
bei der Festlegung der Implantatposition und ermöglichen unter Berücksichtigung des geplanten
Zahnersatzes die Herstellung von Röntgen- und Operationsschablonen.
Zur Diagnostik des Knochenangebotes durch bildgebende Verfahren ist die
Panoramaschichtaufnahme mit Meßreferenz als Basisdokumentation anzusehen. Als ergänzende
Maßnahmen können zusätzliche Projektionen wie z.B. enorale Zahnfilme,
Fernröntgenseitenaufnahmen, Aufbißaufnahmen oder Aufnahmen der Nasennebenhöhle
notwendig werden. Die Computertomographie ermöglicht vor allem in Kombination mit
Planungsschablonen eine dreidimensionale Beurteilung des Knochenlagers. Wegen der
Strahlenbelastung ist die Computertomographie keine Routineuntersuchung und sollte auf
besondere Indikationen beschränkt werden.
Die Anzahl der erforderlichen Implantate, sowie deren Länge und Durchmesser wird bestimmt
durch das verfügbare knöcherne Implantatlager sowie deren spätere Nutzung.
Beim Zahnersatz muß zwischen abnehmbaren, bedingt abnehmbaren und festsitzenden
Versorgungen unterschieden werden.
Herausnehmbarer implantatgestützter Zahnersatz beim zahnlosen Kiefer wird standardmäßig auf 4
Implantaten abgestützt. Diese Form der Versorgung ermöglicht eine höhere Stabilisierung der
Prothese mit weniger Knochenresorption des Kiefers als die ebenfalls mögliche Stabilisierung mit
2 Implantaten.
Rein implantatgetragener Zahnersatz beim zahnlosen Kiefer ist standardmäßig auf 6 Implantaten
abgestützt, wobei im Oberkiefer auch mehr als 6 Implantate, im Unterkiefer in Ausnahmefällen
auch lediglich 4 Implantate notwendig sein können.
Bei Freiendindikationen und großen Schaltlücken werden in Abhängigkeit von ihrer Größe bei
Verbundbrücken (Verbindung von Implantaten mit natürlichen Zähnen) 1 oder 2 Implantate und
bei rein implantatgetragenen Konstruktionen standardmäßig 2 oder 3 Implantate angewandt.
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