Information und Lernen mit Multimedia und Internet

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Issing und Klimsa
Information und Lernen mit Multimedia
und Internet
Lehrbuch für Studium und Praxis
3. Auflage
Abbilder in Multimediaanwendungen
Bildgenerierung und Bildverarbeitung, zum anderen an der Attraktivität von Bildern
für die Nutzer. Bilder machen elektronische Produkte verkäuflicher; der Trend zur
Bebilderung wird im Zeichen des Data-Highways daher weiter ansteigen. Der
Bildanteil wird schließlich auch deswegen zunehmen, weil sich der Bildschirm wenig
für das Lesen längerer Texte eignet.
Für informative, besonders für didaktische Multimediaangebote stellt sich die Frage,
wie denn Abbilder zum Wissenserwerb genutzt werden. Wie verarbeitet z.B. ein
Medizinstudent die Abbildung eines Rückenmarkquerschnittes in einem
Lernprogramm zur Anatomie? Wie versteht ein Heimwerker die Darstellung eines
Schleifgerätes in einer Online-Produktinformation? Wie fasst ein Verkäufer die
Darstellung eines Kunden in einem CBT-Programm zum Gesprächstraining auf?
Andererseits wollen Entwickler von Multimediaanwendungen wissen, wie man
informierende Abbilder am besten gestaltet und durch Texte so kommentiert, dass die
Nutzer die codierten Informationen effektiv entnehmen. Die Forschung kann zu diesen
Fragen einige Beiträge leisten, auch wenn die besonderen Bedingungen von Bildern in
Multimediaanwendungen bislang kaum untersucht wurden.
6 Abbilder in Multimediaanwendungen
Bernd Weidenmann
Abbilder sind der bevorzugte Bildertyp in
informierenden
und
instruierenden
Multimediaangeboten. In diesem Beitrag werden drei
ausgewählte Funktionen solcher Bilder analysiert:
►die Zeigefunktion,
►die Situierungsfunktion und
►die Konstruktionsfunktion.
Aus der Analyse dieser Punktionen werden
Implikationen für die Gestaltung von Abbildern
entwickelt und mit Beispielen illustriert. Gegenüber
Printmedien erweitern sich die Möglichkeiten für
Abbilder durch Animationen und Video, durch die
Kombination der Bilder mit Audio und durch die
Interaktivität der Nutzer mit den Bildern.
6.1 Instruktionale Funktionen von Abbildern
Es gibt in der Literatur zum Lernen mit Bildern diverse Aufzählungen von
Bildfunktionen (vgl. Issing, 1983; Levin, Anglin und Carney, 1987; Weidenmann,
1988a, S. 135ff.). Meistens geht es dabei um Funktionen, die Illustrationen für die
Rezeption von Texten leisten. Demnach können Bilder verwendet werden, um Inhalte
von Texten zu zeigen, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, Textaussagen zu ordnen,
zu erklären, leichter merkbar zu machen. Als Dekoration können Bilder einen Text
attraktiver machen und zum Lesen anregen. Bilder erfüllen zudem eine
„kompensatorische Funktion" (Levie & Lentz, 1982) bei Rezipienten mit
unterentwickelter Lesefähigkeit. In zahlreichen Studien konnte die Effektivität von
Abbildern für diese Funktionen nachgewiesen werden (vgl. die Zusammenfassungen
bei Goldsmith, 1984; Levie, 1987, Levin et al. 1987; Weidenmann, 1988a).
Für die Praxis sollten bei all diesen Funktionen entwicklungspsychologische Aspekte
berücksichtigt werden; Erwachsene verarbeiten Abbilder anders als Kinder,
Jugendliche anders als Kleinkinder (vgl. Peeck, 1994, S. 75ff.). Auch mit
Schlüsselbegriffe: Abbilder, Bildfunktionen
Abbilder unterscheiden sich von sog. logischen oder analytischen Bildern (z.B.
Diagrammen) darin, dass sie zeigen, wie etwas aussieht. Dieses „etwas" kann
tatsächlich existieren oder nur in der Vorstellung eines Bildautors. Abbild ist die
Zeichnung einer Maus im Biologiebuch ebenso wie die Mickymaus im Comic.
Logische oder analytische Bilder zeigen andere Inhalte mit anderen Mitteln als es
Abbilder tun; in Diagrammen geht es bevorzugt um Zahlen, Daten und Strukturen, die
mit standardisierten Verfahren visualisiert werden (—»Beitrag von Schnotz in diesem
Band, S. 65).
In Multimediaanwendungen sind die meisten Bilder Abbilder. Wie in den Printmedien
ist ein Trend zu immer mehr Bildern - stehenden und bewegten - zu beobachten. Das
liegt zum einen an den technischen Möglichkeiten der elektronischen Bildspeicherung,
-2-
interindividuellen Unterschieden in „visual literacy" (Pettersson, 1994; Moore &
Dwyer, 1994) ist zu rechnen.
Was sind Funktionen von Abbildern in informierenden und instruktionalen
Angeboten? Aus der Erfahrung mit der Analyse von Abbildern in Lerntexten und
Lernprogrammen möchte ich folgende drei Funktionen als besonders wesentliche
herausheben und sie unter psychologischen und gestalterischen Gesichtspunkten näher
betrachten.
►Zeigefunktion: Abbilder können einen Gegenstand oder etwas an einem
Gegenstand zeigen.
►Situierungsfunktion: Abbilder können ein Szenarium oder einen anderen
„kognitiven Rahmen" bereitstellen.
►Konstruktionsfunktion: Abbilder können den Betrachtern helfen, ein mentales
Modell zu einem Sachverhalt zu konstruieren. Sie können Unvertrautes und
Unanschauliches verständlich machen.
Jede dieser Funktionen stellt an die Gestaltung wie an die Nutzung von Abbildung
eigene Anforderungen.
6.1.1 Zur Zeigefunktion
Die Zeigefunktion zielt darauf ab, dass die Rezipienten mithilfe von Abbildungen ein
deutliches und zutreffendes „Bild" von etwas entwickeln. Gemeint sind bildhafte
Vorstellungen („images") zu einem Gegenstand X. Mit „Gegenstand" ist generell das
Bildthema gemeint; es kann sich also auch um einen Bewegungsablauf handeln. Die
Rezipienten sollen anhand dieser Vorstellung Fragen beantworten können wie: „Was
ist typisch für X?", „Woran erkennt man X?", „Was unterscheidet X von ...?". Solche
Funktionen erfüllen viele Abbildungen im Schulunterricht (Biologie, Geografie, Sport,
Kunst), in der beruflichen Aus- und Weiterbildung (Technik und Handwerk), in der
Medizinerausbildung, in Bedienungsanleitungen usw. (Abb. 6.1).
Instruktionspsychologisch ist die Aufgabe des Zeigens anspruchsvoller als es
erscheinen mag. Es gilt, die Aufmerksamkeit der Lernenden auf die kritischen
Merkmale des Gegenstands zu lenken. Einerseits soll der Lernende eine möglichst
vollständige Vorstellung vom Gegenstand entwickeln, andererseits soll Wichtiges von
Unwichtigem, Charakteristisches von Akzidentellem unterschieden werden. Es hat sich
empirisch gezeigt, dass allgemeine Anweisungen an Lernende, einer Abbildung
besondere Beachtung zu widmen, wenig fruchten. Nötig sind stattdessen gezielte
Hinweise, worauf genau geachtet werden soll (vgl. Peeck, 1994).
-3-
Abbilder dieser Art stellen jeweils ein Szenarium bereit; sie aktivieren bei den
Betrachtern Situationsvorstellungen (vgl. das Konzept „Situationsmodell" beim
Sprachverstehen in der Theorie von van Dijk & Kintsch, 1983). Der Blick auf das Foto
im Sprachlernprogramm informiert die Lernenden darüber, ob es um einen Plausch im
Restaurant, um ein Gespräch im Büro oder um ein Verkaufsgespräch geht.
Situierende Abbildungen aktivieren bei jedem Betrachter eigene Alltagserfahrungen
(etwa Skripts oder andere episodischen Wissensstrukturen), die reicher als die
Bildvorlage sind. Die emotionalen Wirkungen, die Abbildern zugeschrieben werden,
hängen mit dieser Aktivierung von persönlichen Erfahrungen zusammen.
Das instruktionspsychologische Prinzip der Situierungsfunktion von Abbildern, einen
kognitiven Rahmen bereitzustellen, ist ebenfalls mit interessanten Fragen verknüpft,
z.B.: Wie detailliert bzw. reduziert sollen situierende Abbildungen sein? Ist die
detailreiche situationsspezifische Abbildung besonders geeignet, ein Szenarium bei
den Rezipienten zu aktivieren oder läuft sie Gefahr, mit deren persönlichen
Erfahrungen gerade wegen der gezeigten Details in Konflikt zu geraten?
Abbildung 6.1: Abbild des menschlichen Ohres (Quelle: B. Weidenmann, Lernen mit
Bildmedien. Weinheim: Beltz, 1991, S. 69, Abb. 29).
Für die Gestaltung von Abbildungen zur Zeigefunktion (siehe unten) stellen sich
interessante Fragen wie: Ist das realistische Abbild auch das wirkungsvollste? Mit
welchen Mitteln lässt sich die Aufmerksamkeit des Betrachters steuern? Wann ist das
Standbild, wann das bewegte Bild besser? Was sind die Schlüsselstellen von
komplexen Abläufen und Ereignissen, die für Abbilder ausgewählt werden sollen?
6.1.2 Zur Situierungsfunktion
Die Situierungsfunktion erfüllt ein Abbild dann, wenn es dem Betrachter hilft,
Detailinformationen in einen „Rahmen" einzubetten. In Programmen zum
Sprachlernen findet man z.B. häufig Abbilder als „Situationsrahmen" (Abb. 6.2).
-4-
einer funktionalen Analogiebeziehung zum Herzen. (Strukturell gibt es hier kaum
Analogien: das Herz hat nicht eine, sondern zwei Kammern; es gibt zusätzlich einen
Abbildung 6.2: Situierendes Abbild aus dem Sprachunterricht. Der Briefträger
kann die Adresse nicht lesen; die Sprachschüler sollen sich in die Rolle der
Hausbewohner versetzen (Quelle: T. Scherling et al., Deutsch hier. Berlin u.a.:
Langenscheidt, 1982, S. 111).
Abbildung 6.3: Abbild als Hilfe zum Verständnis der Pumpfunktion des Herzens
(Quelle: B. Weidenmann, Wissenserwerb mit Bildern: instruktionale Bilder in
Printmedien, Film/Video und Computerprogrammen. Bern: Huber, 1994, S. 25,
Abb. 7).
6.1.3 Zur Konstruktionsfunktion
Lungenkreislauf usw.) Die Dynamik des Vergrößerns der Pumpenkammer und des
Ansaugens von Blut lässt sich in einem einzigen Abbild nur mit Hilfsmitteln andeuten.
Hier sind es Pfeile, die den Betrachter anregen sollen, das Abbild zu „verflüssigen",
also die Elemente des mentalen Modells „in Bewegung zu setzen". Diese Abbildung
kann eine Konstruktionsfunktion allerdings nur erfüllen, wenn die Lernenden bereits
über ein mentales Modell zur Funktion einer Pumpe verfügen oder dies anhand der
Abbildung leicht vervollständigen können. Sie müssen außerdem wissen, dass die
Blutgefäße dargestellt sind und die unterschiedliche Tönung Arterien und Venen
unterscheidet.
Wegen der verschiedenen Zustandsänderungen lassen sich mentale Modelle am besten
durch eine Sequenz von Einzelbildern oder durch Animationen visualisieren. Bei
Komplexere Realitätsausschnitte - z.B. das Funktionieren eines Motors, die
Physiologie des Herzens, die Bedienung eines Gerätes - werden „verstanden", wenn es
der Person gelingt, sie kognitiv in Form eines adäquaten mentalen Modells zu
repräsentieren (vgl. Dutke, 1994; Gentner & Stevens, 1983; Seel, 1991). Abbilder
können die Lernenden bei dieser Konstruktionsaufgabe unterstützen, indem sie sowohl
über die Elemente als auch über das Zusammenspiel dieser Elemente visuell
informieren. Die Abb. 6.3 stellt z.B. Material zur Konstruktion eines mentalen Modells
über die Funktion des Herzens im Blutkreislauf bereit. Gezeigt werden sollen das Herz
als Pumpe sowie die Auswirkungen der Herztätigkeit auf den Blutstrom. Der Bildautor
hat sich dafür entschieden, den Modellknoten „Pumpe" in Form eines Analogiebild zu
visualisieren (vgl. dazu ausführlich Issing, 1994). Die Abbildung einer Pumpe steht in
-5-
gedruckten Bedienungsanleitungen (auch Heimwerker-, Gymnastik-, Kochbücher usw.
zählen dazu) sind Einzelbilderabfolgen üblich; Animationen kennt man aus
Computerprogrammen oder Trickfilmen.
Auch zur Konstruktionsfunktion von Abbildern ergeben sich anregende
instruktionspsychologische Fragen: Welche Portionierung und Sequenzierung von
Abbildern ist für den Aufbau eines mentalen Modells besonders hilfreich? Wie kann
man die Wahrnehmung von strukturellen und/oder funktionalen Analogien
unterstützen? Wie sind bei Abbildern mit Konstruktionsfunktion Text und Bild zu
kombinieren?
Regel sein sollten, sind „visualisierte Argumente". Sie verlangen von den Rezipienten
mehr als die naive Blickhaltung „Fenster-zur-Welt" (nach Alberti, einem der Erfinder
der Zentralperspektive in der Renaissance). Allerdings wird man diese übliche
Sehgewohnheit gegenüber Abbildern auch bei Lernangeboten als die Regel annehmen
müssen; es zeigt sich immer wieder, wie der Informationsgehalt von Abbildern in
Lernsituationen von den Rezipienten unterschätzt wird (Weidenmann, 1988b); sie
erfassen mit einem Blick das Bildthema und glauben vorschnell, damit auch schon das
visuelle Argument extrahiert zu haben. Diese Gefahr scheint bei Bildschirmmedien
besonders groß zu sein, weil diese mit Unterhaltungswartungen verknüpft sind.
Was es heißt, Abbilder so zu gestalten, dass das visualisierte Argument optimale
Chancen hat, von den Rezipienten extrahiert zu werden, soll exemplarisch an den drei
genannten Bildfunktionen verdeutlicht werden.
6.2 Abbilder als visualisierte Argumente
Die Skizzierung dieser Funktionen von Abbildern verdeutlicht, dass die einfache
Darstellung des „So ist es!" oder „So ist es gewesen!" (Barthes, 1985 zur Fotografie) in
instruktionalen Kontexten bei weitem nicht ausreicht. Vielmehr ist das Design von
Abbildern zu Informations- und Lernzwecken eine anspruchsvolle Aufgabe der
Optimierung ihrer Funktionalität. Erfahrene Bildgestalter nutzen dazu eine Vielfalt von
Codes und überprüfen sorgfältig die Wirkung der Abbilder. (Zum Design von
Abbildern vgl. z.B. Fleming & Levie, 1993; Thompson, 1994; Wileman, 1993; speziell
zu Bildern in Computerprogrammen vgl. Rieber, 1994; Staufer, 1987).
Dabei ist die Unterscheidung von Darstellungscodes und Steuerungscodes hilfreich
(Weidenmann, 1994).
► Darstellungscodes sollen dem Betrachter helfen, den abgebildeten Gegenstand im
Bild zu erkennen. Typische Darstellungscodes sind Schattierung, Perspektive,
Lokalfarbe. Die modernen Computergrafikprogramme bieten Entwicklern von
Multimediaanwendungen hierzu exzellente Werkzeuge an.
► Steuerungscodes erfüllen eine andere Aufgabe. Sie sollen den Betrachtern helfen,
das Bildangebot optimal zu verarbeiten. Mit Steuerungscodes versuchen Bildautoren
z.B., den Blickverlauf zu steuern, Bilddetails hervorzuheben oder zu kognitiven
Operationen anzuregen (Vergleichen, Zusammenhänge finden, Schlussfolgerungen
ziehen). Typische Steuerungscodes in Abbildern sind Pfeile, Größenverzerrungen,
Umrandungen, Signalfarben usw.
Absichtsvoll gestaltete Abbilder, wie sie in Informations- und Lernangeboten die
6.2.1 Gestaltung von Abbildern mit Zeigefunktion
Für die Zeigefunktion gilt es, per Darstellungscodes und Steuerungscodes -evtl. auch
mit zusätzlicher Textunterstützung - die Wahrnehmung der als relevant definierten
Gegenstandsmerkmale zu sichern. Von diesen Merkmalen hängt die Wahl des
Bildausschnitts, des Blickwinkels, der Größenverhältnisse, der Farbe usw. ab. Die
weitere Ausarbeitung des Abbildes richtet sich dann ebenfalls nach der intendierten
Zeigefunktion. In der obigen Abbildung des Ohres ist leicht zu erkennen, dass hier das
Innenohr gezeigt werden soll; die unwichtige Ohrmuschel ist deshalb zu klein und
kaum schattiert ausgearbeitet worden. Die Aufmerksamkeit des Betrachters wird durch
verschiedene Codierungen (auch Beschriftungen) auf die Gehörknöchelchen gelenkt.
Es zeigt sich allerdings, dass das Abbild dazu noch stringenter und klarer hätte
gestaltet werden müssen (Gehörgang und Knochenanschnitte sind optisch zu
prägnant).
Für die Erfüllung der Zeigefunktion ist das realistische Abbild eines Gegenstandes
(z.B. eine Fotografie) meistens weniger geeignet als eine Abbildung, die das
Wesentliche heraushebt und den Gegenstand „didaktisiert" präsentiert (vgl. Dwyer,
1978). Eindrucksvolle Beispiele für die hoch entwickelte Kultur solcher didaktischen
Zeichnungen finden sich z.B. in Anatomie- oder Pflanzenbüchern. Die Computergrafik
eröffnet hier neue attraktive Möglichkeiten.
-6-
Zu beachten ist allerdings, dass es Anwendungen gibt, wo eine Zeichnung mit
skizzenhaft erscheinenden Konturen einer perfekten Abbildung vorzuziehen ist. So
haben Schumann et al. (1995) computergenerierte Architekturzeichnungen mithilfe
eines Spezialprogramms „sketch-rendering" in Skizzen im Stil menschlicher Hand
transformiert (Abb. 6.4).
Die Autoren stellten fest, dass die rechte Abbildungsform eine andere Interaktionsform
evozierte als der fotorealistische CAAD-Plot. Die „unvollkommene" Skizze wird eher
als Anregung für weitere Diskussion gesehen; z.B. trauen sich die Versuchspersonen
Ein oft zu wenig beachteter Aspekt von Abbildern mit Zeigefunktion ist die
Beschriftung. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass es vorteilhaft ist, die
Beschriftung möglichst nahe an das entsprechende Bilddetail zu platzieren, soweit
dadurch nicht die Wahrnehmung des Bildes beeinträchtigt wird. Zu selten wird die
Zeigefunktion des Abbildes sprachlich verdeutlicht, etwa durch Betrachtungshinweise
(„Beachten Sie ...", „Vergleichen Sie ..."), oder durch explizites Erklären
bildimmanenter Steuerungscodes („Die verdickten Linien sollen zeigen ...",„Die roten
Markierungen bedeuten ..."). Die üblichen deskriptiven Bildlegenden, die den
Bildinhalt beschreiben, sollten häufiger durch Ineinander instruktive Bildlegenden zur
erwünschten Verarbeitungsweise ergänzt werden. Das gilt besonders für komplexere
Abbilder, wie sie im Zusammenhang mit der Konstruktionsfunktion die Regel sind.
Abbildung
6.5:
Kontextualisiertes Abbild
einer Feder (Quelle: B.
Weidenmann, Lernen mit
Bildmedien.
Weinheim:
Beltz, 1991, S. 74, Abb.
36).
Abbildung 6.4: Zwei verschieden codierte Computerbilder: links Zeichnung, rechts
als Skizze (Quelle: J. Schumann, E. Kernchen, T. Strothotte, Rendering CAAD
Models as Preliminary Drafts. Unv. Papier, eingereicht zur Tagung „Computing in
Civil and Building Engineering", Berlin, 1995).
viel öfter, Änderungen hineinzuzeichnen. Es wäre lohnend, solche Variationen des
Abbildtyps auch in didaktischen Kontexten zu überprüfen.
Die Abb. 6.5 illustriert einen weiteren Aspekt von Abbildern im Zusammenhang mit
der Zeigefunktion: Bei Ausschnitten muss dem Betrachter geholfen werden, diesen
Ausschnitt richtig zu kontextualisieren. Im Beispiel wurde dieses Problem durch eine
Lupe gelöst.
In der anatomischen Abbildung weiter oben ist es die Ohrmuschel, die einem Laien
hilft, das Innenohr innerhalb des Kontextes „Kopf zu lokalisieren. In
Bedienungsanleitungen dient eine (evtl. herausklappbare) Gesamtabbildung des
Produktes als Hilfe zur Kontextualisierung von Bauteilen oder Bedienungselementen.
6.2.2 Gestaltung von Abbildern mit
Situierungsfunktion
Die Frage nach dem optimalen Realismusgrad stellt sich auch bei situierenden
Abbildern. Bei der Evaluation von Lernprogrammen in der beruflichen Bildung hat
-7-
sich wiederholt gezeigt, dass sehr realistische und detaillierte Darstellungen zwar am
wirkungsvollsten situieren, aber auch Gefahr laufen, dass das eine oder andere Detail
nicht mit den Erfahrungen der Betrachter übereinstimmt. Sehr detaillierte
Situationsbilder veralten rasch (Mode usw.), sind kulturgebunden und provozieren
manche selbst ernannten Experten unter den Betrachtern zur Fehlersuche. Der
erwünschte positive Effekt auf die Involviertheit der Betrachter bleibt dann aus.
Wegen dieser unerwünschten Nebeneffekte sind situierende Abbilder häufig bewusst
reduziert ausgeführt und deuten die Merkmale der Situation nur an. Die Abb. 6.6 zeigt
z.B. eine Gesprächssituation, die relativ zeit- und kulturstabil dargestellt wird und auch
den Gesprächskontext offen lässt.
Auch für solche Auswege aus dem Realismusdilemma situierender Abbilder bietet die
Computergrafik interessante Möglichkeiten an, weil sich Realitätsnahes und
Artifizielles gut vereinigen lassen.
nutzen können. Je mehr jedoch aufgeteilt wird, desto größer ist die Gefahr, dass die
Makrostruktur nicht erfasst wird.
Ein Beispiel hierfür sind Bedienungsanleitungen, die dem Step-by-Step-Muster folgen;
man erfährt als Nutzer jeweils nur, welchen Schritt man als nächsten ausführen soll.
Geeigneter für den Aufbau von mentalen Modellen scheinen didaktische Strategien zu
sein, die eine Makrostruktur präsentieren und diese stufenweise elaborieren. Reigeluth
(1987) vergleicht diese Vorgehensweise mit einem „Zoom".
Dazu ein Beispiel: Eine Bedienungsanleitung zum Auswechseln einer Tonerkartusche
für einen Kopierer besteht z.B. aus neun aneinander gereihten Handlungsschritten, die
jeweils durch ein Abbild aus dem Blickwinkel des Benutzers illustriert werden. Dieses
additive Step-by-step kann durch eine Makrostruktur ersetzt werden, indem man diese
Schritte z.B. zwei eigenständigen und abgeschlossenen Makrohandlungen subsumiert
(erstens: alte Kartusche herausnehmen, zweitens: neue Kartusche einsetzen) und im
Layout die dazugehörigen Einzelschritte entsprechend gruppiert. Entsprechend dem
Zoom-Modell werden diese Einzelschritte nachfolgend im Einzelnen beschrieben.
Kognitionspsychologisch bewirkt bereits diese einfache Maßnahme ein Chunking; der
Nutzer konstruiert ein zweistufiges Handlungsmodell und weiß im Unterschied zum
Step-by-step-Modell, was mit jedem Einzelschritt erreicht werden soll.
Abbilder, die zur Konstruktion eines mentalen Modells dienen sollen, bedürfen in
besonderem Maße der sprachlichen Unterstützung. Der Grund liegt darin, dass sich per
Sprache Beziehungen zwischen Elementen eines Modells präziser und differenzierter
ausdrücken lassen als mit piktorialen Mitteln. Dies ist besonders bei Analogiebildern
nötig. Wenn Abbilder per Analogie verwendet werden - z.B. die Abbildung des
Planetensystems zur Veranschaulichung des Atomaufbaus -, gibt es immer nur einige
strukturelle oder funktionale Korrespondenzen, die zutreffen. In anderer Hinsicht
„hinkt" der Vergleich. Ein Begleittext muss die Lernenden dabei unterstützen, die
Analogie zutreffend zu elaborieren.
Abbildung 6.6: Detailarmes Abbild
(Quelle: B. Weidenmann, Lernen mit
Bildmedien. Weinheim: Beltz, 1991,
S. 70, Abb. 32).
6.2.3 Gestaltung von Abbildern mit
Konstruktionsfunktion
6.3 Abbilder und Multimedia
Gegenüber Printmedien erweitert Multimedia (zur Kritik an diesem Begriff —>Kap. 4
in diesem Band) die Gestaltungsmöglichkeiten für Abbilder ganz erheblich. Vor allem
drei Erweiterungen sind es, die zum Abschluss dieses Kapitels noch kurz diskutiert
Bei solchen Bildern ist neben den bereits oben angesprochenen Fragen besonders das
Komplexitätsproblem zu lösen. Es gilt, das Bildmaterial zur Konstruktion eines
mentalen Modells so zu portionieren und sequenzieren, dass die Betrachter es optimal
-8-
werden sollen:
►die Einbeziehung des auditiven Sinneskanals,
►die Einbeziehung von Bewegtbildern,
►die Einbeziehung von Interaktivität.
semantisch vom Bild entfernen würde (Text-Bild-Schere nach Wember, 1976, vgl.
auch Weidenmann, 2001).
Die gleichzeitige Darbietung von Bild und gesprochenem Text erleben Nutzer als
angenehm (Pyter, 1994). Für die Gestaltung von Lernangeboten ist die Nutzung
gesprochener Sprache als Kommentar zu Bildern ein Fortschritt gegenüber den
geschriebenen Bildkommentaren, wie wir sie aus Lerntexten kennen. Während der
Lerner etwa bei einem Lehrbuch die Abbildung mit seinen Augen immer wieder
verlassen muss, um den dazugehörigen Text zu studieren, ist das bei einem auditiven
Kommentar nicht mehr nötig.
Der Ton kann auch genutzt werden, um die Aussagekraft einer bildlichen Darstellung
zu verstärken. Das gilt besonders für die Situierungsfunktion von Abbildern (—
>6.2.2). Die Abb. 6.7 zeigt eine Bildschirmseite aus einer interaktiven Lernumgebung
zum Training von Fondsmanagern der Dresdner Bank. Wenn man die Personen
anklickt, sprechen sie. Wenn ein Anruf kommt, läutet das Telefon. Multimediale
Simulationen nutzen Geräusche aller Art, um besonders „echt" zu wirken.
Schließlich kann Audio für bestimmte Signaltöne genutzt werden, die die Interaktivität
eines Anwenders mit dem Lernangebot begleiten und steuern. Signaltöne oder Musik
können Aufforderungen ankündigen, Reaktionen des Nutzers als richtig oder falsch
bewerten, Pausen füllen und die Aufmerksamkeit wecken.
6.3.1 Audio
Beim Lernen und Arbeiten mit dem Computer dominiert die visuelle Modalität (—
>Kap. 4 in diesem Band). Die Nutzer rezipieren die visuellen Informationen auf dem
Bildschirm. Wenn gesprochene Sprache, Geräusche und Musik hinzukommen, schaltet
sich auch die auditive Modalität ein. Heute gibt es kaum mehr ein computerbasiertes
Lernen ohne Angebote auch für den Gehörsinn. In diesem Kapitel über Abbilder und
Multimedia stellt sich speziell die Frage, wie gesprochenes Wort mit einem
gleichzeitig präsentierten Bild interferiert.
Auditive und zugleich visuelle Darbietung eines Textes. Die gleichzeitige Rezeption
eines gelesenen Textes (Modalität visuell) und eines gehörten Textes (auditive
Modalität) kann zu Problemen führen. Eine Ursache dafür ist, dass man meistens
schneller liest als spricht, d.h., bei einer bimodalen Darbietung ist das Auge oft schon
weiter als die Stimme, die den Text vorliest. So kommt es zu
Synchronisierungsstörungen zwischen dem gesprochenen und gelesenen Text. Da
beide in den Sprachzentren verarbeitet werden, kommt es leicht zu einer Überlastung.
Das widerspricht der verbreiteten Erwartung, dass es besonders vorteilhaft sei, wenn
man etwas hört und zugleich sieht. Doch auch Paechter (1996) konnte experimentell
nachweisen, dass eine auditive und zugleich visuelle Darbietung eines Lerntextes keine
Vorteile gegenüber einer unimodalen Darbietung mit sich bringt.
Auditive Darbietung eines Textes und visuelle Darbietung eines Bildes. Anders ist
die Situation, wenn über die visuelle Modalität kein Text, sondern ein Bild dargeboten
wird und auditiv zu diesem Bild Erklärungen, Kommentare usw. präsentiert werden.
Im Unterschied zur bimodalen Darbietung von Text kann hier das Auge, angeleitet
durch den auditiven Kommentar, in Ruhe das Bild scannen und verarbeiten. Da die
Verarbeitung von Bildern und Text - wegen der unterschiedlichen Codalität - hierbei
auch in unterschiedlichen Gehirnzentren erfolgt, wären störende Interferenzen wie bei
der bimodalen Rezeption von Text nur dann zu erwarten, wenn der Text sich
-9-
(„advanced organizer"), durch Wiederholungen und Standbildverlängerungen, durch
strukturierende Schrifteinblendungen, durch kongruente und synchrone auditive
Kommentierung und durch eine Beschränkung der Bewegtbilder auf das erforderliche
Mindestmaß.
6.3.3 Interaktivität
Der interessanteste und bislang am wenigsten ausgeschöpfte Beitrag von Multimedia
zum Thema „didaktische Bilder" ist zweifellos die Möglichkeit der Interaktivität von
Betrachter und Bild. In Hypermediaanwendungen können die Betrachter bestimmte
Stellen eines Abbildes auf dem Bildschirm anklicken (oder bei Touch-Screen antippen)
und damit Zusatzinformationen abrufen (Abb. 6.8). Dies können Beschriftungen sein,
aber auch akustische Kommentare oder eine weitere Abbildung auf einer anderen
Detailliertheitsstufe oder mit einem anderen Bildausschnitt.
Bei dieser interaktiven Abbildung hat der Medizinstudent in der Figur ein Blutgefäß
angeklickt und schon erscheint der Name dieses Gefäßes (V. cava superior). In
Hypermediaanwendungen könnten auch Links zu Videospots (z.B. zur Physiologie
dieses Blutgefäßes) oder zu Tonfiles (z.B. Herztöne) programmiert sein.
Rezeptionspsychologisch haben solche Links einen großen Vorzug gegenüber einer
vom Lerner nicht beeinflussbaren Push-Präsentation. Während bei Letzterer der Nutzer
das volle multimediale Angebot auf einmal erhält, kann er hier selber steuern, wann er
zusätzlich zum Bild einen Text oder ein Video oder ein Geräusch oder gesprochene
Sprache abruft (Pull-Funktion). Eine Überlastung durch eine Überfülle an
Informationen ist dadurch vermeidbar.
Abbildung 6.7: Bildschirmseite aus einer interaktiven Lernumgebung. Geräusche
spielen hier eine wichtige Rolle für die „Echtheit" der Simulation.
6.3.2 Bewegtbilder
In Multimediaanwendungen können Videosequenzen oder Animationen eingebunden
werden. Damit ergeben sich besonders für komplexere Abbilder wichtige
Gestaltungsmöglichkeiten, weil viele Gegenstände mit Standbildern nur unzulänglich
dargestellt werden können. Man denke etwa an Bewegungsabläufe im Sport oder im
Handwerk, an dynamische Szenarien und Simulationen im technischnaturwissenschaftlichen Bereich, an soziale Interaktionen. Dass bewegte Bilder das
Risiko des „Overload" und damit einer unzulänglichen Verarbeitung durch die
Rezipienten mit sich bringen, ist bekannt. Dieses Risiko lässt sich u.a. mindern durch
Verlangsamung der Animationen, durch eine mentale Vorbereitung des Rezipienten
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Abbildung 6.8: Interaktive Abbildung aus der CD-ROM „Sobotta-Atlas des
Menschen" aus dem Verlag Urban & Schwarzenberg.
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