Unternehmen sucht dringend Nachfolger - mh

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Praxisberichte
Betriebsführung
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„Unternehmen sucht
dringend Nachfolger“
4. Der Unternehmer verbindet mit dem
Thema Nachfolge den Tod.
Die mir bekannten Positivbeispiele zeigen,
dass eine rechtzeitig begonnene und professionell geplante Unternehmensnachfolge all diese Befürchtungen nicht wahr
werden lässt. Im Gegenteil: Ein zu langes
Zögern provoziert geradezu, dass die
erwähnten Ängste in Erfüllung gehen.
Jährlich stehen rund 71.000 Unternehmen mit insgesamt
680.000 Beschäftigten in Deutschland zur Übergabe an.
Aber die meisten Unternehmer ignorieren das Nachfolgethema. Über Nachfolgestrategien sprachen wir mit
Dr. Holger Morbitzer von der HMO Management Consult.
Was versteht man unter
einem Notfallplan?
Morbitzer: Der Notfallplan beinhaltet das,
was benötigt wird, um im Fall eines längeren Ausfalls eines Unternehmers die Familie und sein Unternehmen so weit wie möglich schadlos zu halten. Auf der Seite der
Familie sind besonders Vollmachten für die
Wahrnehmung der Vermögensangelegenheiten und gesundheitliche Fürsorge relevant und natürlich muss der Lebensunterhalt für die Familie sichergestellt werden.
kannten Ort aufzubewahren. Ein verantwortungsbewusster Unternehmer erstellt
einen Notfallplan kurze Zeit nach der Gründung bzw. Übernahme des Unternehmens.
Der Notfallplan hat engen Bezug zum
Thema Unternehmensnachfolge. Jede
vierte Unternehmensnachfolge geschieht
unerwartet, da sie aufgrund von Krankheit
oder Unfall spontan erzwungen wird. Ohne
einen vorhandenen Notfallplan tritt in solchen Fällen nicht selten das Schlimmste ein,
die Insolvenz.
Die Zahlen des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn (IfM) belegen regelmäßig
die Brisanz des Themas: Jährlich stehen
ca. 71.000 Unternehmen mit insgesamt
680.000 Beschäftigten zur Übergabe an.
Der Nachfolgeprozess ist ein komplexer und
langfristiger Prozess, der von den ersten
Überlegungen bis zur Einarbeitung des
Nachfolgers fünf bis zehn Jahre in Anspruch
nimmt. Wenn man zehn Jahre annimmt,
dann müsste sich heute sogar jeder dritte
Unternehmer mit seiner Nachfolge beschäftigen. Die Realität sieht leider anders aus.
34,3 % ungeplant
Alter
Wechsel in andere
Tätigkeiten
(z. B. Ehescheidung, Streit,
Aussteiger)
46.500 Unternehmen
mit 444.000 MA
5.800 Unternehmen
mit 55.000 MA
65,6 %
8,1 %
unerwartet
(z. B. Krankheit, Unfall)
18.600 Unternehmen
mit 179.500 MA
26,3 %
70.900
übergabereife Unternehmen
mit 678.000 Mitarbeitern
Quelle: IfM, Unternehmen mit Umsatz von über 50 T€
Notfallplan
Analysephase
Konzeptionsphase
Umsetzungsphase
Übergangsphase
Abschluss
Quelle: IfM, Unternehmen mit Umsatz von über 50 T€
Für einen Unternehmer ist ein Testament
zwingend erforderlich, da Erbengemeinschaften und womöglich das Vormundschaftsgericht als Vertreter eines minderjährigen Kindes unbedingt vermieden werden müssen. In der Praxis haben jedoch
weniger als die Hälfte aller Unternehmer
ein Testament.
Auf der Seite des Unternehmens sind Stellvertreter mit entsprechenden Vollmachten
auszustatten. Passwörter, Schlüssel und
andere wichtige Dinge wie Lieferkonditionen und Besonderheiten zu großen Kunden sind festzuhalten und an einem be-
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Dr. Holger Morbitzer verfügt
über 20 Jahre Industrie- und Beratungserfahrung und ist seit zehn
Jahren unternehmerisch tätig. 2001
gründete er die HMO Management
Consult in Pulheim, die sich auf die
Themen Unternehmensnachfolge,
Finanzierung und Partnersuche konzentriert. Seit dieser Zeit ist er als
Nachfolge-Coach für Übergeber und
Übernehmer tätig.
www.hmo-consult.de
Welche Relevanz
hat das Thema Unternehmensnachfolge?
Morbitzer: Das Thema Notfallplan und
Unternehmensnachfolge ist nach wie vor
relevant. Daran haben wider erwartend
auch die Vorgaben im Zusammenhang
mit Basel II nichts geändert.
Die meisten Unternehmer ignorieren insbesondere das Nachfolgethema nach wie
vor systematisch, obwohl jeder sechste
Unternehmer sich derzeit mit seiner
Nachfolge beschäftigen müsste. Dies gilt
quer durch alle Branchen.
Warum beginnen viele Unternehmer erst so spät sich mit ihrer
Nachfolge zu beschäftigen?
Morbitzer: Einige Eltern tun sich schwer, ihre
Kinder aus dem Haus gehen zu lassen. Viele
Eigenheimbesitzer tun sich im Alter schwer,
in eine altersgerechte Immobilie zu wechseln, auch, wenn das Treppensteigen zur
Qual wird. Fast alle Unternehmer tun sich
schwer, sich von ihrem Lebenswerk zu trennen. Die Verschiebung des Themas wird mit
„handfesten“ Argumenten gegenüber sich
selbst, der Familie und Dritten untermauert:
„Ich bin doch gerade in den besten Jahren“,
„Momentan ist so viel zu tun“, „Die steuerlichen Rahmenbedingungen sind unklar“,
„Mein Steuerberater kümmert sich darum“.
In Wirklichkeit verbirgt sich dahinter häufig
einer von folgenden vier Gründen:
1. Angst des Verlustes von
Geld, Macht und Status
2. Der Unternehmer hält sich
für unersetzlich
3. Der Unternehmer weiß nicht, wie er sich
ohne sein Unternehmen beschäftigen
sollte
www.tga-praxis.de · MODERNE GEBÄUDETECHNIK 11/2006
Welche Übergabelösungen
trifft man in der Praxis an?
Morbitzer: Mit knapp 44 % stellt die familieninterne Nachfolge nach wie vor die häufigste Variante dar. Allerdings ist diese Zahl
seit Jahren rückläufig und nur wenige
Unternehmen schaffen es in die dritte oder
gar in die vierte Generation. In etwa 10 %
aller Fälle wird die Nachfolge durch Mitarbeiter des Unternehmens angetreten
(Management Buy Out), wobei auch dieser
Anteil abnimmt. Gestiegen ist der Anteil der
Verkäufe, wobei ca. 17 % auf externe Füh-
seine eigene Nachfolge professionell
durchzuführen. Viele Unternehmer überschätzen sich und beginnen ihre Nachfolge
ohne Abstimmung mit einem Nachfolgeprofi zu planen. Häufig treten zu einem
späteren Zeitpunkt Probleme auf, die
dann ein Nachfolgeberater richten soll.
Diese Art der Gespräche führe ich sehr
ungern, da häufig bereits große Vermögenswerte vernichtet wurden und auch
mit großem Einsatz nur noch mittelmäßige
Ergebnisse erzielbar sind.
Wie sieht der zeitliche Ablauf
einer Unternehmensnachfolge aus?
Morbitzer: Die Planung und Umsetzung
einer Nachfolge ist eine sehr individuelle
Angelegenheit. Die Nachfolge muss nicht
nur dem Übergeber und dem Übernehmer
auf deren Leib geschneidert werden, sondern zudem die Besonderheiten der beiden Unternehmerfamilien und des Unternehmens mit seinen Mitarbeitern berück-
Empfehlungen an Unternehmer
● Nachfolgethema frühzeitig angehen (ca. 55 Jahre)
● nicht das operative Geschäft vernachlässigen (Notartermin)
● Unternehmen übergabefähig machen: klarer Fokus, klare Strukturen, Transparenz,
●
●
Problempunkte beseitigen (Pensionszusage)
Nachfolgeprofis hinzuziehen
worst case-Betrachtung durchführen: Konsequenz eines Unfalls für Familie und Unternehmen? (1/4 aller Nachfolgen geschehen unerwartet)
Ein nicht vorhandener Notfallplan ist unverantwortlich.
rungskräfte (Management Buy In) und
ca. 21 % auf sonstige Verkäufe wie Wettbewerber, Investoren u. a. entfallen. Bei dem
verbleibenden Rest von ca. 8 % lautet die
Übergabelösung „Stilllegung“, bei kleinen
Unternehmen beträgt der Anteil der Stilllegungen über 11 %. Zugegeben, nicht alle
Unternehmen können dauerhaft überleben, aber unter den Stilllegungen befinden
sich viele Unternehmen, die nur deshalb
stillgelegt werden, weil der Unternehmer es
versäumte, sich rechtzeitig mit dem Nachfolgethema auseinander zu setzen. Das ist
nicht nur unternehmerisch fahrlässig, sondern hinterlässt jährlich mehr als 6.000 frustrierte Unternehmer und Unternehmerfamilien, deren Altersversorgung vernichtet
wird. Außerdem verlieren dabei mehr als
34.000 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz. Wir
haben es also mit einem volkswirtschaftlichen Problem erster Güte zu tun.
Wie sollte der Unternehmer
seine Nachfolge planen?
Morbitzer: Ganz einfach: „professionell“!
Dreh- und Angelpunkt ist ein Profi, der
definitionsgemäß seine Tätigkeit berufsmäßig ausübt und über ein erhöhtes Maß
an Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten verfügt. Von Ausnahmen abgesehen
ist ein Unternehmer daher nicht geeignet
MODERNE GEBÄUDETECHNIK 11/2006 · www.tga-praxis.de
sichtigen. Schließlich sind alle betroffen.
Grundsätzlich weist der Nachfolgeprozess
die Phasen Analyse, Konzeption, Umsetzung, Übergang und Abschluss auf.
Als erstes empfehle ich jedem Unternehmer, spätestens einige Jahre nach der Gründung seines Unternehmens einen Notfallplan zu entwickeln und die notwendigen
Punkte schriftlich festzuhalten und bei einer
Person seines Vertrauens zu hinterlegen.
Was die Unternehmensnachfolge aus
Altersgründen angeht, so empfehle ich,
fünf bis zehn Jahre vor Abschluss der Nachfolge mit der Analyse zu beginnen. Für viele
Unternehmer erscheint dies viel zu lang,
aber man muss berücksichtigen, dass allein
aus steuerlichen Gründen (Sperrfristen) in
manchen Situationen eine Wartezeit von
drei bis zehn Jahren erforderlich ist. Ein
möglicherweise geplanter Unternehmensverkauf muss mit mindestens ein bis zwei
Jahren kalkuliert werden; die Einarbeitung
eines Nachfolgers schlägt nochmals mit ein
bis drei Jahren zu Buche.
Was sind die häufigsten Fehler
seitens des Unternehmers?
Morbitzer: Oft bedarf es eines schlechten
Ereignisses, damit der Unternehmer beginnt, über eine Nachfolge nachzudenken.
Solche Ereignisse können sein eine Krank-
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heit des Unternehmers, die Kinder oder leitende Mitarbeiter verlassen das Unternehmen, die Ehefrau droht mit Scheidung oder
die wirtschaftliche Situationhat sich verschlechtert. Weitere häufige Fehler sind:
• Es wird versäumt eine vom Unternehmen
unabhängige Altersversorgung aufzubauen.
• Die Komplexität und Emotionalität der
familieninternen Nachfolge wird unterschätzt.
• Die Kaufpreisverhandlungen werden ungenügend vorbereitet.
• Es wird versäumt einen Notfallplan aufzustellen bzw. ein Testament ohne den
Rat eines Experten aufzusetzen.
Was empfehlen Sie unseren
Lesern hinsichtlich der Planung
von Notfallplan und Nachfolge?
Morbitzer: Die eigene Nachfolge sollte frühzeitig angegangen werden; auch das gehört
zum erfolgeichen Unternehmertum. Nicht
das operative Geschäft vernachlässigen. Das
Unternehmen übergabefähig machen: klarer Fokus, klare Strukturen, Transparenz und
vor allem die Problempunkte beseitigen;
hier denke ich z. B. an das leidige Thema der
Pensionszusagen. Der Unternehmer sollte
sich nach der Übergabephase aus dem operativen Geschäft heraushalten.
Der Unternehmer muss seine Mitarbeiter
zum richtigen Zeitpunkt in den Nachfolgeprozess einbeziehen. Ein zu früher oder zu
später Zeitpunkt führt zum Verlust wichtiger Mitarbeiter. Der Mitarbeiter muss Verständnis für den Unternehmer aufbringen,
für den die Nachfolge keine leichte Sache ist.
Was ist bei der Auswahl eines
Nachfolgeberaters wichtig und wie
findet der Unternehmer einen
geeigneten Berater?
Morbitzer: Ein Nachfolgeberater muss mit
allen Aspekten der Nachfolge vertraut sein,
über praktische Erfahrung verfügen und
auf ein großes Netzwerk von Spezialisten
wie Steuerberater, Rechtsanwälte, Notare,
Personalberater, Banken, Versicherungen
und andere Spezialberater zurückgreifen
können. Psychologische Kenntnisse und
eigene unternehmerische Erfahrung sind
sehr nützlich. Kontaktdaten erhält der
Unternehmer über Beraterdatenbanken,
die von den Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und Wirtschaftsförderungsgesellschaften geführt
werden. Die höchste Treffsicherheit erreicht
der Suchende sicherlich über eine Empfehlung, da der Beratermarkt sehr unübersichtlich ist und keine funktionstüchtige Qualitätssicherung existiert. Sehr viele Informationen werden über das Internet zur
Verfügung gestellt. Es gibt eher zu viel als
zu wenig Informationen. Ich empfehle das
Nachfolgeportal nexxt (www.nexxt.org).
Herr Dr. Morbitzer, wir
danken für das Gespräch.
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