Lektion 7 - Vorbereitung und Versuch

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Rechtswissenschaftliches Institut
Lektion 7 - Vorbereitung und
Versuch
Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht unter Einschluss des
internationalen Strafrechts
Prof. Dr. iur. Frank Meyer
Rechtswissenschaftliches Institut
Einführung
15.09.2016
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Übersicht: Deliktsstadien
Straflos
• Tatentschluss
• Vorbereitungshandlungen
(Ausnahme: strafbar, vgl. Art. 260bis StGB)
• Beginn der unmittelbaren Tatausführung (Schwellentheorie)
Strafbar
• Strafbarer Versuch
• Vollendung
• Beendigung
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Strafrechtliche Relevanz der Deliktsstadien
 gesetzlicher Regelfall: Anknüpfung der Strafbarkeit
an Vollendung
 Vorverlagerung der Strafbarkeitsschwelle auf Ausführungsbeginn mit allgemeiner Versuchsstrafbarkeit
 Verselbstständigung bestimmter Versuchs- und
Vorbereitungshandlungen als eigenständige Delikte
 Planung und Vorbereitung grundsätzlich nicht
strafbar
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Ausnahme von Straflosigkeit der Vorbereitung
 spezielle Straftatbestände, die gezielt bestimmte
Vorbereitungshandlungen kriminalisieren
 klar deliktische Vorstufen zu späterem Hauptdelikt
 aus kriminalpräventiven Gründen v.a. im Staatsschutzrecht und bei Fälschereidelikten genutzt
 international zunehmend vor allem auch bei Terrorismusdelikten
 Art. 260bis StGB als allgemeine Scharniernorm
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Generalnorm des Art. 260bis StGB
Strafbare Vorbereitungshandlungen
1
Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe wird
bestraft, wer planmässig konkrete technische oder organisatorische Vorkehrungen trifft, deren Art und Umfang zeigen,
dass er sich anschickt, eine der folgenden strafbaren Handlungen auszuführen:
a. Vorsätzliche Tötung (Art. 111);
b. Mord (Art. 112);
[…]
2
Führt der Täter aus eigenem Antrieb die Vorbereitungshandlung nicht zu Ende, bleibt er straflos.
3
[…]
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Strafbarer Versuch
15.09.2016
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Strafgrund des Versuchs
 Objektive Theorien: konkrete objektive Gefährdung des tatbestandlich geschützten Rechtsguts
 Subjektive Theorien: Betätigung eines für die
Rechtsordnung gefährlichen rechtsfeindlichen
Willens
 Eindruckstheorie (h.M.): Erschütterung des
Vertrauens in die Geltung der Rechtsordnung
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Faustformel des Bundesgerichts
 Strafgrund liegt vor, wenn Täter
• sämtliche subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt
• und seine Tatentschlossenheit manifestiert hat,
• ohne dass alle objektiven Tatbestandsmerkmale
verwirklicht sind. (z.B. BGE 137 IV 113 E. 1.4.2)
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Gesetzliche Grundlage
Art. 22 StGB
1
Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines
Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die
strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur
Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann
dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe
mildern.
2 Verkennt der Täter aus grobem Unverstand, dass die
Tat nach der Art des Gegenstandes oder des Mittels, an
oder mit dem er sie ausführen will, überhaupt nicht zur
Vollendung gelangen kann, so bleibt er straflos.
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Umfang der Strafbarkeit des Versuchs
 Verbrechen und Vergehen
 Versuch von Übertretungen nur bei ausdrücklicher
Regelung, Art. 105 Abs. 2 StGB
 tauglicher und untauglicher Versuch
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Voraussetzungen einer Versuchsstrafbarkeit
Voraussetzungen des strafbaren Versuchs
Keine Vollendung
15.09.2016
Delikt ist ein
Verbrechen oder
Vergehen
Tatentschluss und
ggf. besondere
Absichten
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Beginn der
Ausführung
(Schwellentheorie)
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Aufbau der Versuchsprüfung
I. Vorprüfung
1. Keine Vollendung der Tat
2. Versuchsstrafbarkeit (Verbrechen oder Vergehen)
II. Tatbestand
1. Tatentschluss (= Subjektiver Tatbestand)
a) Vorsatz bzgl. aller objektiven Tatbestandsmerkmale
b) besondere subjektive Tatbestandsmerkmale
2. Beginn der Ausführung (= Objektiver Tatbestand)
III. Rechtswidrigkeit und IV. Schuld
V. Fakultative Strafmilderung/Absehen von Strafe
1. Rücktritt, Art. 23 Abs. 1 Alt. 1 StGB
2. Tätige Reue, Art. 23 Abs. 1 Alt. 2 StGB
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Tatentschluss (1/2)
 Wissen und Willen bezüglich aller objektiven
Tatumstände (Absicht im technischen Sinn nicht
erforderlich)
 nicht erfasst:
• Wahndelikt (jemand glaubt irrtümlich, sein Verhalten
erfülle einen nicht existierenden Straftatbestand)
• umgekehrter Subsumtionsirrtum (jemand glaubt
irrtümlich, sein Verhalten erfülle einen existierenden
Straftatbestand)
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Tatentschluss (2/2)
 Vorliegen allfälliger besonderer Absichten und
Beweggründe
 Abgrenzungsschwierigkeiten bei mehraktigen und
qualifizierten Delikten
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Beginn der Ausführung (Art. 22 Abs. 1 StGB)
 objektiver Tatbestand des Versuchs
 Merkmal dient Abgrenzung zur i.d.R. straflosen
Vorbereitungshandlung)
 Beurteilungsmassstab (str.)
• subjektive Theorie
• formell-objektive Theorie (Verwirklichung mind.
eines Tatbestandsmerkmals)
• materiell-objektive Theorie («natürliche» Zusammengehörigkeit mit Tatbestandshandlung)
• individuell (subjektiv)-objektive Betrachtungsweise
(h.L. und BGer)
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Beurteilungsmassstab
subjektive
Beurteilung
Art. 22 StGB
objektive
Beurteilung
individuell-objektive
Beurteilung:
strafbarer
Versuch
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Individuell-objektive Betrachtungsweise
 von aussen her (objektiv) zu beurteilen, ob Täter
aufgrund des nach seinen Vorstellungen erstellten
Tatplans (individuell) die Schwelle zum strafbaren
Versuch überschritten hat (Schwellentheorie)
 zur Ausführung zählt danach schon jede Tätigkeit,
welche nach dem Plan, den sich der Täter gemacht hat,
auf dem Weg zum Erfolg den letzten entscheidenden
Schritt darstellt, von dem in der Regel nicht mehr
zurückgewichen wird; es sei denn wegen äusserer
Umstände, die eine Weiterverfolgung der Absicht
erschweren oder verunmöglichen (BGE 87 IV 155 E. 1).
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Beispielsfall 1
A ist verärgert über B, weil dieser im Internet Lügengeschichten über ihn verbreitet. Er will sich rächen und
lauert ihm an dessen heimischer Bushaltestelle auf, um ihn
nach dessen Aussteigen mit Fäusten zu attackieren. Er
weiss, dass B werktags stets mit der Linie 31 um 18.15 Uhr
von der Arbeit zurückkehrt. Am folgenden Mittwoch begibt
er sich pünktlich und einsatzbereit zur Bushaltestelle. Um
18.15 Uhr trifft pünktlich der Bus ein. B ist an diesem Tag
wegen eines grippalen Infekts jedoch gar nicht zur Arbeit
gegangen. A zieht tatenlos von dannen.
Hat sich A einer versuchten Körperverletzung strafbar
gemacht?
15.09.2016
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Beginn der Ausführung bei mittelbarer Täterschaft
 e.A.: Beginn bei Einwirkung des mittelbaren Täters
auf Tatmittler
 a.A. 1: Beginn, wenn sich der mittelbare Täter der
Einflussmöglichkeiten auf das Geschehen begibt;
den Tatmittler also aus seiner Herrschaftssphäre
entlässt
 a.A. 2: Beginn bei Vornahme der Tathandlung
durch Tatmittler (Verhalten des mittelbaren Täters
und des Tatmittlers bilden eine Einheit)
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Beginn der Ausführung bei Mittäterschaft
 e.A.: Beginn muss für jeden einzelnen Mittäter
gesondert festgestellt werden (Einzellösung)
 a.A.: Beginn für alle Mittäter, wenn auch nur einer
von ihnen unmittelbar zur Verwirklichung des
Tatbestandes ansetzt (Gesamtlösung)
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Beginn der Ausführung beim Unterlassungsdelikt
 e.A.: Beginn, wenn Täter die erste Rettungsmöglichkeit ungenutzt verstreichen lässt («Theorie
des erstmöglichen Eingriffs»)
 a.A.: Beginn, wenn Täter die letzte Rettungsmöglichkeit verstreichen lässt («Theorie des
letztmöglichen Eingriffs»)
 h.M.: Beginn, wenn sich die – wirkliche oder vom
Täter angenommene – Gefahr für das Rechtsgut
bei Verzögerung des rettenden Eingriffs steigert
(«Theorie der unmittelbaren Rechtsgutsgefährdung»)
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Rücktritt – Tätige Reue
15.09.2016
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Aufbau der Versuchsprüfung
I. Vorprüfung
1. Keine Vollendung der Tat
2. Versuchsstrafbarkeit (Verbrechen oder Vergehen)
II. Tatbestand
1. Tatentschluss (= Subjektiver Tatbestand)
a) Vorsatz bzgl. aller objektiven Tatbestandsmerkmale
b) besondere subjektive Tatbestandsmerkmale
2. Beginn der Ausführung (= Objektiver Tatbestand)
III. Rechtswidrigkeit und IV. Schuld
V. Fakultative Strafmilderung/Absehen von Strafe
1. Rücktritt, Art. 23 Abs. 1 Alt. 1 StGB
2. Tätige Reue, Art. 23 Abs. 1 Alt. 2 StGB
15.09.2016
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Rücktritt vom Versuch und tätige Reue
 StGB privilegiert Täter, der freiwillig Versuch nicht
zu Ende führt bzw. eine ernsthafte Umkehrleistung
erbringt, solange Delikt nicht vollendet ist
 Rücktritt und
strafbefreiend
tätige
Reue
nicht
zwingend
 Rechtsfolge:
• fakultative Strafmilderung (i.V.m. Art. 48a StGB) oder
Absehen von Strafe (Art. 23 Abs. 1, 3 StGB);
• als ermessensleitend wird «sittliche Qualität» des
Rücktrittsmotivs angesehen, wobei keine gesicherten
Kriterien existieren
15.09.2016
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Grund der Privilegierung
 Goldene Brücke in die Legalität
• Täter soll Umkehr erleichtert werden, um Deliktsverwirklichung nach Versuchsbeginn zu verhindern
 Gnadentheorie/Prämientheorie
• Belohnung für die freiwillige Rückkehr zum rechtlich
richtigen Verhalten
 Eindruckstheorie (h.M.)
• Erschütterung der Rechtsordnung wird durch
Abbruch der Tat und implizite Anerkennung der
Rechtsordnung kompensiert
• tritt Täter zurück, erscheint er weniger strafbedürftig
15.09.2016
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Anforderungen an Rücktritt / tätige Reue
 Gesetz differenziert zwischen Versuchsstadien
(vollendeter oder unvollendeter Versuch)
 Anforderungen an Umkehrleistung hängen vom
Versuchsstadium ab
 in keinem Fall darf Versuch fehlgeschlagen sein
 Umkehr muss freiwillig (aus eigenem Antrieb)
erfolgen
 Prüfung im Anschluss an die Schuld
15.09.2016
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Seite 27
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Prüfungsschema Rücktritt / tätige Reue
 kein Fehlschlag
 Erbringung der erforderlichen Umkehrleistung
• Abgrenzung vollendeter (beendeter) – unvollendeter
(unbeendeter) Versuch zur Bestimmung der erforderlichen Umkehrleistung
• Verzicht auf weitere Ausführung oder Abwendung
des Erfolgs bzw. ernsthaftes Bemühen
 Freiwilligkeit
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Gegenüberstellung
Stadien des strafbaren Versuchs
15.09.2016
unvollendeter
Versuch
vollendeter
Versuch
Art. 22 Abs. 1
1. Alternative
Art. 22 Abs. 1
2. Alternative
Rücktritt,
Art. 23 Abs. 1
1. Alternative
Tätige Reue, Art.
23 Abs. 1
2. Alternative
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Unvollendeter (unbeendeter) Versuch
 Art. 22 StGB:
1 Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung
eines Verbrechens oder Vergehens begonnen
hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder
tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg
nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so
kann das Gericht die Strafe mildern.
2 […]
 Täter hat noch nicht alles getan, was seiner Vorstellung nach zur Verwirklichung des tatbestandsmässigen Erfolgs notwendig ist.
15.09.2016
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Seite 30
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Vollendeter (beendeter) Versuch
 Art. 22 StGB:
1 Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung
eines Verbrechens oder Vergehens begonnen
hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder
tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg
nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so
kann das Gericht die Strafe mildern.
 Täter hat bereits alles getan, was nach seiner Vorstellung für die Verwirklichung des tatbestandsmässigen Erfolgs notwendig war. Der Erfolg tritt
dennoch nicht ein.
15.09.2016
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Seite 31
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Umkehrleistung
Art. 23 StGB
1
Führt der Täter aus eigenem Antrieb die
strafbare Tätigkeit nicht zu Ende
Rücktritt
oder
trägt er dazu bei, die Vollendung der Tat zu
verhindern,
Tätige
Reue
so kann das Gericht die Strafe mildern oder von
einer Bestrafung absehen.
15.09.2016
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Seite 32
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Der fehlgeschlagene Versuch
Quelle: http://www.spox.com/de/sport/fussball/wm/wm2014/endrunde/ko-runde/1407/News/lionelmessi-ist-stolz-auf-fortschritt-der-albiceleste-argentinien-deutschland-finale.html
15.09.2016
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Seite 33
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Fehlgeschlagener Versuch
 vorgenommene Handlung verwirklicht tatbestandsmässigen Erfolg nicht
 Täter erkennt, dass er mit den ihm zur Verfügung
stehenden Mitteln den tatbestandsmässigen Erfolg
nicht mehr oder nicht ohne zeitliche relevante Zäsur
herbeiführen kann (z.B.: Dieb findet nur leeren Safe vor)
 Rücktritt und tätige Reue sind in diesem Fall stets
ausgeschlossen
15.09.2016
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Seite 34
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Beurteilungszeitpunkt fehlgeschlagener Versuch
sowie unvollendeter / vollendeter Versuch (1/2)
 Tatplantheorie
• abzustellen ist auf den vor Beginn der Tatausführung
gefassten Tatplan
• verwirklicht Täter alle «geplanten» Handlungen, liegt
ein vollendeter Versuch vor; unabhängig von ihrer
objektiven Eignung zur Verwirklichung des tatbestandsmässigen Erfolgs oder späterer Einsicht,
dass Handlungen nicht hinreichend waren
 Einzelaktstheorie
• abzustellen ist separat auf jeden für erfolgstauglich
gehaltenen Einzelakt
15.09.2016
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Seite 35
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Beurteilungszeitpunkt fehlgeschlagener Versuch
sowie unvollendeter / vollendeter Versuch (2/2)
 Rücktrittshorizont (h.M.)
• kein Abstellen auf ursprünglich gefassten Tatplan,
sondern Beurteilung nach der letzten Ausführungshandlung nach Massgabe der Einschätzung des
Täters über die Notwendigkeit und Erfolgsaussichten
weiterer Handlungen
• Rücktrittshorizont auch für Beurteilung des Fehlschlags massgeblich
15.09.2016
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Seite 36
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Aufbau der Versuchsprüfung
I. Vorprüfung
1. Keine Vollendung der Tat
2. Versuchsstrafbarkeit (Verbrechen oder Vergehen)
II. Tatbestand
1. Tatentschluss (= Subjektiver Tatbestand)
a) Vorsatz bzgl. aller objektiven Tatbestandsmerkmale
b) besondere subjektive Tatbestandsmerkmale
2. Beginn der Ausführung (= Objektiver Tatbestand)
III. Rechtswidrigkeit und IV. Schuld
V. Fakultative Strafmilderung/Absehen von Strafe
1. Rücktritt, Art. 23 Abs. 1 Alt. 1 StGB
2. Tätige Reue, Art. 23 Abs. 1 Alt. 2 StGB
15.09.2016
Strafrecht Allgemeiner Teil, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Frank Meyer
Seite 37
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Rücktritt (1/2): Voraussetzungen
 Versuch darf nicht fehlgeschlagen sein
 Täter muss sich dazu entschliessen, die strafbare
Tätigkeit nicht zu Ende zu führen (d.h. Tatentschluss aufgeben)
 Entschluss aus eigenem Antrieb, d.h. freiwillig
• freiwillig, wenn Täter denkt «Ich will nicht zum Ziele
kommen, selbst wenn ich es könnte»
• unfreiwillig, wenn Täter denkt «Ich kann nicht zum
Ziele kommen, selbst wenn ich es wollte»
(vgl. sog. Franksche-Formel; wiedergegeben bei Donatsch/Tag, S. 140)
15.09.2016
Strafrecht Allgemeiner Teil, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Frank Meyer
Seite 38
Rechtswissenschaftliches Institut
Rücktritt (2/2): Beispiele
 unfreiwilliger Entschluss
(kein Rücktritt):
(8
• Dieb wird beim Aufbohren
des Tresors überrascht
und flieht
 freiwilliger Rücktritt:
• Während des Aufbohrens des Tresors wird der Dieb
vom Mut verlassen, er denkt an seine Kinder und
seine Frau. Schliesslich verlässt er den Tatort.
Bildquelle: http://www.don-mcduck.de/storys/beagletrap.php
15.09.2016
Strafrecht Allgemeiner Teil, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Frank Meyer
Seite 39
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Beispielsfall 2
Fred will aus Rache die kleine Anneliese töten und
überrascht diese im Garten beim Spielen. Als sie
aufschaut, richtet er die Pistole auf ihren Kopf und
steht kurz davor abzudrücken. In letzter Sekunde
kommt der Verstand bei Fred jedoch noch zurück. Er
senkt die Waffe und verschont Anneliese.
Um welche Art des Versuches handelt es sich hierbei
und ist Fred von der Tat wirksam zurückgetreten?
15.09.2016
Strafrecht Allgemeiner Teil, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Frank Meyer
Seite 40
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Aufbau der Versuchsprüfung
I. Vorprüfung
1. Keine Vollendung der Tat
2. Versuchsstrafbarkeit (Verbrechen oder Vergehen)
II. Tatbestand
1. Tatentschluss (= Subjektiver Tatbestand)
a) Vorsatz bzgl. aller objektiven Tatbestandsmerkmale
b) besondere subjektive Tatbestandsmerkmale
2. Beginn der Ausführung (= Objektiver Tatbestand)
III. Rechtswidrigkeit und IV. Schuld
V. Fakultative Strafmilderung/Absehen von Strafe
1. Rücktritt, Art. 23 Abs. 1 Alt. 1 StGB
2. Tätige Reue, Art. 23 Abs. 1 Alt. 2 StGB
15.09.2016
Strafrecht Allgemeiner Teil, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Frank Meyer
Seite 41
Rechtswissenschaftliches Institut
Tätige Reue (1/3): Voraussetzungen
 Tätige Reue kommt nach Vollendung (Beendigung)
des Versuchs und vor dem Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolges infrage
 Versuch darf nicht fehlgeschlagen sein
 Vollendung der Tat muss durch einen Beitrag des
Täters verhindert worden sein
 bleibt Erfolg aus anderen Gründen aus, muss Täter
sich ernsthaft um das Ausbleiben bemüht haben
 Entschluss aus eigenem Antrieb (Freiwilligkeit; wie
beim Rücktritt)
15.09.2016
Strafrecht Allgemeiner Teil, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Frank Meyer
Seite 42
Rechtswissenschaftliches Institut
Tätige Reue (2/3)
Vollendung/
Beendigung
des Versuchs
Vollendung
des Delikts
Tätige Reue
15.09.2016
Strafrecht Allgemeiner Teil, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Frank Meyer
Seite 43
Rechtswissenschaftliches Institut
Tätige Reue (3/3): Beispiel
 Brandstifter löscht den von ihm gelegten Brand,
bevor dieser das Ausmass einer Feuerbrunst
erreicht (Art. 221 StGB).
15.09.2016
Strafrecht Allgemeiner Teil, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Frank Meyer
Seite 44
Rechtswissenschaftliches Institut
Beispielsfall 3
Dieses Mal geht Fred wieder mit seiner Pistole zu Anneliese
in den Garten, um sie zu töten. Er zielt auf sie und trifft sie am
Oberkörper. Anneliese bricht daraufhin zusammen, wobei sie
– schwer blutend und keuchend – weiterhin atmet. Von
diesem Anblick stark mitgenommen, alarmiert Fred sogleich
die Sanität, damit die zusammengebrochene Anneliese doch
noch gerettet werden kann. Um zu verhindern, dass Anneliese
verblutet, zieht Fred schnell sein Hemd aus und bildet damit
einen Druckverband. Nach ein paar Minuten trifft die Sanität
ein und leistet der Anneliese erste Hilfe. Schliesslich wird sie
gerettet.
Kann das Handeln von Fred als tätige Reue qualifiziert
werden?
15.09.2016
Strafrecht Allgemeiner Teil, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Frank Meyer
Seite 45
Rechtswissenschaftliches Institut
Beispielsfall 4
Jakob gefällt schon seit langem das Steinbockgeweih,
welches im Wohnzimmer seines Nachbarn hängt. Da er
nicht Jäger werden kann, wird er wohl nie ein solches
bekommen können. Deshalb beschliesst er, dieses von
seinem Nachbarn zu stehlen. Dafür schleicht er sich durch
den Garten, steigt die Treppen zur Veranda hinauf und tritt
durch die offene Verandatüre ins Wohnzimmer ein. Als er
jedoch vor dem Geweih steht, bekommt er es plötzlich mit
der Angst zu tun und rennt wieder zurück nach Hause.
Hat sich Jakob strafbar gemacht?
15.09.2016
Strafrecht Allgemeiner Teil, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Frank Meyer
Seite 46
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Untauglicher Versuch
15.09.2016
Seite 47
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Untauglicher Versuch
Art. 22 StGB
1
Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines
Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung
der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser
nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern.
2
Verkennt der Täter aus grobem Unverstand, dass die
Tat nach der Art des Gegenstandes oder des Mittels, an
oder mit dem er sie ausführen will, überhaupt nicht zur
Vollendung gelangen kann, so bleibt er straflos.
15.09.2016
Strafrecht Allgemeiner Teil, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Frank Meyer
Seite 48
Rechtswissenschaftliches Institut
Untauglicher Versuch
 Tat kann in der vom Täter vorgestellten Art
überhaupt nicht verwirklicht werden.
 Untauglichkeit kann sich ergeben aus dem
gewählten
• Tatobjekt
• Tatmittel
• ausnahmsweise auch Tatsubjekt
15.09.2016
Strafrecht Allgemeiner Teil, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Frank Meyer
Seite 49
Rechtswissenschaftliches Institut
Rechtsfolgen des untauglichen Versuchs
 Fakultative Strafmilderung (Art. 22 Abs. 1 Var. 3
StGB)
 Straflosigkeit bei Handeln aus grobem Unverstand
(Art. 22 Abs. 2 StGB)
• offensichtlich völlig untauglich
• vorgestellte Wirkung irreal bzw. Ausdruck völligen
Unverstandes
über
Lebenswirklichkeit
und
anerkannte Erfahrungssätze
• Verkennung der Untauglichkeit aus besonderer
Dummheit (Formulierung in BGE 70 IV 50)
15.09.2016
Strafrecht Allgemeiner Teil, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Frank Meyer
Seite 50
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Strafgrund des untauglichen Versuchs
 gesetzgeberischer Entscheid, den untauglichen
Versuch unter Strafe zu stellen
 Legitimation der Strafbarkeit in Lehre umstritten
 h.M.: Eindruckstheorie
• auch der untaugliche Versuch hinterlässt einen
rechtserschütternden Eindruck.
• dieser ist aber im Gegensatz zum vollendeten /
unvollendeten Versuch geringer, was z.B. die
Straflosigkeit bei Handeln aus grobem Unverstand
erklärt
15.09.2016
Strafrecht Allgemeiner Teil, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Frank Meyer
Seite 51
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Beispielsfall 5
Im Februar und März hat Paula ihrem Ehemann
zweimal ein Butterbrot mit Rattengift, Konfitüre und
Butter zubereitet und ihm dieses mit der Absicht, ihn
dadurch zu töten, zum Essen gegeben. Glücklicherweise hatte sie sich jedoch bei der Menge des
Rattengiftes verschätzt, weshalb die Dosis zu
schwach war, um ihn zu töten. Sie reichte aber aus,
um eine körperliche Schädigung herbeizuführen.
Strafbarkeit von Paula?
15.09.2016
Strafrecht Allgemeiner Teil, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Frank Meyer
Seite 52
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Literatur zur Nachbereitung
 STRATENWERTH,
Schweizerisches
Strafrecht,
Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 4. Auflage 2011, §
12, S. 324-363
 (alternativ) SEELMANN, Strafrecht, Allgemeiner Teil,
5. Aufl. 2012, S. 120-138
15.09.2016
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Seite 53
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