Auswirkungen auf Labormarkt und Versorgungs

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Reform der
Gebührenordnung
für Ärzte
Auswirkungen auf
Labormarkt und
Versorgungsstrukturen in
Deutschland
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Über die Autoren
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Peter Behner
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Dr. Christian R. Becker ist Manager
bei PwC Strategy& in München, PwCs
Strategieberatungsgeschäft. Als
Facharzt für Innere Medizin berät
er Klienten in allen Sektoren der
Gesund­heitsindustrie, im Bereich
der Gesundheitsversorgung, Kranken­
versicherung, im Öffentlichen Sektor
und gemeinnützigen Gesund­heits­
organisationen.
Lukas Lange ist Consultant bei PwC
in Frankfurt. Er ist als Berater im
Transaktionsumfeld branchenübergreifend tätig.
Dr. Bruno Rosen ist Geschäftsführer der
accantes GmbH und besitzt über 17 Jahre
Erfahrung in geschäftsführenden und
beratenden Funktionen in der Medizintechnik und Pharmazeutischen Industrie.
Danksagung
Die Autoren möchten der zentralen Rolle
von zahlreichen Teilnehmern an Treffen und
Gesprächspartnern in ganz Deutschland
Rechnung tragen. Ohne ihre sachkundigen
Erkenntnisse wäre die Studie in der
vorliegenden Form nicht möglich gewesen.
2
Strategy&
Inhalt
1. Zielsetzung und Inhalt der Studie.................................................. 7
2. Markt für labordiagnostische Leistungen in Deutschland................ 9
3. GOÄ-Reform – Hintergrund und Verhandlungsstand.................... 16
4. Mögliche Auswirkungen der GOÄ-Reform auf die Laborversorger..... 18
4.1 Methodik und Annahmen unseres Simulationsmodells........... 18
4.2 Wirtschaftliche Effekte einer GOÄ-Veränderung.................... 19
5. Zusammenfassung und Ausblick.................................................. 25
6. Appendix..................................................................................... 28
Strategy&
3
Executive summary
Vor der Therapie einer Erkrankung steht die ärztliche Diagnose.
Der Weg hin zu dieser ist ohne eine hochentwickelte Labordiagnostik
heute nicht mehr vorstellbar. Rund 70% der medizinischen Diagnosen
werden maßgeblich unter Zuhilfenahme einer umfassenden labor­me­
dizinischen Untersuchung gestellt. Auch die Beurteilung chronischer
Krankheits­ver­läufe ist zumeist ohne Labordiagnostik nicht möglich.
Laborverlaufspara­meter werden hierbei zur zeitlichen Verlaufs­beur­
teilung benötigt. Der Nutzen der Labordiagnostik für die Qualität
des gesamten Krankheits­manage­ments eines Patienten ist in allen
medizinischen Fachkreisen unbestritten.
Seit dem Jahre 2010/2011 verhandeln der Verband der Privaten Kranken­
versicherung und die Bundesärztekammer über die komplette Reform
der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Der Reformprozess befindet sich
in der Endphase.
Im Rahmen des Reformprozesses wird auch die Labordiagnostik (Kapitel M)
neu bewertet. Von der Vergütungsreform des Kapitels M der GOÄ werden
alle Ärzte betroffen sein, die Laborleistungen zur Patientenversorgung
erbringen. Die Gruppe der Laborversorger umfasst laborfachärztliche
Labore, Krankenhauslabore, Laboreigenerbringer und alle niedergelassenen
Ärzte, die Laborleistungen in der eigenen Praxis erbringen oder als
Mitglied einer Laborgemeinschaft beziehen.
In der Öffentlichkeit werden die möglichen Auswirkungen der geplanten
Vergütungsreform auf die Laborversorger und die Patienten bisher wenig
diskutiert. Mit der hier vorliegenden Studie sollen die betreffenden
Wirkzusammenhänge transparent aufgezeigt und damit ein Beitrag zu
einer informierten Diskussion der Betroffenen geliefert werden.
In Gesprächen mit Marktteilnehmern im Laborbereich wurde deutlich,
dass mit einer erheblichen Absenkung der GOÄ-Vergütung im Kapitel M
gerechnet wird. Im Bereich der Basislaborleistungen (MII) wird eine
Ab­senkung von bis zu 60% befürchtet. Bei den Speziallaborleistungen
(MIII und MIV) wird eine verminderte Absenkung von bis zu 30% diskutiert.
4
Strategy&
In Bezug auf die Vorhalteleistungen (MI) wird spekuliert, dass deren
Vergütung nicht wesentlich von dem bisherigen Niveau abweichen wird.
Welche Folgen hat eine Absenkung der GOÄ-Vergütung für die
einzelnen Laborversorger und die Patienten?
Laborfachärztliche Labore müssen substantielle Einbußen bei den
Honoraren hinnehmen. Die Reaktionsmöglichkeiten zur Kostensenkung
bei gleichzeitigem Erhalt der Versorgungsqualität sind aufgrund des
bereits sehr hohen Rationalisierungsgrades im deutschen Labormarkt
beschränkt. Maßnahmen zur Reduktion von Durchführungskosten
mittels Erhöhung von Serienlängen oder zur Reduktion von Proben­
logistikkosten könnten sich in einer verzögerten Verfügbarkeit von
Labordiagnosen niederschlagen. Darüber hinaus sind Einsparungen im
Personalbereich zu erwarten, die mit einem Verlust von Arbeitsplätzen
einhergehen. Einige laborfachärztliche Labore werden vom Markt
verschwinden. Dies wird eine weitere Konsolidierung des Marktes zur
Folge haben, die wiederum mit einem weiteren Arbeitsplatzabbau
einhergeht. Eine Niederlassung wird durch die wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen immer unattraktiver. Viele jüngere Laborfachärzte
werden deshalb noch häufiger ein Anstellungsverhältnis vorziehen.
Gleichzeitig ist zu erwarten, dass Innovationen verlangsamt in den
deutschen Markt eingeführt werden. Forschung und Entwicklung
werden potenziell sukzessive ins Ausland verlagert und der Anschluss an
wegweisende Zukunftsfelder, wie beispielsweise die therapiebegleitende
Diagnostik („Companion Diagnostics“), möglicherweise verpasst. Zudem
könnten sich durch das neue europäische Medizinproduktegesetz
regulatorische Hürden und mit diesen verbundene Kosten weiter
erhöhen und ein Innovationsstopp damit wahrscheinlicher werden.
Die Qualität und die Verfügbarkeit der Laborversorgung geraten damit
insgesamt in Gefahr.
Krankenhauslabore sind aufgrund ihres relativ hohen Anteils an abge­
rech­neten Basislaborleistungen (MII) stärker als die laborfachärztlichen
Labore von der diskutierten Absenkung der Vergütung betroffen. Durch
diese würde ein wichtiger Beitrag zur Deckung der Laborkosten für
sie wegfallen und die finanzielle Gesamtsituation der Krankenhäuser
sich damit verschlechtern. Eine Absenkung der GOÄ-Vergütung wird
diejenigen Krankenhäuser im Besonderen tangieren, deren Ergebnis­
situation ohnehin angespannt ist.
Als mögliche Reaktion ist zu erwarten, dass Krankenhauslabore vermehrt
Untersuchungen mit geringer Serienlänge an externe Labore abgeben.
Auch ein Outsourcing des kompletten Labors wird als mögliche Reaktion
genannt. Einige Leiter klinischer Labore sehen die zunehmende
Fremdvergabe kritisch. Sie befürchten, dass dabei die diagnostische
Qualität sinken könnte, weil ein direkter persönlicher Kontakt zwischen
Strategy&
5
Kliniker und Laborarzt nicht mehr gegeben ist. Auch bei einem Out­sourcing
des Labors an einen externen Anbieter wird die größere Schnittstelle
zwischen Kliniker und Laborarzt als Risikofaktor angesehen.
Leiter von laborfachärztlichen Laboren, die Krankenhäuser mitversorgen,
erachten die zunehmende Fremdvergabe und das Outsourcing des
krankenhauseigenen Labors als weniger problematisch. Sie betonen,
dass durch gute Service- und Beratungsleistungen ein Verlust an
diagnostischer Qualität vermieden werden kann. Eine hohe Serviceleistung
und -qualität können dabei insbesondere in Ballungszentren sichergestellt
werden. Mit wachsender geografischer Distanz zwischen Labor und
Krankenhaus und in strukturschwachen Regionen wird dies jedoch
zunehmend schwieriger. Die Kostenoptimierung an dieser Schnittstelle
würde damit eine gegenläufige Entwicklung zu dem Trend darstellen,
dass insbesondere bei komplexen Krankheitsbildern klinische
Fachärzte zukünftig noch mehr als bisher mit ihren Kollegen aus der
Labormedizin interdisziplinär zusammenarbeiten müssen, so u. a.
auch im direkten Gespräch.
Die Absenkung der Vergütung von Basislaborleistungen trifft neben den
Krankenhäusern insbesondere diejenigen Ärzte, die Laborleistungen als
Mitglied einer Laborgemeinschaft beziehen und abrechnen. Für viele
niedergelassene Ärzte macht der Umsatz mit Laborleistungen aus der
Laborgemeinschaft einen wesentlichen Teil ihres Praxisumsatzes aus.
Eine Absenkung der Vergütung von Basislaborleistungen wird daher
insbesondere angesichts der angespannten Niederlassungssituation von
Hausärzten von Leistungserbringern kritisch gesehen.
Sollte neben der Absenkung der GOÄ-Vergütung zudem im EBM (dem
Vergütungskatalog für kassenärztliche Leistungen) die Quotierung oder
das Mengengerüst weiterhin sinken, würde sich die wirtschaftliche
Situation aller Labore weiter verschlechtern und die beschriebenen
strukturellen Veränderungen sowie negativen Auswirkungen auf die
Versorgungsqualität weiter vorangetrieben.
6
Strategy&
1. Zielsetzung und Inhalt
der Studie
Die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ist verpflichtend für alle patien­
tenbezogenen Abrechnungen ärztlicher Leistungen, die nicht über den
einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgerechnet werden. So ist
auch die Vergütung von ambulant und stationär veranlassten
Laborleistungen im privatärztlichen Bereich durch die GOÄ festgelegt.
Die letzte Neufassung (Novellierung) der GOÄ stammt aus dem Jahr
1982/83, inflationsbedingte Preisanpassungen wurden darin 1996
vorgenommen. Aus Sicht der Marktteilnehmer besteht insofern ohne
Zweifel ein Bedarf hinsichtlich einer Aktualisierung von Struktur und
Vergütung der GOÄ, da diese weder in Bezug auf den aktuellen Stand
labordiagnostischer Methoden und innovativer Parameter noch in
Bezug auf deren kalkulatorische Kostenbasis zeitgemäß sind.
Insbesondere bedürfen die Laborleistungen (Kapitel M der GOÄ)
aus Sicht der privaten Krankenversicherung (PKV) im Vergleich zur
gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und deren EBM-Vergütungs­
niveau einer strukturellen und preislichen Anpassung. Darüber hinaus
wird im Zusammenhang mit dieser GOÄ-Reform kommuniziert, dass
die PKV die ärztliche Zuwendung und Zeit stärker honorieren will als
bisher und im Gegenzug technische Leistungen, wie etwa Labormedizin
oder Radiologie, nicht in gleichem Maß priorisiert.
Sollte eine Absenkung der seit 1996 unveränderten Vergütung privatärzt­
licher Laborleistungen erfolgen, könnten sich die ökonomischen
Rahmenbedingungen, unter denen bisher eine qualitativ hochwertige
Patientenversorgung stattfindet, verschlechtern. Die Labordiagnostik
ist essentieller Bestandteil einer zeitnahen und präzisen Diagnostik
und Therapie. Ergäben sich durch die wirtschaftlichen Veränderungen
auch strukturelle Veränderungen im ambulanten und stationären
Labormarkt, könnten Qualitätsbeeinträchtigungen in Bezug auf
die Behandlung der Patienten nicht ausgeschlossen werden. Eine
GOÄ-Reform tangiert damit letztendlich auch die Patienten und die
Versorgungsqualität der Bevölkerung in Deutschland.
Offizielle Informationen über die bisher erreichten Verhandlungsergebnisse
hinsichtlich des Kapitels M der GOÄ (Vergütung von Laborleistungen) sind
nur sehr begrenzt vorhanden. Ebenso liegen aktuell keine veröffentlichten
Strategy&
7
Analysen möglicher Anpassungen und Konsequenzen für die Laborund Versorgungslandschaft vor. Ziel dieser Studie ist es, mögliche
Auswirkungen einer GOÄ-Reform auf diese aufzuzeigen. Damit soll allen
eingebundenen Marktteilnehmern eine Diskussionsbasis an die Hand
gegeben werden, um vorausschauende und informierte Entscheidungen
treffen sowie die Reform-Debatte ggf. aktiv mitgestalten zu können.
Die vorliegende Studie wurde von Strategy&, der internationalen
Strategieberatung von PwC, durchgeführt. Neben der Recherche und
Analyse des aktuellen Informationsstandes zur GOÄ-Reform erfolgte eine
qualitative Befragung von 17 Marktteilnehmern (siehe Abbildung 7 im
Appendix) zu Status, Bedeutung und möglichen Auswirkungen dieser
Reform auf den deutschen Labormarkt und die Versorgungslandschaft.
Hierbei wurden Leiter medizinischer Labore unterschiedlicher Größe und
rechtlicher Formen, klinisch tätige Ärzte sowie Experten aus Industrie,
Wissenschaft, Politik, Selbstverwaltung und Krankenversicherungen in
Deutschland von Strategy& befragt.
Die Studie liefert einen Überblick über den Status quo des Marktes für
labordiagnostische Leistungen in Deutschland sowie die Struktur der
gegenwärtigen Anforderungs- und Leistungsbeziehungen verschiedener
Marktteilnehmer untereinander. Mögliche Auswirkungen einer GOÄReform werden für ausgewählte Laborversorger quantifiziert und deren
Ausmaß hinsichtlich wirtschaftlicher und struktureller Effekte diskutiert.
Neben dieser mikroökomischen Betrachtung werden potenzielle
Auswirkungen auf die Versorgungslandschaft im Ganzen skizziert.
8
Strategy&
2. Markt für labordiagnostische
Leistungen in Deutschland
Stellenwert labordiagnostischer Untersuchungen
Labormedizinische Untersuchungen sind entscheidend für die Differen­
tial­diagnostik sowie das Monitoring von Erkrankungen und ihren
Vorstufen. 70% aller Diagnosen werden maßgeblich auf der Basis von
Laboruntersuchungen gestellt. Ein modernes Management chronischer
Erkrankungen − beispielsweise von Diabetes mellitus − ist ohne
labordiagnostisches Monitoring nicht mehr denkbar.
Die Bedeutung eines optimalen diagnostischen Prozesses wird deutlich,
wenn man sich vergegenwärtigt, dass gemäß einer Studie im JAMA
(2009) Fehler im diagnostischen Prozess für mehr als 40.000
Todesfälle jährlich und 47% der ernsthaften Behinderungen (USA)
verantwortlich sind.
Das Spektrum labordiagnostischer Untersuchungen ist mit 5.000 bis
6.000 Parametern groß. Es umfasst u. a. die Bereiche Klinische
Chemie, Hämatologie, Gerinnung, Immunologie, Infektionsdiagnostik,
Molekularbiologie und Molekulargenetik, die mikrobiologische
Diagnostik sowie angrenzende Gebiete wie die Zytologie. Zugleich
unterliegt die Labordiagnostik einer kontinuierlichen Weiterent­wicklung
durch neue Erkenntnisse in Bezug auf die Pathomechanismen von
Erkrankungen. Bekannte und etablierte Parameter verlieren nicht
ihren Stellenwert, denn ihre diagnostische Trennschärfe und ihr
prognostischer Wert sind in der Medizin unumstritten.
Derzeit werden zahlreiche neue Testverfahren entwickelt. Ein wesentlicher
Treiber dafür ist die Evolution von Arzneimittelprodukten innerhalb der
„personalisierten Medizin“, die gezielt zur Behandlung bestimmter
Patientengruppen herangezogen werden. Die therapie­beg­leitende
Diagnostik („Companion Diagnostics“) bildet einen wichtigen Bestandteil
der personalisierten Medizin. Die Einführung spezifischer labor­diag­
nostischer Tests in die Routine erfordert hohe Investitionen und stellt
damit eine große Herausforderung für die Labormedizin dar.
Strategy&
9
Struktur der Laborlandschaft, Leistungsbeziehungen und
Vergütungssystematik
Laborleistungen können grundsätzlich entweder durch Selbstmessung
des Patienten oder durch folgende Laborversorger erbracht werden:
• haus-/fachärztliches Praxislabor
• Ärzte in Laborgemeinschaft
• Laboreigenerbringer
• laborfachärztliches Labor
• Krankenhauslabor
Die Abrechnung von Laborleistungen ist für Kassenpatienten durch den
einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) geregelt. Für Privatpatienten
findet die GOÄ Anwendung. Die derzeitige Abrechnungssystematik für
Laborleistungen nach GOÄ ist in deren Kapitel M mit den Unterkapiteln
I–IV zusammengefasst. Das Unterkapitel MI umfasst die Vorhalte­leistungen,
das Unterkapitel MII die Basislaborleistungen, die Unterkapitel MIII und
MIV die Speziallaborleistungen.
Abbildung 1
Leistungsbezug privatärztlicher Laborleistungen und deren Abrechnung nach GOÄ
Selbstmessung
Patient
Haus-/fachärztliches Praxislabor
Ärzte in
Laborgemeinschaft
Laboreigenerbringer
Laborfachärztliches
Labor
Krankenhauslabor
MI
MII
MII, MIII, MIV
MII, MIII, MIV
MII, MIII, MIV
Leistungsanforderung
Abrechnung nach GOÄ
Quelle: Strategy& Analyse
10
Strategy&
Nach § 1 Abs. 1 GOÄ bildet die GOÄ die verpflichtende Basis für alle
Abrechnungen von Laborleistungen gegenüber Patienten, sofern keine
anderen Regelungen greifen, wie z. B. der EBM. Seit der letzten GOÄNovellierung (1996) sind zahlreiche neue Methoden in die Laborroutine
eingeführt worden, für die derzeit im Wesentlichen sogenannte
Analogziffern abgerechnet werden.
In Abbildung 1 werden vereinfachend privatärztliche Leistungs­be­zie­hun­
gen (MI bis MIV) zwischen Patient und Laborversorgern dargestellt.
Haus- und fachärztliches Praxislabor
Niedergelassene Ärzte haben das Recht, für gesetzlich und privat
versicherte Patienten ein Labor vorzuhalten (Vorhalteleistung: MI
und Teile aus EBM 32.1), mit dem man patienten- und zeitnah eine
Auswahl von Laborparametern messen kann („Praxislabor“). Diese
Vorhalteleistungen erfordern ebenso aufwändige Qualitäts­siche­rungs­
maßnahmen nach Rili-BÄK, wie sie für eine Laborgemeinschaft oder
ein laborfachärztliches Labor gelten.
Das Unterkapitel MI der derzeit geltenden GOÄ umfasst 30 diagnostische
Tests, die als Querschnitt den Unterkapiteln MII–MIV entnommen werden.
Voraussetzung für eine MI-Abrechnung ist, dass die Messung in zeitlichem
und räumlichem Zusammenhang mit der Behandlung eines Patienten im
Praxislabor erbracht wird (Point-of-Care-Testung). Die Leistung kann von
jedem Arzt direkt mit dem Patienten abgerechnet werden. Die Vergütung
von Leistungen im Praxislabor ist auskömmlicher als die der Leistungen
von MII–MIV, da von höheren Durchführungskosten ausgegangen wird.
Ärzte in Laborgemeinschaft
Alle Arztgruppen sind ermächtigt, Leistungen nach GOÄ, Unterkapitel
MII, aus einer Laborgemeinschaft zu beziehen und dann als eigene
Leistung direkt mit dem Patienten abzurechnen. Bei einer Laborgemein­
schaft handelt es sich um eine Gemeinschaftseinrichtung von Ärzten,
die den Zweck hat, labormedizinische Analysen in einer gemeinschaftlich
genutzten Betriebsstätte zu erbringen. Im EBM-Bereich wurde 2008
die Direktabrechnung eingeführt, um Mengenanreize einzudämmen.
Daher rechnet die Laborgemeinschaft direkt mit der Kassenärztlichen
Vereinigung ab. Die direkte Abrechnung mit dem Patienten ist seitdem
nur noch für Leistungen möglich, die nach der GOÄ, Unterkapitel MII,
abgerechnet werden.
Laboreigenerbringer
Zusätzlich zu dem laborfachärztlichen Labor erbringen qualifizierte
Fachärzte als sogenannte Laboreigenerbringer ebenfalls Laborleistungen.
Strategy&
11
Diese Eigenerbringer sind ermächtigt, fachspezifische Untersuchungen
aus den GOÄ-Unterkapiteln MII–MIV und den Abschnitten 32.2 und
32.3 des EBM durchzuführen und abzurechnen. Voraussetzung ist die
„labormedizinische Fachkunde“ innerhalb des fachärztlichen Hauptgebiets.
Laborfachärztliches Labor
Die Grundstruktur von laborfachärztlichen Labore ist jeweils identisch,
dennoch gibt es Unterschiede in Bezug auf deren Rechtsform und
Angebotsprofil. Bei einer Gesamtanzahl von ca. 5.000–6.000 Labor­pa­
rametern ist es verständlich, dass nicht jedes Labor alle diesbezüglichen
Untersuchungen anbieten kann. Ein breites Labor­netzwerk stellt eine
flächendeckende Versorgung sicher, ohne dass Einsender oder Patienten
den logistischen Aufwand als nachteilig empfinden. Laborfachärztliche
Labore schließen sich u. U. zusammen, wobei eine Bündelung
untersuchungstechnischer Kompetenzen stattfindet, ohne dass dies
derzeit zu Service- oder Leistungs­ein­schrän­kungen führt. Diese
Bündelung erfolgt aus qualitativen und wirtschaftlichen Gründen (z. B.
Erhöhung von Serienlängen zur Senkung von Durchführungskosten).
Laborfachärztliche Labore bieten das Spektrum von GOÄ, Unterkapitel
MII–MIV, sowie EBM, Abschnitte 32.2 und 32.3, an. An das labor­
fachärztliche Labor überwiesene MII–MIV-Leistungen werden direkt
mit den Privatpatienten abgerechnet. Neben der Versorgung von
niedergelassenen Ärzten nehmen viele laborfachärztliche Labore als
Outsourcingpartner auch an der Versorgung von Krankenhäusern teil.
Laborgemeinschaften sind häufiger an Facharztlabore angegliedert,
nutzen gegen Entgelt die Infrastruktur dieser Labore und beziehen die
technischen Leistungen von ihnen. Hierfür werden entsprechende
Verträge geschlossen, sodass die Laborgemeinschaft die auf sie
entfallenden Kosten trägt.
Krankenhauslabor
Wenn ein Privatpatient die ambulante oder stationäre Versorgung im
Krankenhaus in Anspruch nimmt und dabei eine labordiagnostische
Untersuchung anfällt, wird die betreffende Untersuchung entweder im
krankenhauseigenen Labor oder in einem externen Labor durchgeführt.
Für stationäre Patienten sind Laborleistungen in den DRGs (Diagnose­be­
zogene Fallgruppen) inkludiert. Stationäre Laborwahlleistungen werden
separat nach GOÄ abgerechnet. Grundsätzlich können Krankenhäuser alle
Leistungen nach EBM und GOÄ, Unterkapitel MI–IV, abrechnen. Hierbei
werden Leistungen der Unterkapitel MII–MIV vom Krankenhauslabor
und Leistungen des Unterkapitels MI von anderen Abteilungen des
Krankenhauses abgerechnet.
12
Strategy&
Laborspezifische Fachärzte in Deutschland
In Deutschland gibt es derzeit insgesamt rund 1.100 berufstätige
Fachärzte für Labormedizin und rund 700 berufstätige Mikrobiologen.
Im ambulanten Sektor arbeiten mehr Laborärzte in einem
Anstellungs­verhältnis als in Selbständigkeit (siehe Abbildung 2).
Als ein wesentlicher Treiber struktureller Veränderungen im Labormarkt
wird die Nachwuchssituation in Bezug auf Fachärzte für Labormedizin
und Mikrobiologie gesehen. Die Ausbildung zum Facharzt für Labormedizin
hat offensichtlich über die nähere Vergangenheit an Attraktivität
verloren. Auch die Abwertung zahlreicher Lehrstühle für Labormedizin
in Universitätskliniken zu Servicestellen reduziert teilweise die Attraktivität
dieses Fachgebiets. Jedoch ist zu beobachten, dass der Beruf des
Labormediziners – auch begründet durch die Personalknappheit – immer
wertvoller wird.
Konsolidierungsprozess im Labormarkt
In den letzten Jahren ist die Anzahl wirtschaftlich eigenständiger
Labore zurückgegangen. Ursachen hierfür sind der wirtschaftliche
Druck durch die Honorarpolitik im GKV-Bereich, Nachfolgefragen und
der Erwerbsdruck durch Finanzinvestoren. Politische Entscheidungen
Abbildung 2
Verteilung der Laborärzte und Mikrobiologen nach Tätigkeitsgebieten
1,524
460
1,064
1,079
114
348
1,064
270
731
106
284
144
731
396
Laborärzte
Strategy&
Tätigkeitsgebiet
154
Berufstätig
Nicht Berufstätig
Niedergelassen
Angestellt ambulant
Krankenhaus
Sonstige
327
Mikrobiologen
Tätigkeitsgebiet
Quelle: Ärztestatistik der
Bundesärztekammer zum
31. Dezember 2014
13
haben zu einer Öffnung des Marktes für internationale Finanzinvestoren
geführt. Der Einstieg von Finanzinvestoren, die durch Übernahmen
und Zukäufe einen aggressiven Expansionskurs verfolgten, führte zum
Aufbau sehr großer Laborstrukturen. So teilen heute die fünf größten
Laboranbieter etwa 40–50% des für laborfachärztliche Labore
zugänglichen Markts unter sich auf. Die andere Hälfte des Marktes
wird von Einzellabors oder mittelständischen eigentümergeführten
Verbünden geprägt.
Ausgaben für labordiagnostische Leistungen in Deutschland
Aus der Gesundheitsausgabenrechnung des statistischen Bundesamtes
geht hervor, dass sich das Gesamtmarktvolumen ärztlicher Labor­leistun­gen
im Jahr 2013 auf 7,9 Mrd. € belief. Histologische, zytologische und
zytogenetische Leistungen werden in der Gesundheitsausgaben­rechnung
ebenfalls den Ausgaben für Laborleistungen zugewiesen. Abbildung 3
zeigt, wie sich diese Ausgaben auf die einzelnen Kosten­träger verteilen.
Von den 7,9 Mrd. € entfallen 5,4 Mrd. € auf die gesetzlichen Kranken­
kassen und 1,4 Mrd. € auf die privaten Krankenversicherungen. Die
Ausgaben der Arbeitgeber in Höhe von 0,6 Mrd. € umfassen im
Wesentlichen Leistungen der öffentlichen Beihilfe. Ausgaben privater
Haushalte (0,2 Mrd. €) beziehen sich auf Zuzahlungen und Selbstbehalte
privat Krankenversicherter sowie Wahlleistungen gesetzlich Versicherter.
Unter „Sonstige“ werden die Ausgaben der gesetzlichen Unfallversicherung,
der gesetzlichen Rentenversicherung und der öffentlichen Haushalte
zusammengefasst. Die Ausgaben für Privatversicherte und Privatzahler
summieren sich auf rund 2,2 Mrd. € (siehe Abbildung 3, Seite 15).
14
Strategy&
Abbildung 3
Ausgaben für Laborleistungen nach Kostenträgern im Jahr 2013
Die Kategorie
„Arbeitgeber” enthält im
Wesentlichen die Ausgaben
der öffentlichen Beihilfe
1
in Mrd. €
Ausgaben der privaten
Haushalte umfassen im
Wesentlichen Zuzahlungen
und Selbstbehalte privat
Krankenversicherter und
Wahlleistungen gesetzlich
Versicherter
2
5,4
Primär Privatversicherte
und Privatzahler
~2,2 Mrd. €
7,9
Unter „Sonstige“
werden die Ausgaben
der gesetzlichen
Unfallversicherung,
gesetzlichen
Rentenversicherung und
der öffentlichen Haushalte
zusammengefasst
3
1,4
0,6
∑
GKV
PKV
Arbeitgeber1
0,2
Private
Haushalte2
0,3
Sonstige3
Quelle: Statistisches
Bundesamt, Strategy&
Analyse
Strategy&
15
3. GOÄ-Reform – Hintergrund
und Verhandlungsstand
Die GOÄ, nach der ärztliche Leistungen vergütet werden, sofern nicht
durch Gesetz etwas anderes bestimmt wird, stammt in ihrer derzeitigen
Struktur und Vergütungshöhe aus dem Jahr 1996 und ist unverändert
in Gebrauch. Die GOÄ ist somit Abrechnungsbasis für die PKV, für
beihilfeberechtigte Beamte, für die Heilfürsorge und für Selbstzahler.
Den Gebührenordnungspositionen wurden Punktwerte zugeordnet,
jeder Punkt wird mit 5,83 Cent bewertet. Im Kapitel M der GOÄ sind
alle Laborleistungen erfasst. Die GOÄ ist eine Rechtsverordnung des
Bundes, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
Seit 2010/2011 wird zwischen der Bundesärztekammer (BÄK) und
dem Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) verhandelt.
Da die Beteiligten in Bezug auf den Stand der GOÄ-Reform
Stillschweigen vereinbart haben, sind keine belastbaren Informationen
hierzu vorhanden.
Für die BÄK ist es ein Balanceakt, die Erwartungen aller ärztlichen
Berufsgruppen an eine neue GOÄ zu erfüllen. Seitens der Vertreter
der BÄK wird stets betont, dass es bei der Reform keine Verlierer unter
den Arztgruppen geben soll. Zahlreiche Marktteilnehmer sehen dies
skeptisch und halten eine Absenkung der Honorare im Bereich der
Labormedizin zugunsten der „sprechenden Medizin“ für wahrscheinlich.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) fordert einen Konsens von
BÄK, PKV und Beihilfe. Dies ist ein fragiler Prozess, denn jede Detail­ei­ni­
gung gilt nur dann, wenn BÄK und PKV auch über das gesamte
Reformpaket Einigkeit erzielt haben. Am 31.03.2015 wurde dem BMG
das sogenannte GOÄneu-Informationspaket von der BÄK und der PKV
vorgelegt: Es umfasst die Top-400-Gebührenordnungspositionen, die
vollständigen Kapitel B und M sowie den Entwurf des Paragraphenteils
der neuen GOÄ.
Bisher nicht endgültig verhandelt ist die Bewertung der einzelnen
Positionen in Euro. „Es gibt einen Konsens zwischen der Bundes­
ärztekammer, dem PKV-Verband und der Beihilfe, dass die neue GOÄ
auf einer betriebs­wirt­schaft­lichen Basis fußen soll“, so die PKV in
16
Strategy&
einer Mitteilung vom 04.06.2014. Dafür seien zum Beispiel Miete,
Einkommen des Praxispersonals, medizinische Geräte und ärztliche
Tätigkeit an sich berücksichtigt. „Das Ergebnis dieser Bewertung ist
offen“, so der PKV-Bericht.
Bekannt ist u. a., dass die derzeit ca. 920 GOÄ-Positionen im Kapitel M
auf deutlich über 1.100 Positionen ausgeweitet werden, wodurch
vermutlich die Anzahl analog abrechenbarer Positionen sinkt. Des
Weiteren stimmen alle Leistungserbringer darin überein, dass sie
spürbare Absenkungen der GOÄ-Vergütung, vor allem in den
Unterkapiteln MII und MIII/MIV, befürchten. Die Struktur des Kapitels
M ist neu festgelegt worden, die Speziallaborleistungen (Unterkapitel
MIII/MIV) werden zukünftig in einem Unterkapitel zusammengefasst.
Darüber hinaus spekulieren einige Marktteilnehmer darüber, dass
analog zum EBM aus bestimmten bisher einzeln abgerechneten
Positionen Komplexe gebildet werden, z. B. im Bereich Hämatologie
oder Mikrobiologie.
Auch mutmaßen die interviewten Marktteilnehmer über eine mögliche
Mengensteuerung bezüglich der GOÄ-Leistungen, die im Sinne von
gestuften diagnostischen Algorithmen oder einer krankheitsbezogenen
Komplexbildung erfolgen könnte.
Bezüglich des Rechtsverordnungsverfahrens stehen folgende weitere
Schritte an:
• straffe und vertrauliche Fortführung aller Arbeiten gemäß BMGForderung zunächst ohne die Beteiligung weiterer Verbände
• Verbändeanhörung inklusive schriftlicher Stellungnahmen durch
das BMG
• Regierungs- und Bundesratsbeschluss Q2-Q3/2016
• frühestes Inkrafttreten wird für Q4/2016 bzw. Q1/2017
prognostiziert
Falls die GOÄ-Reform verabschiedet wird, ist eine 3-jährige Einführungs­
phase vorgesehen, in der noch Veränderungen vorgenommen werden
können. Dazu sollen eventuelle Reaktionen der Anbieter engmaschig
beobachtet werden.
Strategy&
17
4.Mögliche Auswirkungen
der GOÄ-Reform auf die
Laborversorger
4.1 Methodik und Annahmen unseres Simulationsmodells
Um die Effekte einer GOÄ-Honoraranpassung in Bezug auf die mit
Laborleistungen befassten Marktteilnehmer darzustellen, wird ein
Modell verwendet, das eine quantitative Einschätzung der
Auswirkungen auf den Gesamtumsatz von laborfachärztlichen Laboren
und Krankenhauslaboren sowie die MII-Umsätze von Ärzten in einer
Laborgemeinschaft erlaubt.
Annahmen zur GOÄ-Honoraranpassung
Im Modell werden Vergütungsanpassungen in Form von Prozentwerten
für die einzelnen Unterkapitel des Kapitels M unterstellt. Für das
Unterkapitel MII wird eine Absenkung von 60% angenommen, für die
Unterkapitel MIII/MIV eine Absenkung von 30%. Diese Vergütungsan­
passungen werden als Grenzfallszenario eingeschätzt. Die Vergütungs­
anpassungen im Unterkapitel MI sind bisher nicht quantifizierbar.
Informationen zufolge wird die Anzahl der Parameter, die im Praxislabor
abgerechnet werden können, möglicherweise von bisher 30 Parametern
auf rund 40 erhöht.
Annahmen zum GOÄ-Anteil an den Laborumsätzen
Der reale Anteil des GOÄ-Umsatzes am Gesamtumsatz eines Labors
variiert gemäß unseren Interviewpartnern zwischen rund 3% und über
40%. Dieser Umstand ist im Wesentlichen durch die regionale Varianz
des Anteils privatversicherter Patienten bedingt.
Für die Modellberechnung wird für das laborfachärztliche Labor ebenso
wie für das Krankenhauslabor ein approximativer GOÄ-Anteil von
durchschnittlich 25% angenommen. Die höhere Vergütung von
Laborleistungen in der GOÄ im Vergleich zum EBM führt dazu, dass
bereits bei 10% vollversicherten Privatpatienten die GOÄ-Umsätze eines
Labors rund 25% seiner Gesamtumsätze ausmachen können.
18
Strategy&
Bei den Umsätzen, die ein Nichtlaborfacharzt aus einer Laborgemeinschaft
erzielt, ergibt sich ein anderes Bild. Seit der Reform zur Direktabrechnung
von Laborgemeinschaften können die Mitglieder der Laborgemeinschaft
nur noch Leistungen für privat Versicherte selbst abrechnen. Folglich
handelt es sich bei den Umsätzen, die aus einer Laborgemeinschaft erzielt
werden, zu 100% um GOÄ-Umsätze.
Zusammensetzung der GOÄ-Umsätze
Ein laborfachärztliches Labor hat typischerweise einen hohen MIII/MIVUmsatzanteil von rund 90%. Nur maximal 10% seiner GOÄ-Umsätze
entfallen auf MII-Leistungen. Dies mag zunächst überraschend niedrig
erscheinen, da Basislaborleistungen wegen häufiger Inanspruchnahme
das Standardgeschäft der Labordiagnostik darstellen. Jedoch ist zu
berücksichtigen, dass der Großteil dieser Leistungen in Laborge­mein­
schaften erbracht wird und somit nur ein relativ kleiner Rest an die
laborfachärztlichen Labore überwiesen wird.
Krankenhauslabore bieten ein breites, auf das jeweilige Krankenhausprofil
abgestimmtes Leistungsspektrum an. Unsere Interviews ergaben, dass sich
in den Laboren von Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung die
GOÄ-Umsätze ungefähr zu 65% auf die Basisleistungen (MII) und zu 35%
auf die Speziallaborleistungen (MIII/MIV) verteilen.
Bei den Umsätzen einer Laborgemeinschaft handelt es sich zu 100% um
MII-Leistungen.
4.2 Wirtschaftliche Effekte einer GOÄ-Veränderung
Eine Anpassung der Vergütung von bis zu –60% im Basislaborbereich
und von bis zu –30% im Speziallaborbereich stellt einen drastischen
Einschnitt in die Ertragssituation von laborfachärztlichen Laboren,
Krankenhauslaboren und Ärzten, die Leistungen aus einer Labor­
gemeinschaft beziehen, dar. Die konkreten Auswirkungen auf die
Umsatzerlöse der einzelnen Laborversorger und der daraus zu
erwartenden Konsequenzen werden nachfolgend dargestellt.
Laborfachärztliches Labor
Abbildung 4 zeigt die Effekte, die eine Vergütungsanpassung von –60%
in MII und von –30% in MIII/MIV auf den Gesamtumsatz von
laborfachärztlichen Laboren hat. Unter Annahme der abgebildeten
Umsatzverteilung sinkt der Gesamtumsatz des laborfachärztlichen
Labors um 8%. Dabei ist zu beachten, dass die Kosten zur Erbringung
der Laborleistungen zunächst unverändert sind. Der Wegfall eines
Strategy&
19
Abbildung 4
Effekt einer Vergütungsanpassung von -60% in MII und -30% in MIII/IV auf den
Gesamtumsatz eines laborfachärztlichen Labors
Umsatzverteilung im Status quo
25%
Anteil GOÄ am Gesamtumsatz
Aufteilung GOÄ Umsatz
10% MII
90% MIII/IV
Wirkung der GOÄ-Anpassung auf den Gesamtumsatz
100%
Status quo
-8%
92%
Nach GOÄ-Anpassung
Quelle: Strategy&
Berechnung
substantiellen Teils des Umsatzes wirkt sich direkt auf die Ertragskraft
der Labore aus. Aufgrund des bereits sehr hohen Rationa­lisie­rungs­grades
im deutschen Labormarkt sind wirtschaftliche Gegenmaßnahmen nur
begrenzt möglich. Maßnahmen zur Reduktion von Durchführungs­
kosten mittels Erhöhung von Serienlängen oder zur Reduktion von
Probenlogistikkosten könnten sich in einer verzögerten Verfügbarkeit
von Labordiagnosen niederschlagen. Darüber hinaus ist zu erwarten,
dass Labore Kürzungen im Personalbereich durchführen werden. Die
Personalkosten stellen einen der größten Kostenblöcke im Labor dar
und der Abbau von Personal könnte eine mögliche Reaktion auf einen
Einbruch der Umsatzerlöse sein.
Für Labore mit geringer Ertragskraft, die nicht über ausreichend
Rationalisierungsreserven verfügen, bedeutet der beschriebene
Umsatzrückgang, dass die wirtschaftliche Fortführung des Labors in
Frage gestellt wird. Aufgrund der demografischen Struktur stehen
viele niedergelassene Laborärzte vor der Frage einer Nachfolgeregelung.
20
Strategy&
Die Schwächung der Ertragskraft durch eine drastische Reduktion der
GOÄ-Honorare birgt das Risiko, dass sich weniger junge Laborärzte
dazu bereit erklären, eine Praxis zu übernehmen. Labore, die keinen
Nachfolger finden, werden vom Markt verschwinden, mit der Folge,
dass sich die bereits fortgeschrittene Konsolidierung weiter fortsetzt.
Eine zunehmende Konsolidierung wird mittelständische Strukturen
schwächen und den Arbeitsplatzabbau weiter vorantreiben.
Neben dem Risiko der wirtschaftlichen Unternehmensfortführung sind
bei einem Einbruch der Ertragskraft auch die Fähigkeit und die
Bereitschaft der Labore, in neue Technologien und Innovationen zu
investieren, in Frage gestellt. Um innovative Verfahren anbieten zu
können, sind zum Teil hohe Anfangsinvestitionen notwendig. Sind
die Labore nicht mehr in der Lage, ausreichend Kapital anzusparen,
oder ist eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals nicht
mehr gegeben, so werden diese Investitionen ggf. unterlassen. Auch
Ersatzinvestitionen werden möglicherweise hinausgezögert und
die Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen Labordiagnostik
dadurch gefährdet. Ein andauernder Investitionsstau könnte sich
mittelfristig in einer Verringerung der Versorgungsqualität niederschlagen.
Krankenhauslaboratorien
Krankenhauslabore werden von der erwarteten GOÄ-Anpassung stärker
betroffen sein als laborfachärztliche Labore. Der Grund dafür liegt in
deren höherer Abhängigkeit von MII-Leistungen. Unter der angenommenen
Umsatzverteilung sinken die Gesamterlöse des Krankenhauslabors um
rund 12% (siehe Abbildung 5, Seite 22). Für ein Krankenhaus bedeutet
ein solcher Rückgang, dass ein wesentlicher Beitrag zur Deckung der
Laborkosten entfällt. Eine Absenkung der GOÄ-Vergütung wird diejenigen
Krankenhäuser im Besonderen tangieren, deren Ergebnissituation
ohnehin schon angespannt ist.
Wenn die
GOÄ Umsätze
sinken, muss
man weitere
Untersuchungen
an externe
Labore geben
oder Bereiche/
das Labor
outsourcen.
Chefarzt eines
Krankenhauses
Mögliche Reaktionen in regionalen Häusern zur Senkung der Laborkosten
wären in erster Linie die zunehmende Fremdvergabe von diagnostischen
Tests mit geringer Serienlänge oder Anforderungen in Bezug auf spezielles
Know-how externer Labore.
Als weitere Reaktionsmöglichkeit zur Einsparung von Kosten ist das
Outsourcing des Labors an einen externen Anbieter zu sehen. Nach
Untersuchungen von Löffert und Damerau (2014) führen 72% der
Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung die klinische Chemie
intern durch. Nur noch 12% besitzen eine eigene interne Mikrobiologie.
Molekulare Diagnostik oder Spezialdiagnostik wird zu rund 70% im
externen Labor durchgeführt.
Strategy&
21
Einige Marktteilnehmer aus dem klinischen Umfeld stehen dem
Outsourcing des Krankenhauslabors kritisch gegenüber und sehen
darin das Risiko eines Verlusts an medizinischer Kompetenz. Sie
befürchten, dass die diagnostische Qualität sinken könnte, weil ein
direkter persönlicher Kontakt zwischen Kliniker und Laborarzt nicht
mehr gegeben ist. Auch befürchten sie, dass wegen der längeren
Transportwege zur Probenübermittlung die Schnelligkeit der
Probenbearbeitung und Resultatgewinnung durch ein Outsourcing
gefährdet werde. Die Bedeutung zeitkritischer mikrobiologischer Proben
und zeitkritischer Befundübermittlung zeigt sich in einer OutcomeStudie zur Sepsis (Schmitz, 2013). Jedes Krankenhaus mit Notfalloder chirurgischen Patienten ist grundsätzlich mit dem Thema Sepsis
konfrontiert. Die Schnelligkeit der Probenbearbeitung und Resultat­
gewinnung ist wegen ihrer essentiellen Rolle für die klinische
Differential­diagnostik die wichtigste Forderung an die Labormedizin
einer Klinik.
Leiter von laborfachärztlichen Laboren, die Krankenhäuser mitversorgen,
halten die Fremdvergabe und das Outsourcing des Labors für weniger
problematisch. Sie sehen in dieser Entwicklung sogar eine Chance,
Outsourcing des
Labors ist für
kleine „Sparten-­
kranken­häuser“
eine Option. Bei
breit aufgestellten
Häusern der
Grund-­ und
Regelversorgung
geht dabei jedoch
Qualität verloren.
Manager eines
Labors in einem
Schwerpunktkrankenhaus
Abbildung 5
Effekt einer Vergütungsanpassung von -60% in MII und -30% in MIII/IV auf den
Gesamtumsatz eines Krankenhauslabors
Umsatzverteilung im Status quo
25%
Anteil GOÄ am Gesamtumsatz
Aufteilung GOÄ Umsatz
65% MII
35% MIII/IV
Wirkung der GOÄ-Anpassung auf den Gesamtumsatz
100%
-12%
88%
Status quo
22
Nach GOÄ-Anpassung
Quelle: Strategy&
Berechnung
Strategy&
zusätzliche laborfachärztliche Expertise einzukaufen. Betont wird, dass
eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit externen Anbietern im Wesentlichen
von der individuellen Ausgestaltung der Logistik- und Serviceleistungen
abhängig ist. Eine hohe Qualität in Service und Logistik kann insbesondere
in Ballungszentren sichergestellt werden. Mit wachsender geografischer
Distanz und in strukturschwachen Regionen wird dies jedoch
zunehmend schwieriger.
Bei der Frage nach dem Outsourcing des Labors ist als weiterer Aspekt
zu berücksichtigen, dass eine wesentliche Funktion der Labormedizin
und Mikrobiologie in der Klinik die Beratung der klinischen Disziplinen
in Bezug auf die Implementierung und Aufrechterhaltung von
Hygienestandards ist. Diese Funktion muss bei einer Auslagerung des
Labors ebenfalls über die Serviceleistungen der externen Anbieter
abgedeckt werden oder intern differenziert organisiert werden.
In welchem Ausmaß eine Absenkung der GOÄ-Vergütung für Labor­
leistungen den Trend zum Outsourcing vorantreiben wird, ist nicht
eindeutig erkennbar.
Ärzte in einer Laborgemeinschaft
Ärzte, die Leistungen aus einer Laborgemeinschaft beziehen, sind
am stärksten von GOÄ-Anpassungen betroffen. Laborgemeinschaften
wurden als „Schlachtfeld“ der Verhandler bezeichnet: Man senkt MII
massiv ab (Leidtragende sind Hausärzte, Internisten und andere Ärzte
in einer Laborgemeinschaft) und kompensiert dies durch die
Aufwertung anderer ärztlicher Leistungen.
Die Umsätze aus der Laborgemeinschaft sind zu 100% Leistungen aus
dem Unterkapitel MII. Eine Absenkung der Vergütung von 60% schlägt
damit vollständig auf die Umsätze durch (siehe Abbildung 6, Seite 24).
Der GOÄ-Umsatz des zuweisenden Arztes als Mitglied einer Labor­
gemeinschaft ist Teil seines eigenen Praxisumsatzes. Die zuweisenden
Ärzte sind erheblich betroffen und erzielen einen um 60% niedrigeren
GOÄ-Umsatz aus MII-Leistungen. Nach Aussagen eines Hochschullehrers
für Allgemeinmedizin sowie von Hausärzten spielt die Aufrechterhaltung
dieser, nicht zu unterschätzenden, zusätzlichen Einnahmequelle für
die Wirtschaftlichkeit vieler Praxen eine tragende Rolle. Hinsichtlich
der allgemeinen Problematik der hausärztlichen Versorgung in struktur­
schwachen Gebieten – die keinen dort unterdurchschnittlichen GOÄAnteil impliziert – ist nachvollziehbar, dass sich ein Vergütungsrückgang
negativ auf die Niederlassungssituation niederschlagen kann.
Strategy&
Mit massiven
Verlusten in
MII sinkt der
Praxisumsatz
beim Hausarzt
erheblich.
Facharzt für
Labormedizin
23
Bei einer drastischen Absenkung der MII-Vergütung sind historisch bereits
beobachtete, medizinisch jedoch nicht vertretbare Folgen denkbar:
Betroffene Ärzte könnten versuchen, durch Mengenausweitung den
Preisrückgang zu kompensieren. Mengenausweitungen wegen
Veränderungen der Vergütung konnten in der Vergangenheit etwa nach
der Absenkung des Wirtschaftlichkeitsbonus 2013 beobachtet werden.
Niedergelassene Ärzte könnten als weitere Gegenmaßnahme vermehrt
Laborleistungen im Praxislabor durchführen, oft unter deutlich geringerer
Berücksichtigung eines regelhaften Qualitätsmanagements. Dieser
Entwicklung würde gegebenenfalls dadurch Vorschub geleistet, dass in
der neuen GOÄ mehr Parameter für das Praxislabor vorgesehen sind. Dies
könnte zu einer Fehlsteuerung führen, bei der nicht nur das Risiko einer
rein finanziell induzierten Mengenausweitung kritisch zu sehen ist.
Werden vermehrt Leistungen im Praxislabor erbracht, die zuvor unter
laborfachärztlicher Aufsicht erbracht wurden, wird dem Patienten der
Zugang zu laborfachärztlicher Expertise erschwert. Laborärzte sehen in
diesem Zusammenhang beispielsweise für Parameter wie HbA1c, der in die
neue GOÄ als Vorhalteleistung (MI) aufgenommen werden soll, ein Risiko.
Abbildung 6
Auswirkung einer Vergütungsanpassung von -60% in MII auf die Umsätze aus einer
Laborgemeinschaft
Umsatzverteilung im Status quo
Anteil GOÄ am Gesamtumsatz
aus Laborgemeinschaft
100%
Aufteilung GOÄ Umsatz
100% MII
Wirkung der GOÄ-Anpassung auf den Umsatz aus einer Laborgemeinschaft
100%
-60%
40%
Status quo
24
Nach GOÄ-Anpassung
Quelle: Strategy&
Berechnung
Strategy&
5.Zusammenfassung und
Ausblick
Sollte es zu einer substantiellen Absenkung der GOÄ-Vergütung im
Kapitel M kommen, sind eine Vielzahl wirtschaftlicher und struktureller
Veränderungen im Labormarkt zu erwarten. Laborfachärztliche Labore
werden zu Kosteneinsparungen gezwungen. Das Potential, Kosten­ein­
sparungen bei gleichbleibender Versorgungsqualität durchzuführen,
ist aufgrund des bereits sehr hohen Rationalisierungsgrades im
deutschen Labormarkt begrenzt. Werden Untersuchungen zur Erhöhung
von Serienlängen seltener durchgeführt oder die Logistikleistungen in
Bezug auf die Abholung der Proben eingeschränkt, hat dies Folgen für
die zeitliche Verfügbarkeit von Labordiagnosen, insbesondere in
strukturschwachen Regionen. Auch ein Abbau von Arbeitsplätzen
ist zu erwarten. Labore, die nicht über ausreichend Potential für
Kosteneinsparungen verfügen, werden vom Markt verschwinden und
die bereits fortgeschrittene Konsolidierung im Labormarkt schreitet
weiter voran. Eine zunehmende Konsolidierung wird nicht ohne
Folgen für die mittelständische Struktur bleiben und geht mit dem
Verlust weiterer Arbeitsplätze einher. Der ebenfalls zu verzeichnende
Trend einer zunehmend erforderlichen ärztlichen Kollaboration
zwischen einem Facharzt für Labormedizin und dem beauftragenden
Kollegen bei komplexen differentialdiagnostischen Erwägungen
würde damit konterkariert.
Die finanzielle Belastung von Krankenhäusern im Zusammenhang mit
der Erbringung von Laborleistungen wird zunehmen. Ursächlich hierfür
ist ein verringerter Beitrag zur Deckung der Laborkosten durch reduzierte
GOÄ-Umsätze. Auch Krankenhäuser, die ihr Labor ausgelagert haben,
müssen mit steigenden Kosten rechnen, weil Outsourcing-Partner
ebenfalls unter Druck geraten und diesen durch höhere Preise für die
erbrachten Leistungen zu kompensieren versuchen. Mögliche strukturelle
Veränderungen bei der Erbringung von Laborleistungen in Krankenhäusern
sind in der zunehmenden Fremdvergabe von Tests mit geringer
Serienlänge und einem zunehmenden Trend zum Outsourcing des
Labors zu sehen.
Strategy&
25
Kliniker befürchten hierbei, dass es zu einem Abfluss medizinischer
Kompetenz und einer Verringerung diagnostischer Qualität im
Krankenhaus kommen könnte. Bei der Erbringung der Laborleistungen
durch externe Anbieter kann aber auch ein Zugang zu professionalisierten
und speziellen Beratungsleistungen eröffnet werden. Ob ein externer
Anbieter hinsichtlich Beratungsleistungen ein hohes Niveau gewährleisten
kann, hängt im Wesentlichen von der individuellen Vereinbarung von
Servicedienstleistungen ab und bleibt abzuwarten.
Für niedergelassene Ärzte, die Mitglied einer Laborgemeinschaft sind,
ist im Rahmen der GOÄ-Reform ein signifikanter Einbruch der Erträge
aus Laborleistungen zu erwarten. Für die Wirtschaftlichkeit vieler
Arztpraxen sind diese Erträge von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
Hinsichtlich der allgemeinen Problematik in Bezug auf die hausärztliche
Versorgung in strukturschwachen Gebieten besteht daher das Risiko,
dass sich ein Vergütungsrückgang von MII-Leistungen negativ auf die
Niederlassungssituation auswirkt. Versuche zur Kompensation der
entgangenen Umsätze könnten zu einer vermehrten Durchführung
von Laborleistungen im Praxislabor führen. Zudem könnte es zu einer
nicht medizinisch begründeten Mengenausweitung kommen. Auch bei
den Laboreigenerbringern besteht die Gefahr, dass es möglicherweise zu
einer Mengenausweitung als Kompensation für geringere Umsätze kommt.
Bei einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage von Laboren sinkt
deren Fähigkeit, Kapital anzusparen, das für Investitionen in innovative
Verfahren benötigt wird. Die Einführung von innovativen Verfahren in
der Labormedizin wird dadurch verlangsamt und das Potential dieser
Verfahren kann in diesem Fall nicht oder nur verzögert genutzt werden.
Innovationen, etwa im Bereich der therapiebegleitenden Diagnostik
(„Companion Diagnostics“), bieten die Möglichkeit einer zielgerichteten
Behandlung und haben das Potential, sowohl den Therapieerfolg zu
erhöhen als auch die makroökonomischen Behandlungskosten zu
reduzieren. Werden die dazu benötigten aufwändigen labordiag­no­sti­
schen Tests nicht oder nur verzögert angeboten, besteht das Risiko, dass
dieses Potential ungenutzt bleibt. Es sollte also sowohl im Interesse der
Patienten als auch im Interesse des gesamten Gesundheitssystems liegen,
einen Innovationsstopp in der Labordiagnostik zu vermeiden.
Die gegenwärtige methodische Ausgangslage einer Neubewertung von
GOÄ-Laborleistungen muss sich der Kritik stellen, den essentiellen
Wertbeitrag der Labordiagnostik zu unterschätzen. Diagnostische
Leistungen werden nach unmittelbaren Kostenkriterien bewertet.
Durch eine Kopplung der laborärztlichen Leistung an die Vergütung des
jeweiligen Tests wird implizit die ärztliche Leistung entwertet. Das
kann weder im Interesse behandelnder Ärzte, die auf die Unterstützung
ihres Handelns durch den Labormediziner angewiesen sind, noch im
26
Strategy&
Sinne des Patienten sein, dessen diagnostischer Behandlungspfad
auch vom Laborarzt und von der Qualität der labordiagnostischen
Leistungserbringung abhängt.
Sollten neben einer Absenkung der Laborvergütung in der GOÄ die
Quotierung und das Mengengerüst im EBM weiterhin sinken,
würde sich die gesamtwirtschaftliche Lage aller Labore zusätzlich
verschlechtern. Dies würde sowohl die Konsolidierung weiter
vorantreiben als auch die Investitions- und Innovationsproblematik
weiter verschärfen und damit letztlich ein zukünftiges effektives
Patienten-Therapiemanagement, basierend auf qualitätsgesicherten
Diagnosen, in Deutschland in Gefahr bringen.
Strategy&
27
6. Appendix
Abbildung 7
Interviewpartner1
1.
Geschäftsführer eines laborfachärztlichen Labors
2.
Geschäftsführer eines Labors in einer Laborkette
3.
Geschäftsführer eines Labors in einer Laborkette
4.
Ärztlicher Leiter eines externen Krankenhaus-Labors einer Laborkette
5.
Ärztlicher Leiter und Eigentümer eines laborfachärztlichen Labors (MVZ)
6.
Leiter des Labors einer Universitätsklinik
7.
Vorstand eines Verbandes A
8.
Vorstand eines Verbandes B
9.
Vorstand eines Verbandes C
10. Internistischer Hausarzt
11. Spezialist Leistungs-Management einer Krankenversicherung
12. Leiter eines laborfachärztlichen Labors mit Krankenhausversorgung (MVZ)
13. Leiter eines laborfachärztlichen Labors (MVZ)
14. Ärztlicher Leiter eines Krankenhauslabors und Leiter der strategischen
Planung einer Krankenhauskette
15. Eigentümer eines laborfachärztlichen Labors
16. Hochschullehrer Allgemeinmedizin/Hausarzt
Teilweise
Mehrfachinterviews pro
Gesprächspartner
1
Quelle: Strategy& Analyse
17. Experte für Laborkostenrechnung
28
Strategy&
Quellen
Ärzte Zeitung 09.09.2015: Windhorst rudert beim Honorarplus zurück –
Chaos um GOÄ-Novelle.
1
2
Ärzte Zeitung online 14.05.2015: GOÄ-Reform biegt auf Zielgerade ein.
A. Bobrowski: Anforderungen an die Vergütung aus Sicht der Laborärzte.
Vortrag, VDGH-Diagnostika-Forum am 29.01.2015 in Berlin.
3
P. Borges: Quo Vadis Labormarkt: Trends und Perspektiven. Vortrag,
VDGH-Diagnostika-Forum am 28.01.2011 in Berlin.
4
5
Bundesärztekammer: Ärztestatistik 2014. Berlin 2015.
6
G. Elbel: Markt für klinische Labordiagnostik in Deutschland. Deloitte 2010.
J. Flintrop: Gemeinsam zur neuen GOÄ. Deutsches Ärzteblatt 2014,
111(22):988-991.
7
U. Früh: Laborkostenkalkulation. Vortrag, DELAB-Fachtagung am
11.06.2010 in Mainz.
8
9
K. Gaede: Labormedizin UK Aachen – Die Unerschrockenen. KMA 09/2011.
T. Keßler: Ausgaben für Laborleistungen im ambulanten Sektor. WIPDiskussionspapier 04/2010. Wissenschaftliches Institut der PKV, Köln 2010.
10
B. Kleinken: Die neue GOÄ – was können wir erwarten? AAA Abrechnung
Aktuell Ausgabe 08/2015.
11
R. König: Labordiagnostik – Unterschätzte Expertise. KMA Sonderdruck
Diagnostik, personalisierte Medizin 06/2013.
12
S. Löffert, M. Damerau: Die Bedeutung der Labordiagnostik für die
Krankenhausversorgung. Deutsches Krankenhausinstitut e.V., Düsseldorf
2014.
13
Medical Tribune Nr. 38, 18.09.2015: Dr. Windhorst kündigt beachtliche
Honorarsteigerung an.
14
Strategy&
29
M. Müller: Aktuelles aus der EBM-/GOÄ-Honorarpolitik. Vortrag, DELAB
Fachtagung am 03.07.2015 in Mainz.
15
M. Müller: Labormedizinische Patientenversorgung, Struktur – Kosten –
Wertschöpfung. Vortrag, Update Innovationsforum am 20.03.2012 in Berlin.
16
M. Müller: Fachkompetenz ist wichtiger als Größe. Triliumreport
Sonderheft Labormedizin 01/2012.
17
D. E. Newman-Toker, P. J. Pronovost: Diagnostic Errors – The Next Frontier
for Patient Safety, JAMA 2009, 301(10)9:1060-1062.
18
J. Rathenberg, B. Ivandic und C. Wohlfart: Systematik der korrekten
Laborabrechnung – rechtliche Rahmenbedingungen. J Lab Med 2014,
38(4):179-205.
19
R. PH. Schmitz et al.: Quality of blood culture testing – a survey in
intensive care units and microbiological laboratories across four European
countries. Critical Care 2013, 17:R248.
20
Statistisches Bundesamt: Gesundheit Ausgaben 1995 bis 2013. Fachserie
12 Reihe 7.1.2, Wiesbaden 2015.
21
Statistisches Bundesamt: Gesundheitsausgabenrechnung, Methoden und
Grundlagen 2008. Wiesbaden 2011.
22
23 B. Wiegel: Qualität braucht vor allem Ressourcen. BDL aktuell 03/2015.
T. Windhorst: Sachstand GOÄneu. Vortrag, 118. Deutscher Ärztetag am
12.05.2015 in Frankfurt am Main.
24
30
Strategy&
Abkürzungen
BÄK = Bundesärztekammer
BMG = Bundesministerium für Gesundheit
EBM = Einheitlicher Bewertungsmaßstab
GKV = Gesetzliche Krankenversicherung
GOÄ = Gebührenordnung für Ärzte
KV = Kassenärztliche Vereinigung
MVZ = Medizinisches Versorgungszentrum
PKV = Private Krankenversicherung
PoC = Point-of-Care, Point-of-Care-Testing (patientennahe Labordiagnostik)
Rili-BÄK = Richtlinien der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung
laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen
DRGs = Diagnosis Related Groups (Diagnosebezogene Fallgruppen)
Strategy&
31
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