288 Originalarbeit Ein Update der Diagnostik bei Juveniler Idiopathischer Arthritis Autor D. Windschall Institut Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Asklepios Klinik Weißenfels, Weißenfels Schlüsselwörter ▶ Juvenile idiopathische ● ­Arthritis ▶Diagnostik ● ▶ Differenzialdiagnostik ● ▶Bildgebung ● ▶Biomarker ● Zusammenfassung Abstract Hintergrund: Die Abklärung einer juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) als Ursache für Gelenkbeschwerden benötigt auch im Hinblick auf die zahlreichen Differenzialdiagnosen eine strukturierte und gründliche Diagnostik in den Händen eines erfahrenen Untersuchers. Neben Anamnese und klinischer Untersuchung können Labordiagnostik und Bildgebung entscheidende Hinweise für das Vorliegen einer JIA liefern. Patienten/Methode: In Abhängigkeit von der Subkategorie der JIA kann sich das Krankheits­ bild unterschiedlich manifestieren. Während das Leitsymptom bei den meisten Subkategorien die Gelenkentzündung ist, können bei der Erst­ manifestation einer systemischen Arthritis Fieber, ein flüchtiges Exanthem oder ein deutlich beein­ trächtigter Allgemeinzustand im Vordergrund stehen. Am Vorgehen einer gründlichen Anam­ nese und eingehenden klinischen Untersuchung hat sich in den vergangenen Jahren kaum etwas geändert. Dagegen zeigen sich in der Bildgebung und Labordiagnostik interessante Entwicklun­ gen, die die Diagnosestellung und das Monitoring der Patienten erleichtern können. Hierzu gehören Entwicklungen in der Ultraschalltechnik und im MRT sowie auch neue Biomarker im Blut, die bei Patienten mit einer JIA bestimmt werden können. Ergebnisse/Schlussfolgerung: Neue Entwick­ lungen in der bildgebenden Diagnostik haben die Diagnosestellung einer JIA sowie die Abgrenzung von Differenzialdiagnosen in den letzten Jahren verbessert. Auch beim Monitoring der Patienten helfen neue bildgebende Techniken die Erkran­ kungsaktivität und das Therapieansprechen zu beurteilen. Biomarker wie die S100-Proteine hel­ fen insbesondere bei der Diagnosestellung einer systemischen JIA und werden zunehmend auch für die Verlaufskontrolle unter Therapie einge­ setzt. Das Fundament einer erfolgreichen Diag­ nostik bleibt aber weiterhin die sorgfältige Anamnese und die klinische Untersuchung. Background: The investigation of juvenile idiopathic arthritis (JIA) as a cause of joint pain needs, in view of the numerous differential diag­ noses, a structured and thorough diagnosis in the hands of an experienced examiner. In addition to medical history and clinical examination, labora­ tory diagnostics and imaging can provide crucial evidence for the existence of JIA. Patients and Methods: Depending on the sub­ category of JIA, the disease can manifest itself in different ways. Whereas the main symptom in most subcategories is the inflammation of joints, the first manifestation of systemic arthritis could be fever, a rash, or a significantly reduced general condition. There were hardly any changes in the process of a thorough medical history and clini­ cal examination in the past few years, where­as interesting developments have appeared in ima­ ging and lab diagnostics, which may facilitate the diagnosis and monitoring of patients. These include developments in ultrasound technology and MRI as well as new biomarkers in the blood, which can be determined in patients with JIA. Results and Conclusion: New developments in diagnostic imaging have improved the diagnosis of JIA, as well as the delineation of differential diagnoses in recent years. Additionally in the ­ ­monitoring of patients new imaging techniques help to assess the disease activity and response to therapy. Biomarkers such as the S100-proteins help especially in the diagnosis of systemic JIA and are increasingly used for the follow-up under ­treatment. The basis of a successful diagnosis is still a careful history and clinical diagnostic ­assessment. Key words ▶ Juvenile idiopathic arthritis ● ▶diagnosis ● ▶ differential diagnosis ● ▶imaging ● ▶biomarkers ● Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1398567 Akt Rheumatol 2015; 40: 288–298 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0341-051X Korrespondenzadresse Dr. Daniel Windschall Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Asklepios Klinik Weißenfels Naumburgerstraße 76 04416 Weißenfels Tel.: + 49/3443/401 780 Fax: + 49/3443/401 254 [email protected] ▼ Windschall D. Ein Update der Diagnostik … Akt Rheumatol 2015; 40: 288–298 ▼ Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. An Update on Diagnostics for Juvenile Idiopathic Arthritis Einleitung ▼ Die Ursache kindlicher Gelenkbeschwerden ist vielfältig. Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates führen Kinder und Jugendliche vor allem zum Orthopäden und Kinderarzt. Hier gilt es eher harmlose Ursachen von einer ernsthaften Kno­ chen- und Gelenkerkrankung differenzialdiagnostisch abzu­ grenzen. Während bei Knochen- und Gelenkverletzungen ein geschildertes Trauma bereits wegweisend ist, können die anam­ nestischen Angaben bei entzündlichen Erkrankungen deutlich variieren. Auch wenn die Anamnese bereits auf eine entzündli­ che Gelenkerkrankung hindeutet, müssen z. B. infektassoziierte, rheumatische, maligne, metabolische oder weitere Krankheits­ bilder in die Differenzialdiagnostik einbezogen werden. Eine Ge­ lenkentzündung tritt am häufigsten im Rahmen einer banalen Infektion, z. B. als Coxitis fugax (Hüftschnupfen), auf. Auch im Rahmen einer Borrelieninfektion kann es z. B. zu einer Gonarth­ ritis kommen. Es gibt zahlreiche Infektionserreger, die als Trig­ ger einer immunologisch ausgelösten Gelenkentzündung in Fra­ ge kommen. Auch die septische Arthritis, die meistens durch Staphylokokken verursacht wird, ist eine wichtige Differenzial­ diagnose der Gelenkentzündung. Die häufigste rheumatische Gelenkentzündung bei Kindern ist die Juvenile idiopathische Arthritis (JIA), die in Europa mit einer Prävalenz von ca. 100/100 000 Kindern und einer Inzidenz von ca. 10/100 000 Kindern vorkommt [1]. Um dieses Krankheitsbild von anderen Gelenkentzündungen und anderen Erkrankungen des kindlichen Bewegungsapparates zu unterscheiden, sollte von einem erfahrenen Untersucher neben einer ausführlichen Anamnese ein eingehender Gelenk- und Körperstatus erhoben werden. Wird die Verdachtsdiagnose einer JIA aufgrund der ty­ pischen Anamnese und aufgrund der klinischen Untersuchung gestellt, können Bildgebung und Labor die entscheidenden Diag­ nostikinstrumente sein, um die Diagnosestellung zu erhärten, die Erkrankung in eine Subkategorie einzuordnen oder die Indi­ kation zu einer entsprechenden Therapie vorzugeben. Die Ver­ besserung der bildgebenden Technik hat in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass eine juvenile idiopathische Arthritis in­ zwischen früher und sicherer erkannt wird und auch im Verlauf genauer beobachtet werden kann. Vor allem der Gelenkultra­ schall und die Kernspintomografie leisten hier einen wesentli­ chen Beitrag [2]. Aber auch in der Labordiagnostik sieht man Entwicklungen, die die Diagnosestellung einer z. B. systemischen Arthritis erleichtern (hohe Konzentration von S100-Proteinen) und in Zukunft möglicherweise auch bei anderen Unterformen der JIA das Monitoring der Therapie optimieren (S100A12) [3, 4]. Die Juvenile idiopathische Arthritis und ihre ­Subkategorien ▼ Nach der aktuellen ILAR-Klassifikation (International League for Associations of Rheumatology) wird die JIA in 7 verschiedene Kategorien eingeteilt. Der Überbegriff JIA ist definiert durch eine mindestens 6 Wochen bestehende chronische Arthritis, deren Beginn vor der Vollendung des 16. Lebensjahres liegen muss und für die es keine andere Ursache gibt. Somit handelt es sich bei der JIA um eine Ausschlussdiagnose. Das Gelenkbefallsmuster, extraartikuläre Manifestationen und Labormarker entscheiden über die Zugehörigkeit zu der jeweiligen Subkategorie. Für jede Kategorie sind auch Ausschlusskriterien definiert ● ▶ Tab. 1. Die JIA ist die häufigste chronisch-entzündliche rheumatische Er­ krankung im Kindesalter. Daten aus der deutschen Kinderkern­ dokumentation zeigen, dass Patienten mit einer JIA das größte Krankenkollektiv in allen kinderrheumatologischen Einrichtun­ gen darstellen [1]. Im Feld der unterschiedlichen Subkategorien stellt die systemi­ sche Arthritis nicht nur eine Ausnahme aufgrund ihrer Erstsym­ ptome, sondern auch aufgrund ihrer unterschiedlichen Patho­ physiologie dar. Während die anderen Kategorien Eigenschaften einer Autoimmunerkrankung (z. B. Autoantikörper bei der Oligo­arthritis) zeigen, weist die systemische Arthritis Zeichen einer autoinflammatorischen Erkrankung auf [5–9]. Inzwischen wurden auch deutsche Therapieleitlinien zur Be­ handlung der JIA und der häufigsten extraartikulären Manifesta­ tion, der ­Uveitis, publiziert [10, 11]. Diagnostik bei der Juvenilen idiopathischen Arthritis ▼ Die Diagnosestellung einer JIA und ihrer möglichen Subkatego­ rie besteht im Wesentlichen aus 3 Diagnoseschritten. Zunächst gilt es, bei Kindern mit Beschwerden am Bewegungsapparat eine Gelenkentzündung von anderen Gelenkbeschwerden abzu­ grenzen. Bereits bei diesem wichtigen ersten Schritt können die Diagnoseinstrumente Anamnese, klinische Untersuchung, Bild­ gebung und Labor entscheidende Hinweise geben. Deuten be­ reits Anamnese und klinischer Befund sicher auf eine harmlose Ursache der Beschwerden hin, wie z. B. nächtliche Arthralgien, darf der erfahrene Untersucher an dieser Stelle auf weitere Diag­ noseschritte verzichten. Ergibt sich aus dem ersten Diagnose­ schritt der sichere Befund einer Gelenkentzündung, gilt es nun im zweiten Schritt die mögliche Ursache der Gelenkentzündung weiter abzuklären. Lassen sich bei diesem zweiten Diagnose­ schritt andere Ursachen für die Gelenkentzündung, wie z. B. eine septische Arthritis oder Lymearthritis, ausschließen, können nun im letzten Schritt der Diagnosestellung weitere Kriterien für die Subklassifikation der chronischen Arthritis erfolgen. Ein er­ fahrener Untersucher wird sicher bereits bei der Anamnese und klinischen Untersuchung Aspekte aller Diagnoseschritte einfü­ gen. Ein schrittweises Vorgehen bei der Diagnosestellung ist aber auch im Hinblick auf den Zeit- und Ressourcenverbrauch sehr sinnvoll. Nicht bei allen Gelenkbeschwerden müssen ANA-Titer und Rheumafaktor mitbestimmt werden. Für die sichere Diagnosestellung einer JIA sind die Instrumente der ausführlichen Anamnese, der eingehenden klinischen Un­ tersuchung, der Labordiagnostik und zusätzlich evtl. ein bewei­ sender bildgebender Befund unabdingbar. Insbesondere bei der Differenzialdiagnostik einer JIA kann z. B. die Bildgebung den entscheidenden Hinweis für das Vorliegen einer anderen Erkrankung des kindlichen Bewegungsapparates liefern. Bei der Differenzialdiagnostik einer systemischen Arthri­ tis können evtl. noch weitere Diagnostikinstrumente wie die Knochenmarkpunktion oder auch ein EKG wichtig sein. Doch nicht nur für die Diagnosestellung, sondern auch für das Monitoring von Krankheitsaktivität und Therapieansprechen sind Diagnostikinstrumente wichtig. So können z. B. Entzün­ dungsmarker oder auch bildgebende Befunde im Verlauf und unter Therapie verglichen und beobachtet werden. Entwicklun­ gen in der Bildgebung und in der Labordiagnostik haben hier insbesondere auch das Monitoring von JIA Patienten verbessert [12, 13]. Windschall D. Ein Update der Diagnostik … Akt Rheumatol 2015; 40: 288–298 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Originalarbeit 289 290 Originalarbeit Tab. 1 Subkategorien der Juvenile idiopathischen Arthritis. JIA- Kategorie Definition Typische Charakteristika Ausschluss- Oligoarthritis Arthritis von 1–4 Gelenken in den ersten 6 Krankheitsmonaten Persistierend: max. 4 Gelenke Erweitert: > 4 Gelenke nach 6 Monaten Arthritis und Enthesitis oder Arthritis und mindestens 2 der folgenden Kriterien: – Druckschmerz der ISG – HLA-B27 – Männlich – Erkrankungsbeginn > 6 Jahre – Akute Uveitis – Ankylosierende Spondylitis – Reaktive Arthritis/Sakroiliitis bei CED – Reaktive Arthritis oder Uveitis bei Angehörigen 1. Grades > 4 Gelenke in den ersten 6 Krankheitsmonaten Rheumafaktor negativ > 4 Gelenke in den ersten 6 Krankheitsmonaten Rheumafaktor positiv (2-mal im Abstand von mindestens 3 Monaten) Mädchen im Kleinkindalter, chronische Uveitis, ANA-Titer positiv Jungen im Schulkindalter, HLA-B 27 positiv, Uveitis anterior, Enthesitis z. B. der Achillessehnen a, b, c, d, e Uveitis, Tenosynovitis Subfebrile Temperaturen, Tenosynovitis, Rheumaknoten, Alter > 10 Jahre, keine Uveitis Uveitis, 2 Krankheitsgipfel (Kleinkinder, Schulkinder) a, b, c, d, e Hohe Entzündungsparameter, keine Uveitis a, b, c,d kriterien Seronegative Polyarthritis Seropositive Polyarthritis Psoriasisarthritis Systemische Arthritis (Still-Syndrom) Undifferenzierte Arthritis Arthritis und Psoriasis oder Arthritis und 2 der folgenden Kriterien: – Daktylitis – Nagelveränderungen – Psoriasis bei Angehörigen 1.Grades Arthritis und Fieber (intermittierend, mindestens 2 Wochen andauernd) und mindestens ein weiteres Kriterium: Flüchtiges Exanthen Lymphadenopathie Hepato-/Splenomegalie Serositis Keiner oder mehr als einer Definition zuzuordnen a, d, e a, b, c, e b, c, d, e Ausschlusskriterien a Psoriasis beim Patienten oder einem Verwandten ersten Grades b c Arthritis bei einem HLA-B27-positiven Jungen nach dem 6. Geburtstag ankylosierende Spondylitis, Enthesitis-assoziierte Arthritis, Sakroiliitis bei CED, reaktive Arthritis oder akute anteriore Uveitis bei Verwandten 1.Grades d IgM-Rheumafaktor positiv bei 2 Untersuchungen im Abstand von mindestens 3 Monaten e Zeichen der systemischen Arthritis Anamnese ▼ In der Kinderrheumatologie ist aufgrund der Vielzahl möglicher Differenzialdiagnosen die Anamnese das Fundament einer er­ folgreichen Diagnostik. Entsprechend muss für die Anamnese ausreichend Zeit, v. a. bei der Erstvorstellung, einberaumt wer­ den. Die Anamnese sollte gründlich, strukturiert und systema­ tisch erfolgen, um keine wichtigen Hinweise auf das Vorliegen einer rheumatischen Erkrankung oder einer wichtigen Differen­ zialdiagnose zu übersehen. Das Anamnesegespräch sollte aber auch dazu beitragen, zwi­ schen dem Untersucher und dem Patienten ein erstes Vertrau­ ensverhältnis zu schaffen. Hier kann sich der Untersucher durch freundliches und einfühlsames Auftreten die nächsten Diagno­ seschritte wesentlich erleichtern. Bei der Anamneseerhebung sollten zunächst die aktuelle Beschwerdesymptomatik und der Vorstellungsgrund abgefragt werden. Wichtige Hinweise für eine Entzündung bei Gelenkbeschwerden können der Zeitpunkt des Auftretens der Gelenkbeschwerden, die Dauer der Schmer­ zen, die Intensität der Schmerzen und das Ansprechen einer Therapie sein. Für eine Gelenkentzündung bei Juveniler idiopa­ thischer Arthritis wären z. B. eine Morgensteifigkeit, belastungs­ Windschall D. Ein Update der Diagnostik … Akt Rheumatol 2015; 40: 288–298 abhängige Beschwerden und eine Besserung durch Kälte oder durch ein nichtsteroidales Antirheumatikum (NSAR) typisch. Neben der Beschwerdesymptomatik sollten weitere äußerliche Auffälligkeiten wie eine Gelenkschwellung, Funktionseinschrän­ kung, ein auffälliges Gangbild oder ein Verlust motorischer Fä­ higkeiten abgefragt werden. Vor allem bei kleinen Kindern müs­ sen auch nonverbale Schmerzäußerungen wie das Vermeiden bestimmter Bewegungen berücksichtigt werden. Neben der ­Gelenksymptomatik müssen weitere Allgemeinsymptome wie Fieber, Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust, Hautauffälligkeiten, Lymphknotenschwellung, Sehstörungen, Muskelschwäche, Bauch­ schmerzen, Kopfschmerzen, Dyspnoe oder Dysurie eruiert wer­ den. Immer wichtig ist auch die Frage nach einem stattgehabten Trauma im Bereich der Gelenke. Familien- und Sozialanamnese sollten zusätzlich erhoben wer­ den. Hierbei gilt es, insbesondere Auskunft über rheumatische Erkrankungen in der Familie, über andere Autoimmunerkrankun­ gen, über die Herkunft der Eltern oder über weitere Gelenkprob­ leme in der Familie, bspw. Schmerzsyndrome, zu erhalten [7]. ▶ Tab. 2 gibt eine Übersicht über wichtige Anamneseaspekte bei ● der Diagnostik einer JIA. Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Enthesitis-assoziierte Arthritis Originalarbeit 291 Anamnese Hinweise für JIA Gelenkbeschwerden > 6 Wochen, schleichender Beginn, Morgensteifigkeit, belastungsabhängige Beschwerden oder nach Ruhephase, nonverbale Schmerzäußerung beim kleinen Kind, Schonhaltung, Schwellung mit Überwärmung, Rücken- oder Fersenschmerzen, Funktionseinschränkung Fieber und Exanthem bei systemischer Form, Augensymptome (z. B. Lichtscheu), Leistungsminderung, Unwohlsein, schuppende ­Hautveränderungen und Nagelveränderungen (Psoriasis) Kein Zeckenstich, keine Durchfallerkrankung, keine Urethritis, keine weitere Infektion, kein Trauma, keine penetrierende Verletzung, keine B-Symptomatik Rheumatische Erkrankungen oder Autoimmunerkrankungen, Psoriasis, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, rezidivierende Gelenkbeschwerden, Rückenschmerzen Sozialer Rückzug, Mißlaune, Fehlzeiten in der Schule, Probleme beim Sport oder bei Wanderungen, Rückschritte in der ­psychomotorischen Entwicklung Zusatzsymptome Eigenanamnese Familienanamnese Sozialanamnese Abb. 1 Klinische Gelenkuntersuchung (kleine Faust). Abb. 2 Klinische Untersuchung (passive Beugung im Kniegelenk). Klinische Untersuchung ▼ Zunächst beginnt man mit einer gründlichen klinischen Unter­ suchung des körperlichen Gesamtstatus. Dieser umfasst die Aus­ kultation von Herz und Lunge, die abdominelle Palpation, den Lymphknotenstatus, den neurologischen und psychomotori­ schen Status, die Geschlechtsentwicklung, den HNO-Status mit Schilddrüse, die Körpergröße bzw. das -gewicht sowie die sorg­ fältige Hautinspektion. Dabei ist v.a bei kleineren Kindern eine vertraute Atmosphäre unter Beteiligung der Eltern wichtig. Bei der Gelenkuntersuchung sollte größte Rücksicht auf die Abb. 3 Klinische Untersuchung (passive Streckung im Kniegelenk). schmerzhaften Gelenke genommen werden. Sehr schmerzhafte Gelenke müssen bequem gelagert oder gehalten werden, damit zunächst alle anderen Gelenke gründlich untersucht werden können. Bei der Erhebung des Gelenkstatus ist es sehr wichtig, systematisch und sorgfältig vorzugehen, damit keine wesentli­ chen Befunde übersehen werden. Begonnen wird mit der Ins­ pektion. Bereits das Hereinlaufen des Kindes in das Untersu­ chungszimmer, der Begrüßungshandschlag oder das Entkleiden des Kindes können wesentliche Hinweise auf das Vorliegen einer Gelenkproblematik geben. Nach der Inspektion erfolgt die Un­ tersuchung aller Gelenkregionen einschließlich der Palpation und Testung der Beweglichkeit. Durch die Palpation sollten Druckschmerzen, eine Überwärmung, eine Schwellung, Ergüsse, Sehnenverdickungen, Krepitationen oder auch Zysten (z. B. pop­ liteal) erfasst werden. Die Untersuchung der Beweglichkeit der meisten Gelenke er­ folgt mit der Neutral-Null-Methode. Hierbei wird in jedem Ge­ lenk die maximale Beugung und Streckung aus der anatomi­ schen Neutralstellung heraus gemessen und beurteilt. Diese ▶ Abb. 1– 3). Berück­ kann passiv und aktiv überprüft werden ( ● sichtigung muss die individuelle Beweglichkeit der Kinder fin­ den, die z. B. bei kleineren Kindern physiologisch größer ist. Ein Seitenvergleich kann hier wichtig sein. Die Kiefergelenke, die Wirbelsäule und das Becken benötigen andere Untersuchungs­ methoden. Bei den Kiefergelenken muss die maximale Mundöff­ nung und eine Deviation zur betroffenen Seite hin beurteilt wer­ den. Der maximale Zahnreihenabstand wird dokumentiert. Bei der Untersuchung von Wirbelsäule und Becken wird zunächst die Körperhaltung, eine Achsabweichung nach lateral, ventral oder dorsal sowie ein Beckenschiefstand erfasst. Ein Befall z. B. Windschall D. Ein Update der Diagnostik … Akt Rheumatol 2015; 40: 288–298 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Tab. 2 Wichtige Anamneseaspekte in der Diagnostik einer JIA. 292 Originalarbeit Tab. 3 Orientierender Gelenkstatus mit typischen Befunden bei JIA. Untersuchung Befunde bei JIA Kiefergelenk eingeschränkte Mundöffnung, Abweichen zur betroffenen Seite, Druckschmerz im Kiefergelenk Einschränkung, Fixierung in Neutralstellung Schmerzen und Einschränkung bei Abduktion, Protraktion Schulter­ gürtel, Schürzengriff nicht möglich keine Überstreckung möglich, fixierte Flexion fixierte Flexion, Ulnarabduktion, meist Erguss palpabel eingeschränkter kleiner oder großer Faustschluss je nach beteiligten Fingergelenken, typische Schonhaltung Flexion Innenrotation zuerst eingeschränkt und schmerzhaft bei Coxitis, ­Druckschmerz ISG, Mennell positiv vergrößerter Abstand Ferse-Gesäß, suprapatellare Schwellung und Überwärmung, Schonhaltung Flexion und Unterschenkel-Außenrotation Plantarflexion/Dorsalextension (oberes Sprunggelenk), im Seitenvergleich Unterschied, verstrichene Außen- und Innenknöchel, ­Supination/Pronation (unteres Sprunggelenk) Schonhaltung leichte Dorsalextension und Supination Gaenslen-Zeichen (Zusammendrücken der Mittelfußknochen), Gaenslen-Zeichen postiv bei Mittelfußbefall, Bewegungsschmerz Zehen, Abrollen mit den Füßen, passive Streckung und Beugung der Hallux valgus bei Beteiligung MTP 1, Zehenschonhaltung Flexion Zehen maximale Mundöffnung (3 Querfinger), Symmetrie der Mundöffnung HWS Retroflexion, Anteflexion, Rotation Schulter Arme hochhalten und durchstrecken, Nacken- und ­Schürzengriff Ellenbogengelenke maximale Streckung und Beugung Handgelenke maximale Streckung und Beugung, Lateraldeviation Finger und kleine und große Faust (proximale/distale sowie Fingergrund­ aumen D gelenke), Fingerstreckung und -spreizung Hüftgelenk, ISG Flexion-, Innen- und Außenrotation im Liegen, Mennell-Manöver (Hyperextension der Hüfte führt zu ISG-Schmerz) Kniegelenk Streckung und Flexion, Abstand Ferse-Gesäß Sprunggelenke Mittelfuß- und Zehen der Brustwirbelsäule oder Lendenwirbelsäule kann zu einer ein­ geschränkten Entfaltbarkeit führen, die sich durch Längenmaße in Neutralstellung und im Vergleich beim Vorbeugen verifizieren lässt (Ott-Zeichen, Schober-Zeichen). Sind die Iliosakralgelenke beteiligt, kann neben dem Druckschmerz auch ein positives Mennell-Zeichen (ISG-Schmerz bei Überstreckung des Beines in Bauchlage) gefunden werden. Neben der direkten Untersuchung der Gelenke sollte bei allen Pa­ tienten auch auf Muskelatrophien und Wachstumsstörungen ­geachtet werden. Ein muskulärer Abbau kann das Vermeiden eines schmerzhaften Bewegungsmusters widerspiegeln und tritt schon nach kurzer Zeit einer Gelenkentzündung auf. Durch die akute Entzündung eines Gelenkes kann es zu einer beschleunigten Ossi­ fikation gelenknaher Knochenstrukturen kommen, was sich z. B. durch eine Beinlängendifferenz zeigen kann. Infolge einer ver­ minderten Belastung bei Arthritis kann es aber auch zu einem Wachstumsrückstand in beteiligten Gelenken kommen [14]. Eine besondere Bedeutung kommt der augenärztlichen Untersu­ chung zum Ausschluss einer Uveitis zu. Etwa 10 % aller Patienten mit einer JIA entwickeln als extraartikuläre Komplikation eine Uveitis anterior [15]. ▶ Tab. 3 zeigt Beispiele der orientierenden Gelenkuntersuchung ● und mögliche pathologische Befunde bei JIA. Labordiagnostik ▼ Mit der Laboruntersuchung allein kann die Diagnose einer juve­ nilen idiopathischen Arthritis nicht gestellt werden. Sie kann aber im Kontext von Anamnese, Klinik und Bildgebung entschei­ dende Hinweise für die Ursache einer Gelenkentzündung oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Unterkategorie der Juve­ nilen idiopathischen Arthritis geben. Ihre Hauptrolle spielt die Labordiagnostik vor allem in der Diffe­ renzialdiagnostik. Bei Erstmanifestation einer Arthritis gehören zum Basisprogramm der Labordiagnostik ein vollständiges Blut­ bild mit Differenzierung und mikroskopischem Ausstrich sowie die Serum-Chemie mit Elektrolyten, Alkalischer Phosphatase, LDH, ASAT, ALAT, CK, Phosphat, Harnsäure und Kreatinin. Wich­ tige Entzündungsparameter sind CRP, BSG und Ferritin. Keiner dieser Parameter ist spezifisch für die Juvenile idiopathische Ar­ Windschall D. Ein Update der Diagnostik … Akt Rheumatol 2015; 40: 288–298 thritis. Insbesondere bei der Oligoarthritis kann eine Erhöhung von Entzündungsparametern völlig fehlen. Bei der Polyarthritis und bei der systemischen Arthritis sind die Entzündungspara­ meter meistens erhöht. Eine massive Erhöhung von Ferritin sieht man bei der systemischen JIA. Auch eine Erhöhung der Thrombozyten und Leukozyten kann bei der SJIA als Entzün­ dungsparameter gewertet werden. Deuten Anamnese und klini­ sche Untersuchung auf eine infektassoziierte Arthritis hin, muss die Basisdiagnostik um eine entsprechende Erreger-Serologie erweitert werden (z. B. Yersinien, Salmonellen, Shigellen, Cam­ pylobacter bei vorausgegangener Enteritis). Doch selbst bei ­negativer Anamnese sollten bestimmte Erreger immer in die dif­ ferenzialdiagnostischen Überlegungen und Untersuchungen einbezogen werden. Bei einer Gonarthritis sollte immer eine Borrelienserologie erfolgen. Bei Fieber und reduziertem Allge­ meinzustand muss auch immer eine septische Gelenkentzün­ dung ausgeschlossen werden. Blutkultur und Gelenkpunktion dienen schließlich dem Nachweis des Erregers. Eine besondere Bedeutung in der Differenzialdiagnostik hat die Abgrenzung von ­Malignomen. Auch im Rahmen einer Leukämie kann es z. B. zu Gelenk- und Knochenschmerzen bis hin zu einer Arthritis kom­ men. Weist ein Kind weitere verdächtige Symptome wie Abge­ schlagenheit, Fieber oder eine Milzvergrößerung auf, muss die Diagnostik um eine Knochenmarkpunktion erweitert werden. Vor allem bei der Erstmanifestation einer SJIA spielt die KMP eine wichtige Rolle in der Differenzialdiagnostik. ▶ Tab. 4 zeigt wichtige Differenzialdiagnosen mit entsprechen­ ● der Labordiagnostik. Immunologische Parameter dienen in der Diagnosestellung ei­ ner JIA vor allem der subkategorischen Zuordnung und Abschät­ zung von Risiken und Prognose. Ein wichtiger immunologischer Parameter ist der Titer für die ANA (antinukleären Antikörper), die mit Hep-2-Zellen in der indirekten Immunfluoreszenz nach­ gewiesen werden. Meistens weisen sie bei der JIA ein unspezifi­ sches gesprenkeltes Muster auf. Doch sie sind nicht spezifisch für die JIA und kommen in niedrigen Titern auch in der Normal­ bevölkerung vor. Vor allem bei der Oligoarthritis zeigen sie ein gehäuftes Vorkommen und gelten als Risikofaktor für Komplika­ tionen wie eine Uveitis. Rheumafaktoren sind IgM-Antikörper, die gegen den Fc-Teil des IgG gerichtet sind und klassischerwei­ se bei der Rheumafaktor-positiven Polyarthritis zu finden sind. Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Gelenk Originalarbeit 293 Tab. 4 Beispiele für Differenzialdiagnosen der JIA mit möglichen bildgebenden und labordiagnostischen Nachweismethoden. Diagnose Mögliche Symptome Bildgebung/Labor Coxitis fugax Gelenkschmerz/Schonhaltung/Bewegungs­ einschränkung Gelenkschmerz/Schonhaltung/Gelenkschwellung/-überwärmung/Meistens Gonarthritis oder Ellenbogenarthritis Arthritis, Hautveränderungen, Gefäßveränderungen, Raynaud-Symptomatik, Organbeteiligung Ultraschall (Coxitis), Labor in der Regel unauffällig Kollagenosen Leukämie Osteosarkom/Ewingsarkom Osteoidosteom Neuroblastom Epiphysiolysis capitis femoris M. Perthes weitere aseptische Knochennekrosen Osteochondrosen Bakterielle Osteomyelitis nicht bakterielle Osteomyelitis Frakturen Weichteiltrauma Hypermobilität Schmerzverstärkungssyndrome Stoffwechselerkrankungen (z. B. Mukopolysaccharidosen) Knochenschmerzen/Müdigkeit/Anämie Schmerzen/evtl. lokale Schwellung nächtlicher Knochenschmerz Knochenschmerzen/Bluthochdruck/Tachykardie Hüftschmerzen/Schonhaltung/Bewegungs­ einschränkung Hüftschmerzen/Schonhaltung/Bewegungs­ einschränkung Gelenk- und Knochenschmerzen/Schonhaltung Schonhaltung/Bewegungseinschränkung Gelenk- oder Knochenschmerz/Schonhaltung/ Schwellung/Fieber Gelenk- und Knochenschmerzen/Schonhaltung/ Bewegungseinschränkung/Arthritis/Palmar- und Plantarpustulose Gelenk- und Knochenschmerzen/Schonhaltung/ Fehlstellung Schmerzen/Schwellung/Schonhaltung/Bewegungseinschränkung Arthralgien, Gelenkluxation Gelenkschmerzen/Muskelschmerzen/Kopfschmerzen/Bauchschmerzen Gelenkschmerzen/Leber-, Milzvergrößerung Sie gelten nur dann als positiv, wenn sie 2-malig in einem Min­ destabstand von 3 Monaten nachgewiesen werden können. Sie dienen vor allem der Subklassifizierung, können aber vorüber­ gehend auch bei Infektionen oder bei Kollagenosen erhöht sein. Antikörper gegen Cyclische Citrullinierte Proteine (CCP-AK), die bei der Rheumatoiden Arthritis des Erwachsenen zu finden sind, spielen bei der JIA eine untergeordnete Rolle. Bei Positivität kön­ nen sie möglicherweise auf einen schwereren Verlauf mit un­ günstiger Prognose hinweisen. Weitere Autoantikörper, z. B. ­gegen extrahierbare nukleäre Antikörper (ENA) oder Anti-Neut­ rophilen-zytoplasmatische Antikörper (ANCA) haben nur für die Differenzialdiagnostik anderer Autoimunerkrankungen (z. B. Kollagenosen oder Vaskulitiden) eine Bedeutung. Genetische Untersuchungen gehören nicht zum Basisprogramm. Bei einer Arthritis kann der HLA-B27-Trägerstatus für die Subklassifika­ tion (Enthesitis-assoziierte Arthritis, Spondylarthritis) und für die Differenzialdiagnostik (Vorkommen bei infektassoziierter Arthritis) genutzt werden. Weitere genetische Untersuchungen sind nur in der erweiterten Differenzialdiagnostik notwendig (z. B. Fiebersyndrome). Die Bestimmung der Serumimmunglo­ buline sollte zum Ausschluss eines Immundefektes im Rahmen der Arthritisdiagnostik erfolgen. Häufiger findet man einen IgA-Mangel bei der JIA. Das Gelenkpunktat wird diagnostisch zum Nachweis einer Ent­ zündung und insbesondere bei septischer Arthritis zur Erreger­ bestimmung genutzt. Analysiert werden in der Regel Farbe, Ultraschall (Synovialitis), Labor (Western-Blot: IgG-Banden ­positiv), Punktat (PCR) MRT (Dermatomyositis), Kapillarmikroskopie (Lupus, Sklerodermie), Labor (evtl. ANA, ENA, dsDNA-AK), 24 h-Sammelurin (Eiweiß), Muskelenzyme Blutbild/Blutausstrich/Knochenmarkpunktion Röntgen, MRT Ansprechen auf Acetylsalicylat, MRT, selten CT notwendig 24-Stunden-Sammelurin (Katecholamine), Szintigrafie, MRT Röntgen, MRT Ultraschall, Röntgen, MRT Röntgen, MRT Röntgen, MRT Labor (Entzündungsparameter), Ultraschall, Röntgen, ­Kernspintomografie MRT, Ganzkörper-MRT, Röntgen, Labor unspezifisch, ­Knochenbiopsie (lymphoplasmazelluläres Infiltrat) Röntgen Ultraschall, MRT Ultraschall Druckschmerzpunkte, unauffälliges Labor Anamnese, Metabolitnachweis (Urin, Serum, enzymatische Bestimmung) Menge, Trübung, Viskosität, Zellzahl und Zellart, die Aufschluss über die Art der vorliegenden Gelenkentzündung geben können. Typisch für eine septische Arthritis wären eine deutlich erhöhte Zellzahl (z. B. > 50 000/mm³) mit überwiegend neutrophilen Gra­ nulozyten. Auch eine Borrelien-PCR aus dem Gelenkpunktat ist möglich, aber nur gering sensitiv. Bei der JIA zeigt sich meistens ein gelbliches, leicht trübes Gelenkpunktat mit verminderter Viskosität und einer Zellzahl zwischen 2 000–20 000/mm³. Der Befund darf aber nicht als spezifisch und beweisend eingestuft werden. Zunehmenden Einsatz in der Abklärung und im Verlaufsmonito­ ring der JIA findet die Bestimmung der Kalzium-bindenden S100-Proteine MRP8, MRP14 und S100A12. MRP8 und MRP14 charakterisieren einen entzündlich-aktivierten Makrophagen­ typ und können bei massiver Erhöhung für das Vorliegen einer systemischen JIA sprechen. Bei einer Infektion oder einer Leukä­ mie zeigten sich in einer Studie deutlich niedrigere Werte [3]. Die Bestimmung der S100A12-Proteine könnte sich in Zukunft auch zu einem wichtigen Verlaufsparameter bei anderen Subka­ tegorien der JIA entwickeln. In einer Studie mit 137 JIA-Patien­ ten mit polyartikulärer Verlaufsform zeigten nach Absetzen der Biologika-Therapie die Patienten mit höheren S100A12-Protei­ nen ( > 120 ng/ml) den Trend zu einer früheren Reaktivierung der JIA als die Patienten mit niedrigeren S100A12-Proteinen [3, 4, 7, 16, 17]. Windschall D. Ein Update der Diagnostik … Akt Rheumatol 2015; 40: 288–298 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Lymearthritis Bildgebung ▼ Die bildgebende Diagnostik hat sich inzwischen auch in der Kin­ derrheumatologie zu einem unverzichtbaren Baustein in der Diag­nostik einer JIA entwickelt. Sie bestätigt und dokumentiert nicht nur den klinischen Befund, sondern sie trägt inzwischen auch ganz wesentlich zur Differenzialdiagnostik, zur Klassifizie­ rung und zum Therapiemonitoring bei JIA bei [2, 18–25]. Für die Diagnosestellung einer JIA ist die Röntgenbildgebung zunächst nicht zwingend notwendig. Sie kann aber im Rahmen der Diffe­ renzialdiagnostik zur Abgrenzung von Traumafolgen, Knochen­ nekrosen, Knochenentzündungen, Knochentumoren oder auch z. B. Stoffwechselstörungen sinnvoll sein. Im schweren Krank­ heitsverlauf kann die Röntgenbildgebung für den Nachweis und die Kontrolle von Wachstumsstörungen, destruktiven Verände­ rungen, aber auch Reparationsvorgängen eingesetzt werden ▶ Abb. 4). Die Notwendigkeit einer Röntgenuntersuchung sollte ( ● immer unter den Gesichtspunkten der Strahlenbelastung und des möglichen Einsatzes anderer bildgebender Verfahren streng überprüft werden. Zum Goldstandard der bildgebenden Diag­ nostik bei der JIA hat sich inzwischen eindeutig die Arthrosono­ grafie entwickelt. Durch ihren einfachen Einsatz in der Sprech­ stunde und täglichen Routine gelingt es mit ihrer Hilfe, wichtige Differenzialdiagnosen auszuschließen und die entzündliche Be­ teiligung von Gelenken und Sehnen vor allem an den Extremitä­ ▶ Tab. 5). Zum Einsatz kommen tengelenken sicher darzustellen ( ● hochfrequente Linearapplikatoren, die Gelenkergüsse, eine syno­ viale Hyperplasie und auch oberflächliche Erosionen sicher ­darstellen können. Hier ist der Gelenkultraschall der Röntgen­ bildgebung deutlich überlegen. Durch Hinzunahme eines Farb­ doppler- oder Powerdopplerverfahrens können Rückschlüsse auf die Vaskularisation und Entzündungsaktivität einer Synovia­ ▶ Abb. 5– 11). Aktuell litis oder Tenosynovitis gezogen werden ( ● werden in laufenden Studien Normbefunde, pathologische Be­ funde und Standardisierungen, z. B. Entzündungsscores, für Kin­ der überprüft und validiert. Wenige Pilotstudien konnten zei­ gen, dass mit dem Gelenkultraschall auch eine klinisch silente Arthritis nachgewiesen werden kann. Somit wird dem Ultra­ schall in Zukunft sicher auch eine entscheidende Rolle zur Ein­ schätzung einer Remission zukommen. Ein weiteres wichtiges bildgebendes Verfahren für die Darstellung der Arthritis, Teno­ synovitis und begleitenden Osteitis ist die Kernspintomografie. Durch ihre technischen Möglichkeiten ist sie aktuell das einzige bildgebende Verfahren, welches das Frühstadium einer Arthritis in allen Körpergelenken darstellen kann. Nachteile sind der hohe Zeit- und Kostenfaktor. Insbesondere bei kleinen Kindern mit Bewegungsdrang gelingt eine Kernspintomografie häufig nur unter Sedierung mit Überwachung. In bestimmten Gelenkregio­ nen (z. B. Kiefergelenk, Wirbelsäule und Iliosakralgelenk) oder zur Abklärung eines Knochenödems und zur Abgrenzung wich­ tiger Differenzialdiagnosen (z. B. nichtbakterielle und bakterielle Osteomyelitis, Malignom usw.) ist das MRT die bildgebende Me­ thode der Wahl. Zum Nachweis von Knochenödem und Synovia­ litis werden in der Regel STIR-Sequenzen (fettsupprimierte T2Wichtung) eingesetzt. Gegebenenfalls kann auch der Einsatz von ▶ Abb. 12, 13). Leider fehlen auch Kontrastmittel sinnvoll sein ( ● bei der Kernspintomografie validierte Entzündungsscores und Standards für Kinder und Jugendliche. Interessant für die Kin­ Abb. 4 Knöcherne Destruktion am MCP 2 bei einer 13-jährigen Patientin mit Rheuma­ faktor-positiver Polyarthritis. Abb. 5 Suprapatellarer Longitudinalschnitt: 14-jähriger Patient mit Gonarthritis und Erguss im Recessus suprapatellaris. Tab. 5 Arthrosonografische Zeichen bei JIA. Arthritiszeichen Sonografische Technik, Besonderheiten Echoarmer bis echofreier Gelenkerguss Kapselanhebung echoarme bis echoreiche ­Synovialishyperplasie knöcherne Erosion Hypervaskularisation Ossifikationsbeschleunigung B-Bild in 2 Ebenen, kleine Ergüsse an distalen Extremitäten im Kleinkindalter schwer vom Knorpel abgrenzbar B-Bild, konkav bis konvex angehoben, Messung Knochen-Kapsel-Abstand ist im Seitenvergleich möglich B-Bild in 2 Ebenen, echoreicher als Erguss, auch zottenartige Gebilde, im Farbdoppler bei Arthritis hypervaskularisiert B-Bild in 2 Ebenen, Größe kann ausgemessen werden Powerdoppler, hohe Empfindlichkeit für kleine Gefäße und langsame Blutströmung einstellen, keine Artefakte erzeugen B-Bild in 2 Ebenen, Seitenvergleich der Epiphysenverknöcherung bei chronisch verlaufender Arthritis Windschall D. Ein Update der Diagnostik … Akt Rheumatol 2015; 40: 288–298 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 294 Originalarbeit Originalarbeit 295 a b Abb. 7 a, b Kleiner Erguss im MTP 1, Ultraschall mit Hockey-Sonde. a b Abb. 8 a Dorsaler Longitudinalschnitt über dem Handgelenk. b Tenosynovitis der Strecksehnenfächer bei JIA im dorsalen Längsschnitt über dem ­Handgelenk bei einer 4-jährigen Patientin mit Oligoarthritis. derrheumatologie sind auch neuere Entwicklungen von bildge­ benden Verfahren wie z. B. der Einsatz der fluoreszenzoptischen Bildgebung bei Arthritiden im Bereich der Hände. In der Diffe­ renzialdiagnostik werden auch Verfahren wie das Ganzkör­ per-MRT (z. B. Nachweis einer nicht bakteriellen Osteomyelitis) oder neuere nuklearmedizinische Verfahren wie die Positro­ nen-Emissions-Tomografie (PET) oder die Hybridbildgebung (PET-MRT) vor allem zum Ausschluss von Malignomen einge­ setzt. Ein älteres aber renommiertes bildgebendes Verfahren in der Differenzialdiagnostik einer Kollagenose ist die Kapillarmikros­ kopie. Mit modernen Lichtmikroskopen können spezifische Ver­ änderungen im Kapillarbett nachgewiesen werden und somit das Vorliegen einer Kollagenose eingrenzen. Festzuhalten bleibt, dass alle bildgebenden Verfahren nur im Kontext der Anamnese und klinischen Untersuchung interpre­ tiert werden sollten. Ob der alleinige Befund einer kernspinto­ mografisch gesicherten synovialen Reizung mit geringem Kno­ chenödem ausreichend für die Diagnosestellung einer Arthritis ist, lässt sich aktuell nicht beantworten. Hier sind weitere Stan­ dardisierungen, Erfahrungen und Studien zwingend notwendig. Diese Erfahrung konnte auch bei der Gelenksonografie gewon­ nen werden. Inzwischen ist dem erfahrenen Ultraschalluntersu­ cher kindlicher Gelenke bekannt, dass auch viele gesunde Kinder Windschall D. Ein Update der Diagnostik … Akt Rheumatol 2015; 40: 288–298 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Abb. 6 Suprapatellarer Longitudinalschnitt im Seitenvergleich. Ossifikationsvorsprung der Patella linksseitig bei chronischer Gonarthritis links. 3-jährige Patientin mit Psoriasisarthritis. 296 Originalarbeit und Jugendliche kleine Flüssigkeitsansammlungen im Recessus suprapatellaris aufweisen. Die Bildgebung wird für die Diagnostik und Verlaufskontrolle ­einer JIA sicher zunehmend Bedeutung haben. Physiologische Befunde sollten nicht fehlinterpretiert werden, damit keine Übertherapie erfolgt. ▶ Tab. 3 zeigt Beispiele für den Einsatz der Bildgebung in der ● ­Differenzialdiagnostik. Schlussfolgerung und Fazit für die Praxis Abb. 9 Tenosynovitis der Strecksehnenfächer bei einer 4-jährigen Patientin mit JIA im dorsalen Transversalschnitt über dem Handgelenk. Hypervaskularisation im Power-Doppler. a b Windschall D. Ein Update der Diagnostik … Akt Rheumatol 2015; 40: 288–298 Die Diagnosestellung einer JIA sollte durch einen erfahrenen Un­ tersucher sorgfältig und strukturiert mit den Diagnosewerkzeu­ gen der Anamnese, klinischen Untersuchung, Labordiagnostik und Bildgebung vorgenommen werden. Die Diagnose JIA ist eine Ausschlussdiagnose, die nur durch die Abgrenzung der wichtigs­ ten Differenzialdiagnosen gesichert werden kann. Es gibt keine beweisenden Laborparameter. Auf der Grundlage einer kom­ pletten Anamnese und eingehenden klinischen Untersuchung können Labor und Bildgebung jedoch entscheidend zur Diagno­ sestellung und Kategorisierung einer JIA beitragen. Insbesonde­ re die Entwicklungen in der Labordiagnostik und Bildgebung prägen die moderne kinderrheumatologische Diagnostik sowohl bei der Basisuntersuchung als auch Verlaufskontrolle. Eine zu­ mindest einfache Ultraschalleinheit sollte in keiner kinderrheu­ matologischen Sprechstunde fehlen. Biomarker und Bildgebung werden in Zukunft wichtige Stützen zur Remissionsbeurteilung sein. Abb. 10 a Enthesitis der Achillessehne rechts­ seitig bei einem 15-jährigen Patienten mit JIA. b Im ­Ultraschall Verdickung und inhomogene ­Echotextur der Achillessehne rechts. Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. ▼ Originalarbeit 297 b Literatur Abb. 12 Im MRT (T2 fettsupprimiert) Bursitis iliopsoas linksseitig bei einer 6-jährigen Patientin mit HLA-B27 positiver Enthesitis-assoziierter Arthritis. Abb. 13 MRT mit Kontrastmittel. Gonarthritis mit KM-Enhancement der Synovialis bei einer 4-jährigen Patientin mit Oligoarthritis. Interessenkonflikt: Grant/ research support from Pfizer Pharma. 1 Minden K, Niewerth M. Rheumakranke Kinder und Jugendliche. ­Monatsschrift Kinderheilkunde 2012; 160: 237–243 2 Damasio MB, Malattia C, Martini A et al. 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