Positionen Hüftendoprothesen - Deutsche Rheuma-Liga

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Positionen der Deutschen Rheuma-Liga Bundesverband
zum endoprothetischen Ersatz des Hüftgelenks
(Erstimplantation und Revision)
Hüftendoprothesen werden hauptsächlich bei Patienten mit Arthrose, aber auch bei
Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA) und anderen entzündlich-rheumatischen
Erkrankungen implantiert. Darüber hinaus werden Hüftendoprothesen bei Patienten
nach Knochenbrüchen und bei Hüftdysplasien eingesetzt.
Deutschland ist international Spitzenreiter bei der Implantation von Endoprothesen:
2009 erfolgten 210 000 Hüftgelenksimplantationen. Aufgrund der älter werdenden
Gesellschaft ist damit zu rechnen, dass die Anzahl von
Hüftendoprothesenimplantationen weiter steigen wird.
Bisher vorliegende Daten deuten auf Qualitätsdefizite in verschiedenen Bereichen
hin, die zu erheblicher Belastung von Patientinnen und Patienten führen. Die
bisherigen Maßnahmen der Qualitätssicherung sind nicht ausreichend, da keine
Volldokumentation gefordert und keine Verfolgung der Fälle im ambulanten Bereich
möglich ist. Erstimplantation und Wechseloperationen können nicht zugeordnet und
aufeinander bezogen werden. Follow-up-Untersuchungen im ambulanten Bereich
müssen erfolgen und mit ausgewertet werden. Flächendeckende
Patientenbefragungen sollten etabliert und in die Qualitätsbewertung einbezogen
werden.
Aus Sicht der Deutschen Rheuma-Liga müssen daher dringende Maßnahmen zur
Verbesserung der Qualität der Versorgung mit Hüftendoprothesen getroffen werden.
Forderung 1: Datengrundlagen verbessern
Um Probleme bei der Versorgung mit Hüftendoprothesen besser analysieren und
beheben zu können, muss dringend eine solide Datenanalyse und die Einführung
eines Endoprothesenregisters bzw. eines Versorgungsatlas realisiert werden. Die
Operationen sind begleitet von knapp 2% primärer Revisionen (Revision noch
während des ersten Klinikaufenthaltes), wobei auch hier eine Zunahme um 41% bei
Hüftendoprothesen zu verzeichnen ist. Auch die Wechselraten künstlicher Gelenke
scheinen in Deutschland im internationalen Vergleich relativ hoch zu liegen.
Bisher können die nationalen Daten der Erstimplantation und einer notwendigen
Revision nicht zusammengefügt werden. Ein Register mit Pseudonymisierung der
Patientendaten würde das ermöglichen. Schließlich sollten bei jeder Operation Daten
zur Prothese hinterlegt werden. Bei Hüftendoprothesen stehen ca. 500
unterschiedliche Modelle zur Verfügung. Hier ist mehr Wissen aus
Verlaufsuntersuchungen notwendig. Um jedoch einen Effekt eines nationalen
Prothesenregisters bezüglich einer Qualitätsverbesserung und Kostenersparnis zu
erreichen, müssen die Daten unter Einbeziehung der wissenschaftlichen Gremien
der Orthopäden und von Patientenvertretern ausgewertet und daraus
Schlussfolgerungen gezogen werden. Es besteht die Befürchtung, dass in einem Teil
der Krankenhäuser die Verträge mit Prothesenherstellern allein aufgrund der Preise
geschlossen werden und darunter die Qualität der Versorgung leidet. Nur durch eine
Verbesserung der Datenlage können solche Qualitätsmängel ausgeschlossen
werden.
Durch die Schaffung einer umfassenden Datengrundlage mit einem
Endoprothesenregister sind Qualitätsverbesserungen und Kostenersparnisse
möglich. Das Beispiel Schweden belegt, dass dort nach Einführung und Auswertung
des nationalen Registers innerhalb von 3 Jahren die Rate der Revisionen um 25%
sank. Für Deutschland berechnet würde das bedeuten, dass bei 3000 primären HüftRevisionen und Kosten von 10 000 € je Operation bei einer 25%igen RevisionsratenSenkung 7 Millionen Euro im 3. Jahr des Registers gespart würden. Das Deutsche
Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) ist in einem HTABericht (Health-Technology-Assessment) zu dem Ergebnis gekommen, dass
Gelenkendoprothesenregister über ein großes medizinisches Nutzenpotential
verfügen.
Forderung 2: Indikationsstellung transparent machen
Bei der Versorgung mit Hüftendoprothesen ist eine deutliche Steigerung der
Fallzahlen festzustellen (Steigerung gegenüber 2003 um 9%, bei Knieprothesen um
43%). Aus Patientensicht ergibt sich die Frage, ob diese starke Zunahme der
Operationszahlen medizinisch begründet ist. Es müsste auch untersucht werden, ob
es regionale Unterschiede gibt.
Es besteht die Befürchtung, dass je nach behandelndem Arzt sehr unterschiedliche
Indikationsstellungen erfolgen. Es gibt nach den Erfahrungen aus der
Beratungsarbeit der Deutschen Rheuma-Liga häufig unterschiedliche Auskünfte von
verschiedenen Ärzten zur Indikationsstellung. In einigen Fällen besteht der Verdacht,
dass Prothesen insbesondere bei Arthrosen eher zu früh eingesetzt werden, ohne
dass alle anderen Möglichkeiten der Therapie und Selbsthilfe ausgeschöpft wurden.
Hier muss die konservative Therapie dringend verbessert werden. Jungen Patienten
wird oft von einer Endoprothese abgeraten, ohne dass ihnen eine Alternative
benannt wird.
Da die Entscheidung für oder gegen eine Endoprothese bei dem Patienten oder der
Patientin liegt, muss die Beratung und Aufklärung durch den behandelnden Arzt
verbessert werden. Die Indikationsstellung durch den Arzt muss ausreichend
detailliert dokumentiert werden.
Forderung 3: Qualität der Kliniken verbessern
Es bestehen gravierende Qualitätsunterschiede der Kliniken, wie in einer Studie des
Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) deutlich geworden ist: Das Viertel der
Krankenhäuser mit den niedrigsten Komplikationsraten hat eine Komplikationsquote
von weniger als 8,8%, das Viertel mit den höchsten Raten hatte mehr als 16,6%
Komplikationen. Die KKH-Allianz hat in einzelnen Kliniken Revisionsraten von 50%
der Fälle festgestellt. Um die Qualität der Operationen zu verbessern, sollten
erweiterte Maßnahmen zur Qualitätssicherung ergriffen werden.
Bei der Implantation von Endoprothesen sind ausreichende Vorerfahrungen der
Operateure erforderlich. Insbesondere bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen
sind wegen Osteoporose und des Systemcharakters der Grunderkrankung
besondere Erfahrungen erforderlich. Bei den zugrunde liegenden Erkrankungen
treten Komplikationen unterschiedlich häufig auf: Thrombosen und Verknöcherungen
erfahrungsgemäß eher bei Arthrosen, Luxationen eher bei RA-Patienten. Ein
flächendeckendes Netz von Spezialkliniken, die eine ausgewiesene und ggf.
zertifizierte Strukturqualität nachweisen können, muss geschaffen werden. Dabei
müssen spezielle Anforderungen für die Operation von Patienten mit entzündlichrheumatischen Erkrankungen definiert und nachgewiesen werden. Mindestmengen
sollten je Operateur und nicht nur je Klinik definiert werden. Außerdem sollten die
Kliniken verpflichtet werden, Behandlungspfade für die Operation und die Situation
vor und nach der Operation zu definieren.
Die bisherigen Maßnahmen der Qualitätssicherung sind nicht ausreichend, da keine
Volldokumentation gefordert ist und keine Verfolgung der Fälle im ambulanten
Bereich möglich ist. Follow-up-Untersuchungen im ambulanten Bereich müssen
erfolgen und mit ausgewertet werden. Der große Nachteil der bisherigen Meldepflicht
in Deutschland besteht darin, dass nur produktbezogene Fehler meldepflichtig sind.
Damit werden patientenbezogene Implantatversager, zum Beispiel durch zu frühe
Belastung, oder Fehler der Anwender, zum Beispiel durch Auswahl des falschen
Modells, überhaupt nicht erfasst.
Patientenrelevante Endpunkte bei Operationen zur Endoprothesenversorgung sind
die baldmögliche Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit, Schmerzfreiheit und
Standzeiten der Prothese über 15 Jahre.
Forderung 4: Frühwarnsystem bei defekten Prothesen verbessern
Das bisherige Frühwarnsystem bei defekten Prothesen beruht auf einer Verpflichtung
der Hersteller auf Meldung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
(BfArM). Vom 1.1.2007 bis zum 30.6.2010 wurden nach Angaben des
Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) 1035 Fälle von Produktversagen beim
BfArM gemeldet, in 166 der 209 vom BfArM festgestellten Fälle von Produktversagen
war der Grad der Patientenschädigung als kritisch einzuschätzen. Produktversagen
bei Hüftgelenksendoprothesen führt damit in Deutschland zum höchsten Grad an
Patientenschädigung aller implantierten Produkte (auch höher als Produktversagen
bei Herzschrittmachern und Defibrillatoren). Aufgrund der potentiell sehr hohen
Belastung für Patienten bei defekten Hüftendoprothesen sollte auch aus diesen
Gründen ein Endoprothesenregister eingeführt werden, um das Frühwarnsystem bei
Produktschäden zu verbessern. Wenn deutlich wird, dass bei einer Prothese in
mehreren Fällen gravierende Mängel aufgetreten sind, die zu einer Gefährdung der
Prothese führen, sollte eine Verpflichtung zur Information der mit dieser Prothese
versorgten Patientinnen und Patienten bestehen.
Weiterhin sollten durch die Operation die zugrunde liegende Systemerkrankungen
nicht verschlechtert werden. So gibt es zum Beispiel in Deutschland kein
einheitliches Vorgehen der verschiedenen Kliniken bezüglich des Absetzens der
Basismedikation bei entzündlichen Rheumatikern im Umfeld der Operation. Auch
diese Frage muss dringend wissenschaftlich geklärt werden. Hierzu könnte das
geforderte Register ebenfalls dienen.
Forderung 5: Nachsorge verbessern
Im Anschluss an die Operation sollten Rehabilitationsmaßnahmen eingeleitet
werden. Diese sollten ambulant nur bei guter Beweglichkeit und früher Belastbarkeit
sowie günstigen häuslichen Umständen (wenig Treppen, helfende Angehörige,
Krankengymnastik in der Nähe) erfolgen. Bei RA sollte in der Regel eine stationäre
Anschlussheilbehandlung erfolgen, um die Behandlung des gesamten
Bewegungsapparates zu ermöglichen. Die erforderliche Therapiedichte ist ambulant
meist nicht erreichbar wegen schlechterer Mobilität der Patienten. Patienten
berichten zunehmend, dass Anschlussheilbehandlungen nur ambulant genehmigt
werden, auch wenn die Kriterien der Belastbarkeit und der geeigneten häuslichen
Umstände nicht gegeben sind. Eine Nachsorge nach der Rehabilitationsmaßnahme
sollte in Form von Krankengymnastik sowie Funktionstraining und/oder weiteren
Nachsorgemaßnahmen der Rehabilitationsträger erfolgen, wird jedoch nach
Patientenberichten bisher nur punktuell realisiert.
Sollte eine Entlassung aus der Klinik nach Hause erfolgen, muss dringend frühzeitig
geklärt werden, ob die häusliche Versorgung gesichert ist.
Forderung 6: Information von Patienten verbessern
Erfahrungen aus der Beratungsarbeit zeigen, dass die Entscheidung für oder gegen
eine Hüftendoprothese für die Betroffenen oft sehr schwierig ist. Hier muss die
Beratung und Aufklärung durch den behandelnden Arzt wesentlich verbessert
werden. Auch Informationen über die Folgen der Hüftendoprothesenimplantation und
Hinweise zum Verhalten mit der Endoprothese fehlen häufig. Patienten fordern eine
strukturierte Aufklärung über die Besonderheiten des Lebens mit einer
Hüftendoprothese. Die ausführliche Beratung und Information durch die
behandelnden Ärzte sollte ergänzt werden durch eine strukturierte
Patientenschulung, z.B. während der Anschlussheilbehandlung.
Neben der Information durch den behandelnden Arzt müssen auch die öffentlich
zugänglichen Informationen für Patienten über die unterschiedlichen Arten von
Prothesen, deren jeweiligen Standzeiten und die Qualität der Operationsergebnisse
der einzelnen Kliniken dringend verbessert werden.
Stand: 03.02.2011
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