Kapitel 6 Kinetik von Elektrodenreaktionen Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.1. Das Konzept der Überspannung Bis jetzt: Elektrochemie im Gleichgewicht im Elektrolyten bzw. an der Phasengrenze Elektronenleiter/Ionenleiter. Jetzt: Verhalten der elektrochemischen Zelle bei Stromfluss, d.h. bei gestörtem Gleichgewicht. Konsequenz: Spannungsabfall im Elektrolyten und an den Elektroden, dies wird repräsentiert durch einen bestimmten Innenwiderstand. Die Veränderung der Klemmenspannung mit dem Strom (StromSpannungscharakteristik der Zelle) setzt sich aus denjenigen der Elektroden und dem Spannungsabfall am Elektrolytwiderstand zusammen. Der Elektrolytwiderstand ist ein Ohm’scher Widerstand, die Elektrodenwiderstände nicht (d.h. sie sind eine Funktion der Stromstärke). Die stromlosen Potentiale bzw. die reversible Zellspannung sind durch die Thermodynamik gegeben. Die Differenz der Standard-Elektrodenpotentiale ist gegeben durch den Betrag der Freien Reaktionsenthalpie, die Abweichungen vom Standardverhalten durch die Nernst’sche Gleichung. Diese Potentiale verschieben sich jedoch bei Stromfluss. Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 2 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.1. Das Konzept der Überspannung Beispiel: Chlorknallgasreaktion vs. Salzsäurelektrolyse elektrochemisches Gleichgewicht: H 2 + Cl 2 ⇔ 2Cl − + 2 H + Figur 66: Aufbau der Chlorknallgasreaktion mit Schema der beteiligten Widerstände (links) und schematischer Verlauf der Überspannungen in der Chlorknallgasreaktion4,5 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 3 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.1. Das Konzept der Überspannung Beispiel: Chlorknallgasreaktion vs. Salzsäurelektrolyse Wird diese elektrochemische Zelle als galvanisches Element geschalten, fließen Elektronen von der Anode (=Wasserstoffelektrode) zur Kathode (=Chlorelektrode). Läuft an der Anode die Teilreaktion H 2 → 2 H + + 2e − ab, verschiebt sich das Potential der Wasserstoffelektrode in positiver Richtung (anodischer Strom, positiv gerechnet). Da die Elektronen zur Chlorelektrode fließen, wird diese sukzessive negativ aufgeladen (kathodischer Strom, negativ gerechnet). In diesem Fall nimmt die Klemmenspannung mit steigender Strombelastung ab, es gilt allgemein: galvanische Zellen: E Klemm < E stromlos Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 4 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.1. Das Konzept der Überspannung Beispiel: Chlorknallgasreaktion vs. Salzsäurelektrolyse Wird diese Zelle als Elektrolysezelle betrieben, so ist ein zusätzlicher Strom erforderlich. Da an der Kathode nach wie vor eine Reduktion, und an der Anode eine Oxidation stattfindet bzw. die Anode die für die Reduktion notwendigen Elektronen zur Verfügung stellt, muss die Anode gegenüber der Kathode positiviert sein. An der gegenüber dem Gleichgewichtspotential negativierten Wasserstoffelektrode läuft die Reaktion 2 H + + 2e − → H 2 ab und liefert die Elektronen für Reaktion Cl − → Cl 2 + 2e − an der positivierten Anode. In Summe wird Salzsäure elektrolysiert und die Klemmenspannung mit nimmt mit steigender Strombelastung zu. Es gilt allgemein: elektrolytische Zellen: E Klemm > E stromlos Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 5 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.1. Das Konzept der Überspannung Die Abweichung des Elektrodenpotentials bei Stromfluss vom Gleichgewichtspotential ist die sogenannte Überspannung (Polarisation) η. Figur 67: Definition einer galvanischen Zelle bzw. einer Elektrolysezelle2 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 6 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.1. Das Konzept der Überspannung Teilschritte einer elektrochemischen Reaktion + Ag solv + e − → Ag 0 1. An-Diffusion der solvatisierten Ag-Kationen zur Elektrodenoberfläche 2. Adsorption der Ionen auf der Elektrodenoberfläche bei teilweisem Verlust der Solvat-Hülle 3. Ladungsdurchtritt, d.h. die Aufnahme eines Elektrons durch das Kation 4. Diffusion des Metallatoms zu einer energetisch günstigen Stelle für die Einbindung in das Kristallgitter bzw. Keimbildung am Ort der Adsorption bzw. Einlagerung in das Kristallgitter am Ort des Ladungsdurchtritts. Wie in chemischer Reaktionskinetik läuft vermutlich ein Teilschritt mit endlicher Geschwindigkeit ab, ist also der geschwindigkeitsbestimmende Schritt. Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 7 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.1. Das Konzept der Überspannung Teilschritte einer elektrochemischen Reaktion Die Gesamthemmung einer Reaktion setzt sich damit aus den Beiträgen der Hemmungen der Teilschritte zusammen, d.h. man kann definieren 1 Leitungsüberspannung durch gehemmten Massen- oder Ladungstransport in der Lösung (d.h. der Ohm’sche Innenwiderstand der Elektrolytlösung) 2 Diffusionsüberspannung durch gehemmten Stofftransport 3 Reaktionsüberspannung durch vor- oder nachgelagerte chemische Reaktionen 4 Adsorptionsüberspannung 5 Durchtrittsüberspannung durch gehemmten Ladungsdurchtritt 6 Kristallisationsüberspannung Da die Beiträge 2 und 3 die Konzentration beteiligten Stoffe beeinflussen, fasst man sie auch zur Konzentrationsüberspannung zusammen. Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 8 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.1. Das Konzept der Überspannung Teilschritte einer elektrochemischen Reaktion Figur 68: Mögliche Teilschritte einer elektrochemischen Reaktion9 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 9 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.2. Experimentelle Messung von Überspannungen Rückblick: Das stromlose Gleichgewichtspotential einer Elektrode wurde bestimmt durch hochohmige Messung deren Potential gegen die ebenfalls stromlose Standard-Wasserstoffelektrode. Bei Stromfluss funktioniert dies nicht, da ja das Potential gegen die ebenfalls stromdurchflossene Standard-Wasserstoffelektrode gemessen werden müsste. Die Referenzelektrode unterliegt damit ebenfalls einer Überspannung und wird damit als Eichpunkt unbrauchbar. Man behilft sich in diesem Fall mit dem Gebrauch einer dritten (meist Elektroden 2. Art) Referenzelektrode die nicht stromdurchflossen ist. Zur Vermeidung von Überspannungen an der Referenzelektrode muss der über das Messinstrument fließende Strom klein bleiben! Die Messanordnung besteht also aus 3 Elektroden: - Messelektrode ist die Elektrode deren Kinetik untersucht werden soll - Arbeitselektrode, die den Stromfluss aufnimmt - Referenzelektrode, gegen die stromlos die Potentialdifferenz zur Messelektrode bestimmt wird. Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 10 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.2. Experimentelle Messung von Überspannungen Figur 69: Aufbau zur stromlosen Messung des Elektrodenpotentials bei Vorhandensein von Überspannungen2,4 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 11 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik Figur 70: Strom-Potential/Überspannungskurve einer chlorumspülten Pt-Elektrode4 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 12 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.1. Leitungsüberspannung Massentransport durch Konvektion meist rascher als der Ladungstransport durch elektrolytische Leitung, vor allem wenn die Lösung gerührt wird. Da die Lösung als Ganzes elektrisch neutral ist, werden zwar die reagierenden Ionen durch die Lösung transportiert, der Ladungstransport erfolgt aber durch alle Ionen die in der Lösung sind. Da gilt R= d Aκ und U = RI = j d κ (j= I ) A wird der Leitungswiderstand durch eine große Elektrodenoberfläche und einen kleinen Elektrodenabstand d herabgesetzt (Luggin-Kapillare!). Es kann auch ein Leitsalz in hoher Konzentration mit hoher Äquivalentleitfähigkeit zugesetzt werden (Säure/Base). Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 13 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.2. Diffusionsüberspannung Vor der Elektrode befindet sich Schicht der Dicke δ („Nernst-Schicht“), die nicht durch Konvektion gerührt ist. Die Dicke der Schicht liegt im Bereich von etwa 0.05-0.5 mm, ist also deutlich größer als die Helmholtz-Schicht (nm-Bereich). Die Ionen müssen durch Diffusion durch diese Schicht transportiert werden - dazu ist Konzentrationsgradient notwendig. Figur 71: Das Nernst-Modell der Diffusionsschicht2 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 14 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.2. Diffusionsüberspannung Ausgangspunkt der Diskussion: Nernst’sche Gleichung für das Elektrodenpotential im Gleichgewicht ∆φ Gl = ∆φ 0 + RT ln c zF Unter Stromfluss ist das Potential unmittelbar außerhalb der äußeren Helmholtz-Ebene c’, d.h. es gilt: ∆φ = ∆ φ 0 + RT ln c' zF Die Diffusionsüberspannung ergibt sich damit zu: η Diff = ∆φ − ∆φ Gl = RT c' ln zF c Die weitere Diskussion beschränkt sich im Wesentlichen auf die Bestimmung der Konzentration c’. Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 15 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.2. Diffusionsüberspannung Die Konzentrationsdifferenz c’-c ist vor allem vom Diffusionskoeffizienten D der Ionen abhängig. Bei hohem Diffusionskoeffizienten ist kein großer Unterschied zwischen c’ und c erwartbar. c’ kann mittels dem 1. Fick’schen Gesetz der Diffusion berechnet werden. Der Teilchenfluss ist gegeben durch ∂c NL ∂x ∂c Für einen linearen Verlauf der Konzentration innerhalb der Diffusionsschicht kann formuliert werden als J = −D c '−c δ ∂x und der Teilchenfluss ist damit: J = −D c '−c δ NL Da die Stromdichte in Richtung der Elektrode gleich dem Produkt aus transportierter Ladung und dem Teilchenfluss ist (j=ezJ), kann man c’ als Funktion der Stromdichte an der Doppelschicht angeben als δ c' = c − j zFD Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 16 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.2. Diffusionsüberspannung Die Überspannung in Abhängigkeit von der Stromdichte ist dann: η Diff = RT jδ ln(1 − ) oder zF zcFD zFη Diff zcFD RT j = 1 − e δ Die Diffusionsgeschwindigkeit wird also am größten wenn der Konzentrationsgradient am steilsten ist, d.h. bei c’ = 0 (lim e− x = 0) x →∞ Der in diesem Fall maximal beobachtbare Strom ist der gegeben durch die Diffusionsgrenzstromdichte zFD jGrenz = ezJ Grenz = c δ Im Grenzfall kleiner Überspannungen gilt lim ln(1 − x) = − x , und die Überspannung ist daher: x →0 η Diff = RT jδ RTδ j − =− 2 2 zF zFDc z F Dc Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 17 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.2. Diffusionsüberspannung Der Diffusionsbeitrag zum Innwiderstand des Elektrolyten ist dann: RDiff = η Diff I = η Diff jA = RTδ z 2 F 2 DcA Dieser Widerstand soll möglichst klein sein → Nernst-Schicht klein (Rühren), Diffusionskoeffizient hoch, hohe Temperatur (trotz T im Zähler), Ionenkonzentration hoch, Elektrodenoberfläche groß. Figur 72: Strom-Potentialkurven von rein diffusionskontrollierten und gemischt-kontrollierten Reaktionen9 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 18 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.2. Diffusionsüberspannung Beispiel: 1) Leiten Sie eine Formel für die Grenzstromdichte in Abhängigkeit der Einzelionenleitfähigkeit λ, der Konzentration c und der Dicke der Diffusionsschicht δ her. Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 19 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.3. Adsorptionsüberspannung Übergang eines Elektrons von der Elektrode auf ein Teilchen (oder umgekehrt) setzt Wechselwirkung voraus. Diese kann von Physisorption bis Chemisorption reichen. Typisches Beispiel: Oxidation von Wasserstoff, die erst nach einer Adsorption des Wasserstoffmoleküls auf der Elektrode stattfinden kann. Es entsteht ein dynamisches Gleichgewicht zwischen gelösten und adsorbierten Wasserstoffmolekülen, das durch den Verbrauch von adsorbiertem Wasserstoff an der Elektrode gestört wird. Das System versucht seine Gleichgewichtsbedeckung (bzw. -konzentration) wieder einzustellen dies erfolgt durch Adjustierung der Geschwindigkeitskonstante kads der Adsorption. Zeitgleich findet allerdings eine Desorption statt. Wesentlich ist, dass für die Elektrodenreaktion nicht mehr die in der Lösung vorherrschende Konzentration maßgebend ist, sondern nur mehr die mit der Bedeckung θ gekoppelte Konzentration. Dies fließt in die Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik ein. Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 20 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.4. Reaktionsüberspannung Hier muss unterschieden werden zwischen vorgelagerten und nachgelagerten Reaktionen: 6.3.4.1. Vorgelagerte Reaktionen 1. A → B − 2. B + ze → C Wenn die erste Reaktion die Geschwindigkeit bestimmt, verarmt die äußere Helmholtzschicht an B und eine ähnliche Überspannung wie bei der Diffusion wird beobachtet. Beispiele: - Elektrolytische Reduktion von HNO3 1. 2HNO3 → H 2 O + NO2 + NO3 langsam − − 2. NO2 + e → NO2 schnell Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 21 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.4. Reaktionsüberspannung - Elektrolytische Reduktion von Formaldehyd. 1. CH 2 (OH ) 2 → CH 2 O + H 2 O 2. CH 2 O + 2 H + 2e → CH 3OH + − langsam schnell - Wasserstoffentwicklung aus einer schwachen Säure Figur 73: Zur Wasserstoffentwicklung einer schwachen Säure4 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 22 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.4. Reaktionsüberspannung Vor der Elektrode wird die schwache Säure durch Dissoziation und Wasserstoffabscheidung verbraucht. Die HOAcMoleküle werden jedoch nicht abgeschieden, d.h. deren Konzentration ist konstant. Die Protonenkonzentration ist mindestens um eine Größenordnung kleiner als diejenige der Säure und folgt innerhalb der Diffusionsschicht dem Massenwirkungsgesetz. Erst innerhalb einer schmalen Reaktionschicht, deren Dicke durch den Abstand gegeben ist, aus dem ein Proton schneller zur Elektrode gelangt, als es rekombiniert, sinkt die Protonenkonzentration schnell auf null. Innerhalb dieser Schicht ist die Konzentration der Protonen kleiner als im Inneren der Lösung - innerhalb dieser Schicht läuft der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ab. Die Dicke der Reaktionsschicht kann unter der Bedingung, dass die Anionenkonzentration höher ist als diejenige der Säure, angegeben werden als δR = DH + k Re ko c Anion Die Strom-Spannungcharakteristik ist ähnlich derjenigen einer reinen Diffusionsüberspannung. Experimentell unterschieden wird durch die Tatsache, dass Konvektion die Nernst-Schicht verkleinert und damit der Diffusionsgrenzstrom ansteigt, der Reaktionsgrenzstrom jedoch nicht, da die Geschwindigkeit der chemischen Reaktion von erzwungener Konvektion nicht beeinträchtigt wird. Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 23 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.4. Reaktionsüberspannung 6.4.3.2. Nachgelagerte Reaktionen Möglichkeiten: 1. Abtransport des Produktes geschwindigkeitsbestimmend (Wasserstoffelektrode). Wenn das Potential für die Bildung von gasförmigen H2 nicht ausreicht - Lösung von H2 im Elektrolyt, Diffusion zur Elektrodenoberfläche. Langsamer Abtransport, Diffusionsstrom bei kleinem elektrischem Potential vor der Zersetzungsspannung. Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 24 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.4. Reaktionsüberspannung 6.4.3.2. Nachgelagerte Reaktionen Die Wasserstoffelektrode Wichtige technische Bedeutung (Wasserstoffoxidation an Pt-Elektroden in Wasserstoff-SauerstoffBrennstoffzellen) Je nach Elektrodenmaterial können 2 Reaktionswege ablaufen 1. Volmer-Tafel Mechanismus a. H + + e − → H ad Volmer-Reaktion b. 2 H ad → H 2 ad Tafel-Reaktion 2. Volmer-Heyrovski Mechanismus a. H + + e − → H ad Volmer-Reaktion b. H ad + H + + e − → H 2 ad Heyrovski-Reaktion Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 25 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.4. Reaktionsüberspannung 6.4.3.2. Nachgelagerte Reaktionen Die Wasserstoffelektrode Beim ersten Mechanismus ist die zweite Reaktion zweiter Ordnung bezüglich Had, beim zweiten erster Ordnung bezüglich Had. Bei kleiner Had-Konzentration ist daher der erste Reaktionsmechanismus unwahrscheinlich und die Heyrovski-Mechanismus eine Alternative. Der Mechanismus und die Reaktionsgeschwindigkeit hängen im Wesentlichen von der Stärke der Wasserstoffadsorption am Elektrodenmaterial ab. Schwache Adsorption, z. B. an Hg, Cd, Pb - geringe Konzentration an Had, daher VHM. Das chemische Potential des adsorbierten Wasserstoffs ist sehr hoch, daher hohe Aktivierungsenergie für die Volmer-Reaktion geschwindigkeitsbestimmend. Mittlere Adsorption, z. b. an Pt, Pd, Ni: Tafel-Reaktion möglich chemische Potential aller beteiligten H-Spezies etwa gleich hoch-mittlere Aktivierungsenergie Starke Adsorption, z. B. Ti, Nb, W, Mo: Tafel-Folgereaktion, aber Abreaktion langsam. Das chemische Potential von Hads ist sehr niedrig, die Aktivierungsenergie für die Folgereaktion sehr hoch - geschwindigkeitsbestimmend. Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 26 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.4. Reaktionsüberspannung 6.4.3.2. Nachgelagerte Reaktionen Die Wasserstoffelektrode Die Wasserstoffabscheidung hat damit eine geringe Austauschstromdichte an Metallen die entweder eine schwache oder starke Bindung zu atomarem Wasserstoff haben, dazwischen hat die Kurve ein Maximum („Vulkan-Kurve“) Figur 75: Vulkankurve für die Austauschstromdichte der Wasserstoffentwicklung an verschiedenen Metallen2 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 27 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.4. Reaktionsüberspannung 6.4.3.2. Nachgelagerte Reaktionen Die Sauerstoffelektrode Mechanismus der Sauerstoff-Abscheidung: a. H 2 O + # → OH ad + e − + H + b. 2OH ad → Oad + H 2 O + # Nebenreaktion zu b: 2OH ad → H 2 O2 c. 2Oad → O2 ad → O2 g In Brennstoffzellen bewirkt die Peroxid-Bildung eine geringere Stromausbeute als bei der Bildung von molekularem Sauerstoff, da das chemische Potential von Sauerstoff in H2O2 höher ist. An Pt wird O stark gebunden, daher Austauschstromdichte gering. Unedle Metalle ungeeignet, da leichte Korrosion. Ideale Elektrodenmaterialien sind Mischoxide mit einem leichten Wechsel der Oxidationszahl, z. B. Ni0.2Co0.8LaO3 oder NiCoAlO4 (Ni zwischen Ni2+ und Ni3+). Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 28 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.5. Ladungsdurchtrittsüberspannung Zentrales Thema der Elektrochemie, beschreibt den Ladungsübergang während einer elektrochemischen Reaktion. Damit ein Ion am Ladungsübertritt teilnehmen kann, muss es entweder seine Hydrathülle abstreifen oder wiederherstellen, je nach Richtung beim Durchtritt durch die elektrolytische Doppelschicht. Beide Prozesse sind aktiviert, d.h. man kann eine Geschwindigkeitskonstante k schreiben als: k a , 0 = Aa e − ∆G # a RT und k c , 0 = Ac e − ∆G # c RT Diese Geschwindigkeitskonstanten gelten nur ohne Potentialdifferenz zwischen Elektrode und Lösung. Es ist aber eine zusätzliche elektrische Arbeit zF∆φ # für die Überwindung der Potentialdifferenz notwendig. Der Wert für ∆G0 # + zF∆φ # hängt sehr stark davon ab, wo sich der aktivierte Komplex in der äußeren Helmholtz-Schicht befindet. Liegt er dicht an der äußeren Helmholtz-Schicht, so ist der Einfluss des elektrischen Potentials auf den anodischen Prozess groß, und vice versa. Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 29 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.5. Ladungsdurchtrittsüberspannung Figur 76: Aktivierung der anodischen und kathodischen Teilreaktion beim Elektrodendurchtritt 5 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 30 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.5. Ladungsdurchtrittsüberspannung Es muss daher, um die Lage des AK zu kennzeichnen, ein Durchtrittsfaktor α eingeführt werden, der angibt welcher Anteil des elektrischen Potentials sich auf den anodischen Prozess auswirkt. Damit ergeben sich die Geschwindigkeitskonstanten zu: a −αzF∆φ ) RT c + (1−α ) zF∆φ ) RT ka = Aa e − ( ∆G # kc = Ac e − ( ∆G # = ko , a eαzF∆φ RT = ko , c e − (1−α ) zF∆φ RT Die Stromdichten sind damit gegeben über j = kczF und weiter als j a = zFk 0,a cred eαzF∆φ RT j c = − zFk 0,c cox e − (1−α ) zF∆φ RT Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 31 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.5. Ladungsdurchtrittsüberspannung Die Freien Aktivierungsenthalpien für beide Prozesse sind verschieden. Für j a > jc ist j>0 Anodenstrom j a < jc ist j<0 Kathodenstrom Hat Δφ seinen Gleichgewichtswert, ist der Gesamtstrom null und die jeweiligen Gleichgewichtsstromdichten sind gleich. Damit gilt ja = jc = j0 Unterscheidet sich die Potentialdifferenz Δφ von ihrem Gleichgewichtswert gerade um die Überspannung gemäß η = ∆φ − ∆φ0 so ergibt sich für die beiden Stromdichten: Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 32 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.5. Ladungsdurchtrittsüberspannung ja = zk0,a Fcred exp( α zF ∆ϕ0 α zη F α zη F ) exp( ) = j0 exp( ) RT RT RT (1 − α ) zF ∆ϕ0 (1 − α ) zη F (1 − α ) zη F jc = − zk0,c FcOx exp(− ) exp(− ) = j0 exp(− ) RT RT RT Da die Gleichgewichtsstromdichten per Definition gleich sind, ergibt sich als (1−α )η zF − αηRTzF RT j = ja − jc = j0 e −e die Butler-Volmer Gleichung mit j0 als Austauschstromdichte Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 33 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.5. Ladungsdurchtrittsüberspannung Figur 77: Graphische Darstellung der Durchtrittsüberspannung nach der Butler-Volmer-Gleichung5 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 34 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.5. Ladungsdurchtrittsüberspannung Grenzfälle der Butler-Volmer Gleichung Kleine Durchtrittsüberspannungen (kleiner als 0.01 V): die e-Funktion kann in eine Reihe entwickelt werden und nach dem linearen Glied abgebrochen werden. Es ergibt sich: (1−α )η Fz − αηRTFz (1 − α )η Fz Fη αη Fz j = ja − jc = j0 e − e RT = j0 1 + −1 + = j z 0 RT RT RT Proportionale Beziehung zwischen Stromdichte und Überspannung - die Grenzfläche verhält sich also wie ein Ohm’scher Leiter. Je nach Größe der Überspannung (<>0) ist der Strom anodisch oder kathodisch. Die Überspannung ist damit gegeben durch: η= j RT z j0 F Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 35 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.5. Ladungsdurchtrittsüberspannung Grenzfälle der Butler-Volmer Gleichung Kleine Durchtrittsüberspannungen (kleiner als 0.01 V): Bei großen Austauschstromdichten ist die Überspannung (=der Polarisationswiderstand) sehr klein, d.h. das System adaptiert sich sehr schnell auf eine Änderung der Gesamtstromdichte, ohne dass eine Polarisation der Elektrode entsteht. Figur 78: Austauschstromdichten und Symmetrieparameter für verschiedene Materialien2 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 36 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.5. Ladungsdurchtrittsüberspannung Grenzfälle der Butler-Volmer Gleichung Große Durchtrittsüberspannungen (größer als 0.1 V): Große positive Überspannungen (η >> RT ) zF Große negative Überspannungen (−η >> RT ) zF j ≈ j 0 e α Fη RT j ≈ − j0 e − (1−α ) Fη bzw. ln j = ln j0 + RT α zF RT bzw. ln j = ln j0 − η (1 − α ) zF η RT Auftragungen ln j gegen η werden Tafel-Diagramme genannt und erlauben die Bestimmung der Austauschstromdichte (aus dem Achsenabschnitt) und den Durchtrittsfaktor (aus der Steigung) Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 37 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.5. Ladungsdurchtrittsüberspannung Grenzfälle der Butler-Volmer Gleichung Große Durchtrittsüberspannungen (größer als 0.1 V): Figur 79: Tafel-Auswertung zur Bestimmung der Austauschstromdichte und des Symmetrieparameters4 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 38 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.5. Ladungsdurchtrittsüberspannung Beispiele 1) An einer Pt-Wasserstoffelektrode beträgt die Austauschstromdichte bei 298 K 0.79 mAcm-2. Welcher Strom fließt durch eine Standardelektrode mit einer Gesamtfläche von 5 cm2, wenn an der Grenzfläche eine Überspannung von 5 mV herrscht? 2) Die folgenden Messwerte beziehen sich auf den Anodenstrom durch eine Pt-Elektrode mit einer Oberfläche von 2 cm2, die in eine wässrige Lösung aus Fe2+ und Fe3+ taucht (T=298 K). Berechnen Sie die Austauschstromdichte und den Durchtrittsfaktor für den Elektrodenprozess. η 50 100 150 200 250 [mV] I 8.8 25.0 58.0 131 298 [mA] 3) Leiten Sie eine Beziehung für das Verhältnis der Geschwindigkeiten einer Metallabscheidung und einer Wasserstoffentwicklung aus einer Lösung her, in der a) beide Prozesse möglich sind b) die Wasserstoffentwicklung diffusionslimitiert ist Diskutieren Sie das Ergebnis 4) Die Austauschstromdichte von H+ an Zink beträgt etwa 5x10-11 A cm-2. Kann man Zink aus einer wässrigen Lösung eines Zn-Salzes mit der Aktivität eins abscheiden (T=298 K, α=1/2)? 5) Für eine Elektrode, die in wässriger Lösung bei 298 K in Berührung mit den beiden Kationen M3+ und M4+ ist, hat der Durchtrittsfaktor den Wert 0.39. Die Stromdichte ist 55 mA cm2 bei einer Überspannung von 125 mV. Welche Überspannung braucht man für eine Stromdichte von 75 mA cm-2? Wie groß ist die Austauschstromdichte der Elektrode? Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 39 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.6. Kristallisationsüberspannung Kathodischen Abscheidung eines Metalls aus einer Lösung: Ladungsdurchtritt verbunden mit Einbau des dabei entstehenden neutralen Metallatoms in das Gitter der metallischen Elektrode. Diese Kristallisation unter der Einwirkung des elektrischen Feldes ist die Elektrokristallisation. Der umgekehrte Prozess ist die anodische Metallauflösung. Vor allem bei der Einlagerung des Atoms in das Kristallgitter sind energetische Barrieren zu überwinden. Diese Energetik ist zu unterscheiden auf homogenen Metalloberflächen (z.B. Einkristallen) und polykristallinen Oberflächen, die sich aus einer Vielzahl von Einzelkristallfacetten zusammensetzt. Wird durch Reduktion ein neutrales Metallatom erzeugt, hat das Atom mehrere Möglichkeiten, auf der Oberfläche zu reagieren: - spontane Kristallisation am Ort des Auftreffens via Keim - Wanderung durch Oberflächendiffusion zu einem energetisch günstigerem Platz (Fehlstelle, Kante) - direkte Einfügung in das Kristallgitter (nur bei großer Fehlstellenkonzentration wahrscheinlich) Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 40 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.6. Kristallisationsüberspannung Figur 80: Möglichkeiten der Oberflächenreaktion eines adsorbierten Atoms4 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 41 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.6. Kristallisationsüberspannung Bei der direkten Abscheidung via 3) keine Hemmung zu beobachten ist, trotzdem muss eine Kristallisationsüberspannung berücksichtigt werden, wenn die Einlagerung des Metallatoms durch langsame Oberflächendiffusion oder unterdrückte Keimbildung gehindert ist. Damit kommt es zu einer Anhäufung von Ad-Atomen, die eine höhere potentielle Energie und damit ein höheres chemisches Potential aufweisen. RT c0 ln Die zugehörige Kristallisationsüberspannung ist η = zF c ad Aktivität der ad-Atome sinkt mit steigender Oberflächendiffusionsgeschwindigkeit (nimmt mit der Temperatur zu, da die Oberflächendiffusion ein aktivierter Prozess ist. Die Überspannung sinkt mit steigender Temperatur. Ebenso ist der Prozess der Metallauflösung diffusionsabhängig, da das zu oxidierende Teilchen von einem Oberflächenplatz zu einem ad-Atom diffundieren muss. Die Abhängigkeit der Stromdichte von der Überspannung lässt sich ebenfalls über die Butler-Volmer Gleichung beschrieben. Beim Anlegen der Überspannung wird die Aktivität der ad-Atome erhöht, zu überwindende Energieberg der Freien Enthalpie wird einseitig erhöht - selbe Situation wie bei Durchtrittsüberspannung. Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 42 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.6. Kristallisationsüberspannung Dies hat auch Auswirkungen auf die galvanische Metallabscheidung, bei der meist eine glatte Oberfläche erwünscht ist, da (u.a.) Dendriten einen Kurzschluss herbeiführen können. Daher werden Metalle oft aus negativ geladenen Komplexionen abgeschieden, z.B. Silber aus Silbercyanid-Lösung gemäß Ag (CN ) 2− + e − → Ag + 2CN − Der Transport der Komplex-Ionen erfolgt durch einen Konzentrationsgradientengradienten des CyanidSalzes zur Elektrode hin. Ag (CN ) −2 wird gegen das elektrische Feld zur Elektrode transportiert Zn Ag Ag(CN)2- Zn2+ - - Aufgerauhte Oberfläche, Höheres Potential an Spitze Dendritenbildung, u. U. Kurzschluß Aufgerauhte Oberfläche, Höheres Potential an Spitze, Ag negativ komplexiert, Ablagerung präferentiell in Mulden da geringeres Potential-Glattere Oberfläche Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 43 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.6. Kristallisationsüberspannung Eine weitere Methode zur Erhaltung einer ist glatten Oberfläche Elektropolieren, anodisch wobei aufgelöst das das Metall wird. Durch Komplexierungszusatz wird erreicht, dass exponierte Stellen schneller aufgelöst werden. Wenn mit Wechselspannung elektropoliert wird, kann erreicht werden, dass Auflösung an Spitzen und die Abscheidung in Mulden erfolgt („electrochemical machining“) zum Einsatz, bei dem komplizierte Werkstücke (Pkw-Kurbelwellen, Turbinen) geformt werden, die keinerlei Materialspannungen aufweisen. Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 44 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.6. Kristallisationsüberspannung Durch Amalgamierung der Elektroden kann die Kristallisationspolarisation verhindert werden, der Transport erfolgt dann durch Diffusion in der Amalgamphase, die mit geringerer Aktivierungsenergie verläuft als die Oberflächendiffusion an der Metalloberfläche (z. B. Abscheidung von Metallionen an einer Hg-Elektrode verläuft mit geringerer Polarisation falls amalgamiert). Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 45 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.6. Kristallisationsüberspannung Passivität von Metallen Bei der anodischen Auflösung von Metallen besteht unmittelbar vor der Elektrodenoberfläche eine hohe Konzentration von Metallionen. Dies kann bei einer bestimmten Auflösungsgeschwindigkeit zum Überschreiten des Löslichkeitsprodukts des Metallhydrids oder -oxids führen. Falls diese Schichten eine Dicke bis etwa 100 nm auf der Elektrode bilden, sinkt die anodische Stromdichte bei der betreffenden Überspannung (mit dem zugehörigen Elektrodenpotential, als Flade-Potential bezeichnet) stark ab. Ein eventuell vorhandener Reststrom kann nur fließen, wenn die Geschwindigkeit des Transportes der betreffenden Ionen durch die Passivschicht hoch genug ist. geringe Überspannung: Me → Me n + + ne − n hohe Überspannung: Me + H 2 O → MeOn / 2 + nH + + ne − 2 Ein Wiederanstieg der Stromdichte bei höheren Überspannungen ist auf die Sauerstoff-Abscheidung gemäß H 2 O → 2 H + + 1 / 2O2 + 2e − zurückzuführen. Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 46 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.6. Kristallisationsüberspannung Passivität von Metallen Die Ausbildung der Passivschichten ist stark von der Art des Metalls bzw. der Art und Konzentration des Elektrolyten abhängig (vgl. Al in saurer und alkalischer Lösung) Figur 82: Strom-Spannungscharakteristik bei der Metallauflösung bei Bildung einer Passivschicht4 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 47 6. Kinetik von Elektrodenreaktionen 6.3. Diskussion der Strom-Spannungscharakteristik 6.3.7. Polarographie Im Prinzip die Aufnahme einer kathodischen Strom-Spannungscharakteristik an einer tropfenden Quecksilberelektrode. Es kommt zur Abscheidung von Metallkationen. Quecksilber hat eine hohe Wasserstoffüberspannung, d.h. selbst unedle Metalle können abgeschieden werden. Verunreinigungen der Hg-Oberfläche werden durch den ständig neuen Tropfen verhindert. Quecksilber verhindert die Kristallisationspolarisation, die Diffusion ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt. Die Strom-Spannungskurve ist typisch die der Diffusionspolarisation, d.h. nach Erreichen der Gleichgewichtsreversiblen Zellspannung steigt die Stromstärke zuerst linear an und geht dann in den Bereich des Diffusionsgrenzstromes. Für die qualitative Zuordnung wird das Halbstufenpotential abgelesen, das mit der reversiblen Zellspannung korrelierbar ist. Die quantitative Analyse erfolgt über den Diffusionsgrenzstrom, der der Aktivität proportional ist (siehe vorne) Figur 83: Prinzip der Polagraphie4 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 48