Funktionentheorie auf Riemannschen Flächen

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Funktionentheorie auf Riemannschen Flächen
Universität Regensburg
Sommersemester 2014
Daniel Heiß:
§5:
Maximale analytische Fortsetzung
20.05.2014
§5:
Riemannsche Flächen
Analytische Fortsetzung
Abstract
Zunächst werden Garben und weitere benötigte Begriffe eingeführt um dann konkret die analytische Fortsetzung holomorpher Funktionskeime zu studieren.
Notation. Die Kategorie der abelschen Gruppen sei bezeichnet mit Ab.
I Garben
Definition 1.1. Sei X ein topologischer Raum. Eine Prägarbe abelscher Gruppen auf X ist
ein Paar (F , ρ) so dass für alle offenen Teilmengen W ⊆ V ⊆ U ⊆ X gilt:
(i) F (U ) ∈ Ab ist eine abelsche Gruppe.
(ii) ρU
V : F (U ) −→ F (V ) ist ein Gruppenhomomorphismus.
(iii) ρU
U = idF (U ) .
U
(iv) ρVW ◦ ρU
V = ρW .
(v) F (∅) = {0}.
Die Abbildungen ρU
V heißen Einschränkungshomomorphismen und Elemente f ∈ F (U )
heißen Schnitte über U .
Bemerkung. Analog definiert man den Begriff der Prägarbe von Ringen, k-Vektorräumen,
R-Algebren oder Mengen.
Notation. Oft schreibt man
für die Prägarbe (F , ρ) nur F und für einen Schnitt f ∈ F (U )
und V ⊆ U offen schreibe f := ρU
V (f ).
V
Beispiel 1.2. Sei X ein topologischer Raum. Für U ⊆ X offen setze
C(U ) :=
n
o
f : U −→ C f stetig
und für alle V ⊆ U offen sei ρU
V die gewöhnliche Einschränkungsabbildung. Dann bildet offenbar
(C, ρ) eine Prägarbe abelscher Gruppen auf X.
Bemerkung. Die Prägarbe C aus Beispiel 1.2 ist sogar eine Prägarbe von C-Vektorräumen
bzw. von C-Algebren.
Definition 1.3. Sei X ein topologischer Raum und F eine Prägarbe auf X. Dann heißt F
eine Garbe, wenn für jede offene Menge U ⊆ X und jede offene Überdeckung U =
S
i∈I
Ui
folgende Garbenaxiome erfüllt sind:
U
(a) Für f, g ∈ F (U ) mit ρU
Ui (f ) = ρUi (g) für alle i ∈ I gilt f = g.
Daniel Heiß
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§5:
Riemannsche Flächen
Analytische Fortsetzung
U
j
i
(b) Seien fi ∈ F (Ui ) (i ∈ I) gegeben so dass ρU
Ui ∩Uj (fi ) = ρUi ∩Uj (fj ) für alle i, j ∈ I, dann
existiert ein f ∈ F (U ) mit ρU
Ui (f ) = fi für alle i ∈ I.
Bemerkung 1.4. Das verklebte Element f aus Garbenaxiom (b) ist wegen Garbenaxiom (a)
bereits eindeutig bestimmt.
Beispiel 1.5. Betrachte die Prägarbe aus Beispiel 1.2. Diese ist bereits eine Garbe. Das Garbenaxiom (a) ist offensichtlich erfüllt. Für das Axiom (b) beachte, dass die zu verklebenden fi
auf den Schnitten Ui ∩ Uj übereinstimmen. Die Stetigkeit ist eine lokale Eigenschaft, also auch
klarerweise erfüllt.
Beispiel 1.6. Sei X eine Riemannsche Fläche. Für U ⊆ X offen sei O(U ) der Ring der auf U
holomorphen Funktionen. Zusammen mit den üblichen Einschränkungsabbildungen ist damit O
eine Prägarbe von Ringen auf X.
Aus analogen Gründen wie in Beispiel 1.5 ist O sogar eine Garbe auf X. Sie heißt die Garbe der
holomorphen Funktionen auf X. Analog definiere die Garbe der meromorphen Funktionen auf
X durch M(U ) := f : U −→ C f meromorph .
Beispiel 1.7. Sei X ein topologischer Raum und G eine abelsche Gruppe. Für alle V ⊆ U ⊆ X
offen setze

G
, U=
6 ∅
F (U ) :=
{0} , U = ∅
und

id
G
ρU
V :=
0
, V 6= ∅
, V = ∅.
Dann ist offenbar F eine Prägarbe abelscher Gruppen auf X.
Jedoch ist F i.A. keine Garbe: Sei X := {p, q} mit der diskreten Topologie und G := Z. Seien
weiter U := {p}, V := {q} ⊆ X offen.
Wähle s1 := 1 ∈ Z = F (U ) und s2 := 0 ∈ Z = F (V ). Es gilt:
U
V
V
ρU
U ∩V (s1 ) = ρ∅ (s1 ) = 0 = ρ∅ (s2 ) = ρU ∩V (s2 ).
Also müsste nach Garbenaxiom (b) ein Element s ∈ F (U ∪ V ) = F (X) = Z existieren mit:
1 = s1 = ρX
U (s) = idZ (s) = s
und
0 = s2 = ρX
V (s) = idZ (s) = 1
.
Definition 1.8. Sei X ein topologischer Raum und F eine Prägarbe von Mengen auf X, sowie
x ∈ X. Dann ist der Halm von F in x ∈ X definiert als der direkte Limes Fx := lim F (U ).
−→
x∈U
Das heißt: Ein Element des Halmes Fx wird repräsentiert durch das Paar (U, s) wobei U eine
offene Umgebung von x ist und s ∈ F (U ).
Dabei sind zwei Paare (U, s) und (V, t) äquivalent, wenn eine offene Umgebung x ∈ W ⊆ U ∩ V
existiert so dass ρU
(s) = ρVW (t).
W
Schreibe (U, s) für die Äquivalenzklasse von (U, s).
Daniel Heiß
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Analytische Fortsetzung
Definition 1.9. Sei F eine Prägarbe von Mengen auf dem topologischen Raum X, sowie
x ∈ X. Für jede offene Umgebung x ∈ U ⊆ X bezeichne dann ρx : F (U ) −→ Fx die Abbildung
in den Halm in x. Für einen Schnitt f ∈ F (U ) heißt ρx (f ) der Keim von f in x.
Definition 1.10. Sei X ein topologischer Raum. Eine Teilmenge Y ⊆ X heißt Gebiet, wenn
Y 6= ∅ offen und zusammenhängend ist.
Beispiel 1.11. Sei X ⊆ C ein Gebiet und O sei die Garbe der holomorphen Funktionen auf
X. Weiter sei x ∈ X. Dann wird ein Funktionskeim ϕ ∈ OX repräsentiert durch eine holomorphe
Funktion in einer offenen Umgebung von x, das heißt ϕ lässt sich also in einer Potenzreihe
P∞
i
i=0 ci (z − x) mit positivem Konvergenzradius entwickeln. Da diese Zuordnung eineindeutig
ist, besteht also ein Isomorphismus von Ox zum Ring C{z − x} der konvergenten Potenzreihen
in z − x über C.
Lemma 1.12. Sei F eine Garbe abelscher Gruppen auf einem topologischen Raum X und
U ⊆ X offen. Dann ist ein Schnitt f ∈ F (U ) genau dann gleich Null, wenn ρx (f ) = 0 für alle
x ∈ U.
Pr∞f: (⇐)
(⇒)
Klar.
Sei x ∈ X beliebig. Dann gilt ρx (f ) = (Vx , sx ) für eine offene Umgebung x ∈ Vx von x
und sx := ρU
Vx (f ). Nach Voraussetzung gilt sx = 0.
S
Nun ist aber U = x∈U Vx , das heißt nach Garbenaxiom (a) gilt schon f = 0.
2
Definition 1.13. Sei X ein topologischer Raum und F eine Prägarbe auf X. Dann setze
|F | :=
`
x∈X
Fx als die disjunkte Vereinigung aller Halme.
Weiter sei π : |F | −→ X die Abbildung, die ϕ ∈ Fx auf den Punkt x abbildet.
Weiter setze für U ⊆ X offen und f ∈ F (U )
[U, f ] :=
n
o
ρx (f ) x ∈ U ⊆ |F |.
Satz 1.14. Sei F eine Prägarbe auf einem topologischen Raum X. Dann bildet die Menge
B :=
[U, f ] U ⊆ X offen, f ∈ F (U ) eine Basis einer Topologie auf |F |. Die Projektion
π : |F | −→ X ist bzgl. dieser Topologie lokal-topologisch, also eine unverzweigte Überlagerung.
Pr∞f: (Basis)
Sei ϕ ∈ |F | beliebig. Dann ist ϕ = (U, s) ∈ Fx für ein x ∈ X, eine offene
Umgebung x ∈ U ⊆ X und einen Schnitt s ∈ F (U ). Damit gilt aber ϕ ∈ [U, s] ∈ B.
S
Damit gilt |F | = T ∈B T .
Sei nun ϕ ∈ [U, f ] ∩ [V, g]. Es ist z , dass [W, h] ⊆ [U, f ] ∩ [V, g] existiert mit ϕ ∈ [W, h].
Sei x := π(ϕ). Dann ist x ∈ U ∩ V und ϕ = ρx (f ) = ρx (g). Das heißt in Fx gilt (U ∩ V, f ) =
U ∩V (f ) =
(U ∩ V, g) . Also existiert eine offene Umgebung W ⊆ U ∩ V von x so dass ρW
∩V
ρU
W (g) =: h ∈ F (W ). Es folgt ϕ ∈ [W, h] ⊆ [U, f ] ∩ [V, g].
(Überlagerung)
Daniel Heiß
Sei ϕ ∈ |F | und x := π(ϕ). Nach (i) existiert [U, f ] ∈ B mit ϕ ∈ [U, f ].
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Riemannsche Flächen
Analytische Fortsetzung
Damit
ist [U, f ] eine offene Umgebung von ϕ und U eine offene Umgebung von x. Nun ist
π
−→ U bijektiv, stetig und offen, also lokal-topologisch und damit eine unverzweigte
[U,f ]
Überlagerung nach [For77, Satz 4.4].
Beweis: Die Injektivität ist klar. Für die Surjektivität beachte, dass für x ∈ U durch ρx (f ) ∈
[U, f ] ein Urbild gegeben ist. Nach Wahl der Topologie auf |F | ist die Abbildung offensichtlich
2
stetig und offen.
Definition 1.15. Sei F eine Prägarbe auf einem topologischen Raum X. Dann genügt F dem
Identitätssatz, wenn für ein Gebiet Y ⊆ X und f, g ∈ F (Y ) mit ρx (f ) = ρx (g) für ein x ∈ Y
schon folgt, dass f = g ∈ F (Y ).
Beispiel 1.16. Sei X eine Riemannsche Fläche. Dann genügt die Garbe O der holomorphen
Funktionen auf X dem Identitätssatz. Vgl. [For77, Satz 1.11].
Satz 1.17. Sei X ein lokal zusammenhängender Hausdorffraum und F eine Prägarbe auf X,
die dem Identitätssatz genügt. Dann ist |F | Hausdorffsch.
Pr∞f: Seien ϕ1 6= ϕ2 ∈ |F |, sowie x := π(ϕ1 ), y := π(ϕ2 ). Falls gilt, dass x 6= y, so ist die
Aussage klar, denn da X Hausdorffsch ist existieren dann U1 , U2 ⊆ X offen und disjunkt mit
x ∈ U1 , y ∈ U2 . Diese liefern disjunkte Umgebungen π −1 (U1 ), π −1 (U2 ) von ϕ1 und ϕ2 .
Nehme also an x = y. Schreibe ϕi = (Ui , fi ) . Da X lokal zusammenhängend, existiert
eine zusammenhängende offene Umgebung x ∈ U ⊆ U1 ∩ U2 .
i
Betrachte die offenen Umgebungen ϕi ∈ [U, ρU
U (fi )]. Diese sind disjunkt, denn falls ψ ∈
U2
U1
U2
1
[U, ρU
U (f1 )] ∩ [U, ρU (f2 )], dann gilt ρy (ρU (f1 )) = ψ = ρy (ρU (f2 )) für y := π(ψ). Das heißt
U2
1
nach Identitätssatz folgt ρU
U (f1 ) = ρU (f2 ) und damit ϕ1 = ϕ2 .
2
Beispiel 1.18. Die Garbe C ∞ der glatten Funktionen auf C genügt dem Identitätssatz nicht.
Nutze zum Beispiel glatte Abschneidefunktionen aus der Zerlegung der Eins. Damit kann man
zeigen, dass |C ∞ | nicht Hausdorffsch ist.
Skizze: Man wähle ∅ 6= U ⊆ C offen und 0 6= f ∈ C ∞ (C) mit ρC
U (f ) = 0. Setze nun
A := x ∈ C ρx (f ) = 0 ⊆ C. Da U 6= ∅ gilt A 6= ∅. Außerdem ist A offen da für alle
x ∈ A gilt ρx (f ) = 0, also existiert ein x ∈ V ⊆ C offen mit ρC
V (f ) = 0 und damit gilt V ⊆ A.
Betrachte nun die Abbildung η : C −→ |C ∞ |,
x 7−→ ρx (f ). Diese ist nach Definition der Topo-
logie und obigen Überlegungen stetig.
Wäre nun |C ∞ | Hausdorffsch, so wäre {0} ⊆ |C ∞ | abgeschlossen und damit A = η −1 ({0}) ebenfalls abgeschlossen und damit da C zusammenhängend ist: A = C also f ≡ 0
Daniel Heiß
.
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§5:
Riemannsche Flächen
Analytische Fortsetzung
II Analytische Fortsetzung
Notation. Es bezeichne stets X eine Riemannsche Fläche und O die Garbe der holomorphen
Funktionen auf X.
Definition 2.1. Sei x ∈ X. Für einen Keim ϕ = (U, f ) ∈ Ox definiere ϕ(x) := f (x). Nach
Beispiel 1.16 ist dies wohldefiniert.
Definition 2.2. Sei γ : [0, 1] −→ X eine Kurve und a := γ(0), b := γ(1). Ein Funktionskeim
ψ ∈ Ob geht durch analytische Fortsetzung längs γ aus ϕ ∈ Oa hervor, wenn für alle
t ∈ [0, 1] ein Funktionskeim ϕt ∈ Oγ(t) existiert mit:
(i) ϕ0 = ϕ,
ϕ1 = ψ,
(ii) Für alle τ ∈ [0, 1] existieren eine Umgebung τ ∈ T ⊆ [0, 1], eine offene Menge U ⊆ X mit
γ(T ) ⊆ U und eine Funktion f ∈ O(U ) mit ργ(t) (f ) = ϕt für alle t ∈ T .
Bemerkung 2.3. Das Intervall [0, 1] ist kompakt, also ist die Definition 2.2 äquivalent zu:
ψ ∈ Ob geht durch analytische Fortsetzung längs γ aus ϕ ∈ Oa hervor, wenn reelle Zahlen
0 = t0 < t1 < . . . < tn−1 < tn = 1, Gebiete U1 , . . . , Un ⊆ X und Funktionen fi ∈ O(Ui )
existieren so dass:
(i) γ [ti−1 , ti ] ⊆ Ui ,
(ii) ρa (f1 ) = ϕ,
ρb (fn ) = ψ,
U
i+1
i
(fi+1 ).
(iii) Für die Zusammenhangskomponente Vi ⊆ Ui ∩ Ui+1 von γ(ti ) gilt ρU
V (fi ) = ρV
Lemma 2.4. Sei γ : [0, 1] −→ X eine Kurve mit a := γ(0), b := γ(1). Dann geht ψ ∈ Ob genau
dann durch analytische Fortsetzung längs γ aus ϕ ∈ Oa hervor, wenn eine Liftung γ̂ : [0, 1] −→ |O|
der Kurve γ in die Überlagerung |O| existiert mit γ̂(0) = ϕ und γ̂(1) = ψ.
Pr∞f: (⇐)
Die Abbildungsvorschrift γ̂ : [0, 1] −→ |O|, t 7−→ ϕt ∈ Oγ(t) ist stetig. Dies
folgt sofort aus der Definition der Topologie auf |O|.
Nun ist γ̂ eine Liftung von γ, da π(γ̂(t)) = π(ϕt ) = γ(t), da ϕt ∈ Oγ(t) . Und damit gilt auch
γ̂(0) = ϕ0 = ϕ und γ̂(1) = ϕ1 = ψ.
(⇒)
Setze ϕt := γ̂(t) für alle t ∈ [0, 1]. Dann gilt nach Voraussetzung ϕ0 = γ̂(0) = ϕ und
ϕ1 = γ̂(1) = ψ.
Sei nun τ ∈ [0, 1] beliebig und [U, f ] ⊆ |O| eine offene Umgebung von γ̂(τ ). Da γ̂ stetig
ist, ist γ̂ −1 [U, f ] =: T ⊆ [0, 1] offen mit τ ∈ T . Außerdem gilt nun, dass γ(T ) ⊆ U und
ργ(t) (f ) = ϕt für alle t ∈ T , denn:
Sei t ∈ T beliebig. Nach Definition gilt γ̂(t) ∈ [U, f ], also γ̂(t) = ρx (f ) für x ∈ U . Da γ̂ eine
Liftung von γ ist, folgt:
γ(t) = π(γ̂(t)) = π(ρx (f )) = x. (∗)
(∗)
Mit x ∈ U folgt also γ(t) ∈ U . Außerdem gilt (s.o.) γ̂(t) = ρx (f ) = ργ(t) (f ).
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Analytische Fortsetzung
Bemerkung 2.5. Seien in der Situation von Lemma 2.4 γ̂1 , γ̂2 : [0, 1] −→ |O| zwei Liftungen
von γ. Nach Satz 1.17 ist |O| Hausdorffsch, X als Riemannsche Fläche ebenso. Die Überlagerung
π : |O| −→ X ist unverzweigt nach Satz 1.14. Weiter ist [0, 1] zusammenhängend und es gilt
γ̂1 (0) = ϕ = γ̂2 (0), also folgt nach [For77, Satz 4.4], dass γ̂1 = γ̂2 .
Das heißt nach Lemma 2.4 ist eine analytische Fortsetzung längs γ (falls sie existiert) bereits
eindeutig.
Allerdings ist die analtische Fortsetzung nicht unabhängig von der
Wahl der Kurve γ!
Beispiel 2.6. Sei X = C∗ und ϕ := ρ1 (log0 ) der Funktionskeim von
log0 bei 1. Außerdem sei ψ := ρ1 (log2π ) der Funktionskeim von log2π
bei 1, sowie γ : [0, 1] −→ C∗ , t 7−→ e2πit . Dann entsteht ψ aus ϕ durch
analytische Fortsetzung längs γ wie man sofort nachrechnet.
Andererseits entsteht ϕ aus ϕ durch analytische Fortsetzung längs der
Punktpurve γ̃ : [0, 1] −→ C∗ , t 7−→ 1.
Die Kurven γ, γ̃ haben selben Start- und Endpunkt, jedoch entstehen
längs ihnen unterschiedliche Funktionskeime, denn ψ = ϕ + 2πi 6= ϕ.
Sind jedoch die Kurven homotop, so tritt dieser Fall nicht auf:
Satz 2.7 (Monodromiesatz). Sei X eine Riemannsche Fläche und γ0 , γ1 : [0, 1] −→ X zwei
homotope Kurven mit Homotopie h : [0, 1]2 −→ X. Setze γs := h(−, s), sowie a := γ1 (0), b :=
γ1 (1). Sei ϕ ∈ Oa ein Funktionskeim, der sich längs γs für alle s ∈ [0, 1] analytisch fortsetzen lässt.
Dann ergeben die analytischen Fortsetzungen von ϕ längs γ0 und γ1 denselben Funktionskeim
ψ ∈ Ob .
Pr∞f: Nach Satz 1.17 ist |O| Hausdorffsch. Betrachte die unverzweigte (siehe Satz 1.14)
Überlagerung π : |O| −→ X. Nach Voraussetzung und Lemma 2.4 lässt sich jede Kurve γs
nach |O| liften, wobei γ̂s (0) = ϕ ∈ Oa für alle s ∈ [0, 1]. Damit sind die Kurven γ̂0 und γ̂1 nach
[For77, Satz 4.10] homotop und haben denselben Endpunkt. Das heißt es gilt γ̂0 (1) = γ̂1 (1).
Damit folgt die Behauptung mit Lemma 2.4.
2
Korollar 2.8. Sei X einfach-zusammenhängend und a ∈ X, sowie ϕ ∈ Oa ein Funktionskeim,
der sich längs jeder Kurve mit Startpunkt a analytisch fortsetzen lässt. Dann existiert genau ein
f ∈ O(X) mit ρa (f ) = ϕ.
Pr∞f: (Eindeutigkeit)
(Existenz)
Das ist der Identitätssatz. Vgl. [For77, Satz 1.11].
Sei x ∈ X beliebig und γx : [0, 1] −→ X eine Kurve mit γx (0) = a, γx (1) = x
(beachte, dass X eine Riemannsche Fläche ist). Sei ψx ∈ Ox die analytische Fortsetzung von
ϕ ∈ Oa . Da X einfach-zusammenhängend ist, ist ψx unabhängig von γx . Setze f (x) := ψx (x).
Nach Garbenaxiom ist f ∈ O(X) und nach Konstruktion gilt ρa (f ) = ϕ.
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Riemannsche Flächen
Analytische Fortsetzung
Definition 2.9. Sei Y eine Riemannsche Fläche und OX bzw. OY sei die Garbe der holomorphen Funktionen auf X bzw. Y . Weiter sei p : Y −→ X eine holomorphe unverzweigte
Überlagerung. Für y ∈ Y induziert p einen Isomorphismus (beachte, dass p lokal-topologisch)
p∗ : OX,p(y) −→ OY,y mit Umkehrabbildung p∗ : OY,y −→ OX,p(y) .
Definition 2.10. Sei a ∈ X und ϕ ∈ OX,a ein Funktionskeim. Ein Quadrupel (Y, p, f, b) heißt
analytische Fortsetzung von ϕ, wenn gilt:
(i) Y ist eine Riemannsche Fläche und p : Y −→ X ist eine holomorphe unverzweigte Überlagerung,
(ii) f ∈ OY (Y ),
(iii) b ∈ Y mit p(b) = a, sowie p∗ (ρb (f )) = ϕ.
Eine analytische Fortsetzung (Y, p, f, b) von ϕ heißt maximal, wenn folgende universelle Eigenschaft erfüllt ist:
Sei (Z, q, g, c) eine analytische Fortsetzung von ϕ. Dann gibt es eine spurtreue holomorphe Abbildung F : Z −→ Y mit F (c) = b und F ∗ (f ) = g.
Das heißt es gilt F (c) = b und folgendes Diagramm kommutiert:
.C
?
g
Z
q
/Y
F
f
~
p
X
Proposition 2.11. In der Situation von Definition 2.10 ist die maximale analytische Fortsetzung eindeutig bis auf eindeutige Isomorphie.
Pr∞f: Seien (Y, p, f, b) und (Z, q, g, c) zwei maximale analytische Fortsetzungen. Dann existieren spurtreue holomorphe Abbildungen F : Z −→ Y und G : Y −→ Z mit F (c) = b,
G(b) = c und so, dass das folgende Diagramm kommutiert:
/Y
>
idY
F
?Z
G
Y
p
p
/X
Offenbar ist idY eine Liftung von p nach Y . Außerdem ist wegen der Kommutativität des
Diagramms auch F ◦ G eine Liftung von p nach Y .
Weiter ist p : Y −→ X eine unverzweigte Überlagerung, insbesondere also stetig und X, Y
sind als Riemannsche Flächen zusammenhängende Hausdorffräume. Da nun auch idY (b) =
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§5:
Riemannsche Flächen
Analytische Fortsetzung
b = F (c) = F (G(b)) = (F ◦ G)(b) gilt, folgt aus [For77, Satz 4.8], dass F ◦ G = idY .
Analog folgt G ◦ F = idZ und damit ist F biholomorph.
2
Lemma 2.12. Sei a ∈ X und ϕ ∈ OX,a ein Funktionskeim, sowie (Y, p, f, b) eine analytische
Fortsetzung von ϕ. Sei weiter v : [0, 1] −→ Y eine Kurve mit v(0) = b und v(1) =: y, so entsteht
der Funktionskeim ψ := p∗ (ρy (f )) ∈ OX,p(y) durch analytische Fortsetzung längs u := p ◦ v aus
ϕ ∈ OX,a .
Pr∞f: Setze ϕt := p∗ (ρv(t) (f )) ∈ OX,p(v(t)) = OX,u(t) für alle t ∈ [0, 1]. Es gilt zunächst
ϕ0 = p∗ (ρb (f )) = ϕ. Weiter ist ϕ1 = p∗ (ρy (f )) = ψ.
Sei nun t0 ∈ [0, 1] beliebig. Nun ist p unverzweigt,
also existieren offene Umgebungen v(t0 ) ∈
V ⊆ Y und u(t0 ) = p(v(t0 )) ∈ U ⊆ X so dass p : V −→ U biholomorph ist. Sei q : U −→ V
V
die Umkehrabbildung. Setze g := q ∗ f ∈ OX (U ).
V
Dann ist p∗ (ρη (f )) = ρp(η) (g) für alle η ∈ V nach den Definitionen. Da v stetig ist, ist
T := v −1 (V ) ⊆ [0, 1] offen und wegen v(t0 ) ∈ V gilt t0 ∈ T , also ist T ⊆ [0, 1] eine offene
Umgebung von t0 mit v(T ) ⊆ V . Damit folgt, dass u(T ) = p(v(T )) ⊆ p(V ) = U . Außerdem
gilt für alle t ∈ T , dass ρu(t) (g) = ρp(v(t)) (g) = p∗ (ρv(t) (f )) = ϕt .
2
Satz 2.13. Sei a ∈ X und ϕ ∈ Oa ein holomorpher Funktionskeim in a. Dann existiert eine
maximale analytische Fortsetzung (Y, p, f, b) von ϕ.
Pr∞f: (Fortsetzung)
Sei Y die Zusammenhangskomponente von ϕ in |O|. Es bezeichne
p : Y −→ X die Einschränkung der Projektion π : |O| −→ X. Dann ist nach Satz 1.14 p eine
unverzweigte Überlagerung. Vermöge [For77, Satz 4.6] wird Y zu einer Riemannschen Fläche
und p holomorph.
Setze nun f : Y −→ C wie folgt: Für η ∈ Y setze x := p(η) und damit f (η) := η(x) (vgl.
Definition 2.1). Da Holomorphie eine lokale Eigenschaft ist, verifiziert man, dass f holomorph
ist. Rechne nun p∗ (ρη (f )) = η, denn dann ist für b := ϕ eine analytische Fortsetzung (Y, p, f, b)
gegeben.
Es ist p∗ (ρη (f )) = η äquivalent zu ρη (f ) = p∗ (η). Dies ist nach den Definitionen klar.
(Maximalität)
Sei nun (Z, q, g, c) eine weitere analytische Fortsetzung von ϕ. Konstruiere
eine Abbildung F : : Z −→ Y :
Sei ζ ∈ Z beliebig und x := q(ζ). Sei nun γ : [0, 1] −→ Z eine Kurve mit γ(0) = c und
γ(1) = ζ. (Beachte, dass Z eine Riemannsche Fläche ist!)
Nach Lemma 2.12 entsteht nun ψ := q∗ (ρζ (g)) ∈ Ox aus ϕ ∈ Oa durch analytische Fortsetzung
längs γ̃ := q ◦ γ (beachte, dass γ̃ eine Kurve in X von a nach x ist).
Nach Lemma 2.4 besteht aber Y genau aus allen Funktionskeimen, die durch analytische
Fortsetzung längs Kurven aus ϕ entstehen (jeder solche Keim ξ liefert eine Kurve in |O| mit
Endpunkt ξ. Damit liegt ξ in der Zusammenhangskomponente von ϕ, also in Y . Umgekehrt
existiert zu jedem ξ in Y (Riemannsche Fläche!) eine Kurve von ϕ nach ξ. Daher geht ξ aus
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Riemannsche Flächen
Analytische Fortsetzung
ϕ durch analytische Fortsetzung längs der projezierten Kurve hervor).
Es existiert also genau ein η ∈ Y mit η = ψ. Setze nun F (ζ) := η und verifiziere, dass F
holomorph und spurtreu ist, sowie F (c) = b und F ∗ (f ) = g.
2
Beispiel 2.14. Betrachte die maximale Fortsetzung von ρ1 (log0 ) auf C∗ . Nutze die Überlagerung
C
exp
id
C∗
log0
/C
Analog lassen die die k-ten Wurzeln analytisch Fortsetzen. Nutze dazu die Überlagerung
C
x 7→ xk
id
C∗
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/C
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Riemannsche Flächen
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Analytische Fortsetzung
Literatur
[For77] Otto Forster. Riemannsche Flächen. Springer-Verlag, New York, 1977.
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