Skript Alterszahnheilkunde F. Mack, Greifswald Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung in den nächsten Jahren, wird in Deutschland im Jahr 2030 etwa 1/3 der Bevölkerung über 60 Jahre alt sein. Die heutige Bevölkerungspyramide weist in Deutschland und Europa keine Dreiecksform mit einer breiten Basis auf, wie es Anfang des Jahrhunderts so war, sondern eine Pilzform, eine dünne Basis mit einem breiten Hut. Dieses hat zur Folge, daß sich neben der Medizin auch die Zahnmedizin im Umbruch befindet, um sich auf diese neue Situation einzurichten. Die Alterszahnheilkunde wird daher in nächster Zeit deutlich mehr als bisher an Bedeutung gewinnen. Diese Seiten sollen aufzeigen, daß bei der Behandlung alter Menschen ein vermehrter Schwerpunkt einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Ärzten und Pflegepersonal mit dem Fachgebiet Zahnmedizin notwendig sein wird. Folgende Kenntnisse über die Behandlung alter Menschen sind generell notwendig: 1. anatomische und physiologische Veränderungen im Alter 2. Soziale Umstände alter Menschen, der Behandler muß sich in die psychische, physische Lage der alten Menschen versetzen können und deren Probleme des täglichen Lebens erkennen. 3. Begleitumstände kennenlernen, die einen Einfluß auf die Gesundheit der alten Menschen haben, besonders die Mund- und Zahnhygiene 4. Kennenlernen der Pflege / ärztlichen Versorgung alter Menschen 5. Kennenlernen der Institutionen, die sich mit alten Menschen auseinandersetzen 6. Zusammenhänge der häufigsten Krankheiten alter Menschen mit Mundgesundheit kennen und erkennen 7. Zusammenhänge von Medikamenteneinnahme und Auswirkungen auf zahnmedizinische Behandlungsmaßnahmen 8. Ernährungsgrundlagen alter Menschen und Auswirkungen auf den Körper 9. Kenntnisse über Umgang mit physischen Behinderungen des Patienten (Rollstuhl, Umlagerung auf Behandlungsstuhl, Krankenbett usw.) 10. Erkennen, daß der Zahnarzt als Mitgliedes eines interdisziplinären Teams mitarbeitet In diesem Skript wird nur vereinzelt stichpunktartig auf einige dieser aufgelisteten Punkte eingegangen. Zum weiteren Studium sei auf Fachbücher und Vorlesungen hingewiesen. Juristische Aspekte der zahnärztlichen Behandlung älterer Patienten Um bei alten oder behinderten Menschen einen zahnärztlichen Eingriff durchzuführen, müssen folgende Voraussetzungen legitimiert und erfüllt sein: 1. Es muß eine Behandlungsindikation erforderlich sein. Falls eine durchgeführte Behandlung nicht therapeutisch sinnvoll sei, liegt der strafrechtliche Tatbestand einer Körperverletzung vor. Die Selbstbestimmung des Patienten als alleiniger Behandlungsgrund reicht nicht aus, es muß immer die Berufsregel eingehalten werden. Der Patient muß immer über die Dringlichkeit der Indikation, über Alternativen und über die Kosten aufgeklärt werden. 2. Zur Behandlung ist eine rechtswirksame Einwilligung des Patienten oder dessen Vertreter erforderlich. Falls die Einwilligungsfähigkeit des Patienten nicht mehr gegeben ist, trete das Betreuungsgesetz in Kraft, wobei der Wille des Betreuten möglichst weit mit einbezogen werden sollte. Hierbei kann nicht einfach der Zahnarzt, das Heimpersonal oder beliebige Verwandte die Rolle des Betreuers übernehmen, der Betreuer muß eigens als solcher bestellt sein. 3. Der Behandler muß den fachlichen Anforderungen genügen Allgemeine anatomische Veränderungen im Alter Am Anfang dieses Jahrhunderts lag die Lebenserwartung der Bevölkerung bei ca. 50 Jahren. Die Menschen starben innerhalb eines kurzen Zeitraumes. Heute liegt die Lebenserwartung bei ca. 80 Jahren. Der Leidensweg des Sterbens geht über einen wesentlich größeren Zeitraum, als vor ca. 100 Jahren. Alte Menschen leiden viel an chronische Erkrankungen, wie z.B. Alzheimer, Parkinson, Krebs, koronare Herzerkrankungen, Schmerzen, Kurzatmigkeit, Verminderung der Organfunktionen, Änderung des Immunsystems, Depressionen und Gewichtsverlust. Das normale Altern betrifft alle Menschen. Es ist progressiv, irreversibel und genetisch bedingt. Schon ab dem 25. Lebensjahr findet ein biologischer Wandel im Körper des Menschen statt. Einige der wichtigsten anatomischen Veränderungen werden hier kurz dargestellt. • Immunsystem: Altersabhängiges selektives Versagen der Immunkapazität. Durch Versagen der Supressorenfunktion der Thrombocyten kommt es zu einer Zunahme der Autoantikörper. Folge: Häufiges Auftreten von Allergien • Haut: Reduzierter Zellumsatz des Epithels mit der Folge der Verminderung des Zellersatzes und Dikkenverlust. Aufsplitterung und Zerfall der elastischen Fasern, relative Zunahme von Kollagenfasern, sehr geringe Abnahme des Wassergehaltes. • Herz: Es gibt keine Herzatrophie, Herzgewicht bleibt gleich. Es weist eine altersbedingte Fibrose auf. Die Zahl der Mitochondrien in den Herzmuskelzellen soll bei der Alterung ab-, ihre Größe zunehmen und umgekehrt. • Gefäßwand: Verbreiterung der Wandschichten, Mineralisierung der Elastika, Funktionseinschränkung der glatten Muskelzellen. Folge: Elastizitätsverlust der Gefäßwand • Lunge: Veränderungen in Fasergewebe mit Auswirkung auf Lungenvolumen, Atemdynamik, Lungenperfusion und Gasaustauschfläche • Niere: Zunahme von kollagenem Bindegewebe, Abnahme des Nierenparenchyms. Anzahl der Glomeruli verringert sich bei gleichzeitiger Vergrößerung. Somit keine wesentliche Funktionseinschränkung. • ZNS: Zellverlust im Alter, Gewichtsverlust ab 4. Lebensjahrzehnt, Verringerung der Nervenzelldichte. Alterserkrankungen des Gehirns: senile und präsenile Demenz mit dystrophischen und atrophischen Prozessen, die zu einer Vielzahl von klinischen Krankheitsbildern führen. • • Schmerzempfindung: Nicht jede Erregung der Schmerzfasern führt zu einer Schmerzempfindung, primär ist dazu eine Summation des Reizes erforderlich. Zweck der Erregung der Schmerzrezeptoren ist das Starten von Abwehrreflexen. Falls das nicht ausreicht, entsteht das Alarmsignal, der Schmerz. Die Schmerzempfindung ist abhängig von Temperatur, Durchblutung, und chemischen Zustand der gereizten Stelle. Ein Gewöhnungsprozeß an Schmerzattacken ist festzustellen. Knorpel: Wenig alterstypische Veränderungen, Zunahme von Kollagenfasern, verstärkte Mineralisation, Grundsubstanzabnahme, Degenerationen, Faserdemarkierung, Wasserabnahme nur in Bandscheiben. • Knochen: Abnahme der Kompakta und Spongiosa (weniger wichtige Bälkchen verschwinden), Reduktion der Knochenmatrix = Osteoporose. Verantwortlich ist nicht Kalzium- und Androgenmangel, sondern eine komplexe Störung der Homöostase mit erhöhter Knochenresorption. • Muskulatur: Atrophie aufgrund verminderter Funktion Alterung der Zähne Veränderungen im Schmelz: • Farbveränderung, Zähne werden gelb-gelbgrau, Gelbfärbung der Zahnwurzeln • Sprünge und Risse im Schmelz • Abnutzung, Abrasionen, freiliegendes Dentin • Geringere Löslichkeit beim Ätzen im Vergleich zum jungen Gebiß • Vermehrte De- geringere Remineralisation • Vermehrte Transparenz • Veränderung der approximalen Kontakte Veränderungen im Dentin: • Veränderung der kollagenen Fasern (sehr nützlich zur Altersbestimmung) • Verringerung der Permeabilität • Dentinkanäle werden enger • Pigmenteinlagerung • Sklerotisierung des Dentins Veränderungen in der Pulpa: • Änderung der Zellstruktur • Verringerung der Anzahl kollagener Fasern • Innervation: alte Menschen haben mehr langsame C-Fasern • Kalzifizierung • Geringere Sensibilität • Obliteration der Wurzelkanäle • Verkleinerung des Pulparaumes Auswirkungen von Allgemeinerkrankungen in der Mundhöhle Diabetes Mellitus • Kein typisches histologisches Bild • • • • • • Sekundär zu beobachtende Schleimhautveränderungen Hellrote Verfärbung der Schleimhaut Glättung des Zungenreliefs Gesteigerte Neigung zu Schleimhautentzündungen (ulzeröse Stomatitis mit herabgesetzter Heilungstendenz) Vermehrte umschriebene Leukoplakien der Wangenschleimhaut mit oberflächlichen Keratosen Scheinbare Hyperämie der Zungenschleimhaut (Ursache: Randonsäure, löst oberflächliche Hornschicht ab) Herz-Kreislauferkrankungen • Rechtsherzinsuffizienz kann zu Stauungszunge führen (violett-zyanotische Schleimhautverfärbung, Volumenzunahme) • Linksherzinsuffizienz (kaminrote Verfärbung ohne Volumenzunahme) Lebererkrankungen • Schwund der Papillae filiformes • Zungenrelief glättet sich, zeigt leichte Hyperkeratose, fast kein Zungenbelag • Feuchte, dunkelrote Zunge Krankheiten des blutbildenden Systems • Akute Leukämie: am Zahnfleischrand und Gaumen Schwellungen, Blutungen, Nekrosen, Ulzerationen, teilweise mit Gewebszerfall • Agranulozytose: tiefe, kraterförmige Ulzerationen mit schmierigem Grund im Zahnfleisch und Gaumen. Krankheiten des Magen-Darm-Traktes • Chronisch-rezidivierende Aphten bei Störungen des Magen-Darm-Traktes Auftreten von Allergien • Häufige Diagnosen: erhöhte Rate an Quecksilber-, Nickel-, Kobalt- und Amalgamallergien • Mechanisch oder bakteriell verursachte Prothesenintoleranz • Teilweise Medikamentennebenwirkungen als Ursache von Unverträglichkeitsreaktionen beobachtet. Umgang mit alten Patienten Der Umgang mit kranken alten Menschen unterscheidet sich in seinen Grundsätzen zunächst nicht von dem mit gesunden Alten. Er berücksichtigt eventuell vorhandenen körperliche Behinderungen oder Verhaltensstörungen und die daraus ableitbaren besonderen Persönlichkeitseigentümlichkeiten des Alten. Schwierigkeiten der Anpassungsfähigkeit im höheren Lebensalter dürfen daher nicht als Ausdruck von Rigidität und Uneinsicht gewertet werden. Dazu gehören u.a. eine verminderte körperliche und psychische Belastbarkeit, Merkschwäche, Umständlichkeit und Ängstlichkeit. Dabei gelingt den meisten Alten durchaus eine genügende Anpassungsleistung, sie benötigen oft nur etwas mehr Zeit als die Jüngeren. Der Therapeut und seine Gehilfen, wenn sie nicht dem Vorurteil „alt = krank + abgebaut“ unterliegen, respektieren die legitimen Wünsche, Bedürfnisse und Rechte des Alten, seine Individualität, seine Lebenserfahrung und seine Reife. Bringt der Arzt die notwendige Geduld für seine Alterspatienten auf, so kann er mit einem besseren Anpassungserfolg rechnen. Gerade bei einem erheblichen Altersunterschied zwischen Fachpersonal und Patient müssen der an Jahren vielleicht viel jüngere Arzt und seine Mitarbeiter in der Lage sein, die vom Älteren vertretene Position zu achten. Sie müssen sich daher hüten, über die Wünsche des alten Patienten hinwegzureden und alles besser wissen zu wollen. Gespräch, Diagnostik und Therapie unter den Bedingungen der Zeitersparnis bleiben von vornherein Halbheiten in der Geriatrie und führen zu Mißverständnissen und keinerlei Erfolg. Der gerontologischen Erfahrung gemäß ist der Ältere ohne weiteres bereit, therapeutische Verfahren zu akzeptieren, wenn er damit in die Lage versetzt wird, sein Leben weitgehend beschwerdefrei, angstfrei und zufrieden fortzusetzen und sich hinsichtlich seines Befindens und Zustandes mit anderen zu vergleichen. Insofern heißt Normalität im höheren Lebensalter: Befunden und Zustand des einzelnen im Bezug zum Durchschnitt der Gleichaltrigen. Zahnärztliche Behandlung des älteren Patienten Die Untersuchung bis zur Diagnose unterscheidet sich nicht von jüngeren Patienten. Der Behandler hat sich bei der Untersuchung vor eilfertiger Kritik an den Behandlungsmaßnahmen anderer, älterer Kollegen zu hüten. Möglicherweise war gerade die kritisierte Prothese, die Füllungsmethode vor seiner Zeit eine wissenschaftlich anerkannte Methode, die den Patienten voll zufriedenstellte. Besonders bei der Diagnostik sollte der behandelnde Zahnarzt den Patienten nicht oberflächlich befunden. Häufig sind in der Mundhöhle Anzeichen für eine Allgemeinerkrankung zu finden, die den ärztlichen Kollegen noch nicht aufgefallen ist. Auch werden aufgrund einer oberflächlichen Diagnostik Karies, Parodontopathien und vor allen Mundschleimhauterkrankungen übersehen. Letztere können bekanntlicherweise schwerwiegende Krankheitsbilder entstehen lassen, deren Therapie im Initialstadium noch problemlos ist. Hier muß auch eine enge Zusammenarbeit mit dem Hausarzt erfolgen, der eine Therapie unterstützen kann. Auf besondere Probleme bei Diagnostik muß sich der behandelnde Arzt/Zahnarzt einstellen. Z. B. kann eine Vitalitätsprüfung bei älteren Patienten ein falsches Ergebnis liefern, wenn man bedenkt, daß sich die Pulpa im höheren Lebensalter zurückzieht. Panorama-Aufnahmeverfahren haben sich in der Gerostomatologie außerordentlich bewährt, soweit man Übersichten über das Kiefer- und Zahnsystem für z. B. prothetische Gesamtplanungen benötigt. Der Nachteil liegt in der langen Umlaufzeit der Filmkassette und Strahlenquelle. Vor allem bei motorisch unruhigen Patienten können so nicht auswertbare Ergebnisse zu Stande kommen. Therapieplan hängt ab von Wunsch und Vorstellung des Patienten (und seiner Familie), Wunsch des Hausarztes, Internisten, und dem vom Zahnarzt als realistisch und realisierbar erkannten Möglichkeiten. Es wird zwangsläufig oft die adäquate und nicht die optimale Versorgung sein. Der gesunde und vitale Patient erwartet eine weitgehende Wiederherstellung von Ästhetik, Sprache und Kaufunktion. Er ist in der Lage, die Belastungen einer umfassenden Zahnbehandlung zu tragen. In nicht gar zu seltenen Fällen wünscht vor allem die aktive und resolute Patientin nicht nur die Erhaltung des Vorhandenen, sondern durch Zahnersatz eine Verbesserung, Verjüngung. Diese und ähnlich hochgespannten Erwartungen werden auch von Familienmitgliedern gehegt. Den Zahnarzt stellt es vor eine schwierige Aufgabe, die Grenzen der Therapie höflich aber deutlich aufzuzeigen. Bei reduziertem Allgemeinbefinden lebt er mit der Vorstellung, „es lohnt sich nicht mehr“ und steht dem umfangreichen Eingriffen skeptisch gegenüber, obwohl er sie noch gut verkraften könnte. Oftmals ist der Zahnarzt dem Verdacht ausgesetzt, er wolle aufgrund des finanziellen Vorteils wegen unbedingt behandeln. Hier ist eine Zurückhaltung geboten. Nur wenn der Patient selbst die prothetische Behandlung wünscht, wird er bereit sein, neue Prothesen zu akzeptieren und versuchen, sie gebrauchen zu lernen. Andererseits ist es dem alten Patienten oft förderlich, ihm etwas zuzutrauen und neues zumuten. Ist der Allgemeinzustand sehr schlecht, der Patient senil oder gar bettlägerig, so wird sich sein Wunsch in aller Regel darauf konzentrieren, Schmerzen zu beseitigen und Sprache und Nahrungsaufnahme sicherstellen zu lassen. Die Zahnheilkunde wird dann zur Pflegehilfe, bei der jede Maßnahme angezeigt ist, wenn sie zum Wohlbefinden des Patienten beiträgt. Dieses gilt insbesondere für die Zahnpflege, die meist sehr mangelhaft ist, weil der Patient nicht in der Lage dazu ist, und Zahnbeläge nicht sieht. Bei Patienten mit stark reduziertem Allgemeinzustand (Pflegeheim) kann deine zahnärztliche Tätigkeit schon wegen fehlender Kommunikation oder Kooperation scheitern. Um Schmerzen zu lindern, ist zu ersuchen, dringend erforderliche chirurgische oder konservierende Maßnahmen vorzunehmen. Der vorhandene Zahnersatz kann auch unter den schwierigen Arbeitsbedingungen am Krankenbett meist wenigstens so weit verbessert werden, daß er keine Schäden im Weich- oder Hartgewebe provoziert. Empfehlungen für Therapieplan Oralbefund Gut Allgemeinbefund reduziert schlecht ZMK-System ohne größe- Chir. Sanierung, Karies- Chir. Sanierung, Kariesre Schäden und PA-Therapie, Kronen und PA-Therapie?, Kronen? Lückengebiß, resistent Brücken, Kombi Einzelkronen? MGProthese Einfache chir. Und kons. Maßnahmen, Schmerzbeseitigung Einfachste Kst-Prothese, Korrektur oder Erweiterung vorhandener ZE Lückengebiß, PA- Steg, Resilienzteleskop Steg?, Resilienzteleskop?, Einfachste Kst-Prothese, geschädigtes Restgebiß MG-Prothese MG-Prothese? Korrektur oder Erweiterung vorhandener ZE Zahnlosigkeit Totalprothese Totalprothese, Umarbei- Korrektur vorhandener tung vorhandener ZE Totalprothesen Mundhygiene Bei einer Befragung der älteren Patienten nach deren Mundhygieneverhalten ist die meist positiv beantwortete Frage nach einer regelmäßigen Zahnpflege oft als situationsbedingte Schutzbehauptung zu werten. Die gestiegene Bereitschaft zur gründlichen Mundhygiene und Realität stehen im auffälligen Gegensatz zueinander. Dabei liegt es nicht allein an der mangelhaften Anwendung von Mundhygieneartikeln und –geräten, sondern viel mehr an der Unkenntnis einfachster Zusammenhänge zwischen Ernährung und Zahn(bett-)erkrankungen. Interdisziplinäre Studie mit Augenklinik konnte nachgewiesen werden, daß nachlassende manuelle Geschicklichkeit und reduziertes Sehvermögen als physiologische Altersveränderungen bei regelmäßig motivierten und instruierten Patienten einen viel geringeren Einfluß auf die Mund- und Prothesenhygiene alter Menschen haben, als bisher angenommen wurde. Nach eigenen Untersuchungen trifft dies nicht für Patienten mit schweren Grunderkrankungen zu. Bei rehabilitationsbedürftigen Patienten ist die Mund- und Prothesenhygiene etwa bei der Hälfte der Senioren mangelhaft. Beobachtet wird das vermehrte Auftreten von Karies und Parodontopathien bei älteren Patienten an: • • • Den durch komplizierten Klammerformen oder festsitzendem Ersatz bedingten Retentionsstellen und Traumatisation, Den konventionellen Prädilektionsstellen, sowie im Wurzelzementbereich, Den durch die Prothesenkonstruktion gebildeten Grenzflächen. Nicht nur bei älteren Patienten sollte daher eine besonders intensive Instruktion und Kontrolle der Mundhygiene nach Eingliederung jeglichen Zahnersatzes erfolgen, da sonst innerhalb kürzester Zeit multiple Demineralisationen und Parodontalschädigungen auftreten und zu erneuten Behandlungsmaßnahmen zwingen. Hierbei ist folgendes Vorgehen zu empfehlen: • • • • • • Anfärbung der Plaque mit entsprechenden Färbemitteln Demonstration einer geeigneten Zahnbürste sowie einer zweckmäßigen Putztechnik. Hinweis auf erschwerte Putzbereiche Zeitpunkt der täglichen Zahnpflege, Mundspülung mit Wasserstrahlgerät nach jeder Mahlzeit Leicht verständliche Reinigungsvergleiche zur Begründung der Abrollbewegungen (Heizkörper, Kamm für vertikale Putztechnik usw.) Sanduhr mit 3 Minuten Laufzeit Sollte der Patient nicht zu einer selbständigen Mundhygiene in der Lage sein, muß das Pflegepersonal instruiert werden. Die Mundhygiene sollte durch das Pflegepersonal mindestens zweimal täglich kontrolliert und durchgeführt werden. Mundspüllösungen sollten ausschließlich als Ergänzung nach der manuellen Zahnpflege durchgeführt werden. Aufgrund der Zunahme von klebrigen Speisen werden durch die Mundspüllösungen die an den Zähnen heftenden Belege nur unzureichend entfernt. Es ist dringend zu empfehlen, ein Kontroll- und Recallsystem alle 3-6 Monate bei älteren Patienten einzuführen.