Dr. Olaf Katenkamp, DoFAPP Betriebsratshandeln zwischen Prävention und Innovation: Mitbestimmung in Zeiten der permanenten Restrukturierung (HBS) Berlin, 21. Juni „digital - mobil - mit.bestimmt. Prävention und Gute Arbeit“ Digitalisierung Change Restrukturierung Permanente Veränderungsprozesse Und wo bleibt die Gesundheit? Mitwirkung und Mitbestimmung Beteiligung des BR Beratung § 92,1, 96,1, 97,111 Mitwirkung Anhörung, Information Korrigierende MTB §§ 90,91 MTB Initiativrecht, Veto nach Kreikebaum (1988) § 90 Unterrichtungs- und Beratungsrechte BetrVG (1) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die Planung 1. von Neu-, Um- und Erweiterungsbauten (…), 2. von technischen Anlagen, 3. von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen oder 4. der Arbeitsplätze rechtzeitig (…) zu unterrichten. (2) Der Arbeitgeber hat mit dem Betriebsrat die vorgesehenen Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf die Arbeitnehmer (…) rechtzeitig zu beraten, dass Vorschläge und Bedenken des Betriebsrats bei der Planung berücksichtigt werden können. (…) § 91 Mitbestimmungsrecht BetrVG Werden die Arbeitnehmer durch Änderungen der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung, die den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen, in besonderer Weise belastet, so kann der Betriebsrat angemessene Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich der Belastung verlangen. Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. 4 HBS-Projekt „Betriebsratshandeln zwischen Prävention und Innovation“ Zentrale Fragen: 1. Wie kann frühzeitige Einbindung und prospektive Arbeitsgestaltung (i.S. von §§ 90, 91 BetrVG) von Betriebsräten in Zeiten permanenter Restrukturierung gestärkt werden? 2. Wie war der Informationsfluss im Unternehmen? 3. In welcher Form werden Betriebsrat oder Interessenvertretung (bzw. BR-Gremien wie GBR, KBR, lokaler BR, Vertrauenskörper) und Beschäftigte beteiligt? 4. Welche Rolle hat die Kompetenz des BR/IV? Welche Funktionen haben externe Experten sowie die Gewerkschaft? 5. Welche Konsequenzen folgen daraus für die Interessenvertretungen? Restrukturierung im Kurzüberblick Restrukturierung Change-Prozesse 1. Stellenabbau, angedroht (7 Fälle) 2. Schließung, angedroht 3. Betriebsteile verkauft 4. Fusionen Beispiele Neue Prozesse (A.) Roadmap für neues Miteinander (G.) Change-Index (B.) Erhebungsdesign: 10 explorative Fallstudien, Interviews mit Expert*innen 8 Branchen (davon je 1 Fall aus der Finanz- und Telekommunikationsbranche) 6 Summenscore Restrukturierungsdichte Frühzeitige Informationen bei Restrukturierungen 45,2% 3 39,7% 2 35,9% 1 28,0% 0 0% 39,5% 32,5% 36,4% 37,8% 50% Unser Sample: 40 % unaufgefordert, 30 % nach Anfrage 15,3% muss um wichtige Informationen mehrfach bitten 27,8% bekommt wichtige Informationen meist bei der ersten Anfrage 27,7% bekommt wichtige Informationen meist unaufgefordert 34,2% 100% Nach WSI-Panel (Sonderauswertung von Kerstin Guhlemann 2016) 7 (Selbst-)Verständnis und Anwendung von §§ 90/91 BetrVG Oft Redewendungen wie „…90/91 war nicht das Instrument mit dem wir ins Geschäft gekommen sind. Aber eigentlich haben wir ganz viel davon umgesetzt.“ (BR-V der Bank) 90/91-Einsatz häufig angedroht wenn „Holland in Not“ Neue Rolle des BR: „Hüter, Wächter, Verteidiger und Gestalter“ – „Mitgestalten statt miterleiden“ -> Boxing & Dancing wird betont (vgl. Huzzard 2004) 8 Einsatz von §§ 90/91 BetrVG Juristisch selten „im Einsatz (vor Gericht)“, aber in vielen Betriebsvereinbarungen & Tarifverträgen sehr präsent! Automotive mit Arbeitskreis §§ 90/91 3 Fälle mit § 111 BetrVG (Betriebsänderungen) Nur 2 Fälle mit § 87,1,7 BetrVG 3 Einigungsstellen (Vergleich: WSI-Panel 10 %) Oft aufsuchendes und initiales Verhalten des BR 9 Fallbeispiele Fallbeispiel 1: Denkwerkstatt in einer Bank Gefährdungsanalyse und Befragungen in den „Betriebsteilen“: Privatkunden, MSB, Kontoservice, 80 Filialen Formate: 1. Moderierte Gruppe (Abteilung bzw. Filiale) 2. Geschützter Dialog (nur Beschäftigte) 3. nur Führungskräfte 4. Denkwerkstatt (gemeinsam) Ergebnisse: hohe Belastungen durch Führungskräfte, neue Software, Störungen & Unterbrechungen etc. 11 Fallbeispiel 2: „Ganzheitliche Beteiligung“ • Ziel: Beseitigung oder Reduzierung arbeitsbedingter Belastungen - Ganzheitliche GFB • Beteiligungsorientiertes Verfahren: „Impulstest“ und Workshops („Change-Lab“) • Permanenter Prozess • Steuerungsteam: Paritätisches Analyse-Team • „Belegschafts-ModeratorInnen“ (10 % der Belegschaft werden ausgebildet) Fazit: Nicht nur eine Fackel zünden! • Gelungener „Move“ durch BR! • Offener Prozess wurde sogar von den „klassischen“ Arbeitsschutzexperten hochgelobt • Die selbst erarbeiteten Lösungen durch die KollegInnen können schneller umgesetzt werden, indem „die Menschen mitgenommen werden“ (BR) Partizipation und Handlungsfelder Werkstattform Zukunftswerkstatt Denkwerkstatt ChangeLab Lernwerkstatt Gesundheitszirkel Arbeitsgestaltung Gesundheit & Belastungen Individualisierte Ergonomie ‚Demografie‘ Wissenstransfer Prozessbeteiligung überwiegt: „Experten in eigner Sache“ Beispiele BV zur Mitentscheidung Neue Prozessarchitektur Roadmap für „neues Miteinander“ Orga-Grad: bei 40 bis 60 % Hohe Kompetenz des BR-Gremiums Vertrauensleute als „Thermometer“ Zusammenfassung der Projektergebnisse (1) „Unsichtbare Praxis“ der §§ 90/91 BetrVG (2) §§ 90/91 BetrVG selten „juristisch eingesetzt“, aber Grundlage des BR/IV-Handelns (3) Kompetenz & Vernetzung der BR sehr hoch (4) Wo frühzeitig informiert wird, i.d.R. deutlich bessere Mitbestimmungskultur! (5) Hohe Prozessorientierung! 15 Weiterlesen: Handlungshilfe "Gesundheit und Beteiligung in Change-Prozessen" http://das-change-projekt.de/index.php/handlungshilfe eLearning Seminar zu „Change gesund gestalten“ http://das-change-projekt.de/index.php/seminar 16