Ein neues Silicat-Anion:[Si (NCS) 6] 2

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Ein neues Silicat-Anion: [Si(NCS)6]2
A N ew Silicate Anion: [Si(N C S)6]2
Wolfgang H eininger, R olf Stucka und Günter Nagorsen*
Institut für A norganische Chemie der U niversität M ünchen, M eiserstraße 1, D-8000 M ünchen 2
Z. N aturforsch. 41b, 702—707 (1986); eingegangen am 7. Februar 1986
New H exacoordinated Anionic Silicon Complex, H exaisothiocyanatosilicate, Synthesis,
IR Spectra, X-Ray Spectra
Crystalline salts of the new hexa-co-ordinated silicon complex anion [Si(NCS)6]2~ were obtained
by stoichiometric reaction of Si(NCS)4 with N E t4NCS, NM e4NCS or [D A B C O -2M e](N C S )2 in
acetonitrile. T heir crystallographic data were determ ined:
[NEt4]2[Si(NCS)6]: tetragonal, P 4 2/m. a = 1049 pm, c — 1546 pm , Z = 2.
[NMe4]2[Si(NCS)6]: rhom bohedral, a = 879 pm, a = 83.2°, Z = 1.
[D A B C O -2M e][Si(N C S)6]: triclinic, a = 933 pm, b = 1511 pm, c — 899 pm, a = 105.8°, ß =
96.3°, y = 103.5°, Z - 2.
The X-ray structure analysis of [NEt4]2[Si(NCS)6] shows silicon to be coordinated nearly octahedrally by the nitrogen atom s of two linear and four slightly bent NCS groups. The m ean Si —N,
N —C and C —S bond lengths are 182.1 pm, 115.2 pm and 160.3 pm , respectively.
IR spectra are reported. The positions of the [Si(NCS)6]2- bands are discussed in context with
the structure.
E inleitung
E rgebnisse und D isk u ssio n
D ie Darstellung von H exaisothiocyanato-Kom plexen der Elem ente der 4. Hauptgruppe in der Oxida­
tionsstufe IV ist bisher nur beim Germanium und
Zinn beschrieben, jedoch nicht beim Silicium. W äh­
rend man bereits eine Vielzahl von [Sn(NCS)6]2~Salzen kennt [1—3], wurden nur die Alkalisalze und
das Amm onium salz des [G e(N C S)6]2~-Anions isoliert
[4], D ie Nachbarelem ente des Siliciums bilden eb en ­
falls vergleichbare K om plexe, nämlich K3[A1(NCS)6]
[5] bzw. [N(n-C5H n )4][P(N C S)6] [6].
Im folgenden wird über die Darstellung und Charak­
terisierung einiger Salze des neuen Hexaisothiocyanatosilicat-Anions berichtet. [Si(N C S)6]2- ist der vierte
Vertreter aus der R eihe der hexakoordinierten SilicatAnionen des Typs [SiX6]2~ (X" = negativ geladener
einzähniger Ligand) nach [SiF6]2~, [Si(CH3C O O )6]:_
[7] und dem kürzlich als [NEt4]+-Salz erhaltenen
[Si{NCCr(CO)5}6]2- [8],
Darstellung und Eigenschaften
* Sonderdruckanforderungen an Prof. D r. G. Nagorsen.
Verwendete A bkürzungen:
D ABCO:
1.4-Diazabicyclo[2.2.2]octan;
[DABCO • 2 Me]2+: 1,4-D im ethyl-1,4-diazoniabicyclo[2.2.2]octan.
V erlag der Zeitschrift für Naturforschung. D-7400 Tübingen
0340-5087/86/0600-0702/$ 01.00/0
D ie R eaktion von N E t4NCS mit Si(N C S) 4 im m o­
laren Verhältnis von 2:1 ergibt in hoher A usbeute
[NEt4]2[Si(N C S)6]:
2 N E t4NCS + Si(N C S) 4
[NEt4]2[Si(N C S)6]
D ie Um setzung ist in geeigneten Lösungsmitteln
bereits bei Raumtemperatur in w enigen Stunden
vollständig. N och rascher verläuft sie bei erhöhter
Temperatur.
D ie Verbindung wurde durch eine vollständige
Elem entaranalyse, eine Röntgenstrukturanalyse so­
wie IR-spektroskopisch charakterisiert.
D ie Synthese und Untersuchung weiterer Salze
des [Si(NCS)6]2~-Anions ist zur Z eit noch im Gange.
Bisher konnten durch analoge R eaktion auch
[NMe4]2[Si(N C S)6] und [D A B C O -2 M e][Si(N C S)6]
kristallin isoliert werden. Von diesen beiden V erbin­
dungen wurden nach analytischer und IR-spektroskopischer Charakterisierung die Zelldaten durch
Einkristallaufnahmen ermittelt.
Alle Salze sind in reinem Zustand farblos. Bei
Aufbewahrung unter trockener N 2-Atm osphäre bei
8 °C und Lichtausschluß bleiben sie m onatelang un­
verändert. A n Luft zersetzen sie sich nur langsam
unter Gelbfärbung. D agegen werden sie in Lösung
auch von geringen W asserspuren im Lösungsmittel
Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung
in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der
Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:
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für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the
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to allow reuse in the area of future scientific usage.
W. Heininger et al. • Ein neues Silicat-Anion: [Si(NCS)h]2
rasch hydrolysiert. D ies läßt auf eine teilweise
Komplexdissoziation des A nions [Si(N C S)6]2~ in
Lösung schließen, so wie das auch bei verdünnten
Lösungen von [G e(N C S)6]2- [4], [Ti(N CS)6]2- [9]
und [Tc(NC S)6]2_ [10] in A cetonitril der Fall ist.
D ie [Si(NCS)6]2--Salze sind löslich in polaren
aprotischen Lösungsmitteln wie A cetonitril oder
A ceton, unlöslich in apolaren w ie M ethylenchlorid,
Chloroform, Tetrachlorkohlenstoff, Benzol und
Toluol.
Röntgenstrukturanalyse und Kristalldaten
Wichtige D aten der Strukturuntersuchung von
[NEt4]2[Si(NCS)6] sind in Tab. I zusammengefaßt.
Abb. 1 zeigt eine Ansicht der Elem entarzelle. D ie
Struktur des A nions einschließlich der Bindungslän­
gen ist in A bb. 2 dargestellt. D ie zugehörigen Bin­
dungswinkel enthält Tab. II.
Silicium ist mit sechs NCS-Gruppen über den
Stickstoff koordiniert. D ie N-K oordination steht im
Einklang mit dem Konzept von Pearson [12]. D ie
harte Lewis-Säure Si4+ bildet die stabilere Bindung
mit dem harten Stickstoff-Ende der Lewis-Base
NCS~. Bedingt durch die Raumgruppe ist die A tom ­
folge S 3 —C 3 —N 3 —S i—N 3 '—C 3' —S3' linear und
Kristallsystem
Raumgruppe
G itterkonstanten
Volumen der E Z
Zahl der Form eleinheiten
Dichte
Kristallform
Kristallgröße (ungefähr)
D iffraktom eter
M eßtem peratur
Strahlung, Wellenlänge
linearer Absorptionskoeffizient
F(000)
20-M eßbereich
Anzahl der gemessenen Reflexe
Anzahl der sym m etrieunabhängigen Reflexe
Anzahl der beobachteten Reflexe
Strukturlösung und -Verfeinerung
Anzahl der verfeinerten Param eter
maximale D ifferenzelektronendichte
Ä-Wert
R w-W ert
703
spiegelbildlich. Bei den übrigen vier IsothiocyanatoLiganden in der Spiegelebene beobachtet man am
C-Atom nur eine geringfügige Abw eichung von der
Linearität, am N -A tom eine A bw eichung um etwa
10°. N —C —S-W inkel von annähernd 180° und
M —N —C-Winkel zwischen 160 und 180° sind die R e­
gel bei Isothiocyanato-Kom plexen [13, 14]. In der
Kristallstruktur von Si(N C S) 4 wurde ein S i—N —CWinkel von 172,5° gefunden [15].
D ie Bindungslängen innerhalb der Kom plexligan­
den liegen mit 115,2 pm für den m ittleren N —C-Abstand und 160,3 pm für den mittleren C —S-Abstand
im selben Bereich wie bei anderen IsothiocyanatoKomplexen [14].
D ie mittlere Si—N-Bindungslänge von 182,1 pm ist
deutlich länger als in tetrakoordinierten Siliciumver­
bindungen mit NCS- (oder N C O -)Substituenten. G e­
fundene Si—N -A bstände von 168,8 pm für Si(N C O )4
[16], 170,4 pm bzw. 171,4 pm für H 3SiNCS [17, 18],
173,5 pm für Ph3SiNCS [19] und 178 pm für
M e3SiNCS [20] spiegeln die hohe Bindungsordnung
der Si—N-Bindungen in diesen Verbindungen wider.
Der Si—N-Abstand im A nion [Si(N C S)6]2~ ent­
spricht etwa dem nach der R egel von Schomaker und
Stevenson [21] für die Si—N-Einfachbindung berech­
neten Wert von 180 pm. D ie S i—N-Bindungslängen
tetragonal
P42/m (Nr. 84)
a = 1049 pm
c = 1546 pm
V = 1701 • 106 pm3
Z = 2
drönt = 1,244 g/cm3
dexp = 1,248 g/cm3
quadrat. Bipyramide
0,2 x 0,2 x 0,5 mm3
Nicolet R 3
R aum tem peratur
MoK„, 71,069 pm
/u = 4,45 cm “ 1 (keine A bs.-K orr.)
676
4 -5 0 °
11993
1569
1479 mit I > 2 ct(I)
SHELXTL-Programm system, [11]
statistische M ethoden
alle A tom e anisotrop (H isotrop)
96
+0,48 • 10“6 e/pm3
-0 ,3 1 • 10“6 e/pm3
0,0718
0,0727 (w = l/(cr(F ) + 0,0003 F2))
Tab. I. [N Et4]2[Si(NCS)6]:
D aten zur R öntgenstruktur­
analyse.
704
W. H eininger et al. • Ein neues Silicat-Anion: [Si(NCS)6]2
Abb. 2. O RTEP-Bild des A nions [Si(NCS)6]2~; Schwingungsellipsoide mit 20% A ufenthaltsw ahrscheinlichkeit
(R aum tem peraturm essung); Bindungslängen in pm (Stan­
dardabweichungen der Längenangaben: 0,4—0,8 pm); die
Winkel sind in Tab. II angegeben.
Abb. 1. Packung der Ionen in der Elem entarzelle von
[NEt4]2[Si(NCS)6]. Ein [Si(NCS)6]2_-Anion ist über die
G renzen der Elem entarzelle hinaus vollständig dargestellt.
Die H -Atome wurden der Ü bersichtlichkeit halber nur bei
2 Ethylgruppen mit eingezeichnet.
in den angeführten tetrakoordinierten Verbindungen
liegen zwischen diesem W ert und dem berechneten
Wert [22] von 162 pm für die Si=N -D oppelbindung.
Analoge Verhältnisse kennt man bei SiF4 und den
Fluorosilicaten [SiF6]2~.
Die Kristalldaten der beiden anderen untersuch­
ten Salze, [NM e4]2[Si(N C S)6] und
[DA BCO • 2 M e][Si(NC S)6] , sind in Tab. III bzw.
Tab. IV zusam mengestellt.
[NEt4]2[Si(NCS)6] ist nach unseren Informationen
das erste H exaisothiocyanato-K om plexsalz eines
Elements in der O xidationsstufe IV, dessen vollstän­
dige Kristallstruktur bestim mt wurde. Einige wenige
Tab. II. Bindungswinkel zu A bb. 2 (Standardabw eichun­
gen 0 ,2 -0 ,5 °).
Tab. III. [NMe4]2[Si(NCS)6]: Kristalldaten.
N 1—Si—N2
89,5°
S i-N l-C l
169,6°
Si —N 2 —C2
173,4°
N l-C l- S l
178,8°
N 2 -C 2 -S 2
178,7°
Die übrigen Winkel betragen bedingt durch die Raum gruppe
exakt 180 bzw. 90°.
Kristallsystem
G itterkonstanten
Volumen der E Z
Zahl der Form eleinheiten
Dichte
rhom boedrisch
a = 879 pm
a = 83,2°
V = 666 • 106 pm 3
Z = 1
drönt = 1,309 g/cm3
dexp = 1,306 g/cm3
705
W. Heininger etal. • Ein neues Silicat-Anion: [Si(NCS)6]2
Bei der Suche nach bekannten Verbindungen,
die mit dem rhomboedrisch kristallisierenden
[NMe4]2[Si(NCS)6] isotyp sind, fiel auf, daß
[NMe4]2[Tc(NCS)6] kubisch indiziert werden konnte
[25], also zum analogen Si-Komplex nicht in Isotypiebeziehung steht, während überraschend das
Tc(V)-Komplexsalz [NM e4][T c(N C S)6] rhom bo­
edrisch mit a = 884 pm und a = 82,9 ° kristallisiert
[10], also mit Gitterkonstanten, die denen des
Si(IV)-Komplexes sehr ähneln.
Tab. IV. [D ABCO • 2 Me][Si(NCS)6]: K ristalldaten.
Kristallsystem
G itterkonstanten
triklin
a
b
c
a
ß
— 933 pm
= 1511 pm
= 899 pm
— 105,8°
96,3°
=
103,5°
v = 1165 • 106 pm3
z = 2
^rönt = 1,479 g/cm3
^exp = 1,473 g/cm'1
y =
Volumen der E Z
Zahl der Form eleinheiten
Dichte
IR-Spektren
damit potentiell isotype Verbindungen wurden je­
doch schon röntgenographisch durch Pulver- oder
Einkristallaufnahmen charakterisiert.
Einkristallaufnahmen ergaben, daß
[NEt4]2[Ti(NCS)6] tetragonal in der Raumgruppe
P42/mbc (oder P 42bc) mit a = 2101 pm, c = 1543 pm
und Z = 8 kristallisiert [23], D ie Ti-Verbindung kri­
stallisiert also in einem dem Si-Komplex sehr ähnli­
chen Gitter mit einer c-A chse nahezu gleicher Länge
und einer a-Achse doppelter Länge.
Von [NEt4]2[Zr(N C S)6] und [NEt4]2[H f(N C S)6]
sind nur Pulverdaten veröffentlicht (d-W erte und
relative Intensitäten von je 17 R eflexen) [24]. Sie
zeigen eine auffallende Ähnlichkeit mit dem Pulver­
diagramm von [NEt4]2[Si(N C S)6]. D iese drei Ver­
bindungen scheinen isotyp zu sein, jedenfalls soweit
das aus den begrenzten und etwas ungenauen Daten
des Zr- und H f-K om plexes geschlossen werden
kann. Eine Berechnung der A chsen unter V erwen­
dung von jew eils 12 eindeutig indizierbaren Reflexen
ergab a — 1055 pm und c — 1560 pm für
[NEt4]2[Zr(NCS)6] sowie a — 1055 pm und c —
1570 pm für [NEt4]2[H f(N C S)6],
In Festkörper-Spektren beobachtet man häufig
eine Aufspaltung der Banden gegenüber dem IRSpektrum derselben Substanz in Lösung. D ieser
Effekt beruht auf einer Erniedrigung der Symmetrie
infolge von W echselwirkungen durch die Teilchen­
packung im Kristallgitter. W egen der Gefahr teilw ei­
ser Komplexdissoziation in Lösung und zur V erm ei­
dung störender Lösungsmittelbanden wurde den­
noch in KBr aufgenom m enen Spektren der Vorzug
gegeben.
Bei den in Tab. V angegebenen IR -D aten der drei
untersuchten [Si(NCS)6]2_-Salze handelt es sich um
die Maxima der infolge der Aufspaltung teilweise
strukturierten Banden des [Si(N C S)6]2_-A nions. D ie
Banden der organischen G egenionen wurden durch
Vergleich mit IR-Spektren ihrer H alogenide er­
kannt, so daß auch die schwächeren der verbleiben­
den, bei allen drei Salzen auftretenden, Banden als
[Si(NCS)6]2--Banden identifiziert werden konnten.
D ie Zuordnungsvorschläge wurden aufgrund be­
kannter Kriterien [14, 28] und von V ergleichen mit
Spektren des Si(N C S) 4 und des „freien“ N C S“-Ions
(Tab. V) gemacht.
Tab. V. Charakteristische IR -B anden [cm ‘] der untersuchten [Si(NCS)6]2 -Salze und von Vergleichsverbindungen.
Verbindung
VCN
KNCS („freies“ N CS“)
2053 vsa
746 m
Si(NCS)4
1998 w s
1078 vs
[NEt4]2[Si(NCS)6]
[NMe4]2[Si(NCS)6]
[DABCO • 2 Me][Si(NCS)6]
2092 s
2106 s
2105 s
vcs
794 shb-c
785 wc
787 wc
2 <5(Si)NCS
969
948
1122
962
913
906
911
m
m
m ,sh
m
mc
mc
mfc
^(Si)NCS
486
471
—560
484
464
459
458
m
m
m, sh
m
sd
sd
sd
vSiN
_
^NSiN
_
598 vs
290 m
514 sd
500 sd
499 sd
331 w
331 w
339 w
Phase
Lit.
KBr
[261
Lösung in
CS,
KBr
KBr
KBr
[271
e
e
e
a Intensitätsangaben: v = sehr, s = stark, m = mittel, w — schwach, sh = Schulter; b Bande des [N Et4] -K ations bei
783 m; c zur Z uordnung Vcs/2<5SiNCS siehe Text; d zur Zuordnung <3SiNCS/vSiN siehe Text; e diese A rbeit; f überlagert durch
Bande des [D ABCO • 2 M e]2+-Kations.
706
W. Heininger et al. • Ein neues Silicat-Anion: [Si(NCS)6]2
D ie hohe Intensität der CN-Valenzschwingung ist
charakteristisch für Isothiocyanato-K om plexe, ihre
Lage bei etwa 2100 cm “ 1 ist an der oberen Grenze
des üblichen W ellenzahlenbereichs bei N-Koordination der NCS-Gruppe.
D ie CS-Valenzschwingung und der Oberton der
NCS-Deform ationsschwingung liegen üblicherweise
im selben Frequenzbereich und können deshalb
leicht miteinander verwechselt werden. D ie Position
der vcs-Bande gilt als zuverlässigstes Kriterium zur
Unterscheidung zwischen N- und S-Koordination.
Im Vergleich zum „freien“ N C S“-Ion ist sie in allen
bekannten Isothiocyanato-Kom plexen zu höheren
W ellenzahlen, in Thiocyanato-K om plexen zu tiefe­
ren W ellenzahlen verschoben. D ie in Frage kom ­
menden IR-Banden bei 790 cm “ 1 und 910 cm -1 ent­
sprechen beide diesem Kriterium. D a aber nur zu
letzterer eine passende Grundschwingung bei
460 cm “ 1 gefunden wurde, liegt die CS-Valenz­
schwingung vermutlich bei 790 cm -1.
D ie Banden bei 460 cm “ 1 und 910 cm “ 1 entsprä­
chen folglich der Grund- und Oberschwingung der
SiNCS-Deform ation. D iese Lage steht im Einklang
mit dem üblichen Frequenzbereich der (5NCS-Bande in
Isothiocyanaten.
D ie SiN-Valenzschwingung ist im hexakoordinierten Komplex als Bande hoher Intensität und wegen
der schwächeren S i—N -Bindung im Vergleich zum
tetrakoordinierten Si(N C S)4 bei tieferen W ellenzah­
len zu erwarten. Somit kommt als vSiN-Schwingung
nur die starke Bande bei etwa 500 cm “ 1 in Betracht,
wenn man davon ausgeht, daß die Identifizierung der
ebenfalls starken Bande bei 460 cm -1 als <5SiNcs~
Schwingung korrekt ist.
D ie N SiN-Deform ationsschwingung wird im V er­
gleich mit Si(N C S)4 bei etwas höherer Frequenz ge­
funden.
misch von abs. Ethanol und M ethanol beträgt die
Ausbeute 81%. Farblose, hygroskopische Kristalle.
Schmp. 2 0 1 -2 0 3 °C.
Experimentelles
Analysen: C 10H 18N 4S2 (258,40)
Ber. C 46,48 H 7 .0 2 N 21,68 S 24,81 N C S 44,95,
Gef. C 45,68 H 7 ,1 2 N 21,47 S 24,43 N C S44,68.
Tetraethylammonium-hexaisothiocyanatosilicat,
[N E t 4] 2[Si(N C S)6]
3,77
g
(20,0 m mol)
N E t4NCS
und
2,60 g
(10,0 mmol) Si(N C S)4 werden in 70 ml CH3CN zum
Sieden erhitzt. D abei resultiert eine nahezu klare
Lösung. Nach 2 h werden m ögliche geringe Mengen
an unlöslichen Hydrolyseprodukten heiß abfiltriert.
Beim langsamen A bkühlen kristallisiert die Titelver­
bindung in Form von farblosen Kristallen aus. Zur
Ausbeutesteigerung wird zuletzt im Eisbad gekühlt.
D ie Kristalle werden abgetrennt, mit wenig kaltem
CH3CN gewaschen und im Vakuum bei 50 °C ge­
trocknet. D ie A usbeute beträgt 5,21 g (8,2 mmol;
82%). D ie Verbindung kann aus C H 3CN nochmals
umkristallisiert werden. D abei werden auch Einkri­
stalle für eine Röntgenstrukturuntersuchung gew on­
nen. A lle beschriebenen Prozeduren werden in
ausgeheizten Schlenk-Glasgeräten unter ^ - A t m o ­
sphäre durchgeführt; die R eagenzien werden m ög­
lichst trocken eingesetzt.
Analysen: C22H 40N 8S6Si (637,06)
Ber. C41,48 H6,33 N17,59 S30,19 Si4,41 NCS54,70,
Gef. C41,26 H6,46 N17,64 S30,23 Si4,31 NCS54,55.
Analog lassen sich die beiden anderen [Si(N C S)6]2~Salze erhalten. Tetram ethylam m onium -hexaisothiocyanatosilicat, [NM e4]2[Si(N C S)6], ist in CH3CN bes­
ser löslich als das Tetraethylam m onium -Salz, doch
erhält man ebenfalls leicht gute Einkristalle. 1,4-Dim ethyl-l,4-diazoniabicyclo[2.2.2]octan-hexaisothiocyanatosilicat, [D A B C O -2 M e][S i(N C S )6], weist
eine geringere Kristallisationsneigung auf als die bei­
den anderen Salze. D eshalb sind bei dieser V erbin­
dung hohe A usbeute, R einheit und gute Einkristalle
nicht so leicht erreichbar.
Ausgangsverbindungen und Synthesevorschriften
N Et4NCS ist im Handel (Fluka) erhältlich.
Si(NCS)4 [29] und N M e4NCS [30] lassen sich nach
Literaturvorschriften darstellen.
IR-Spektren
Gerät: Perkin-Elmer 325 Infrarot-Gitterspektrometer. D ie Substanzen wurden als KBr-Preßlinge
vermessen.
1,4-D im ethyl-l ,4-diazoniabicyclo [ 2 .2 .2 ] octandithiocyanat, [D A B C O -2 M e](N C S ) 2
Röntgenographische Untersuchung
D iese neue Verbindung wurde aus
[D A B C O • 2 M e]I2 [31] durch A nionenaustausch dar­
gestellt. Nach Umkristallisieren aus einem 1 ^ -G e ­
Dichten wurden experim entell nach der Schw ebe­
methode in trockenem T oluol/C H 2Cl2 bzw. CC14 b e­
stimmt.
W. H einingerera/. • Ein neues Silicat-Anion: [Si(NCS)6]2
707
Gitterkonstanten und Symmetrien aller drei unter­
suchten [Si(NCS)6]2--Komplexsalze wurden zu­
nächst durch Drehkristall- und W eißenbergaufnahmen ermittelt.
Von [NMe4]2[Si(N C S)6] und
[D A B C O -2M e][S i(N C S )6] wurden anschließend
Guinier-Pulveraufnahmen mit CuKa]-Strahlung (A =
154,051 pm) und Siliciumeichung gem acht. 13 bzw.
36 eindeutig indizierbare Reflexe wurden dann dazu
verwendet, die Gitterkonstanten mit einer A us­
gleichsrechnung nach der M ethode der kleinsten
Fehlerquadrate zu verfeinern.
D ie Kristallstruktur von [NEt4]2[Si(N C S)6] wurde
vollständig bestimmt. D ie wichtigsten experim entel­
len Daten zur Röntgenstrukturanalyse sind in Tab. I
enthalten. W eitere Einzelheiten, wie A tom koordi­
naten, Thermalparameter, alle Bindungslängen und
-winkel sow ie Strukturfaktorlisten können beim Fachinformationszentrum Energie, Physik, M athematik,
D -7514E ggenstein-L eopoldshafen, unter A ngabe der
Hinterlegungsnumm er CSD 51837, der A utoren und
des Zeitschriftenzitats angefordert werden.
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Für die Röntgenstrukturanalyse von
[NEt4]2[Si(NCS)6] im Rahmen der Institutszusam­
menarbeit danken wir Herrn Dr. U . N agel und
Herrn M. Steimann.
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