Oktober 2013 Kreditrückgang in der Eurozone – Wie hoch ist das Wachstumsrisiko für 2014? Dr. Klaus Bauknecht [email protected] Zusammenfassung Im Gegensatz zu Federal Reserve Bank, Bank of England oder japanischen Notenbank verfolgt die Europäische Zentralbank auch weiterhin keine Strategie der direkten und aktiven Ausweitung der Geldmenge, zum Beispiel durch ein Aufkaufprogramm von Staatsanleihen. Anders als in den USA und Großbritannien stagniert die Geldmenge in der Eurozone. Die konjunkturellen Aussichten für 2014 bleiben, nicht überraschend, deutlich hinter diesen Ländern zurück. Und selbst diese moderate Konjunkturerwartung in der Eurozone ist noch mit Risiken behaftet. Denn bis auf wenige Ausnahmen sinkt, preisbereinigt betrachtet, die Kreditvergabe an Unternehmen und Haushalte in allen Euroländern und somit auch für die Währungsunion insgesamt. Es mag viel diskutiert werden, ob die Kreditvergabe den Grund oder eher das Ergebnis einer schwachen konjunkturellen Erholung darstellt. Ebenso mag an der Effektivität der Aufkaufprogramme anderer Notenbanken gezweifelt werden. Geschichtliche Ereignisse zeigen jedoch, dass ohne einen Anstieg der Geldmenge, ob dieser durch Aufkäufe von Staatsanleihen oder eine Ausweitung der Kreditvergabe geschieht, Wirtschaftswachstum und die Verbesserung von hochverschuldeten Bilanzen nur schwer erreichbar sind. Unabhängig von den kausalen Zusammenhängen ist die aktuelle Kreditvergabe in der Eurozone somit ein Indiz für ein anhaltend hohes Wachstumsrisiko. Diese Studie analysiert die negativen Wachstumskonsequenzen, die sich aus der aktuellen Kreditentwicklung in den 17 Euroländern ergeben. Hierzu wird eine Panelregression geschätzt, die den Einfluss zwischen der Kreditvergabe und dem BIP-Wachstum darstellt. Empirische Schätzungen deuten darauf hin, dass vor allem in Spanien und Italien der negative Wachstumseffekt, der durch die aktuelle Kreditvergabe verursacht wird, eher hoch ist. Gegenwärtige Wachstumserwartungen für 2014 setzen mindestens eine Stabilisierung der Kreditvergabe voraus, um realistisch bzw. realisierbar zu sein. Das Wachstumsrisiko vor allem in Ländern wie Spanien, Italien, Portugal und Griechenland bleibt weiterhin hoch. Die Stabilisierung der Kreditvergabe sollte explizit angestrebt werden. Volkswirtschaft & Research Das aktuelle Kreditwachstum in Spanien dämpft das BIP-Wachstum in 2013 um 1,7 Prozentpunkte. Sollte sich der aktuelle Trend auch in 2014 fortsetzen und somit das Wachstum erneut mit dieser Größe belastet werden, sind die aktuellen Wachstumserwartungen für 2014 in Spanien nicht erreichbar. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass sich die spanische Kreditvergabe stabilisieren muss, damit die Wachstumsprognosen für 2014 plausibel sind. Für Portugal sieht das Bild ähnlich aus. Die aktuelle Kreditvergabe belastet das BIP-Wachstum in 2013 zwar nur um 1 Prozentpunkt. Allerdings wird von einer Verbesserung des BIP-Wachstums in 2014 um 2,3 Prozentpunkte ausgegangen (auf 0 % Wachstum nach einer Schrumpfung in Höhe von 2,3 % in 2013). Dafür muss sich die Kreditvergabe zumindest stabilisieren, damit die Konjunkturerwartungen für 2014 realisierbar sind. Für Italien wird ein BIP-Wachstum von -1,7 % in 2013 und 0,5 % in 2014 erwartet, was ebenfalls wie im Falle Portugals eine Verbesserung um über 2 Prozentpunkte bedeutet. Im Falle Italiens ist der negative Einfluss der aktuellen Kreditvergabe auf das BIP-Wachstum mit 0,7 Prozentpunkten jedoch etwas geringer. Dennoch würde auch hier gelten, dass ohne eine Stabilisierung der Kreditvergabe, negative Wachstumsimpulse auch in 2014 in der Größenordnung von 0,7 Prozentpunkten zu erwarten sind, was die Erholung des BIP-Wachstums in Frage stellt. Deutschlands Wachstum in 2013 wird nur marginal von einer negativen Kreditvergabe beeinflusst, unter anderem weil das preisbereinigte Kreditwachstum kaum negativ ist. Daher ist die Erwartung eines BIP-Wachstums in Deutschland von um die 2 % in 2014 eher robust zur Entwicklung der deutschen Kreditvergabe. Wirtschaftspolitische Implikationen: Im Gegensatz zur Geldmenge, die eine Zentralbank direkt beeinflussen kann, gestaltet sich eine Stimulierung der Kreditvergabe um einiges schwieriger, vor allem im Umfeld niedriger Zinsen. Es ist wie mit einer Schnur – die man zwar ziehen, aber nicht schieben kann. Die effektivere Politik sollte darin liegen, das Unternehmer- und Konsumentenvertrauen direkt zu beeinflussen – das allerdings weniger durch fiskalische Sparmaßnahmen, sondern eher durch erhöhte Nachfrage nach Gütern positiv bestimmt wird. So bleibt nicht nur die EZB gefordert, ihren aktuellen Krisenkurs beizubehalten. Auch die Fiskalpolitik steht in der Verantwortung, eine sinnvolle Stabilitätspolitik in 2014 umzusetzen. Deswegen sollte zum Beispiel bei der Bestimmung der Defizitziele für 2014 die Kreditentwicklung berücksichtigt werden. 2 Volkswirtschaft & Research Inhalt Zusammenfassung 1 1. Einleitung 1.1. Fokus der Analyse 1.2. Aufbau der Analyse 4 5 7 2. Geldmengenwachstum und Krisenpolitik 2.1. Rolle der Fiskal- und Geldpolitik 2.2. Fazit 8 8 10 3. Verhältnis zwischen Geldmenge, Kreditnachfrage und BIP-Wachstum 3.1. Geldmenge und Kreditvergabe 3.2. Geldmenge und BIP-Wachstum 3.3. Kreditvergabe und BIP-Wachstum 3.4. Fazit 11 11 12 13 14 4. Risiko des Kreditwachstums für das BIP-Wachstum in der Eurozone – eine länderspezifische Analyse 4.1. Modellansatz 4.2. Empirische Ergebnisse Teil 1: Länderspezifische Aspekte 4.3. Fazit 4.4. Empirische Ergebnisse Teil 2: Wachstumsrisiken aus aktueller Kreditvergabe 4.5. Fazit 4.6. Empirische Ergebnisse Teil 3: Wachstumsprognosen für 2014 – Muss eine baldige Stabilisierung der Kreditvergabe stattfinden? 4.7. Fazit 17 17 18 19 20 21 21 22 Anhang 1: Referenzen und IKB-Research 24 Anhang 2: Schätzung von Gleichung 2 – ausgewählte Ergebnisse 25 3 Volkswirtschaft & Research 1. Einleitung Die Kreditvergabe in der Eurozone ist angesichts des Vertrauensverlustes von Unternehmen und Konsumenten nun schon seit geraumer Zeit rückläufig. Unternehmer bevorzugen, sich eher zu entschulden als zu investieren; Konsumenten meiden neue Kredite, unter anderem wegen des hohen Risikos möglicher Arbeitslosigkeit, sinkender Löhne, steigender Steuerlasten, sinkender Häuserpreise und genereller Unsicherheit. Daher ergeben sich aus dem negativen Kreditwachstum bedeutende Wachstumsrisiken für die Eurozone, was auf einen negativen Kreislauf von schwachem Wachstum, Vertrauensverlust und rückläufiger Kreditvergabe hinauslaufen kann. Kreditwachstum mag durch eine sinkende Nachfrage oder aber auch durch eine Kreditklemme beeinflusst sein. So kann auch der Zusammenhang (Kausalität) zwischen BIP- und Kreditwachstum unterschiedlich ausfallen. Doch wie auch immer die Entwicklungen für einzelne Euroländer aussehen mögen, es ändert nichts an der Tatsache, dass eine Wirtschaft ohne Kredit- bzw. Geldmengenwachstum nur begrenzt wachsen kann – vor allem, wenn sie eine niedrige Sparquote bzw. hohe Schuldenquote aufweist. Daher stellt die aktuelle Kreditvergabe in der Eurozone und insbesondere in vielen Mitgliedsländern Südeuropas einen Risikofaktor dar, aber auch eine mögliche Steuergröße für die Geld- und Wirtschaftspolitik. Benötigt die Eurozone in Anbetracht der anhaltenden fiskalischen Herausforderungen und der hohen Arbeitslosenquote ein Aufkaufprogramm bzw. eine aktive Politik der Kreditausweitung? Wichtige Notenbanken wie die Fed, BoE oder BoJ haben mehrere Programme zur Ausweitung der Geldmenge eingeführt und legen mehr und mehr den Fokus auf eine aktive Stimulierung der Wirtschaft. Jüngste Kommentare der Fed gehen sogar so weit, dass sie die EZB auffordert, ein Aufkaufprogramm einzuführen, um die Wachstumsrisiken, resultierend aus der aktuellen Fiskalpolitik, zu reduzieren. Im Gegensatz zu den USA stagniert in der Eurozone die Geldmengenausweitung nun schon seit geraumer Zeit, vor allem preisbereinigt betrachtet. Abbildung 1 zeigt, dass nach Jahren des Gleichlaufs seit 2010 eine beachtliche Diskrepanz zu erkennen ist, die sehr deutlich die unterschiedliche Krisenpolitik widerspiegelt. Wachstumsrisiken durch negatives Kreditwachstum Kausalität zwischen BIPund Kreditwachstum nicht immer gleich Braucht die Eurozone ein Aufkaufprogramm? Abb. 1: Entwicklung der Geldm enge in der Eurozone (M3) und den USA (MZM) in Mrd. Einheiten Landeswährung 13.000 12.000 11.000 10.000 9.000 8.000 7.000 6.000 2006 2007 2008 2009 Euro-Zone (M3) 2010 2011 2012 2013 USA (MZM) Quellen: EZB; Federal Reserve Bank of St. Louis; IKB 4 Volkswirtschaft & Research Doch sind Aufkaufprogramme sinnvoll bzw. notwendig, oder stellen sie eine fragwürdige Ausweitung des traditionellen Mandates der Notenbanken dar? Notenbanken wie die Fed verfolgen inzwischen ein explizites Ziel hinsichtlich der Arbeitslosenquote (6,5 %) – eine Zielgröße, auf die sie keinen direkten Einfluss haben. Zudem nimmt das Aufkaufprogramm ein Ausmaß an, das die Stabilität der Finanzmärkte negativ beeinflusst. Dies hat die Reaktion der Finanzmärkte auf die im Mai in Aussicht gestellte Rückführung des Aufkaufvolumens der Fed deutlich gezeigt. Aufkaufprogramme als Ursache für Instabilität? 1.1. Fokus der Analyse Die EZB versucht, die Kreditvergabe durch Zinsveränderungen sowie eine Anpassung der Anforderungen für die Besicherung von Liquidität zu beeinflussen. Ziel ist es, die Refinanzierungskosten der Banken für Unternehmenskredite zu senken und damit den effektiven Zinssatz für Unternehmen zu reduzieren. Wie Abbildung 2 veranschaulicht, sind die Sicherheiten bei der EZB nicht nur deutlich angestiegen, sondern auch ihre Zusammensetzung hat sich verändert. Größte Komponente ist nun die Kategorie „Sonstige Vermögenswerte“, die unter anderem Unternehmensanleihen und Asset Backed Securities beinhaltet. Zunahme der bei der EZB hinterlegten Sicherheiten Abb. 2: Bei der EZB hinterlegte Sicherheiten der Banken in Mrd. Euro 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0 2006 2007 Staatsanleihen 2008 2009 2010 Unbesicherte Bankanleihen 2011 Covered Bonds 2012 2013Q1 2013Q2 Sonstige Vermögenswerte Quelle: EZB Ob dies alleine als geldpolitische Maßnahme ausreicht, ist angesichts der aktuellen Kreditvergabe sowie der in Abbildung 3 dargestellten Diskrepanz zwischen den Zinsen für Unternehmenskredite einzelner Länder eher fraglich. Zweifel diesbezüglich sind umso mehr angebracht, als eine kurzfristige Erholung stattfinden muss bzw. den Einflüssen der Fiskalpolitik in 2014 entgegengewirkt werden soll, um eine nachhaltige Erholung der Eurozone sicherzustellen. 5 Volkswirtschaft & Research Abb. 3: Kreditzinsen für Unternehmen in ausgewählten Euroländern in % 7 6 5 4 3 2 2006 2007 2008 Deutschland 2009 2010 Frankreich 2011 2012 Italien 2013 Spanien Quelle: Eurostat Es ist zwischen Aufkaufprogrammen im Stile der Fed, welche die Geldmenge M3 ansteigen lassen, und dem Versuch, die Kreditvergabe zu beeinflussen, zu unterscheiden. Der Fokus in der aktuellen Studie liegt auf dem Einfluss der Kreditvergabe auf das BIP-Wachstum der Euroländer. Im Gegensatz zu den USA hat die Kreditvergabe in der Eurozone einen höheren Stellenwert, da hier die traditionelle Kreditfinanzierung eine größere Rolle spielt. Allerdings gewinnt neuerdings vor allem in Deutschland die Finanzierung über den Kapitalmarkt bei Unternehmen zunehmend an Bedeutung, sodass phasenweise mehr Geld über den Kapitalmarkt in den Unternehmenssektor fließt als über Bankkredite. Fokus liegt auf Einfluss der Kreditvergabe auf das BIPWachstum Abb. 4: Aufbau der Unternehmensfinanzierung in der Eurozone in % 100 90 80 70 60 50 2006 2007 2008 Kreditfinanzierung 2009 2010 2011 2012 2013 Schuldverschreibungen etc. Quellen: EZB; IKB 6 Volkswirtschaft & Research Das Verhältnis zwischen der Geldmenge M3 und dem BIP-Wachstum wird ebenfalls beleuchtet. Die folgenden Fragen haben die Analyse bestimmt: Welches Wachstumsrisiko ergibt sich aus dem aktuellen Rückgang der Kreditvergabe für einzelne Euroländer? Wie stark muss sich die Kreditvergabe erholen, damit die Wachstumsprognosen für 2014 ein ausgeglichenes Risikoprofil haben? Wie unterschiedlich ist der Einfluss der Kreditvergabe für einzelne Euroländer? Fragen, welche die Analyse bestimmt haben 1.2. Aufbau der Analyse Im folgenden Abschnitt wird das Verhältnis zwischen Geldmenge, Wachstum und Krisenpolitik der Notenbanken näher erläutert, bevor der Zusammenhang zwischen Kredit bzw. Geldmenge und Wachstum dargestellt wird. Der vierte Abschnitt fokussiert sich auf länderspezifische Zusammenhänge zwischen Kreditvergabe und Wachstum. Hierzu wird ein Modell geschätzt, das die Wachstumsrisiken der 17 Euroländer anhand ihrer Kreditvergabe quantifiziert. Die Ergebnisse werden zudem tabellarisch dargestellt. Aufbau der Studie 7 Volkswirtschaft & Research 2. Geldmengenwachstum und Krisenpolitik 2.1. Rolle der Fiskal- und Geldpolitik Vor rund 50 Jahren zeigten Milton Friedman und Anna J. Schwartz, dass eine wichtige Ursache der großen Depression in den USA eine schrumpfende Geldmenge war. Auch wenn viele Autoren diese Analyse inzwischen verfeinert bzw. relativiert haben, scheint die Grundaussage immer noch gültig zu sein: Schrumpft die Geldmenge einer Volkswirtschaft, werden deflationäre Kräfte frei und Bilanzen von Schuldnern verschlechtern sich. Die Konsequenz ist eine Anpassung der Bilanzen durch Sparen, was eine realwirtschaftliche Erholung der Nachfrage nach Gütern verhindert und den negativen Kreislauf von Geldmengen- und BIP-Rückgang weiter antreibt. Für eine Wirtschaft, die generell einen hohen Verschuldungsgrad aufweist, sind deflationäre Entwicklungen und die damit induzierten Bilanzanpassungen als besonders negativ zu sehen, da anders als in einem inflationären Umfeld keine für das Wirtschaftswachstum positive Korrektur der Bilanzen stattfindet. Im Falle von Inflation erholen sich überschuldete Bilanzen schneller und die realen Zinsen sinken. Es sind die Sparer, die benachteiligt werden. Wächst die Geldmenge in der Krise schneller als die wahrgenommene Inflation, so steigt die Bewertung von realen Vermögenswerten, was wiederum einen positiven Einfluss auf den Konsum ausüben kann (bekannt als der Pigou-Effekt). So kann ein Aufkaufprogramm nicht nur durch die Senkung von Kapitalmarktzinsen die Wirtschaft stützen, sondern auch durch die Höherbewertung von realem Vermögen. Dies ist aktuell am Beispiel der Erholung des US-Häusermarktes und des privaten US-Konsums ersichtlich. Schrumpfende Geldmenge setzt deflationäre Kräfte frei Aufkaufprogramm kann Vermögenseffekte auslösen und damit Konsum stärken Abb. 5: Entwicklung der US-Geldmenge (MZM) und der Häuserpreise (Case-Shiller-HPI) in Mrd. US-Dollar 14.000 Index 220 200 12.000 180 10.000 160 8.000 6.000 2006 140 120 2007 2008 Geldmenge (MZM) 2009 2010 2011 2012 2013 Case-Shiller-Hauspreisindex, 20-Metropolen (rechte Skala) Quellen: Bloomberg; Federal Reserve Bank of St. Louis In einer Krise wird mehr Konsum benötigt, keine höhere Sparquote. Denn Investitionen werden nicht durch eine höhere Sparquote gefördert, sondern durch einen Nachfrageanstieg nach Gütern. Dies ist zumindest die seit Keynes gültige Denkweise unter den meisten Volkswirten. Die klassische Argumentation, dass mehr Sparen Investitionen und somit Wachstum fördert, gilt höchstens für die lange Sicht. Allerdings gelten vor allem in der aktuellen Krise die Worte von Keynes: „In the long run, we are all Sparpolitik in Krisenzeiten kontraproduktiv 8 Volkswirtschaft & Research dead.“ Eine rigorose Sparpolitik ist in Krisenzeiten kontraproduktiv – auch für eine Stabilisierung der Staatsschuldenquote, da der Nenner (BIP) in einer Phase der Stagnation bzw. der Deflation deutlich schneller schrumpft als der Zähler (Staatsschulden): Ein Land kann sich in einer Krise, in der Investitionsverhalten und Vertrauen geschädigt sind, nicht gesundsparen. Erforderlich sind höhere Staatsausgaben, um eine Belebung der effektiven Nachfrage nach Gütern sicherzustellen, was wiederum einer Schrumpfung der Geldmenge und einer Deflation entgegenwirkt (siehe hierzu auch die IWF-Studie bezüglich einer erfolgreichen Fiskalpolitik). In der Eurozone stagniert die reale Geldmenge schon seit Längerem, und es gibt immer noch keine klaren Anzeichen einer Erholung. Zwar birgt die Entwicklung von M1 die Hoffnung auf eine Erholung von M3, allerdings lässt auch das Wachstum von M1 jüngst nach. Wie in Abbildung 1 verdeutlicht wurde, zeigt M3 selbst 5 Jahre nach der Krise noch immer keine eindeutigen Anzeichen einer Erholung. Außerdem sieht die Fiskalpolitik der Eurozone (EU-Defizitziele) in 2014 einen erneuten Sparkurs vor, der die deflationären Risiken in der Wirtschaft und vor allem in Krisenländern wie Spanien und Portugal wieder erhöht und die aktuelle Aufhellung der Konjunkturindikatoren erneut gefährden könnte. Gesundsparen nicht möglich Sparziele für 2014 könnten Erholung gefährden Abb. 6: Entwicklung der Industrieproduktion in der Eurozone und den USA Index (2008=100) 110 100 90 80 70 2008 2009 2010 Eurozone 2011 2012 2013 USA Quellen: Eurostat; Fed; IKB Aus Abbildung 6 ist ersichtlich, dass die Industrieproduktion in der Eurozone tendenziell immer noch rückläufig ist und dass in den letzten Jahren eine deutliche Wachstumsdifferenz im Vergleich zu den USA vorhanden ist. Der anfängliche Gleichlauf hängt mit einer generell ähnlichen Politik der Eurozone und der USA in den ersten Jahren nach der Krise zusammen. Beide haben durch eine expansive Geld- wie auch Fiskalpolitik in den ersten Jahren eine Erholung eingeleitet. Doch die restriktive Fiskalpolitik der Eurozone seit der Staatsschuldenproblematik in 2010/11 hat zu einer deutlichen Divergenz geführt: Die USA sind mit ihrer Industrieproduktion wieder auf dem Vorkrisenniveau, die Eurozone stagniert deutlich darunter. Der anfängliche Gleichlauf wie auch die nachfolgenden Unterschiede in der Krisenpolitik zwischen den USA und der Eurozone sind nirgends besser zu erkennen als in der Entwicklung der Arbeitslosenquoten, die in Abbildung 7 dargestellt wird. Ungleiche Krisenpolitik in der Entwicklung von Produktion und Arbeitslosenquote erkennbar 9 Volkswirtschaft & Research Abb. 7: Arbeitslosenquoten im Vergleich - Eurozone versus USA in % 14 12 10 8 6 4 2008 2009 2010 Eurozone 2011 2012 2013 USA Quellen: BLS; Eurostat 2.2. Fazit Die Konsolidierungspolitik der Eurozone als Ganzes und das Fehlen einer ambitionierten Anstrengung der EZB, die Geldmenge durch Aufkaufprogramme auszuweiten, lässt bestenfalls moderate Wachstumserwartungen zu. Darauf deuten die Erfahrungen aus Phasen hin, in denen die Wirtschaftspolitik auf Sparen fokussiert und die Geldmenge rückläufig war (große Depression). Die Eurozone braucht für ihren Erhalt eine konjunkturelle Belebung, die sich relativ schnell auf dem Arbeitsmarkt und somit in der Gesellschaft niederschlägt. Eurozone benötigt konjunkturelle Erholung Auch wenn die Konjunkturindikatoren der Eurozone mehr und mehr eine Stabilisierung bzw. erste Erholungstendenzen zeigen, ist die Wirtschaftspolitik der Eurozone dennoch gefordert, um Kredit- bzw. Geldmengenwachstum vor allem in den Krisenländern wieder herzustellen. Dies mag direkte Maßnahmen zur Ausweitung von Krediten und Bekämpfung einer Kreditklemme beinhalten oder aber mit einem reduzierten Fokus auf Sparmaßnahmen einhergehen, um eine Erholung der Nachfrage nach Gütern und damit des Unternehmer- und Konsumentenvertrauens einzuleiten. Wirtschaftspolitik ist gefordert Hellen sich die aktuellen Konjunkturindikatoren weiter auf, könnte dies für eine generelle Rückkehr des Vertrauens sorgen. Doch ob dies ausreicht, die Kreditvergabe bzw. die Investitionsentscheidungen von Unternehmen positiv zu beeinflussen und den Verbraucher zum Konsum zu animieren, bleibt abzuwarten. Hierfür scheint es doch notwendig zu sein, dass sich die fundamentale Entwicklung der Absatzmärkte und Arbeitslosenquoten nachhaltig verbessert. So betont die EZB auch immer wieder auf ihren Pressekonferenzen, dass trotz des erwarteten schwachen Konjunkturbilds die Wachstumsrisiken der Eurozone weiterhin hoch sind. Wachstumsrisiken in der Eurozone bleiben hoch 10 Volkswirtschaft & Research 3. Verhältnis zwischen Geldmenge, Kreditnachfrage und BIPWachstum 3.1. Geldmenge und Kreditvergabe Geldmenge und Kreditvergabe sind nicht das gleiche. Traditionell treibt die Kreditnachfrage das allgemeine Geldmengenwachstum, das die Notenbank wiederum durch Zinsveränderungen zu steuern versucht. Doch in Krisenzeiten können andere, wenn auch kleinere Determinanten der Geldmenge diese entscheidend beeinflussen. Dies wird anhand der Aufkaufprogramme deutlich, die zwar die Geldmenge erhöhen, die Kreditvergabe anfangs allerdings unberührt lassen. Ein Aufkaufprogramm erhöht die Einlagen der Verkäufer dieser Papiere bei Banken und damit die Geldmenge. Da dies von der Notenbank entschieden wird und sie theoretisch unbegrenzt agieren kann, ist die Geldmenge ultimativ unter der Kontrolle der Notenbank. In Krisenzeiten kann sich der konventionelle Einfluss der Notenbank auf die Kreditvergabe jedoch deutlich reduzieren, vor allem wenn die Schlüsselzinsen der Notenbank nicht nur bei 0 % liegen, sondern deren Einfluss auf die Kreditentscheidung reduziert ist, weil Konsumenten und Unternehmen sich entschulden oder verunsichert sind. So sind in der Eurozone die reale bzw. preisbereinigte Kreditvergabe an den Privatsektor, aber insbesondere die Kredite an Unternehmen nun schon seit längerer Zeit rückläufig. Aufkaufprogramme erhöhen die Geldmenge Reale Kreditvergabe an Privatsektor rückläufig Abb. 8: Kreditvergabe an den Privatsektor* in der Eurozone in Mrd. Euro 10.000 9.500 9.000 8.500 8.000 7.500 7.000 2006 2007 2008 2009 2010 Privatsektor (nominal) Quellen: EZB; IKB 2011 2012 2013 Privatsektor (real, CPI 2005=100) * Haushalte und nichtfinanzielle Unternehmen Die EZB hat durch ihren 3-Jahrestender bedeutende Liquidität geschaffen. Diese Liquidität hat das Potenzial, die allgemeine Geldmenge zu erhöhen, wenn Banken Staatsanleihen vom Privatsektor aufkaufen oder eine höhere Bereitschaft zeigen, in Anbetracht der überschüssigen Reserven, mehr Kredite zu vergeben. Gemessen an der Entwicklung von M3 und der Kreditvergabe scheint dies jedoch nur einen begrenzten Einfluss auf die Geldmenge in der Eurozone gehabt zu haben. Zudem ist die überschüssige Liquidität im Bankensektor der Eurozone schon seit Längerem rückläufig Überschüssige Liquidität der Banken schrumpft 11 Volkswirtschaft & Research und liegt aktuell nur noch bei knapp über 200 Mrd. Euro, nachdem sie Anfang 2012 noch oberhalb von 800 Mrd. Euro lag. Überschüssige Liquidität (Einlagefazilität und Girokonten abzüglich Mindestreserve) Abb. 9: Überschüssige Liquidität im europäischen Bankensystem in Mrd. Euro 1.000 800 600 400 200 0 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Überschüssige Liquidität (Einlagefazilität und Girokonten abzüglich Mindestreserve) Quellen: EZB; IKB 3.2. Geldmenge und BIP-Wachstum In der Literatur bleibt das Thema der Kausalitäten oft umstritten. Empirisch wird oftmals auf die Granger-Kausalität verwiesen, die besagt, dass wenn Ereignis A vor Ereignis B stattfindet, dann kann Ereignis B nicht A verursacht haben. Empirische Analysen bezüglich der Granger-Kausalität zwischen der Veränderung von M3 und BIPWachstum in der Eurozone deuten darauf hin, dass die Geldmenge das Ergebnis des BIP-Wachstums darstellt. Das BIP-Wachstum bringt also ein höheres Geldmengenwachstum mit sich. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die aktuelle Geldmengenentwicklung für sich genommen denn überhaupt ein eigenes Risiko für das Wachstum darstellt. Erfahrungen aus der großen Rezession zeigen sehr wohl die Bedeutung der Geldmenge für das Wachstum. Auch liegt es in der Verantwortung von Zentralbanken, in Krisenzeiten für Liquidität zu sorgen, um einen Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern (Rolle der Notenbank als ultimativer Bereitsteller von Liquidität). In letzter Instanz kann eine Notenbank die breite Geldmenge, vor allem in Krisenzeiten, in denen die Kreditvergabe nicht mehr der entscheidende Treiber für M3 ist, durch ein Aufkaufprogramm kontrollieren. Welchen Einfluss hat ein durch die Notenbank bestimmter Anstieg der Geldmenge für das BIP-Wachstum? Die US-, britische und japanische Notenbank sind weiterhin der Überzeugung, dass es positive Effekte aus dem durch Aufkaufprogramme induzierten Anstieg der Geldmenge für die Realwirtschaft gibt (siehe vorgeschlagene Literatur auf Seite 24). Zur Beurteilung des Einflusses einer exogenen Anhebung der Geldmenge gilt es mehrere Transmissionsmechanismen zu berücksichtigen, insbesondere den Einfluss auf die Kapitalmarktzinsen (und damit das Investitionsverhalten), aber auch auf den realen Vermögensanstieg (und damit privaten Konsum), wie in den USA erkennbar (siehe Abb. 5). Beide Kanäle haben einen indirekten Einfluss auf die Realwirtschaft. Geldmenge als Ergebnis von Wachstum Lender of Last Resort Einfluss der Geldmenge M3 auf Wachstum eher schwierig zu bestimmen 12 Volkswirtschaft & Research Generell ist ein direkter Vergleich zwischen M3 und BIP-Wachstum problematisch, da sich die Treiber von M3 doch deutlich verändern können. Ein Anstieg von M3 durch ein Aufkaufprogramm der Notenbank hat einen anderen Einfluss als ein Anstieg, der durch die Nachfrage nach Krediten getrieben ist. So bleibt auch die empirische Analyse der Transmissionsmechanismen eher schwierig, und die Ergebnisse sind sehr stark modellabhängig. 3.3. Kreditvergabe und BIP-Wachstum Mit einem Anteil von rund 98 % an der Geldmenge bleibt die Kreditvergabe die entscheidende Größe für die weitere Entwicklung von M3. Die Stimulierung der Kreditvergabe könnte sich um einiges schwieriger erweisen, als ein Aufkaufprogramm zu gestalten, schließlich kann die Notenbank die Wirtschaft nicht zwingen, Kredite aufzunehmen. Hier gilt der bekannte Spruch von Keynes: „Geldpolitik ist wie eine Schnur – die man nur ziehen, aber nicht schieben kann.“ Eine erfolgreiche Stimulierung der Kreditvergabe wäre sicherlich effektiver als ein Aufkaufprogramm, um die Realwirtschaft zu stützen. Denn die Finanzierung von kleinen und mittelgroßen Unternehmen hängt in der Eurozone im Wesentlichen von Banken ab. Empirische Analysen für die Eurozone zeigen, dass die Granger-Kausalität vom BIPWachstum zur Kreditvergabe verläuft. Ein höheres BIP bedeutet eine stärkere Kapazitätsauslastung und damit eine größere Bereitschaft zu investieren. Auch erhöht das BIP-Wachstum tendenziell die Kreditwürdigkeit der Unternehmen, sodass auch das Angebot von Kredit in einer Erholungsphase zunimmt. Die empirischen Ergebnisse sind konsistent mit der Erkenntnis, dass Investitionen sich weniger durch niedrigere Zinsen, sondern eher durch ein positives Wachstumsumfeld erhöhen. Werden die Zinsen gesenkt, der wirtschaftliche Ausblick bleibt aber unsicher bzw. ist keine effektive Nachfrage nach den zu produzierenden Gütern vorhanden, so werden die Investitionstätigkeit und damit auch die Nachfrage nach Krediten kaum steigen. Kreditvergabe entscheidend für Entwicklung von M3 Kausalität vom Wachstum zur Kreditvergabe Positives Wachstumsumfeld für Investitionen notwendig Abb. 10: Kreditvergabe an den Privatsektor* in ausgewählten Euroländern in % ggb. Vorjahr 30 25 20 15 10 5 0 -5 -10 2006 2007 2008 Deutschland Quellen: EZB; IKB 2009 2010 Frankreich 2011 Italien 2012 2013 Spanien * Haushalte und nichtfinanzielle Unternehmen 13 Volkswirtschaft & Research Würde die Kreditvergabe direkt das Wachstum beeinflussen, könnte die Zentralbank den negativen Einfluss der Konsolidierungsanstrengungen einzelner Länder effektiver kompensieren. Wenn aber die Wirkung eher umgekehrt ist, d. h. das BIP-Wachstum das Kreditwachstum ansteigen lässt, mag die Notwendigkeit einer direkten Stimulierung der Kreditnachfrage eher wenig gegeben sein. Auch EZB-Präsident Draghi betonte jüngst, dass es höheres Wachstum ist, das einen Anstieg der Kreditvergabe verursacht, und nicht anders herum – eine Aussage, die mit den oben genannten Erkenntnissen im Einklang steht. Diese Erkenntnis würde den Fokus eher auf die Fiskalpolitik legen, die einen direkten Einfluss auf die Realwirtschaft und damit Kreditnachfrage ausüben kann. Die Kausalität zwischen Wachstum und Kreditvergabe kann allerdings auch in die andere Richtung gehen, wenn zum Beispiel exogene Einflüsse (Schocks) das Kreditangebot belasten. Eine Reihe von Bankenpleiten (wie etwa in den 1930er-Jahren in den USA) würde zum Beispiel das Kreditwachstum deutlich schrumpfen lassen, was mit zunehmender Unsicherheit sicherlich realwirtschaftliche Implikationen verursachen dürfte. So kann die Entwicklung der Kreditvergabe nicht pauschal als Ergebnis von Wachstum angesehen werden – vor allem nicht in Krisenzeiten. In Krisenzeiten sinkt die Kreditvergabe nicht nur wegen der reduzierten Nachfrage, sondern auch wegen des verringerten Angebots („Kreditklemme“). Und wie Abbildung 3 (Seite 6) gezeigt hat, sind aktuell auch trotz oder vielleicht gerade auch wegen eines schrumpfenden BIP die Kreditzinsen auf einem relativ hohen Niveau, was die Investitionsbereitschaft und die Nachfrage nach Kredit zusätzlich belastet. In normalen Zeiten kann die Notenbank einer ansteigenden Risikoprämie durch ein fallendes Zinsniveau entgegensteuern. Dies ist jedoch bei einem Zinssatz von um die 0 % eher schwierig. Da die Krediteinschätzung der Banken auch von der konjunkturellen Entwicklung abhängt, ist mit einer Belebung der Kreditvergabe als Ergebnis der konjunkturellen Aufhellung zu rechnen. Die Zentralbank kann jedoch die konjunkturelle Erholung in der Kreditvergabe ebenfalls beeinflussen. Die Bank of England hat zum Beispiel ein Programm aufgesetzt, um die Zinsen für Immobilienkredite effektiv zu senken (Funding for Lending Scheme). So ist die in normalen Zeiten gefundene Kausalität zwischen Wachstum und Kreditvergabe kein Grund, um in einer wirtschaftlichen Krise eine passive Geldpolitik zu rechtfertigen. Dies gilt vor allem dann, wenn sich die Kreditvergabe – unabhängig ob als Grund oder als Symptom – als hohes Risiko für das Wachstum herausstellt. Ob dies aktuell für einzelne Euroländer der Fall ist, wird weiter unten beantwortet. EZB sieht Kreditwachstum als Nachzügler Krisenzeiten können Kausalität umkehren Aktuelle Risikoeinschätzung erhöht Kreditzinsen Kein Grund für abwartende Geldpolitik 3.4. Fazit Die Geldmenge M3 ist theoretisch ultimativ unter der direkten Kontrolle der Zentralbank, da sie das Monopol der Geldschöpfung besitzt und im Zweifel uneingeschränkt Liquidität schaffen kann (gesetzliche Restriktionen beiseitegelassen). Allerdings ist der Einfluss eines Anstiegs von M3, herbeigeführt durch die Notenbanken (Aufkaufprogramme), auf die Realwirtschaft durch indirekte Transmissionsmechanismen bestimmt. Fed, BoE und BoJ sind jedoch weiterhin der Überzeugung, dass es positive Effekte durch den induzierten Anstieg der Geldmenge für die Realwirtschaft gibt. 14 Volkswirtschaft & Research M3: Direkter Einfluss der Notenbanken, indirekter Einfluss auf die Realwirtschaft: Kausalität geht ultimativ von Geldmenge/Notenbank zu Wachstum; Aufkaufprogramme festigen diese Kausalität in Krisenzeiten. Die Kreditvergabe ist nur dann unter der Kontrolle der Zentralbank, wenn eine Nachfrage nach Krediten durch die Realwirtschaft besteht, sodass eine Änderung der Zinsen oder der Mindestreserve die Kreditvergabe effektiv beeinflusst. Da die Geldpolitik nur die Zinsen, aber nicht das Kreditwachstum festlegt, hat die Notenbank nur einen indirekten Einfluss. Besteht keine Nachfrage, ist der Einfluss konventioneller Geldpolitik begrenzt. Dies ist umso mehr der Fall, wenn die Zinsen wegen ihres niedrigen Niveaus oder allgemeiner Unsicherheit einen reduzierten Einfluss auf die Kreditnachfrage haben. Kreditwachstum ist somit das Ergebnis von Wachstum, wie es empirisch für die Eurozone auch zu gelten scheint. In Krisenzeiten kann die Kausalität allerdings anders herum verlaufen: Eine Kreditklemme erhöht die Ausfallwahrscheinlichkeit von Unternehmen und hat einen negativen Einfluss auf das Wachstum. Einfluss konventioneller Geldpolitik in Krisenzeiten begrenzt Kreditvergabe: Indirekter Einfluss der Notenbanken, direkter Einfluss auf die Realwirtschaft. In normalen Zeiten ist eine Kausalität von BIP zu Kreditwachstum festzustellen. In Krisenzeiten kann die Kausalität in die andere Richtung gehen. Sollte der Fokus auf M3 oder dem Kreditwachstum liegen? Entscheidend ist die Fragestellung: Geht es um die Messung, wie einflussreich ein Aufkaufprogramm im Stile der Fed für die Wirtschaft sein kann, müssten eher M3 und die beeinflussten Vermögens- und Anlagegüterpreise wie zum Beispiel die Häuserpreise in Betracht gezogen werden. Auch müssten verschiedene Transmissionsmechanismen (zum Beispiel Vermögenseffekte auf den Konsum) modelliert werden. Die aktuellen Fragestellungen sind jedoch etwas anders. Primär geht es um die Bestimmung des Wachstumsrisikos, das sich aus einer negativen Kreditvergabe für die Eurozone ergibt. Immer wieder wird auf der EZB Pressekonferenz die Problematik rund um die Kreditvergabe in Südeuropa als eine Besorgnis hervorgehoben. Hieraus folgt die Frage, wie entscheidend eine Wende in der Kreditvergabe für Wachstum ist und ob die aktuelle Kreditvergabe vermehrt im Fokus der EZB, aber auch der Fiskalpolitik stehen sollte. Im weiteren Kontext stellt sich die Frage, ob die Defizitziele für 2014 in den südeuropäischen Ländern davon abhängig gemacht werden sollten, ob sich die Kreditvergabe zumindest stabilisiert. US-Notenbankchef Ben Bernanke hat im September unter anderem die negativen Konsequenzen aus einer möglichen Fiskalkonsolidierung aufgeführt, um die Beendigung des Aufkaufprogramms hinauszuschieben. Bestimmung des Wachstumsrisikos aufgrund der rückläufigen Kreditvergabe 15 Volkswirtschaft & Research Abb. 11: Entwicklung der Geldmenge (M3) in der Eurozone in Mrd. Euro 10.000 9.000 8.000 7.000 6.000 2006 2007 2008 Geldmenge M3 (nominal) 2009 2010 2011 2012 2013 Geldmenge M3 (real, CPI 2005=100) Quellen: EZB; IKB 16 Volkswirtschaft & Research 4. Risiko des Kreditwachstums für das BIP-Wachstum in der Eurozone – eine länderspezifische Analyse Wie hoch ist das Wachstumsrisiko aus der aktuellen Kreditvergabe für einzelne Länder der Eurozone? Sind die Konjunkturprognosen für 2014 mit der aktuellen Entwicklung der Kreditvergabe überhaupt erreichbar? Diese Fragen werden mit Hilfe eines empirischen Modells näher beleuchtet. Zunächst wird das Modell vorgestellt, gefolgt von einer Übersicht verschiedener Schätzergebnisse bzw. der Anwendung des Modells für die Einschätzung der Wachstumsrisiken in 2014. Einfluss der Kreditvergabe auf das Wachstum 4.1. Modellansatz Folgende Gleichung dient als Grundlage der Analyse für das Verhältnis zwischen der Kreditvergabe und dem BIP-Wachstum in den einzelnen Ländern der Eurozone Kreditt , i BIPt ,i BIPt 1,i * i * * ei , t Kreditt 1,i (1) wobei i die 17 Euroländer darstellt und Kreditt die reale Kreditvergabe an den Privatsektor. Diese besteht wiederum aus 2 Komponenten, nämlich Kredite an nichtfinanzielle Unternehmen und an private Haushalte; BIPt ist das reale Bruttoinlandsprodukt in Periode t und et eine Fehlergröße. Das Modell sollte nicht als Prognosemodell angesehen werden. Denn langfristig bestimmen die Produktionsfaktoren Kapital, Arbeit und Technologie bzw. das Produktivitätswachstum das BIP-Wachstum und nicht die Geldpolitik. Vielmehr geht es darum, den Einfluss und das Risiko der aktuellen Kreditentwicklung auf den Konjunkturverlauf zu erfassen. Die Fragestellung ist, wie positiv oder negativ eine gewisse Entwicklung der Kreditvergabe für das BIP-Wachstum eines Landes sein könnte, ohne zu beurteilen, was denn das eigentliche BIP-Wachstum sein wird. Modell ist kein Prognosemodell für langfristiges Wachstum Gleichung 1 bedeutet, dass das BIP von Land i in Periode t gleich dem BIP der Vorperiode ist, korrigiert um einen Faktor. Dieser Faktor wird wiederum durch einen länderspezifischen Aspekt (αi) wie auch durch die länderspezifische reale Kreditvergabe bestimmt. Durch eine Transformation kann diese Gleichung linear dargestellt werden. Gleichung 2 besagt, dass das BIP-Wachstum von Land i sowohl vom Wachstum der realen Kreditvergabe abhängt als auch einer Konstanten, die in Gleichung 2 als langfristiger Trend oder potenzielles Wachstum angesehen werden kann. Die Parameter dieser Gleichung können anhand einer Panelregression mit Fixed-Effects geschätzt werden. Der Schätzungszeitraum erstreckt sich von 2004 bis 2012. BIPt ,i Kreditt ,i log log( i ) * log log(ei ,t ) BIP Kredit t 1,i t 1,i (2) Die Schätzung von Gleichung 2 bestätigt, dass β als auch die Werte von αi signifikant von 0 abweichen. Zudem sind die Fehlerschwankungen eher zufällig. Anhang 2 fasst die empirischen Ergebnisse zusammen. 17 Volkswirtschaft & Research So kann festgehalten werden, dass Kreditwachstum, welches durch eine Krise negativ ist und unabhängig vom BIP beeinflusst ist, ein Wachstumsrisiko darstellt bzw. das BIPWachstum belastet. Folglich ist das Kreditwachstum eine statistisch signifikante Größe für die Bestimmung des BIP-Wachstums der 17 Euroländer. Kreditwachstum signifikante Größe für Wachstum 4.2. Empirische Ergebnisse Teil 1: Länderspezifische Aspekte Schätzungen von Gleichung 2 deuten darauf hin, dass die Elastizität des BIP zum Kreditwachstum generell eher niedrig ist. Weitere Analysen haben zudem gezeigt, dass dieser Koeffizient auch unter den Ländern relativ stabil ist, sodass keine länderspezifische Korrektur notwendig ist. Jedoch wird ein deutlicher Krediteinbruch einen nennenswerten Einfluss auf das BIP-Wachstum haben. Dies ist in einzelnen Ländern sehr wohl der Fall, wie unten weiter beleuchtet wird. Anstieg des Kreditwachstums um 1 % führt zu einem BIPZuwachs um 0,16 % Im Folgenden geht es um die nähere Betrachtung der länderspezifischen Korrektur αi. Tabelle 1 ordnet die 17 Euroländer nach der Größe von αi. Zudem zeigt sie das durchschnittliche Kredit- und BIP-Wachstum für den Schätzungszeitraum von 2004 bis 2012. Die letzte Spalte gibt das Verhältnis zwischen der realen Binnennachfrage und dem BIP eines Landes wieder. Ein Wert größer als 100 bedeutet, dass die Binnennachfrage die Produktion übersteigt (ähnlich zum Leistungsbilanzdefizit). Einteilung der Ländergruppen durch Schätzergebnisse Tabelle 1: Einteilung der Ländergruppen – ausgewählte Kennziffern Griechenland 98,86 Reales Kreditwachstum (Ø 2004-2012) 7,8 % Italien 100,08 4,1 % 0,0 % 100,4 Portugal 100,42 2,6 % 0,0 % 107,2 Slowenien 100,79 10,3 % 1,5 % 99,8 Spanien 100,98 6,9 % 1,1 % 103,6 Zypern 101,07 9,3 % 1,5 % 104,7 Frankreich 101,14 4,6 % 1,1 % 101,6 Finnland 101,27 6,9 % 1,6 % 97,2 101,47 4,5 % 1,3 % 97,8 Niederlande 101,63 2,6 % 1,3 % 92,0 Irland 101,71 5,7 % 1,7 % 84,7 Malta 101,91 6,4 % 1,9 % 100,5 Österreich 102,02 3,0 % 1,7 % 95,5 Belgien 102,18 0,2 % 1,4 % 97,3 Deutschland 102,35 -1,3 % 1,4 % 94,4 Estland 102,52 -5,9 % 0,2 % 102,2 Luxemburg 102,94 1,2 % 2,3 % 70,1 Slowakei 103,11 9,9 % 3,5 % 101,2 Gruppe 1 Land Gruppe 2 Mittel Schätzung von αi *100 Reales BIPWachstum (Ø 2004-2012) -0,7 % Binnennachfrage/BIP (%) 110,4 Quelle: IKB 18 Volkswirtschaft & Research Basierend auf den Schätzungen von αi, können die Länder in zwei Gruppen aufgeteilt werden, nämlich diejenigen ober- und unterhalb des Mittelwerts für αi. Tabelle 2 zeigt die durchschnittlichen Statistiken für die beiden Gruppen. Tabelle 2: Ländergruppen und ihre durchschnittlichen Kennziffern Gruppe 1 101 Reales Kreditwachstum (Ø 2004-2012) 6,6 % Gruppe 2 102 2,4 % Schätzung von αi*100 BIP-Wachstum (Ø 2004-2012) Binnennachfrage/BIP (%) 0,8 % 103 1,7 % 93 Quelle: IKB Gruppe 1 hat historisch eine höhere Kreditvergabe, niedrigeres Wachstum und ein realwirtschaftliches Ungleichgewicht, da die Nachfrage über der Produktion liegt (Wert von 103). Diese Gruppe spiegelt Länder wider, die typischerweise ein Leistungsbilanzdefizit bzw. ein Kredit-getriebenes Wachstum aufweisen. Für diese Länder ist ein hohes Kreditwachstum notwendig, um Nachfrage und somit Wachstum zu generieren. Dies wird auch durch den relativ kleinen Wert von αi angedeutet. Strukturelle Veränderungen könnten αi ansteigen lassen, was die Notwendigkeit von höherem Kreditwachstum für das Wachstum relativiert. Ein höheres αi bedeutet, dass die Wirtschaft vermehrt durch die Angebotsseite wächst, was ein Ziel von strukturellen Reformen ist. Gruppe 2 hat ein relativ hohes Wachstum und eine niedrige Kreditvergabe. Die Angebotsseite der Wirtschaft überwiegt zudem die inländische Nachfrage (Wert von 93 versus 103). Im Verhältnis zum Wachstum haben diese Länder eine niedrige Kreditvergabe, da sie mehr durch Produktion als durch kreditfinanzierte Nachfrage wachsen. Die Länder wachsen durch ihre Exporte bzw. ihre Produktion und weniger durch den privaten Konsum, was sich in einem Leistungsbilanzüberschuss widerspiegelt. Für diese Länder ist die Kreditvergabe weniger entscheidend, was auch an dem höheren Wert von αi ersichtlich ist. Tabelle 2 veranschaulicht, dass ein deutlich niedrigeres Kreditwachstum für ein höheres BIP-Wachstum ausreichend ist. Ein höheres αi bestätigt eine positive fundamentale Wachstumsentwicklung des Landes. Gruppe 1 primär durch Binnennachfrage getrieben Gruppe 2 wächst durch Produktion bzw. Export 4.3. Fazit Schätzungen von αi deuten auf das Wachstum, das sich ohne die Unterstützung einer positiven Kreditvergabe ergeben würde. So hat Gruppe 1 fundamental ein niedrigeres Wachstum als Gruppe 2, es sei denn, dass die Kreditvergabe ins Laufen kommt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Gruppe 1 primär durch die Binnennachfrage getrieben wird. Strukturreformen sollten die Schätzung von αi in Gruppe 1 im Zeitverlauf erhöhen – wenn diese denn umgesetzt werden. Kurzfristig ist allerdings für viele Länder der Gruppe 1 eine Erholung der Kreditvergabe notwendig, um annähernd moderate Wachstumsraten, die für die Stabilisierung ihrer Schuldenquoten notwendig sind, zu erreichen. Denn kurzfristig lässt sich der Koeffizient αi nur schwer – wenn überhaupt – verändern. Strukturreformen können αi erhöhen und damit das potenzielle Wachstum 19 Volkswirtschaft & Research Insgesamt können die folgenden Schlüsse aus der Koeffizientenschätzung abgeleitet werden: Negative Kreditvergabe belastet vor allem Länder in Gruppe 1, da das Wachstum dieser Gruppe eine höhere Abhängigkeit zur Binnennachfrage und damit Kreditnachfrage aufweist. Strukturelle Reformen sollten αi ansteigen lassen, da solche Reformen eine Anhebung des potenziellen Wachstums als Ziel haben. Die Signifikanz der Kreditvergabe ist für Länder mit einem höheren bzw. einem weniger durch die Binnennachfrage getriebenen Wachstum niedriger (Gruppe 2). Eine stark rückläufige Kreditvergabe spiegelt ein hohes Wachstumsrisiko wider, vor allem für Gruppe 1 und damit für Länder wie Spanien, Italien, Portugal und Griechenland. Schlussfolgerungen aus der Analyse 4.4. Empirische Ergebnisse Teil 2: Wachstumsrisiken aus aktueller Kreditvergabe Für die Berechnung des Einflusses einer negativen Kreditvergabe auf das BIPWachstum ist nicht nur die Modellschätzung wichtig, sondern auch die Bestimmung der Referenzgröße. Viele Länder, vor allem in Gruppe 1, müssen strukturelle Reformen umsetzen, die eine Reduzierung der Abhängigkeit des Wachstums vom Kredit bedeuten. Daher wäre das durchschnittliche historische Kreditwachstum als Referenzwert als zu hoch einzuschätzen. Im Falle von einem Kreditwachstum von 0 % als Referenzwert gilt dies nicht, da eine Stabilisierung der Kreditvergabe als eine absolut notwendige Entwicklung – unabhängig vom Wachstumsmodell – zu sehen ist. Im Folgenden wurde der Einfluss der aktuellen Kreditvergabe mit der eines stagnierenden Kreditwachstums (0 %) auf das BIP-Wachstum verglichen. Für das aktuelle Kreditwachstum wurde die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate für das erste Halbjahr 2013 als Wert benutzt. Da in keinem Land eine deutliche Wende in der Kreditvergabe zu erkennen ist, kann dieser Wert als konservative Schätzung für 2013 angesehen werden. Tabelle 3 gibt den negativen Wachstumsbeitrag wieder, den die aktuelle Kreditvergabe auf das BIP in 2013 ausübt. Anders formuliert: Tabelle 3 zeigt den positiven Effekt, den eine Stabilisierung der Kreditvergabe (0 %Wachstum) für das BIP-Wachstum in den einzelnen Ländern bedeuten würde. Für 4 Länder ist das Kreditwachstum in 2013 positiv. 0 %-Kreditwachstum als Referenzwert angemessen Tabelle 3 zeigt Wachstumsrisiko aufgrund der aktuellen Kreditvergabe 20 Volkswirtschaft & Research Tabelle 3: Wachstumsrisiko aus der aktuellen Entwicklung der realen Kreditvergabe Spanien Ø Kreditwachstum im ersten Halbjahr 2013 (% ggb. Vorjahr) -10,6 Slowenien -8,6 -1,4 Griechenland -7,0 -1,1 Portugal -6,0 -1,0 Italien -4,6 -0,7 Luxemburg -3,4 -0,6 Irland -3,2 -0,5 Österreich -2,9 -0,5 Estland -2,8 -0,5 Malta -1,9 -0,3 Deutschland -1,1 -0,2 Zypern -0,9 -0,1 Belgien -0,4 -0,1 Frankreich 1,0 0,2 Finnland 1,0 0,2 Slowakei 1,6 0,3 Niederlande 2,1 0,3 Land Einfluss auf BIP-Wachstum (in Prozentpunkten) -1,7 Quelle: IKB 4.5. Fazit Erwartungsgemäß ist es vor allem Gruppe 1, die unter der aktuellen Kreditvergabe leidet. Spaniens BIP-Wachstum wird mit fast 2 Prozentpunkten durch die aktuelle Dynamik der privaten Kreditvergabe belastet. Das BIP-Wachstum Griechenlands und Portugals wird mit je rund 1 Prozentpunkt gedämpft, Italiens mit 0,7 Prozentpunkten. Auch das deutsche BIP wird negativ beeinflusst. Die marginal rückläufige Kreditvergabe senkt das BIP-Wachstum, allerdings nur um etwa 0,2 Prozentpunkte in 2013. Rückläufige Kreditvergabe belastet Spaniens Wachstum um fast 2 Prozentpunkte 4.6. Empirische Ergebnisse Teil 3: Wachstumsprognosen für 2014 – Muss eine baldige Stabilisierung der Kreditvergabe stattfinden? Tabelle 4 zeigt die EU- bzw. Bloomberg-Konsens Wachstumsprognosen für die 17 Euroländer für 2013 und 2014 sowie den positiven Wachstumsbeitrag, den eine Stabilisierung der Kreditvergabe in 2014 mit sich bringen könnte. Dieser ist bis auf das Vorzeichen identisch zu seinem negativen Wachstumsbeitrag in 2013. 21 Volkswirtschaft & Research Tabelle 4: Wachstumsprognosen und Einfluss der Kreditvergabe BIPPrognosen (%) Land Verbesserung (Prozent -punkte) Effekt einer Stabilisierung der Kreditvergabe (in Prozentpunkten) Notwendige Verbesserung ohne Stabilisierung der Kreditvergabe (in Prozentpunkten) Notwendige Verbesserung mit Stabilisierung der Kreditvergabe (in Prozentpunkten) 2013 2014 Spanien -1,5 0,5 2,0 1,7 3,7 0,3 Slowenien -2,0 -0,1 1,9 1,4 3,3 0,5 Griechenland -4,5 -0,5 4,0 1,1 5,1 2,9 Portugal -2,3 0,0 2,3 1,0 3,3 1,3 Italien -1,7 0,5 2,2 0,7 2,9 1,5 Luxemburg 0,8 1,6 0,8 0,6 1,4 0,2 Irland 0,5 2,0 1,5 0,5 2,0 1,0 Österreich 0,5 1,5 1,0 0,5 1,5 0,5 Estland 3,0 4,0 1,0 0,5 1,5 0,5 Malta 1,4 1,8 0,4 0,3 0,7 0,1 Deutschland* 0,6 2,2 1,6 0,2 1,8 1,4 Zypern -9,0 -4,0 5,0 0,1 5,1 4,9 Belgien -0,1 1,0 1,1 0,1 1,2 1,0 Frankreich 0,1 0,9 0,8 n/a Finnland -0,3 1,4 1,7 n/a Slowakei 0,9 2,2 1,3 n/a Niederlande -1,1 0,5 1,6 n/a Quelle: IKB *IKB BIP-Prognose für Deutschland 4.7. Fazit Aktuelle Prognosen signalisieren eine Verbesserung des spanischen Wachstums um 2 Prozentpunkte. Bleibt die Kreditvergabe bei ihrem aktuell negativen Wachstum, so wird diese jedoch auch in 2014 einen negativen BIP-Beitrag von geschätzten 1,7 Prozentpunkten haben. Daraus folgt wiederum, dass Wachstumsimpulse aus der realen Wirtschaft ein BIP-Wachstum von über 3,5 % erreichen müssten, sollte sich die Dynamik rund um die Kreditvergabe in Spanien nicht verbessern. Solche Wachstumsimpulse sind jedoch angesichts ihrer Größe als auch der erneut bevorstehenden fiskalischen Konsolidierungsmaßnahmen des spanischen Staates nicht zu erwarten. Stabilisierung der Kreditvergabe in Spanien notwendig, um Erwartung einer konjunkturellen Wende zu festigen Es wäre schon viel erreicht, wenn die Kreditvergabe nicht unbedingt wächst, sondern nur aufhört zu schrumpfen. Ihr Rückgang muss sich allerdings in den nächsten Monaten verlangsamen und eine Stabilisierung andeuten, damit die BIP-Wachstumsprognosen für 2014 als realistisch einzuschätzen sind. Ist keine Veränderung der Kreditvergabe in 22 Volkswirtschaft & Research den nächsten Monaten zu erkennen, wird es immer weniger plausibel, dass in Spanien die erwartete konjunkturelle Wende eintritt. Ähnliche Argumente können auch für die anderen Länder im oberen Bereich von Tabelle 4 vorgetragen werden. Generell muss sich eine Veränderung der rückläufigen Kreditvergabe in den nächsten Monaten abzeichnen, um die Eintrittswahrscheinlichkeit der aktuellen Prognose sicherzustellen und damit die gegenwärtig gute Stimmung und Hoffnung im Hinblick auf die weitere Erholung in den Ländern der Eurozone bestätigt werden können. Sprich: Mit den sich bereits aufhellenden Konjunkturindikatoren muss nun die Kreditvergabe die Wende einleiten, um eine anhaltende Erholung sicherzustellen. Kreditvergabe muss für nachhaltige Erholung Wende einleiten Für die prognostizierte Erholung in Spanien ist eine Stabilisierung der realen Kreditvergabe hinreichend. Im Falle Italiens, Portugals und Griechenland kann die Stabilisierung einen wichtigen Beitrag für das Erreichen der Prognosen liefern. Für beide wird allerdings nur die Hälfte der Wachstumsimpulse von rund 2 Prozentpunkten in 2014 durch eine Stabilisierung der Kreditvergabe erreicht werden können. Anders als in Spanien sind in diesen Ländern darüber hinausgehende weitere Wachstumsimpulse notwendig. 23 Volkswirtschaft & Research Anhang 1: Referenzen und IKB-Research Akademische Einschätzungen zur Rolle der Geldpolitik – generell und in der Großen Depression Friedman, M., 1968. The Role of Monetary Policy, American Economic Review (March) Romer, C. D. & Romer, D. H., 2012. Friedman and Schwartz’s Monetary Explanation of the Great Depression: Old Challenges and new Evidence. Romer, C. D., 1991. What Ended the Great Depression?, NBER Research Paper 3829 http://www.nber.org/papers/w3829 Bernanke, B., 1988. Nonmonetary Effects of the Financial Crisis in the Propagation of the Great Depression, American Economic Review (June) IWF-Papier über die Notwendigkeit von Wachstum zur Stabilisierung der Schuldenquote IMF World Economic Outlook, 2012. Chapter 3: The good, the bad and the ugly: 100 Years of dealing with public debt overhangs http://www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2012/02/pdf/c3.pdf Geschichtliche Übersicht über alle Finanzkrisen und Blasen der letzten 300 Jahre Kindleberger, C., 2000. Manias, Panics and Crashes. A history of Financial Crisis. Ableitung der Definition von M3 in Bezug auf die Kreditvergabe Gowland, D., 1985. Money Inflation and Unemployment. Nicht-technische Übersicht über die Lockerungsmaßnahmen verschiedener Notenbanken seit der Finanzkrise 2009 Fawley, B. W. & Neely, C. J., 2013. Four stories of quantitative easing, Federal Reserve Bank of St. Louis Review http://research.stlouisfed.org/publications/review/article/9602 Einfluss von Aufkaufprogrammen Quantitative Easing: Background and Initial Effects, Insight Investment http://theangryanalyst.com/wp-content/uploads/2010/08/M-Fluck-Quant-Easing-Piece.pdf The Effects of Quantitative Easing on Interest Rates: Channels and Implications for Policy, Brookings Papers on Economic Activity, Fall 2011 http://www.brookings.edu/~/media/Projects/BPEA/Fall%202011/2011b_bpea_krishnamurthy.PDF IKB Kapitalmarkt-News https://www.ikb.de/research/aktuelle-einschaetzungen 24 Volkswirtschaft & Research Anhang 2: Schätzung von Gleichung 2 – ausgewählte Ergebnisse Dependent Variable: DLOG(Reales BIP) Method: Panel Least Squares Sample (adjusted): 2004 2012 Periods included: 9 Cross-sections included: 17 Total panel (unbalanced) observations: 140 Variable C DLOG(Reale Kreditvergabe: HH plus nicht Finanzunternehmen) D(Finanzkrise 2009) Coefficient Std. Error t-Statistic Prob. 0.013868 0.155213 -0.069097 0.00 0.03 0.01 5.66 5.48 -11.35 0.00 0.00 0.00 Effects Specification Cross-section fixed (dummy variables) R-squared Adjusted R-squared S.E. of regression Sum squared resid Log likelihood F-statistic Prob(F-statistic) 0.61 0.55 0.02 0.07 337 10.61 0.00 Mean dependent var S.D. dependent var Akaike info criterion Schwarz criterion Hannan-Quinn criter. Durbin-Watson stat 0.012 0.035 -4.549 -4.150 -4.387 1.633 25 Volkswirtschaft & Research Volkswirtschaft Dr. Kurt Demmer, Chefvolkswirt +49 211 8221 4488 [email protected] Dr. Klaus Bauknecht, Ökonometrie und Kapitalmarkt +49 211 8221 4118 [email protected] Dr. Carolin Vogt, Konjunktur +49 211 8221 4492 [email protected] Oleksiy Artin +49 211 8221 3283 [email protected] Ralf Heidrich +49 211 8221 4750 [email protected] Margit Hogenkamp +49 211 8221 4490 [email protected] Dr. Günter Kann +49 211 8221 4499 [email protected] Lars Kolbe +49 211 8221 3097 [email protected] Herausgeber: Bereich Volkswirtschaft der IKB Deutsche Industriebank AG, Wilhelm-Bötzkes-Str. 1, 40474 Düsseldorf www.ikb.de/research Disclaimer Diese Veröffentlichung wurde ausschließlich für Ihren persönlichen Gebrauch erstellt. Die Inhalte, insbesondere auch Produktinformationen sowie Ausarbeitungen/Veröffentlichungen oder Einschätzungen zu Märkten, dienen ausschließlich zu Informations-zwecken. Jede Form der Ermöglichung der Kenntnisnahme, Veröffentlichung, Vervielfältigung oder Weitergabe des Inhalts an nicht vorgesehene Adressaten ist unzulässig. Diese Veröffentlichung ist ausschließlich für Kunden und Geschäftspartner der IKB Deutsche Industriebank AG (nachfolgend „IKB AG“) mit Sitz bzw. Wohnort in Deutschland bestimmt und bezieht sich ausschließlich auf den Zeitpunkt ihrer Erstellung. Alle veröffentlichten Angaben erfolgen unverbindlich und stellen weder eine individuelle Anlageempfehlung und Beratung noch eine Aufforderung oder Einladung zum Kauf oder Verkauf oder Tätigen eines bestimmten Geschäftes dar, insbesondere nicht zur Zeichnung oder ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten. Die Studie wurde nicht mit der Absicht erarbeitet, einen rechtlichen, steuerlichen oder bilanziellen Rat zu geben. Die Angaben dienen ausschließlich zur Infor-mation und sind als alleinige Basis einer Anlageentscheidung nicht geeignet. Meinungsaussagen sind für die einzelnen Investoren möglicherweise nicht anleger- oder objektgerecht. Interessenten wird empfohlen, sich insbesondere über die rechtlichen, steuerlichen und bilanziellen Implikationen der in dieser Veröffentlichung benannten Produkte durch von ihnen beauftragte Fachleute beraten zu lassen. Die Informationen in dieser Veröffentlichung basieren auf Quellen, die die IKB AG für zuverlässig erachtet. Die Richtigkeit der Daten, die aufgrund veröffentlichter Informationen in diesem Dokument enthalten sind, wird vorausgesetzt, wurde aber nicht unabhängig über-prüft. Für die Vollständigkeit, die Zuverlässigkeit, die Richtigkeit und die Genauigkeit des Materials in dieser Veröffentlichung, wie aller sonstigen Informationen, die dem Empfänger im Zusammenhang mit diesem Dokument schriftlich, mündlich oder in sonstiger Weise übermittelt oder zugänglich gemacht werden, übernimmt IKB AG keine Gewähr. Änderungen zu den Informationen und Meinungs-aussagen bleiben jederzeit und ohne vorherige Ankündigung vorbehalten. Haftungsansprüche aus der Nutzung der in der Veröffent-lichung enthaltenen Informationen sind ausgeschlossen, insbesondere für Verluste einschließlich Folgeschäden, die sich aus der Verwendung dieser Veröffentlichung beziehungsweise des Inhalts ergeben. Genannte Konditionen sind als unverbindliche Indikatoren zu verstehen. Für einen eventuellen Abschluss gelten ausschließlich die aktuellen Konditionen, die vom Marktgeschehen zum Abschlusszeitpunkt abhängen. Das vorstehende Dokument oder Teile daraus dürfen ohne Erlaubnis von IKB Deutsche Industriebank AG weder reproduziert noch weitergegeben werden. IKB Deutsche Industriebank AG • Wilhelm-Bötzkes-Straße 1 • 40474 Düsseldorf • Telefon: +49 211 8221-4118 (Stand: 08. Oktober 2013) 26