DIN-VDE 0100 richtig angewandt (Leseprobe)

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Schutz bei Überspannungen
Nach DIN VDE 0100-100 Abschnitt 131.6 gelten für den Schutz bei Überspannungen folgende Grundsätze:
x Personen und Nutztiere müssen gegen Verletzungen geschützt sein; Sachwerte sind gegen alle schädigenden Einflüsse zu schützen, welche die Folge
eines Fehlers zwischen aktiven Teilen von Stromkreisen unterschiedlicher
Spannungen sind.
x Personen, Nutztiere und Sachen müssen gegen die Auswirkungen von Überspannungen (z. B. atmosphärische Einwirkungen oder Schaltüberspannungen), die erwartungsgemäß auftreten können, geschützt werden, wenn ein
nicht akzeptables Risiko besteht.
14.1
Schutz von Niederspannungsanlagen bei Erdschlüssen in
Netzen mit höherer Spannung – DIN VDE 0100-442
Im Folgenden werden die Anforderungen an den Schutz von Personen und Einrichtungen von Transformatorenstationen (Umspannstationen) durch die Art der Erdung
im Hochspannungsbereich und im Niederspannungsbereich beschrieben.
Anmerkung 1: In diesem Abschnitt werden Spannungen über 1 000 V AC und 1 500 V
DC als Hochspannung bezeichnet. Mit Niederspannung bezeichnet werden Anlagen,
die mit Spannungen bis einschließlich 1 000 V AC und 1 500 V DC betrieben werden.
Anmerkung 2: Die Festlegungen gelten nicht für Niederspannungsnetze der öffentlichen Elektrizitätsverteilung. Die Anwendung dieser Norm für öffentliche Netze
wird jedoch dringend empfohlen.
Im Hochspannungsbereich müssen alle zugehörigen Körper (z. B. Transformatorgehäuse) und fremde leitfähige Teile (z. B. Konsolen, Kabelmäntel, Traggerüste
für Schaltgeräte usw.) an einen Hochspannungsschutzerder angeschlossen sein. Für
den Sternpunkt des Transformators wird in TN- und TT-Systemen und evtl. auch
im IT-System ein Niederspannungsbetriebserder benötigt. Diese beiden Erder sind
entweder elektrisch getrennt voneinander zu errichten (getrennte Erdungsanlagen)
oder sie werden als eine gemeinsame Erdungsanlage errichtet. Die Bedingungen
hierfür werden nachfolgend dargestellt.
Bei einem Erdschluss in der Hochspannungsanlage fließt ein Erdschlussstrom, der
eine Anhebung des Potentials gegen Erde hervorruft. Die Größe der Potentialanhebung wird bestimmt durch den Erdschlussstrom und den Erdungswiderstand des
Hochspannungsschutzerders.
229
Es gilt folgende Beziehung
Uf = I E ⋅ RE
(14.1)
Darin bedeuten
Fehlerspannung in der Niederspannungsanlage zwischen Körpern und der
Uf
Bezugserde in V
IE
Teil des Erdschlussstroms in der Hochspannungsanlage in A, der über die
Erdungsanlage der Transformatorenstation fließt
RE
Widerstand der Erde in : zwischen dem Erder der Transformatorenstation
und der Bezugserde
Der Erdschlussstrom ist in seiner Größe abhängig von der Sternpunktbehandlung im
Hochspannungsnetz. In Netzen mit Erdschlusskompensation liegt der Erdschlussreststrom bei maximal 60 A. In Netzen ohne Erdschlusskompensation liegt der
Erdschlussstrom in 20-kV-Netzen bei etwa 4 A bis 6 A pro 100 km Netzlänge bei
Freileitung und etwa 200 A bis 350 A pro 100 km Netzlänge bei Kabel.
Die Situation mit einem Erdschluss im Hochspannungsbereich mit den eingetragenen
betriebsfrequenten Beanspruchungsspannungen U1 und U2 ist dargestellt in
x Bild 14.1 für eine Transformatorenstation mit einer gemeinsamen Erdungsanlage
für die Hochspannungsschutzerde und die Niederspannungsbetriebserde
x Bild 14.2 für eine Transformatorenstation mit getrennten Erdungsanlagen für die
Hochspannungsschutzerde und die Niederspannungsbetriebserde
Die betriebsfrequente Beanspruchungsspannung ist die Spannung, die an der
Isolierung der Niederspannungsbetriebsmittel in der Transformatorenstation (z. B.
Transformatoren, Überspannungs-Schutzeinrichtungen, Schalter usw.) anliegt.
Die Größe und die Dauer der betriebsfrequenten Beanspruchungsspannung von
Niederspannungsbetriebsmitteln in der Verbraucheranlage aufgrund eines Erdschlusses in der Hochspannungsanlage darf die in Tabelle 14.1 angegebenen Werte nicht
überschreiten.
zulässige betriebsfrequente Beanspruchungsspannung an
Betriebsmitteln in Niederspannungsanlagen; Effektivwerte
Abschaltzeit
Nennspannung der Anlage
Forderung
230/400 V
277/480 V
400/690 V
>5s
U0 + 250 V
480 V
527 V
650 V
d5s
U0 + 1 200 V
1 430 V
1 477 V
1 600 V
Tabelle 14.1 Größe und Dauer der betriebsfrequenten Beanspruchungsspannung
230
+RFKVSDQQXQJ
1LHGHUVSDQQXQJ
7UDQVIRUPDWRUHQVWDWLRQ
8
1LHGHUVSDQQXQJVDQODJH
8
8
8
(UGVFKOXVV
NRPSHQVDWLRQ
,(
/
/
/
3(1
8I
5(
,(
Bild 14.1 Beanspruchungsspannungen bei getrennten Erdungsanlagen für Hochspannungsschutzerder
und Niederspannungsbetriebserder mit Erdschlusskompensation für das Hochspannungsnetz. Es sind
Uf Fehlerspannung in der Niederspannungsanlage zwischen Körpern und Bezugserde
U1 betriebsfrequente Beanspruchungsspannung der Niederspannungsbetriebsmittel in der Transformatorenstation
U2 betriebsfrequente Beanspruchungsspannung der Niederspannungsbetriebsmittel in der Verbraucheranlage
Die erste Zeile der Tabelle 14.1 gilt für Hochspannungsnetze mit langer Abschaltzeit,
z. B. für Netze mit isoliertem Sternpunkt und Netze mit Erdschlusskompensation.
Die zweite Zeile gilt für Hochspannungsnetze mit kurzer Abschaltzeit, z. B. für Netze
mit niederohmiger Sternpunkterdung.
Wird das Niederspannungsnetz als TN-System betrieben, darf eine gemeinsame
Erdungsanlage errichtet werden, wenn die im Erdschlussfall auftretende Fehlerspannung Uf = IE · RE (Gl. (14.1)) innerhalb der in Bild 14.3 vorgegebenen Zeit
abgeschaltet wird.
Kann diese Bedingung nicht eingehalten werden, sind getrennte Erdungsanlagen
zu errichten. Der Sternpunkt des Niederspannungsnetzes muss an einer elektrisch
unabhängigen Erdungsanlage angeschlossen werden. Der Isolationspegel der Niederspannungsbetriebsmittel in der Station muss der Beanspruchungsspannung U1
entsprechen. Er muss folgender Bedingung genügen
U1 = I E ⋅ RE + U0
(14.2)
231
+RFKVSDQQXQJ
1LHGHUVSDQQXQJ
7UDQVIRUPDWRUHQVWDWLRQ
8
1LHGHUVSDQQXQJVDQODJH
8
8
8
(UGVFKOXVV
NRPSHQVDWLRQ
,(
/
/
/
3(1
8I
+6(
1%(
5(
5%
,(
Bild 14.2 Beanspruchungsspannungen bei einer gemeinsamen Erdungsanlage für Hochspannungserder
und Niederspannungsbetriebserder mit Erdschlusskompensation für das Hochspannungsnetz. Es sind
Uf
Fehlerspannung in der Niederspannungsanlage zwischen Körpern und Bezugserde
U1
betriebsfrequente Beanspruchungsspannung der Niederspannungsbetriebsmittel in der Transformatorenstation
U2
betriebsfrequente Beanspruchungsspannung der Niederspannungsbetriebsmittel in der Verbraucheranlage
HSE
Hochspannungsschutzerde
NBE
Niederspannungsbetriebserde
Die verschiedenen Beanspruchungsspannungen U1 und U2 und die Fehlerspannung
Uf sind für TN-Systeme und TT-Systeme in Tabelle 14.2 zusammengestellt. Für ITSysteme sind die entsprechenden Schaltbilder und Spannungen DIN VDE 0100-442,
Bilder 44 D, E, F, G und H, zu entnehmen.
Beachtet sollte noch werden, dass in einem Dreileiter-TN-System, wenn der PENLeiter oder der Neutralleiter unterbrochen wird oder wenn in einem Dreileiter-TTSystem der Neutralleiter unterbrochen wird, die Basisisolierung, die doppelte Isolierung oder die verstärkte Isolierung, die für die Spannung U0 (Spannung Außenleiter
gegen Neutralleiter) bemessen sind, vorübergehend die Spannung U (Spannung
zwischen den Außenleitern) annehmen kann.
232
9
6SDQQXQJ8I
V 6WURPIOXVVGDXHUW
Bild 14.3 Höchste zulässige Fehlerspannung Uf mit begrenzter Stromflussdauer t bei einem Erdschluss
im Hochspannungsnetz; falls der Stromfluss wesentlich länger andauert, als im Diagramm angegeben,
kann für Uf = 75 V eingesetzt werden
(Quelle: DIN VDE 0101:2000-01)
Hochspannungsschutzerder
und Niederspannungsbetriebserder
gemeinsam
Stromversorgung
Fehlerspannung
Uf
U1
U2
TN-System
U0
U0
IE · RE
TT-System
U0
IE · RE + U0
0
IT-System
getrennt
Beanspruchungsspannung
siehe DIN VDE 0100-442
TN-System
IE · RE + U0
U0
0
TT-System
IE · RE + U0
U0
0
IT-System
siehe DIN VDE 0100-442
Tabelle 14.2 Beanspruchungsspannungen und Fehlerspannung in TN- und TT-Systemen bei
gemeinsamen und getrennten Erdungsanlagen
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