Praxisorientiertes Bildungsangebot aus meinem Tätigkeitsfeld

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A World of Difference - im Kontext von Bildungszielen und -strategien
Regina Piontek
1. Interkulturelle Kompetenz ist als Schlüsselqualifikation in einer globalisierten Welt und für das
Leben und Arbeiten in der Migrationsgesellschaft unumstritten. Je nach Perspektive wird der Begriff
unterschiedlich definiert und umfasst eine Reihe von Teilkompetenzen: Ambiguitätstoleranz,
Akkomodationsfähigkeit,
Akzeptanzgrenzen erkennen, Perspektivwechsel vornehmen können,
Dissensbewusstsein, Empathiefähigkeit, Flexibilität, Kommunikationsfähigkeit, Fähigkeit zur
Metakommunikation, Offenheit, Rollendistanz, Selbstreflexivität – um einige zu nennen.
2. Abhängig vom Kontext, in dem interkulturelle Kompetenz „gelernt“ oder als Qualifikation erwartet
wird, hat sie unterschiedliche Funktionen. Einige seien beispielhaft genannt: sie bereitet auf eine
Auslandstätigkeit vor, sie ist Anforderungsprofil für soziale Arbeit oder Schlüsselqualifikation für
Führungspersonal, sie wird verstanden als soziale Basiskompetenz für das Leben und Arbeiten in der
Migrationsgesellschaft oder sie wird verstanden als notwendige Voraussetzung, um
Machtasymmetrien und Marginalisierungsprozesse im Sinne von Partizipation und sozialer
Gerechtigkeit zu verändern.
3. Interkulturelle Lernangebote in institutionalisierten Zusammenhängen finden sich außer in Schule
vor allem in der Politischen Bildung und der Wirtschaft. Zunehmend gewinnen Trainingsprogramme
in diesen Lernangeboten an Bedeutung. Sie können unterschieden werden nach Trainings off-the-job
und on-the- job. Das hier erwähnte Programm findet in beiden Kategorien seinen Platz. Eine weitere
Unterscheidung kann vorgenommen werden zwischen kulturspezifischen Angeboten, die eine
kognitive und erfahrungsbezogene Auseinandersetzung mit konkreten Zielgruppen intendieren und
kulturübergreifende Trainings, in denen es um die allgemeine Sensibilisierung und
Kompetenzerweiterung für Begegnung, Kommunikation und Handeln in interkulturellen
Zusammenhängen geht. Hier wäre Eine Welt der Vielfalt zuzuordnen. Unterscheidet man in der
Typologisierung von Bildungsansätzen nach Lernformaten, nehmen Trainingsprogramme eine
Zwischenstellung zwischen Bildungs- und Begegnungsformaten ein: in strukturierten Settings werden
von den Teilnehmern Erfahrungen gemacht, die reflektiert werden und in theoretische
Zusammenhänge eingeordnet werden können. Kennzeichnend für Trainingsprogramme ist, dass sie oft
ein kohärentes didaktisches Konzept für das Training, aber unterschiedliche theoretische
Referenzrahmen haben, die nicht immer als solche expliziert werden.
4. Jeder interkulturelle Bildungsansatz hat eine eigene, nicht immer explizierte Werte- und
Normenorientierung und begriffliche und theoretische Bezugssysteme. Eine Welt der Vielfalt ist ein
Trainingsprogramm gegen Rassismus und Diskriminierung, das die Anti-Defamation League und das
von ihr gegründete A WORLD OF DIFFERENCE®-INSTITUTE in den USA entwickelt haben. Das
Programm versteht sich als Sensibilisierungs- und Aktionsprogramm, das sich mit jeder Form von
Rassismus und Diskriminierung gegenüber Anderssein beschäftigt. Ziel des Programms ist es, den
Einzelnen zu befähigen, angemessen – nicht diskriminierend - mit gesellschaftlicher Pluralität
umzugehen und kultureller Vielfalt offen zu begegnen.
5. Der im Programm verwandte Kulturbegriff ist ein dynamischer, der Kultur als veränderbare
Konstruktion versteht. Die Situationsgebundenheit von Kultur wird betont. Ethnische/nationale Kultur
ist folglich nur ein Identitätsmerkmal von vielen in der Konstruktion von sozialen Identitäten eines
Individuums. Die multikulturelle und multiple Identität jedes Einzelnen wird in der Interaktion mit
seinem sozialen Umfeld ständig neu geschaffen. Entsprechend geht es im Training nicht um die
Vermittlung von Kenntnissen über Kulturen, sondern um die Erhöhung von Wahrnehmungsfähigkeit
und Sensibilität für Unterschiede und Gemeinsamkeiten in ihrem spezifischen Kontext.
6. Dem Programm liegt eine positive Menschenbildannahme zugrunde, wie sie in der Humanistischen
Psychologie vertreten wird. Sie drückt sich in durchgängigen Prinzipien des Programms aus: der
positiven Stärkung des Selbstwertgefühls, der Förderung von Selbstreflexivität und Autonomie, dem
dialogischen Konzept sowie der Verantwortlichkeit des Einzelnen. Dies setzt bestimmte
Rahmenbedingungen voraus wie z.B. vertrauensvolle Atmosphäre, gegenseitiger Respekt und die
Einhaltung von Kommunikationsregeln
7. Interkulturelles Lernen in diesem Trainingsprogramm beruht auf einem umfassenden, komplexen
und andauerndem Prozess, der individuelle selbstreflexive Phasen und kommunikative Phasen
beinhaltet, in denen soziale Erfahrungen gemacht und gemeinsam reflektiert werden können.
Vorhandene, biografisch überlieferte und bewährte Deutungen werden durch den kommunikativen
Vergleich und die Erfahrung neuer Deutungsmuster zu neuen Deutungen entwickelt. Mit diesem
Konzept wird die Nähe zum pädagogischen Konstruktivismus deutlich, nach dem Lernen nicht die
Vermittlung von Inhalten, sondern die Reflexion eigener Deutungen ist.
.
8. Der Begriff der Differenz ist nicht identisch mit dem Begriff der Ungleichheit: Interkulturelle
Beziehungen sind vielfach durch Machtasymmetrien (Status-, Rechtsungleichheit, Wohlstandsgefälle)
gekennzeichnet. Auch dieser Aspekt findet im Programm Berücksichtigung, indem Reflexion und
Austausch nicht nur auf der individuellen, sondern auch auf der systemischen Ebene angeregt werden
(Systemtheorie als ein weiterer Bezugsrahmen). Mechanismen von struktureller Unterdrückung und
Machtkonstellationen im eigenen Handlungsfeld können erkannt und thematisiert werden. Damit
bietet das Programm Ansatzpunkte für Organisationsentwicklungen im Sinne von Managing
Diversity.
9. Das Trainingsprogramm setzt beim Einzelnen an und will ihn motivieren, in der jeweiligen
sozialen Rolle Verantwortung für dialogische Kommunikation und Engagement für demokratischen
Umgang mit Vielfalt zu entwickeln.
Es ist handlungsorientiert und ist in der aktuellen
politikdidaktischen Debatte dem Demokratie-Lernen zuzurechnen.
10. Die Bewältigung gesellschaftlicher Probleme der Migrationsgesellschaft und ihre demokratische
Gestaltung erfordert immer mehr von allen Individuen in ihrer Lebens-, Lern- und Arbeitswelt
interkulturelle Kompetenz. Entsprechende Trainingsprogramme können einen wichtigen Beitrag zur
Befähigung des Einzelnen haben, demokratisch mit Vielfalt umzugehen. Im Sinne von
Zukunftsverantwortung sind Träger von Politischer Bildung als auch Wirtschaftsunternehmen gefragt,
die Verantwortung für die Initiierung interkultureller Lernprozesse zu ermöglichen und einen
entsprechenden Rahmen für Bildungsprojekte zu schaffen.
11. Der individuellen Kompetenz des Einzelnen steht die Herausforderung an Unternehmen und
Institutionen gegenüber, im Sinne von Managing Diversity Strukturen zu schaffen, in denen
interkulturelle
Kommunikation
und
Partizipation
möglich
sind.
Prozessorientierte
Kommunikationsstrukturen, wie sie in Trainingsprogrammen häufig anzutreffen sind, können einen
wichtigen Beitrag leisten, um kulturell bedingte Schwierigkeiten in Organisationen deutlich werden zu
lassen und positive Lösungen für Veränderungen zu finden.
12. Schnittstellen von Wirtschaft und Politischer Bildung ergeben sich da, wo gemeinsam an
strukturellen Veränderungen gearbeitet wird: z.B. an der systematischen Verankerung von
interkulturellem Lernen in der Berufsbildung, an der freiwilligen Einführung von Qualitätsstandards
und Zertifizierungen, an gezielten Bildungs- und Förderprogrammen im Sinne von positive actions.
Sozial- und bildungspolitische Programmstrukturen ( wie z.B. Leonardo, Equal, Xenos) bieten eine
hilfreiche Struktur, um gemeinsame Netzwerke zu schaffen: Im Bremer Netzwerk-Xenos Leben und
Arbeiten in Vielfalt kooperieren freie Bildungsträger mit Betrieben und staatlichen
Bildungsinstitutionen. Basismodul für die Qualifikation der Moderatoren in diesem Projekt ist das
Programm Eine Welt der Vielfalt.
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