Büro Landesrat Dr. Hermann Kepplinger Fassung vom 6. Mai 2009 Rainer Bartel Solidarisch gegen die Weltwirtschaftskrise Inhalt Vorbemerkung....................................................................................................................... 2 1. Die gegenwärtige Krise ... ............................................................................................... 2 ... ist eine neue Weltwirtschaftskrise...................................................................................... 2 ... birgt das Potenzial für politische Destabilisierung .............................................................. 2 ... ist eine paradigmatische Krise........................................................................................... 2 ... ist eine ideologische Krise ................................................................................................. 4 ... ist eine Verteilungskrise..................................................................................................... 5 ... ist eine Umverteilungskrise................................................................................................ 5 ... ist eine beidseitig verschuldete Strukturkrise ..................................................................... 6 ... ist eine Illusions-, Betrugs- und Marktumverteilungskrise................................................... 7 ... ist eine Folge von Nichtregulierung, schlechter Regulierung und Deregulierung der Finanzmärkte................................................................................................................ 8 ... ist auf der Basis verschleiernder Finanzinnovation entstanden.......................................... 9 ... ist vom Wandel des Finanzierungssystems vom Schwerpunkt Bankgeschäft zum Handelsgeschäft mit verursacht...................................................................................11 ... ist Ausfluss hoher Vermögensverluste am Finanzmarkt und panischer Liquiditätshortung im Bankensystem ........................................................................................................12 ... besteht also in einer Finanzmarktkrise, die realwirtschaftliche Probleme entfacht, die wiederum die Finanzkrise auf dem Geldmarkt verschärft, die wiederum ... ..................12 ... ist nicht unwesentlich eine Spätfolge der restriktiven Wirtschaftspolitiken.........................13 ... bewirkt eine generelle Abnahme, zudem eine massive Umverteilung der Lebensqualität.13 ... ist neben der Globalisierung wegen des "Karaoke-Kapitalismus" weltweit verbreitet ........13 ... wird durch die Verteilung ihrer Lasten verschärft ..............................................................14 ... ist durch die Bestrebungen zur Erhaltung der liberalen Wirtschaftsordnung wiederholbar 14 ... ist mit der neoliberalen Brille nicht in ihrer Tragweite zu erkennen....................................16 ... wird durch das "Schattenspiel" von der Inflationsgefahr und dem Beharren auf den restriktiven neoliberalen Politiken künftig wahrscheinlicher und gefährlicher................17 ... ist eine Folge des Neoliberalismus, nicht des marktwirtschaftlichen Konzepts an sich .....18 2. Die gegenwärtige politische Herausforderung ............................................................18 ... verlangt nicht nach einer grundlegenden Systemveränderung .........................................18 ... verlangt nach einer effektiven Beachtung der Funktionsbedingungen des Marktsystems.19 ... verlangt nach einer erneuten, sofortigen Realisierung der inzwischen wesentlich zurück gebauten Sozialen Marktwirtschaft ..............................................................................20 ... verlangt wirtschaftspolitische Reformen konsequent radikaler, aber nicht systemrevolutionärer Natur..........................................................................................20 ... verlangt ein solidarisches Wirtschaftssystem....................................................................21 ... verlangt ein realistisches Menschen-, Wirtschafts- und Staatsbild sowie eine dementsprechende Politik und Kontrolle......................................................................21 ... verlangt eine Orientierung an den Aufgaben der funktionellen öffentlichen Finanzwirtschaft ....................................................................................................................................22 ... verlangt die Lösung der Verteilungsproblematik zwecks Sicherung der Nachhaltigkeit dynamischer Wirtschaftsentwicklung ...........................................................................23 ... verlangt zunächst eine Regulierung des internationalen Kapitalverkehrs als Gegenbewegung zur Verteilungspolarisierung.............................................................23 ... verlangt ergänzend eine internationale Koordination der Steuerpolitiken als Gegenbewegung zur Verteilungspolarisierung.............................................................24 ... verlangt zwecks Konsumstärkung global höhere Masseneinkommen statt (nicht nur, aber besonders für die USA) höherer Kreditfinanzierung .....................................................24 ... verlangt, dass soziale Sicherheit und nachfrageseitiges Wachstum den Risiken der Finanzmärkte möglichst entzogen sein soll..................................................................25 ... verlangt die Beendigung der Illusion von der "wunderbaren Vermögensvermehrung" auf den Finanzmärkten als der Voraussetzung vielen Übels..............................................25 ... verlangt die breit gestreute Einsicht, dass insgesamt außergewöhnliche Vermögensgewinne auf dem Finanzmarkt im Vergleich zum Gütermarkt nur durch marktmäßige Umverteilung zwischen den FinanzmarktteilnehmerInnen zu machen sind ....................................................................................................................................26 ... verlangt eine flächendeckende, effektive Regulierung aller Finanzmärkte ........................26 ... verlangt ein Genehmigungsverfahren für Finanzprodukte wie für andere potenziell gefährliche Güter .........................................................................................................27 ... verlangt Transparenz der Produkte und Vergleichbarkeit der Angebotspalette.................28 ... verlangt Vermögenstransaktionsbesteuerung zwischen Prophylaxe und Schadensminderung....................................................................................................28 ... verlangt die aktive Betonung der unmittelbaren Kreditgewährungsfunktion der Finanzinstitute .............................................................................................................29 ... verlangt Gewährleistung der Geld- und Kreditversorgung auch in Krisen .........................29 ... verlangt die Erwägung sämtlicher, auch denkunmöglich erscheinender Rettungsalternativen, sogar der Verstaatlichung zu schwacher Finanzinstitute ...........30 ... verlangt eine zweckmäßige und konsistente Kombination der wirtschaftspolitischen Methoden und Maßnahmen im Hinblick auf ein sinnvolles ökonomisches Zielsystem .31 ... verlangt die Durchbrechung des Teufelskreises aus Abgabensenkung, Ausgabeneinsparungen, Unzufriedenheit mit den staatlichen Leistungen und Abgabensenkungen.....................................................................................................31 ... verlangt von der theoretischen und praktischen Wirtschaftspolitik, die Alternativen zu verdeutlichen und ihre Auswahl verständlich zu machen .............................................33 ... verlangt eine ausgewogene, effektive und faire Herangehensweise.................................33 ... verlangt die Beweislastumkehr für Liberalisierung und Privatisierung und die Bewahrung der Daseinsvorsorge in der Sicherheit des öffentlichen Sektors...................................35 ... verlangt Politik für eine solidarische Wirtschaft .................................................................36 ... verlangt ökonomische und politische Allgemeinbildung, die entscheidungsfähig, entscheidungsstark und souverän macht.....................................................................37 ... verlangt gesamthaftes Denken und koordiniertes Politikhandeln ......................................38 ... verlangt Grundlegendes: Abschied vom Harmoniedenken als Basis für konstruktives Problembewusstsein, wissenschaftliche Neutralität, nötige gesellschaftliche Auseinandersetzung und ausgewogene Kooperation ..................................................38 Literatur ................................................................................................................................40 Endnoten..............................................................................................................................46 1 Vorbemerkung Die aktuelle Herausforderung, die neue Weltwirtschaftskrise (nach jener der 1920er/1930er Jahre) erfordert eine Krisenanalyse (Teil 1) sowie eine effektive Krisenbekämpfung und institutionelle Vermeidung künftiger Weltwirtschaftskrisen (Teil 2). 1. Die gegenwärtige Krise ... ... ist eine neue Weltwirtschaftskrise Längst sind vor allem die Finanzmärkte, aber auch die Gütermärkte international derart integriert, dass zumindest schwere Krisen inzwischen kaum mehr regional eingedämmt sind. Der beinahe allumfassende und massive realwirtschaftliche Einfluss des globalisierten Finanzsektors ist nicht (mehr) zu bestreiten (Yellen 2009). Allein dies reicht schon hin, die Krise fast global zu machen. Und welche Länder entwicklungsbedingt (noch) nicht ins internationale Finanzmarktsystem eingebunden sind, leiden unter den realwirtschaftlichen Auswirkungen auf ihren Handel. Selbst wenn das Weltwirtschaftswachstum noch schwach positiv sein sollte, ist es global gedämpft, weist regional starke reale Schrumpfungen auf und ist mit einem massiven Rückgang des Welthandels verbunden. ... birgt das Potenzial für politische Destabilisierung Es ist dem Neoliberalismus weitgehend gelungen ist, das Denkschema der Menschen dem Marktdenken unterzuordnen und den Individuen jeweils die Hauptverantwortung für ihr wirtschaftliches und soziales Reüssieren anzulasten, selbst wenn grundsätzlich Chancengerechtigkeit nicht gewährleistet und gesamtwirtschaftliche Probleme nicht individuell lösbar sind. Dennoch sind aus historischer Erfahrung der Akzeptanz von Ungerechtigkeit und Leid sowie intentioneller Forschung und Lehre Grenzen gesetzt, die im Gefolge schwerer Krisen einmal früher, einmal später überschritten werden (Sablowski 2008, Galbraith 1973).1 Die Frage stellt sich daher, wie die Grenzüberscheitung des gesellschaftlich Tolerierten gestaltet werden soll. Die Themenführerschaft in der gesellschaftlichen Entscheidungsführung wird darüber entscheiden (erfolgreiche "Beanspruchung der Definitionsgewalt": Sablowski 2008). Günstige Chance oder schweres Schicksal?2 ... ist eine paradigmatische Krise "Die traditionelle Ökonomie lehrt die Vorzüge freier Märkte. Diese Überzeugung hat sich nicht nur in den Bastionen des Kapitalismus, wie die Vereinigten Staaten und 2 Großbritannien, festgesetzt, sondern in der ganzen Welt, sogar in Ländern mit stärker verankerten sozialistischen Traditionen, wie China, Indien und Russland. Nach der traditionellen Ökonomie ist der freie Marktkapitalismus im Wesentlichen vollkommen und stabil. Es gibt wenig Veranlassung, wenn überhaupt, für staatliches Eingreifen. Im Gegenteil, das einzige Risiko größerer Krisen rührt heute und in Zukunft vom staatlichen Eingriff her" (Akerlof/Shiller 2009, p. 2, eigene Übersetzung). Das Paradigma der Marktwirtschaft – ohne Adjektiv – kennt Krisen nur in unwesentlichem Maß, sind sie doch durch ein prinzipielles und leistungsfähiges Prinzip der Selbststabilisierung (nämlich relative Preisanpassungen) gekennzeichnet; der Staat verzerrt mit seinen Eingriffen die Optimalität Ressourceneinsatz und Güterverteilung ("Pareto-Effizienz"). "Wir glauben aber, dass diese Theorie bei der Beschreibung von so viel Schwankung in der Wirtschaft versagt. (...) Und die Botschaft, die uns Adam Smith mit auf den Weg gegeben hat – es gibt wenig oder gar keine Notwendigkeit für staatliches Eingreifen – ist auch ungerechtfertigt. (...) Das Gedankenexperiment Adam Smiths berücksichtigt zutreffend den Umstand, dass die Menschen ihre wirtschaftlichen Interessen rational verfolgen. Natürlich. Aber dieses Gedankenexperiment versagt bei der Erfassung des Ausmaßes, in dem die Menschen auch von nichtwirtschaftlichen Motiven geleitet werden. Und es versagt bei der Erfassung des Ausmaßes, in dem die Menschen irrational oder irregeführt sind. Es missachtet die Lebensgeister (original: animal spirits; Anm. R.B.). Im Gegensatz dazu suchte John Maynard Keynes die Abweichungen von der Vollbeschäftigung zu erklären und unterstrich dabei die Bedeutung der animal spirits" (Akerlof/Shiller 2009, p. 3 f., eigene Übersetzung). Die Flatterhaftigkeit von Stimmungslagen und Auffassungen (eben animal spirits) macht das Wirtschaftssystem nervöser und die am Vollbeschäftigungsgleichgewicht orientierte Sicht der Wirtschaft durch den ökonomischen Mainstream (Neo/Klassik) eher zur Ausnahme denn zur Regel. "Die Idee, dass Wirtschaftskrisen wie die gegenwärtige Finanz- und Häusermarktkrise hauptsächlich durch wechselnde Denkmuster verursacht werden, widerspricht dem ökonomischen Standarddenken. Aber die gegenwärtige Krise legt Zeugnis ab für die Bedeutung solchen Wandels im Denken. Sie wurde genau durch den Wandel unserer Zuversicht, Versuchungen, unseres Neides, unserer Abneigungen und Illusionen hervorgerufen – und insbesondere durch die geänderten Geschichten von der Eigenart der Wirtschaft. (...) in der modernen Wirtschaftswissenschaft ist animal spirits (...) nun ein ökonomischer Begriff, der auf ein Element der Rastlosigkeit und Widersprüchlichkeit in der Wirtschaft abzielt. Er bezieht sich auf unsere sonderbare Beziehung zu Unklarheit oder Unsicherheit. Manchmal werden wir davon gelähmt. Doch ein anderes Mal belebt und elektrisiert es uns und überwindet unsere Befürchtungen und Unentschlossenheiten" (Akerlof/Shiller 2009, p. 3 f., eigene Übersetzung). Nicht nur, dass die Änderungen von Stimmungslagen und Auffassungen (animal spirits) für die Schocks verantwortlich sind, die die Wirtschaft immer wieder destabilisieren, sondern wohl auch für die Dynamik, die es verhindert, dass sich die Wirtschaft in Mainstream-Manier rasch selbst stabilisiert und die Krise nicht der Rede wert ist. 3 "Nach Meinung von Keynes sind diese animal spirits die Hauptursache für die Schwankungen der Wirtschaft, wie wir sie beobachten. Sie sind auch die Hauptursache für unfreiwillige Arbeitslosigkeit (Akerlof/Shiller 2009a, p. 6, eigene Übersetzung). "Komischer Weise war es nicht wie in einem Vergnügungspark, sondern die Passagiere merkten erst, als es mit der Wirtschaft abwärts ging, dass sie zu einer wilden Fahrt aufgebrochen waren. Und das Management dieses Vergnügungsparks hatte, begünstigt durch diese Vergesslichkeit, nicht darauf geachtet, Grenzen zu setzen, wie hoch die Passagiere steigen dürften. Auch haben sie keine Sicherheitseinrichtungen vorgekehrt, die die Geschwindigkeit oder Höhe des darauf folgenden Abschwungs in Grenzen hielten. (...) Es gibt darauf eine einfache Antwort. Die Öffentlichkeit, die Regierung und die meisten Ökonomen waren von einer Wirtschaftstheorie versichert worden, dass wir in Sicherheit wären. Es war alles OK. Nichts Gefährliches könnte passieren. Aber die Theorie war unzulänglich. Sie hatte die Bedeutung von Ideen für das Verhalten der Wirtschaft missachtet. Sie hatte die Rolle der animal spirits missachtet" (Akerlof/Shiller 2009, p. 1, eigene Übersetzung). Das Paradigma der Überlegenheit freier Märkte wird seit der Weltwirtschaftskrise im 20. Jahrhundert erstmals wieder substanziell herausgefordert. Bisherige Kompromisse - (Neoklassische und Neue Neoklassische Synthese) genügen offenbar nicht mehr, die akute Krise zu erklären und bestmöglichen Rat für ihre Bekämpfung zu geben. Vielleicht sind es die von vielen NachfahrInnen von Keynes (vielleicht aus opportunistischen Gründen) missachteten Elemente der Keynes'schen Theorie, die den Erklärungs- und Beratungsnotstand lindern oder beheben können. "Unter den erstaunlichsten Erklärungen, die von einem Politiker in den letzten Jahren gemacht werden sollten, war diesen Herbst Alan Greenspans Eingeständnis, das Deregulierungsprogramm, das er als Vorsitzender der Federal Reserve überwachte, beruhte auf einem 'Fehler': Er hätte die Fähigkeit eines freien Marktes zur Selbstkorrektur überschätzt und die selbst zerstörerische Kraft der deregulierten Hypothekarkreditwesens übersehen. 'Das gesamte Gedankengebäude', sagte er, 'brach letzten Sommer in sich zusammen'. Im Gegensatz dazu hatte Keynes eine Wirtschaftswissenschaft gegründet, deren Ausgangspunkt es war, dass nicht alle künftigen Ereignisse auf ein berechenbares Risiko reduziert werden könnten. Es gäbe einen Rest an wahrer Unsicherheit, und das machte Katastrophen zu einer stets gegebenen Möglichkeit, nicht zu einem 'Schock', der einmal im Leben vorkommt. Investition wäre mehr eine Glaubenssache denn eine exakte Berechnung von Wahrscheinlichkeiten. Und in diesem Umstand lag die Möglichkeit riesigen Systemfehlverhaltens" (Skidelsky 2008, N.Y.T., Dec. 12, eigene Übersetzung).3 ... ist eine ideologische Krise Wissenschaftstheoretisch hat man sich längst mehrheitlich von der Auffassung verabschiedet, es könnten in einer Sozial- und Wirtschaftswissenschaft objektive Beweise geführt werden. Trotz allen weit entwickelten Empirizismus in der heutigen Forschung müssen die analytische Aussagefähigkeit indizienhaft und sowohl die Theorie als auch die Empirie werturteilsbehaftet bleiben. Heterodoxe Strömungen der Ökonomie erheben gerade den Vorwurf, dass die ökonomische Orthodoxie (der Mainstream) noch keine Wissenschaft sei, weil sie axio4 matisch vorgehe – d. h., ihre Erkenntnisse von einem ideellen Gedankenkonstrukt ableite –, um auf dieser Basis die soziale Realität an ihr Gedankenkonstrukt anzupassen (Bartel 2000), obwohl es der Lebensart und dem Wohl des Menschen zuwiderlaufe.4 Daher stellt sich die gesellschaftliche Grundfrage, sollen wir die Realität den abstrakten Vorstellungen des Geistes anpassen (primär deduktiver Ansatz) oder die Lösungen den Gegebenheiten der Realität anpassen (primär induktives Herangehen); welches ist wohl die mehr Erfolg versprechende Variante? Es geht also darum, generell die "weißen Flecken" der ökonomischen "Landkarte" mit Ideologie zu füllen und zu legitimieren. Denn deren Realisierung unterliegt dem demokratischen Entscheid und läuft letztlich auf Politiken des Liberalismus, Konservatismus (Reaktionismus) oder Sozialismus hinaus. Und es geht darum, speziell eine wirtschaftspolitische Richtungsentscheidung zu treffen. In beiderlei Hinsicht ist dieser Beitrag (verantwortungs-)bewusst als unzulänglich, weil einseitig zu betrachten und sein Wert in der Beleuchtung jener Seite der Medaille zu suchen, die Jahrzehnte lang viel zu kurz gekommen ist.5 ... ist eine Verteilungskrise "(...) das Faktum, das wir in den Daten sehr klar sehen und das auch die arbeitenden Menschen in der sozialen Realität erfahren, (ist,) dass es in den letzten 25 Jahren eine dramatisch Umverteilung von Einkommen zwischen Kapital und Arbeit gegeben hat. (...) Das Auseinanderklaffen der Einkommensverteilung wird aber in der Öffentlichkeit erstaunlich wenig und auch in der Wirtschaftswissenschaft kaum thematisiert." (Stockhammer 2007, p. 50). Der langfristige Rückgang des Lohn- und Gehaltsanteils zu Gunsten des Besitz- und Vermögensanteils erhöht die Ersparnis der Reichen zu Lasten des Konsums der Massen (Zuckerstätter 2008, Stockhammer/Ederer 2008).6 Die Ersparnisse fließen aber großteils nicht als Finanzierung in realwirtschaftliche Investitionen (Stockhammer 2007). In einigen Ländern wird diese Nachfrageschwäche durch Budgetdefizite und Außenhandelsüberschüsse kompensiert (wobei letztere die Außenhandelsdefizite anderer Staaten mit bedingen).7 ... ist eine Umverteilungskrise Die Globalisierung der Märkte für Finanz- und Sachkapital bedeuten internationalisierte Veranlagungs- und Standortentscheidungen. Sie bedingen insofern eine Umverteilungsproblematik, als Kapital global wesentlich mobiler ist als Arbeitskräfte und von einem einzelnen Staat weniger wirksam besteuert werden kann. Das Steueraufkommen konzentriert sich deshalb auf den relativ immobilen und steuerausweichschwachen Faktor Arbeit und wirkt der Verteilungspolarisierung auf den Märkten volkswirtschaftlich nicht angemessen entgegen. 5 Deshalb erlangt eine effektive Regulierung der Finanzmärkte dieselbe umverteilungspolitische Bedeutung wie internationale Koordinierung der Steuerpolitiken (Pollin 1995). Sogar innerhalb der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital gibt es eine sehr unterschiedliche Treffsicherheit und Wirksamkeit der Besteuerung, und zwar je nach wirtschaftlicher Potenz und politischem Einfluss. Daher ist Umverteilung von Einkommen, Vermögen und somit Macht in zweifacher Weise in Beitrag zu sozialer Gerechtigkeit: ein sozialer Ausgleich sowie eine gesellschaftliche Systemverbesserung (steuerpolitische Effektivitätssteigerung). ... ist eine beidseitig verschuldete Strukturkrise In den USA waren es meist Konsumkredite und rüstungsbedingte Budgetdefizite, die eine hohe Ausgabenneigung ergaben. Stärker kredit- und weniger einkommensabhängiger Konsum macht die Güternachfrage, Produktion und Beschäftigung noch mehr vom Finanzmarkt abhängig. Zudem beanspruchen die langjährigen, riesigen US-Zahlungsbilanzdefizite den internationalen Finanzmarkt beträchtlich. "Ich weiß, dass Amerika seinen Anteil an dem Chaos hat, mit dem wir uns konfrontiert sehen" (Obama 2009). Die Finanzpartnerländer der USA sprangen immerhin gern und wenig überlegt als Gläubiger ein. Obendrein betrieb Europa eine relativ strikt neoliberale Politik der "Austerität" (restriktive Geld- und Fiskalpolitik), während die USA in der neoliberalen Rhetorik führend waren, in der praktischen Politik jedoch sehr pragmatisch – und keynesianisch. Davon profitierte Europa in Form von Handelsbilanzüberschüssen gleichsam als "Trittbrettfahrer". "Obwohl in den USA entstanden, konnte die Krise nur deshalb in einem so großen Ausmaß auch europäische Institutionen beeinträchtigen, weil diese selbst tief in das globale Spekulationsspiel verwickelt waren und die europäischen Politiken eine solche Verwicklung unterstützten. Zugleich mit der anscheinenden Kulmination der Finanzkrise braut sich in der EU eine schwere Rezession zusammen, die von den Finanzturbulenzen verschärft wird, ihre Ursprünge im Grunde aber hausgemacht sind. Diese sind die sehr restriktive Geld- und Fiskalpolitik der EU, der Zug zu weiterer Deregulierung der Arbeitsmärkte und eine Einkommensverteilung, die den privaten Konsum bremst. Diesen Entwicklungen entgegenzutreten, schlagen wir eine demokratische Umwandlung des Finanzsystems und ein großes gesamtwirtschaftliches Investitions- und staatliches Beschäftigungsprogramm vor" (EuroMemorandum Group 2008, 2nd call for the support of EuroMemorandum 2008/09, E-Mail). Außerdem ist EU-Europa eine ziemlich geschlossene Volkswirtschaft und bietet damit relativ gute Gelegenheit zu gemeinsamer expansiver Fiskalpolitik ohne große Nachfrage- und Einkommensabflüsse in den Rest der Welt (Buti/van der Noord 2009). Überdies wäre die Situation in einem Zusammenwirken mit den USA und deren stark expansiver Fiskalpolitik eine noch bessere Chance auf effektive Stabilisierungspolitik. Die Chance wurde zunächst verpasst und wird auch nun nicht maximal genützt. So wird EU-Europa (vor allem der Norden) weiterhin zur Abhängigkeit 6 der USA vom internationalen Finanzmarkt und der Welt vom US-Dollar und somit vom globalen Finanzmarkt beitragen. Abhängigkeit vom Finanzmarkt zeigen auch kapitaldeckungsfinanzierte Systeme der sozialen Sicherheit (Pensions-, Gesundheits- und Bildungssparen) nach den strukturellen Reformen durch den Neoliberalismus. Das förderte auch das Vordringen des investment banking (Sablowski 2008). "Besonders pervers erscheint dabei, dass selbst viele Länder der Peripherie durch Kapitalexporte in die USA eins der reichsten Länder der Welt finanzieren. Dies ist unter anderem auf die "Strukturanpassungen", d. h. den erzwungenen Konsumverzicht in der Peripherie (...) zurückzuführen" (Sablowski 2008, www.linksnet.de/de/ artikel/23911). ... ist eine Illusions-, Betrugs- und Marktumverteilungskrise Der Finanzsektor hob vom Realsektor immer mehr ab. Finanzielle Volumen und Renditen überragten zunehmend die realwirtschaftlichen Grundlagen wie "Luftschlösser" (Schulmeister 2008); man spricht von Blasenbildung. " Ende der 1960er Jahre sanken die Produktivitätszuwächse, die durch die fordistische Arbeitsorganisation erreichbar waren. (...) Die Märkte für standardisierte Konsumgüter in den kapitalistischen Zentren waren zunehmend gesättigt. (...) Das Kapital reagierte auf diese Profitabilitätskrise auf mehrere Arten. Erstens wurde Kapital in Länder der Peripherie verlagert, um die Kosten zu senken. Die Produktion wurde internationalisiert, eine neue internationale Arbeitsteilung entstand. (...) Zweitens kündigte das Kapital den fordistischen Klassenkompromiss (Lohnsteigerungen gegen in den Zentren auf. Unter dem Druck der Krise und der ansteigenden Massenarbeitslosigkeit wurden die Gewerkschaften geschwächt, Löhne gesenkt, Arbeitsbedingungen verschlechtert und Sozialleistungen abgebaut. Drittens wurde Kapital, das im industriellen Sektor nicht mehr profitabel angelegt werden konnte, auf der Suche nach kurzfristigen Profiten in den Finanzsektor verschoben. Regierungen deregulierten und liberalisierten die Finanzmärkte, um die Möglichkeiten der finanziellen Akkumulation auszuweiten" (Sablowski 2008, www.linksnet.de/de/artikel/23911). Das moderne Wirtschaftsleben baute immer größere Erwartungen auf und legte Anspruchsniveaus fest, indem – sagen wir – die animal spirits in high spirits waren. Die Finanzmärkte schufen Erwartungen, die in Summe nicht einzulösen waren, und erzwangen förmlich "Pyramidenspiele" zu Schröpfung von LaiInnen und professionellen DilettantInnen ("Ponzi-Konzepte", Insider-Handel, Bilanzverschleierungen): Die märchenhaften Erträge konnten nur zu Lasten der strukturell benachteiligten FinanzmarktteilnehmerInnen realisiert werden, weil die reale Produktion keine den angestrebten Finanzerträgen entsprechend hohe Gewinne erwirtschaften konnte. 7 ... ist eine Folge von Nichtregulierung, schlechter Regulierung und Deregulierung der Finanzmärkte Verabschiedet man sich von der neoklassischen Modellvorstellung (jeder Markt stabilisiert sich in der Regel problemlos), wird das neoliberale Eintreten für freie internationale Finanzkapitalmobilität problematisch.8 Ungehinderte Kapitalströme lösen Wechselkursbewegungen aus, die geldpolitische Reaktionen hervorrufen können. Aus Keynes'scher Sicht können diese Finanzarbitrageströme einer vollbeschäftigungsorientierten Zinspolitik widersprechen und makroökonomische Probleme in Binnen- und Außenwirtschaft hervorrufen, die sich in einer vernünftig kurzen Zeitspanne nicht von selbst lösen. Animals spirits dominieren in der Realität vielfach das kühle, reine Rationalverhalten des Homo oeconomicus in den (neo-)klassischen Mainstream-Modellen (Rothschild 2005, Akerloff/Shiller 2009). Aus der Perspektive der Ungleichgewichtstheorie und der Behavioural Finance (Finanzentscheidungen werden nicht zuletzt aus menschlichen Schwächen getroffen) bewirkt zum einen die Marktteilnahme von uninformierten HändlerInnen ("noise traders") eine Erhöhung des Marktrisikos und unter dessen Einfluss unzureichende Transaktionen für ein effizientes Gleichgewicht (eine unvollkommene Arbitrage) und ineffizienten Kapitaleinsatz (Allokationsineffizienz). Zum anderen kann das rationale Streben von MarktteilnehmerInnen an den widrigen Bedingungen des Marktes scheitern (Palley 2009, Shiller 2009).9 Aus dem Blickwinkel des Neomarxismus wirkt das Recht auf Kapitalflucht wie ein Machthebel auf die Regierungen und bringt sie von ihrer geplanten, demokratisch legitimierten Politik ab (Palley 2009). In den Jahrzehnten gingen die in der Weltwirtschaftskrise des 20. Jahrhunderts gemachten Erfahrungen betreffend die Ratsamkeit finanzieller Regulierung bei den meisten aus dem Sinn (Akerloff/Shiller 2009). Es gibt eben keine Daten für die Kalkulation der Eintrittswahrscheinlichkeiten großer Krisen (Ackerman 2008). Die unzureichende bis fehlende Regulierung der Finanzmärkte erlaubte den Banken die nahezu bedingungslose Verfolgung überhöhter, kurzfristiger Vermögensgewinne, ohne dass in den meisten Bereichen eine auch nur annähernd angemessene Risikokontrolle und -einschränkung erfolgt wäre (Akerlof/Shiller 2009), weder durch Staat oder Rating-Agenturen, noch durch Aufsichtsrat oder AktionärInnen. Die "Herrschaft des Management" (Galbraith 2005) wurde abgesichert und noch dazu durch Gehalts- und Prämienanreize in Richtung Zügellosigkeit bei Risiken und längerfristig wiederkehrenden Krisen und Ergebniseinbrüchen verzerrt (Bernhardt/Davies 2009, Massa/ Patgiri 2009).10 Dabei bewirkte die Einführung von ratings durch renommierte Agenturen, dass mehr Firmen mehr Schulden eingingen (um ihre Aktiven aller Art zu steigern), dass dies hauptsächlich bisher undurchleuchtete Firmen und schlechtere Schuldnerinnen sind und dass damit auch zusätzliche, aber weniger informierte GläubigerInnen auf den Markt kamen (Sufi 2009). Mithin trugen die Rating-Agenturen hohe Verantwortung für die Gesamtentwicklung. 8 Darüber hinaus gründeten Finanzinstitute so genannte Zweckgesellschaften (Special Purpose Vehicles SPV oder Special Purpose Entities SPE, berühmtberüchtigt seit der Enron-Pleite). Mit denen konnten sie außerhalb ihrer Bilanzen und der Kontrollsysteme hoch riskante Spekulationen quasi im Verborgenen unternehmen. Ohne wirksame Regulierung waren der Blasenbildung Tür und Tor geöffnet (Baker 2008, Akerlof/Shiller 2009a), vor allem in einem sehr dynamischen, komplexen, irrationalen, spekulativen und wenig durchsichtigen Markt. Doch dies wurde lange Zeit unterschätzt und als unvermeidlich, quasi natürlich angenommen (Baker 2008).11 Die Finanzmarktentwicklung ging quantitativ rasant und qualitativ essenziell vor sich: • Zwischen 2000 und 2007 verdoppelte sich der Bestand von Verbindlichkeiten, zumal diese als marktfähig und liquide angesehen wurden (was sich in so manchen Fällen im Nachhinein als illusorisch herausstellte); • so wurden ohne Kapitaldeckungserfordernisse hoch riskante und kaum liquide Papiere vom Bankensystem gehalten; • Finanzkonglomerate durften ungehindert wachsen und somit in der Einschätzung ihres jeweiligen Gesamtrisikos immer rätselhafter werden; • Risikobeurteilungen gingen an Knackpunkten der Problematik vorbei; • Das Verhältnis von Forderungen zu Eigenkapital wurde in Investmentbanken und hedge funds durch haltloses "leveraging" (Hochhebeln der Gesamtrendite durch zusätzliche Fremdkapitalaufnahme) auf bis zu 3000 Prozent und darüber aufgebläht ... • ... all diese Entwicklungen müssen vom Staat regulatorisch in den Griff bekommen werden: wirksame Vorschriften (ggf. bis hin zu Verboten), Kontrollen, Sanktionen erscheinen unerlässlich (Crotty/Epstein 2008). Die Transaktionen auf dem US-Finanzmarkt waren in den USA schon Mitte der 1990er Jahre 100 Mal so groß wie die Finanzierung der realen Investitionen, drei Mal so groß wie noch 30 Jahre zuvor (Pollin 1997, S. 90). Dieses Missverhältnis zwischen Finanzvermögen und Finanzierungseinsatz setzt voraus, dass die Finanzmärkte vielfältig und undurchschaubar, flatterhaft und unsicher sind. ... ist auf der Basis verschleiernder Finanzinnovation entstanden Die Finanzmarktnervosität ist eine Folge des Zusammenwirkens verwirrender Finanzproduktvielfalt und Finanzmarktderegulierung schon ab den späten 1970er Jahren (Crotty/Epstein 2008) mit entsprechend niedrigen Vermögenstransaktionskosten und destabilisierender Spekulation ("Kasino-Kapitalismus": Keynes 1936). Die zunächst auf Grund des Arguments der Risikostreuung viel gepriesenen "strukturierten", aus verschiedenen Aktiva zusammengesetzten Wertpapiere 9 (asset-backed securities ABS und collateralized debt obligations CDO) haben letztlich den Nachteil, dass sie eher undurchsichtig sind, Risiko verwischend wirken, nicht krisensicher sind und im Preis hoffnungslos verfallen (Yellen 2009). Das ist auch der Grund, warum die Strategie der Unterscheidung von Risikoklassen nicht aufgegangen ist (Baker 2008: "cowboy financing"). Die komplexe Konstruktionen von strukturierten Finanzaktiva verwischten die Konturen der unterschiedlichen Risikoklassen und verzerrten die Entscheidungen der weniger Informierten in Richtung höheren Risikos (Crotty/Epstein 2008). Wenn solche handelbaren verbrieften Kredite (securitised assets), welche die traditionellen Bankkredite in Form einer direkten, verantwortungsvollen Kreditbeziehung tendenziell ersetzen, durch Fremdfinanzierung erworben und größtenteils von Banken gehalten werden, um den leverage effect (auf Fremdkapital basiertes Hochhebeln der Kapitalrendite) maximal auszunützen, wird dieser potenzielle Vorteil dadurch zunichte, dass die Standards zur Kreditvergabe gesenkt werden (Shin 2009). Außerdem könnte das traditionelle Geschäftsbanken-Kreditsystem ggf. durch entsprechende Geldpolitik hinreichend liquide gemacht werden, sollten Finanzierungsrestriktionen die Realwirtschaft volkswirtschaftlich unerwünscht einschränken; das sollte die Notwendigkeit innovativer Finanzinstrumente deutlich relativieren. Finanzderivate (gleichsam Wettscheine auf Kursentwicklungen) haben nichts Unmittelbares mehr mit Finanzierung zu tun und haben eher Glücksspielcharakter. Vielmehr dienen sie den Finanzinstituten dazu, Vermögensgewinne auch bei allgemein sinkenden Kursen ("bearish markets") zu erzielen, wenn sie richtiger Weise auf fallende Kurse wetten. Destabilisierende Spekulation besteht überwiegend in glücksspielartigen, großteils kreditfinanzierten Veranlagungen in Finanzderivate und undurchsichtige Finanzaktiva (Minsky 1992),12 rasanter Telekommunikation, freien Märkten und unüberblickbaren und spurenarmen globalen Beziehungsgeflechten (Sen 2009), genannt new financial architecture (NFA). Das gilt längst für fast den gesamten Globus, macht Krisen immer breiter, ansteckender und globaler und beraubt das gesamte System zunehmend der (bildlich gesprochen) Stabilitätshäfen und -anker (Crotty 2008). So nehmen international etwa auch die Abhängigkeit zwischen den Renditen der Aktienmärkte tendenziell und die Interdependenz zwischen den Flatterhaftigkeiten dieser Märkte schubweise zu (Diebold/Yilmaz 2009).13 Beispielsweise sind credit-default swaps ein beliebtes Finanzderivativ, das sich von einem Kreditvertrag ableitet. Der Käufer verpflichtet sich zu regelmäßigen Zahlungen und berechtigt sich dadurch zum Empfang eines Betrags für den Fall, dass der gegenständlich vergebene Kredit platzt. Doch der Verkäufer unterliegt keinerlei Regulierung, so dass dessen Zahlungsfähigkeit im einschlägigen Fall äußerst unsicher und dieser Versicherungsgeber (Kreditgarant) de facto ebenso ein Glücksspieler sein kann, wie der Versicherungsnehmer (Kreditnehmer) ein Hazardeur sein kann (ein "moralisches Wagnis" eingeht). Dazu meint Dickinson (2008, p. 2): "Credit-default swaps ('CDS') are a valuable financial tool that has created systemwide benefits. At the same time, however, these derivative contracts have also created the potential for relatively few market participants to destabilize the entire economic system. (...) CDS could foster systemic crisis14 by means of (1) encouraging the growth of dangerous asset bubbles, (2) causing the collapse or failure of an institution that is systemically significant, and (3) creating perverse incentives that subvert policies underpinning business law on a system-wide scale." 10 Noch dazu werden vier Fünftel der Derivate und vielleicht sogar über die Hälfte aller Papiere nicht auf einem Markt verkauft, sondern nach bilateralen Verhandlungen "über den Ladentisch" (over the counter OTC). Das bedeutet, dass es dabei keinen effizienten Marktmechanismus gibt, der Angebot und Nachfrage rasch ausgleicht und auf den sich die LiberalisierungsbefürworterInnen so gern berufen (Crotty/Epstein 2008). Europa hat sehr schnell aufgeholt: Der Umsatz an Finanzderivaten war 1986 noch halb so groß wie das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gewesen, 2005 bereits 38 Mal höher. In Deutschland, dem Zentrum des Derivathandels (Frankfurter Derivatbörse EUREX seit 1997), wachsen die Derivatumsätze mit ca. 30 % pro Jahr und waren 2005 schon 40 Mal höher als das deutsche BIP (Schulmeister 2006). ... ist vom Wandel des Finanzierungssystems vom Schwerpunkt Bankgeschäft zum Handelsgeschäft mit verursacht Typisch konventionelle Geschäftsbanken sehen ihre volkswirtschaftlich relevante Mission primär im Kreditgeschäft für ihre unternehmerischen KundInnen und sind so an nachhaltig dynamischen Unternehmensentwicklungen und expansiven Wirtschaftspolitiken interessiert. Währenddessen leben Vermögenshandelshäuser von Informationsasymmetrien und Instabilitäten, befürworten eher restriktive Wirtschaftspolitiken, interessieren sich nicht für finanzielle wie unternehmerische Problemlösungen für nichtfinanzielle Unternehmen, sondern flüchten bei solchen Problemen aus den entsprechenden Finanztiteln, zuletzt v. a. securitized mortgages (Crotty/Epstein 2008). Sie erfüllen ihre volkswirtschaftlich lebenswichtige Finanzierungs- und Risikokontrollfunktion schlecht (Stiglitz 2009), erschüttern wirtschaftliches Grundvertrauen und erschweren dadurch konjunkturelle Stabilität ebenso wie Langfristwachstum und sozialen Ausgleich (Pollin 1995).15 "Die Entwicklung der Finanzmärkte war vom Aufstieg institutioneller Investoren (Versicherungen, Investmentfonds, Pensionsfonds), d.h. von einer Transformation der Eigentumsverhältnisse begleitet. Obgleich die institutionellen Investoren an industriellen Unternehmen in der Regel nur Minderheitsbeteiligungen hielten, konnten sie ihr Interesse an der Steigerung des Shareholder Value, also der Aktionärsrendite viel besser zur Geltung bringen als einzelne Kleinaktionäre (...) Aus der Perspektive der Kapitalanleger, die keine Bindung an ein bestimmtes Unternehmen haben, sondern viele Kapitalanlagen im Hinblick auf ihre Rendite miteinander vergleichen, reicht es nicht aus, dass ein Unternehmen überhaupt profitabel ist – es kommt vielmehr auf eine überdurchschnittliche Kapitalrendite an. Um die Eigenkapitalrendite zu erhöhen, neigen die Unternehmen zu einer höheren Verschuldung bzw. zur Verkleinerung ihrer Kapitalbasis" (Sablowski, www.linksnet.de/de/artikel/23911). "Banken und Finanzmärkte müssen wieder primär ihre ursprüngliche Aufgabe erfüllen. Das sind das Sammeln von Ersparnissen und die Kreditvergabe an die Investoren der Realwirtschaft" (Karasek/Marterbauer 2009, p. 4). Das Risiko auf dem Finanzmarkt steigt allgemein und wird immer gefährlicher. Nicht nur die Zahl der Investmentbanken steigt, selbst das Geschäftsbankensystem hält zunehmend hochriskante Papier in seinem Portefeuille und sichert sich zu wenig 11 gegen diese Risiken ab (Crotty/Epstein 2008) – und in akuten Krisen (Minsky's moment, meltdown) können nicht einmal die KapitalgarantiegeberInnen leisten. Es gab WarnerInnen, wie Nobelpreisträger 2008 Paul Krugman (Princeton University);16 sie wurden nicht gehört – bewusst (Einfluss der Lobbys) oder unbewusst (Marktgläubigkeit und Hybris des Mainstream).17 Nun erfährt etwa Paul Krugman leider eine Bestätigung seiner Warnungen und kann seine Forderungen bekräftigen: "Amerika braucht einen Sozialstaat nach dem Vorbild Europas und ein stark reguliertes Finanzsystem. (...) Bankgeschäfte müssen dringend wieder langweilig werden." Krugman (2009, 14. 4., 10:28 MESZ, www.sueddeutsche.de/finanzen/350/464944/ text). Das zivilgesellschaftliche Netzwerk Attac fordert eine "drastische Schrumpfung der Finanzmärkte".18 ... ist Ausfluss hoher Vermögensverluste am Finanzmarkt und panischer Liquiditätshortung im Bankensystem Das Platzen von Blasen führt immer wieder zu beträchtlicher Nettovermögensvernichtung (Vermögensverluste minus -gewinne). Die einbrechenden Vermögenspositionen machen die Rückzahlung der Kredite, auf denen sie teils beruhen, problematisch, der leverage effect wird umgekehrt ("de-leveraging"), um der infolge der Abschreibungen weg brechenden Eigenkapitalquote durch Verkleinerung der Verbindlichkeiten Rechnung zu tragen.19 Die Kreditinstitute horten in Panik Geld ("Kellergeld"), statt es an die Realwirtschaft zu verleihen (Corden 2009), die, nicht wie sonst üblich, weder ihre Investitionen und ihr working capital noch ihre gewöhnlichen Spitzenfinanzierungserfordernisse mehr finanzieren kann. Die Kreditklemme breitet sich über die Liefer- und Leistungsbeziehungen aus.20 Im Extremfall kann nicht einmal unbegrenzte Geldversorgung durch traditionelle Geldpolitik die Hortung und Liquiditätskrise überwinden. Eine Bank denkt betriebswirtschaftlich, handelt nicht volkswirtschaftlich. ... besteht also in einer Finanzmarktkrise, die realwirtschaftliche Probleme entfacht, die wiederum die Finanzkrise auf dem Geldmarkt verschärft, die wiederum ... Die Finanzmarktkrisen (beginnend Mitte der 1960er Jahre mit den USA) mit ihren Kreditklemmen wurden tendenziell stärker und konnten von der realen Wachstumsschwäche in der neoliberalen Ära immer weniger gedämpft werden; in florierenden Wirtschaftsphasen setzt sich die Kreditnachfrage eben viel eher durch als in krisenhaften (Stiglitz 2009); deshalb erhält eine fiskalische Stabilisierungspolitik auch für die Auflösung der Kreditklemme Bedeutung (Gabriel et al. 2009, Yellen 2009). Ergänzende alternative Zahlungssysteme (Stichwort "Endogenität der Geldmenge") sind als Notmittel weit weniger effizient. So verschärft die Finanzkrise auch die Lage am Güter- und Arbeitsmarkt (Gabriel et al. 2009). Geld ist eben kein "Schleier über dem realen Sektor", der keine realen 12 Effekte habe, wie dies die Klassiker und im Wesentlichen auch die MonetaristInnen vertraten (Morgan 1978). Shiller (2009) sieht drei Übertragungskanäle der Krise des Finanzsektors auf den Realsektor: fallende Aktienkurse und Vermögenswerte, extreme psychologische Reaktionen auf das Platzen der Blasen und die Unfähigkeit der Hypothekarinstitute zum flexiblen Auffangen ("Akkomodieren") der Wertverluste. "Woher soll denn der Nachfrageschub kommen, den wir brauchen? Exporte werden uns nicht retten, weil die gesamte Welt am Boden liegt. Es sei denn, wir finden einen neuen Planeten, der uns unsere Waren abkauft. (...) Wir haben noch nie einen so rasanten Absturz erlebt, nicht einmal zu Zeiten der Großen Depression“ (Krugman, 14. 4. 2009, 10:28 MESZ, www.sueddeutsche.de/ finanzen/350/464944/text). ... ist nicht unwesentlich eine Spätfolge der restriktiven Wirtschaftspolitiken Bis in die 1990er Jahre hinein sowie in der einsetzenden Finanz- und Konjunkturkrise ab 2007 verhinderten die Zentralbanken mit ihren Politiken zu hoher Zinsen eine nachhaltig starke Entwicklung von Nachfrage und Produktion, Beschäftigung und Massenkaufkraft (Zeise 2008).21 Dasselbe bewirkten die Budgetausgleichbestrebungen der 1990er und frühen 2000er Jahre.22 Die auf beiderlei Art verursachten Probleme türmten sich auf, indem die verordnete Arbeitszeitverkürzung viel zu gering ausfiel und sich – ungleich verteilt – größtenteils in Arbeitslosigkeit Bahn brach.23 ... bewirkt eine generelle Abnahme, zudem eine massive Umverteilung der Lebensqualität Neben der Arbeitslosigkeit kam es zu Präkarität und Neuer Armut, Arbeitsverdichtung und Gesundheitsschäden, Sozialabbau und Verunsicherung, Vermögens- und Kaufkraftpolarisierung mit zum Teil extrem divergierenden Entwicklungen sowie internationalen Ungleichgewichten je nach relativer Kontraktivität bzw. Expansivität der nationalen Wirtschaftspolitiken.24 Schließlich konnte die geschwächte Realwirtschaft die Vermögensverluste auf den Finanzmärkten nach dem Platzen der Blasen immer weniger verkraften (Pollin 1997). ... ist neben der Globalisierung wegen des "Karaoke-Kapitalismus" weltweit verbreitet Karaoke-Kapitalismus (Ridderstrale/Nordström 2002) bedeutet neben dem Imitationsverhalten von Unternehmen in komplexen Lagen, dass sich die neoliberale Wirtschaftspolitik in USA (Reagan), Großbritannien (Thatcher) und Deutschland (Kohl) durch Imitation – mangels eigenen Zutrauens und mittels Propaganda des wirtschaftswissenschaftlichen Mainstream und der Finanz- und Wirtschaftslobbys – über 13 die Welt verbreitete. Schlagwort war: "Es gibt keine Alternative." Wir müssen also das gleiche machen wie die wirtschaftspolitischen VorreiterInnen.25 Die Folgen waren Privatisierung und Deregulierung, Sozialabbau und tendenzielle Überantwortung der sozialen Sicherheit den Märkten, Budgetkonsolidierung, Senkung der Staatsquote (Abgaben- und Ausgabenquote) sowie Kompetenzübertragung der Wirtschaftspolitik auf relativ unabhängige privatrechtliche Institutionen ("Privatisierung der Wirtschaftspolitik"). Alle setzten mangels eines neuen hype auf die Abmagerung des Staates und Aushöhlung wirtschaftspolitischer Kompetenz. Das schwächte die Schwachen, stärkte die Starken, und es schadete beiden (Bartel 2007).26 Sablowski (2008, http://www.linksnet.de/de/artikel/23911) leitet aus den sozialen Verschlechterungen "die Frage ab, inwieweit privatisierte Dienstleistungen im Bildungswesen, im Gesundheitswesen und in anderen Bereichen Anlagesphären für die erweiterte Reproduktion des Kapitals werden können. Die Arbeitsproduktivität in vielen dieser Bereiche zu steigern, dürfte schwierig sein. Deshalb müssten Profite aus diesen Bereichen vor allem durch Druck auf die Löhne, durch längere Arbeitszeiten und durch eine schlechtere Qualität der Dienstleistungen herausgepresst werden." ... wird durch die Verteilung ihrer Lasten verschärft Zumindest mittelfristig tragen gepfändete und wohnungslose Haushalte, beeinträchtigte Produktionsunternehmen, unzumutbar Wiederbeschäftigte27, Arbeitslose und ihr soziales Umfeld die Kosten der Krise. In der Krise verschlechtert sich der Gesundheitszustand und bleibt es eine Zeitlang nach der Krise (Friedman/Thomas 2009). Arbeitslose und working poor sind auf Sozialtransfers angewiesen, deren Bemessung durch die Befürchtung bestimmt wird, die SozialempfängerInnen würden alles tun, um freiwillig arbeitslos und bezugsberechtigt, arm und unterstützt zu bleiben. Langfristig setzt sich die Problematik fort, indem die staatlich geretteten Finanzinstitute keinen großen Anreiz zur Systemveränderung haben und erneut Hochrisikoverhalten an den Tag legen dürften, weil sie im Status quo die Folgen nur zum Teil selber tragen müssen ("moralisches Hazardieren"). Die Gewinne sind privatisiert, die Kosten werden sozialisiert (Sablowski 2008). Eine Folge all dessen ist wiederum das Sinken der Lohnquote insbesondere nach Krisen (Onaran 2009). ... ist durch die Bestrebungen zur Erhaltung der liberalen Wirtschaftsordnung wiederholbar Wieder kommt das Argument der ökonomischen (d. h. betriebswirtschaftlichen) Effizienz zum Einsatz, um das liberale System vieler Märkte zu erhalten. Unternehmerische Dispositionsfreiheit (Marktanpassungsfähigkeit), differenzierte, effiziente Finanzierungsleistungen für die Realwirtschaft und das Betriebsgeheimnis der jeweiligen Finanzprodukte werden dem Ruf nach einer effektiven Regulierung und Kontrolle der Finanzmärkte in allen ihren Hinsichten (Produkte, Prozesse, Players) entgegengesetzt. Und dies, obwohl die Schadensausmaße weder 14 der Finanzmarktstörungen noch ihrer realwirtschaftlichen Auswirkungen schon absehbar sind.28 Zudem scheut der Europäische Rat vor einer effektiven zentralen Kontrollinstanz zurück (Der Standard, 6. 4. 2009). Das negativ besetzte Schlagwort Bürokratie ist ein sehr gebräuchliches Killerargument gegen staatlich erbrachte Leistungen, ob Eigenproduktionen oder Versorgungs-, Preis- und Qualitätsgarantien: "Unter dem Vorwand überbordender Bürokratie wurde in den letzten Jahren versucht, die Aufsicht über die Märkte zu verringern. Besonders im Bereich von Banken und Versicherungen zeigt sich nun, wie gefährlich diese Entwicklung ist. Die Lösung kann nur eine mit entsprechenden Befugnissen, ausreichend MitarbeiterInnen und Budget ausgestattete Aufsichtsbehörde sein, die eigenständig Ermittlungen durchführen kann" (Karasek/Marterbauer 2009, p. 17). Dies gilt auch für die Wahrnehmung der Verantwortung im eigenen, staatlichen Produktionsbereich und betrifft letztlich auch die demokratische Legitimität (quasi die KonsumentInnensouveränität der WählerInnen): "Die Aushöhlung der Souveränität der Wählerinnen und Wähler kann auch schleichend durch PPP-Modelle und Auslagerungen in KEGs erfolgen. Beteiligen sich private Unternehmen an öffentlichen Unternehmen, kann es sein, dass die Interessen der privaten Inhaber die Interessen der öffentlichen Inhaber (WählerInnen) dominieren z.B. bei der Preisgestaltung. Dem ist durch klare Regelungen in den Verträgen (...) vorzubeugen" (Karasek/Marterbauer 2009, p. 17). Nicht zuletzt sind es Liberalisierungen des Welthandels, welche glänzend dargestellt werden, aber die krisenhafte Situation verschärfen. Denn mehr Wettbewerb bedeutet einen Verdrängungswettbewerb, der die Schwachen weiter schwächt oder vertreibt, so die Ungleichgewichte und makroökonomischen Störungen verstärkt, und zwar statt eines Wettbewerbs auf dem Weltmarkt, der sehr mit wirtschaftspolitischen Detailblick und Augenmaß derart reguliert ist, dass Märkte und Grenzen offen gehalten werden können. So ist Wettbewerbspolitik einer der heikelsten Bereiche, wo man mit dem Hammer der unbedingten Liberalisierung viel zerstören kann.29 An der Wurzel der Wissensproduktion und -verteilung, in der ökonomischen Wissenschaft, holt der neoklassische/neoliberale Mainstream zum Gegenschlag gegen seine kritischen KollegInnen aus, indem die Mainstream-Methodik stärker als bisher schon als Inbegriff der Wissenschaftlichkeit, Klugheit und Forschungsstärke angesehen und weniger abstrahierende, stärker praxisbezogene, induktivere Analysen als Faschingsscherz diffamiert und abgetan werden: "83 überwiegend ältere deutsche Wirtschaftswissenschaftler rechnen in einem Manifest mit der modernen VWL ab ('Rettet die Wirtschaftspolitik an den deutschen Universitäten', Anm.). Diese sei zu theoretisch und liefere keine praktisch verwertbaren Ergebnisse. Die Angegriffenen wehren sich: Die Kritik sei povinziell, von gestern und inhaltlich falsch. Deutsche Fakultäten könnten durch die Debatte im weltweiten Wettbewerb um die klügsten Köpfe des Fachs zurückfallen. (...) 'Ich habe herzlich gelacht, als ich ihn (den Aufruf der KritikerInnen; Anm.) gelesen habe', berichtet Harald Uhlig, Makroökonom an der University of Chicago. 'Er ist für eine Karnevalsveranstaltung gut geeignet, aber nicht ernst zu nehmen. Stanford-Professorin Monika Piazzesi, Mitherausgeberin des 'Journal of Political Economy', gesteht: 'Ich verstehe die 15 Debatte nicht.' So gebe es zum Beispiel an der Uni Frankfurt eine 'erstklassige Truppe von Makroökonomen, die alle sehr empirisch orientiert sind. Wie kann man da auf die Idee kommen, dass die VWL heute weltfremd sei?'(...) Möglicherweise untergräbt der Streit die Versuche von VWL-Fakultäten, junge, forschungsstarke deutsche Volkswirte aus dem Ausland anzuwerben" (Storbeck 2009, www.handelsblatt.com/ politik/nachrichten/deutsche-oekonomen-zerfleischen-sich;2262567). ... ist mit der neoliberalen Brille nicht in ihrer Tragweite zu erkennen Die volkswirtschaftliche Effizienz – beurteilt anhand der gesellschaftlichen Wohlfahrtswirkung von Stabilisierungs-, Umverteilungs- und Angebotsleistungen des Staates – mag gegenüber dem Teilaspekt der ökonomischen Effizienz bald wieder in den Hintergrund treten, wie schon die letzten 30 Jahre. Nach dem Motto, "es ist besser, nicht zu tun als etwas Falsches" (Gary Becker 2009, zit. n. Unterberger 2009), beharrt man weiter auf der Lösung der Arbeitsmarktproblematik durch sinkende Löhne und steigende Unternehmensstützungen, wartet man lieber auf das trickle down, das Runtertropfen des Reichtums von der Spitze zur Basis der Pyramide, als den Staat in seiner Verantwortung zu bestärken. Dies geschähe trotz des Umstands, dass Weiterentwicklungen auf der Basis keynesianischer oder kombinierter nachfrage- und angebotsorientierter Ansätze (New Neoclassical Synthesis) die Wirtschaftsentwicklung besser erklären als die die neoliberale Politik stützenden New Classical Macroeconomics, die keine Konjunkturkrisen kennen (van der Ploeg 2005). "Aus neoliberaler Sicht entsteht Arbeitslosigkeit durch fehlende Anreize, eine Beschäftigung zum herrschenden Lohnsatz anzunehmen. Alle Maßnahmen zielen darauf ab, es den Arbeitslosen so 'ungemütlich' wie möglich zu machen, um sie zur Aufnahme einer Beschäftigung zu bewegen. Dabei wird vernachlässigt, dass es zu wenige freie Stellen gibt. Die Situation gleicht dem Spiel aus Kindertagen ('Reise nach Jerusalem'), bei dem Kinder zu Musik um Sessel laufen und sich hinsetzen, sobald die Musik endet, dabei aber erkennen müssen, dass immer ein Sessel zu wenig vorhanden ist" (Karasek/Marterbauer 2009, p. 7). Immerhin entwickeln EZB, Federal Reserve System und IWF jeweils flexible dynamische Modelle allgemeinen Gleichgewichts, die zumindest neokeynesianische Charakteristika (Friktionsursachen) aufweisen (Galí 2005). Jedenfalls ist es (noch) nicht der (als veraltet zurückgewiesene) originäre Keynesianismus oder der radikalere Post-Keynsianismus, der seit den 1990er Jahren wieder zunehmend Anerkennung findet, sondern der dem Mainstream ungleich nähere und keineswegs unumstrittene Neokeynesianismus – daher kommt auch die Bezeichnung New Neoclassical Synthesis (zur alten Neoclassical Synthesis vgl. Morgan 1978). Die in der Zeit der ökonomischen Liberalisierung verbliebenen Regulierungs- und Stabilisierungsmaßnahmen des Staates werden für die Krise verantwortlich gemacht (gleichsam: gut gemeint als das Gegenteil von gut getan). Man warnt nach einer kurzen Schreckminute bereits vor populistischer Hinwendung zu kreislaufökonomischem Denken à la Keynes & Co und vor dementsprechend konsequentem wirtschaftspolitischem Handeln. Dabei gelangen die aus der neoliberalen Rhetorik taktisch bewährten Diskurse wieder zum Einsatz. 16 "Der Kaiser sollte entscheiden, welcher von beiden Sängern besser singt. Aber schon nach Anhören des ersten Sängers überreichte er dem zweiten den Preis – so schlecht sang der erste. Dadurch bekam der Herrscher gar nicht mit, dass der zweite Kandidat überhaupt nicht imstande war, auch nur einen Ton hervorzubringen" (Redner auf der Mont Pélerin Society 2009, zit. n. Unterberger 2009). Und: "Wenn ein Schwimmer mit gebundenen Armen und Beinen ins Becken geworfen wird und untergeht, ist das dann ein Schwimmfehler?" (Peter Boettke 2009, zit. n. Unterberger 2009). Schulmeister (2007, p. 74) hält dagegen: "Mit einer neoliberalen 'Brille' bzw. 'Weltanschauung' kann ich Krisenursachen, die systematisch von freien Märkten gesetzt werden, nicht wahrnehmen. Denn der 'Brillenschliff' impliziert, dass liberalisierte Märkte keine Krisen produzieren können." Gerade dieser Umstand hat Ökonomen wie John Maynard Keynes und Mathematiker wie Benoît Mandelbaum angereizt, eine Finanzmarkt- und Beschäftigungstheorie zu suchen, die zur krisenhaften Realität passt (Müller 2009).30 Daher sollten die Effektivitätsbedingungen von Stabilisierungspolitiken untersucht werden (Beetsma/Illing 2005).31 Doch härter gesottene Mainstreamers verwerfen die keynesianische Konjunkturpolitik pauschal mit dem Hinweis auf ihre Erfolglosigkeit während der Weltwirtschaftskrise des 20. Jahrhunderts. Zwar waren das New Deal Program in den USA und ähnliche Konjunkturprogramme in anderen Staaten die größten solchen Projekte bis dahin, doch ist zumindest nicht auszuschließen, dass sie für die Krisendimension noch zu gering dimensioniert waren (Ackerman 2008). Ähnliches gilt für die expansive Geldpolitik, ohne welche die noch zu hohen Zinsen noch höher wären (Yellen 2009). Andere Mainstreamers, die mit einem Umschwung in der Wirtschaftswissenschaft und -politik rechnen, werfen dem Staat in opportunistischer Weise mangelnde Regulierung und Kontrolle vor, nachdem – in neoliberaler Manier – alle als ernst zu nehmend bezeichneten Autoritäten wirtschaftliche Liberalisierung und Staatsrückzug gepredigt und gefordert hatten. Und die Dritten lavieren zwischen beiden Positionen herum, um sich nicht festzulegen (Kramer 2008), wie ebenfalls zu kritisieren ist (Bartel 2008). ... wird durch das "Schattenspiel" von der Inflationsgefahr und dem Beharren auf den restriktiven neoliberalen Politiken künftig wahrscheinlicher und gefährlicher Noch vor dem Tiefpunkt der Krise beginnt man nicht nur, Inflation wieder als Schreckgespenst an die Wand zu werfen (z. B. OÖ. Nachrichten, 10. 1. 2009, p. 11). Die vermeintliche Hauptsorge – Inflation selbst in der Konjunkturkrise oder als Folge entschlossener Krisenbekämpfung – lässt bereits viele wieder die expansive Geldpolitik statt des Regulierungsmangels als Krisenursache vorschieben (Corden 2009) und eine restriktive Geldpolitik einmahnen. Expansive Geldpolitik sollte vielmehr durch neue Rahmenbedingungen effektiver im Hinblick auf Finanzierung des auch durch Budgetdefizite stimulierten Realwachstums gemacht 17 werden. Es gilt nämlich unverzüglich, die Kreditklemme zu überwinden (D'Arista 2009) – was ohnedies unglaublich viel Zeit braucht (Yellen 2009) –, statt dass die zur Verfügung gestellte Liquidität in hoch spekulative Finanzanlagen mit überzogenen Erwartungen fließt. Die Positionen gegen hohe Budgetdefizite und eine steigende Staatsschuldenquote werden ebenfalls erneut eingenommen. Statt die öffentlichen Haushalte die Nachfragelücke möglichst rasch, sicher und vollkommen schließen zu lassen, wird die Zahlungsfähigkeit des besten Schuldners, des Staates, in Zweifel gezogen. Das Gespenst der Hyperinflation wird gezeichnet, nachdem man noch kurz vorher eine Deflation gefürchtet hat oder kurz danach wieder befürchten muss. ... ist eine Folge des Neoliberalismus, nicht des marktwirtschaftlichen Konzepts an sich Der Neoliberalismus ist ein wesentlicher intellektueller Abfall gegenüber dem Klassischen Ökonomischen Liberalismus und gegenüber dem System der Sozialen Marktwirtschaft (Rothschild 2005a). Sogar Adam Smith erkannte die soziale Problematik von Wettbewerbsmärkten und trat für die Ergänzung des Marktmechanismus durch Institutionen ohne Gewinnstreben ein (Sen 2009). Der Ordoliberalismus etwa eines Walter Eucken (1950) verlangt unter anderem eine Produktions- und Markt-"Verfassung", die Produkte, Märkte und AkteurInnen einer Wirtschaftsordnung zum geregelten Ablauf unterwirft.32 Selbst der CDU-Politiker Ludwig Erhard maß der Sozialen Marktwirtschaft eine starke Lohndynamik zum Zweck der Massenkaufkraftstärkung auch im Interesse der Unternehmen zu (Bofinger 2007).33 2. Die gegenwärtige politische Herausforderung ... ... verlangt nicht nach einer grundlegenden Systemveränderung Alternativen zur wirtschaftlichen Koordination auf und zwischen den Märkten (für Güter, Arbeit, Finanzierung, Währung) zeigen erhebliche Nachteile an ökonomischer Effizienz: radikale Tausch- statt Geldwirtschaft minimiert Transaktionen, Beschäftigung und Einkommen; Zinsverbot bringt die Finanzmärkte nicht vom Spekulations- zum Finanzierungsschwerpunkt zurück, im Gegenteil; privat emittiertes Geld versetzt in die Zeit vor dem Zentralbanksystem zurück, multipliziert die Komplexität des Währungssystems und verhindert geld- und währungspolitische Interventionen; zeitlich begrenztes Geld verunsichert und begeht denselben Fehler wie die Quantitätstheorie des Geldes, indem sie einer hohen Geldmenge Negatives zuschreibt. Wiewohl solche Alternativen zur örtlich und zeitlich begrenzten Substitution des konventionellen Marktsystems geschätzt werden und insofern als hilfreiche Systemergänzung dienen mögen, können solche alternativen Ansätze das entwickelte System nicht im Wesentlichen oder gar im Großen und Ganzen ersetzen.34 18 ... verlangt nach einer effektiven Beachtung der Funktionsbedingungen des Marktsystems "Märkte sind dafür geeignet, Produktionsmittel unterschiedlichen Verwendungszwecken zuzuführen. Wofür Märkte allerdings nicht geeignet sind, ist die gerechte Verteilung der Einkommen, Vermögen und Lebenschancen" (Karasek/Marterbauer 2009, p. 18). Dieses Marktversagen umfasst auch die Verteilung der Beschäftigung zur Einkommenserzielung und Lebensbestreitung. Nur eine angemessene Kombination und Koordination von Institutionen des Marktes, des Staates und des intermediären Bereichs (jenseits von Markt und Staat) kann die jeweiligen Leistungsfähigkeiten der marktmäßigen und der wirtschaftspolischen Koordination nutzbar machen.35 Dazu muss offen anerkannt werden, dass der Markt bzw. der Staat in bestimmten, jeweils arteigenen Aufgabenbereichen versagen muss: • einerseits der Markt o bei der Verwirklichung von Gemeinschaftsinteressen (in vielerlei Hinsicht von Vollbeschäftigung über Wettbewerbsfunktionsfähigkeit und Verteilungsgerechtigkeit bis hin zu Nachhaltigkeit), o auf dysfunktionalen Märkten, o unter wesentlicher Unsicherheit und o bei ökonomisch irrationalem oder außerökonomischem Verhalten; • andererseits der Staat bei der Bewältigung der einzelwirtschaftlichen Entscheidungsaufgaben bei unproblematischen Gütern auf funktionsfähigen Märkten. Konsequent darf es weder eine kategorische Abwertung von Markt und Staat als eine schädliche Institution geben, deren Einfluss zu minimieren wäre, noch darf es wegen Vorbehalten im Einzelfall Ablehnung zweckmäßiger wirtschaftspolitischer Maßnahmen geben (keine Angst vor der eigenen Courage). Das Denken in Alternativen muss wieder essenzieller Standard in Wissenschaft und Politik werden. Das Denken in staatlichen Konjunkturprogrammen ist notgedrungen wieder salonfähig geworden. Allerdings ist mit der jüngsten Entscheidung der G-20, dem Internationalen Währungsfonds bei der Krisenbekämpfung wesentlich verstärkt einzusetzen (Verdreifachung des Kreditpotenzials) angezeigt worden, dass der IWF, diese Hochburg des Neoliberalismus (auf der geistigen Basis des "Washington Consensus", der Grundauffassung der republikanischen USA von guter Wirtschaftspolitik), ausgebaut und der IWF-Einfluss gestärkt wird (Hailu 2009). 19 ... verlangt nach einer erneuten, sofortigen Realisierung der inzwischen wesentlich zurück gebauten Sozialen Marktwirtschaft Die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" verbreitet mit viel Budget (der deutschen Industrie) ein positives Bild von Sozialer Marktwirtschaft, das den sozialen Fortschritt eher als das Ergebnis der maximalen Anpassung der unselbstständig Beschäftigten an die vorgeblichen Sachzwänge des Marktes sieht (Speth 2004). Beschäftigung um jeden Preis ist aber nicht Garant für einen sozialen Erfolg der "Sozialen Marktwirtschaft". Das Wort "Sozial" darf nicht länger zum Feigenblatt einer schäbigen notdürftigen Absicherung vor dem beinharten Marktwettbewerb um Einkommen verkommen (Desai 1999).36 Dazu sind einige zentrale Punkte zu beachten: • Erstens ist eine Abkehr von Lohnminimierungspolitik und kurzsichtigem Kostensenkungswettbewerb um nahezu jeden Preis unabdingbar. • Zweitens ist der Arbeitsmarkt nicht als auktionsartiger, preisbestimmter Markt wie jeder andere zu behandeln, sondern als investitionsträchtiger Schlüsselbereich wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung. • Drittens sind dem individuellen Gewinn- und Nutzenmaximierungsstreben deutliche Grenzen zu setzen, wo dies zum gesellschaftlichen Nachteil gereicht ("negative Externalitäten").37 • Viertens sind Preiswettbewerb und Liberalisierung kein generelles Heilmittel und öffentliche Finanzen kein Ziel an sich, sondern Mittel zum wirtschaftlichen und sozialen Zweck. • Fünftens ist Umverteilung von oben nach unten nicht nur zum sozialen Ausgleich nötig, sondern auch zum wirtschaftlichen und sozialen upgrading.38 • Sechstens stellt sich die Frage nach dem Sinn der politischen Unabhängigkeit und mangelnden demokratischen Legitimation der Zentralbanken angesichts der von ihnen mit verschuldeten Krisen und sozialen Verluste. ... verlangt wirtschaftspolitische Reformen konsequent radikaler, aber nicht systemrevolutionärer Natur Da Kurieren von Symptomen ist in einer Krise kurzfristig notwendig, langfristig aber ineffizient, wenn nicht zugleich die systematischen Funktionsdefizite der Marktwirtschaft behoben werden. In diesem Sinn kann man Anleihe bei der Theorie rationaler Erwartungen der Neoliberalen nehmen, obwohl ihr Schluss, Stabilisierungspolitik sei unwirksam, zu verwerfen ist (Sinn 1984): Ein Fehler sollte ausgewertet, seine Wiederholung vermieden werden. Das erfordert eine radikale, d. h. an der Wurzel des Problems ansetzende Veränderungen der Wirtschaftspolitik. "(...) ist eine Rückkehr zum Status quo unmöglich. Wir müssen mit rücksichtsloser Spekulation und Ausgaben, die über unsere Mittel gehen, ein Ende machen, sowie mit faulen Krediten, mit überschuldeten Banken und fehlender Aufsicht, denn dies verdammt uns zu Finanzblasen, die unausweichlich platzen. Einzig koordinierte internationale Maßnahmen können das Eingehen unverantwortlicher Risiken verhindern, das diese Krise verursacht hat. (...)Gemeinsam können wir die Lehren aus die20 ser Krise ziehen und anhaltenden und sicheren Wohlstand für das 21. Jahrhundert schaffen." (Obama 2009). Hingegen wäre eine Abkehr vom Marktsystem und der politischen Verantwortung für sein bestmögliches Funktionieren zum ersten mit zu großen Einbußen an ökonomischer Effizienz und persönlichen Freiheiten und zum zweiten mit sehr ungewissen Ausgängen für die allgemeine Wohlfahrt verbunden. "(...) weiß ich, dass wir nicht zwischen einem chaotischen und erbarmungslosen Kapitalismus und einer repressiven staatlich gelenkten Wirtschaft entscheiden müssen. Das wäre eine falsche Wahl, die weder unserem, noch irgendeinem Volk diente" (Obama 2009). ... verlangt ein solidarisches Wirtschaftssystem In einer Marktwirtschaft ist Wirtschaften auf dem Markt von Wirtschaftspolitik gegenüber dem Markt nicht sinnvoll zu trennen. Solidarität bedeutet die Rücksichtnahme auf die Unterlegenen – im Interesse nicht nur der Schwächeren (sozial im Sinn von karitativ und gerecht), sondern zum Wohl aller (sozial im Sinn von gesamtwirtschaftlich und -gesellschaftlich). Solidarisches Wirtschaften bedeutet aus dieser Sicht eine institutionalisierte Kooperation zwischen Markt und Staat, die ihrem Anspruch auf Systemverbesserung – als systematische Vermeidung von wechselseitigen Funktionsdefiziten – auch gerecht werden kann. ... verlangt ein realistisches Menschen-, Wirtschafts- und Staatsbild sowie eine dementsprechende Politik und Kontrolle In einer grundsätzlich liberalen, individualistisch orientierten Gesellschaft ist Eigennutzmaximierung einerseits legitim, weit verbreitet und oft Effizienz fördernd, andererseits in zum allgemeinen Vorteil korrekturbedürftig.39 Den Umstand des Egoismus, betreffend Individuen und Gruppen, gilt es insofern zu akzeptieren, als das Abstützen auf sozialethische Verhaltensnormen zu auf schwachem Fundament steht (Dilnot 2009) und ethische Appelle in ihrer Wirksamkeit meist eng begrenzt sind. Gerade die wirtschaftsliberale These, der Mensch diene den Mitmenschen bestens im Weg der Marktbeziehungen und sei obendrein als Gesellschaftswesen zur Kooperation bereit, bereitet den Boden für wirtschaftliche Liberalisierung (Akerloff/Shiller 2009). Dagegen ist solche Kooperation auf Kleingruppen beschränkt und kann Gemeinschaftsinteressen von Großgruppen relativ schwer und der Allgemeinheit fast gar nicht realisieren (Bartel et al. 2006). Solidarität zwischen Individuen und Gruppen auf dieser Ebene ist eben nicht stark genug. Daher stellen sich Vollbeschäftigung, Nachhaltigkeit, Verteilungsgerechtigkeit und dergleichen auf Grund des Marktmechanismus nicht ein. Das begründet die Pflicht zu wirtschaftspolitischer Regulierung des Wirtschaftsablaufs und Intervention in den Wirtschaftsablauf. 21 "Für jene Dienstleistungen, die bereits vollständig oder teilweise liberalisiert wurden (Telekommunikation, Strom, Gas, Eisenbahnen) gilt es, die Aufsicht zu straffen und die europäische Koordination zu vertiefen. Demokratisch kontrollierte Regulierungsbehörden müssen sicherstellen, dass die privaten Unternehmen ihrem öffentlichen Auftrag nachkommen. Gelingt dies nicht, so halten wir eine Rückführung in öffentliches Eigentum für gerechtfertigt" (Karasek/Marterbauer 2009, p. 11). Dazu kommt, dass typisch menschliches Verhalten, wesentlich mit geprägt durch menschliche Schwächen und ökonomische Irrationalitäten gemessen am Modellbild des Homo oeconomicus, die Märkte ineffizient machen im Vergleich zu den Ansprüchen, die viele liberalen ÖkonomInnen auf der Basis ihrer Modelle an den Markt stellen (Akerlof/Shiller 2009a). Den effizienten und freien Markt gibt es in der Realität nicht und wird ihn kaum geben, vor allem wenn man davon ausgeht, dass der Finanzmarkt den Nimbus des effizienten Marktes mit rationalen TeilnehmerInnen inzwischen verloren haben dürfte.40 Individuelle Unzulänglichkeiten und Marktprobleme sind kollektiv (am effektivsten wohl staatlich) zu korrigieren. Der neue, realistische Blick begründete die Behavioural Finance, die Wissenschaft vom Finanzmarkt als einer von menschlichen Schwächen in ihren Ergebnissen wesentlich bestimmten Institution. Darauf haben der wirtschaftswissenschaftliche und -politische Mainstream (bewusst?) nicht geachtet. Durch Anerkennung systematischen Entscheidungsversagens in Bezug auf Risiken erhält unabhängige, effektive Kontrolle – abseits von Marktanreizen – einen entscheidenden Stellenwert (Shiller 2009).41 Nicht zuletzt ist die jetzige Krise eine solche, die durch Kontrollversagen zwar nicht verursacht, sehr wohl aber nicht verhindert wurde. ... verlangt eine Orientierung an den Aufgaben der funktionellen öffentlichen Finanzwirtschaft Ohne wirksame Wirtschaftspolitik gibt es kein optimales Zusammenwirken zwischen den Institutionen des Marktes und des Staates, die einender ergebnisorientiert ergänzen sollen. Konsequent hat der Staat seine Kompetenz primär im Hinblick auf die öffentlichen Güter wahrzunehmen (Bartel et al. 2006): • Allokation, d. h. Wirtschaftsordnung (inklusive Produktion und Markt, Währung und Finanzen, Soziales und Umwelt), Gemeinwirtschaft im Allgemeinen und Daseinsvorsorge im Speziellen42 • Stabilisierung, und zwar der Beschäftigung (auf einem möglichst ehrgeizig definierten Vollbeschäftigungsniveau), der Inflation (auf einem niedrigen positiven Level) sowie eines strukturell möglichst ausgeglichenen Leistungsbilanzsaldos "Konjunkturstimuluspaketen steht Rogoff skeptisch gegenüber – 'aber die Unsicherheit ist so groß, dass ich diese Programme trotzdem unterstütze. Es ist der falsche Zeitpunkt, sich zur Wehr zu setzen'" (Kenneth Rogoff im Interview in derStandard.at, 20. 1. 2009, 09:06 MEZ). 22 • Umverteilung von Einkommen und Vermögen nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auf der Abgabenseite (Karasek/Marterbauer 2009) und dem Grundsatz der (gesellschaftlich definierten) Bedarfsgerechtigkeit auf der Leistungsseite "Der 'Staat' wird mehr gefordert sein, als manchen blauäugigen Jüngern des reinen Marktes lieb ist" (Kramer 2008, S. I). ... verlangt die Lösung der Verteilungsproblematik zwecks Sicherung der Nachhaltigkeit dynamischer Wirtschaftsentwicklung Abgesehen vom Gerechtigkeitsaspekt der Verteilung beeinflusst sie die Konsumnachfrage wesentlich mit. Eine stärker ausgewogene Verteilung als die auf Grund der Marktkräfte (Marktmächte) leistet einen Stabilisierungsbeitrag zur Nachfragedynamik, indem sie weniger von der relativ flatterhaften Investitionsnachfrage wie von der relativ protektionismusanfälligen Exportnachfrage abhängig macht. Außenwirtschaftlicher Protektionismus ist dann gerechtfertigt, wenn Fairness in der internationalen Wettbewerbssituation herzustellen ist43 und dadurch die Märkte für den allgemeinen Wettbewerb leicht offen bleiben können (contestable markets, "bestreitbare Märkte"). Außenwirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit von Wirtschaftszweigen setzt deshalb oft Protektionismus zu ihrem Aufbau voraus (Rothschild 1997), auch und gerade entgegen den Direktiven von IWF und Weltbank (Ackerman 2008). Eine am sozialen Ausgleich orientierte Verteilung hält sowohl die Globalisierung als auch das allgemeine Wachstum wirtschaftlich und sozial aufrecht. Deshalb ist der 30-jährige Trend des Rückgangs der Lohnquote umzukehren – aus Effektivitätsgründen gerade in der Krise. Mit zusätzlichen Investitionen ist in der Rezession insgesamt nicht zu rechnen, außerdem ist die Investitionsneigung aus Vermögens- und Besitzeinkommen vergleichsweise sehr gering. Zusätzlich zu einer Ausgewogenheit bei den Bemessungsgrundlagen ist einem progressiven Steuertarif Bedeutung zuzumessen, weil ein solcher die automatische Stabilisierung der Konjunktur verstärkt, aber keine Beeinträchtigung des langfristigen Wachstums zeigt. Allerdings wird eine progressive Tarifgestaltung durch die ungeregelte, hohe internationale Mobilität des Finanzkapitals beeinträchtigt (Weller/Rao 2008; siehe relativierend dazu Ackerman 2008 weiter unten). ... verlangt zunächst eine Regulierung des internationalen Kapitalverkehrs als Gegenbewegung zur Verteilungspolarisierung Allein wenn Finanzkapital, Sachkapital (direkte Auslandsinvestitionen) und Arbeitskraft international einigermaßen gleich mobil sind, kommt es auf Grund dieser Art von Fairness zu keinen wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen durch Globalisierung. Wird es als unrealistisch betrachtet, auf absehbare Zeit die Arbeitskräfte ähnlich mobil zu machen, wie es das Kapital ist, muss zunächst die Kapitalmobilität derart herabgesetzt werden, dass Finanzkapital langsam genug ist, um generell von der Wirtschaftspolitik wirksam erfasst und speziell einer als fair angemessenen 23 Besteuerung zugeführt werden zu können. Denn gerade der Finanzbereich ist, unterstützt von kapitalfreundlicher Besteuerung, ein besonders dynamischer Bereich der Verteilungspolarisierung Umgekehrt wirkt Umverteilungspolitik beruhigend auf die Finanzmärkte und allgemeine Wirtschaftsentwicklung ein (Pollin 1997). Einfach gesprochen: Die Hasardeure, die es sich leisten können, im großen Stil zu spekulieren, werden weniger; das Sparen mit einem realwirtschaftlichen Ziel wird prominenter. ... verlangt ergänzend eine internationale Koordination der Steuerpolitiken als Gegenbewegung zur Verteilungspolarisierung Aus Interesse der Staatengemeinschaft (nicht unbedingt einzelner "Freifahrer", "Schwarzfahrer", "Trittbrettfahrer" unter ihnen) ist eine möglichst enge Koordination der Steuerpolitik anzustreben. Ziel muss es sein, dass das "Preis-/LeistungsVerhältnis" in jedem Steuerhoheitsgebiet in etwa gleich sein muss. Einem niedrigen (hohen) Steuerniveau muss fairer Weise ein entsprechend niedriges (hohes) Niveau staatliches Leistungsquantität und -qualität gegenüberstehen. Das ist nur zu gewährleisten, wenn Staaten, die auf Steuer- und Sozialabgaben-Senkung setzen, keine Beihilfen von anderen Staaten kriegen, die im Steuersenkungswettbewerb nicht mithalten, sondern auf ihrer Leistungsseite punkten wollen und angemessener Abgabeneinnahmen bedürfen. Noch nicht dadurch gelöst wird das Problem der Briefkastenfirmen in den auf sie spezialisierten und von ihrem intransparenten Finanzsystem lebenden kleinen Ländern, den "Steueroasen". Steuern sollten dort eingehoben werden, wo die Entstehung des geschäftlichen Erfolges stattfindet, statt dass Vermögen verschoben und der Kontrolle und Besteuerung entzogen wird.44 ... verlangt zwecks Konsumstärkung global höhere Masseneinkommen statt (nicht nur, aber besonders für die USA) höherer Kreditfinanzierung Es sollen unter dem gesellschaftlichen Aspekt nicht immer die Rüstungsausgaben sein, die als Staatsnachfrage für eine dynamische Ausgabenentwicklung sorgen. Gerade in Zusammenwirken zum einen mit einer Konsum anregenden Arbeitszeitverkürzung und zum anderen mit einem Aufholen des Konsumniveaus zur Mittelschicht wird eine Stärkung der Masseneinkommen eine solide Basis für ein auch nachfrageseitig getragenes Wachstum auch über längere Frist bilden. Dafür ist es nötig, die Abneigung gegenüber Staatskonsum (in erster Linie Gehälter für die Erbringung staatlicher Leistungen für Wirtschaft und Gesellschaft) und gegenüber Sozialausgaben als vermeintlich oder vorgeblich "unproduktiv" zu überwinden. Konsum begünstigt Investitionsentscheidungen sowie Importe zum Abbau der Leistungsbilanzüberschüsse entwickelter Staaten (mit Ausnahme der USA). Gerade in der Krise ist eine wesentliche Erhöhung der Lohnersatzrate bei der Arbeitslosenunterstützung und Notstandshilfe sozial und konjunkturpolitisch nötig. 24 ... verlangt, dass soziale Sicherheit und nachfrageseitiges Wachstum den Risiken der Finanzmärkte möglichst entzogen sein soll Es darf nicht zuletzt nicht übersehen werden, dass die Überantwortung der Altersvorsorge an die Finanzmärkte (tendenzielle Umstellung vom Umlage- auf das Kapitaldeckungs-Verfahren) ein enormes Risiko für den Konsum der PensionistInnen darstellt (Karasek/Marterbauer 2009). Aus diesem Grund ist die steuerliche Begünstigung privater Altersvorsorge zu beenden und sind ausreichend Ressourcen für die Finanzierung des risikolosen Umlageverfahrens bereitzustellen (Aufhebung der regressiv wirkenden Höchstbeitragsgrundlage und Einbeziehung aller Produktionsfaktoren in die Beitragspflicht zur Sozialversicherung sowie ggf. Bereitstellung allgemeiner Steuermittel als nachfrageseitigen Beitrag auch zum längerfristigen Wachstum).45 Freilich ist die Erhaltung der Pflichtversicherung statt der Einführung einer Versicherungspflicht solidarischer und Kaufkraft stärkender. Analoges gilt für die übrigen Sozialversicherungsbereiche. Es gibt sehr wohl Bereiche, in denen die ökonomische Effizienz nicht den Ausschlag gibt, sondern die Vermeidung gesamtwirtschaftlicher Megaschäden Priorität erhält.46 Zu diesen Bereichen zählt der Finanzmarkt. ... verlangt die Beendigung der Illusion von der "wunderbaren Vermögensvermehrung" auf den Finanzmärkten als der Voraussetzung vielen Übels Zwischen dem Finanzmarkt und der Realwirtschaft besteht ein grundlegender Zusammenhang. Längerfristig ergibt sich zusätzliches Finanzvermögen (im "Raumschiff Erde") allein durch produzierten Mehrwert, nämlich als Einkommen, das nur durch Produktion entstehen kann und dann gespart (d. h. nicht konsumiert) wird. Diese Ersparnis gleicht der Investition (d. h. Sachvermögenserhöhung, weil im Finanzbereich die zusätzlichen Forderungen in einem geschlossenen System den zusätzlichen Verbindlichkeiten gleich sein müssen). Stephan Schulmeister (2008) nennt diesen Umstand "ANWN-Gesetz": "aus nix wird nix". Kurz- bis mittelfristig kann es zu Höherbewertungen des Finanzvermögens kommen. Doch das Aufklaffen einer Schere zwischen Vermögenswert einerseits und Einkommenswert, einkommensabhängiger Ersparnis und Investition andererseits bedeutet ein Abweichen der Finanzmarktwerte von ihren realwirtschaftlichen Grundlagen ("fundamentals"), also das Entstehen von "Luftschlössern", so genannten Blasen. Früher oder später – aber notwendiger Weise – brechen diese aufgeblähten Finanzvermögen mangels Fundierung zusammen ("Platzen der Blasen"). Das hat jedes Mal negative Konsequenzen für Produktion und Einkommen (Crotty/Epstein 2008), Beschäftigung (Barlevy 2002) und Gesundheit (Friedman/Duncan 2009) – für Beschäftigung und Gesundheit auch über die Krise und den Kreis der Arbeitslosen (Fletcher 2009) hinaus. Diese "makroökonomischen Externalitäten" (Auswirkungen des Finanzmarktverhaltens auf die reale Wirtschaft) gilt es, durch Regulierung der Finanzmärkte hintan zu halten. 25 Längerfristig kann es auf dem Finanzmarkt, der die Güterproduktion finanzieren soll, keine höheren Renditen (Kapitalverzinszungen) geben als in der Realwirtschaft. Der Finanzmarkt kann auf die Dauer nicht profitabler sein als der ihm zu Grunde liegende Gütermarkt (Dilnot 2009).47 Deshalb soll der Finanzmarkt möglichst in den Grenzen gehalten werden, innerhalb derer es um die Finanzierung realwirtschaftlicher Transaktionen (primär Produktion, sekundär Konsum) oder um deren Risikoabsicherung (hedging) geht, also um die Tätigkeit die Tätigkeit als klassische Geschäftsbank, nicht als Vermögenshandelshaus (investment banking). Wie sehr die Finanzierungsfunktion leidet, zeigt, dass die stärksten Beeinträchtigungen realer Investitionen durch eine Kreditklemme bei Banken auftreten, die auf die Betreuung von kleineren Unternehmen (die Mehrzahl der Firmen) spezialisiert sind und eine geringe Eigenkapitalquote aufweisen (Bruno 2009). ... verlangt die breit gestreute Einsicht, dass insgesamt außergewöhnliche Vermögensgewinne auf dem Finanzmarkt im Vergleich zum Gütermarkt nur durch marktmäßige Umverteilung zwischen den FinanzmarktteilnehmerInnen zu machen sind Dass Wettbewerbsmärkte GewinnerInnen und VerliererInnen zeitigen, ist klar und (unbeschadet späterer Korrekturwünsche) grundsätzlich zu akzeptieren, falls Fairness den Wettbewerb kennzeichnet und die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs erhalten bleibt (keine Monopolisierungstendenz, kein Kampf um den Markt statt Wettbewerb auf dem Markt). Doch strukturelle Informations- und Machtunterschiede charakterisieren besonders den komplexen, heterogenen Finanzmarkt und liefern die Benachteiligten den Bevorzugten gleichsam aus. Die geschilderten Umstände (fundamentals, Blasen, Asymmetrien) erlauben und bringen vor allem Pyramidenspiele (so genannte Ponzi-Konzepte à la Bernard L. Madoff) hervor, wo die Vermögensmehrung der GewinnerInnen durch die Finanzinvestition der schlecht informierten FinanzinvestorInnen finanziert wird. Folglich geht es um eine wesentlich verbesserte ökonomische Bildung sowohl der Allgemeinheit als auch der FinanzberaterInnen sowie eine effektive Kontrolle der Qualifikationsstandards und Geschäftspraktiken in der Vermögensbranche. ... verlangt eine flächendeckende, effektive Regulierung aller Finanzmärkte Mit der dynamischen, komplexen und krisengeschüttelten Entwicklung der Finanzmärkte bis hin zur finanziell verursachten neuen Weltwirtschaftskrise verliert das Argument, die ökonomische Effizienz der Märkte spreche gegen Regulierung, doppelt an Gewicht. Die Praxis- (Pollin 1997) wie auch die Theorieentwicklung – Financial Instability Hypothesis (Keynes 1936, Minsky z. B. 1992), Behavioral Finance (Sewell 2007/2008) – veranschaulicht zum einen die abnehmende Relevanz der Modellierung des liberalen Finanzsektors als effizienten Markttyp (Palley 2009a), zum anderen das Überhandnehmen negativer makroökonomischer Auswirkungen auf Dritte ("Externalitäten", z. B. "Wir zahlen nicht für eure Krise!") vor effizienten Finanzierungsergebnissen (Ackerman 2008).48 26 Beides – Instabilität durch hedging, Spekulation und Ponzi-Finanzierung im fließenden Übergangsbereich zwischen Gier und Kriminalität inhärent in den Funktionsprinzipien sowie mitunter gigantisch erhöhte soziale Kosten – verlangt eine Regulierung der diversen Finanzmärkte zur Gewährleistung ihrer Funktionalität und realwirtschaftlichen Nützlichkeit. Insofern erlangt die Effektivität einer Finanzmarktregulierung im Interesse der Volkswirtschaft zunehmend Bedeutung gegenüber ihrer ökonomischen (betriebswirtschaftlichen) Effizienz. Angesichts eines individuell Nutzen maximierenden Ausweichverhaltens vor einer Regulierung ist eine allumfassende Regulierung der Finanzmärkte sowohl ein Gebot der wirtschaftspolitischen Effektivität als auch der (allokativen) Effizienz (Hintanhaltung von Strukturverzerrungen zwischen den Teilmärkten). Gerade die als hoch rentabel viel gepriesenen, faktisch unregulierten private equity funds (nicht öffentlich über die Börse gehandelte Unternehmensbeteiligungen durch institutionelle Investoren) zeigen bei sorgfältiger Analyse nicht die vermeintlich überhöhte Kapitalrentabilität (Phalippou/ Gottschalg 2009). Massa und Patgiri (2009) erhalten empirisch zwar eine höhere Rentabilität von mutual funds, aber auch ein nach oben verzerrtes Risikoverhalten und eine reduzierte Überlebenswahrscheinlichkeit des Anlagefonds. Es ist hoch an der Zeit, die regulatorischen Unterlassungs- und Begehungsfehler auszumerzen, nämlich die Nichtregulierung der "innovativen" Finanzmarktbereiche (v. a. hedge funds, private equity funds und special investment vehicles sowie Rating-Agenturen) zu beenden, die schlechte Regulierung (ineffektiv, national zersplittert oder international ineffektiv durch die Branche selbst reguliert wie die Basler Akkorde) zu verbessern (Crotty/Epstein 2008), die Deregulierung (vor allem der 1990er Jahre im Rahmen des GATS-Vertragsrahmens der WTO) umzukehren und eine stabile Weltfinanz- und Währungsordnung nach dem Beispiel von Bretton Woods zu errichten (Köhler 2009).49 "Und wenn wir weiterhin zulassen, dass Finanzinstitutionen überall auf der Welt rücksichts- und verantwortungslos handeln, bleiben wir im Kreislauf von Finanzblasen und deren Zerplatzen gefangen" (Obama 2009).50 Selbst wenn Finanzmarktregulierung nicht global vorgenommen wird, können Wirtschaftsmächte wie USA und EU gefahrlos maßgebliche Standards setzen (wie jüngst die erfolgreichen Auskunftsbegehren an Banken anderer Staaten über die Vermögensverhältnisse der eigenen Steuerpflichtigen beispielhaft zeigen). Zudem wird es wohl kaum von Nachteil sein, wenn hoch spekulatives Kapital draußen bleibt und längerfristig stabile Verzinsung suchendes Kapital dafür angezogen wird. Außerdem zeigt die Umweltregulierung, dass das große Fluchtverhalten in "Verschmutzungsoasen" ("pollution havens", analog: "deregulation havens") nicht wesentlich zu beobachten ist (Ackerman 2008). ... verlangt ein Genehmigungsverfahren für Finanzprodukte wie für andere potenziell gefährliche Güter Wie andere Produktionen und Güter mit potenzieller Gefährlichkeit für ProduzentInnen und/oder KonsumentInnen und/oder Dritte (vgl. dazu etwa Umweltverträglichkeitsprüfungen und Kernkraftverbot) sind Finanzprodukte und -verfahren durch Vorschriften hoheitlich zu regulieren. Insbesondere gilt das dort, wo das Schadenersatzrecht schwach entwickelt ist oder verursachte Schäden für eine Gutmachung viel zu 27 groß sind. Aus Gründen der Effektivität hat das Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt Vorrang vor dem Erlaubnisprinzip mit Verbotsvorbehalt zu haben. Einwände auf Grund der Befürchtungen, es würden dabei Betriebsgeheimnisse verraten, erscheinen als vorgeschobene Argumente und sind entweder durch Amtsverschwiegenheit oder Patentierungen zu zerstreuen oder haben Nachrang gegenüber der Schutzwürdigkeit der Gesellschaft. Außerdem herrschen im traditionellen Kreditgeschäft der Banken – zwar eingeschränkt durch Produktdifferenzierung – monopolistischer Wettbewerb (Bofinger 2007), ohne aber die genannten Befürchtungen im Wesentlichen zu rechtfertigen. ... verlangt Transparenz der Produkte und Vergleichbarkeit der Angebotspalette Im Interesse der Aufhellung undurchsichtiger Geschäfte im Vermögenshandelsbereich kann eine verordnete Standardisierung der Produkte oder zumindest befriedigende Vergleichbarkeit anhand wichtiger Produktkriterien die nötige Transparenz schaffen und dadurch destabilisierende Spekulationen möglichst vermeiden, die von Informationsasymmetrien am Markt und Obskurität der Produkte abhängen. Warum sollen Banken für bewusst schlechte Beratungsleistungen, die auf Informationsgefällen basieren, nicht haften müssen? "All unsere Finanzinstitutionen - an der Wall Street und rund um den Globus - brauchen strenge Aufsicht und vernünftige Regeln. Alle Märkte sollten Stabilitätsstandards und Mechanismen zur Offenlegung haben" (Obama 2009). Warum sollen Hypothekarprodukte kein kontinuierliches und konsumentInnenenfreundliches Risikomanagement vorsehen können und müssen (Shiller 2009 und EU-Richtlinienplan der EU, Der Standard, 20. 4. 2009)? Selbst das Konkursrecht kann und soll konsumentInnenfreundlicher ausgestaltet werden (Shiller 2009). Die Finanzmärkte müssen insgesamt transparenter gemacht werden, sollen sie sich einer effektiven Regulierung nicht entziehen können. Demokratische Entscheidungen müssen auch in wirtschaftspolitischen Maßnahmen und Erfolgen zum Ausdruck kommen.51 ... verlangt Vermögenstransaktionsbesteuerung zwischen Prophylaxe und Schadensminderung Die Problematik des Kapitalverkehrs liegt in dessen relativ hoher Geschwindigkeit (potenzielle Flüchtigkeit) und Kostengünstigkeit (niedrige Transaktionskosten). Eine künstliche Transaktionskostenerhöhung durch Besteuerung von (Finanz-) Transaktionen jeglicher Art kann schon bei einem vergleichsweise sehr geringen Steuersatz hohe Wirksamkeit in der einen oder anderen Hinsicht entfalten. Entweder es gelingt durch das Wegsteuern der geringen Zinsdifferenzen und Ver28 mögenshandelsgewinne (beides sind "Arbitragegewinne"), die Märkte zu beruhigen und dadurch auch ein wenig die Basis für größere Marktveränderungen und Spekulationen zu schmälern, oder die vom geringen Steuersatz unbeeindruckten Kapitalbewegungen finden in einem Ausmaß statt, das ein hohes Transaktionssteueraufkommen beschert. Dieses kann als Finanzierung für die Bekämpfung der durch den Finanzmarkt verursachten realwirtschaftlichen Schäden dienen (Bartel 2002). Mit Produktionsleistungen unmittelbar verbundene Transaktionen (innerhalb der Wertschöpfungskette) werden dadurch nicht wesentlich verteuert – und allzu lange Wertschöpfungsketten mögen entweder auf unnotwendige Spekulation oder auf ungewöhnlich hohe soziale Kosten (Nutzenminderung durch transportbedingte Umweltschädigung) hindeuten. ... verlangt die aktive Betonung der unmittelbaren Kreditgewährungsfunktion der Finanzinstitute Eine Schwerpunktverlagerung von der Spekulations- zur Finanzierungsfunktion würde die Krisenhaftigkeit des Finanzmarktsystems herabsetzen (Pollin 1995). Dazu denken und handeln die dafür in Frage kommenden Finanzinstitute, in der Regel Universalbanken, zu betriebswirtschaftlich und zu wenig volkswirtschaftlich. Der Vermögenshandel neigt nicht unwesentlich zu destabilisierenden Spekulationen. Um das Geschäftsbankensystem gegenüber dem Vermögenshandelssystem zu fördern, ist es denkbar, Mindestreserveverpflichtungen neben oder gar statt auf Bankeinlagen vielmehr auf die Haltung von Vermögenstiteln – insbesondere Finanzderivate – zu verfügen, die keine unmittelbaren Kredite darstellen (D'Arista 2009). Obendrein könnte eine bestimmte Relation zwischen den gesamten Aktiva und den unmittelbaren Kreditformen (Kontokredite, Wechsel- und Lombardkredite, Anleihen) vorgegeben werden, analog zu den Mindestreservevorschriften. ... verlangt Gewährleistung der Geld- und Kreditversorgung auch in Krisen Gerade in Finanz- und Wirtschaftskrisen – unter dem Schock der Forderungsausfälle, Solvenzprobleme und Finanzierungsunsicherheit – hat die Wirksamkeit der Geldpolitik im Hinblick auf die Liquiditätsversorgung der Wirtschaft aufrechterhalten zu werden. Einer Kreditklemme (credit crunch) muss mit allen erforderlichen Mitteln vorgekehrt werden. Expansive Maßnahmen der Zentralbanken, wie Ausdehnung des Zentralbankgeldumlaufs, Erhöhung der Refinanzierungskontingente und Senkung der Refinanzierungszinssätze für die "monetären Finanzinstitute", müssen zuverlässig zu entsprechenden (multiplikativen) Ausdehnungen der Geldmenge (M1) führen. Seit Jänner 2009 setzt das US-Zentralbanksystem immerhin neuartige Instrumente mit höherer Effektivität ein (Gabriel et al. 2009), die sich auch direkt auf Finanzinstitutionen richten, die vom Kreditmarkt ausgetrocknet werden (Yellen 2009). Dabei entsteht allerdings bei kostenloser Entsorgung fauler Papiere der Banken durch den Staat ein Problem (siehe unten). Verwendungsauflagen für das den Kreditinstituten zusätzlich und vergünstigt zur Verfügung gestellte Zentralbankgeld können ansonsten für eine effiziente ("anreizkompatible") Liquiditätszufuhr sorgen. 29 Stiglitz (2009) weist auf das Problem hin, dass bei Kursverfall der Aktiva der Finanzinstitute die staatlich dort injizierten Finanzmittel wie in einem Loch ohne Boden verschwinden können. Denn durch de-leveraging zuvor extrem hoher leverage-Niveaus wird die staatliche Liquiditätszufuhr multiplikativ verkleinert wird.52 Daraus kann gefolgert werden, wie wichtig der staatliche Einfluss auf die Geschäftsstrategie der Finanzinstitute ist bzw. wäre – was bei den Rettungsmaßnahmen jedenfalls mit zu berücksichtigen ist. "(...) müssen wir das Kreditwesen wiederherstellen, auf das Unternehmen und Konsumenten angewiesen sind. Daheim arbeiten wir offensiv an der Stabilisierung unseres Finanzsystems. Dazu zählt eine ehrliche Bewertung der Bilanzen unserer großen Banken, was unmittelbar zu Krediten führen wird, die den Amerikanern helfen können, Güter zu erwerben, in ihren Häusern zu bleiben und ihre Unternehmen zum Erfolg zu führen" (Obama 2009). Im Hinblick darauf ist das Geschäftsbankensystem ggf. wie ein dezentrales Filialnetz der Zentralbanken anzusehen und notfalls mit den entsprechenden Direktiven, gestützt durch Haftungsgarantien der Zentralbank, zu steuern. Die Branchenselbstregulierung durch die "Basler Akkorde" (I und II) brachte u. a. die Norm einer erhöhten Eigenkapitalunterlegung der Aktiva mit sich (Barazon 2007). Im Interesse einer wirksamen Konjunkturstabilisierung sollen die Eigenkapitaluntergrenzen in der konjunkturellen Hitzephase erhöht und in der Kältephase gesenkt werden (Crotty/Epstein 2008). ... verlangt die Erwägung sämtlicher, auch denkunmöglich erscheinender Rettungsalternativen, sogar der Verstaatlichung zu schwacher Finanzinstitute Stiglitz geht sogar so weit vorzuschlagen, dass – wie in Schweden und anderen (konservativen) Ländern – die Banken, die illiquide werden, verstaatlicht werden sollen, um die volkswirtschaftlichen Interessen gegenüber betriebswirtschaftlichen Vorsichtsstrategien – etwa abzuwarten, ob das eigene Finanzinstitut am Markt bleibt, und, wenn ja, dann wieder Kredite zu vergeben – durchzusetzen (2009, www.truthout.org/020409M?print): "Of course, most of the employees will remain, and even much of the management. What then is the difference? The difference is that now, the incentives of the banks can be aligned better with those of the country. And it is in the national interest that prudent lending be restarted. There are several other marked advantages. One of the problems today is that the banks potentially owe large amounts to each other (through complicated derivatives). With government owning many of the banks, sorting through those obligations ('netting them out," in the jargon') will be far easier." Stiglitz (2009, www.truthout.org/020409M?print) schreckt auch nicht davor zurück zu sagen, der Eigentumsverlust der AktionärInnen und AnleihenbesitzerInnen wäre eher zu akzeptieren als die Einbußen der SteuerzahlerInnen: "To be sure, shareholders and bondholders will lose out, but their gains under the current regime come at the expense of taxpayers. In the good years, they were re30 warded for their risk taking. Ownership cannot be a one-sided bet. (...) It is standard practice to shut down banks failing to meet basic requirements on capital, but we almost certainly have been too gentle in enforcing these requirements."53 ... verlangt eine zweckmäßige und konsistente Kombination der wirtschaftspolitischen Methoden und Maßnahmen im Hinblick auf ein sinnvolles ökonomisches Zielsystem ÖkonomInnen, die nicht die Unfähigkeit des Staates zur Stabilisierung der Wirtschaftsentwicklung vertreten, weisen auf die Koordination von Geld- und Fiskalpolitik im Interesse der wirtschaftspolitischen Effizienz hin (Gordon 1990). Diesbezüglich ist die weitgehende politische Unabhängigkeit der meisten und wichtigsten Zentralbanken von der Regierungsführung und deren gesamthafter wirtschaftspolitischer Verantwortung ein Fremdelement im System (obwohl notdürftig die Personalauswahl der Zentralbankleitung und die Wahrung der Unabhängigkeit der Zentralbank als mittelbare Wahrnehmung des politischen Mandats ausgelegt werden könnten). Lehnt man die monetaristische Quantitätstheorie des Geldes, welche der Geldmengenentwicklung eine bestimmende Bedeutung für die Inflation verleiht, als praktisch irrelevant ab (Moore 1979) und zieht man demgemäß einen anderen Instrumenteneinsatz zur Inflationsbekämpfung heran (Bartel 2008a), gibt es aus unorthodoxer Sicht keine Rechtfertigung für die politische Autonomie und mangelnde demokratische Legitimation der Zentralbank. So strikt, wie im Neoliberalismus die Inflationsbekämpfung als Hauptaufgabe verfolgt wird, so sehr sind Budgetausgleich und Reduktion der Verschuldungsquote zum Ziel an sich avanciert. Angesichts der gegenwärtigen, größten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit, einer Krise, deren Ausmaße bis vor kurzem unvorstellbar gewesen waren, ist die Forderung nach Aufhebung des so genannten Stabilitäts- und Wachstumspakt auf EU-Ebene und des davon abgeleiteten österreichischen 15aVertrags zwischen Bund und Ländern zu fordern (Onaran 2009).54 Als Ersatz ist ggf. eine Inflationszielsetzung für die Mitgliedstaaten zwar nicht erwünscht, aber als Kompromiss diskutierbar (Bartel 2008b). "85% der in der Europäischen Union erzeugten Güter und Dienstleistungen werden auch wieder innerhalb des EU-Wirtschaftsraumes verbraucht. Damit bietet sich eine hervorragende Möglichkeit der Nachfragebelebung ohne Sickerverluste durch hohe Importe. Eine gemeinsame EU-Wirtschaftspolitik kann viel für die Ankurbelung der Wirtschaftsentwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen tun" (Karasek/Marterbauer 2009, pp. 4 f.). ... verlangt die Durchbrechung des Teufelskreises aus Abgabensenkung, Ausgabeneinsparungen, Unzufriedenheit mit den staatlichen Leistungen und Abgabensenkungen In der Krise, wenn makroökonomische Externalitäten und soziale Kosten besonders gravierend sind, besteht die Chance, den Nutzen staatlicher Leistungen deutlich zu 31 machen und die dementsprechend hohe Zinsen- und/oder Abgabenbelastung merklich zu rechtfertigen. Öffentliche Ressourcen, die nach dem Gerechtigkeitsgrundsatz der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch den Staat eingehoben werden, sollen der Gesellschaft nach Maßgabe des öffentlichen Bedarfs – gemessen an den öffentlichen Gütern Vollbeschäftigung, soziale Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit etc. – zu Gute kommen. Ansonsten nimmt der Teufelskreis aus (zumindest vorerst recht beliebter) Abgabensenkung, notwendiger Ausgabensenkung (auf Grund der Budgetkonsolidierungsmission), Unzufriedenheit mit staatlichen Leistungen und protestbedingten Forderungen nach Abgabensenkungen seinen Lauf. Die soziale Wohlfahrt (d. h. das Wohlergehen der Gesellschaft) nimmt dadurch ab. Insofern nimmt der sich selbst verstärkende Prozess undemokratische Züge an, als jene Minderheit von Menschen, die durch die Verteilungseffekte der Zurückdrängung öffentlicher Leistungen begünstigt werden, dem Rest der Gesellschaft faktisch die freie politische Wahl nimmt, die im Wesentlichen nur mehr als formale Hülse dasteht (Walther 2007).55 Zudem verschiebt gerade der internationale Standortwettbewerb (Steuerwettbewerb) – ein Ersatz für den Systemwettbewerb zwischen Ost und West (Sinn 2002) – die Abgabenlast zu Ungunsten des Faktors Arbeit (siehe oben). Aus diesen Perspektiven ist der internationale Standortwettbewerb in Form von Abgabenminimierung zu ächten und zu minimieren (Karasek/Marterbauer 2009). Wenn zwischen verschiedenen Gruppen diskriminiert werden muss/soll, sollte nach dem Prinzip vorgegangen werden, dass daraus der größte Nutzen der jeweils schwächsten Gruppe erwächst, Maximin-Prinzip genannt, ein Ausfluss der Gerechtigkeitstheorie von John Rawls (z. B. 1995). Wirtschaftspolitische Nichtdiskriminierung zwischen Gruppen folgt dem Motiv, die allgemeine Akzeptanz des umverteilenden Wohlfahrtsstaates zu erreichen, zu bewahren, zu verfestigen. Wer gegen Umverteilung durch den Staat von oben nach unten wettert, dem soll entgegnet werden, dass Wirtschaftspolitik meist Umverteilungseffekte hat und wirtschaftspolitische Enthaltsamkeit zu markanten Entwicklungen in den Verteilungsergebnissen auf den Märkten und in der Lebensqualität führt. Die primär machtbestimmten Umverteilungstendenzen können weder als ökonomisch effizient noch als sozial befriedigend, sondern müssen als politisch korrekturbedürftig angesehen werden. Es mangelt nämlich an der Fairness zumindest der jeweils individuellen Ausgangspositionen für die Marktprozesse, wenn nicht auch an der Fairness der Verhaltensweisen selbst: "Zwang zur Lüge" (Weizsäcker 1982), Hang zum "unschuldigen und nicht so unschuldigen Betrug" (Galbraith 2005). Wenn schon Umverteilung nicht ausgeschlossen werden kann/soll, dann sollte sie sozial orientiert und demokratisch legitimiert sein. 32 ... verlangt von der theoretischen und praktischen Wirtschaftspolitik, die Alternativen zu verdeutlichen und ihre Auswahl verständlich zu machen Es ist in Wissenschaft und Politik überzeugend aufzuräumen mit den zwischenzeitlich internalisierten neoliberalen und in ihren Konsequenzen reaktionären Vorstellungen, an Arbeitslosigkeit seien generell die Arbeitslosen schuld, Prekarität und Armut, Arbeitsverdichtung und Sozialabbau, Vermögens- und Kaufkraftpolarisierung seien unvermeidliche Gesetze des Marktes ("Sachzwänge").56 Märkte sind von Menschen gemacht,57 Politik ist dazu da, um Wirkungen zu erzielen und Probleme zu überwinden, statt Angst vor der eigenen Courage zu haben (etwa: besser nichts tun als etwas ökonomisch Ineffizientes) oder den Interessen der Mächtigen zu dienen, um daraus einen persönlichen Vorteil zu ziehen. Letzteres gilt auch für die wirtschaftswissenschaftliche Profession. Der ökonomische Mainstream – die Neoklassik, der Monetarismus, die Neue klassische Makroökonomik – hat faktisch beinahe Monopolstellung (Söderbaum 2009). Der intellektuelle Reichtum der Wirtschaftswissenschaft besteht jedoch in der Vielfalt der Aspekte, Hypothesen, Theorien und Denkschulen58 und muss durch die Förderung von Vielfalt in Forschung und Lehre bewahrt und vermehrt werden – selbst wenn mache meinen, Neoklassik wäre zu gefährlich, um gelehrt werden zu sollen (Keen 2009). Offenheit von Theorien ist ein Kriterium für deren Nützlichkeit (Rothschild 1999).59 Die Wirtschaftswissenschaft soll strategische Machtinteressen nicht unterstützen, sondern entlarven und in diesem Sinn "neutral" sein (Galbraith 1973). Hierzu ist das Berufsethos der WissenschafterInnen ebenso gefordert wie die (höhere) Bildungspolitik der Regierungen. ... verlangt eine ausgewogene, effektive und faire Herangehensweise Die hohe Komplexität und geringe Transparenz auf den Finanzmärkten macht die Unterscheidung zwischen "TäterInnen" und "Opfern" der Finanzmarktkrise nicht ganz einfach. Das (oder eine Verpflichtung gegenüber Finanzinteressen) lässt die wirtschaftspolitischen Rettungsmaßnahmen für den Finanzsektor offenbar in Richtung Hilfestellung statt Rechenschaftsforderung driften.60 "Wir müssen hart gegen Steueroasen und Geldwäsche durchgreifen. Rigorose Transparenz und Rechenschaftspflicht müssen Missbrauch verhindern, und mit den Zeiten exzessiver Abfindungen muss Schluss sein" (Obama 2009). Freilich ist in einer arbeitsteiligen, ökonomisch hoch effizienten Geldwirtschaft das Finanzierungssystem eine Lebensader, die durch wirtschaftspolitische Interventionen in Gang gehalten werden muss, um Schlimmstes zu verhindern. Doch sind viele, noch mehr Andere ebenfalls und sogar ganz eindeutig Opfer, die als "Rädchen" des realwirtschaftlichen Systems mit ähnlichem Anspruch sollen Unterstützung erwarten können: die geköderten bonitätsschwachen KreditnehmerInnen, die gefährdeten, gepfändeten und delogierten HausbesitzerInnen – wie in den USA unter 33 Obama zumindest im Ausmaß von 75 Mrd. USD geschehen (Gabriel et al. 2009) –, die auf Grund der Kreditklemme, der Erlös- und Einkommenseinbußen sowie der Güternachfrageschwäche arbeitslos Gewordenen und kurz Arbeitenden mit all den vielschichtigen widrigen Konsequenzen (siehe die jüngste Forderung nach einer Stiftung für LeiharbeiterInnen). Dabei ist Unglück sozial ebenso ansteckend wie Glück. Obendrein wird durch wirtschaftspolitische Unterstützung der realwirtschaftlichen Opfer die Krise auf den Märkten für Produkte und Einkommen unmittelbarer bekämpft als im Finanzsektor (wo es ebenfalls nötig ist). Diese Politik trägt mittelbar auch zur wirtschaftlichen und sozialen Nachhaltigkeit auf lange Sicht bei (man spricht von Hysterese, d. h., eine wirtschaftspolitisch erzielte und prolongierte gute Entwicklung wird früher oder später selbst tragend). Jede erst gemeinte Konjunkturpolitik muss im Interesse der stabilisierungspolitischen Effizienz rasch und massiv eingreifen. Jedes Zögern und Schielen auf ein erhofftes abschieben Können der Stabilisierungsleistung auf den Markt und auf ein Niedrighalten der Budgetdefizite selbst in Rezession und Depression wie in Europa kann nicht überzeugend gerechtfertigt werden. Vielmehr muss der Impuls sowohl durch allgemein niedrige Kreditzinsen und Sozialtransfers (zur Belebung der Haus- und Gütermärkte) als auch durch gezielte fiskalische Unterstützungen möglichst effektuiert werden (Yellen 2009).61 "Wir werden entschlossen handeln, um die amerikanische Wirtschaft aus der Krise zu bringen und unsere regulatorische Struktur zu reformieren, und diese Maßnahmen werden durch komplementäre Schritte im Ausland gestärkt. Zunächst müssen wir schnell handeln, um das Wachstum zu stimulieren" (Obama 2009). In Österreich zeigen die Verhandlungen und Beratungen um das Doppelbudget 2009/2010 – einer prognostizierten Krisenzeit im Hinblick auf Wachstum und vor allem Beschäftigung –, dass Eindämmung der Defizitentwicklung statt der Krisenminimierung offenbar die Hauptsorge des Finanzministers und neoliberaler Zurufer ist (Schnauder 2009). Über die unmittelbare Krisenbekämpfung in kurzer Frist (Bankenhilfspaket, Arbeitsmarktmittel, Bauprogramme) hinweg dürfte das Zutrauen in längerfristig expansive, Wachstum fördernde Budgetpolitik gering bis absent sein. Doch gerade die außerordentlich schwere Krise ist eine Chance, erstens bisher wegen ihrer Größe gescheute Projekte in "Zukunftsbereichen" in Angriff zu nehmen und zweitens die davon nicht zu trennende Besteuerungsfrage nicht länger in neoliberaler Manier kategorisch auszuklammern. Hauptansatzpunkt wäre in Österreich der Bereich der – sozial verträglichen – Vermögensbesteuerung (Bartel 2009) und der Wiederverstaatlichung der Gemeinwirtschaft. Die Hilfestellungen für die Finanzinstitute begünstigen im Interesse der Vermeidung eines Systemkollaps alle. Gleichwohl können und sollen die Interessen der als RetterInnen einspringen müssenden/wollenden SteuerzahlerInnen über die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Systems hinaus Berücksichtigung finden. Hauptproblem sind die "faulen Papiere", die sich noch zu Haufen in den Vermögensbeständen der Finanzinstitute finden (oder besser: verbergen), aber so gut wie keinen Verkehrswert mehr besitzen. Aus Effektivitätsgründen sollte der Staat zumindest einen wesentlichen Teil von ihnen liquidisieren. Die Banken sollten für ihre "Ramschpapiere" Geld aus dem Budget oder – ungeachtet der monetaristischen Inflationsängste – Zentralbankgeld unmittelbar von der Währungsbehörde bekommen. Die Entlastung der Finanzinstitute soll jedoch nicht (fast) 34 gratis erfolgen, sondern mit eigenen Aktien bezahlt werden. Not erzwingt und Fairness rechtfertigt gleichsam eine staatliche Beteiligung an den ansonsten hinfälligen oder zu gut behandelten Finanzinstituten. Die StaatsbürgerInnen erhalten für die von ihnen gewährten Hilfestellungen Vermögen. Zumindest wäre die Kapitalbeteiligung des Staates besser, als – wie auf Verheiß der EU-Kommission – teure staatliche Kredite an marode Banken zu vergeben, die womöglich noch dazu zur Liquiditätshortung betriebswirtschaftlich verwendet bzw. volkswirtschaftlich missbraucht werden. Ein unmittelbarer Einfluss des Staates als wirtschaftspolitische Instanz schlechthin auf das volkswirtschaftlich hoch relevante Verhalten der Finanzinstitute liegt hier nahe. Die mit der Benachteiligung von Unternehmen mit Staatsbeteiligung durch die Märkte begründeten Vorbehalte relativieren oder zerstreuen sich, sobald die Staatsbeteiligungen mit ihren volkswirtschaftlich wertvollen strategischen Effekten im Zuge der allgemeinen Krise auf breiter Basis erfolgen. Außerdem geben die dogmatisch strengen, aber dann doch sehr pragmatischen Kernländer des Neoliberalismus, die USA und Großbritannien, als VorreiterInnen ein Beispiel vor (und die Welt geht dadurch nicht unter, im Gegenteil). Mit erst längerfristiger Wirkung kann als Ergänzung oder Alternative dazu ein Rettungsfonds errichtet und ausgebaut werden, der mit Beiträgen der Finanzinstitute gespeist wird statt mit Steuermitteln (Crotty/Epstein 2009). ... verlangt die Beweislastumkehr für Liberalisierung und Privatisierung und die Bewahrung der Daseinsvorsorge in der Sicherheit des öffentlichen Sektors Liberalisierung und Privatisierung sind inzwischen sehr weit gediehen, so weit, dass ihre ProponentInnen mit deren Sendungsbewusst an die Tore der öffentlichen Gemeinwirtschaft zur sozialen Sicherung der Daseinsvorsorge stoßen (Bartel 2008d) und einige Flügel bereits aufgestoßen haben (Bartel et al. 2008). "Allerdings bestehen große Interessensunterschiede. Die Europäische Kommission treibt die Liberalisierung konsequent voran, der Europäische Gerichtshof räumt der Verschärfung des Wettbewerbs Vorrang gegenüber sozialen oder ökologischen Überlegungen ein. Die Bürgerinnen und Bürger Europas hingegen sind vor allem an qualitativ hochwertigen öffentlichen Dienstleistungen interessiert. In der Konzeption einer fortschrittlichen Wirtschaftspolitik bilden hochqualitative soziale Dienstleistungen eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Beschäftigungs-, Innovations- und Verteilungspolitik. (...) Eine verstärkte Wettbewerbspolitik ist ein Instrument, um auch bei der Erbringung von Dienstleistungen höhere Effizienz und Kundenorientierung zu erreichen. Sie kann somit die Qualität der Leistungen verbessern. Doch die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass die Liberalisierung auch zahlreiche Gefahren mit sich bringen kann" (Karasek/Marterbauer, p. 10). Auf Grund der sozialen Eigenart der Gemeinwirtschaft und der hohen, kaum abschätzbaren Risiken der Finanzmärkte haben öffentliche Systeme der sozialen Sicherheit im Sozial- bzw. Wohlfahrtsstaat von den Fährnissen der Finanzmärkte möglichst abgeschottet zu bleiben (Umlage- und Risikoausgleichsprinzip). 35 Zusätzliche private Absicherungen (nach dem Kapitaldeckungsprinzip) sollen staatlich nicht gefördert werden (Bartel et al. 2006). Privatisierung und Liberalisierung sind in der Auffassung des ökonomischen und politischen Mainstream längst zu generell einsetzbaren Allheilmitteln stilisiert worden. Angesichts der Unhaltbarkeit dieser Haltung wird ein prinzipieller Stopp der Privatisierungs- und Liberalisierungsagenda sowie eine Umkehr des Beweislastprinzips (Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt) vorgeschlagen. "Europas Wirtschaft hat sich in der Globalisierung erfolgreich geschlagen. Das wirtschaftliche Problem besteht in vielen EU-Ländern weniger in mangelnder preislicher Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten als in einem Mangel an Innovation und schwacher Binnennachfrage. Gerade diese Aufgaben kann der unregulierte Binnenmarkt ganz offensichtlich nicht ausreichend erfüllen" (Karasek/Marterbauer 2009, p. 6). In speziellem Maß gelten solche Überlegungen für die Daseinsvorsorge, die das physische Überleben in menschenwürdiger Form – im Kontext der jeweiligen Kultur und des von ihr nahe gelegten kulturellen Existenzminimums – sichern soll. "Wir drängen darauf, vor allem die kommunale Daseinsvorsorge vom Wettbewerbsrecht auszunehmen. Das Bildungswesen, die medizinische Versorgung oder die Sicherheit können nicht dem privaten Wettbewerb überlassen werden, ohne massive soziale Kosten mit sich zu bringen" (Karasek/Marterbauer 2009, p. 12). Schließlich schließt sich der Kreis wieder, indem festzustellen ist, dass auf Grund ihrer Eigenart gerade auch die Finanzmärkte nicht für ein regulatorisch unbeeinflusstes Operieren geeignet sind. Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, gemessen an der befriedigenden Erfüllung der realwirtschaftlichen Finanzierungsfunktion, ist jedenfalls eine gemeinwirtschaftliche Funktion, die durch freien Wettbewerb nicht oder nicht zuverlässig erfüllt wird. Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs hängt sehr stark von länderspezifischen Voraussetzungen und erfordert daher ein sorgsam differenziertes Vorgehen der Regulierungspolitik (Claessens 2009). Diese wirtschaftspolitische Herausforderung – Zugang auch für Nicht-ErstkalssSchuldnerInnen zur Finanzierung ihrer realwirtschaftlichen Aktivitäten – hat zudem auch entwicklungspolitische Relevanz (Beck et al. 2009). Wettbewerbspolitik besteht als keineswegs vielenorts und zwangsläufig in Liberalisierung. Eine bloße Eröffnung der Möglichkeit für Wettbewerb ist meist klar nicht hinreichend. Auf die tatsächlich realisierte gesamtwirtschaftliche Funktionalität des Finanzierungssystems kommt es primär an. Daher rührt die auch gemeinwirtschaftliche Aufgabe der Finanzmärkte, die allein erwerbswirtschaftlich offenbar nicht erfüllt werden kann. Auf gesamtwirtschaftliche Solidarität kommt es folglich an. ... verlangt Politik für eine solidarische Wirtschaft Solidarität lebt zugleich vom Unterschied und von der Wechselseitigkeit; Solidarität kann als Einbahnstraße nicht überdauern. 36 In unserem stark individualistisch und wettbewerbsmäßig geprägten institutionellen Umfeld i. w. S., das uns gesellschaftlich normiert, kann solidarisches Wirtschaften weder ernsthaft noch realistisch von den ständig auf Wettbewerbsmärkten agierenden Individuen verlangt werden. Folglich ist es Aufgabe der Politik, im demokratischen Prozess die Zweckmäßigkeit des solidarischen Agierens des Staates überzeugend darzulegen und auf diesem Weg bei den WählerInnen um ihre Stimme für eine solidarische Wirtschaftspolitik, eine Politik mit dem Ziel einer solidarischen Wirtschaft zu werben (Bartel et al. 2006). Ein Hindernis auf diesem Weg sind die Worthülsen ("Diskurse") der neoliberalen Öffentlichkeitsarbeit, die aus individueller Sicht eingängig sein mögen, aber durch ihre gebetsmühlenartigen Wiederholungen volkswirtschaftlich, sozial nicht richtiger werden. Neoliberale Diskurse bezeichnen solidarische Wirtschaftspolitik als populistisch, reformfeindlich und ewiggestrig. ... verlangt ökonomische und politische Allgemeinbildung, die entscheidungsfähig, entscheidungsstark und souverän macht Mit gleicher Hartnäckigkeit wie die neoliberalen Diskurse und unter dem tagtäglich verschärften Problemdruck wird die Bevölkerung von politischer Machbarkeit, solidarischer Wirtschaftspolitik und sozialem Fortschritt zu überzeugen sein (Kepplinger 2008). Die Machtposition und Rettungsversuche der neoliberalen Politik dürfen allerdings keineswegs unterschätzt werden. Immerhin muss die EU mit Gedanken an das Europäische Sozialmodell den Bereich der Daseinsvorsorge als typisch öffentlichen Bereich anerkennen und gegen den Druck der Lobbys wachsam beschützen (Kepplinger 2008). Karasek und Marterbauer (2009) fordern konkrete Setzung von Sozialzielen in der und für die EU sowie eine Stärkung des Europäischen Parlaments und mithin der demokratischen Legitimation der EU. Es muss die Zuversicht in der Bevölkerung gestärkt werden, soziale Ziele gegenüber dem bestehenden Dogma der "Marktreligiosität" (Karasek/Marterbauer 2009, p. 7) fordern und durchsetzen zu können. "There are many real alternatives" (T.A.M.A.R.A.) statt des neoliberalen Slogans "there is no alternative" (T.I.N.A.). Jedenfalls bedarf es einer Bildungspolitik, die in politischen und ökonomischen Belangen demokratisch mündige StaatsbürgerInnen zum realisierbaren Ziel hat, mit Entscheidungsfähigkeit und Entscheidungsstärke Wahlentscheidungen zutreffen und sich in demokratischer Souveränität zu üben (Kepplinger 2008).62 Ein Institut für heterodoxe Ökonomie an der Johannes Kepler Universität Linz ist einzurichten, welches nicht orthodoxe, sondern alternative Ökonomie jenseits des Mainstream in der Lehre breit vertritt und die Forschung auf diesem Gebiet politikrelevant vorantreibt. 37 ... verlangt gesamthaftes Denken und koordiniertes Politikhandeln "Wir durchleben eine Zeit globaler ökonomischer Probleme, die sich weder durch Halbheiten noch durch die isolierten Anstrengungen einzelner Nationen lösen lassen. (...) Die Dringlichkeit von Maßnahmen kann niemand leugnen. Eine Kredit- und Vertrauenskrise ist über alle Grenzen hinweggefegt, mit Folgen für jeden Winkel der Erde. Zum ersten Mal seit einer Generation schrumpfen die globale Wirtschaft und der Handel. Billionen Dollar sind verloren, Banken vergeben keine Kredite mehr, und Abermillionen werden überall auf der Welt ihre Arbeit verlieren. Der Wohlstand einer jeden Nation ist in Gefahr, so wie die Stabilität von Regierungen und das Überleben der Menschen in den verletzlichsten Teilen der Welt. (...) Eine Trennlinie zwischen Maßnahmen, die das Wachstum innerhalb unserer Grenzen wiederherstellen, und solchen, die es außerhalb stützen, gibt es nicht. Wenn die Menschen in anderen Ländern nicht konsumieren können, trocknen die Märkte aus (...). (... )sind wir ökonomisch, sicherheitspolitisch und moralisch verpflichtet, jenen Ländern und Menschen die Hand zu reichen, die vor den größten Risiken stehen. Wenden wir uns von ihnen ab, wird das von dieser Krise verursachte Leid nur größer, und unsere eigene Erholung verzögert sich, weil die Märkte für unsere Produkte noch weiter schrumpfen und noch mehr Arbeitsplätze in Amerika verloren gehen" (Obama 2009). "Die große Chance der Krise besteht darin, dass jetzt alle erkennen können: Keiner kann mehr dauerhaft Vorteil nur für sich schaffen. Die Menschheit sitzt in einem Boot. Und die in einem Boot sitzen, sollen sich helfen. Eigennutz im 21. Jahrhundert heißt: sich umeinander kümmern" (Köhler 2009, p. 2). ... verlangt Grundlegendes: Abschied vom Harmoniedenken als Basis für konstruktives Problembewusstsein, wissenschaftliche Neutralität, nötige gesellschaftliche Auseinandersetzung und ausgewogene Kooperation Das traditionelle Harmoniedenken des Liberalismus besteht im Hinblick auf Wirtschaft (allgemeines Gleichgewicht), Soziales (allgemeine Wohlstandsmehrung durch flexible Arbeitsmärkte) und Politik (Unterwerfung unter die "Sachzwänge" der "Marktgesetze", Akzeptanz mehrheitlich als fair empfundener Verfahrensgrundsätze). Es findet sich aber nicht im Einklang mit der Realität. Dem Harmoniegedanken verhaftetes Handeln kann die Realität nicht hinreichend verbessern, um das Harmonieziel zu verwirklichen. Effektive und effiziente Problemlösung erfordert eine realistische Realitätsanalyse, eine ebensolche Problemeinschätzung und das Ansprechen sowohl von Machtungleichgewichten, Interessengegensätzen und Interessenausgleichserfordernissen. Die gesellschaftlichen Kräfte sind faktisch ebenso unausgewogen repräsentiert wie die Gruppeninteressen einander über- bzw. untergeordnet sind. Die gesellschaftlichen Kräfte können auf die Dauer nicht hierarchisch, sondern müssen kooperativ organisiert sein, die Gruppeninteressen müssen ausgewogen befriedigt werden. Ansonsten wird aus der zentripetalen Organisation der Gesellschaft eine zentrifugale, wird Konfliktaustragung nicht kooperativ, sondern machtbestimmt und diktatorisch sein. Das Bewusstsein von veritablem Macht- und Interessenausgleich ist zugleich die zentrale Voraussetzung für die Verfolgung typischer 38 Gemeinschaftsanliegen und in weiterer Folge für die Organisation der Bereitstellung öffentlicher Güter (Vollbeschäftigung, sozialer Ausgleich, Geldwertstabilität, Nachhaltigkeit, Strukturoptimierung etc.). Effektive und effiziente Kooperation auf gesellschaftlicher Ebene ist kein Widerspruch zu Ehrlichkeit in puncto Macht- und Interessendivergenzen. Vielmehr sind Anerkennung der Realität und ihrer Probleme die Voraussetzung für das Einsehen von Macht- und Interessenausgleich, von sozialem Ausgleich. In diesem Sinn sind die Interessengruppen nicht als Kontrahentinnen im Kampf um die Vorherrschaft gedacht, sondern als Garantinnen von sozialem Ausgleich und zugleich wirtschaftlicher Nachhaltigkeit. Pollin (1995) verbindet mit einer entsprechenden institutionellen Weiterentwicklung eine verstärkte Artikulierung der wirtschaftlichen und politischen Bedürfnisse und eine solcherart verbesserte Demokratie in der und in Bezug auf die Wirtschaft ("voice-based system").63 Andererseits dürfen weder Kompromiss um jeden Preis noch Ausgleich in der Mitte zwischen den aktuell bezogenen Positionen die Maximen sein. Ansonsten würde der historisch, d. h. machtbedingt gewachsene Status quo das Ergebnis vorherbestimmen. Beispiele sind die jeweiligen Situationen in Sachen wirtschaftspolitische Kompetenzen, öffentliche Gemeinwirtschaft, Marktregulierung und Verteilung, die von 30 Jahren neoliberaler Machtpolitik geprägt in ein Extrem verzerrt wurden.64 Nun eine neutrale Politik zu fordern im Sinn von "treffen wir einander in der Mitte", ob das nun das "nur" Ergebnis oder gar den Mitteleinsatz betrifft, würde gemäßigte Positionen auf Seiten der bisher unterlegenen Interessen und Gruppen benachteiligen. Genau dies würde den Extremismus anfachen und die künftige Kooperation entkräften. ExponentInnen unterschiedlicher Interessen müssen im gesellschaftlichen Interesse PartnerInnen auf Augenhöhe sein und dürfen dies nicht bloß vorgeben. Es bleibt der Kunst des Politischen überlassen, die Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft als Interessenvertretungen und zugleich als gesellschaftlicher Ausgleichs- und Konstruktionsfaktor zu gestalten. Als solche sorgt die Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft für eine fruchtbare Akzentuierung der politischen Auseinandersetzung, ohne dass sich das Parlament dadurch entmündigen lassen darf. Weiter trägt eine solche Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft zu einer effektiven und effizienten Realisierung der politischen Entscheidungen bei. Machbarkeit soll die Motivation sein, statt Resignation. Die heutige, die neue Weltwirtschaftskrise bietet – nach der vermeintlichen "moderation" (Abschwächung der Schwankungen) in den letzten 25 Jahren – einen tragischen und daher insofern günstigen Impuls, als in der neoliberalen Ära wirtschaftspolitisch Undenkbares denkmöglich wird und die neoklassische ökonomische und neoliberale politische Vorherrschaft beenden kann.65 Dies trifft insbesondere im Zusammenwirken mit der weit verbreiteten Unzufriedenheit über die "Bescheidenheit" für den "kleinen Mann" nach so vielen Jahren der "Reformen" (Liberalisierung und Sozialabbau), der Markt(-macht-)dominanz und Umverteilung auf den Märkten zu.66 Die neue Bescheidenheit, die sich nun ausbreiten soll, darf aber nicht die Masseneinkommen, sondern muss die Kapitalrenditen betreffen (eine Richtschnur wäre die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsprodukts). 39 Doch der Erfolg ist unsicher; politisch wird sich das Vorhaben an der Resistenz gegen Verteilungskorrekturen am meisten spießen, wissenschaftlich ist der Mainstream klarerweise stark etabliert und quasi "autistisch" (Monaghan 2003) nur mehr mit eigener Nabelschau befasst.67 Der politische Erfolg wird auch davon abhängen, ob die KontrahentInnen des Neoliberalismus dessen neoklassisches, gleichgewichts-, stabilitäts- und harmoniebezogenes Denk-, Analyse- und Handlungsschema als tragfähig ansehen ("Dritter Weg") oder als unzulänglich ablehnen ("Labor Social Democrats"). Wird daher das große Leid der von der Krise unmittelbar Betroffenen nicht umsonst sein? Gerade die Krise mit der Notwendigkeit massiver konjunkturpolitischer Nachfrageausweitung bietet die Gelegenheit, längst überfällige, aber bislang als zu teuer erachtete öffentliche Investitionen durchzuführen: vor allem in Bildung, Forschung und Soziales. Das hätte den Vorteil, dass mit starken Nachfrageeffekten auch Angebotseffekte (Produktivitäts- einschließlich Qualitätseffekte) verbunden wären und von beiden Seiten auf das längerfristige Wachstum eingewirkt wird: "Durch den Ausbau des Sozialsystems, die Förderung von Bildung und Innovation sowie die Erneuerung der Infrastruktur (Energie, Verkehr u. a.) in die Zukunft zu investieren und damit den Wachstumspfad einer Volkswirtschaft zu stabilisieren" (Karasek/Marterbauer 2009, p. 6). Palley (2009a) nennt die Strategie des Mainstream "Kuckuck-Ökonomie", weil Mainstream-ÖkonomInnen – bildlich gesprochen ihr Ei in fremde Nester legen – in Krisenzeiten keynesianische Politik unterstützen (oder zumindest nicht entscheidend obstruieren). Doch der Lackmustest kommt nach der Krise, wenn es darum geht, was der Regelfall ist: Krisenhaftigkeit und Reformbedarf oder Selbststabilisierung und Weitermachen wie in den vergangenen drei Dezennien. Somit geht der alte Streitfall zwischen Keynes und den Neoklassikern weiter, was die wahre general theory sei: die klassische Gleichgewichtstheorie der Vollauslastung oder die keynesianische Theorie der Unterbeschäftigung. Literatur Ackerman, Frank (2008), The Economics of Collapsing Markets, in: real-world economics review, #48, December 6, pp. 279-290 Akerlof, George A./Siller, Robert J. (2009), Animal Spirits. 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Die Krise verstärkt sicher die Spannungen, die in der Europäischen Union und vor allem in der Währungsunion angelegt sind. Wenn kein Weg gefunden wird, die Integration zu vertiefen und Mechanismen zu etablieren, die einen Ausgleich für die von Deutschland dominierte ungleiche Entwicklung bieten, könnten rechte Kräfte gerade in den zurückfallenden Ländern weiter gestärkt werden." 46 3 Robert Skidelsky (2008, N.Y.T., Dec. 12): "What was this 'intellectual edifice'? As so often with policymakers, you need to tease out their beliefs from their policies. Greenspan must have believed something like the 'efficientmarket hypothesis,' which holds that financial markets always price assets correctly. Given that markets are efficient, they would need only the lightest regulation. Government officials who control the money supply have only one task – to keep prices roughly stable. (...) As George Soros rightly pointed out, 'The salient feature of the current financial crisis is that it was not caused by some external shock like OPEC raising the price of oil. . . . The crisis was generated by the financial system itself.' This is where the great economist John Maynard Keynes (1883-1946) comes in. Today, Keynes is justly enjoying a comeback. For the same “intellectual edifice” that Greenspan said has now collapsed was what supported the laissez-faire policies Keynes quarreled with in his times. Then, as now, economists believed that all uncertainty could be reduced to measurable risk. So asset prices always reflected fundamentals, and unregulated markets would in general be very stable." 4 "Schon Parmenides und Plato treffen eine Unterscheidung zwischen den Begriffen Wirklichkeit und Erscheinung, zwischen dem, wie die Realität tatsächlich ist, und dem, wie wir sie nur auffassen können. Allerdings schwingt im Wirklichkeitsbegriff der klassischen Philosophie zuweilen ein religiöser Ton mit. Diese Mischung aus Logik – die nach Plato einzig und allein zu wahrer Erkenntnis führen kann, weil sie sich mit Ideen und nicht mit Sinneswahrnehmungen befasst – und dem Transzendentalen befriedigte noch bei so manchen großen Philosophen bis Hegel sowohl deren Intellekt als auch deren religiöses Empfinden. Heute gibt es diesen Einfluss im weiteren Sinn in Form der Weltanschauung, welche die Leerräume dessen, was nicht beweisbar ist, füllt und der intentionellen Forschung Vorschub leistet. Doch zurück zum Verhältnis zwischen Wirklichkeit und Erscheinung bei den klassischen Philosophen. Das Erfassen der Wirklichkeit, also das Entdecken von Wahrheit, sei Erkenntnis, während man sich auf Grund einer Erscheinung nur eine Meinung bilden kann, die falsch sein kann. Plato unterlegt dies mit seinem berühmten Höhlengleichnis: Die in der Höhle gefangenen und gefesselten Menschen können nur die Schatten der Dinge wahrnehmen, aber die Dinge nicht erkennen, wie sie wirklich sind. Dieser Aspekt ist relevant, wenn es selbst heute noch um die Auseinandersetzung um den quasi naturgesetzlichen oder auch gottesgesetzlichen Charakter ökonomischer Wirkungszusammenhänge geht und somit um die Streitfrage um die rein objektive Erkenntnisfähigkeit und Beweisbarkeit ökonomischer Zusammenhänge. Unterschieden wird durch Plato die Welt des Intellekts mit ihrer unfehlbaren Logik von der Welt der Sinne mit ihren Wahrnehmungen und mit der auf ihr beruhenden fehlbaren Meinungsbildung. Die Trennschärfe ist allerdings nicht ganz gegeben. Im Bereich des Intellekts hält Plato Vernunft und Verstand auseinander. Während sich Vernunft auf reine Ideen – also auf unfehlbare Logik – bezieht, ist ihr der Verstand insofern unterlegen, als er auf Hypothesen beruht, die nicht belegt werden können. Nach der modernen Erkenntnistheorie liegt die Nützlichkeit der Hypothesenbildung auf der Grundlage von Prämissen darin, dass eine neue Hypothese, so abwegig sie auch erscheinen mag, die Menschen in die Lage versetzt, die Dinge anders zu sehen als bisher (Bartel 2000, S. 2 f.). 5 Hermann Hesse (Siddharta, Roman, 1922): "Von jeder Wahrheit ist das Gegenteil ebenso wahr! Nämlich so: eine Wahrheit läßt sich immer nur aussprechen und in Worte hüllen, wenn sie einseitig ist. Einseitig ist alles, was mit Gedanken gedacht und mit Worten gesagt werden kann, alles einseitig, alles halb, alles entbehrt der Ganzheit, des Runden, der Einheit… Man kann nicht anders, es gibt keinen anderen Weg für den, der lehren will. Die Welt selbst aber, das Seiende um uns her und in uns innen, ist nie einseitig." 47 6 Bunting (2009) stellt empirisch fest, dass – trotz stabil hoher Sparquote bei den hohen Einkommen – die Sparquote bei den mittleren Einkommen kollapsartig zurückgehe und das Entsparen bei den Niedrigeinkommen weiter zunehme. Aus keynesianischer Sicht widerspiegelt diese Entwicklung die einander verschärfenden Problematiken Güternachfrageschwäche und Soziales: Die sich polarisierende Primärverteilung auf Arbeits- und Vermögensmärkten und der damit verbundene Einkommensschwund zwingen zur Reduktion von Ersparnis (man kann sie sich immer weniger leisten), aber die hohe Sparneigung der Reichen fließt aus dem Kreislauf von kaufkräftiger Nachfrage, Einkommen und Produktion ab. Für KeynesianerInnen haben Konsum und Investition die führenden Rollen für die Wirtschaftsentwicklung, nicht die Ersparnis, denn zusätzliche Güternachfrage schafft Einkommen, aus dem sich die Ersparnis zur Finanzierung der Nachfrage ergibt; auf die Zwischenfinanzierung kommt es aber auch an (Keynes' finance motive der Geldhaltung). Gleichmäßigere Verteilung der Einkommen bildet aus dieser Sicht eine zuverlässigere Grundlage als die Kreditaufnahme der Ärmeren zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts. 7 Engelbert Stockhammer, WU Wien (2009, www.beigewum.at/2009/04/was-hat-diefinanzkrise-mit-der-einkommensverteilung-zu-tun/: "Für den Großteil der Haushalte sind Lohneinkommen die Haupteinkommensquelle. Aus ihnen wird der Grossteil der Konsumausgaben finanziert. Bleiben die Löhne hinter dem Produktivitätswachstums zurück, so wird weniger konsumiert. Ökonometrische Schätzungen ergeben, dass Eine Umverteilung von 100 € von den Profiten zu den Löhnen zu rund 30 bis 40 € mehr Konsumausgaben führt. Eine niedrigere Lohnquote bedeutet definitionsgemäß eine höhere Profitquote. Und höhere Profite führen zu mehr Investitionen. Kompensieren die höheren Investitionsausgaben nicht die gesunkenen Konsumausgaben? Nein; zwar führen höhere Gewinne tatsächlich zu mehr Investitionen, aber in einem bescheidenen Ausmaß. 100 € höhere Gewinne führen zu rund 10 € höheren Investitionen." 8 Einen Einblick in die Palette systematischer Unvollkommenheiten der Finanzmärkte und deren Problemursachen gibt The Journal of Finance (The Journal of the American Finance Association) in Heft 2 von Band 64, online erschienen am 13. März 2009. 9 Ackerman (2008, p. 281): "When people buy things about which they are poorly informed, markets can work quite perversely. If people trust someone else’s judgment more than their own – as, for instance, many do when first buying a computer – then decisions by a small number of early adopters can create a cascade of followers, picking a winner based on very little information. Windows may not have been the best possible microcomputer operating system, but a small early lead in adoption snowballed into its dominant position today. Investment fads, market bubbles, and fashions of all sorts display the same follow-the-leader dynamics (but without the staying power of Windows). When people have to make excessively complex decisions, there is no guarantee that they will choose wisely, or pick the option that is in their own best interest. Yet in areas such as health care and retirement savings, individuals are forced to make economic decisions that depend on detailed technical knowledge. The major decisions are infrequent and the cost of error is often high, so that learning by experience is not much help. The same overwhelming complexity of available choices exists throughout financial markets." 10 "Verdiente der weltbestbezahlte Manager im Jahr 2005 noch 1,5 Milliarden US-Dollar und im Jahr 2006 zwei Milliarden US-Dollar, so sprang diese Marke im Jahr 2007 schon auf 3,7 Milliarden US-Dollar. Das sind bei einer 40-Stunden-Woche und 2 Wochen Urlaub pro Jahr 48 ein Stundenlohn von 1,85 Millionen US-Dollar oder ein Minutenlohn von 30.000 US-Dollar oder ein Sekundenlohn von 500 US-Dollar" (Attac-Info 14-16/08). 11 Dean Baker (2008, p. 81): "Through the run-up of both the stock bubble and the housing bubble, the Fed took the view that financial bubbles are natural events, like the weather, which cannot be prevented. In fact, financial bubbles can be contained and there is nothing more important that the Fed or any central banks can do then to ensure that they do not grow to such dangerous proportions. The U.S. and world economy is paying an enormous price for Greenspan’s failure to do his job." 12 Hyman Philip Minsky (1992, p. 7) unterscheidet drei Kategorien von Finanzinvestitionen je nach deren Relation (erwarteter) Einnahmen zu dem Schuldendienst, der für die Fremdfinanzierung des Finanzinvestitionsprojekts zu leisten ist: "Hedge financing units are those which can fulfill all of their contractual payment obligations by their cash flows: the greater the weight of equity financing in the liability structure, the greater the likelihood that the unit is a hedge financing unit. Speculative finance units are units that can meet their payment commitments on "income account" on their liabilities, even as they cannot repay the principle out of income cash flows. Such units need to "roll over" their liabilities: (e.g. issue new debt to meet commitments on maturing debt). (...) "For Ponzi units, the cash flows from operations are not sufficient to fulfill either the repayment of principle or the interest due on outstanding debts by their cash flows from operations. Such units can sell assets or borrow. Borrowing to pay interest or selling assets to pay interest (and even dividends) on common stock lowers the equity of a unit, even as it increases liabilities and the prior commitment of future incomes. A unit that Ponzi finances lowers the margin of safety that it offers the holders of its debts." Die heutigen Hedgefonds kennzeichnen sich indes dadurch, dass sie in ihrem – nahezu unregulierten (Crotty/Epstein 2008) – Investitionsbereich eine breitere Veranlagungspalette aufweisen als die regulierten Fonds und sich des short selling (short finance, going short) bedienen, also von Termingeschäften (Zukunftsgeschäften), wobei sie Finanztitel zu einem zukünftigen Zeitpunkt heute verkaufen, die sie heute noch nicht besitzen und sie zum zukünftigen Zeitpunkt und als niedriger erwarteten Preis kaufen, um ihre schon in der Vergangenheit – hoffentlich zu einem höheren Preis – abgeschlossenen Verkäufe tätigen können und aus der Preisdifferenz (Terminkurs minus späterer Kassakurs) Gewinn zu ziehen. So können die hedge funds auch aus fallenden Kursen Gewinne erzielen. Daher machten die Manager der 25 erfolgreichsten hedge funds selbst im Krisenjahr 2008 im Schnitt eine halbe MNilliarde Dollar pro Person (Attac-Info 13-14/2009, 1. 4. 2009). Analog umgekehrt erfolgt long selling. Ursprünglich war hedging eine Strategie zur Risikominderung auf einem Markt (z. B. Verkauf produzierter Güter, die nach längerer Produktionsdauer erst später geliefert und bezahlt werden) auf dem Terminmarkt (Zukunftsmarkt für Finanztitel). Heutzutage wird hedging hingegen bewusst eingesetzt, um – nochmals: unreguliert – und verstärkt durch Entgeltanreize (Crotty/Epstein 2008) höhere Risiken einzugehen, in der Hoffnung, höhere Vermögensgewinne erzielen zu können. Diesen tendenziellen Übergang von stabilisierenden zu destabilisierenden Finanzmarktprodukten und prozessen zeigt Minsky's Financial Instability Hypothesis (original 1975) auf (Minsky 1992, p. 8): "It can be shown that if hedge financing dominates, then the economy may well be an equilibrium seeking and containing system. In contrast, the greater the weight of speculative and Ponzi finance, the greater the likelihood that the economy is a deviation amplifying sys49 tem. The first theorem of the financial instability hypothesis is that the economy has financing regimes under which it is stable, and financing regimes in which it is unstable. The second theorem of the financial instability hypothesis is that over periods of prolonged prosperity, the economy transits from financial relations that make for a stable system to financial relations that make for an unstable system." 13 George Akerlof Robert Shiller (2009a, p. 7): "Capitalist societies, as correctly seen by the old economics, can be tremendously creative. Government should interfere as little as possible with that creativity. On the other hand, left to their own devices, capitalist economies will pursue excess, as current times bear witness. There will be manias. The manias will be followed by panics. (...)The proper role of the government, like the proper role of the advice-book parent, is to set the stage. The stage should give full rein to the creativity of capitalism. But it should also countervail the excesses that occur because of our animal spirits." 14 "Systemic risk refers to the possibility of a sudden, often unexpected, event or series of events that disrupts financial markets, and thereby the efficient channeling of resources, to such a great degree that it causes a significant loss to, or collapse of, the real economy as a whole. Systemic collapse is distinct from regular financial loss or market volatility in that it affects most, if not all, people and market place participants. According to this working definition, systemic risk cannot be diversified away through financial markets" (Dickinson 2008, p. 4). 15 Klaus Köhler (2009, pp. 3 ff., 7): "Zu viele Leute mit viel zu wenig eigenem Geld konnten riesige Finanzhebel in Bewegung setzen. Viele Jahre lang gelang es, den Menschen weiszumachen, Schulden seien schon für sich genommen ein Wert; man müsse sie nur handelbar machen. Die Banken kauften und verkauften immer mehr Papiere, deren Wirkung sie selbst nicht mehr verstanden. Im Vordergrund stand die kurzfristige Maximierung der Rendite. (...)Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll auch dem Allgemeinwohl dienen. Doch das Auftürmen von Finanzpyramiden wurde für viele zum Selbstzweck, insbesondere für so genannte Investmentbanken. Damit haben sie sich nicht nur von der Realwirtschaft abgekoppelt, sondern von der Gesellschaft insgesamt. Dabei geht es auch um Fragen der Verantwortung und des Anstands. Was vielen abhanden gekommen ist, das ist die Haltung: So etwas tut man nicht. (...) Wir erleben das Ergebnis fehlender Transparenz, Laxheit, unzureichender Aufsicht und von Risikoentscheidungen ohne persönliche Haftung. Wir erleben das Ergebnis von Freiheit ohne Verantwortung. (...) Die Finanzmärkte waren Wachstumsmaschinen. Sie liefen lange gut. Deshalb haben wir sie in Ruhe gelassen. Das Ergebnis waren Entgrenzung und Bindungslosigkeit. Jetzt erleben wir, dass es der Markt allein nicht richtet. (...) Es geht um eine Weltwirtschaft, in der Kapital den Menschen dient und nicht Herrscher über die Menschen werden kann." 16 Landesrat Hermann Kepplinger (2008a): "Der heurige Wirtschaftsnobelpreisträger gehörte 1997 zu den ersten, die ihre warnende Stimme gegen die immense Schuldnerposition der USA gegenüber dem Ausland erhoben. Krugman verwies auf das Gefahrenpotenzial, dass selbst die reichste Volkswirtschaft der Welt nicht uferlos auf Pump von der übrigen Welt leben könne. Bereits im Jahr 2005 warnte Paul Krugman zudem, dass das starke US-Wachstum einen Anstieg der Häuserpreise mit sich brachte, der unhaltbar sei: Dieser Trend würde so wie der Kapitalzustrom aus Asien früher oder später, womöglich abrupt, enden." 17 Köhler (2009, p. 1): 50 "Ich will Ihnen eine Geschichte meines Scheiterns berichten. Es war in Prag, im September 2000. Ich war neu im Amt als Geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds. Mein Ziel war es, den IWF zum Exzellenzzentrum für die Stabilität des internationalen Finanzsystems zu machen. Die Entwicklung auf den Finanzmärkten bereitete mir Sorgen. Ich konnte die gigantischen Finanzierungsvolumen und überkomplexen Finanzprodukte nicht mehr einordnen. Ich begann, kapitalmarktpolitische Expertise im IWF aufzubauen. Das sahen nicht alle gern. Und ich wunderte mich, dass sich die G7-Staaten nur zögerlich einer Überprüfung ihrer Finanzsektoren unterziehen wollten; solche Überprüfungen waren von den Mitgliedstaaten des Internationalen Währungsfonds 1999 als Lehre aus der Asienkrise beschlossen worden. Viele, die sich auskannten, warnten vor dem wachsenden Risiko einer Systemkrise. Doch in den Hauptstädten der Industriestaaten wurden die Warnungen nicht aufgegriffen: Es fehlte der Wille, das Primat der Politik über die Finanzmärkte durchzusetzen. Jetzt sind die großen Räder gebrochen, und wir erleben eine Krise, deren Ausgang das 21. Jahrhundert prägen kann. Ich meine: zum Guten, wenn wir aus Schaden klug werden." 18 "Der Entwurf der Abschlusserklärung des Londoner Gipfels umfasst 24 Maßnahmen zur Regulierung des Weltfinanzsystems. Attac begrüßte, dass das Problem der Steueroasen und Hedgefonds auf internationaler Ebene angegangen wird, hält aber die bisherige Stoßrichtung für völlig unzureichend. Da geht es um ein wenig mehr Transparenz und Aufsicht. Die Dynamik und die Blasenbildung an den Finanzmärkten wird verkannt. Ziel muss es sein, die Finanzmärkte drastisch zu schrumpfen. Dazu gehören Finanztransaktionssteuern, die Kontrolle und Einschränkung des freien Kapitalverkehrs und ein Ende von Steueroasen, Hedgefonds und Derivaten" (Attac-Info 15-16/2009, 21. 4. 2009, 14:39 MESZ). 19 Joseph E. Stiglitz (2009, www.truthout.org/020409M?print): "Leverage, or borrowing, gives big returns when things are going well, but when things turn sour, it is a recipe for disaster. It was not unusual for investment banks to 'leverage' themselves by borrowing amounts equal to 25 or 30 times their equity." 20 Landesmann und Stöllinger (2009, p. i): "Die im August 2007 ausgebrochene Finanzkrise erfüllt alle Kriterien einer systemischen Bankenkrise. Zahlungsschwierigkeiten häufen sich, die Kapitalisierung von Banken sinkt und Aktienkurse fallen, während die realen Zinssätze steigen. Ausschlaggebend für diese Entwicklungen ist der Vertrauensverlust zwischen den Banken nach den großen Abschreibungsverlusten, die aus dem Platzen der US-Sub-Prime-Blase resultieren. Staatliche Unterstützungsmaßnahmen in den USA und im Euro-Raum konnten bislang die am Interbankenmarkt entstandene Liquiditätskrise nicht beenden. Aufgrund des hohen Leverage vieler Banken erforderten die Abschreibungsverluste eine Verkürzung der Bankbilanzen. Dieser Deleverage-Prozess zog den Verkauf von Vermögenswerten und eine restriktivere Kreditvergabe mit sich. Die internationale Vernetzung der Banken und Finanzmärkte führte dazu, dass seit September 2008 auch viele Schwellenländer und mittel- und osteuropäischen Länder (MOEL) die Finanzmarktkrise zu spüren bekamen, nachdem ausländische Investoren Kapital aus diesen Märkten abzogen. Dadurch kämpfen mittlerweile mehrere Länder mit der Finanzierung ihres Leistungsbilanzdefizits, Liquiditäts- und Währungskrisen. Die wichtigsten Kanäle für die internationale Krisenausbreitung sind dabei die internationalen Kapitalflüsse und global agierende Banken." 21 Minsky (1992, p. 8): "In particular, over a protracted period of good times, capitalist economies tend to move from a financial structure dominated by hedge finance units to a structure in which there is large weight to units engaged in speculative and Ponzi finance. Furthermore, if an econ51 omy with a sizeable body of speculative financial units is in an inflationary state, and the authorities attempt to exorcise inflation by monetary constraint, then speculative units will become Ponzi units and the net worth of previously Ponzi units will quickly evaporate. Consequently, units with cash flow shortfalls will be forced to try to make position by selling out position. This is likely to lead to a collapse of asset values." Oesterreichische Nationalbank (1999, S. 4): "Eine unbestrittene Aufgabe der Geldpolitik ist die Sicherung der Preisstabilität. Stabile Preise sind langfristig die beste Voraussetzung für Wirtschaftswachstum und nachhaltige Beschäftigung. (...) Hingegen ist die Rolle der Geldpolitik bei der Verringerung der Arbeitslosigkeit in Europa beschränkt. Die Geldpolitik kann jedenfalls nur die zyklische Komponente beeinflussen, sofern damit keine Verletzung des Stabilitätsauftrags verbunden ist. (...). Unbestritten ist der hohe Stellenwert der Lohn- und Einkommenspolitik in der Währungsunion. Entscheidend dabei ist der Grad der Reallohnflexibilität." 22 Während die Geldpolitik im Regelfall eher auf der Bremse stand, indem die Zinsen höher gehalten wurden, um Inflationserhöhungen schon vorsorglich im Keim zu ersticken, war/ist die Philosophie der Budgetkonsolidierung folgende (z. B. Europäische Kommission 1995, p. 2): "Die Kriterien für die Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion verlangen von den Mitgliedstaaten eine stabilitätsorientierte Währungs- und Haushaltspolitik und dienen somit auch der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, da ein Abbau des öffentlichen Defizits zu niedrigeren Zinsen, verstärkten Investitionen und einem höheren Wachstum führt." 23 Pollin (2004, pp. 33 f.): "Vielmehr hat der Aufstieg von dem, was grob gesprochen 'neoliberale Wirtschaftspolitiken' genannt wird, – einschließlich der Deregulierung der Arbeits- und Finanzmärkte, der Einsschränkung der Sozialausgaben gemessen als Anteil an der Gesamtwirtschaft, und einer Verzerrung der gesamtwirtschaftlichen Politik zur Förderung niedriger Inflation statt zur Vermehrung anständiger Arbeitsplätze – die langfristigen Negativtrends nur verschlimmert." 24 "Die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen von Liberalisierung/Privatisierung sind – gelinge gesagt – zweischneidig. Während es sich zeigt, dass Haushalte als VerbraucherInnen und ArbeitnehmerInnen kaum Vorteile bekommen, haben Industrie und unternehmerische GroßkundInnen nicht nur von niedrigeren Preisen profitiert, sondern auch von der Öffnung neuer Geschäftsfelder" (Attac Austria et al. 2006, www.alternativeecofin.org/index.php?id=2760#4121). 25 Akerlof und Shiller (2009a, p. 7): "This New Classical view of how the economy behaves was passed from the economists to the think tankers, policy elites, and public intellectuals, and finally to the mass media. It became a political mantra: ‘I am a believer in free markets.’ The belief that government should not interfere with people in pursuit of their own self-interest has influenced national policies around the globe." 26 Michel Houellebecq in Elementarteichen (Roman, Taschenbuchausgabe, p. 72): "Später führte die Globalisierung der Wirtschaft zu einem viel härteren Konkurrenzkampf, der den Traum der gesamten Bevölkerung, sich in eine vereinheitlichte Mittelschicht mit regelmäßig steigender Kaufkraft einzugliedern, zerstörte; immer breitere Bevölkerungsschichten glitten ab in wirtschaftliche Unsicherheit und Arbeitslosigkeit." 52 27 Zu den aktuellen Zumutbarkeitsbestimmungen in Österreich vgl. www.arbeiterkammer.com/online/zumutbarkeit-47635.html, 20. 4. 2009 28 Prof. Kenneth Rogoff, Harvard University (2009, www.derStandard.at, 1. 4., 18:30 MESZ): "Die USA und Großbritannien sind natürlich an einem System interessiert, das geeignet ist, ihnen die Ausweitung ihrer Vorherrschaft zu ermöglichen. US-Finanzminister Timothy Geithner hat vor kurzem die allgemeinen Umrisse eines eher konservativen Regimes für die Finanzaufsicht skizziert. In erster Linie würden demnach die Aufsichtsbehörden die Finanziers zwingen, mehr Bargeld zu halten, um eigene Wetten abzusichern, und sich nicht als Kugelfang auf den Steuerzahler zu verlassen. Geithner will außerdem, dass Finanzgeschäfte einfacher und problemloser bewertet werden können, damit Verwaltungsräte, Aufsichtsbehörden und Anleger die Risiken, mit denen sie es zu tun haben, besser einschätzen können. (...) Tatsächlich steht in der Debatte über eine internationale Finanzreform enorm viel auf dem Spiel. Die Rolle des Dollars im Mittelpunkt des globalen Finanzsystems verleiht den USA die Fähigkeit, riesige Mengen an Kapital aufzunehmen, ohne ihre Wirtschaft damit übermäßig zu belasten. Noch grundlegender ist, dass die Rolle der USA im Zentrum des globalen Finanzsystems Amerikas Gerichten, Aufsichtsbehörden und Politikern enorme Macht über die weltweite Investitionstätigkeit gibt. (...) Europa will sein Universalbankmodell erhalten, bei dem die Banken eine Vielzahl von Funktionen ausüben, die von der Annahme von Spareinlagen über die Vergabe kleiner gewerblicher Kredite bis hin zum Investmentbanking auf höchster Ebene reichen. Die US-Vorschläge andererseits würden das Universalbankengeschäft deutlich erschweren, u. a., weil sie das Ziel verfolgen, Einlageinstitute, von denen ein 'systemisches Risiko' für das Finanzsystem ausgeht, gegenüber Risiken von außen abzuschotten. Derartige Änderungen setzen die Universalbanken unter Druck, riskantere Aktivitäten im Bereich des Investmentbankings aufzugeben, um freier operieren zu können. Natürlich sind hiervon auch die US-Großbanken wie etwa Citigroup, Bank of America und JP Morgan betroffen. Aber das Universalbankmodell ist für das US-Finanzsystem deutlich weniger zentral als für Europa und Teile Asiens und Lateinamerikas. Abgesehen von ihren Auswirkungen auf die unterschiedlichen nationalen Systeme ist die zukünftige Gestaltung des Bankwesens für das Finanzsystem im weiteren Sinne - Risikokapitalgeber, Beteiligungsgesellschaften und Hedgefonds - von elementarer Bedeutung. Der Geithner-Vorschlag zielt letztlich darauf ab, all diese Player bis zu einem gewissen Grad an die Leine zu legen. Die Furcht vor Krisen ist natürlich verständlich, doch ohne diese neuen, kreativen Finanzierungsansätze hätte es etwa Silicon Valley möglicherweise nie gegeben. (...) richtig ans Eingemachte freilich geht es bei der Entscheidung über eine neue Philosophie für das internationale Finanzsystem und seine Regulierung. Falls unsere politischen Führer sich hier nicht auf eine neue Strategie einigen können, ist es höchst wahrscheinlich, dass die Finanzglobalisierung sehr schnell den Rückwärtsgang einlegt, und dann wird es umso schwieriger, dem gegenwärtigen Sumpf zu entkommen." 29 Werner Raza (2009): "Niemand will einen Rückfall in den Protektionismus der 1930er-Jahre, wer aber so tut, als könne mehr Freihandel uns aus der Krise helfen, macht den Bock zum Gärtner. (...) Die G20 nahmen jüngste Weltbank- und WTO-Analysen zum Anlass, vor der Gefahr einer Wiederauferstehung des Protektionismus zu warnen. Die bisher feststellbaren zusätzlichen protektionistischen Maßnahmen im Außenhandel fallen aber nicht wirklich ins Gewicht. (...) Ökonomisch wäre weitere Handelsliberalisierung in der gegenwärtigen Situation allerdings kontraproduktiv. In Zeiten eines drastisch fallenden Welthandelsvolumens – laut OECDPrognose allein 13 Prozent in diesem Jahr – ist nicht mangelnder Marktzugang das Problem, sondern die sinkende Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen. Weitere Liberalisierungen wären daher eine Einladung an wettbewerbsfähige Länder, sich ein größeres Stück vom kleiner werdenden Kuchen zu holen. Globaler Verdrängungswettbewerb wäre 53 die Folge. (...) Die Freihandelstheorie ist eine im Wesentlichen mikroökonomisch fundierte Theorie des Tausches. Makroökonomische Zusammenhänge bleiben dabei außen vor." Attac-Info (15-16/2009, 21. 4. 2009 14:39 MESZ): "In dem Entwurf des gemeinsamen Kommuniqués bekennen sich die Staats- und Regierungschefs der G20 auch zum Prinzip des Freihandels und einem Abschluss der DohaRunde der Welthandelsorganisation WTO. Eine wesentliche Ursache der globalen Ungleichgewichte und damit der Krisenanfälligkeit der Weltwirtschaft ist die Liberalisierungspolitik vieler G20-Regierungen der vergangenen Jahre. Noch mehr Freihandel ist die falsche Medizin! Stattdessen müssten die laufenden Freihandelsverhandlungen gestoppt und Schritte zu einer regionalisierten Weltwirtschaft basierend auf Wechselseitigkeit eingeleitet werden. Um mehr Stabilität zu erreichen, seien die globalen Ungleichgewichte zwischen Überschuss- und Defizitländern dauerhaft abzubauen, etwa mit Hilfe einer internationalen Ausgleichsbank (Clearing Union). Attac kritisiert zudem, dass viele Punkte der geplanten Abschlusserklärung lediglich oberflächliche Absichtsbekundungen ohne konkrete Handlungsschritte sind. Die derzeitige Entwicklung der Weltwirtschaft ist derart dramatisch, dass die Regulierung der Weltwirtschaft auf ein völlig neues Fundament gestellt werden muss. Es reicht nicht, vor wettbewerbsbedingten Währungsabwertungen zu warnen. Notwendig sind Schritte zu festen Wechselkursen in Verbindung mit einer neuen Weltreservewährung jenseits der Dollar-Hegemonie." 30 "US-Mathematiker Benoît Mandelbrot legte mit der Entwicklung der fraktalen Geometrie einen Grundstein der modernen Chaosforschung. In einem neuen Buch hat er sein mathematisches Modell auf Finanzmärkte angewandt" (derStandard.at, 23. 6. 2005, 21:30 MESZ). Benoît Mandelbrot im Interview in derStandard.at, 23. 6. 2005, 21:30 MESZ: "Mandelbrot: Diese Theorie (der Mainstream, die orthodoxe Theorie der Finanzmärkte; Anm. R.B.) geht davon aus, dass Kursveränderungen nach dem Muster einer Glockenkurve verlaufen. Es gibt viele kleine Veränderungen, und je extremer die Ausschläge sind, desto seltener werden sie. Diese Theorie war vor 100 Jahren ein Meisterwerk. Sie versäumt aber einige der wichtigsten Tatsachen der Märkte. Vor allem erweist sich die Annahme als falsch, dass Kurse kontinuierliche Bewegungen haben. Sie variieren brutal. Das war in der Standardtheorie nicht vorgesehen. Vor 40 Jahren habe ich begonnen, das zu verbreiten. Zu früh. Nun komme ich mit einem Buch zurück, das ein Lebenswerk darstellt. (...) Die Natur der Finanzmärkte lässt den Wert beständig wechseln, weil es um Gegenwart und Antizipation geht. (...) Ökonomie war zu sehr darauf aus, logisch unanfechtbar zu sein, und vergaß dabei auf Experiment und Alltagswissen. Märkte haben selten die Zeit, sich zu stabilisieren. Einen zugrunde liegenden, fundamentalen Wert der Finanzmärkte, der einer Dynamik unterliegt, gibt es nicht." 31 Beetsma und Illing (2005) gegen eine Einführung in und einen Überblick über den Themenschwerpunkt Nachfragepolitik des Heftes 4 der CESifo Economic Studies. 32 Michael Böheim (2008, p. 23): "Die EU-weite Liberalisierung der Postdienste war eine politische Entscheidung - genauso wie der Verzicht auf eine strenge Regulierung des Finanzsektors. Letzteres hat sich als eine (von entsprechenden Interessengruppen) forcierte, die Grundpfeiler der Marktwirtschaft erschütternde 'fundamentale Fehlentscheidung' erwiesen." 33 Ludwig Erhard (1954/1964, S. 211), zit. nach Bofinger (2007, p. 224): 54 "Wer meine Auffassung kennt, weiß, dass zu dieser Konzeption (Soziale Marktwirtschaft; Anm. R.B.) als wesentliches Element eine freizügige Lohnentwicklung gehört. Zu wiederholten Malen habe ich darum erklärt, dass der oft geübte Widerstand der Arbeitgeber gegenüber Lohnerhöhungen (...) nicht in das System der Marktwirtschaft passt." 34 "His (Keynes', R.B.) purpose, as he saw it, was not to destroy capitalism but to save it from itself" (Skidelsky 2008, N. Y. T., Dec. 20). Neuerdings wird Keynes in die Nähe des Freiwirtschaftslehrers Silvio Gesell gerückt. Doch es war nur Teilaspekt von Keynes, dass Geldhortung die Wertpapiernachfrage minimiert und insofern Zinssenkungen und unternehmerische Investitionsfinanzierung erschwert. Keynes hat der Liquiditätsfalle (keine Zinssenkungen wegen Geldhortung statt Wertpapiernachfrage) keine hohe Praxisrelevanz zugemessen und in Fällen unwirksamer Geldpolitik auf die vergleichsweise hohe Bedeutung der Fiskalpolitik hingewiesen. Ein Zahlungsmittel soll je nach Transaktionsbedarf verfügbar sein (eine post-keynesianische Position). Denn der gesamtwirtschaftlich wichtige Druck zu weniger Sparen bzw. zum Entsparen und daher Konsumieren soll – unabhängig vom Geldangebot – von der Besteuerung Zinsen tragender Papiere (Kapitalertrags- und Vermögensbestandsbesteuerung) und von einer Nivellierung der Verteilung herrühren, was nahe liegender und längst topaktuell ist. Bei Geldbesteuerung (ggf. durch eine Lotterie, welche Banknoten nach einer bestimmten Zeit für ungültig erklärt werden) sehe ich steigende Transaktionskosten und Effizienzeinbußen auf uns zukommen. In Zeiten der Geldhortung durch die Banken trägt ein real negativer Leitzinssatz das Seinige zur Kreditbelebung bei. Außerdem würde ich unmittelbar ansetzen und für Banken(-hilfe) Kreditgewährungsauflagen erlassen oder durch staatliches Miteigentum die Strategie mitbestimmen. Es soll doch wohl nicht sein, dass Banken aus Risikogründen in der Rezession ihre Finanzierungsfunktion wesentlich zurückstellen und die Krise multiplizieren (man denke an deren gemeinwirtschaftliche Funktion). 35 Browne (2002, Abstract): "Now that all but the most stubborn ideologues have granted the importance of markets as a promising device for organizing efficient allocation, we run the danger of a particular form of analytical sloppiness. To claim that markets are powerful is far from saying they are omnipotent. In fact, the relative strengths of markets as an organizing device can be shrouded by hyperbolic claims of market puissance. The argument here is that markets have significant limits and that by acknowledging those limits we can focus on the important question of the nature of the optimal interaction between markets and governments. For illustrative purposes, this essay argues that consumers cannot typically expect to find the kinds of associative links we ordinarily seek from friends. The kind of caring that we anticipate from friendships can best be found somewhere other than at the store. Recognizing market limitations, such as this one, permits us to use markets in conjunction with other institutions to create a more fully human economy." 36 Zur Ambivalenz von Sichtweisen (derStandard.at, 23. 6. 2006, 22:23 MESZ): "Der frisch wiedergewählte Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl (V) hat sich kritisch zum Vormarsch des Kapitalismus in seiner gegenwärtigen Form geäußert. 'Wir wollen ein Gegenmodell zum globalen Kapitalismus praktizieren, das zugleich europäische Werte und österreichische Lebenskultur verbindet', erklärte Leitl am Donnerstag vor dem Wirtschaftsparlament in Wien. Leitl spricht sich für eine 'humane Marktwirschaft' und Konsenspolitik aus – als Antwort auf die 'vielfach auftretende Angst vor der Globalisierung'. Der Begriff 'humane Marktwirtschaft' steht laut Leitl für die Verbindung einer nachhaltig und qualitativ wachsenden Wirtschaft 'mit standortsichernder und sozial ausgleichender Politik und umfassender Lebensqualität für die Menschen'. Es gehe um eine 'kombinierte Wachstums- und Wertestrategie'. Bei den Werten hätten vor allem Humanität, Solidarität und 55 Partnerschaft zentrale Bedeutung, so der WKÖ-Präsident. Gleichzeitig sprach sich Leitl für Lohnnebenkostensenkung und flexiblere Arbeitszeiten aus, um auf die Herausforderungen im internationalen Wettbewerb besser reagieren zu können. Notwendig sei "ein einfaches, klares Steuersystem sowie keine unnötigen Belastungen durch anachronistische Werbeund Bagatellsteuern". Mittel der Wirtschaft müssten künftig "weniger zur materiellen Versorgung der Arbeitslosen, sondern mehr zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit verwendet werden" sollten." 37 Aus der Finanzmarktpetition von Attac Austria (www.attac.at/finanzmarktpetition.html): "Die entfesselten Finanzmärkte zerstören die Gesellschaften. In aller Stille, täglich und überall, wo die Aktionäre Druck auf die Unternehmen und damit auf die Beschäftigten ausüben, um ihnen eine höhere Rentabilität abzupressen. Spektakel und Getöse begleiten die heftigen Krisen, in denen das unfassbare Ausmaß der spekulativen Gier und deren Folgen für Wachstum und Beschäftigung schonungslos offenbar wird. Arbeitslosigkeit, Verelendung und zunehmende Ungleichheit: Die Beschäftigten und die Ärmsten haben die Zeche für die Spekulation und die aus den Börsenkrächen resultierenden Verluste zu zahlen." Ackerman (2008, p. 285): "The existence of important values that cannot be priced, rooted in the dignity of humanity and nature, requires a system of rights and absolute standards, not prices and market incentives. Reasonable people can and do disagree about the extent of rights and standards, but this is unquestionably a large, and perhaps growing, sphere of decisions. Many of the things we care most about are too valuable to have prices; they are not for sale at any price." 38 Köhler (2009, p. 11): "Die Soziale Marktwirtschaft hat uns gezeigt: Solidarität ist nicht Mitleid. Solidarität ist Selbsthilfe. Wenn das Band zwischen Oben und Unten Halt gibt, dann kommt Kraft in eine Gesellschaft. Und mit ihr die Fähigkeit, auch scheinbar unlösbare Aufgaben zu bewältigen. Das ist die Lehre aus unserer Geschichte. Arbeit, Kapital und Nachhaltigkeit gehören zusammen. Bei uns. Und überall." 39 Frank Ackerman (2008, p. 279): "Textbooks and mainstream policy analyses – the leading forms through which the economics profession influences the real world – still routinely invoke the imagery of the invisible hand and the notion that economic theory has demonstrated that market outcomes are optimal. Critics (myself included) have written volumes about what’s wrong with this picture. Broadly speaking, there are four fundamental flaws in the theory that private greed reliably creates social good." Ackerman (2008) meint mit den Unzugänglichkeiten der Mainstream-Theorie das viel zu enge Pareto-Prinzip zur Beurteilung eines Wirtschaftssystems, die unrealistische Betrachtung der Arbeitsleistung als Gut wie jedes andere sowie die abzulehnende Annahme vollkommener Konkurrenz und mithin Machtlosigkeit und kostenloser Allwissenheit im System. 40 Skidelsky (2008, N.Y.T., Dec. 12): "The basic question Keynes asked was: How do rational people behave under conditions of uncertainty? The answer he gave was profound and extends far beyond economics. People fall back on 'conventions', which give them the assurance that they are doing the right thing. The chief of these are the assumptions that the future will be like the past 56 (witness all the financial models that assumed housing prices wouldn’t fall) and that current prices correctly sum up 'future prospects'. Above all, we run with the crowd." 41 Daniel Kahneman, Psychologe, ehemals Professor an der Universität Berkeley (CA), 2002 Nobelpreisträger für Ökonomie, im Interview (best of. Das Fondsmagazin der Sparkasse OÖ 2004, p. 20, Original: www.strategy-business.com/media/file/03409.pdf): über die Rationalität oder Irrationalität sogar bei wichtigen Entscheidungen und über die systematischen Konsequenzen daraus: "Unsere Innovation war, dass wir einige Risikokategorien, die das Ergebnis bestimmter kognitiver Illusionen waren, identifizierten. (...) Was mit Angst passiert, ist, dass Wahrscheinlichkeit nicht viel Bedeutung hat. (...) Emotion wird dominant. (...) Eine der vielen Neigungen bei risikoreichen Entscheidungen ist Optimismus. Optimismus ist eine Quelle für hoch riskantes Denken. Gruppen neigen zu Optimismus. Weiters werden Zweifel durch Optimismus unterdrückt. (...) Die Markt- und Anlagenausschüsse sind in Wirklichkeit die Dynamik von Einzelpersonen, die in einem Konkurrenzverhältnis stehen. (...) Ich bin aber auch fest davon überzeugt, dass sowohl Einzelpersonen as auch Gruppen Mechanismen brauchen, um den Vorgang ihrer Entscheidungen zu überprüfen. Das ist besonders wichtig für Unternehmen, die viele Schlüsselentscheidungen in kurzer Zeit treffen müssen. (...) Was mich erstaunt, wenn ich mit Geschäftsleuten über Entscheidungsanalyse rede, ist, dass man ein Unternehmen hat, das viele Entscheidungen trifft, und es keine Überwachung gibt. Sie versuchen nicht, aus den eigenen Fehlern zu lernen (...). Und das ist kein Zufall. Sie wollen es nicht wissen. (...) Ach, viele werden einen Fehler zugeben. Aber das heißt nicht, dass sie ihre Meinung über etwas Bestimmtes geändert haben. Es heißt nicht, dass sie diesen Fehler jetzt vermeiden können. (...) Entscheidungsträger mögen die Entscheidungstheorie nicht, weil die Basisidee lautet: Entscheidungsfindung ist eine Wahl zwischen Gambles. (...) Die Vorstellung, dass man gambelt, ist ein Eingeständnis, dass man bei einem bestimmten Punkt die Kontrolle verloren hat und dass man jenseits dieses Punktes über keine Kontrolle mehr verfügt. Für Entscheidungsmanager ist es schrecklich; sie lehnen es ab. Und daher lehnen sie die Entscheidungsanalyse ab." 42 Die Gegenposition dazu wird folgendermaßen formuliert (iv positionen, Mai 2008. p. 10): "Auch Unternehmen mit öffentlichem Hintergrund seien marktwirtschaftlich zu führen, meint die IV OÖ (Industriellenvereinigung Oberösterreich; Anm. R.B.) und fordert den Rückzug von Politikern aus den Aufsichtsräten." 43 Karasek und Marterbauer (2009, p. 10): "Freier Wettbewerb mit Ländern, die ihre Arbeitskräfte und die Umwelt ausbeuten, ist allerdings weder fair noch effizient. Auch innerhalb der EU führen Lohn- und Steuerdumping zu unfairem Wettbewerb und einer Erosion der Sozialsysteme, die wirtschaftlichen Wohlstand verringern, statt ihn zu erhöhen." 44 John Christensen, Tax Justice Network, im Interview (derStandard, 17. 4. 2009, derStandard.at, 16. 4. 2009, 09:23 MESZ): "Das Austrocknen von Steueroasen ist nur ein Schritt von vielen hin zu mehr Steuergerechtigkeit. Aber ein sehr wichtiger, bei dem es nicht nur darum geht, dass die Reichen dort versteuern, wo sie leben. Steueroasen sind ein Problem, weil sie nicht transparent sind und damit modernen, offenen und gerechteren Finanzsystemen zuwiderlaufen. Schließlich werden Steueroasen als Drehscheibe für Hedgefonds benutzt. Die verbrieften Schuldverschreibungen, die die Finanzkrise ausgelöst haben, wurden über Steuer-Häfen wie die Cayman Islands oder die Kanalinseln abgewickelt. Österreich scheint eher beim internationalen Konkurrenzieren um die Gelder der Reichen mitzuspielen, hat sich einen Namen im 57 "Wealth Management" gemacht und beim steuerschonenden Vermögensaufbau. Ganz wichtig dabei ist das Stiftungsrecht, das entsprechende Möglichkeiten eröffnet. (...) Die größten Nutznießer von Steueroasen, von den intransparenten Finanzstrukturen, sind die multinational agierenden Konzerne. Mehr als 60 Prozent des weltweiten Handels gehen auf das Konto dieser Unternehmen. Für die sind die Steueroasen ein Geschenk des Himmels. Da werden ganz legal Gewinne dorthin verschoben, wo es opportun ist oder wo man die geringsten Steuern zahlt. Und es wird nie dort Steuer gezahlt, wo die Geschäfte gemacht wurden. Das ist eine große Ungerechtigkeit gegenüber den Entwicklungsländern. Die Konzerne sollen dort versteuern, wo sie tätig sind! Das geht aber nur, wenn vom globalen Bilanzlegen Abschied genommen wird und stattdessen ein 'Country by CountryReporting' eingeführt wird." 45 46 "Die Bezieher von Leistungen österreichischer Pensionskassen hätten europaweit die höchsten Verluste zu tragen. Das sagte der Leitende ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz anlässlich der Präsentation einer Untersuchung. Studienautor Gerald Klec (...) hält fest: 'Kapitalmarktschwankungen wirken sich in den Vergleichsländern in aller Regel wesentlich weniger kräftig auf die Pensionshöhen aus, als das in Österreich der Falle ist.' Bei diesem Vergleich der Pensionskassensysteme von sieben EU-Staaten habe sich gezeigt, dass die Sicherungsmechanismen in Österreich am schlechtesten seien. 'Österreich ist das einzige Land, wo alle Verluste' bei den Betriebspensionen 'voll auf die Arbeitnehmer, auf die Anwartschaftsberechtigten, durchschlagen', kritisierte Achitz (...). Die Arbeitgeber hätten sich ihres Risikos entledigt, die Schutzvorschriften seien aufgeweicht worden, sagte Achitz. Die Pensionskassen könnten Gewinne schreiben, obwohl die Anwartschaften der Leistungsbezieher massiv gekürzt wurden. Die ursprünglich im Pensionskassengesetz verankerte Mindestertragsgarantie wäre 2003 erstmals schlagend geworden, sei dann aber abgeschafft bzw. massiv abgeschwächt worden, kritisierte Achitz. 'Wir verlangen eine gesetzliche Änderung in Richtung Mindestgarantie und mehr Transparenz bei der Veranlagung.' Die Pensionskassen sollten überdies am Risiko beteiligt werden, Menschen sollten leichter aus dem System herauskommen können" (Der Standard, 17. 4. 2009, derStandard.at, 16. 4. 2009, 18:52 MESZ). Ackerman (2008, p. 287): "In a situation with unlimited worst-case risks but limited information about their likelihood, Weitzman proves that the expected value of reducing the worst-case risks is, technically speaking, infinite. In other words, nothing else matters except risk reduction, focused on the credible worst case." 47 Andreas Exner, Kandidat zur AK-Wahl in Kärnten (Offener Leserbrief an die Kärntner Tageszeitung, 13. 4. 2009, http://www.social-innovation.org/?p=1151): "Neoliberale Ökonomen leugneten die Instabilität der Finanzmärkte. Sie unterstellten, dass spekulative Blasen endlos wachsen können. Sie erkannten nicht das Problem, dass die Renditen weit über dem Wirtschaftswachstum lagen." 48 Muhm (2009): "'In den letzten Jahren haben die Unternehmen in Osteuropa Riesengewinne erzielt. Verteilungspolitisch hat das zu einer massiven Schieflage geführt, weil die Arbeitnehmer an den Profiten nicht partizipierten. Jetzt müssen die Steuerzahler auch noch für die wegen des Ostrisikos gestiegenen Risikoaufschläge auf Staatsanleihen büßen, während die Industrie nach Staatshilfe schreit.' Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm ist über die Forderungen der Industrie nach weiteren Entlastungen ziemlich verärgert. IV-Präsident Veit Sorger hatte sich im STANDARD für Staatshilfen im Ausmaß von 'zehn Milliarden plus' für den Sektor ausgesprochen, um die Kapitalaufnahme in Gang zu bringen. Auch die Banken rüf58 felt der AK-Mann: Diese hätten 'die österreichische Kultur der Fremdwährungskredite nach Osteuropa exportiert" und sich und der Republik damit ein ziemliches Problem eingebrockt. "Da kann man nicht einfach sagen, die Banken sind unschuldig an der Lage'." 49 Köhler (2009, p. 7): "Ich bleibe bei meinem Vorschlag, ein Bretton Woods II unter dem Dach der Vereinten Nationen zu organisieren, um eine grundsätzliche Reform der internationalen Wirtschafts- und Finanzordnung voranzutreiben. Wir brauchen ein neues, durchdachtes Weltwährungssystem und ein politisches Verfahren für den Umgang mit globalen Ungleichgewichten." Dabei sollte an den Keynes-Plan von 1944 gedacht werden, der sich in Bretton Woods nicht durchsetzte, weil er statt des US-Dollars eine internationale girale Kunstwährung ("Bancor") sowie einen symmetrischen Anpassungsdruck zwischen Überschuss- und Defizitländern vorsah (Aschinger 1973). Rogoff (2009, in: www.derStandard.at, 1. 4., 18:30 MESZ): "Während manche Regierung der übrigen Welt Geithners Vorstellungen (mit dem USD als faktische Weltwährung; Anm. R.B.) wohlwollend gegenübersteht, gibt es einige Länder, die sich grundlegendere Reformen wünschen. Russland und China stellen den Dollar als Säule des internationalen Systems infrage. In einer durchdachten Rede argumentierte der chinesische Notenbankchef Zhou Xiaochuan für eine globale Superwährung, die ggf. vom Internationalen Währungsfonds ausgegeben werden könnte." Stockhammer (2009, www.beigewum.at/2009/04/was-hat-die-finanzkrise-mit-dereinkommensverteilung-zu-tun/): "Aufgrund ihres Immobilienmarktes und ihres Finanzsystem entwickelten diese Länder (die angelsächsischen Länder, v. a. die USA; Anm.) mit der Deregulierung des Finanzsektors ein scheinbar brillantes System der Nachfrageankurbelung: der Konsum wurde kreditfinanziert und die Kredite durch steigende Immobilienpreise besichert. Dieses kredit-finanzierte Wachstums ging gut, solange die Hauspreise weiter stiegen. Als diese zu fallen begannen, begannen auch die Banken zu krachen. Wie finanzierten die Banken eigentlich dieses Kreditwachstum? Größtenteils nicht über Einlagen, sondern indem sie die Kredite weiterverkauften, teils in Form recht komplizierter Wertpapiere. Und wer kaufte eigentlich diese Papiere? Zu einem Teil internationale Anleger. Das muss so sein: ein Land das Exportüberschüsse (an Gütern) hat, muss auch Kapital exportieren. Indirekt finanzierten damit China, Japan und Deutschland die Kredite für die Immobilienblase. In einem vernünftigen Wechselkurssystem hätten der US-Dollar schon vor Jahren abwerten müssen. Aber im heutigen System sind die Wechselkurse den Märkten überlassen. Die Außenhandelsungleichwichte konnten damit in ungewohnte Höhen steigen." Krugman (2007) zeigt auf, dass die Einhaltung einer Obergrenze für die Dollarhaltung außerhalb der USA höhere Vermögensverluste für FinanzinvestorInnen bewirken würde, als bislang angenommen wird. Allerdings ist er sich über mögliche reale Auswirkungen einer Dollarkrise nicht sehr klar. 50 Prof. Klaus Zimmermann, DIW-Präsident (derStandard.at, 12. 4. 2009, 16:35 MESZ): "'Die neuen Finanzmarktregeln kommen zu spät, und die vergifteten Wertpapiere wurden immer noch nicht durch Bad Banks aus dem normalen Bankgeschäft gezogen', kritisierte er. 'Dies ist ein Staatsversagen auf hohem Niveau und nicht nur ein Problem der Notenbanken'." 51 John Christensen (derStandard, 17. 4. 2009, derStandard.at, 16. 4. 2009, 09:23 MESZ): 59 "Transparente Finanzmärkte sind wichtig für die Demokratie; wenn Transparenz fehlt, unterminiert dies demokratische Strukturen." 52 Stiglitz (2009, www.truthout.org/020409M?print): "At 'just' 25 to 1 leverage, a 4 percent fall in the price of assets wipes out a bank's net worth – and we have seen far more precipitous falls in asset prices. Putting another $20 billion in a bank with $2 trillion of assets will be wiped out with just a 1 percent fall in asset prices." 53 Stiglitz (2009, www.truthout.org/020409M?print): "Eventually, America's economy will recover. Eventually, our financial sector will be functioning - and profitable - once again, though hopefully, it will focus its attention more on doing what it is supposed to do. When things turn around, we can once again privatize the now-failed banks, and the returns we get can help write down the massive increase in the national debt that has been brought upon us by our financial markets." 54 Kramer (2008, S. II). "Die Rettungsaktionen werden alle Budgetdefizite des Staates – des amerikanischen und aller europäischen – von sich aus über den Haufen werfen. Und dazu kommen noch die automatischen Effekte des Konjunkturrückschlags. Vergesst Maastricht!" Karasek/Marterbauer (2009, p. 5, www.stmk.spoe.at/steiermark/kampagnen-projekte/newneue-europaische-wirtschaftspolitik): "Den Pakt für Stabilität und Wachstum temporär aussetzen." 55 "In einer globalisierten Wirtschaft mit sehr mobilem Kapital, wo die Verlagerung zu Niedriglohnländern eine attraktive Möglichkeit für arbeitsintensive Aktivitäten darstellt, stehen die Regierungen im Euro-Gebiet unter zunehmenden Druck, die Steuerbelastung in Grenzen zu halten. Ausgabenkontrolle wird also zum Schlüssel für fiskalische Nachhaltigkeit" (derStandard.at, 12. 7. 2005, 14:22 MESZ). 56 Köhler (2009, pp. 5, 11): "Freiheit ist ein Gut, das stark macht. Aber es darf nicht zum Recht des Stärkeren werden. Denn das ist der Haken an der Freiheit: Sie kann in denjenigen, die durch sie satt und stark geworden sind, den Keim der Selbstüberhebung legen. Und die Vorstellung, Freiheit sei auch ohne Verantwortung zu haben. Freiheit ist kein Vorrecht, die besten Plätze für sich selbst zu reservieren. Wir wollen lernen, Freiheit nicht nur für uns zu nehmen, sondern sie auch anderen zu ermöglichen. Die Glaubwürdigkeit der Freiheit ist messbar: in unserer Fähigkeit, Chancen zu teilen. (...) Wir wollen auch den Wert und die Würde der Arbeit neu entdecken, die Menschen für Menschen leisten." 57 Eymard-Duvernay et al. (2005, p. 21): "If we agree that the coordination of human actions is problematical and not the result of laws of nature or constraints, we can understand that human rationality is above all interpretative and not only or immediately calculative." 58 Rothschild (1999, http://iaes.org/journal/aej/sept_99/rothschild/rothschild.htm): "In fact, the existence of a multitude of paradigms in the social sciences is not necessarily a weakness but only an expression of the complexity of the subject which requires varying 60 special assumptions and perspectives depending on the main questions asked and the contexts in which they are analysed." Fullbrook (2003, pp. 8 f.), zit. n. Garnett (2005, p. 2): "(... pluralism) regards the various 'schools' of economics, including neoclassicalism, as offering different windows on economic reality, each bringing into view different subsets of economic phenomena. (...) (and) rejects the idea that any school could possess final or total solutions, but accepts all as possible means for understanding real-life economic problems." 59 Rothschild (1999, http://iaes.org/journal/aej/sept_99/rothschild/rothschild.htm): "Contrasting with this, the various other theories (...) provide a different picture because the are 'open' theories. This means that while they, of course, also rely on assumptions and deductive methods they do not claim to have a universal and unchangeable theoretical basis of axioms which can serve as a starting point for all and every occasion. Rather they are open for adjustments or additions of new perspectives, possibly borrowed from other social sciences, in order to do more justice to the problem under discussion. This 'open' method is attacked - irrespective of the quality and usefulness of its results - by neoclassical methodologists because they regard such tactics as 'unscientific' when seen from their physics-oriented perspective. The approaches are criticised for lacking 'microeconomic foundations', for introducing 'ad hoc' considerations and so on, in short for not sticking to one generally valid foundation (which also means that they cannot or do not want to have and all-inclusive strict and elegant model." 60 Landesrat Hermann Kepplinger (2008a): "Paul Krugman kritisierte auch schon vor einem Jahr, dass sich die realwirtschaftliche Politik sich nicht um die sozialen, die arbeitsmarkt- und güternachfrageseitigen Auswirkungen der Hypothekarmarktkrise kümmere. Er forderte Umschuldungprogramme speziell für die hart getroffenen Privathaushalte, wie das aus der Entwicklungszusammenarbeit bekannt ist, und bewies damit wieder Verantwortungsbewusstsein. Krugman betonte, dass sich die Wirtschaftspolitik auf Hilfestellung für die moralischen und ökonomischen Opfer der Spekulationen konzentrieren solle. Staatliche Rettungsaktionen wie die üblichen würden bloß den Tätern zu Gute kommen." 61 Skidelsky (2008, N.Y.T., Dec. 20): "Most economists have seen money simply as a means of payment, an improvement on barter. Keynes emphasized its role as a 'store of value'. Why, he asked, should anyone outside a lunatic asylum wish to 'hold' money? The answer he gave was that 'holding' money was a way of postponing transactions. The 'desire to hold money as a store of wealth is a barometer of the degree of our distrust of our own calculations and conventions concerning the future. . . . The possession of actual money lulls our disquietude; and the premium we require to make us part with money is a measure of the degree of our disquietude.' The same reliance on 'conventional' thinking that leads investors to spend profligately at certain times leads them to be highly cautious at others. Even a relatively weak dollar may, at moments of high uncertainty, seem more 'secure' than any other asset, as we are currently seeing. It is this flight into cash that makes interest-rate policy such an uncertain agent of recovery. If the managers of banks and companies hold pessimistic views about the future, they will raise the price they charge for 'giving up liquidity', even though the central bank might be flooding the economy with cash. That is why Keynes did not think that cutting the central bank’s interest rate would necessarily – and certainly not quickly – lower the interest rates charged on different types of loans. This was his main 61 argument for the use of government stimulus to fight a depression. There was only one sure way to get an increase in spending in the face of an extreme private-sector reluctance to spend, and that was for the government to spend the money itself. Spend on pyramids, spend on hospitals, but spend it must. This, in a nutshell, was Keynes’s economics." 62 Jean Claude Juncker, luxemburgischer Premierminister, (Der Spiegel 52/1999): "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt, und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt." 63 Costanza (2009, p. 21, eigene Übersetzung): "(...) eine starke Demokratie, die auf einer gemeinsamen Vision beruht, ist eine wesentliche Voraussetzung für die Errichtung einer nachhaltigen und erwünschten Zukunft." 64 Veit Sorger, Präsident der Vereinigung Österreichischer Industrieller, zit. in: iv-positionen, April 2008, p. 13 (nach vielen Jahren neoliberaler Politik): "Wir brauchen künftig Regierungen, die Österreichs Zukunft nicht zerstreiten, sondern entscheiden." 65 Rothschild (1999, http://iaes.org/journal/aej/sept_99/rothschild/rothschild.htm): "(...) I have singled out neoclassical theory and particularly its show-piece 'General Equilibrium Theory', because it alone among all economic theories adheres - consciously or implicitly - to a more or less Popperian ideal of a 'true science' comparable to the more 'exact' natural sciences with generally valid axioms and 'laws' from which and only from which valid conclusions can be derived. This attitude is a birth-mark of neoclassical theory and stems from the ambition of one of its founders to elevate economics to the same high and prestigious status which natural science had achieved in the 18th and 19th century. This is apparent in Menger's rejection of the historical school as 'unscientific' because it lacks universal 'basic assumptions and shows up particularly clearly in Walras's tremendous achievement with his general equilibrium formulation which (...) was inspired by and modelled on the ideas and methods of mechanical physics." 66 Palley (2009a, pp. 24 f., 27, eigene Übersetzung): "(...) Arbeiter sind wie in einer Box von allen Seiten von einer Politikmatrix eingeschlossen, die aus Globalisierung, Arbeitsmarktflexibilität, einer Betonung auf Inflation (Inflationsbekämpfung; Anm. R. B.) statt Vollbeschäftigung und aus einer Erosion weit verbreiteter wirtschaftlicher Rechte (wie die Sozialrechtsnovelle 1996 beispielhaft verdeutlicht) im Namen eines 'schlanken Staates' besteht. (...) Die Stärke der neoliberalen Politikbox leitet sich von einem neuen Verhältnis zwischen den 'Nebenleistungen' von Kapitalgesellschaften und Finanzmärkten ab (...). Dieses neue Verhältnis wurde financialization genannt (...), und die Box würde ohne es zusammenbrechen. (...) Die Grundlogik ist, dass die Finanzmärkte die Kontrolle über die Kapitalgesellschaften erobert haben, die nun den Marktinteressen und zugleich den Interessen des Top Management dienen. Diese Kombination treibt das Firmenverhalten und die Wirtschaftspolitik an, erzeugt eine wirtschaftliche Matrix, die die Löhne unter ständigen Druck setzt, und erhöht die Einkommensungleichheit. Aus diesem Blickwinkel ist financialization die ökonomische Grundlage des Neoliberalismus. Das neoliberale Paradigma umzukehren, verlangt daher ein Politikprogramm, das sowohl auf die Finanzmärkte als auch auf die Kapitalgesellschaften abzielt, mit dem Ziel, deren Verhalten mit dem größeren öffentlichen Interesse in Übereinstimmung zu bringen. Der Aufbau dieser Box wird vom Mainstream der Wirtschaftstheorie unterstützt (...). 62 Die neoliberale Politikbox ruft nach einer alternativen 'progressiven keynesianischen' Box (...). (1) Globalisierung mit Arbeits- und Umweltstandards, die eine Angleichung nach oben statt eine Abwärtsspirale fördern. (...). (2) Einen ausgewogenen Zugang zum Staat, der in effizienter Weise öffentliche Güter, Krankenversicherung, Sozialversicherung, Bildung und nötige Infrastruktur zur Verfügung stellt. (3. Wiedereinsetzung von Vollbeschäftigung als politische Priorität. (4) Die Förderung von Arbeitsmärkten, die zur Schaffung von Arbeitsplätzen von hoher Qualität anreizen, die faire Löhne ergeben und mit der Produktivität wachsen. (5) Eine Programm für Kapitalgesellschaften, das die Macht des Management beschränkt und die Kontrolle durch AktionärInnen verbessert, der Entlohnung für ManagerInnen Grenzen auferlegt, unproduktive Finanzgeschäfte der Kapitalgesellschaften begrenzt und andere Stakeholder vertritt. (6) Finanzmarktreform, die Regulierungen zusammenführt und stärkt, die Spekulation begrenzt, die Transparenz erhöht und die Zentralbanken mit Instrumenten ausstattet (wie Mindestreserveverpflichtungen für Aktiva), um Wertpapierpreisblasen entgegenzutreten." 67 Palley (2009a, p. 31, eigene Übersetzung): "Das tiefere soziologische Problem ist, dass die akademische Wirtschaftswissenschaft ein Klub ist, in welchem neue Mitglieder von bestehenden Mitgliedern gewählt werden. Heutzutage wählen Klubmitglieder nur jene, die sich dem laufenden dominanten Paradigma verschreiben, und dieses Verhalten wird durch den Wissenschaftsmythos gerechtfertigt. Dies stellt einen hartnäckigen soziologischen Widerstand gegen alternative Standpunkte und die Möglichkeit fundamentalen Wandels dar." 63