Analyse von hochaufgelösten Klimasimulationen für die Schwarzwaldregion Eine tourismus-klimatische Perspektive Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Fakultät für Forst- und Umweltwissenschaften der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Brsg. vorgelegt von Christina Endler Freiburg im Breisgau 2010 Dekan: Prof. Dr. Dr. h.c. Gero Becker Referent: Prof. Dr. Andreas Matzarakis Korreferent: Prof. Dr. Rüdiger Glaser Disputationsdatum: 02. Juli 2010 Vorwort Wer hat nicht schon einmal einen kühlen, verregneten Sommer oder einen Winterurlaub ohne Schnee verbracht? Wenn wir unseren Urlaub planen, berücksichtigen wir unbewusst oder aber auch bewusst die am Urlaubsort vorherrschenden klimatischen Bedingungen. Somit hängt unsere Wahl einer Destination sowie die Reiseart inklusive der Aktivitäten direkt von Wetter und Klima ab, die den Tourismus sowohl limitieren als auch begünstigen können. In den letzten drei Jahrzehnten rückte das Thema „globale Erwärmung und Klimawandel“ immer mehr in den Vordergrund und ist in der wissenschaftlichen und öffentlichen Wahrnehmung und Diskussion nicht mehr wegzudenken. Zahlreiche Forschungsinstitutionen nahmen die seit 1990 anhaltende Episode überdurchschnittlich hoher Lufttemperatur sowie die seit der Industrialisierung kontinuierlich steigenden CO2 - und weiteren Treibhausgaskonzentrationen zum Anlass, Auswirkungen des Klimas auf die verschiedenen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Systeme zu analysieren. Selbst wenn die Treibhausgasemissionen heute gestoppt würden – welches ein recht unwahrscheinliches Szenario ist – sehen wir uns immer noch mit deutlichen Änderungen im Klimasystem konfrontiert. Um auf Klimafolgen antworten zu können und unsere Vulnerabilität gegenüber einem sich wandelnden Klima zu mindern, reichen Mitigationsstrategien, die seit 1980 von Wissenschaftlern und Entscheidungsträgern gleicherweise fokussiert werden, nicht mehr aus. Infolgedessen muss nun auch das Augenmerk auf die Adaptation (Anpassung) gelegt werden, die in vielen Regionen weder in der Planung noch in der Umsetzung Berücksichtigung findet. Im Jahr 2004 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) den dringenden Handlungsbedarf erkannt und die Förderung von „Forschung für den Klimaschutz und Schutz vor Klimawirkungen – Chancen und Risiken des Klimawandels“ ausgeschrieben. Dabei lag der Schwerpunkt sowohl bei Adaptation als auch Mitigation. Im Rahmen dieser Förderinitiative, klimazwei, wurde Ende 2006 das interdisziplinäre Projekt KUNTIKUM bewilligt, bei dem die Leuphana Universität Lüneburg und die Albert-LudwigsUniversität Freiburg mitgewirkt haben. KUNTIKUM – Klimatrends und nachhaltige TouI II Vorwort rismusentwicklung in Küsten- und Mittelgebirgsregionen – versuchte Antworten auf Fragen zu finden, wie der Tourismus in Deutschland am Beispiel Nordsee und Schwarzwald auf den Klimawandel reagiert, welche neuen Potenziale gebildet werden und welche Risiken bevorstehen können. Da der Wintertourismus derzeit einen größeren Stellenwert einnimmt als der Sommer-(Bade)tourismus und klimatische Änderungen im Süden ausgeprägter sein werden als im Norden, wird in der vorliegenden Arbeit nur die Modellregion Schwarzwald betrachtet. In erster Linie möchte ich Herrn Prof. Dr. Andreas Matzarakis für die Möglichkeit danken, meine Dissertation im Rahmen des Projektes KUNTIKUM am Meteorologischen Institut der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg durchgeführt haben zu können. Somit bot sich ein mir ganz neues, spannendes und interessantes Forschungs- und Wissenschaftsfeld. Für seine stets fachliche Betreuung, seine volle Unterstützung und sein Engagement sowie konstruktive, lehrreiche Diskussionsrunden danke ich ihm sehr. Prof. Dr. Rüdiger Glaser danke ich für die Arbeit als Korreferent. Ein großer Dank gebührt auch meinen Kollegen in Lüneburg, die mit ihren herausfordernden und kritischen Fragen, dem stetigen Austausch und dem regen Interesse zur Durchführung und zum Gelingen des Projektes und folglich meiner Dissertation beigetragen haben. Ein wesentlicher Vorteil von interdisziplinären Projekten ist, dass man eine andere Sicht auf die eigene Wissenschaft bekommt, andere oder neue Möglichkeiten erkennt und unterschiedliche Methoden kennenlernt. Somit möchte ich mich bei meinen Kollegen für den Einblick in mir vorher fremde Wissenschaftsbereiche, für die lehrreichen, interessanten Gespräche und Diskussionen sowie für das entspannte, kollegiale Arbeitsklima, auch außerhalb des Büros bedanken. Besonderer Dank gilt Olaf Matuschek, der bei der Aufbereitung der Daten und Programmierung der entsprechenden Software tätig und bei technischen Schwierigkeiten damit immer zur Stelle war und somit für einen reibungslosen Ablauf der Untersuchung sorgte. Weiterhin gebührt mein Dank Dr. Kerstin Prömmel, Stefan Kroll und Stefan Muthers, die immer ein offenes Ohr für meine Fragen hatten und mir oftmals den Weg zur Lösung ebneten. Markus Zygmuntowski sei an dieser Stelle ebenfalls gedankt. Die Gespräche mit ihm zwischen der Bürotür waren stets inspirierend und sorgten zeitweise für eine kurze Auszeit. Abschließend möchte ich all denjenigen danken, vor allem meiner Familie und meinen Freunden, ohne deren Unterstützung, Ausdauer, Ermutigung, Motivation und Optimismus diese Arbeit in der vorliegenden Form nicht zustande gekommen wäre. Christina Endler Februar 2010 Publikationen Die vorliegende Arbeit fasst als kumulative Dissertationsschrift Inhalte folgender Publikationen zusammen: Endler C, Oehler K, Matzarakis A (2010) Vertical gradient of climate change and climate tourism conditions in the Black Forest. Int. J. Biometeorol. 54:45-61. Endler C, Matzarakis A (2010) Climatic potential for tourism in the Black Forest, Germany - winter season. Int. J. Biometeorol. DOI: 10.1007/s00484-010-0342-0. Endler C, Matzarakis A (2010) Climate and tourism in the Black Forest during the warm period. Int. J. Biometeorol. DOI: 10.1007/s00484-010-0323-3. Endler C, Matzarakis A (2010) High resolution climate simulations for the Black Forest region from a point of view of tourism climatology - a comparison between two regional models (REMO and CLM). Theor. Appl. Climatol. DOI 10.1007/s00704-010-0311-x. Matzarakis A, Endler C (2010) Adaptation of thermal bioclimate under climate change conditions - The example of physiologically equivalent temperature in Freiburg, Germany. Int. J. Biometeorol. 54:479-483. III Inhaltsverzeichnis VORWORT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I PUBLIKATIONEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN UND SYMBOLE . . . . . . . . VII ABBILDUNGSVERZEICHNIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI TABELLENVERZEICHNIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII ZUSAMMENFASSUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV SUMMARY . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII 1 Einleitung und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 Stand der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 3 Charakterisierung des Untersuchungsgebietes . . . . . . . . . . . . . . 15 4 Methodik und Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 4.1 Entwicklung der Human-Biometeorologie und TourismusKlimatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 4.2 Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 4.3 Regionale Klimamodelle und Klimaszenarien . . . . . . . . . . . 31 4.3.1 REMO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4.3.2 CLM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 5 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . 37 5.1 Klimatische Veränderungen im Schwarzwald . . . . . . . . . . . 37 5.1.1 Wintersaison . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 5.1.2 Sommersaison . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 5.1.3 Vergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 V VI Inhaltsverzeichnis 5.2 Sensitivätsanalysen für die Physiologisch Äquivalente Temperatur PET . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 5.2.1 PET Simulationen ohne Modifikation . . . . . . . . . . . 45 5.2.2 PET Simulationen mit Modifikation . . . . . . . . . . . . 45 6 Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 6.1 Aussagefähigkeit regionaler Klimamodelle im komplexen Gelände 47 6.2 Risiken für den Wintertourismus in Mittel- und Hochgebirgen . . 51 6.2.1 Schwarzwald und andere deutsche Mittelgebirge . . . . . 51 6.2.2 Alpen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Risiken und Chancen für den Sommertourismus . . . . . . . . . . 55 7 Schlussfolgerungen und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 LITERATUR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX 6.3 Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole Bft Beaufort BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (German Federal Ministry for Education and Research) CAST Climate trends and sustainable development of tourism in coastal and low mountain range regions CH4 Methan CIT Climate Index for Tourism CLM Climate version of the Lokalmodell (Klimaversion des Lokalmodells) clo Clothing, ein Maß für die Bekleidung des Menschen basierend auf den thermischen Widerstand der Bekleidung (1 clo = 0,155 K m2 W−1 ) CO2 Kohlendioxid COSMO-CLM Climate Limited-area Modelling Community COST European Cooperation in Science and Technology CTIS Climate-Tourism-Information-Scheme (Klima-Tourismus-InformationsSchema) DJF Dezember, Januar, Februar DWD Deutscher Wetterdienst e Dampfdruck [hP a] ECHAM4 Vierte Generation des ECHAM (European Centre Hamburg Model) ECHAM5 Fünfte Generation des ECHAM (European Centre Hamburg Model) EM Europamodell VII VIII Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole FCKW Flourchlorkohlenwasserstoffe GCM Global Circulation Model GIS-KliSchee Geografisches Informationssystem für Klimavariabilität und Schneeverfügbarkeit in deutschen Mittelgebirgen GKSS Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt mbH HeRATE Health Related Adaptation to the Thermal Environment IMEM Instationäres Münchner Energiebilanzmodell IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change JJA Juni, Juli, August KUNTIKUM Klimatrends und nachhaltige Tourismusentwicklung in Küsten- und Mittelgebirgsregionen: Produkt und Infrastruktur-Innovation durch kooperative Lernprozesse und strategische Entscheidungsfindung LM Lokalmodell M Metabolische Rate [W ] MAM März, April, Mai MCIT Modified Climate Index for Tourism MEMI Münchner Energiebilanzmodell MEZ Mitteleuropäische Zeit MICE Modelling the Impact of Climate Extremes MODIS Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer MPI Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg MPI-OM Ozeanmodell des MPI N2 O Distickstoffoxid NDJFM November, Dezember, Januar, Februar, März O3 Ozon OECD Organization for Economic Co-operation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) OUT_SET? Outdoor Standard Effective Temperature [°C] PET Physiologically Equivalent Temperature (Physiologisch Äquivalente Tem- Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole IX peratur) [°C] PIK Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung PMV Predicted Mean Vote PPD Predicted Percentage Dissatisfied PRUDENCE Prediction of Regional scenarios and Uncertainties for Defining European Climate change risks and Effects Q? Strahlungsbilanz [W ] QH Konvektiver Wärmestrom [W ] QL Strom latenter Wärme infolge von Wasserdampfdiffusion durch die Haut [W ] QRe Strom latenter Wärme infolge der Schweißverdunstung [W ] QSw Energieumsatz infolge von Erwärmung und Wasserdampfsättigung der Atemluft [W ] RCM Regional Climate Model REMO Regionalmodell SET? Standard Effective Temperature [°C] SkiSim Skisaisonmodell SO4 Sulfat SON September, Oktober, November SRES Special Report on Emissions Scenarios STAR Statistical Regional Model STARDEX Statistical and Regional dynamical Downscaling of Extremes for European regions STI Subjective Temperature [°C] Ta Lufttemperatur [°C] Ta,max Maximum der Lufttemperatur [°C] Tmrt Mittlere Strahlungstemperatur [°C] TCI Tourism Climate Index UBA Umweltbundesamt X Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole USA United States of America UTCI Universal Thermal Climate Index [°C] v Windgeschwindigkeit [ms−1 ] UV Ultraviolett W Energieumsatz [W ] WETTREG Wetterlagen-basierte Regionalisierungsmethode WMO World Meteorological Organization Abbildungsverzeichnis 2.1 Mittlere jährliche Anzahl der Schneetage in deutschen Mittelgebirgen für den Zeitraum 1980-1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.2 Höhenlage ausgewählter Skigebiete im Schwarzwald . . . . . . . . . . . 11 3.1 Geografische Lage des Schwarzwaldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 3.2 Karte des Bioklimas im Schwarzwald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 4.1 Thermische Umgebung des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 4.2 Abhängigkeit des Sommer- und Wintertourismus von einzelnen Klimaparametern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 4.3 Entwicklung der Klimamodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4.4 Schematische Übersicht der IPCC-Emissionsszenarien . . . . . . . . . . . 33 4.5 Horizontale Auflösung globaler und regionaler Klimamodelle im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.6 Schematische Übersicht der Regionalisierung . . . . . . . . . . . . . . . 34 5.1 Mittlere prozentuale Änderung der Schneetage . . . . . . . . . . . . . . . 39 5.2 Mittlere prozentuale Änderung der winterlichen Kältestresstage . . . . . . 40 5.3 Häufigkeitsverteilung für derzeitige (1961-1990) und zukünftige PET Bedingungen (2071-2100) in Freiburg unter Berücksichtigung von Strahlungs- und Windmodifikation . . . . . . . . . . . . . . . . 46 XI Tabellenverzeichnis 4.1 Klimafacetten und ihre jeweilige Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . 26 4.2 Definition des klimatischen Tourismuspotenzials . . . . . . . . . . . . . 29 5.1 Qualitative Zusammenfassung der untersuchten Kenngrößen für den Schwarzwald basierend auf den Regionalmodellen REMO und CLM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 XIII Zusammenfassung Im Zuge der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion über den Klimawandel und seine Folgen ist auch der Tourismussektor näher in den Blickpunkt geraten, da sich der Klimawandel auf den gesamten ökologischen sowie ökonomisch-sozialen Bereich auswirkt. Das Ausmaß des Klimawandels ist jedoch von Bereich zu Bereich, von Region zu Region und von Zeitpunkt zu Zeitpunkt verschieden. Somit stellt er nicht nur für Meteorologen und Klimatologen eine Herausforderung hinsichtlich der Abschätzung der zu erwartenden Änderungen dar, sondern auch für die einzelnen Bereiche, auf die sich der Klimawandel auswirkt. Die Auswirkungen zeigen sich nicht nur in langsam abtauende Gletscher oder dem allmählich steigenden Meeresspiegel, sondern auch in extremen Hitzewellen, intensiven Regenfällen und Stürmen. Anpassungen an die bereits eingetretenen und verstärkt zu erwartenden Folgen des Klimawandels sind für verschiedene Sektoren essenziell. Dabei ist eine vorausschauende Anpassung an extreme Wetterverhältnisse und erwartete Veränderungen des Klimas ein wichtiger Aspekt einer nachhaltigen Entwicklung. Insbesondere für wetter- und klimasensible Wirtschaftsbereiche wie Tourismus hat der Klimawandel eine besondere Bedeutung. Gegebene klimatische Bedingungen und aktuelles Wetter steuern, limitieren und begünstigen dabei Angebot und Nachfrage und können entscheidend die Reisemotivation beeinflussen. Relativ geringe Änderungen der klimatischen Rahmenbedingungen können bereits massive Verluste in der Tourismusbranche zur Folge haben. Die zu erwartenden Klimaveränderungen weisen regionale und saisonale Unterschiede auf. So erwärmen sich beispielsweise die Kontinente schneller als die Ozeane. Besonders ausgeprägt ist die Erwärmung im Winter, welche erhebliche Auswirkungen auf die Schneebedeckung, das Schneepotenzial und damit auf den Wintertourismus vor allem in Mittelgebirgen haben wird. Der Schwarzwald ist hierbei aufgrund seiner südlicheren Lage im Vergleich zu anderen deutschen Mittelgebirgen besonders sensitiv gegenüber Klimaveränderungen. Um das Ausmaß jener Vulnerabilitäten aufdecken und abschätzen zu können, wurden auf der Grundlage regionaler Klimasimulationen – aus den Regionalmodellen REMO und XV XVI Zusammenfassung CLM – human-biometeorologische und tourismusrelevante Berechnungen auf der Basis der Emissionsszenarien A1B und B1 durchgeführt. Dabei wurden zukünftige Projektionen, die einen Zeitraum von 2021 bis 2050 beschreiben, mit der Klimanormalperiode 1961-1990 bzw. 1971-2000 verglichen. Um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben, ist die Anpassung an den Klimawandel von gleichbedeutend zentraler Bedeutung wie die Befriedigung der wachsenden Ansprüche der Touristen und Erholungssuchende. Auch die Entwicklung und Beibehaltung der touristischen Infrastrukur werden eine wesentliche Rolle spielen. Daher ist es sinnvoll, nicht die nächsten 5-10 Jahre in Betracht zu ziehen, die in der Tourismusbranche den üblichen Planungshorizont darstellen, sondern die nächsten 30-50 Jahre. Der Vorteil liegt hierbei auch darin, dass bis 2050 die Unterschiede in der Entwicklung der einzelnen Emissionsszenarien, die den Klimasimulationen zugrunde liegen, geringer sind und sie somit zuverlässigere Aussagen liefern können. Die Ergebnisse zeigen, dass der schon in den letzten Jahren bemerkbare Rückgang der Schneedecke und -dauer sich im Schwarzwald trotz einer geringen Zunahme der Winterniederschläge zukünftig verstärken wird. Dies ist auf die steigende Lufttemperatur in den Wintermonaten zurückzuführen. Weiterhin wird die Variabilität der Schneedecke zunehmen, d. h. es werden weiterhin schneereiche Winter auftreten, jedoch weniger häufig. Um zukünftig wettbewerbsfähig zu bleiben, ist es sinnvoll, sich heute schon Gedanken über den Tourismus von morgen zu machen. Somit empfiehlt es sich, den immer wichtiger werdenden Sommertourismus in die Planung und Anpassungsstrategien einzubeziehen. Ein VierJahreszeiten-Tourismus mit der neuen potenziellen Schlüsselfunktion „Natur“ und einem ausgebauten attraktiven und zertifizierten Wegenetz könnte ein Weg in die Wettbewerbsfähigkeit bilden. Der Sommer im Schwarzwald wird in Zukunft vor allem in den höher gelegenen Gebieten komfortable klimatische Bedingungen aufweisen. Während die Zunahme der sommerlichen Lufttemperatur und der Physiologisch Äquivalenten Temperatur (PET) in mittleren und höheren Lagen des Schwarzwaldes für ein angenehmes Klima sorgen kann, sehen sich die tiefen Lagen und urbanen Gebiete mit einer Zunahme von Hitzestress und feuchtwarmen Tagen konfrontiert. Bereits mit einfachen Anpassungsmaßnahmen kann diesen zu erwartenden Auswirkungen entgegengekommen werden. Simulationen von PET unter der Modifikation von Windgeschwindigkeit und mittlerer Strahlungstemperatur zeigten, dass vor allem im Sommer eine reduzierte mittlere Strahlungstemperatur sowie eine erhöhte Windgeschwindigkeit, im Winter hingegen eine höhere mittlere Strahlungstemperatur und reduzierte Windgeschwindigkeit thermische Belastungen deutlich minimieren können. Die durchgeführten Simulationen bieten demzufolge ein nützliches Instrument zur Quantifizierung von Adaptationsmaßnahmen. Summary In public and scientific research discussion about climate change and its impacts, the tourism sector is highly focused. Thereby, ecological and economic-social sectors are affected by climate change. Its degree varies, however, from sector to sector, from region to region, and from time to time. Consequently, it poses a challenge not only for meteorologists and climatologists, but also for each of the sector affected. Impacts like melting glaciers or a rising sea level, extreme heat waves, intense rain, and storms may be expected. Adaptation to both impacts of climate change already occurred and expected to increase is vital for communities, and a prospective adaptation to severe weather events and changes in climate is essential for a sustainable development. Climate change is of high importance, especially for industrial sectors sensitive to weather and climate, like tourism. Current climate conditions and weather thereby control, limit, and favor demand and supply in tourism and can affect decisively the motivation for traveling. Small changes in climate conditions can already result in huge losses of revenues. Climate changes expected show regional and seasonal differences. For example, continents warm faster compared to oceans. Winter warming is more pronounced, which in turn affects snow cover, ski potential, and winter tourism, in particular in low mountain ranges. Due to its southern location the Black Forest is more sensitive to climatic changes than other German low mountain ranges. In order to reveal and assess the magnitude of those vulnerabilities regional climate simulations based on two regional climate models (REMO and CLM) were analyzed for the two emission scenarios A1B and B1. The analysis thereby considers human-biometeorological and climatic parameters relevant for tourism for two time frames: the future time span 2021-2050 and the present-day time span 1961-1990 and 1971-2000, respectively. In order to adapt to climate change in the future to remain competitive on the one hand and to meet the requirements of a more and more sophisticated population it is necessary to focus more on the next 30-50 years instead of the next 5-10 years, the usual short-term planning horizon in tourism. In this context, the development in infrastructure of tourism also plays XVII XVIII Summary a relevant role. Another advantage also is that uncertainties in the development of each emission scenario that underlies the climate simulations are lower until 2050. The results reveal that the reduction of snow cover and duration already recorded in the last years in the Black Forest will continue to decrease despite the slight increase in winter precipitation. This is rather due to an increase in air temperature, especially in winter months. There might be still some winters with snow, but snow-less winters will be more frequent due to an increased natural variability. In order to remain competitive it is necessary for today’s tourism to be anticipatory. It is recommended to stronger integrate summer tourism in planning and adaptation strategies. A four season tourism with the new potential key factor „nature“ and a well developed and attractive path network could be one solution for competitiveness. The summer in the Black Forest will reveal a pleasant climate in particular in higher elevated regions. While the increase in both summer air temperature and physiologically equivalent temperature (PET) in middle and higher regions of the Black Forest provide pleasant climate conditions, both the lower regions and urban areas are faced with heat stress and humid-warm conditions. These expected climatic changes can be countered already by the application of simple adaptation measures. Simulations of PET modified by changing wind speed and mean radiant temperature indicate a noticeably reduced thermal stress: smaller mean radiant temperature and higher wind speed in summer, increased mean radiant temperature and lower wind speed in winter. Simulations conducted provide a useful instrument for quantifying adaptation measures. 1 Einleitung und Zielsetzung In den letzten Jahrzehnten wurden im Bereich der Klimaforschung und -modellierung große Fortschritte erzielt, die nun aufgrund der Diskussion um den Klimawandel zum Tragen kommen. Mit der Veröffentlichung des Dritten Sachstandsberichts des Weltklimarates (Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC) im Jahre 2001 kam diesbezüglich der erste Trend auf, der sich mit dem neuesten IPCC-Bericht (2007) fortsetzte und intensivierte. Zahlreiche Studien bezüglich Klimawandel und Klimafolgen entstanden in dieser Zeit. Die Diskussionen vollziehen sich in vielen unterschiedlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen. Das Ausmaß des Klimawandels ist jedoch je nach Bereich, Region und Zeitpunkt verschieden. Somit stellt er nicht nur für Meteorologen und Klimatologen eine Herausforderung bezogen auf die Abschätzung der zu erwartenden Änderungen dar, sondern auch für die einzelnen Bereiche, auf die sich der Klimawandel auswirkt. In kaum einem anderen Wirtschaftszweig spielen Wetter und Klima eine große Rolle wie im Tourismus. Gegebene klimatische Bedingungen und aktuelles Wetter steuern, limitieren und begünstigen dabei Angebot und Nachfrage sowie die Saisonalität im Tourismus. Ändern sich die für den Tourismus grundlegenden Ressourcen (Klima und Natur) qualitativ, können sich neue Herausforderungen formieren (Matzarakis et al. 2004; Becken und Hay 2007; Scott und McBoyle 2007; Matzarakis et al. 2007a; UNWTO 2008). Selbst wenn wetterunabhängige Angebote immer wichtiger werden, ist davon auszugehen, dass auch zukünftig die Sehnsucht nach intakter Natur/Landschaft zu den Hauptmotiven gehört, eine Reise in eine bestimmte Destination zu unternehmen. Mit dem fortschreitenden Klimawandel werden sich auch die Landschaften in den Destinationen verändern. Hall und Higham (2005) identifizieren folglich den Klimawandel als neue Determinante des Tourismus. Er kann als Chance oder als Risiko oder sowohl als Chance als auch als Risiko gesehen werden. Dies gilt vor allem für montane Regionen, die ca. 20 bis 24 % der gesamten Landoberfläche abdecken. Dort stellt der Tourismus oftmals die einzige wirtschaftliche Einnahmequelle dar (8 % des Bruttoinlandsproduktes in Deutschland, DIW 2001). Schneearme Winter beispielsweise werden deutliche Spuren bei Tourismusanbietern hinterlassen. Extreme Wetterereignisse verursachen neben materiellen Schäden auch Imageschäden für die 1 2 1 Einleitung und Zielsetzung Destination (Attraktivitätsverlust). Um dem zu begegnen, wurden die Orkane Lothar und Kyrill beispielsweise, die im Dezember 1999 bzw. Januar 2007 das öffentliche Leben in weiten Teilen Deutschlands beeinträchtigten und zu erheblichen Umsatzeinbußen in den betroffenen Regionen (besonders in den Mittelgebirgen) führten, später Gegenstand proaktiven Handelns im touristischen Marketing. So entstand im Sauerland der „Kyrillpfad“ und im Schwarzwald der „Lotharpfad“ als erlebbare Schaustrecke (Bartels et al. 2009). Allmählich wird erkannt, dass es für viele Regionen überlebensnotwendig ist, sich mit der Thematik Klimawandel auseinanderzusetzen. Unabhängig davon, wie stark sich der Klimawandel ausprägen wird, die Tourismusbranche sieht sich ohne Anpassungsmaßnahmen vielerorts mit Risiken konfrontiert. Sie kann, wenn das Bewusstsein vorhanden und geschärft ist, aufgrund ihres dynamischen Charakters und der daraus resultierenden hohen Anpassungsfähigkeit schnell gegensteuern, mögliche Risiken eingrenzen und neue Potenziale ausschöpfen. Auch die Anpassungsfähigkeit von Seiten der Urlauber zeigt sich hoch. So können sie sich auf ein verändertes Klima einstellen, indem sie z. B. ihre Reisezeiten an die von ihren bevorzugten Klimabedingungen anpassen und gegebenenfalls ihre Reisezeiten (in die Vor- oder Nachsaison) verschieben (Perry 1997; Matzarakis et al. 2004; Hall und Higham 2005; Becken und Hay 2007). Aber welche klimatischen Bedingungen empfinden wir als angenehm oder unangenehm? Mit dieser Frage beschäftigt sich seit mehr als 50 Jahren die Human-Biometeorologie (z. B. Büttner 1938; Fanger 1972; Faust et al. 1978). Das Empfinden, hier meinen wir das thermische Empfinden, entstammt nicht der Subjektivität. Es hängt u. a. von Alter, Geschlecht, Fitness und Herkunft des Menschen (thermo-physiologische Faktoren) (Besancenot 1990; Scott et al. 2009) sowie von meteorologischen Faktoren (z. B. Wind, Strahlung, Lufttemperatur der Umgebung) ab. Die menschliche Reaktion auf äußere Umwelteinflüsse (Thermoregulation) spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Dies gilt es entsprechend objektiv zu quantifizieren (Matzarakis et al. 2004; Matzarakis et al. 2007a). Während anfangs noch auf empirische Studien zurückgegriffen werden musste, konnten später im Zuge des technischen und wissenschaftlichen Fortschritts Energiebilanzmodelle des Menschen entwickelt werden (siehe Kapitel 4.1). Die Objektivität wird bei manchen thermischen Betrachtungen jedoch eingeschränkt. Auf der anderen Seite steht die Wahrnehmung, die subjektiver Natur ist. Manch einer erfreut sich an einem stürmischen Herbsttag an der rauen See, andere wiederum empfinden dies schon belästigend. Im Sommer kann eine stürmische Badesaison ebenfalls die Attraktivität und Erlebnisqualität mindern, während sie bei Wassersportlern für eine Steigerung dieser sorgt. UV-Strahlung fördert sowohl die Vitamin D-Synthese in der Haut als auch 1 Einleitung und Zielsetzung 3 das psychische Wohlbefinden, während sie in zu hoher Dosis (gesundheits-)schädigend sein kann (Köpke et al. 2007). Die Palette der Auswirkungen des Klimas auf den Menschen ist vielfältig; einerseits können sie die Qualität und Attraktivität eines Ortes steigern (Smith 1993; Hu und Ritchie 1993; Shoemaker 1994), andererseits können sie Gefahren und negative Reize zur Folge haben. Diese Ambivalenz und Komplexität gilt es erstmals zu identifizieren und anschließend entsprechend den Bedürfnissen im Bereich Tourismus und Erholung anzupassen. Dies ist Forschungsgegenstand der Tourismus-Klimatologie und wurde bereits in zahlreichen Studien thematisiert. Eine umfassende Übersicht für den Zeitraum 1936 bis 2006 bieten Scott et al. (2006a) in ihrer Bibliografie. Die Zahl der Studien über Klima und Tourismus wächst stetig und wird durch die zusätzliche Komponente Klimawandel ergänzt. Da Gebirgsregionen klimatisch sehr sensitive Ökosysteme darstellen, wurde bislang das Hauptaugenmerk im Zusammenhang Klima(wandel) und Tourismus ausschließlich auf die Wintersaison gelegt. Während die Alpen oder Nordamerika (siehe Kapitel 2) von vielen Seiten intensiv untersucht wurden, fanden die deutschen Mittelgebirge nur mäßig Beachtung. Auch der Sommertourismus wurde selten in den bestehenden Analysen einbezogen, da einerseits die Vulnerabilität gegenüber einer Erwärmung nur als mäßig eingestuft wurde (Zebisch et al. 2005) und andererseits dieser bislang nicht den hohen Stellenwert auf dem Tourismusmarkt erreicht wie der Winter. Diese Tatsache verliert zusehends mehr an Gültigkeit, was auch die Tourismuszahlen belegen. Allgemeinen Aussagen zufolge ist der Wintertourismus einem hohen Gefährdungspotenzial ausgesetzt, während der Sommertourismus profitieren wird, z. B. Verlängerung der Saison, Qualitätssteigerung. Diese allgemeinen Aussagen müssen im Detail nicht zutreffen, denn jede Region und Destination weisen ein unterschiedliches (Attraktions-)Potenzial und einen unterschiedlichen Grad an Vulnerabilität auf. Demzufolge ist es ein Ziel, das zukünftige touristische, klimatische Potenzial abzuschätzen. Da das Klima nicht die einzige Rahmenbedingung ist, die sich im Kontext Tourismus ändern kann – es finden u. a. auch sozio-ökonomische und technologische Veränderungsprozesse statt –, wird das Forschungsfeld weitaus komplexer, wobei im Rahmen dieser Untersuchung nicht auf jedes Detail eingegangen werden kann. Um das touristische, klimatische Potenzial abschätzen zu können, gilt es in erster Linie, die entsprechenden klimatischen Kriterien zu identifizieren (siehe Kapitel 4.2). Perry (1997) legt dar, dass für den Sommertourismus – vor allem für den Badetourismus – die wichtigsten klimatischen Einflussfaktoren Sonnenschein, Luft- und Wassertemperatur 4 1 Einleitung und Zielsetzung sind. Allerdings sind im Vergleich zum Wintertourismus die klimatischen Voraussetzungen für den Sommertourismus weniger eindeutig und die genauen Abhängigkeiten kaum untersucht. Weiterhin unterscheiden sich auch die einzelnen Formen des Sommertourismus wie Badeurlaub, Aktivurlaub oder Urlaub auf dem Lande in ihren klimatischen Ansprüchen sowie der Stärke der Abhängigkeit. de Freitas (2003) ordnet den klimatischen Einflussgrößen drei Facetten zu – thermisch, physikalisch und ästhetisch –, wobei Matzarakis et al. (1999) in der thermischen Komponente (thermisches Empfinden) die größte Relevanz sehen. Der thermischen Komponente wird in dieser Untersuchung über die Physiologisch Äquivalente Temperatur PET Ausdruck verliehen. Ziel dieser Untersuchung ist es demnach, das zukünftige Klima für Mittelgebebirge unter Berücksichtigung der einzelnen Klimafacetten zu analysieren und zu bewerten. Dabei soll ein für den Tourismus integraler Ansatz verwendet werden. Obwohl sich Klimaveränderungen auf globaler Ebene abspielen, können ihre Auswirkungen und Folgen (Impacts) auf lokaler und regionaler Ebene erheblich variieren (Amelung et al. 2007). Somit basieren die so genannten Impact Studies weniger auf globalen, sondern eher auf regionalen Klimasimulationen. Globale Klimamodelle mit einer Auflösung von meist 100 km werden für gewöhnlich benutzt, um die Auswirkungen steigender Treibhausgaskonzentrationen, veränderter Aerosolzusammensetzung und der Landnutzung zu untersuchen. Sie sind in der Lage, die großräumige Zirkulation sowie die mittleren klimatischen Zustände weitestgehend realitätsnah zu simulieren (z. B. Rial et al. 2004; Reichler und Kim 2008). Jedoch sind jene Globalmodelle weniger geeignet, die Oberflächenheterogenitäten auf Skalen kleiner als 100 km abzubilden und die Auswirkungen globaler Änderungen auf regionaler Ebene abzuschätzen. Regionale Klimasimulationen können entweder mithilfe statistischer Verfahren (z. B. STAR - Statistical Regional Model, Werner und Gerstengarbe 1997 oder WETTREG - Wetterlagen-basierte Regionalisierungsmethode, Enke und Spekat 1997) oder dynamischen Downscalings ermittelt werden (z. B. Jacob et al. 2001; Steppeler et al. 2003). Dabei werden regionale Modelle in globale Modelle „genestet“ (eingebettet), d. h. der Modelloutput des Globalmodells dient zur Berechnung der möglichen Entwicklung des Klimas auf einer feiner aufgelösten räumlichen Skala (< 20 km). Vor allem im komplexen Gelände – z. B. Mittel- und Hochgebirge – ist eine hohe räumliche Auflösung essenziell, da meso- und mikroskalige Prozesse einen entscheidenden Einfluss auf das Gebirgsklima haben (Whiteman 2000). Kleinräumige Windsysteme und Wolkenformationen fallen zum Beispiel durch das grobmaschige Gitter von globalen Modellen und die Höhenabhängikeit von einigen Klimaparametern (z. B. Lufttempera- 1 Einleitung und Zielsetzung 5 tur) kann nur rudimentär wiedergegeben werden. Aber auch Regionalmodelle gelangen an ihre Grenzen, da nicht jeder einzelne Prozess im System Erde-Atmosphäre realitätsgetreu abgebildet werden kann und somit parametrisiert werden muss. 2 Stand der Wissenschaft Das Klima ist keine konstante Größe, sondern unterliegt Änderungen auf unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Skalen. Klimaveränderungen, d. h. über mehrere Jahre bis Jahrmillionen andauernde Abweichungen vom langjährigen Mittelwert, sind die Folge von Änderungen in der Energiebilanz der Erde. Dabei können die Änderungen natürlichen und anthropogenen Ursprungs sein. Zu den natürlichen Prozessen gehören beispielsweise Vulkanismus, plattentektonische Verschiebungen, solare Aktivitätsschwankungen und Variationen in den Erdbahnparametern (Jacobeit 2007; Glaser und Schenk 2007). Im Pleistozän, d. h. ca. 2 Millionen Jahre bis 11.000 Jahre vor heute, hat sich das Klima vergleichsweise langsam zwischen Warm- und Eiszeiten gewandelt. Dabei betrugen die Temperaturschwankungen zwischen den Glazialen (Kaltzeiten) und Interglazialen (Warmzeiten) in Mitteleuropa im Mittel bis zu 10-12 °C. In diesen Warmzeiten waren die Pole allerdings noch mit Eis bedeckt (Bubenzer und Radtke 2007). Seit ca. 10.000 Jahren befinden wir uns in einem solchen Interglazial. In jüngster Zeit hat der anthropogene Anteil im Klimasystem mehr und mehr an Bedeutung gewonnen. Dabei spielen vor allem Landnutzungsänderungen und die Freisetzung klimawirksamer Spurengase und Emissionen eine entscheidende Rolle. Resultat sind klimatische Folgewirkungen in verschiedenen Bereichen: ? ? ? ? ? Änderung des globalen Strahlungs- und Energiehaushalts, Einfluss auf die stratosphärische Ozonschicht, Veränderung der Luftzusammensetzung infolge der freigesetzten Emissionen, Veränderungen des Regionalklimas, Spezielle Klimaveränderungen in urbanen Gebieten (Jacobeit 2007). Um die heute ablaufenden Klimaveränderungen verstehen und deren anthropogenen Anteil abschätzen zu können, ist ein Verständnis natürlicher Klimaveränderungen notwendig. Auch in Zukunft ist mit natürlichen Änderungen zu rechnen, die allerdings vom anthropogenen Signal überlagert werden. Die rezente Erwärmung kann – was Modellergebnisse 7 8 2 Stand der Wissenschaft bestätigen – auf den dominanten Einfluss des Menschen zurückgeführt werden1 (IPCC 2007). So ist beispielsweise im letzten Jahrhundert die Lufttemperatur weltweit um ca. 1 °C gestiegen; in Deutschland um 0,9 °C und in den Alpen sogar um 1,5 °C. In den nächsten 100 Jahren wird eine nochmalige Erhöhung von bis zu 3,5 °C erwartet. Besonders ausgeprägt ist die Erwärmung im Winter, welche erhebliche Auswirkungen auf die Schneebedeckung, das Schneepotenzial und den Wintertourismus vor allem in Mittelgebirgen hat (IPCC 2007). Satellitenbeobachtungsdaten von 1966 bis 2005 zeigen, dass die monatliche Schneedeckenhöhe in der nördlichen Hemisphäre um 1,3 % pro Dekade zurückgegangen ist (UNEP 2007). Tiefebenen in Zentraleuropa weisen neuerdings eine Abnahme in der jährlichen Schneedeckendauer von einem Tag pro Jahr auf (Falarz 2002). In den Schweizer Alpen ist seit 1980 die Schneedecke signifikant zurückgegangen (BMU 2008) und die Gefährdung des traditionellen Wintersports ist schon jetzt augenscheinlich. Gegenwärtig werden Schneegebiete oberhalb von 1500 m als schneesicher erachtet2 (Beniston 2003); zukünftig wird jedoch mit einer Zunahme der Lufttemperatur um 1 °C eine Erhöhung der Schneegrenze um 150 m erwartet. Somit ist der Wintertourismus im Kontext des Klimawandels ein sehr aktuelles Thema, dessen sich viele Wissenschaftler in den letzten 5 bis 10 Jahren intensiv angenommen haben. Eine der ersten Untersuchungen wurden von McBoyle und Wall (1992) für die Skiindustrie in der Great Lake Region, USA, durchgeführt. Weitere Untersuchungen für Nordamerika (Hamilton et al. 2003; Scott et al. 2003; Scott et al. 2005; Scott et al. 2006b; Scott et al. 2006c), Schottland (Harrison et al. 1999; Harrison et al. 2001), Japan (Fukushima et al. 2002) und den Alpenraum (Breiling und Charamza 1999; Koenig und Abegg 1999; Elsasser und Messerli 2001; Elsasser und Bürki 2002; Hantel und Hirtl-Wielke 2007; Steiger 2004; Steiger und Mayer 2009; Hantel et al. 2000; Beniston et al. 2003a; Beniston et al. 2003b) folgten. Unter diesen Destinationen wurde im europäischen Raum die von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organization for Economic Co-operation and Development - OECD) durchgeführte erste umfassende länderübergreifende Studie über den Klimawandel in den Alpen für die Regionen Frankreich, Schweiz, Österreich, Italien und Deutschland veröffentlicht (OECD 2007). Sie legt dar, dass unter einem 2 °C wärmeren Szenario die Anzahl der natürlich schneesicher geltenden Skigebiete (609 von insgesamt 666, das entspricht 91 %) auf 404 (61 %) und unter einem 4 °C wärmeren Szenario weiter auf 202 (30 %) zurück 1 Rein rechnerisch hätte die Erwärmung, wie sie gegenwärtig detektiert wird, allein nur aus natürlichem Antrieb nicht stattgefunden. 2 Aufgrund der Effekte der Kontinentalität ist die Grenze der natürlichen Schneesicherheit von Region zu Region verschieden. So liegt diese beispielsweise in der Schweiz und Westösterreich bei 1200 m, in Ostösterreich und Deutschland bei 1050 m und in Italien bei 1500 m. Für Frankreich wird je nach Gebiet eine Grenze von 1200 bis 1500 m angegeben (OECD 2007). 2 Stand der Wissenschaft 9 geht. Beniston et al. (2003a) geben bei einer Erhöhung der Lufttemperatur um 4 °C, die bis 2071-2100 im Alpenraum erwartet werden kann, eine Abnahme des Schnees um mindestens 90 % bei 1000 m, 50 % bei 2000 m und 35 % bei 3000 m an. Weiterhin wird die Schneesaison um 50 bis 60 Tage bei 2000-2500 m Höhe und 100 Tage bei 1000 m Höhe verkürzt (Rowell 2005; Beniston et al. 2003a; Ráisánen et al. 2003). Im Alpenraum wird mit einer vergleichsweise starken Erwärmung von 2,3 bis 3,3 °C bis zur Mitte dieses Jahrhunderts und 2,9 bis 5,3 °C bis Ende dieses Jahrhunderts gerechnet. Die Folgen variieren innerhalb der 5 untersuchten Alpenländer, wobei die deutsche Skiindustrie am stärksten betroffen sein wird. Künstliche Beschneiung als Anpassungsmaßnahme ist seit den 1980er Jahren operationell im Einsatz. 50 % der Flächen in Österreich, 40 % in Italien, 18 % in der Schweiz, 15 % in den Französischen Alpen und 11 % in Deutschland (Bayern) werden derzeit künstlich beschneit (OECD 2007). Zudem wird eine verstärkte Variabilität des winterlichen Niederschlags erwartet, die auch die Schneeverhältnisse beeinflussen kann. Im Allgemeinen beziehen sich Studien, die von rein wissenschaftlichem Interesse geprägt sind, zumeist auf langfristige Änderungen, d. h. sie decken den Zeitraum bis zum Ende des 21. Jahrhunderts, 2071-2100, ab (z. B. PRUDENCE, Christensen und Christensen 2007 oder ENSEMBLES, van der Linden und Mitschell 2009). Auf regionaler Ebene existieren zahlreiche Untersuchungen zum Wintertourismus und Klimawandel, die das Ausmaß steigender Temperaturen auf die Schneedecke untersuchen (siehe oben). Die Reaktion der Schneedeckenverhältnisse auf steigende Temperaturen variiert hierbei mit geografischer Breite und Höhe und hängt von vielen lokalen Faktoren ab, wie z. B. Schneeverwehungen, kleinräumige Turbulenzen, die auf gegenüberliegenden Seiten unterschiedliche Schneeverhältnisse bedingen können. Somit gestaltet sich eine genaue gegenwärtige und zukünftige Klassifizierung aufgrund der hohen räumlichen Variabilität und der fehlenden mikroskaligen Auflösung von Seiten der Modelle schwierig (Sturm et al. 1995). Dementsprechend sind Aussagen über klimatische Änderungen und ihre Folgen nur so gut wie ihre Modelle. Obwohl Mittelgebirge sehr vulnerabel gegenüber einer steigenden Lufttemperatur sind, wurde bislang wenig Augenmerk darauf gelegt. Die aktuelle Situation in den deutschen Mittelgebirgen basierend auf der mittleren, jährlichen Anzahl der Schneetage ist für den Zeitraum 1980-1999 in Abbildung 2.1 wiedergegeben. Nach der Definition von Abegg (1996) kann ein Skigebiet als schneesicher erachtet werden, wenn 7 von 10 Winter eine ausreichende Schneedecke von mindestens 30 bis 50 cm, an mindestens 100 Tagen zwischen dem 1. Dezember und 15. April aufweisen. Diese so genannte 100 Tage-Regel trifft auf den Südschwarzwald zu, während der Nord- 10 2 Stand der Wissenschaft schwarzwald eine geringere Anzahl von Schneetagen von mindestens 40 Tage aufweist, wobei Hornisgrinde (1164 m) mit 80 bis 100 Schneetagen annähernd als schneesicher gilt. Diese Ergebnisse sind konsistent mit früheren Ergebnissen von Roth et al. (2005). Die Autoren geben zusätzlich an, dass derzeit noch durchschnittlich an 24 Tagen Beschneiung möglich ist. O RD FR 625 m O S T S E E IESL SE V 169 O Bungsberg Emden O S T- Elb e Lüneburg E N D K Braunschweig L S N818 Ö N le aa A W AN K E LD N- Mai n P D W AL D N Mannheim Nürnberg Bayreuth F M A M W Freiburg i. Br. 9 1842 m Reutlingen S Feldberg 1495 Feldberg H W Ä B I S Z Mittleres O N D J F M A M Quellen: DWD, BADER-NIA 2000, SCHNEIDER / SCHÖNBEIN 2003 E Östliches Erzgebirge Erzgebirge 6 1214 Fichtelberg C H L B Weiden i.d. OPf. B AY E Ulm Ä ER Hoher Bogen 1456 Gr. Arber 8 Arbergebiet . Regens- St. Englmar burg W Bischofsmais A Ingolstadt Do n LD Mitterfirmiansreut Passau Landshut Augsburg 160 120 80 60 40 20 10 5 keine Angaben für einige Inseln Inn München AmSpitzingsee / Kampenwand / merSchliersee Aschau see Chiemsee Starnberger OberRavensburg U See A L P E N ammerImmenstadt / Ä H E 12 Ruhpolding / Inzell gau Rettenberg G Kempten Konstanz I S C E R Berchtesgadener 10 Y Ostallgäu Land Bodensee B A MittenSudelfeld / Reit im Winkel Watzmann wald Lenggries / WendelOberstaufen / Allgäu 2713 Brauneck stein Hörnergruppe 11 Oberjoch / Zugspitze GarmischHindelang 2962 Oberstdorf Partenkirchen / Grainau Mädelegabel C Mittlere jährliche Anzahl der Tage mit einer _ 10 cm Schneehöhe > Ochsenkopf G E B IR GE au A R 793 Lausche Beobachtungsperiode 1980 - 1999 Biberach a.d. Riß AL 12 Wendelstein 25 20 15 10 5 0 1015 Lemberg 557 Kaiserstuhl O N D J 7 Z Rhe i S C H W A R Brocken 1142 n 11 Garmisch-Partenkirchen 714 m 25 20 15 10 5 0 F Aalen Stuttgart r cka Ne R G Skigebiete überregionaler Bedeutung Skigebiet L 1164 Hornisgrinde D H A R Z L F M A M A O N D J E IR Westliches Erzgebirge N Heilbronn Karlsruhe Staatsgrenze Ländergrenze Gebirge, Landschaft Offenburg Berg mit HöhenVillingenSchwenningen angabe ND B Schneeberg 1051 Poppberg 657 kar 712 m LA Würzburg Main EN Plauen GT E Görlitz ITZER US B ELBSANDSTEINGEB. FICHTEL- ec Kaiserslautern Saarbrücken FR Coburg S O 686 Donnersberg Erbeskopf Neunkirchen F M A M Mainz R ÄL WA ZER LD U PF Trier Aschaffenburg VO G D AL RW LZE PFÄ OBER 1490 m D R Wiesbaden ER EF K HI C SC Ü F M A M H O N D J G Chemnitz S B - 5 WA L L el Mo s E RG G S I R N U 880 B Gr. Feldberg E TAU Frankfurt a.M. Koblenz 747 Hohe Acht L Taufstein 772 B E Gera 982 Gr. Beerberg Wasserkuppe 950 A E VOGELS- Fulda H H W Erfurt Thüringer IN GE Wald R Werr a Dresden I S C H E R F E E I C I S RW Marburg D Elbe TIEFLANDSBUCHT BECKEN K 4 I N E E ST AL Leipzig THÜRINGER Eisenach ES SAR T 1437 m H S LD Torgau LEIPZIGER 477 Kyffhäuser Fu ld a WA Cottbus Halle (Saale) Nordhausen Willingen Kahler Asten 841 Siegen E Z ÜR TH F M A M Westharz R D. GL ER RO TH AA RG 3 L A N D Göttingen EE Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Schneehöhe von >_ 10 cm für Tage pro Monat in Prozent S A Kassel R Dessau Ostharz F M A M usitzer Neiß e La 739 m GE IR Winterberg EB SP S A U E R - 2 Frankfurt (Oder) L Ä M I N G Halberstadt 1 aale Dortmund Düsseldorf Bonn 10 Isny 25 20 15 10 5 0 Havel F H 25 50 75 ee 201 Hagelberg Magdeburg Brocken 1142 er Sp ree E BE R G L A N D Essen F M A M Spr LA S BERLIN Potsdam Plauer See R W AL D Ü N S N D T E R L A Köln O N D J Eberswalde S M E E W O N D J d W Bielefeld er es M 1213 m Aachen 9 Feldberg 25 20 15 10 5 0 Osnabrück TE UT OB UR GE R Münster F M A M ein Rh 25 20 15 10 5 0 L A N D Höhe über NN Monat Tage je Monat C O Celle KÖLNER BUCHT 8 Großer Arber 25 20 15 10 5 0 H A V E LHavel 921 m Duisburg O N D J TTE U A L T M A R K Paderborn 7 Stötten 25 20 15 10 5 0 PL A H E I DE 528 Gr. Blöße O N D J EN Neuruppin Hannover 6 Fichtelberg 25 20 15 10 5 0 SE L Ü NE B U RG E R Cloppenburg Station N 179 Helpter Berge Wilseder Berg Wese A Ems Bremen Oldenburg R Neubrandenburg HE Müritz Nordhorn O N D J SC Plauer See ND Stendal 25 20 15 10 5 0 GI r F M A M 5 Wasserkuppe UR R FRIESLA 169 O N D J ENB OM K MAR N Hamburg E AR OR ST Schweriner See Schwerin M E C K L Bremerhaven F M A M 4 Schneifelforsthaus 657 m 25 20 15 10 5 0 Kumme- O M rower M See Lübeck M IES TFR INSELN ISCHE Beobachtungsperiode 1980 - 1999 US P 839 m OS O N D J ED R Rostock 3 Kahler Asten 25 20 15 10 5 0 _ 10 cm Schneehöhen > an ausgewählten Bergstationen RÜGEN Kiel LN F M A M DA R S S FEHMARN AND IN N O R D S E E O N D J ANGELN Husum E F M A M 2 Braunlage 25 20 15 10 5 0 N O N D J 1142 m NORDFRIESI S CH 1 Brocken 25 20 15 10 5 0 Schneedecke und Skigebiete SYLT 2645 0 50 100 km © Copyright der thematischen Rasterdaten: DWD Autoren: C. Schneider, J. Schönbein Kartografie: A. Müller © Leibniz-Institut für Länderkunde 2009 Abbildung 2.1: Mittlere jährliche Anzahl der Tage mit einer Schneehöhe ≥ 10 cm in deutschen Mittelgebirgen für den Beobachtungszeitraum 1980-1999 (Quelle: Schneider et al. 2009) Für den Schwarzwald lässt sich momentan noch keine akute Störung der natürlichen Schneeverhältnisse feststellen. Da der Zeithorizont im Tourismus nicht unbedingt dem langjährigem Klimamittel von 30 Jahren entspricht, sondern eher die letzten 5 und näch- 2 Stand der Wissenschaft 11 sten 5 Jahre in der Planung umfasst, gelten die letzten beiden Wintersaisons 2008/2009 und 2009/2010 als Beispiel für einen rezenten schwachen Klimawandel. Der Handlungsdruck von Seiten der Touristiker ist demnach zurzeit gedämpft. Abbildung 2.2, die die Höhenverteilung ausgewählter Skigebiete im Schwarzwald darstellt, verdeutlicht die angehende Problematik. Abbildung 2.2: Höhenlage ausgewählter Skigebiete im Schwarzwald. Dabei beziehen sich die Höhenangaben jeweils auf die Tal- und Bergstation Allgemeinen Aussagen zufolge liegt die natürliche Schneegrenze gegenwärtig bei 1500 m. Sie wird sich jedoch in Zukunft weiter nach oben verlagern. Die höchsten Skigebiete befinden sich im Südschwarzwald mit bis zu 1450 m. Der Nordschwarzwald hingegen weist deutlich weniger Skigebiete auf, die sich in Höhenlagen von 500 bis zu 1055 m erstrecken. Aufgrund der zu erwartenden stärkeren Zunahme der Lufttemperatur im Süden und Südwesten gilt der Schwarzwald unter den deutschen Mittelgebirgen als das am stärksten vom Klimawandel betroffene Mittelgebirge. Roth et al. (2005) geben für den Südschwarzwald einen Rückgang der Schneedeckendauer um ca. einen Tag pro Jahr an. Für den Nordschwarzwald ist der Rückgang mit 0,7 Tagen pro Jahr vergleichsweise moderat. In einer neueren Untersuchung, basierend auf Ergebnissen aus dem Projekt GISKliSchee, geben Roth et al. (2009) für die tieferen und mittleren Lagen (500 bis 1000 m) des Schwarzwaldes einen Rückgang von 57 bis 66 % und von 24 bis 44 % in den Gipfellagen (> 1200 m) bis 2041-2050 an. Die potenziellen Beschneiungstage werden einen Rückgang von 44 bis 50 % erfahren. 12 2 Stand der Wissenschaft Bei bislang allen Studien wurde dem Sommertourismus kaum Beachtung geschenkt. Dieser hat im Gegensatz zum Wintertourismus bedingt durch die auf den Klimawandel zurückzuführende steigende Zahl an warmen und trockenen Tagen jedoch bessere Chancen noch attraktiver zu werden (Zebisch et al. 2005). Jedoch muss sich eine steigende Lufttemperatur nicht immer positiv auswirken. So können steigende Maximaltemperaturen eine Zunahme der heißen Tage und des Hitzestresses bedeuten sowie eine Zunahme von Hitzewellen (Schär et al. 2004). Der Sommer 2003, der von vielen Seiten sehr ausführlich analysiert wurde (z. B. Beniston 2004; Black et al. 2004; Fink et al. 2004; Stott et al. 2004; Schär et al. 2004; Hutter et al. 2007) und eine Welle von Anpassungsmaßnahmen und Entwicklung von Warnsystemen (z. B. Hitzewarnsystem) zur Folge hatte (Koppe und Becker in press), könnte ein Vorgeschmack dessen sein, wie die Sommer in Zukunft sein können. Vor allem der Südwesten Deutschlands wird mit der im Mittel (für Deutschland) stärksten Erwärmung konfrontiert und ohne Anpassung sehr vulnerabel sein. Damit einhergehend könnten sich auch die Sommertrockenheit und -dürre in der Frequenz und Dauer intensivieren. Trotz der zu erwartenden Abnahme der Sommerniederschläge werden die Starkniederschläge zunehmen. Dies lässt sich dadurch erklären, dass wärmere Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann und an Gebirgen zum Aufsteigen gezwungen wird. Die Luft kühlt sich ab, kondensiert und fällt als Niederschlag wieder aus. Somit wird angenommen, dass orografisch bedingter Niederschlag stärker zunehmen wird als das globale Mittel. Eine Zunahme konnte schon seit 1901 vom Deutschen Wetterdienst (DWD) registriert werden. Auch wird sich nach Aussagen einiger Wissenschaftler (z. B. Geng und Sugi 2003; Lambert und Fyfe 2006; Bengtsson et al. 2006; Leckebusch et al. 2006; Pinto et al. 2006) die Häufigkeit von Sturmereignissen über Zentraleuropa reduzieren, wohingegen starke (extreme) Ereignisse wie die aus der Vergangenheit bekannten Stürme Vivian, Kyrill und Lothar häufiger auftreten können. Der Klimawandel stellt für den Schwarzwald aktuell noch keine akute Bedrohung dar (Matzarakis und Endler 2008). Um allerdings weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben, muss bewusst gemacht werden, welche klimatischen Entwicklungspfade im Schwarzwald erwartet werden können. Demzufolge soll diese Untersuchung u. a. dazu dienen, Auswirkungen des Klimawandels auf den Sommer- und Wintertourismus für die Schwarzwaldregion aufzuzeigen und gleichzeitig die Tourismusbranche auf mögliche Risiken und Chancen zu sensibilisieren. 2 Stand der Wissenschaft 13 Da ein sich änderndes Klima auch am Tourismus nicht spurlos vorübergeht und Qualität des Tourismus sowie Länge der Saisons erheblich beeinflussen kann, ist es von Vorteil, gezielt auf die wichtigsten Klimaparameter im Tourismus einzugehen. Dabei werden nicht die nächsten 5-10 Jahre betrachtet, die für gewöhnlich den Planungshorizont im Tourismus darstellen, sondern vielmehr die nächsten 30 Jahre. Somit hat die Branche genügend Zeit, sich auf lange Sicht an Veränderungen anzupassen, neue Trends und einen möglichen einhergehenden Strukturwandel zu berücksichtigen. Zudem können einige Änderungsprozesse aufgrund der Trägheit der Erde oder Wechselwirkung der Atmosphäre mit anderen Teilsystemen im Klimasystem sehr langsam von statten gehen und teilweise nicht unmittelbar in den folgenden 5 Jahren detektiert werden. Aber auch andere Parameter wie z. B. Gesundheitszustand, Fitness, Durchschnittsalter, subjektive Bedürfnisse oder auch finanzielle Situation der Bevölkerung können entscheidend Angebot und Nachfrage im Tourismus bestimmen. Die Palette der auf Tourismus und Freizeit wirkenden Faktoren ist sehr vielseitig und kann in dieser Untersuchung nur indirekt Berücksichtigung finden, indem unter dem Gesichtspunkt Gesundheit und Erholung entsprechende Klimaparameter und Klimaschwellen – abgeleitet von der Literatur – vorab festgelegt werden können. In diesem Kontext werden auch ansatzweise nachhaltige, d. h. ökologisch und ökonomisch tragbare, Anpassungsmöglichkeiten diskutiert. Diese Untersuchung basiert somit auf einer nach Saisons differenzierten, integralen Analyse für den Tourismus in Mittelgebirgen und soll als Auftakt für weitere Untersuchungen dienen, zumal wissenschaftliche Vergleichsstudien über Sommerbedingungen in Mittelgebirgen kaum vorhanden sind. Des Weiteren wird ein Schwerpunkt auf die Nebensaison Frühjahr und Herbst gelegt, die für den Tourismus entscheidend sein kann, doch bislang kaum Beachtung fand. 3 Charakterisierung des Untersuchungsgebietes Der Schwarzwald ist das höchste Mittelgebirge Deutschlands und befindet sich im Südwesten im Bundesland Baden-Württemberg. Er erstreckt sich mit seinen 166 km Länge horizontal von Nordwest (Karlsruhe-Durlach) nach Südwest (Bad Säckingen) und vertikal bis zu einer Höhe von 1000 m im Norden und 1500 m im Süden (Abbildung 3.1). Insbesondere der Südschwarzwald zählt aufgrund seiner komplexen Topografie und seiner hohen Biodiversität zu den beliebtesten Reisezielen Deutschlands. Abbildung 3.1: Topografie und geografische Einordnung des Schwarzwaldes (Quelle: www.schwarzwaldzauber.de/geografie/derschwarzwald/) 15 16 3 Charakterisierung des Untersuchungsgebietes Der Tourismus, der seit Beginn des 20. Jahrhunderts einen beträchtlichen Ausbau erfahren hat, nimmt im Schwarzwald einen sehr hohen (wirtschaftlichen) Stellenwert ein. Einen wesentlichen Beitrag erbringt hierbei der Wochenendtourismus – der Schwarzwald als Naherholungsgebiet. Vor allem der Wintertourismus war und ist heute noch sehr wichtig, auch wenn dieser sich aufgrund steigender Temperaturen gefährdet sieht. Die Hochlagen, die heutzutage noch ausreichende Schneeverhältnisse aufweisen können, stellen hierbei einen großen touristischen Anziehungspunkt dar. Aber auch Tradition und Image sind wichtige Faktoren. Der erste Skiclub beispielsweise wurde 1891/1892 in Todtnau/Schwarzwald gegründet und es folgten zahlreiche Skivereine. In den letzten Jahren gewann der Sommertourismus mehr und mehr an Bedeutung und weist bereits 60 % des Gesamtumsatzes auf. Dies spiegelt sich auch in der Tourismusfrequenz wider. Mit seinem ausgebauten Wegenetz, vor allem den seit Anfang des 20. Jahrhunderts angelegten Fernwanderwegen (Westweg, Mittelweg, Ostweg), gilt der Schwarzwald als Vorbild für zahlreiche weitere Fernwanderwege und erlangte dadurch große Bekanntheit. Zudem sind in den letzten Jahren im Schwarzwald Lehrpfade, wie z. B. der Lotharpfad bei Freudenstadt und Bildungseinrichtungen zum Thema Naturschutz, beispielsweise das „Haus der Natur“ auf dem Feldberg sowie Nordic-Walking-Routen entstanden. Neben der Naherholung und sportlicher Betätigung (u. a. Wandern, Nordic Walking, Jogging, Mountainbiking, Ski Nordic) besitzt der Schwarzwald auch einen hohen therapeutischen Wert, der sich in der Zahl der Kur- und Heilbäder zeigt (Jendritzky et al. 1998). Der Schwarzwald pflegt diesbezüglich eine sehr lange Tradition wie beispielsweise in den Ortschaften Badenweiler oder Baden-Baden, das im 19. Jahrhundert als die „Hauptstadt Europas im Sommer“ bezeichnet wurde (Schmid 2007). Klimatische Einordnung Auf globaler Ebene lässt sich der Schwarzwald der Zone der Westwinde zuordnen, die durch eine ausgeprägte Zyklogenese und die Verlagerung von Tiefdruckgebieten geprägt ist (Alternation von Hoch- und Tiefdruckgebieten). Ein weiteres Charakteristikum ist, dass die Winde sowohl am Boden als auch in der Höhe aus westlichen Richtungen dominieren, die lokalen Windverhältnisse können dabei räumlich und zeitlich differieren. Variationen ergeben sich u. a. aus jahreszeitlichen Einstrahlungsunterschieden. So ist im Sommer eine gegenüber dem Winter abgeschwächte Westwinddrift vorzufinden. Diese Einteilung lässt aber noch keine mikroklimatische Beschreibung des Schwarzwaldes zu und dient lediglich dem globalen Verständnis. 3 Charakterisierung des Untersuchungsgebietes 17 Der Schwarzwald befindet sich aufgrund seiner geringen Entfernung zum Atlantik in der Übergangszone des maritim-kontinentalen Klimas und gilt als das am stärksten ozeanisch beeinflusste Mittelgebirge Deutschlands. Nach der Klimaklassifikation von Köppen (1923) lässt sich der Schwarzwald im weiteren Sinne zum feucht-gemäßigten Klima (Cfb) zuordnen, auch wenn der Mittelgebirgscharakter in dieser Einteilung keine Berücksichtigung findet. Dabei wird feucht-gemäßigtes Klima folgendermaßen definiert: die mittlere Lufttemperatur des wärmsten Monats liegt unter 22 °C, die des kältesten Monats über -3 °C. Mindestens 4 Monate weisen eine mittlere Lufttemperatur größer 10 °C auf. Niederschlag ist ganzjährig vertreten mit maximalem Vorkommen im Winter infolge verstärkter zyklonaler Aktivität und Frontendurchgänge sowie vorwiegend durch orografisch induzierte Aufwärtsbewegung auf der Westseite. Ein zweites Maximum tritt im Schwarzwald im Sommer auf. Dieser eher konvektive Niederschlag entsteht infolge einer ausgeprägten instabilen atmosphärischen Schichtung, die wiederum auf eine verstärkte Einstrahlung und orografische Gegebenheiten zurückzuführen ist. Im Nordschwarzwald (∼2100 mm) fällt trotz geringerer Höhen im Durchschnitt mehr Niederschlag als im Südschwarzwald, was auf die Leewirkung der Vogesen bei westlichen Strömungen zurückzuführen ist. Die Verteilung des Schnees ist ebenfalls auf verstärkte winterliche zyklonale Aktivität zurückzuführen und besonders durch die Lufttemperatur bestimmt. Sichere Schneebedingungen sind durchschnittlich für eine Dauer von 3 bis 4 Monate gewährleistet, d. h. Skilifte und -pisten stehen in der Saison 100 Tage lang zur Verfügung, vor allem in den Hochlagen (siehe Abbildung 2.1). Dies kann in schneeärmeren Jahren nur unter Einsatz künstlicher Beschneiung gewährleistet werden. Der Schwarzwald lässt sich mikroklimatisch dem Mittelgebirgsklima zuordnen, das für Höhen zwischen 400 m und 1500 m definiert wird. Ab 1500 m folgt das Hochgebirgsklima, zu dem schon oftmals die Gipfellagen, insbesondere die des Südschwarzwaldes, zählen. Das Klima von Mittelgebirgen hängt im Wesentlichen von der Topografie, Höhe, Exposition und der geografischen Breite und Länge ab. Somit können Klimaparameter über kurze Distanzen variieren und teils einen ausgeprägten Vertikalgradienten aufweisen. Die solare Einstrahlung spielt – wie schon eingangs erwähnt – eine wesentliche Rolle bei der räumlichen Differenzierung des Klimas, zumal sie nicht nur global – Klimazonen, allgemeine atmosphärische Zirkulation – sondern auch regional – Wetterphänomene wie z. B. lokale Windsysteme (Berg-Talwind), Wolkenbildung – das (Mikro-)Klima und das Wetter steuert. Aufgrund der geografischen Breite ist die Einstrahlung im südlichen gelegenen Schwarzwald höher als im Norden. Tagesschwankungen in der Lufttemperatur sind aufgrund des stärkeren Höhenwindes, der die Erwärmung am Tag und die nächtliche 18 3 Charakterisierung des Untersuchungsgebietes Abkühlung schwächt, in höheren Lagen geringer. Der Jahresgang weist allerdings große Unterschiede zwischen Tal- und Bergregionen auf. Während der Feldberg mit einer Höhe von 1493 m eine mittlere Lufttemperatur von 3,1 °C1 aufweist, liegt diese beispielsweise in der Oberrheinebene bei 10 °C. Frosttage sowie Kältestresstage sind von Oktober bis Mai/Juni an durchschnittlich 140 bis 165 Tagen für Höhenlagen > 1000 m zu verzeichnen, während in den tieferen Lagen sowohl Anzahl (80 Tage) als auch Dauer (bis März) minimiert sind. Sommertage sowie Hitzestress treten hingegen in den Höhenlagen so gut wie nie auf, gelegentlich aber in tieferen Lagen (Abbildung 3.2). Abbildung 3.2: Karte des Bioklimas im Schwarzwald (nach Grätz 2002, verändert) Obwohl mit zunehmender geografischer Breite (Kontinentalität) die thermischen Belastungen (Hitze- und Kältestress) zunehmen, muss vor allem im Mittelgebirge die vertikale Ausdehnung (Höhengradient) mitberücksichtigt werden, d. h. Kältestress nimmt mit der Höhe zu, während Hitzestress abnimmt. Die Windgeschwindigkeit ist im Gebirge, insbesondere auf Kuppen und exponierten Flächen, recht hoch. Auf dem Feldberg wird eine durchschnittliche Windgeschwindigkeit von 7,6 ms−1 gemessen. Im Vergleich dazu weist Freiburg eine Windgeschwindigkeit von 2,9 ms−1 auf. Maximale Windgeschwindigkeit bedingt durch verstärkte zyklonale Akti1 Klimamittel für den Referenzzeitraum 1961-1990 auf Basis von Klimadaten des Deutschen Wetterdienstes 3 Charakterisierung des Untersuchungsgebietes 19 vität tritt im Winter auf. Das Minimum liegt im Sommer. Zusätzlich können sich kleinräumige Windsysteme – durch die Orografie bedingt – ausbilden, z. B. Hangauf- und Hangabwind, Berg- und Talwind, Föhn. Ein kanalisierender Effekt auf die Strömung ist praktisch in allen Tälern sichtbar und kann sich positiv auf die Lufthygiene und das Wohlbefinden auswirken. Die biometeorologische Bedeutung des Windes liegt hauptsächlich in seiner Funktion für den Transport fühlbarer und latenter Wärme von der Oberfläche des Menschen zur Atmosphäre (siehe Kapitel 4.1). Nebel tritt häufig in Verbindung mit austauscharmen Wetterlagen auf und kann somit die lufthygienischen Verhältnisse beeinflussen (Jendritzky et al. 1998). Die Anzahl von Nebeltagen liegt in tiefen Lagen sowie an den Gebirgsausläufern bei 30 Tagen und steigt aufgrund zunehmender stabiler Schichtung in der Atmosphäre (Inversionen) ab 600 m wieder an. Solche Inversionswetterlagen treten bevorzugt im Winter und Herbst auf. Die Gipfellagen hingegen werden selten davon beeinflusst, da sie sich über der Inversionsgrenze befinden (REKLIP 1995). Das Mittelgebirgsklima, insbesondere auch das so genannte Waldklima mit seinen schonenden Faktoren – z. B. Schutz vor zu intensiver Abkühlung und Sonneneinstrahlung, die geringe Häufigkeit von Wärmebelastung und die relativ hohe Luftreinheit – ist aufgrund seiner therapeutischen und erholungssuchenden Funktion von großer Bedeutung und hat einen positiven Einfluss auf den menschlichen Organismus und die psychische Verfassung (z. B. Höppe und Mayer 1983; Mayer und Höppe 1984). 4 Methodik und Daten 4.1 Entwicklung der Human-Biometeorologie und Tourismus-Klimatologie In der allgemeinen und klassischen Meteorologie und Klimatologie sind Lufttemperatur und Niederschlag die als am wichtigsten erachteten Variablen. Die Auswirkung des Klimas auf den Tourismus ist stark beeinflusst von der Wahrnehmung des Menschen. Thermischer Komfort spielt hierbei eine größere Rolle als eine mittlere Lufttemperatur. Häufigkeit und Länge eines Regenschauers sind bedeutender für die Qualität und das touristische Erleben als der mittlere Niederschlag (de Freitas 2003; Amelung 2006; Matzarakis 2006; UNWTO 2008). Betrachtet man jedoch die Einflüsse der atmosphärischen Umwelt auf den menschlichen Organismus, denen er ständig ausgesetzt ist, reichen diese Variablen bei weitem nicht aus. Die Wahrnehmung der atmosphärischen Umgebung ist nicht allein von der Lufttemperatur abhängig, sondern auch von weiteren meteorologischen Parametern wie Strahlung (kurz- und langwellig), Windgeschwindigkeit und Luftfeuchtigkeit sowie von physiologischen Parametern wie Aktivität und Bekleidung (Jendritzky et al. 1979; Höppe 1984). Das Zusammenspiel dieser Faktoren entsprechend zu quantifizieren ist Ziel der HumanBiometeorologie. Auf deren Grundlage versucht die Tourismus-Klimatologie zuerst Antworten auf die Frage zu finden, welche Kriterien für ideale, geeignete, angenehme oder nicht angenehme Bedingungen gelten (Masterton et al. 1976; Perry 1997; de Freitas 2001). Nur nachdem adäquate klimatologische Kriterien eindeutig identifiziert werden, können Schlüsselfragen, wie z. B. wann die beste Reisezeit ist, welche Kleidung und Ausstattung benötigt wird oder wie wahrscheinlich Wetterextreme sind, beantwortet werden (de Freitas 2001; Hall und Higham 2005; Becken und Hay 2007). Die Anfänge machten in den 1960er und 1970er Jahren Wissenschaftler der angewandten Meteorologie, indem sie u. a. klimatische Schwellenwerte untersuchten, die die Sai- 21 22 4.1 Entwicklung der Human-Biometeorologie und Tourismus-Klimatologie sonlänge für eine große Spannweite touristischer Aktivitäten definieren (Besancenot et al. 1978; Yapp und McDonald 1978). In den 1980er untersuchten Biometeorologen, wie Klimavariablen den thermischen Komfort von Touristen beeinflussen können und entwickelten Bewertungssysteme, um Klimate verschiedener Tourismusdestinationen zu evaluieren und zu vergleichen (Mieczkowski 1985; Besancenot 1990; Harlfinger 1991). Anfänglich wurden zumeist Zwei-Parameter-Indizes entwickelt (z. B. Paul 1972; Yapp und McDonald 1978), die die komplexen Bedingungen des Wärmeaustausches zwischen dem menschlichen Organismus und den thermischen Umweltbedingungen sehr vereinfachend beschreiben und nur eine mangelhafte Interpretation des bioklimatischen Einflusses auf den Menschen zulassen. Dabei wird in diesen Studien (Shakleford und Olson 1995; Lecha und Shakleford 1997) auf jene einfachen Indizes zurückgegriffen, die meteorologische Parameter kombinieren, wie z. B. der Klima-Index von Davies (1968), der sich aus Lufttemperatur, Sonnenscheindauer und Niederschlag zusammensetzt. Für warme Bedingungen bestehen meist die elementaren Indizes aus einer Kombination von Lufttemperatur und unterschiedlichen Feuchtemaßen (z. B. der Diskomfort-Index von Thom (1959)). Für kalte Bedingungen werden Lufttemperatur und Windgeschwindigkeit vereint (z. B. Windchill, der vorwiegend in den USA und Kanada Verwendung findet (Siple und Passel 1945; MetCanada 2003)). Einer der Vorreiter in der Entwicklung adäquater Tourismus-KlimaIndizes war Mieczkowski, der im Jahr 1985 den Tourism Climate Index (TCI) entwickelte, der heutzutage noch oft Verwendung findet. Hatch (1988) baute seinen nach ihm benannten Index (Hatch-Index) auf den TCI auf, benutzte allerdings ein ganz anderes Gewichtungsschema. Eine andere, fortschrittlichere Methode, die auf die Einteilung des Wetters in so genannte Wettertypen beruht, wurde von Besancenot et al. (1978) eingeschlagen und von Gómez Martín (2004) später durch die Analyse täglicher Wetterbedingungen hinsichtlich ihrer Häufigkeit weiterentwickelt. Ein Nachteil der bereits existierenden Klima-Tourismus-Indizes ist jedoch, dass sie weder die Thermo-Physiologie des Menschen, die eine wichtige Rolle im Wärmeaustausch – und somit für Komfort und Diskomfort – darstellen, noch die notwendigen Parameter wie Strahlungsflüsse berücksichtigen. Somit können sie nur für bestimmte Klimaregionen und Tourismusarten (z. B. Badetourismus, Wintersport) angewendet werden. Ein weiterer Nachteil besteht in der unzureichenden zeitlichen Auflösung (Jahres- oder Monatsbasis) und in der fehlenden Überprüfung auf Anwendungsfähigkeit (Matzarakis 2006). de Freitas et al. (2004) haben auf dem Ansatz von de Freitas (2003) aufbauend versucht, die Limitationen der bisherigen Tourismus-Klima-Indizes zu beseitigen und entwickelten den Klimaindex für Tourismus (CIT). Dieser wurden von Yu et al. (2009) modifiziert (mo- 4.1 Entwicklung der Human-Biometeorologie und Tourismus-Klimatologie 23 dified CIT – MCIT), indem sie Wetter, das Menschen praktisch erfahren, mit klimatischen Mittelwerten kombinierten. Dabei hat de Freitas (2003) das Klima mit 3 Facetten beschrieben – thermisch, physikalisch und ästhetisch –, auf die in Kapitel 4.2 näher eingegangen wird. Matzarakis et al. (1999) sehen in der thermischen Facette, d. h. der Antwort des Menschen auf die thermische Umgebung, die größte Relevanz für die Quantifizierung des Klimas für Tourismus und Erholung. Folglich liegt in der modernen Forschung das Augenmerk auf der Verwendung thermischer Indizes, die auf der Energiebilanz des Menschen beruhen (siehe folgenden Abschnitt). Die thermische Umgebung des Menschen und ihre Indizes Schon im Jahr 1938 erkannte Büttner, dass bei einer Bewertung des thermischen Einflusses der Umgebung auf den Menschen die gesamten Auswirkungen aller thermischen Parameter berücksichtigt werden müssen. Er postulierte, „If one wants to assess the influence of climate on the human organism in the widest sense, it is necessary to evaluate the effects not only of a single parameter but of all thermal components. This leads us to the necessity of modelling the human heat balance“ (Büttner 1938). Es gibt über 100 thermische Indizes (Harlfinger 1985; VDI 1998; Matzarakis und de Freitas 2001; Matzarakis 2006), die versuchen, den thermischen Komfort bzw. das thermische Empfinden adäquat zu beschreiben (z. B. Predicted Mean Vote - PMV, Fanger 1972; Standard Effective Temperature - SET? , Gagge et al. 1986; Outdoor Standard Effective Temperature - OUT_SET? , de Dear und Pickup 2000; Pickup und de Dear 2000; Subjective Temperature - STI, Blazejczyk 2003; PET, Höppe 1999; Gefühlte Temperatur, Staiger et al. 1997; Jendritzky et al. 2000; Tinz und Jendritzky 2003; Universal Thermal Climate Index - UTCI, Jendritzky et al. 2002; Jendritzky et al. 2007; Fiala et al. 2009). In den vergangenen 40-50 Jahren wurde die Forschung bezüglich der Modellierung des thermischen Komforts aktiv vorangetrieben. Erste Ansätze gehen dabei auf die Komfortgleichung von Fanger 1972 mit dem daraus resultierenden thermischen Index PMV1 und PPD (Predicted Percentage Dissatisfied) zurück, der ursprünglich für Innenraumklimate konzipiert worden ist. Die Koppelung der Komfortgleichung nach Fanger mit den kurz- und langwelligen Strahlungsströmen im Freien, d. h. die Berechnung von PMV-Werten für Freilandbedin1 trifft Aussagen für ein Kollektiv von Menschen 24 4.1 Entwicklung der Human-Biometeorologie und Tourismus-Klimatologie gungen, ist unter dem Namen „Klima-Michel-Modell“ in zahlreichen Anwendungen bekannt geworden (u. a. Jendritzky et al. 1979; Jendritzky et al. 1990; Grätz et al. 1994). Bei der Anwendung dieses Bewertungsverfahrens werden von den meteorologischen Parametern mit thermo-physiologischer Relevanz (Lufttemperatur, Windgeschwindigkeit, relative Luftfeuchtigkeit, kurz- und langwellige Strahlungsflüsse) die kurz- und langwelligen Strahlungsströme über die mittlere Strahlungstemperatur2 Tmrt parametrisiert. Das Münchner Energiebilanzmodell für Individuen (MEMI, Höppe 1984; Höppe 1994) beispielsweise berücksichtigt jene thermo-physiologischen Prozesse bezogen auf die Wechselwirkung Mensch-Umwelt (siehe auch Abbildung 4.1) und ermöglicht eine realistische Berechnung der thermischen Größen, die in der Physiologisch Äquivalenten Temperatur3 (PET) zum Ausdruck kommen (Höppe und Mayer 1987; Höppe 1999; Matzarakis et al. 1999). Abbildung 4.1: Die thermische Umgebung des Menschen (nach Jendritzky et al. 1990, verändert) 2 Die mittlere Strahlungstemperatur ist als einheitliche Temperatur einer schwarz strahlenden Umschließungsfläche definiert, die zum gleichen Strahlungsenergiegewinn eines Menschen führt wie die aktuellen, unter Freilandbedingungen meist sehr uneinheitlichen Strahlungsströme (Jendritzky et al. 1979; Jendritzky et al. 1990; Höppe 1994). 3 Standardmensch: männlich, 35 Jahre, 1,75 m, 75 kg, Aktivität = 80 W, Bekleidungswiderstand = 0,9 clo entspricht einem Geschäftsanzug (1 clo = 0,155 K m2 W−1 und definiert die Menge an Bekleidung, die eine ruhende Person benötigt, um sich bei einer Raumtemperatur von 21 °C wohl zu fühlen, nach Fanger 1972), stehend 4.1 Entwicklung der Human-Biometeorologie und Tourismus-Klimatologie 25 Dabei basieren alle Modelle auf der menschlichen Energiebilanzgleichung (Höppe 1984; Höppe 1993), die auf den ersten Hauptsatz der Thermodynamik beruht. Die einzelnen Energieflüsse (siehe Gleichung 4.1) werden durch die in den Klammern angegebenen meteorologischen Parametern gesteuert: M + W + Q? (Tmrt , v) + QH (Ta , v) + QL (e, v) + QSW (e, v) + QRe (Ta , e) = 0 (4.1) mit M Gesamtenergieumsatz (metabolische Rate), W Energieumsatz infolge mechanischer Leistung, Q? Strahlungsbilanz, QH konvektiver Wärmestrom, QL Strom latenter Wärme infolge von Wasserdampfdiffusion durch die Haut, QSw Strom latenter Wärme infolge der Schweißverdunstung und QRe Energieumsatz infolge von Erwärmung und Wasserdampfsättigung der Atemluft. Dabei gehen neben der Lufttemperatur Ta auch die Windgeschwindigkeit4 v , der Dampfdruck e und die mittlere Strahlungstemperatur5 Tmrt ein. Zusätzlich werden thermo-physiologische Parameter wie Bekleidungswiderstand (in clo) und Aktivität (in Watt) berücksichtigt. Dabei werden die Energieflüsse zur Körperoberfläche positiv und die von der Körperoberfläche weg negativ bewertet (Höppe 1984) und sind in der Einheit Watt angegeben. Gleichung 4.1 gilt für stationäre Bedingungen. Instationäre Bedingungen können durch das Instationäre Münchner Energiebilanzmodell IMEM (Höppe 1994) berücksichtigt werden. Mittlerweile wird die Berechnung von PMV und PET auf die human-biometeorologisch relevante Höhe von 1,1 m über Grund bezogen, die der mittleren Höhe des Körperschwerpunktes des Menschen entspricht (Höppe und Mayer 1987; Jendritzky et al. 1990). PET wird in dieser Untersuchung mit dem RayMan-Modell berechnet (Matzarakis et al. 2007b). Den neuesten Stand in der human-biometeorologischen Wissenschaft bildet der UTCI. Dieser wurde erstmals im Jahr 2000 von der International Society of Biometeorology im Rahmen einer eigens gegründeteten Kommission „Development of a Universal Thermal Climate Index“ initiiert und 2004 in die COST Action 730 (European Cooperation in Science and Technology) überführt. Der UTCI ist ein Index, der universell auf alle Klimate der Erde, Jahreszeiten und Skalen anwendbar ist. Seine Grundlage ist eine vereinfachte Version des Fiala-Modells (Fiala et al. 1999; Fiala et al. 2001). Zudem weist der UTCI eine so genannte „Verhaltenskomponente“ auf, indem die Bekleidung des Menschen – entsprechend den aktuellen Bedingungen – angepasst wird. 4 5 Wind übernimmt eine Hauptfunktion im Transport von latenter und sensibler Wärme. Kurz- und langwellige Strahlungsflüsse sind neben der Windgeschwindigkeit einer der wichtigsten Parameter in der thermischen Umgebung. Sie können im Schatten und in der Sonne eine Temperaturdifferenz von bis zu 15 °C verursachen. 26 4.2 Vorgehensweise Ziel dieser COST Action war, einen internationalen Standard zu etabalieren, um für zukünftige Untersuchungen eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten. 4.2 Vorgehensweise Aufbauend auf den Klimafacetten von de Freitas (siehe Tabelle 4.1) wird der Frage nachgegangen, welche meteorologischen und klimatologischen Kriterien für die Analyse des so genannten klimatischen Tourismuspotenzials (siehe Tabelle 4.2) verwendet werden sollen. In Kapitel 4.1 wurde bisher nur eine relevante Komponente, die thermische, betrachtet, die allerdings von vielen Wissenschaftlern als die wichtigste erachtet wird (Matzarakis et al. 1999). Tabelle 4.1: Klimafacetten und ihre jeweilige Bedeutung (nach de Freitas 2003, verändert) Klimafacette Bedeutung ästhetisch Sonnenscheindauer/Bewölkung, Sichtweite und Tageslänge Erlebnisqualität, Attraktivität physikalisch Wind, Regen, Schnee, Eis, Extremes Wetter Reiz, Belästigung, Gefahr, Sport/Aktivitäten Luftqualität, UV-Strahlung, Gerüche und Lärm Gesundheit, Wohlbefinden, Belästigung, Gefahr, Attraktivität thermisch Synergetische Wirkung von Lufttemperatur, Wind, kurzund langwelliger Strahlung, Luftfeuchtigkeit, metabolischer Rate und Bekleidung Thermischer Komfort/Belastung, Umweltstress, Therapie und Erholung Da die Reaktion des Menschen auf das Klima vielmehr von der individuellen Wahrnehmung abhängt – mit Ausnahme der thermischen Komponente – und der Mensch auf seiner klimatischen Erfahrung, Wünschen und Bedürfnissen aufbauend seine Reiseentscheidungen (z. B. Motivation und Destination) trifft, sind entsprechende Informationen essenziell. Bei bestimmten Tourismusarten, wie zum Beispiel Städte- und Kulturtourismus sind Klima 4.2 Vorgehensweise 27 und Wetter weniger von Bedeutung, sie lassen jedoch die Reise in eine angenehme Erinnerung tauchen. So wirkt eine Stadt bei Sonnenschein attraktiver als bei Nebel. Aktivurlaub, gesundheits- und erholungsbezogene Reisen hingegen weisen eine stärkere klimatische Abhängigkeit auf. Verregnete, kühle oder hitzebelastete Sommer, schneearme Winter und häufig auftretende Stürme im Herbst oder Frühjahr lassen eher auf einen enttäuschenden Urlaub zurückblicken. Demzufolge ist es für touristische Belange ebenso von Bedeutung, unter anderem Aussagen über Sonnenscheindauer, UV-Belastung, Luftqualität, extreme Wettererscheinungen (Sturm, Hitze-, Kälteperioden etc.) sowie Skifahrpotenzial zu erhalten, da sie die touristische Qualität, Attraktivität und Aktivität beeinflussen. Andererseits können sie auch belästigend auf Aktivitäten wirken und Gefahren darstellen, z. B. Allergene, extreme Wetterphänomene. Jene Parameter können demnach der ästhetischen bzw. physikalischen Facette des Klimas zugeordnet werden (siehe Tabelle 4.1). Abbildung 4.2: Abhängigkeit des Sommer- und Wintertourismus von einzelnen Klimaparametern (Matzarakis 2006) Der Tourismus, insbesondere der Sommertourismus, lässt sich bei den Touristikern über das Triple S definieren: Sonne, Sand und See (siehe auch Abbildung 4.2). Matzarakis (2006) definiert darüber hinaus für den Wintertourismus ein weiteres S – den Schnee. Das Triple bzw. Quadruple S des Tourismus ist von einzelnen meteorologischen und klimatologischen Parametern abhängig, die in Abbildung 4.2 gezeigt werden. Starkwind kann beispielsweise Diskomfort beim Menschen auslösen, ist hingegen bei windabhängigen Wassersportarten wie Kitesurfen oder Segeln unentbehrlich; grauer Himmel, geringe Sichtweite und Nebel können das ästhetische Erlebnis und die Qualität einer Destination negativ beeinflussen, auch wenn die thermischen Bedingungen im Komfortbereich liegen. Zum 28 4.2 Vorgehensweise einen spiegelt dies vereinfacht die Komplexität der Beziehung Klima-Tourismus wider, zum anderen wird deutlich, dass nicht nur eine Facette oder ein Parameter identifiziert werden kann, sondern ein integraler Ansatz verfolgt werden muss, um dieser Komplexität gerecht zu werden. Diese Komplexität spiegelt sich auch in der Vielzahl existierender Tourismusarten6 und -formen sowie Aktivitäten wider, die unterschiedlichen klimatischen Voraussetzungen bedürfen. Dabei wird in einer Destination oftmals nicht nur eine Tourismusart (z. B. Erholungs- oder Kulturtourismus), sondern – je nach Potenzial und Angebot und Nachfrage – ein vielseitiges Spektrum angeboten. Um dieses Spektrum an Informationen sowohl für die Tourismusindustrie als auch für den Touristen selbst möglichst in seiner Gesamtheit zu erfassen, bietet sich eine integrale Beschreibung besonders an. Die wichtigsten Parameter, die für den Tourismus erachtet werden und auch wissenschaftlich begründet sind, sind die Parameter, die im folgenden Abschnitt vorgestellt werden. Zudem wird das Augenmerk auf eine für den Menschen zugänglichere Quantifizierung des Klimas gelegt, d. h. dass Häufigkeiten von klimatologischen bzw. meteorologischen Bedingungen für den Menschen anschaulicher und wahrnehmbar sind als Mittelwerte. Analyseparameter Die in dieser Untersuchung berücksichtigten Parameter basierend auf den zuvor erwähnten Klimafacetten sind in Tabelle 4.2 aufgelistet. Die Literatur bietet eine Vielzahl unterschiedlicher Auswahlkriterien, angefangen vom meteorologischen bzw. klimatologischen Parameter bis hin zum entsprechenden Schwellenwert. Die Parameter sind teils empirischer Natur und hängen von der jeweiligen Aktivität und vom jeweiligen Untersuchungsgebiet ab (Gómez Martín 2004; Besancenot 1990; More 1988; Masterton et al. 1976). Letzteres bezieht sich vor allem auf die thermische Komponente, da Menschen abhängig von ihrer geografischen Herkunft unterschiedlich empfinden (Matzarakis 2006; Lin und Matzarakis 2008). Die gewählten Schwellenwerte für PET beziehen sich hierbei auf Mitteleuropäer. Der im deutschen Sprachraum weit verbreitete Begriff der „Schwüle“ ist physiologisch kaum zu definieren. Hentschel schreibt dazu: „Die Schwüle muss als Sonderfall in der gesamten thermischen Empfindungsskala herausgestellt werden. Sie gliedert sich nicht in die übliche Reihe der 6 GlobalTravel Magazin unterscheidet ca. 33 verschiedene Arten des Tourismus. 4.2 Vorgehensweise 29 thermischen Graduierungen etwa zwischen warm und heiß ein, weder von der physiologischen Verfassung noch von der klimatischen Kennzeichnung her. Unter Schwülebedingungen befindet sich der Organismus in einem Zustand, der durch seine wärmeregulatorischen Fähigkeiten nicht ausreichend beherrscht wird. Es wird offenbar nicht heiß genug, um die Schweißverdunstung intensiv anzuregen, bzw. dem thermischen Klima fehlt es an Eigenschaften, die der Schweißverdunstung dienlich sein könnten. Es entsteht ein träges, feuchtwarmes Milieu um die Körperoberfläche. Das Schwülegefühl wird damit zum Inbegriff der thermischen Unbehaglichkeit“ (Hentschel 1978). Neben der Thermo-Physiologie und dem Dampfdruck bestimmen von der meteorologischen Seite Lufttemperatur, Windgeschwindigkeit sowie die Strahlungsflüsse das Empfinden von Schwüle mit. Jene Parameter fließen auch in die Berechnung von PET ein, so dass sie im gewissen Grad die Schwülebedingungen mitberücksichtigt. In der TourismusKlimatologie werden die Definitionen an bestimmte Aktivitäten und Attraktivitätsattribute angepasst (Tabelle 4.2) und entsprechen nicht zwangsläufig den allgemein gültigen meteorologischen Definitionen. Bade-(Strand-)tourismus stellt andere Forderungen an das Klima und Wetter als der Wassersporttourismus; Wintersport wiederum benötigt gegenüber dem montanen Sommertourismus den Faktor Schnee. Schon diese Unterteilung in Winter- und Sommertourismus bedingt eine nach Saisons differenzierte Analyse. Tabelle 4.2: Definition des klimatischen Tourismuspotenzials Parameter Klimafacette Definition (Schwellenwert) (nach de Freitas 2003) Thermische Eignung 18 °C < PET < 29 °C thermisch Kältestress PET < 0 °C –q– Hitzestress PET > 35 °C –q– Feuchtwarm Dampfdruck > 18 hPa – q – / physikalisch Trocken Niederschlag ≤ 1 mm physikalisch Verregnet Niederschlag > 5 mm –q– Skipotenzial Schneedecke > 30 cm –q– −1 Windig Windgeschwindigkeit > 8 ms Sonnig Bewölkung < 4 /8 Nebel Relative Luftfeuchtigkeit > 93 % –q– ästhetisch –q– 30 4.2 Vorgehensweise Vorgehen Nachdem die einzelnen auf einen integralen Ansatz beruhenden Parameter für die Beschreibung des klimatischen Tourismuspotenzials identifiziert und definiert wurden (Tabelle 4.2), wird nun das weitere Vorgehen geschildert. Da für den Tourismus Mittelwerte und jährliche Änderungen weniger von Bedeutung sind als die Anzahl des Auftretens und die Dauer bestimmter Ereignisse und ihre Saisonalität, werden hier auf Jahreszeiten differenziert Häufigkeiten der in der Tabelle 4.2 aufgelisteten Parameter erstellt. Die entsprechenden Jahreszeiten sind demnach: ? Frühling: saisonales Mittel über die Monate März, April und Mai (MAM), ? Sommer: saisonales Mittel über die Monate Juni, Juli und August (JJA), ? Herbst: saisonales Mittel über die Monate September, Oktober und November (SON), ? Winter: saisonales Mittel über die Monate Dezember, Januar und Februar (DJF). Für die Schneekomponente wird zusätzlich das saisonale Mittel über die Monate November, Dezember, Januar, Februar und März (NDJFM) betrachtet. Nun gilt es, diese Klimainformationen auch adäquat und verständlich der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Frühere Methoden wie z. B. Bioklimakartierung (Rudel et al. 1983; Jendritzky et al. 1979; Jendritzky et al. 1990; Matzarakis und Mayer 1997) berücksichtigten meist nur eine Komponente. Das von Matzarakis et al. (2007c) entwickelte Klima-Tourismus-Informations-Schema (Climate-Tourism-Information-Scheme – CTIS) ist ein Bewertungsschema, das Häufigkeiten prozentual auf unterschiedlichen zeitlichen Skalen – Monate oder Monatsdekaden – wiedergibt. Diese Methode eignet sich besonders für die Analyse ausgewählter Destinationen und stellt somit der touristischen Praxis – Entscheidungsträgern und Planern – räumlich und zeitlich hochaufgelöste Klimainformationen zur Verfügung. Für flächenhafte Analysen wie im Falle des Schwarzwaldes erweist sich diese Methode als weniger geeignet; es wird daher wieder auf die bewährte Kartenstellung zurückgegriffen. Analysezeitraum Viele Klimafolgenstudien beschäftigen sich mit langfristigen Änderungen, d. h. einem Zeitraum von 2071-2100. Da der Planungshorizont im Tourismus gewöhnlich die näch- 4.3 Regionale Klimamodelle und Klimaszenarien 31 sten 5-10 Jahre beschreibt, ist der Fokus auf mittelfristige Änderungen von Vorteil, d. h. die nächsten 30 bis 50 Jahre. In dieser Untersuchung wird der Zeitraum 2021-2050 in Bezug zum Referenzzeitraum 1961-1990 bzw. 1971-20007 analysiert. Ein zusätzlicher Vorteil liegt hierbei auch in der Aussagekraft und Belastbarkeit der Ergebnisse, da bis 2050 die einzelnen Emissionsszenarien, die den Klimasimulationen zugrunde liegen, eine geringe Schwankungsbreite im Vergleich zu 2071-2100 aufweisen. Die Analyse bezieht sich hierbei auf die Zeit 14 Uhr MEZ – mit Ausnahme des Niederschlags und Schnees, die die Tagessumme bzw. die tägliche Schneehöhe repräsentieren. 14 Uhr MEZ ist eine Tageszeit, in der die maximalen bzw. angenehmsten thermischen Bedingungen zu erwarten sind und in der sich der Mensch – speziell Touristen und Erholungssuchende – im Freien aufhalten. Die verwendeten Daten werden in den Abschnitten 4.3.1 und 4.3.2 kurz vorgestellt. 4.3 Regionale Klimamodelle und Klimaszenarien Klimamodelle simulieren das Klima der Erde und seine Veränderungen auf der Grundlage von physikalischen Gesetzen, die durch mathematische Gleichungen gelöst werden. Diese Gleichungen bilden, soweit möglich, die einzelnen Komponenten des Klimasystems und ihre komplexen Wechselwirkungen ab. Wie alle Modelle stellen auch Klimamodelle komplexe Vorgänge vereinfacht dar und sind damit nur ein „rudimentäres“ Abbild der Realität. Sie dienen aber gerade dadurch auch dem Verständnis hoch differenzierter dynamischer Systeme. Ziel gegenwärtiger Klimamodelle ist es, möglichst viele relevante Prozesse einzubeziehen und dadurch die Wirklichkeit so realitätsnah wie möglich abzubilden. Auch wenn die Prozesse und die Dynamik des Klimasystems weitestgehend verstanden sind, treten doch einige Lücken im Wissensstand auf, besonders wenn es um Rückkopplungsprozesse, kleinräumige Vorgänge oder Atmosphärenchemie und -physik geht. Oftmals ist der Grad der Modellvereinfachung abhängig von der zur Verfügung stehenden Rechenkapazität. Während bei früheren Klimamodellen nur die atmosphärische Komponente betrachtet wurde, können die neueren Klimamodelle alle größeren Komponenten des Klimasystems wie z. B. Landoberfläche, Ozean und Meereis, Aerosole und CO2 -Kreislauf integrieren 7 Die Weltorganisation für Meteorologie (World Meteorological Organization – WMO) sieht in der 30Jahresperiode eine sinnvolle Definition des Klimas. Somit werden statistische Daten der jeweils folgenden 30 Jahre 1901-1930, 1931-1960, 1961-1990 als Bezug dienen und als klimatologischer Normalstandard genutzt, um einen weltweiten Vergleich der Klimaereignisse auf einer einheitlichen Basis sicher zu stellen. Heutzutage werden aber diese Daten aufgrund des sich schneller ändernden Klimas manchmal alle 10 Jahre für den Zeitraum der letzten 30 Jahre berechnet, z. B. 1961-1990, 1971-2000 usw. obwohl die nächste offizielle Periode erst 1991-2020 sein wird. 32 4.3 Regionale Klimamodelle und Klimaszenarien (siehe Abbildung 4.3). Abbildung 4.3: Entwicklung der Klimamodelle (IPCC 2001) Obwohl sich Klimaveränderungen auf globaler Ebene abspielen, können ihre Auswirkungen und Folgen (Impacts) auf lokaler und regionaler Ebene erheblich variieren. Somit basieren die so genannten Impact Studies weniger auf globalen, sondern eher auf regionalen Klimasimulationen. Globale Klimamodelle (Global Circulation Models – GCMs) mit einer räumlichen Auflösung von meist 100 km werden für gewöhnlich benutzt, um die Auswirkungen der steigenden Treibhausgaskonzentrationen, der veränderten Aerosolzusammensetzung und der Landnutzung zu untersuchen. Da Klimaszenarien „was geschieht wenn“-Projektionen des zukünftigen Klimas sind, gehen neben der physikalischen Beschreibung des Klimasystems bestimmte Emissionsszenarien in die Modellierung mit ein. Dabei werden verschiedene mögliche politische, demografische, technische und kulturelle Entwicklungen berücksichtigt, so dass aus insgesamt 40 möglichen Emissionsszenarien 4 Szenarienfamilien betrachtet werden: A1, A2, B1 und B2 (siehe Abbildung 4.4). Dabei ist die A-Familie ökonomisch geprägt, während die B-Familie umweltorientiert ist. Die Notation 1 und 2 beschreiben die globale bzw. regionale Ausprägung. Die Familie A1 wird hinsichtlich ihrer technischen Ausrichtung differenzierter betrachtet: A1B (Balance), A1T (technologisch) und A1FI (fossil). Die projizierten Klimaveränderungen hängen jedoch entscheidend von der Wahl der Emissionsszenarien ab. Für die Klimamodellierung 4.3 Regionale Klimamodelle und Klimaszenarien 33 sowie für die Impact Studies werden nach neueren Erkenntnissen des IPCC (2007) vorwiegend die Klimasimulationen A1B („mittleres“ Szenario), A2 („extremes“ Szenario) und B1 („moderates“ Szenario) verwendet. Die Emissionsszenarien dienen lediglich als Basis für Simulationen der Zirkulationsmodelle, die die Wechselwirkungen der Parameter im System Erde berechnen und dabei zukünftige Entwicklungen des Klimas abbilden. Abbildung 4.4: Schematische Übersicht der IPCC-Emissionsszenarien (Nakicenovic et al. 2001) Im Rahmen dieser Untersuchung werden die Szenarien A1B und B1 verwendet, da sie mit hoher Wahrscheinlichkeit ein realistisches Abbild des zukünftigen Klimas zeigen. In beiden Szenarien werden die Treibhausgaskonzentrationen bis 2100 durchweg ansteigen. Bis 2040 unterscheiden sich einzelne Emissionszenarien jedoch kaum voneinander und weisen zudem eine geringere Schwankungsbreite auf. Erst ab 2040 werden deutliche Entwicklungsunterschiede erkennbar sein. Dabei verursachen die A-Szenarien eine viel schnellere Änderung gegenüber den B-Szenarien (IPCC 2007). Da sowohl Emissionsszenarien als auch zukünftige Klimaveränderungen, die letztendlich nichts anderes sind als Antworten auf jene anthropogenen Faktoren, auf Annahmen beruhen, können Unsicherheiten nicht ausgeschlossen werden. Es empfiehlt sich somit, nicht nur ein Szenario und ein Modell zu verwenden, sondern mindenstens zwei (Walkenhorst und Stock 2009). Somit stützt sich diese Untersuchung auf die beiden Szenarien A1B und B1 und auf die Klimamodelle REMO und CLM (Abschnitt 4.3.1 und 4.3.2). Allerdings sind globale Klimamodelle nicht geeignet, die Oberflächenheterogenitäten auf Skalen kleiner als 100 km abzubilden (siehe Abbildung 4.5). Somit können Auswirkungen globaler Klimaveränderungen auf regionaler Ebene wie beispielsweise im Gebirge 34 4.3 Regionale Klimamodelle und Klimaszenarien mit ihrer komplexen Topografie und ihren teils sehr unterschiedlichen Mikroklima nur sehr unzureichend modelliert werden. Hierbei bietet sich die Verwendung regionaler Klimamodelle (Regional Climate Models – RCMs) an. In dieser Untersuchung werden – wie bereits erwähnt – die RCMs REMO und CLM verwendet, die im Folgenden vorgestellt werden. Beide Modelle wenden das Verfahren der Regionalisierung an, die schematisch in Abbildung 4.6 veranschaulicht wird. Abbildung 4.5: Horizontale Auflösung globaler Klimamodelle im Vergleich zu regionalen Klimamodellen (Quelle: MPI für Meteorologie, Hamburg; www.mpimet.mpg.de) Abbildung 4.6: Schematische Übersicht der Regionalisierung (verändert nach Hamburger Bildungserver; www.hamburger-bildungsserver.de) 4.3 Regionale Klimamodelle und Klimaszenarien 35 4.3.1 REMO Das REgionalMOdell ist ein dreidimensionales, hydrostatisches, atmosphärisches Zirkulationsmodell, das die relevanten physikalischen Prozesse unter Berücksichtigung nichtlinearer Zusammenhänge dynamisch berechnet und auf den primitiven Gleichungen8 basiert. REMO, das aus dem Wettervorhersagemodell EM (Europamodell) des Deutschen Wetterdienstes entstand, wurde am Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI) und am GKSS Forschungszentrum weiterentwickelt (Majewski 1991). Die prognostischen Variablen sind Bodendruck, Temperatur, horizontale Windkomponente, Wasserdampf und Wolkenwassergehalt. REMO wird durch das globale gekoppelte Atmosphäre-Ozean-Modell ECHAM5/MPI-OM initialisiert und angetrieben. Dabei erfährt das Globalmodell keine Rückkopplung vom regionalen Modell (one-way nesting). Die ECHAM5-Simulationen verwenden beobachtete anthropogene Antriebe von CO2 , CH4 , N2 O, FCKWs, O3 und SO2− 4 , die in einem vorindustriellen Kontrolllauf initialisiert wurden, vernachlässigen aber natürliche Antriebskräfte wie Vulkanismus und Änderungen in der Solaraktivität. Die horizontale Auflösung von ECHAM5 ist T63 (1,875 °) entsprechend einem Gitterabstand von etwa 200 km am Äquator, während die des Ozeanmodells MPI-OM 1,5 ° entsprechend etwa 160 km am Äquator beträgt. Subskalige Prozesse, d. h. nicht vom Modell auflösbare Prozesse – z. B. Konvektionsbildung, kleinräumige Windsysteme, Turbulenzen –, werden durch physikalische Parametrisierungen abgeschätzt (Jacob 2001; Jacob et al. 2001). Parametrisierte und nicht-parametrisierte Prozesse sind für den Transport von Energie, Impuls und Wasser innerhalb des Klimasystems bedeutend (Roeckner et al. 2003). Die Parametrisierung stammt hierbei aus dem ECHAM4 (Roeckner et al. 1996). Regionale Klimasimulationen, die für diese Untersuchung verwendet werden, wurden im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) am MPI für Meteorologie in Hamburg durchgeführt. Für diese Simulationen wurde ein „Doppelnesting“ angewendet: REMO-Simulationen mit einer Auflösung von 0,44 ° werden mit ECHAM5 angetrieben. Diese REMOSimulationen wiederum dienen als Randbedingungen für die höher aufgelösten (0,088 ° ∼ 10 km) REMO-UBA Simulationen. Sie sind für die Szenarien A1B, B1 und A2 von 1950 bis 2100 für Deutschland und den Alpenraum verfügbar. 8 Unter den primitiven Gleichungen werden die Kontinuitäts- und Bewegungsgleichung sowie der thermodynamische erste Hauptsatz verstanden. Diese differenziellen prognostischen Gleichungen für die Dichte, Windgeschwindigkeit und Innere Energie ergeben sich aus dem Massen-, Impuls- und Energieerhaltungssatz. 36 4.3 Regionale Klimamodelle und Klimaszenarien 4.3.2 CLM CLM steht für Climate version of the LokalModell (Klimaversion des Lokalmodells) und ist ebenfalls ein dynamisches, regionales aber nicht-hydrostatisches Klimamodell und basiert auf den primitiven Gleichungen für kompressible Strömungen in einer feuchten Atmosphäre. CLM ist ebenfalls aus dem Routine-Wettervorhersagemodell EM des Deutschen Wetterdienstes hervorgegangen (später Lokalmodell, LM) und wurde von verschiedenen Institutionen und Forschungseinrichtungen weiterentwickelt9 . Die erste Version des CLM basiert auf der LM-Version 2.19 und wurde seither modifiziert. Die Entwicklung weiterer CLM-Versionen läuft parallel zur Weiterentwicklung des LM. So wurde ab 2006 eine neue LM-Version 4.1 eingeführt, die alle für den Klimamodus wichtigen Änderungen enthält und damit auch als CLM-Version 4.1 genutzt wird. CLM-Simulationen weisen eine räumliche Auflösung von 50 bis zu 2 km auf. Die in dieser Untersuchung verwendeten Simulationen basieren auf der Version 2.19 und haben eine räumliche Auflösung von 0,167 ° (∼ 18 km). Dabei wird CLM direkt in das ECHAM5 „genestet“ , d. h. es wird stetig von den Ergebnissen des ECHAM5/MPI-OM angetrieben und erfährt wie REMO (siehe Kapitel 4.3.1) ebenfalls keine Rückkopplung (one-way nesting). Für CLM stehen die Emissionsszenarien A1B und B1 von 1960-2100 für das Modellgebiet Europa zur Verfügung (Steppeler et al. 2003; Böhm et al. 2006). Die zeitliche Auflösung beträgt je nach Variable bis zu 1 bzw. 3 Stunden. Die Analyse der CLM-Daten basiert in dieser Untersuchung auf auf den Zeitraum 12 bis 15 Uhr. 9 z. B. von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus, Universität Bonn, vom GKSS Forschungszentrum Geesthacht, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Forschungszentrum Karlsruhe und dem DWD. CLM wurde als Community Projekt mit 70 Mitgliedern (Stand Juni 2008) weitergeführt und im Jahr 2008 in COSMO-CLM (Climate Limited-area Modelling Community) umbenannt (Rockel et al. 2008). 5 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse 5.1 Klimatische Veränderungen im Schwarzwald Die Frage, ob und wie sich das klimatische Tourismuspotenzial in den nächsten 10 bis 40 Jahren im Zuge eines wärmeren Klimas verändert, wird anhand regionaler Klimasimulationen analysiert: REMO und CLM. Dabei ist festzuhalten, dass beide Modelle, welche durch das gleiche globale Zirkulationsmodell – ECHAM5/MPI-OM – angetrieben werden, weitestgehend gleiche Tendenzen in ihren Änderungssignalen (2021/2050 vs. 1971/2000) aufweisen. Abweichungen treten lediglich bei der thermischen Komponente auf, worauf im Folgenden noch eingegangen wird. In den Klimasimulationen werden viele der heute schon beobachteten Klimaveränderungen reproduziert und für Zukunftsszenarien im 21. Jahrhundert weiter verstärkt. So folgt die Schwarzwaldregion dem allgemeinen Trend der globalen Erwärmung. Die jährliche Lufttemperatur wird sich bis 2050 durchschnittlich um +1 °C erhöhen. Dabei wird die Erwärmung mit +1,3 bis +1,8 °C im Winter und mit +1,2 bis +1,6 °C im Herbst stärker ausfallen als in den Sommermonaten (+0,9 bis +1,2 °C) und im Frühjahr (bis zu +0,5 °C)1 . In CLM-A1B wird die stärkste Erwärmung im Herbst mit einer Erhöhung von +2,2 bis zu +2,5 °C erwartet. Diese Erwärmung kann sowohl negative als auch positive Folgen für den Sommer- und Wintertourismus nach sich ziehen, die im Folgenden näher erläutert werden. Falls nicht explizit angegeben, beziehen sich die Änderungen auf beide Modelle und Szenarien. 1 Hierbei beziehen sich die genannten Änderungen auf das A1B-Szenario (CLM, REMO). In B1 fallen die Änderungen tendenziell etwas geringer aus; das Frühjahr erfährt in REMO-B1 sogar eine Abnahme der Lufttemperatur bis zu -0,7 °C. 37 38 5.1 Klimatische Veränderungen im Schwarzwald 5.1.1 Wintersaison Eine stärkere winterliche Erwärmung hat Einfluss auf die Schneeentwicklung, das Schneepotenzial und damit auf den Wintertourismus. Der Schwarzwald stellt aufgrund seines Mittelgebirgscharakters – mit einer Höhe bis zu 1500 m – hinsichtlich der Modellierung eine besondere Herausforderung dar. Schnee wie auch Niederschlag sind variable und sehr sensible meteorologische Größen, besonders im stark gegliederten Gelände, welches selbst Einfluss auf atmosphärische Prozesse (z. B. Hebung) und somit auf die Niederschlagsbildung hat. Trotz eines generell zwischen 10 und 30 % zunehmenden Winterniederschlages kann nicht von einer Zunahme des Schneefalls ausgegangen werden, da die Art des Niederschlages entscheidend von der Lufftemperatur beeinflusst wird. Derzeit gelten die Hochlagen des Schwarzwaldes mit ca. 100 Schneetagen als schneesicher. Die Schneehöhe erreicht dabei Werte zwischen 15 bis 110 cm, wobei die Monate Januar, Februar und März die höchsten Schneemengen aufweisen.2 In den letzten Jahren konnten vereinzelt Perioden verzeichnet werden, die bereits eine Abnahme der Schneedecke aufwiesen. Während der gegenwärtige (2009/2010) und der vergangene Winter (2008/2009) zwei für den Wintertourismus erfolgreiche Saisons darstellen, waren die Winter 2006/2007 und 2007/2008 außergewöhnlich mild und schneearm. Dabei gilt der Winter 2007/2008 als sechstwärmster Winter seit der Klimaaufzeichnung, d. h. seit 1901. Diese Variabilität wird sich zukünftig noch verstärken mit der Tendenz zu weniger schneereichen Wintern. Bis 2050 wird eine Reduktion der Schneedecke um 30 bis 40 % und der Schneetage – und folglich der Wintersportsaison – bis zu 21 Tagen erwartet. Vor allem tiefer gelegene Regionen des Schwarzwaldes (unterhalb von 600 m) werden am stärksten betroffen sein. Da für den Wintersport auch die Monate März und November entscheidend sind, ist in Abbildung 5.1 die mittlere prozentuale Änderung der Schneetage für den Zeitraum November bis März (NDJFM) dargestellt. Die Ergebnisse weichen unwesentlich von denen ab, die über die Wintermonate DJF gemittelt wurden. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass im Modell in den Monaten November und März gegenwärtig und in Zukunft kaum Schnee modelliert wird3 . 2 3 Datengrundlage sind die Klimadaten des DWD für den Zeitraum 1971-2000. Hierbei beziehen sich die Ergebnisse ausschließlich auf REMO. 5.1 Klimatische Veränderungen im Schwarzwald 39 Abbildung 5.1: Mittlere prozentuale Änderung der Schneetage gemittelt über die Monate November bis März in Abhängigkeit der Höhenklassen (0-300 m, 301-600 m, 601-900 m, 901-1200 m) in der Schwarzwaldregion für den Zeitraum 2021/2050 vs. 1971/2000. Daten: REMO-A1B und REMO-B1. Eine Erhöhung der Lufttemperatur hat auch einen Einfluss auf den hydrologischen Zyklus. So werden zwar bis 2050 kaum Änderungen im Jahresniederschlag erwartet (+5 bis +15 %), allenfalls eine Umverteilung innerhalb des Jahres. Allgemeine Aussagen über Änderungssignale im Niederschlag suggerieren eine Zunahme der Winterniederschläge, die u. a. auf eine stärker westlich ausgerichtete Zirkulation zurückzuführen ist. Im stark strukturierten Gelände wie dem Schwarzwald trifft dieser allgemeine Trend nur bedingt zu. CLM und REMO simulieren den winterlichen Niederschlagszuwachs mit +10 bis +30 %, mit Ausnahme von REMO-A1B, in dem der Nordschwarzwald eine Abnahme und der mittlere Schwarzwald keine Änderungen erfährt. Lediglich im äußersten Süden wird eine Zunahme des Niederschlags modelliert. PET wird sich ebenfalls bis 2050 im Durchschnitt um +1 °C erhöhen, mit einer überdurchschnittlichen Erhöhung von +1,6 bis +1,8 °C (A1B) im Winter. Höhere Lagen erfahren dabei eine etwas geringere Erwärmung. Dies hat einen deutlichen Rückgang des Kältestresses (PET < 0 °C) zur Folge, der vor allem in den tieferen Lagen (bis 900 m) spürbar ausgeprägt ist (bis zu 9 -12 Tagen). In höheren Lagen ist der Rückgang etwas geringer. 40 5.1 Klimatische Veränderungen im Schwarzwald Abbildung 5.2: Mittlere prozentuale Änderung der winterlichen Kältestresstage (DJF) in Abhängigkeit der Höhenklassen (0-300 m, 301-600 m, 601-900 m, 901-1200 m) in der Schwarzwaldregion für den Zeitraum 2021/2050 vs. 1971/2000. Daten: REMOA1B und REMO-B1. Dies entspricht einer Reduzierung der Kältestresstage um 20 bis 25 % (bis 900 m) und um 15-20 % für die höher gelegenen Regionen (ab 900 m). Dabei sind die Änderungen in B1 geringer (Abbildung 5.2). Den Simulationsresultaten von CLM zufolge nimmt die Anzahl der Tage mit Kältestress in der gleichen Größenordnung ab. Die Ergebnisse hinsichtlich der klimatischen Veränderungen im Winter können im Detail bei Endler und Matzarakis (2010a) nachgelesen werden. Eine höhendifferenzierte klimatische Analyse für Winter- und Sommerbedingungen für drei ausgewählte Regionen im Schwarzwald sind bei Endler et al. (2010) zusammengefasst. 5.1.2 Sommersaison Da der Schwarzwald aufgrund der im Süden sowie Südwesten Deutschlands zu erwartenden stärkeren Erwärmung als das am stärksten von klimatischen Veränderungen betroffene Mittelgebirge in Deutschland gilt, wird dies ebenfalls an der Sommersaison nicht spurlos vorübergehen. Die Sommersaison umfasst im Sinne der hier durchgeführten Auswertung 5.1 Klimatische Veränderungen im Schwarzwald 41 die Jahreszeiten Frühling (MAM), Sommer (JJA) und Herbst (SON). Die Lufttemperatur Ta wird – wie eingangs schon erwähnt – bis 2050 nur mäßig zunehmen, mit Ausnahme des Herbstes (bis zu +1,6 bzw. +3 °C, je nach Modell). Jedoch kann sich bereits eine 1 °C-Erwärmung entscheidend auf den thermischen Komfort und Diskomfort auswirken. Die saisonale Erwärmung weist sowohl Unterschiede im Betrag als auch eine räumliche Differenzierung auf. So wird der nördliche und mittlere Schwarzwald weniger von steigenden Temperaturen (Ta und PET) betroffen sein als der südliche Schwarzwald. Obwohl die größte Zunahme von Ta und PET im Herbst erwartet wird, sind eine ansteigende Wärme- (Ta > 30 °C) und Hitzebelastung (PET > 35 °C) in den Modellen kaum erkennbar. Vielmehr wird die Zunahme in PET eine geringe Abnahme der Kältebelastung nach sich ziehen. Auch die Monate MAM zeigen keine Art von thermischer Belastung infolge einer tendenziell leichten Abkühlung, allenfalls eine geringe Abnahme thermisch komfortabler Bedingungen (18 °C < PET < 29 °C). Generell ist eine Verschiebung der Ta und PET zu höheren Werten augenscheinlich. Daraus resultiert sowohl eine Zunahme von Hitzestress und Abnahme des thermischen Komforts im Sommer als auch eine Zunahme thermischen Komforts im Herbst. Unter der Annahme, dass die Lufttemperatur mit der Höhe um 0,65 K pro 100 m (feuchtadiabatisch) abnimmt und lokale Windsysteme in diesen Höhenlagen besonders ausgeprägt sind, erfahren die höheren Lagen eine geringere Erwärmung. Demzufolge sind sie weniger häufig von thermischer Belastung betroffen. Auch die Anzahl der Tage mit thermischem Komfort ist verglichen zu tieferen Lagen reduziert, da erst der Schwellenwert von 18 °C erreicht werden muss. Änderungen im thermischen Komfort weisen je nach Modell einen entgegengesetzten Trend auf. Während CLM eine Zunahme zeigt, modelliert REMO eine Abnahme. Höhere Lagen werden allerdings kaum beeinflusst. Die rückläufige Anzahl thermisch komfortabler Tage wird in REMO im Frühjahr und Sommer erwartet. Im Schwarzwald muss allerdings mit einer Zunahme in der Anzahl feuchtwarmer Tage (Dampfdruck > 18 hPa) von 4 bis 15 Tagen gerechnet werden, die sich vorwiegend auf die Sommermonate beschränkt. Im Allgemeinen erfahren dabei die Höhenlagen bis 600 m die größte Zunahme; Gipfellagen hingegen werden nur geringfügig betroffen sein. Die Nebensaison wird weiterhin kaum durch feuchtwarme Bedingungen beeinflusst werden. 42 5.1 Klimatische Veränderungen im Schwarzwald Die jährliche Niederschlagssumme wird sich bis 2050 nur minimal erhöhen (5-10 %), vielmehr wird – wie bereits im Kapitel 5.1.1 erwähnt – eine Umverteilung der Niederschlagsverhältnisse modelliert. Dabei zeigt sich ein sehr heterogenes Änderungsmuster innerhalb der einzelnen Saisons. Die größten Änderungen mit +33 bis +60 % werden in den REMO-Simulationen im Herbst erwartet. In CLM erfahren diese eine geringe Zunahme von +5 bis +15 %. Die Tendenz des abnehmenden Sommerniederschlags (JJA) trifft im Schwarzwald nur bedingt zu. Lediglich in REMO-A1B ist eine geringe Abnahme zu erwarten, anderenfalls wird mit einer Zunahme von bis zu +17 % gerechnet. Der Niederschlag im Frühjahr wird sich um 5 bis +35 % erhöhen. Die Tendenz zunehmender Niederschläge in der Sommersaison wird ebenfalls in der Änderung der Anzahl trockener Tage (Niederschlag ≤ 1 mm) reflektiert, d. h. eine geringe Abnahme der Anzahl trockener Tage im Frühjahr und Herbst sowie eine geringe Zunahme im Sommer in REMO-A1B. Die Ergebnisse mit anschließender Diskussion für die Sommersaison einschließlich der Nebensaison können im Detail bei Endler und Matzarakis (2010b) und Endler et al. (2010) nachgelesen werden. 5.1.3 Vergleichende Betrachtung Im Folgenden wird eine zwischen beiden Modellen zusammenfassende vergleichende Analyse vorgenommen. Allgemein werden Klimaveränderungen in den tiefer gelegenen Gebieten des Schwarzwaldes sowohl im Sommer als auch im Winter ausgeprägter und stärker spürbar sein als in den höherem Lagen. Dabei kommt die klimatische Höhenabhängigkeit deutlich zum Ausdruck. Je höher ein Gebiet liegt, desto weniger wird es im Sommer von Hitzestress und feuchtwarmen Bedingungen (Schwüle) beeinflusst und desto höher wird die Schneesicherheit im Winter sein. Auch wenn die Tendenz der zu erwartenden Klimaveränderungen innerhalb der Modelle im Allgemeinen ähnlich sind, so treten doch je nach Modell und Szenario Unterschiede auf, die hier kurz vorgestellt werden. In Tabelle 5.1 werden die mittleren jährlichen Veränderungen der einzelnen für den Tourismus relevanten Parameter gegenübergestellt. Es ist ersichtlich, dass REMO und CLM weitestgehend die gleichen Tendenzen aufweisen, mit Ausnahme des thermischen Komforts. Die Abnahme in REMO lässt sich sowohl durch eine Abkühlung im Frühjahr als auch durch eine mäßige Erwärmung im Sommer erklären, mit der Folge, dass PET-Werte 5.1 Klimatische Veränderungen im Schwarzwald 43 häufiger außerhalb des Komfortbereichs liegen. Die Zunahme in CLM kann auf die im Herbst starke Erwärmung von bis zu 3 °C zurückgeführt werden. Trotz der bis 2040 relativ homogenen Entwicklung der Emissionen und Treibhausgaskonzentrationen in A1B und B1, weist REMO größere Unterschiede zwischen den einzelnen Szenarien auf und legt eine größere Spannbreite der zu erwartenden Entwicklungsmöglichkeiten des Klimas offen. Dies betrifft die Parameter Hitzestress sowie die Indizes, die auf Niederschlag und Bewölkung beruhen (siehe Tabelle 5.1). Es sind allerdings Größen wie Niederschlag, Wind und Bewölkung, die besonders im komplex gegliederten Gelände aufgrund ihrer Heterogenität eine Herausforderung an die Klimamodelle stellen. In diesem Kontext sind die Ergebnisse der Parameter „Windig“, „Sonnig“ und „Nebel“ nicht signifikant bei einem 95 % Konfidenzintervall. Die vergleichsweise größten Änderungen bis 2050 betreffen vor allem die thermische Komponente und den Schnee, da sie sehr sensitiv gegenüber einer Erwärmung reagieren. Dabei sind die Änderungen in B1 zumeist etwas geringer als in A1B. Tabelle 5.1: Qualitative Zusammenfassung der untersuchten Kenngrößen für den Schwarzwald basierend auf den Regionalmodellen REMO und CLM für den Zeitraum 2021/2050 vs. 1971/2000. Dabei bezeichnet „ − −“ bzw. „ + +“ eine mäßige Abnahme bzw. Zunahme, „ − “ bzw. „ + “ eine geringe Abnahme bzw. Zunahme, „0“ keine Veränderung im Modell und „k. A.“ keine Aussage aufgrund starker Variabilität zwischen den Emissionsszenarien A1B und B1. Parameter CLM REMO Thermischer Komfort + − Kältestress −− −− Hitzestress + k. A. Feucht-warm ++ ++ Trocken − k. A. Verregnet + + Skipotenzial −− −− Windig 0 0 Sonnig 0 k. A. Nebel + + 44 5.2 Sensitivätsanalysen für die Physiologisch Äquivalente Temperatur PET Hierbei ist ebenfalls zu beachten, dass lediglich der im gesamten Schwarzwald identifizierte allgemeine jährliche Trend widergespiegelt wird, gebietsweise (räumlich) und saisonal (zeitlich) können Abweichungen vom Mittel auftreten. Die Ergebnisse erfordern daher eine gesonderte saisonale Betrachtung wie schon in Kapitel 5.1.1 und 5.1.2 gezeigt werden konnte. Eine ausführliche Darstellung der einzelnen Saisons finden sich bei Endler und Matzarakis (2010a) und Endler und Matzarakis (2010b). Endler und Matzarakis (2010c) geben eine zusammenfassende und vergleichende Darstellung der Ergebnisse basierend auf den beiden Regionalmodellen REMO und CLM. 5.2 Sensitivätsanalysen für die Physiologisch Äquivalente Temperatur PET Siedlungsgebiete mit ihrem spezifischen Stadtklima stellen für Stadtbewohner und -besucher infolge des Klimawandels ebenfalls ein wachsendes Problem dar. Aufgrund einer Zunahme der Lufttemperatur und Hitzeperioden kann sich der für die Stadt charakteristische Wärmeinseleffekt im Sommer verstärken und u. a. die Aktivität, Gesundheit sowie Leistungsfähigkeit des Menschen beeinflussen (vgl. auch Jendritzky et al. 2007). Untersuchungen in Städten zeigen, dass sich beispielsweise in Straßenschluchten lokal sehr unterschiedliche klimatische Bedingungen ausbilden und somit thermische Belastung hervorrufen können. So kann auf einer sonnenexponierten Straßenseite die mittlere Strahlungstemperatur ca. 30 °C über der Lufttemperatur liegen, während diese im (Halb-)Schatten weitaus geringer ist (Streiling und Matzarakis 2003; Matzarakis und Streiling 2004; AliToudert und Mayer 2007; Mayer et al. 2008). Diese Strahlungstemperatur hat einen entscheidenden Einfluss auf die thermische Komponente, die auch im Stadtklima eine zentrale Rolle spielt. Da weder Lufttemperatur noch die urbane Wärmeinsel adäquate Kenngrößen für die Identifizierung thermischer Belastung sind, wird auch hier die Physiologisch Äquivalente Temperatur verwendet. Sie berücksichtigt – wie in Kapitel 4.1 beschrieben – die relevanten atmosphärischen Einflussgrößen, die auf den Menschen einwirken, wie z. B. die Strahlungstemperatur. Für eine Quantifizierung des Stadtklimas aus einer eher physiologischen Perspektive folgt anschließend die Auswertung von PET Simulationen. Dabei beziehen sich die Simulationen mit und ohne Modifikation – d. h. Veränderung der Wind- und Strahlungsflüsse – auf das Modellgebeit Freiburg. Mithilfe dieser Ergebnisse soll es ermöglicht werden, An- 5.2 Sensitivätsanalysen für die Physiologisch Äquivalente Temperatur PET 45 passungssmaßnahmen vor allem in Stadtstrukturen aufzuzeigen. Folglich können sie einen bedeutenden Beitrag zur Verbesserung des Stadt- und Bioklimas leisten. 5.2.1 PET Simulationen ohne Modifikation Basierend auf den REMO-Klimasimulationen wird bis 2100 PET im Mittel um 2,5 bis 4 °C zunehmen. Diese Zunahme wird sich auch auf die extremen thermischen Belastungen, d. h. Kältestress (PET < 0 °C) und Hitzestress (PET > 35 °C) auswirken. So zeigt sich, dass sich die Anzahl der Hitzestresstage bis Ende dieses Jahrhunderts in A1B verdoppelt, während in B1 eine geringere Zunahme (40 %) modelliert wird. Im Gegensatz dazu werden sich die Kältestresstage um 50 % (B1) bis 80 % (A1B) reduzieren. Thermisch komfortable Bedingungen werden in beiden Szenarien eine geringe Abnahme erfahren. 5.2.2 PET Simulationen mit Modifikation Unter der Annahme, dass in städtischen Strukturen oder komplexen Umgebungen Wind und Strahlungsflüsse – hier über die Strahlungstemperatur Tmrt beschrieben – die Größen darstellen, die durch stadtplanerische Maßnahmen leicht modifiziert werden können und einen wesentlichen Einfluss auf PET haben, werden folgende Simulationen betrachtet: ? Veränderung der Strahlung, indem Ta = Tmrt gesetzt wird (d. h. mehr oder weniger schattige Bedingungen). ? Veränderung der Windgeschwindigkeit, indem diese um ±1 ms−1 erhöht bzw. reduziert wird. Bei der Annahme Ta = Tmrt wird sich PET, verglichen zu derzeitigen Bedingungen (1961-1990), im Mittel nicht ändern; verglichen mit einer mittleren PET, wie sie Ende 2100 erwartet wird, kann sie allerdings um 4 °C reduziert werden. Eine geringere Zunahme der mittleren PET kann auch bei einer Erhöhung der Windgeschwindigkeit um +1 ms−1 erzielt werden. Im Gegensatz dazu wird eine stärkere Zunahme bei Verringerung der Windgeschwindigkeit um −1 ms−1 erreicht, die sogar die der unmodifizierten PET übersteigt. Dies hat auch unmittelbare Auswirkungen auf die beiden Belastungsstufen Kältestress und Hitzestress. Während sich bei Ta = Tmrt und +1 ms−1 die Anzahl der Hitzestresstage verglichen zu den unmodifizierten Bedingungen reduziert, wobei mit Ta = Tmrt eine stärkere Änderung erreicht werden kann, wird bei −1 ms−1 eine Zunahme der Hitzestresstage simuliert. Genau entgegengesetzt verhält es sich bei Kältestress, wobei die Änderungen generell gering ausfallen. 46 5.2 Sensitivätsanalysen für die Physiologisch Äquivalente Temperatur PET In Abbildung 5.3 sind die Häufigkeitsverteilung der Standard-PET für 1961-1990 und 2071-2100 sowie der Modifikationen (Ta = Tmrt und v ± 1 ms−1 ) für 2071-2100 zusammengefasst. Anhand deren ist ersichtlich, dass sich nicht nur die thermo-physiologischen Belastungsstufen verändern, sondern auch Änderungen im Bereich der thermischen Eignung zu erwarten sind. Abbildung 5.3: Häufigkeitsverteilung für derzeitige (1961-1990) und zukünftige PET Bedingungen (2071-2100) in Freiburg unter Berücksichtigung von Strahlungs- und Windmodifikation. Dabei wird PET simuliert mit folgenden Annahmen: Ta = Tmrt und v ± 1 ms−1 . Daten: REMO, A1B. Im Allgemeinen zeigen die PET Simulationen, dass Änderungen im Fall von veränderten Strahlungsflüssen am größten sind. Mit entsprechender Bepflanzung können folglich bessere thermische Bedingungen erreicht werden, d. h. Beschattung im Sommer und reduzierte Abschattungseffekte im Winter. Auch wenn die durch Windgeschwindigkeit modifizierte PET geringe Änderungen gegenüber der unmodifizierten PET aufweist, so ist es doch vorteilhaft zu wissen, dass ebenfalls Anpassungsmaßnahmen wie z. B. Windkorridore bei der Stadtplanung berücksichtigt werden und demzufolge das Stadt- und Bioklima positiv beeinflussen können. Die durchgeführten PET Simulationen und ihre Auswertung können im Detail bei Matzarakis und Endler (2010) nachgelesen werden. 6 Diskussion der Ergebnisse 6.1 Aussagefähigkeit regionaler Klimamodelle im komplexen Gelände Bei der Interpretation von Modellergebnissen muss die Unsicherheit, die ein unvermeidbares Faktum in jeder Klimasimulation, Vorhersage oder Bewertung ist, mitberücksichtigt werden. Hierbei lassen sich drei Hauptarten von Unsicherheit identifizieren: (i) interne Variabilität im Klimasystem, d. h. Schwankungen, die auf natürliche Weise und nicht als Ergebnis menschlicher Einflüsse auftreten, (ii) Modellunsicherheiten und (iii) Unsicherheit hinsichtlich der Entwicklung von Emissionen und Treibhausgaskonzentrationen (Hawkins und Sutton 2009). Obschon sich Klimamodelle hinsichtlich ihrer physikalischen Beschreibung atmosphärischer Prozesse, horizontaler und vertikaler Auflösung und der Berücksichtigung zusätzlicher Komponenten im Klimasystem in den letzten 10 Jahren deutlich verbessert haben, erlauben sie lediglich eine repräsentative Darstellung von mittleren Zuständen (Rial et al. 2004; Reichler und Kim 2008). Dabei stellt die interne Variabilität eine der Hauptschwierigkeiten in der Modellierung dar. Hawkins und Sutton (2009) geben diese und die Modellunsicherheit als die Hauptquellen der Unsicherheiten bis 2040 an, während die Entwicklung der Emissionen sowie die Modellunsicherheit bis Ende dieses Jahrhunderts an Bedeutung gewinnen. Um Unsicherheiten hinsichtlich der Aussagen zukünftiger Klimaveränderungen und Klimafolgen zu reduzieren, empfiehlt es sich, auf Ensembles zurückzugreifen, die auf mehreren GCMs, RCMs und SRES-Szenarien beruhen. Es kann keine Aussage getroffen werden, welches Modell das wahrscheinlichste Zukunftsszenario liefert, da RCMs und GCMs hinsichtlich ihrer Physik teilsweise sehr stark differieren (Déqué et al. 2007). Untersuchungen, die Ensemblesrechnungen durchgeführt haben, sind beispielsweise das gleichnamige Projekt ENSEMBLES (van der Linden und Mitschell 2009), PRUDENCE 47 48 6.1 Aussagefähigkeit regionaler Klimamodelle im komplexen Gelände (Christensen und Christensen 2007), STARDEX (Goodess 2003) und MICE (Hanson et al. 2007). Walkenhorst und Stock (2009) geben an, mindestens zwei Szenarien und zwei Modelle zu verwenden. Demzufolge stellt die vorliegende Untersuchung unter Verwendung von A1B und B1 sowie von REMO und CLM im Ansatz eine vereinfachte Ensemblesbetrachtung dar. Ein Vorteil von RCMs gegenüber GCMs ist ihre hohe räumliche Auflösung, die vor allem im komplex gegliederten Gelände zum Tragen kommt. Jedoch stellt sich die Frage, wie gut sie die klimatische Komplexität mit dem für ein heterogenes Gelände charakteristischen Lokalklima wiedergeben können. Es ist bekannt, dass die Qualität von „genesteten“ Modellen – wie beispielsweise von REMO und CLM – im hohen Maße von dem antreibenden GCM abhängt und besonders davon, wie gut das GCM die allgemeine Zirkulation für eine bestimmte Region repräsentieren kann (z. B. Christensen et al. 1998; Machenhauer et al. 1998; Giorgi et al. 2001). Rowell (2006) und Déqué et al. (2007) sehen die größte Unsicherheit in Hinsicht auf Klimasimulationen in der Wahl des GCM. Unsicherheiten, die beispielsweise auf die Entwicklung der Emissionen und Treibhausgaskonzentrationen sowie auf die Modellbeschreibung der RCMs zurückzuführen sind, spielen nach ihren Aussagen eine untergeordnete Rolle. ECHAM5, das beiden Regionalmodellen REMO und CLM als Antrieb dient, gehört zu den verlässlichsten derzeit existierenden GCMs (van Ulden und van Oldenborgh 2006). Weitere Untersuchungen wurden u. a. von Demuzere et al. (2009), Sillmann und Roeckner (2008), Hagemann et al. (2006), Roesch und Roeckner (2006) durchgeführt. Aufgrund der unterschiedlichen räumlichen Auflösung wird die Topografie mit ca. 400 m in REMO und mit 650 m in CLM unterschätzt. Die geländespezifische Komplexität sowie Vertikalprofile klimatologischer Parameter können von den RCMs nicht wiedergegeben werden. So kann allenfalls für die Lufttemperatur eine einfache Höhenkorrektur1 angewendet werden. Für andere Parameter wie Niederschlag, Wind oder Strahlung, die vor allem durch das Gelände – Hangneigung, Exposition, Horizonteinengung (Sky View Factor) – beeinflusst werden, fehlen leider bislang solche Ansätze. RCMs können infolge ihrer implementierten Modellphysik systematische Fehler aufweisen. So modelliert beispielsweise CLM das Klima etwas zu kühl, insbesondere im Sommer, und zu feucht. Auch die relative Luftfeuchtigkeit und Dampfdruck wird besonders bei hohen Werten vom Modell überschätzt (vgl. auch Endler und Matzarakis 2010c). REMO hingegen simuliert das Klima etwas zu warm und zu feucht, mit Ausnahme der 1 Feuchtadiabatische Temperaturabnahme mit der Höhe um 0,65 K pro 100 m 6.1 Aussagefähigkeit regionaler Klimamodelle im komplexen Gelände 49 höheren Lagen, die zu wenig Niederschlag erfahren (vgl. auch Jacob et al. 2007; Jacob et al. 2008). Diese Tatsache spiegelt sich in der Unterschätzung der Schneetage und Dauer der schneesicheren Tage wider, das zum einen durch das frühzeitige Einsetzen der Schneeschmelze im Modell erklärt werden kann. Diese Prozesse laufen über Parametrisierungen, die auf mathematischen und physikalischen Annahmen basieren. Schnee sowie Niederschlag sind zwei Variablen, die in der Modellierung eine Schwierigkeit darstellen. ECHAM5 kann im Vergleich zu ECHAM4 den jährlichen Zyklus der Schneedecke zwischen 40 ° und 60 °N sehr präzise wiedergeben. Dabei wird er im Frühjahr geringfügig überschätzt, während er im Herbst etwas unterschätzt wird (Roesch und Roeckner 2006). Diese Untersuchung hingegen kommt zu dem Ergebnis, dass sowohl im Frühjahr als auch im Herbst kaum Schnee von den RCMs modelliert wird. Dies könnte darin begründet liegen, dass die Abhängigkeit des RCM vom GCM in der Nebensaison schwächer ist. Das würde bedeuten, dass die Repräsentativät der Schneekomponente verstärkt auf die Modellphysik des RCMs zurückgeführt werden kann. Darüber hinaus können viele kleinräumige und lokale Faktoren wie Oberflächenheterogenitäten, Schneeverwehungen und Vegetationswechselwirkung, die die Schneeverhältnisse beeinflussen, im Modell nicht berücksichtigt werden. Beim Niederschlag verhält sich die Komplexität ähnlich. Im Sommer werden infolge verstärkter Sonneneinstrahlung meso- und mikroskalige Prozesse, wie z. B. Konvektion, bei der Entstehung von Niederschlag bedeutender, die durch Gebirgsstrukturen zusätzlich verstärkt werden. Diese kleinräumigen, atmosphärischen Prozesse mit ihrer zeitlichen Dynamik können vom RCM nicht im Detail erfasst werden2 und basieren auf der modellspezifischen Parametrisierung des RCM. Im Vergleich dazu ist der Winterniederschlag verstärkt durch zyklonale, d. h. großräumige Aktivität, charakterisiert. Diese wird eher durch das GCM vorgegeben. Demzufolge ist eine größere Abhängigkeit des RCM vom GCM im Winter als im Sommer zu erkennen. Laut Feldmann et al. (2008) sind hoch aufgelöste Klimamodelle wie REMO und CLM in der Lage, viele Aspekte regionaler Niederschlagsmuster realistisch abzubilden und können demzufolge verlässliche Anzeichen von Klimafolgen auf einer regionalen Skala geben. Die Modellergebnisse, die aus dieser Untersuchung hervorgegangen sind, weisen im Allgemeinen gleiche Tendenzen auf. Die Regionalmodelle WETTREG (Spekat et al. 2007) und STAR (Werner und Gerstengarbe 1997) lassen für den Zeitraum 2021-2050 und für das Szenario A1B weitestgehend ähnliche Tendenzen für die Schwarzwaldregion hinsicht2 Wettervorhersagemodelle, die Prognosen für die nächsten Stunden oder Tage erstellen, weisen hierbei ebenfalls Limitationen auf. 50 6.1 Aussagefähigkeit regionaler Klimamodelle im komplexen Gelände lich der Lufttemperatur und des Niederschlages erkennen. Dies liegt unter anderem in der Verwendung des gleichen GCMs. Dabei erfährt die Lufttemperatur eine Zunahme von +0,5 °C in WETTREG und von +2,0 °C in STAR. Die Ergebnisse in Bezug auf den Niederschlag indizieren bundesweit einen möglichen Rückgang von 15 bis 25 % im Sommer mit den stärksten Änderungen im Südwesten und einen Zuwachs im Winter von 0 bis 15 % (BMU 2009). Da auf Grundlage von STAR und WETTREG lediglich Lufttemperatur und Niederschlag analysiert wurden, werden in der weiteren Diskussion die Modellergebnisse aus REMO und CLM bewertet. Dabei treten Unterschiede zwischen beiden Modellen ausschließlich beim thermischen Komfort auf, der auf der Grundlage von PET berechnet wird. In PET fließen die 4 meteorologischen Größen Lufttemperatur, Dampfdruck bzw. relative Luftfeuchtigkeit, Globalstrahlung bzw. Bewölkung und Windgeschwindigkeit ein. Lufttemperatur ist aufgrund ihrer räumlich homogenen Verteilung zuverlässig modellierbar. Wind und Bewölkung hingegen sind infolge ihrer hohen räumlichen und zeitlichen Variabilität mit einer größeren Unsicherheit behaftet (vgl. auch Kropp und Scholze 2009). Weiterhin deuten die Ergebnisse an, dass eine saisonale Analyse unerlässlich ist. Während eine Abnahme der PET – basierend auf REMO – im Frühjahr erwartet wird, wird PET auf Grundlage des CLM-Modells im Herbst stärker zunehmen. Resultat ist eine Abnahme des thermischen Komforts in REMO bzw. eine Zunahme in CLM. Saisonale Unterschiede können die Dimension des jährlichen Mittels überlagern. So scheint es, dass die abweichenden Tendenzen auf die unterschiedliche Modellimplementierung der RCMs zurückzuführen sind, zumal beide RCMs das gleiche GCM als Antrieb verwenden. Wang (2005) belegt, dass Aussagen eines einzelnen Modells von denen eines Ensembles abweichen können, weil es eine verbesserte Parametrisierung enthält oder weil Mechanismen berücksichtigt werden, die andere Modelle nicht aufweisen. Wang et al. (2004) vermerken, dass nicht-hydrostatische Modelle – wie CLM – vor allem im Gebirge eine realistischere Modellierung erlaubt. Demzufolge kann die Parametrisierung mitunter zu größeren Unterschieden in der klimatischen Entwicklung führen als die einzelnen Emissionsszenarien (vgl. auch Schröter et al. 2005). Obwohl die Entwicklung der Emissionen und Treibhausgaskonzentrationen bis 2040 sehr homogen verläuft, sind vor allem in REMO entgegengesetzte Tendenzen zwischen A1B und B1 zu erkennen. Dies betrifft insbesondere die Parameter Hitzestress und die Indizes, die auf Niederschlag und Bewölkung basieren (vgl. Tabelle 5.1). Die Diskrepanzen können der unterschiedlichen Modellphysik zugeschrieben werden, da CLM keinerlei gegenläufige Trends aufweist. 6.2 Risiken für den Wintertourismus in Mittel- und Hochgebirgen 51 Die Ergebnisse hinsichtlich der Sturmhäufigkeit deuten keine signifikanten Änderungen an. Untersuchungen für den Zeitraum 2071-2100 zeigen geringe Änderungen über Europa: eine Zunahme der Windgeschwindigkeit im Winter und eine Abnahme dieser im Herbst (Rockel und Woth 2007). Die Änderungen liegen dabei in einem Bereich von 1 bis 5 %. Untersuchungen von Lambert und Fyfe (2006), Bengtsson et al. (2006) oder Leckebusch et al. (2006) sind konsistent. Die Häufigkeit der Stürme über Zentraleuropa wird sich reduzieren, während die Intensität allerdings zunehmen wird. Nachdem Unsicherheiten aufgezeigt wurden, ist der nächste Schritt, einen Weg zu finden, mit diesen Unsicherheiten umzugehen und diese nach außen, d. h. in die Öffentlichkeit, unmissverständlich zu kommunizieren. Ziel ist es dabei, sich vollkommen den Risiken und Chancen des Klimawandels bewusst zu sein, besonders wenn es um Entscheidungen in klimasensiblen Bereichen wie dem Tourismus geht (UNWTO 2008). Somit sollen im Folgenden Risiken und Chancen für den Schwarzwald – nach Winter- und Sommertourismus getrennt – aufgezeigt und diskutiert werden. 6.2 Risiken für den Wintertourismus in Mittel- und Hochgebirgen 6.2.1 Schwarzwald und andere deutsche Mittelgebirge Aufgrund einer höheren Lufttemperatur im Winter wird sich die Schneedecke reduzieren und die Wintersportsaison verkürzen. Auch ein frühzeitiges Einsetzen der Schneeschmelze führt zu einer Abnahme der Schneedeckendauer. Dabei weist diese eine größere Sensitivität gegenüber einer Erwärmung auf als die Schneetiefe (Brown und Mote 2009). Für den Tourismus stellt dies eine besondere Herausforderung dar, zumal im Schwarzwald der Wintersport eine sehr lange Tradition pflegt und zur regionalen Identität beiträgt. Die letzten Jahre zeigten bereits einen Abwärtstrend in der natürlichen Schneesicherheit und im Schneepotenzial. Um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben3 , musste sich der Tourismus schnell an gegebene klimatische Winterbedingungen anpassen. Seit den 1980er ist der Einsatz von Kunstschnee aus dem Wintersport nicht mehr wegzudenken. Im Wintersportzentrum Feldberg kann derzeit ein Drittel der Pistenfläche künstlich beschneit werden. Bis 2020 soll eine künstliche Beschneiung des gesamten Skigebiets möglich sein 3 Mindestens 100 Schneetage werden benötigt, um einen rentablen Ski- und Wintersportbetrieb gewährleisten zu können (Abegg 1996). 52 6.2 Risiken für den Wintertourismus in Mittel- und Hochgebirgen (Schmidt 2010). Da niedrig gelegene Skigebiete sehr sensibel auf Veränderungen der Wintertemperatur und des Schneefalls sind, ist der Einsatz von Kunstschnee nur in höheren Lagen rentabel. Fraglich ist allerdings, ob die technische Beschneiung auch noch in 50 Jahren möglich und wirtschaftlich ist. Auch wenn der Einsatz temperaturunabhängiger Schneeproduktion möglich ist, wie sie beispielsweise in den Gletschergebieten von Zermatt oder des Pitztals bereits zum Einsatz kommt, ist es der Kosten-Nutzen-Faktor, der über solche zukünftigen Investitionen entscheidet. Für den Schwarzwald ist eine Anschaffung aufgrund der zu hohen Kosten unwahrscheinlich. Bislang gibt es kaum Untersuchungen darüber, wie sich eine Zunahme der Lufttemperatur auf das zukünftige Beschneiungspotenzial auswirkt. Roth et al. (2005) eruierten in einer Studie die Wintersportbedingungen in Baden-Württemberg unter Berücksichtigung des Beschneiungspotenzials und kamen zu dem Ergebnis, dass in den nächsten Jahren nur noch in den Hochlagen des Südschwarzwaldes mäßige bis gute Wintersportbedingungen vorzufinden sind. Auch im Nordschwarzwald werden nur noch wenige Gebiete oberhalb 800 und 900 m eine entsprechende Eignung erreichen (Schneider und Schönbein 2002). Weiterhin wird nach Angaben von Roth et al. (2005) der Südschwarzwald einen stärkeren Rückgang der Schneedeckendauer erfahren als der Nordschwarzwald, so dass Nord- und Südschwarzwald zukünftig ähnliche Verhältnisse aufweisen. Eine Schneedeckendauer von über 14 Tage ist unterhalb 1200 m nicht mehr regelmäßig zu erwarten. Der Südschwarzwald wird jedoch bis 2025 noch befriedigende Beschneiungszeiträume aufweisen können (Schneider und Schönbein 2002). Im Rahmen von GIS-KliSchee (Roth et al. 2009), welches mithilfe von neuronalen Netzen und Satellitenbildern (MODIS) die Schneeverfügbarkeit in deutschen Mittelgebirgen untersucht, wird im Schwarzwald ein Rückgang der Schneetage um bis zu 66 % in Höhenlagen zwischen 500 und 1000 m berechnet. Die Gipfellagen über 1200 m erfahren bis 2041-2050 je nach Szenario eine Reduktion von 24 bis 44 %4 . Basierend auf CLM-A1B modellierten Roth et al. (2009) einen Rückgang der Schneetage bis zu 52 %, wobei in 1300 m Höhe der Rückgang der Schneetage lediglich 11% beträgt. Das Potenzial der technischen Beschneiung wird sich nach Angaben der Autoren um 44 bis 50 % minimieren (Roth et al. 2009). Bei den Ergebnissen ist zu beachten, dass der Analysezeitraum jeweils eine Dekade darstellt und somit größere Schwankungen von Dekade zu Dekade aufkommen können verglichen zu einem Mittel über 30 Jahre. 4 Referenzzeitraum sind die Jahre 1994 bis 2003. Diese Ergebnisse basieren auf eine vom PIK prognostizierte Zeitreihe. Für die CLM-Simulationen dient der Zeitraum 1997 bis 2006 als Referenz. 6.2 Risiken für den Wintertourismus in Mittel- und Hochgebirgen 53 Eine jüngst von Schmidt (2010) durchgeführte Untersuchung über das Schneepotenzial und die künstliche Beschneiung im Skigebiet Feldberg unter Verwendung des Skisaisonmodells SkiSim (Steiger 2009) zeigt, dass die Anzahl der Schneetage inklusive Beschneiung5 im Skigebiet gegen Ende des 21. Jahrhunderts um bis zu 90 % in 900 m Höhe und bis zu 45 % in 1400 m Höhe abnimmt. So sind die 100 Tage Schneesicherheit auch auf dem Feldberg nicht mehr gewährleistet und künstliche Beschneiung ist aus langfristiger Sicht nicht rentabel. Welche Möglichkeiten bestehen für einen Touristen oder Erholungssuchenden, der während seines Urlaubs ausschließlich Schnee genießen möchte? Bürki et al. (2007) geben basierend auf einer Befragung an, dass 49 % der Befragten in schneeärmeren Saisons schneesichere Gebiete wählen, 32 % weniger Ski fahren und 4 % den Sport gänzlich aufgeben würden. Für den Schwarzwald könnte das bedeuten, dass (i) ein Großteil der Wintersportler ihren Winterurlaub in andere, schneesichere Gebirge verlagern wie bespielsweise in die nahe gelegenen Alpen, (ii) weniger Menschen den Sport erlernen werden, (iii) Anfänger auf höhere Lagen ausweichen müssen und demzufolge einem höheren Gefahrenrisiko ausgesetzt sind, weil sie dem höheren Schwierigkeitsgrad und den Anforderungen an den Pisten nicht gewohnt sind. Dies könnte letztendlich eine Reduzierung in der Ausübung des Sports zur Folge haben. Allenfalls für Tagesausflügler und Wochenendurlauber aus der näheren Umgebung, die flexibel auf die entsprechenden Schneeverhältnisse reagieren können, könnte der Schwarzwald noch einen Anziehungspunkt darstellen, da der Winterurlaub in der Regel einige Wochen im Voraus geplant wird und das Risiko, keine weiße Winterlandschaft vorzufinden, für viele zu groß ist. Somit stellt sich die Frage, wie und wie stark sich der Klimawandel in anderen potenziellen Winterdestinationen auswirkt. Die deutschen Mittelgebirge sehen sich generell einer Erwärmung ausgesetzt. Obwohl sie eine weitaus geringere vertikale Ausdehnung besitzen, liegen sie teilweise geografisch günstiger als der Schwarzwald. So kann auf dem Brocken (Harz) bei einer Zunahme einer nordwestlichen Strömung mehr Schnee akkumulieren, während der Schwarzwald im Windschatten einiger, sich weiter westlich befindlichen Mittelgebirgsrücken liegt und demzufolge vergleichsweise mit weniger Schnee rechnen muss. Auch im Sauerland und im Thüringer Wald werden die natürlichen Schneeverhältnisse erheblich zurückgehen, wobei das Sauerland eine Reduzierung der Schneetage von 38 bis zu 45 % in Höhenlagen von 400 bis über 700 m erfahren wird. Auch die potenziellen Be- 5 In der Untersuchung von Schmidt (2010) wird der Zeitraum vom 01. November bis 30. April über einen Zeitraum von 30 Jahren betrachtet. 54 6.2 Risiken für den Wintertourismus in Mittel- und Hochgebirgen schneiungstage werden in der gleichen Größenordnung, bis zu 50 %6 , wie im Schwarzwald zurückgehen. Basierend auf CLM-Simulationen wird das Sauerland mit bis zu 77 % einen stärkeren Rückgang in den Schneetagen erfahren (Roth et al. 2009). Das Fichtelgebirge7 weist seit 1960 einen Abwärtstrend der Schneesicherheit auf. Unter der Annahme, dass die Erwärmung im Winter mit 0,4 °C pro Dekade voranschreitet, könnte bis 2060 nur noch die Hälfte der Skigebiete eine Wintersporteignung aufweisen. Da sich bereits bis 2025 die Schneeverhältnisse inklusive Beschneiungspotenzial deutlich verschlechtern werden, ist ein rentabler Wintersportbetrieb ab 2025 sehr unwahrscheinlich (Seifert 2004). 6.2.2 Alpen Die alpinen Hochlagen stellen bezüglich des reinen klassischen Wintersports eine weitaus größere Konkurrenz für den Schwarzwald dar als die deutschen Mittelgebirge. Die Gipfelhöhen der Westalpen liegen zwischen 3000 und 4300 m8 , in den Ostalpen sind die Berge etwas niedriger. Die Schneegrenze steigt dabei von Norden nach Süden von 2400 m auf 2700 m an. Derzeit liegt die natürliche Schneesicherheit9 bei ca. 1500 m (Beniston 2003). In Zukunft wird sich allerdings eine Erwärmung, die in den Alpenländern vergleichsweise stärker zu spüren sein wird, unterschiedlich stark auf die regionalen Schneeverhältnisse auswirken. Im bayerischen Alpenraum beispielsweise wird bei einer Erwärmung von 2 °C die natürliche Schneesicherheit auf 1600 bis 2000 m ansteigen (Steiger 2004). Gute Wintersportbedingungen können Höhen oberhalb von 1500 m nur mithilfe technischer Beschneiung aufweisen. In den Schweizer Alpen wird sich die Anzahl der derzeit schneesicheren Gebiete von 85 % auf 63 % reduzieren. Falls die Grenze der natürlichen Schneesicherheit auf 1800 m ansteigt, werden nur noch 44 % der Schweizer Skigebiete sicher sein. Gute Voraussetzungen bieten demnach Höhenlagen über 2000 m, die zudem gute Transportmöglichkeiten bereit halten (Bürki et al. 2007). Eine Aus- bzw. Überlastung der Hochlagen kann die Folge sein, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ungeschadet auf das Landschaftsbild auswirkt. Andere Alpenländer folgen einem ähnlichen Trend. Dabei wären die deutschen Alpen am stärksten betroffen, wo bereits eine 1 °C-Erwärmung eine Abnahme der schneesicheren Skigebiete um 60 % bewirken kann. Die Schweiz ist demgegenüber am wenigsten bedroht, 6 Diese Ergebnisse basieren auf die vom PIK generierte Zeitreihe. Der Referenzzeitraum umfasst hierbei die Jahre von 1994 bis 2003. 7 Höchster Berg ist der Schneeberg mit 1051 m. 8 Höchster Berg ist der Mont Blanc (Frankreich) mit einer Höhe von 4810 m. 9 Vgl. Kapitel 2 6.3 Risiken und Chancen für den Sommertourismus 55 da eine 1 °C-Erwärmung die schneesicheren Gebiete um 10 % minimieren würde (OECD 2007). So sehen sich die Alpen mit Problemen konfrontiert, die dem Schwarzwald in Zukunft ebenfalls widerfahren könnte. In den tiefer gelegenen Skigebieten ist bereits jetzt schon eine Abnahme junger Gäste und Anfänger zu verzeichnen, die genau die Interessensgruppe dieser Gebiete bilden (Bürki 2000). In Höhenlagen zwischen 700 und 900 m werden sich allenfalls nur Standorte mit besonderer Infrastruktur oder besonderem Lokalklima halten können (Schneider und Schönbein 2006; Steiger 2004). So haben sich in Frankreich und in Bayern Skigebiete in tieferen Lagen schon vom Wintersport verabschiedet und konzentrieren sich nunmehr auf die Sommersaison (OECD 2007) – Aussichten, die auch sehr wahrscheinlich im Schwarzwald eintreten können, denn der typische Charakter des Schwarzwaldes als Wintersportregion wird allmählich verloren gehen – ab 2050 verstärkt. Es muss davon ausgegangen werden, dass bis Ende 2100 im Schwarzwald allenfalls noch in den höchsten Gipfellagen Wintersport betrieben werden kann. Jedoch kann auch hier keine Schneegarantie gegeben werden. Da aber auch im Winterhalbjahr eine Grundauslastung der Wintersportgebiete durch Gäste gegeben ist, die unabhängig von der Witterung anreisen10 , lässt sich zukünftig nur sehr schwer prognostizieren, inwiefern sich die veränderte Klimasituation auf die Anzahl der Übernachtungen auswirken wird (Schmidt 2010). Die steigende Frequentierung in höheren Lagen wird auch Spuren in Landschaft und Natur hinterlassen und neue potenzielle Gefahrenzonen definieren. So ist auf langer Sicht eine Anpassung an veränderte Klimabedingungen zwingend notwendig – Diversifizierung des Angebots, Ganzjahrestourismus –, um auch ohne sichere Schneeverhältnisse weiterhin attraktiv zu bleiben. 6.3 Risiken und Chancen für den Sommertourismus Im Durchschnitt wird in Deutschland bis 2050 mit einer Lufttemperaturzunahme von 1 °C gerechnet (Jacob et al. 2008). Allerdings treten räumliche und saisonale Unterschiede auf. So wird in der Schwarzwaldregion im Herbst eine stärkere Erwärmung und im Frühjahr sogar eine leichte Abkühlung erwartet. Kann aber eine Zunahme von ca. 1 °C direkt vom Menschen wahrgenommen werden? 10 Die Zahl der Nichtskifahrer stellt in den Skigebieten effektiv einen wichtigen und wachsenden Markt dar. In Italien beispielsweise sind 48 % der Besucher weder Skifahrer noch Snowboarder (OECD 2007). 56 6.3 Risiken und Chancen für den Sommertourismus Fast jeder kann sich vorstellen (oder sich an vergangene Jahre erinneren), wie häufig bestimmte Wetterereignisse im Jahr oder in einer Saison auftreten bzw. aufgetreten sind. In Bezug auf die Thermo-Physiologie des Menschen ist eine Zunahme der Häufigkeiten von extremen Temperaturen weitaus bedeutender als eine Zunahme der mittleren Werte, zumal extreme Umweltbedingungen thermischen Stress für den Menschen bedeuten. Die Intensität extremer Lufttemperaturen nimmt über dem Festland (z. B. Zentraleuropa) schneller zu als die der moderaten Lufttemperaturen (Beniston et al. 2007; Christensen und Christensen 2007; Jacob et al. 2008). Dies spiegelt sich in einer Zunahme von heißen Tagen (Ta,max > 30 °C) wider. Die Schwarzwaldregion hingegen wird kaum davon betroffen sein. Obgleich eine Verschiebung der Ta - und PET Häufigkeiten zu höheren Werten erkennbar ist, werden die Schwellenwerte für Wärme- und Hitzebelastung kaum erreicht. Ausnahmen bilden hierbei die Oberrheinebene, tiefe Lagen und Städte am Fuße des Schwarzwaldes. Ob in Zukunft der Schwarzwald für den Sommertourismus – Sommersaison einschließlich Nebensaison – ein optimales Reiseziel darstellt, bedarf einer weitergehenden Betrachtung. Denn die Wahl eines Urlaubsortes hängt nicht allein vom Klima ab, obschon es zu einem der wichtigsten Kriterien zählt (Abegg 1996; Amelung und Viner 2006). Zuerst sollte geklärt werden, wie ein „optimaler Sommer“ für den Tourismus definiert wird. Dies hängt u. a. davon ab, welche Art von Reise (Städte-, Wander-, Wellnessurlaub etc.) und welche Aktivitäten angestrebt werden. Nach Amelung und Viner (2006), die optimale Sommerbedingungen (21 °C bis maximal 30 °C) über die Lufttemperatur definieren, würde der Schwarzwald, vor allem oberhalb von 500-600 m als optimale Sommerdestination gelten. Abgesehen davon, dass diese Definition ursprünglich für den Badetourismus konzipiert wurde und somit nicht unmittelbar auf andere Tourismusbereiche übertragen werden kann, kann die Lufttemperatur allein das Wärmeempfinden des Menschen nicht hinreichend beschreiben. Eine eindeutige Definition hinsichtlich der klimatischen Klassifizierung und Quantifizierung des montanen Sommertourismus gibt es nicht. Deswegen verfolgen weiterführende Ansätze auf Grundlage thermischer Indizes, wie z. B. PET, eine adäquate Beschreibung dessen. PET berücksichtigt die komplexen Vorgänge zwischen Mensch und thermischer Umwelt, insbesondere die der Strahlungsflüsse. Da sie auf der Energiebilanz des Menschen beruht und ihr thermo-physiologische Belastungsstufen zugeordnet werden können, gilt dieser thermische Index als wissenschaftlich begründet. Allerdings bietet die Literatur wenig Vergleichsmöglichkeiten, da (i) der Schwarzwald oder allgemein Mittelgebirge bisher kaum aus der Perspektive des Sommertourismus betrachtet wurden und (ii) die Untersuchungen, die es für diese Region gibt, allein nur auf der Lufttemperatur beruhen (z. B. KLIWA 2006). 6.3 Risiken und Chancen für den Sommertourismus 57 Die Ergebnisse der thermischen Bedingungen in dieser Untersuchung deuten an, dass eine Zunahme von Hitzestress und feuchtwarmen Bedingungen begleitet von einer Abnahme thermischen Komforts im Sommer sich auf die tieferen Lagen, den Oberrheingraben sowie auf Städte beschränkt. Solch eine Art von Stress kann allerdings Einfluss auf Freizeitaktivitäten, Erholung und Gesundheit (Herz-Kreislauf) nehmen (Stick und Schade 2008). Der Stress kann in Städten durch den urbanen Wärmeinseleffekt zusätzlich verstärkt werden. Menschen der gemäßigten Breiten reagieren auf „Schwüle“ empfindlicher als beispielsweise Menschen aus tropischen Klimaten (Hentschel 1978). In Städten besteht jedoch die Möglichkeit, durch adäquate Anpassungsmaßnahmen, z. B. höhere Ventilation und schattenspendende Maßnahmen durch Baumpflanzung, solch thermische Belastungssituationen zu reduzieren. Dabei könnten Maßnahmen, die auf eine Veränderung der Strahlungsflüsse abzielen, den größten Erfolg versprechen (Matzarakis und Endler 2010). Günstigere klimatische Bedingungen sind in den höheren Lagen des Schwarzwaldes anzutreffen, die sich zukünftig bis in die Herbstsaison etablieren können. Zusätzlich fungiert der Wald selbst als Schutz vor zu hoher Exposition von UV-Strahlung und Überhitzung, so dass sich ein angenehmes Waldklima ausbildet. Der Wald bietet neben der Erholung und der Reduzierung von Stresshormonen ein anregendes Naturerlebnis (Mitscherlich 1981; Höppe und Mayer 1983; Mayer und Höppe 1984). Das Frühjahr erfährt in der gesamten Schwarzwaldregion eine leichte Abkühlung, die nicht zwingend negativ zu bewerten ist. So kann beispielsweise von Menschen, die aus kälteren Klimaten kommen, eine kühlere Umgebung als angenehm empfunden werden, da in kälteren Klimaten der Komfortbereich niedriger liegt als in wärmeren (Keatinge et al. 2000). Somit hängt die Definition für den Komfort im hohen Maße auch von Herkunft, Fitness, Gesundheitszustand und Alter ab (Besancenot 1990; Scott et al. 2009). Die in dieser Untersuchung herangezogenen Schwellenwerte beziehen sich dabei auf das Empfinden von Mitteleuropäern. Grund hierfür ist, dass zum einen Erkenntnisse darüber vorliegen und zum anderen der Schwarzwald im Wesentlichen von inländischen Gästen und Gästen aus den Nachbarländern (Österreich, Frankreich, Schweiz und den Niederlanden) besucht wird. Wie sich die Touristenströme und -zahlen in Zukunft verändern werden und ob ein Zuwachs aus dem (fernen) Ausland erwartet werden kann, ist ungewiss. Weiterhin können auch aus Mangel an Resultaten aus anderen Untersuchungen kaum Aussagen getroffen werden, ob das Schwarzwaldklima zukünftig für das entsprechende Klientel als angenenehm oder unangenehm empfunden wird. Eine Ausnahme stellt die Untersuchung von Lin und Matzarakis (2008) dar, in der der thermische Komfortwertebereich für tropische Regionen, d. h. PET zwischen 22 °C und 34 °C, angepasst wurde. 58 6.3 Risiken und Chancen für den Sommertourismus Es kann sich allerdings immer noch ein gewisser Prozentsatz in einem vorgebenen Komfortbereich unwohl fühlen; die Kriterien beziehen sich hierbei lediglich auf einen standardisierten Menschen11 . Obschon sich Menschen an ihrem Urlaubsort vergleichsweise kurz – zwischen 2 bis 4 Wochen – aufhalten, spielt besonders in Klimaten, die sich sehr vom Klima am langjährigen Wohnort unterscheiden, die kurzfristige Akklimatisierung eine entscheidende Rolle. Sie setzt nach 3 bis 12 Tagen ein (Koppe 2005), während eine vollständige Akklimatisierung an das bestehende Klima erst nach einigen Jahren erwartet werden kann (Huppelsberg und Walter 2003). Für die kurzfristige Anpassung kann beispielsweise der HeRATEAnsatz (Health related adaptation to the thermal environment) von Koppe und Jendritzky (2005) verwendet werden. Im Allgemeinen ist anzunehmen, dass der Schwarzwald theoretisch für jeden und für jede Aktivität komfortable Bedingungen offenbart, so dass die Menschen die Wahl haben, ihre Reisezeit ihren Wünschen entsprechend anzupassen. Dennoch hängt der Tourismus nicht allein von der klimatischen Saisonalität ab, sondern auch von institutionellen Faktoren wie z. B. Ferien oder Tradition (Butler 1994), die in der Planung berücksichtigt werden müssen. Diejenigen, die nicht in der Hauptsaison reisen können, haben die Möglichkeit auf die Übergangsjahreszeiten auszuweichen, wobei der Herbst komfortabler sein wird als der Frühling. Der Trend, sowohl Nebensaison als auch die Sommersaison intensiver in die Reiseplanung zu integrieren, ist gegenwärtig, was sich auch in den Übernachtungszahlen widerspiegelt. Zukünftig könnte sich dieser Trend aufgrund der allgemeinen komfortableren Bedingungen – besonders im Herbst – verstärken. Die Tendenz, dass die Nebensaison mehr Niederschlag erfahren wird, muss hierbei keinen signifikanten Einfluss auf die ästhetische Wahrnehmung, Attraktivität und letztendlich auf die Reiseentscheidung haben. 11 männlich, 35 Jahre, 1,75 m, 75 kg, Aktivität = 80 W, Bekleidungswiderstand = 0,9 clo entspricht einem Geschäftsanzug (1 clo = 0,155 K m2 W−1 und definiert die Menge an Bekleidung, die eine ruhende Person benötigt, um sich bei einer Raumtemperatur von 21 °C wohl zu fühlen, nach Fanger 1972), stehend 7 Schlussfolgerungen und Ausblick Die Analyse der klimatischen Veränderungen aus einer tourismusabhängigen Perspektive und auf Grundlage regionaler Klimasimulationen lässt eine ungefähre Abschätzung zu, welches Klima 2050 im Schwarzwald erwartet werden kann. Da im komplexen Gelände mikro- und mesoskalige Prozesse eine zusätzliche Rolle spielen, die das Lokalklima erheblich beeinflussen können, und Regionalmodelle trotz ihrer hohen Auflösung jene Prozesse noch nicht adäquat wiedergeben können, sind die resultierenden Aussagen mit Unsicherheiten behaftet. Unsicherheiten gehen nicht nur auf die Modellphysik und die implementierte Parametrisierung zurück, sondern auch auf die zukünftige demografische, technologische und wirtschaftliche Entwicklung. Bis 2040 weisen jedoch diese Entwicklungen, die in den entsprechenden Emissionsszenarien berücksichtigt werden, eine geringere Schwankungsbreite verglichen bis 2100 auf. Somit können aus Modellergebnissen bis 2050 verlässlichere Rückschlüsse gezogen werden. Eine Reduzierung der Unsicherheiten und ein höheres Maß an belastbaren Aussagen kann mit Verwendung von Ensembles erreicht werden (van der Linden und Mitschell 2009), die im Rahmen dieser Untersuchung im Ansatz verfolgt werden konnte. Des Weiteren muss bewusst sein, dass die jeweiligen Szenarien nur jeweils eine Möglichkeit des zukünftigen Klimas darstellen (Projektion) und gleich wahrscheinlich eintreten können. In welche Richtung sich das Klima zukünftig ändern wird, hängt somit u. a. auch davon ab, wie sich die Bevölkerung in Zukunft verhalten wird und ob Mitigations- und Adaptationsmaßnahmen zum Einsatz kommen (BMU 2009; Bartels et al. 2009; Matzarakis et al. 2009; Mahammadzadeh et al. 2009). Allerdings wird immer ein Grad an Unsicherheit bestehen bleiben, vor allem bei der Abschätzung von Extremen, denen gerade in der Planung und Anpassung eine hohe Aufmerksamkeit beigemessen wird. Statistische Aussagen über gegenwärtige Trends von Extremen sind ebenfalls schwierig zu treffen, da sie bisher selten aufgetreten sind (Walkenhorst und Stock 2009). Somit ist es notwendig, zu lernen, mit diesen Unsicherheiten umzugehen und diese richtig zu kommunizieren. Auch wenn Klimamodelle noch keine absolut zuverlässigen Aussagen liefern können wie es die Praxis erwartet, besteht immerhin schon eine Methode, wie das Klima für den Tourismus 59 60 7 Schlussfolgerungen und Ausblick quantifiziert werden kann. In diesem Kontext finden nicht nur Lufttemperatur und Niederschlag, die einer Vielzahl von Untersuchungen zugrunde liegen, Berücksichtigung. So greift die verwendete Methode zusätzlich für Tourismus und Erholung wichtige Parameter auf, die den drei Klimafacetten ästhetisch, physikalisch und thermisch zugeschrieben werden können (de Freitas 2003). In diesem Kontext wird die thermischen Facette durch die Physiologisch Äquivalente Temperatur repräsentiert. Der Vorteil von PET ist, dass sie (i) wissenschaftlich begründet ist und (ii) adäquat und verständlich in den Bereichen der Anwendung und Planung eingesetzt werden kann. Ein weiteres wesentliches Ziel so genannter Impact Studies, zu denen sich diese Untersuchung zuordnen lässt, ist die Sensibilisierung und Bewusstseinssteigerung gegenüber eines sich wandelnden Klimas und dessen Auswirkungen. Nur so können Chancen genutzt, Risiken gemindert und (Anpassungs-)Maßnahmen entwickelt werden. Da das Klima sowohl die Saisonlänge und -qualität als auch die menschliche Aktivität in einer Tourismusdestination definiert und beeinflusst, wird ein sich wandelndes Klima nicht unbemerkt ablaufen. Infolge dessen wird die Destination Schwarzwald zukünftig für den Wintertourismus eine höhere Gefährdung darstellen – nur noch höhere Lagen werden bis 2050 für den Wintersport geeignet sein und somit ist eine Anpassung unerlässlich. Künstliche Beschneiung, schneeunabhängige Natursportarten wie Nordic Walking oder Winterwandern wurden genauso wie Wellness- und so genannte Gesundheitsurlaubsangebote in den letzten Jahren als Anpassungsstrategie für schneearme Winter entwickelt und angeboten. Auf lange Sicht gesehen wird der Einsatz von künstlicher Beschneiung auch in höheren Wintersportgebieten nicht mehr rentabel sein. Diversifizierung des Angebots und Konzentration auf einen Ganzjahrestourismus – durch Verringerung der Saisonalität – sind zwei Möglichkeiten der Anpassung. Allerdings sollte das Potenzial nicht überschätzt werden. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Wintersport vollkommen ersetzt werden kann. Wenn sich der Schwarzwald für den Wintersport nicht mehr eignen sollte, werden wahrscheinlich die nahe gelegenen Gebirgsregionen besucht werden (OECD 2007; Matzarakis und Tinz 2008; Bartels et al. 2009; Matzarakis et al. 2009). Somit könnte sich die Tourismusbranche im Schwarzwald auf lange Sicht damit konfrontiert sehen, sich mehr auf den Sommertourismus konzentrieren zu müssen, der bereits in den letzten Jahren stetig an Bedeutung gewann. Der Sommertourismus könnte weiterhin profitieren, zumal die Saison sich verlängern und die Übergangsjahreszeiten – klimatisch betrachtet – komfortabler werden, vor allem die Herbstsaison und die höheren Lagen. So 7 Schlussfolgerungen und Ausblick 61 ist für das menschliche Wohlbefinden und die Aktivität die geografische Lage entscheidend. Je höher ein Gebiet liegt, desto geringer sind thermische Belastungen wie z. B. Hitzestress und feuchtwarme Bedingungen. Die südlicheren Länder, z. B. die Mittelmeerstaaten, werden sich verglichen zu Ländern der nördlichen Breiten im Sommer mit zunehmender Hitze und thermischen Belastungen konfrontiert sehen (z. B. Matzarakis 2006; Blazejczyk 2007; Amelung und Viner 2007; Matzarakis et al. 2007d). Ob sich somit Touristenströme vom Mittelmeer in den Schwarzwald verlagern werden, kann nicht mit Gewissheit gesagt werden. Ob eine Destination das Potenzial zur führenden Marktposition hat, hängt nicht allein vom Klima ab, auch wenn es einer der entscheidenen Faktoren in der Reiseentscheidung ist (Abegg 1996; Amelung und Viner 2006), sondern auch von Produktattraktivität, Nachfragepotenzial und Vermarktungsmöglichkeiten. Die hohe Nachfrage an Naturraum von Seiten des Tourismus, vor allem an die höher gelegenen Regionen, die zumeist in Schutzgebieten liegen – z. B. Vogel- und Naturschutzgebiete, Flora-Fauna-Habitat-Gebiete –, können neue oder bestehende Konflikte mit anderen Interessensvertretern (z. B. Naturschutz) hervorrufen bzw. intensivieren (Roth et al. 2005). In jüngster Zeit ist der Trend im Tourismus der Qualitäts- und Gesundheitstourismus (BMWi 2008). Dieser könnte im Schwarzwald eine bedeutende Rolle einnehmen, zumal er aufgrund seiner hohen Bewaldung und hohen Luftqualität einen ausgeprägten Erholungswert bietet. Insbesondere trägt er zur Reduzierung von UV-Strahlung und thermischer Belastung bei, die vor allem für die für den Schwarzwald immer wichtiger werdende Generation 50+ von Bedeutung ist. Zielgruppenorientierte Anpassung ist hierbei von Vorteil, mit stärkerem Bezug auf die immer älter werdende Gesellschaft. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwiefern Kurorte und Heilbäder, die im Schwarzwald eine lange Tradition pflegen, ihren Stellenwert weiterhin verteidigen können. Dies hängt u. a. davon ab, ob die klimatischen und biometeorologischen Richtlinien (DHV 2005), die erfüllt werden müssen, um als Kurort oder Heilbad fungieren zu können, in Zukunft gelten und eingehalten werden können oder ob infolge langjähriger Akklimatisierungseffekte jene Richtlinien einer Veränderung unterzogen werden sollten. Dieser Fragestellung sollte gesondert nachgegangen werden. Neben dem Klima ist die Natur das zweite Standbein des Tourismus. Möglicherweise könnten die indirekten Folgen des Klimawandels, die in diesem Kontext nicht vernachlässigt werden können, das touristische Potenzial maßgeblich beeinträchtigen. Obwohl zahlreiche Biodiversitätsstudien in den letzten Jahren entstanden (z. B. Green et al. 2003; Watt 62 7 Schlussfolgerungen und Ausblick et al. 2006; EEA 2008; Lozán et al. 2008), sind die Aussagen über Veränderungen doch eher vage und allgemein. Weder ihre Dimension noch ihre regionale bzw. lokale Ausdehnung können derzeit abgeschätzt werden. Inwiefern Natur und Landschaft im Schwarzwald eine Veränderung durch den Klimawandel erfahren und somit auf die Attraktivität einer Destination Einfluss nehmen, bleibt demnach noch unbeantwortet. Auch der ländliche Tourismus, zu dem beispielsweise der Urlaub auf dem Bauernhof oder auf dem Land zählt, weist ein erhebliches Marktpotenzial auf (BMWi 2008) und kann durch zielgruppenorientierte Angebote und entsprechendes Marketing für den Schwarzwald förderlich sein und in Zukunft einen Mehrwert darstellen. Ziel dieser Untersuchung war es, das zukünftige Klima für die Tourismusbranche in Mittelgebirgen zu analysieren und zu quantifizieren. Zudem soll sie als Auftakt für weitere Untersuchungen dienen, um das Defizit an Vergleichsstudien – insbesondere den Sommertourismus betreffend – zu reduzieren. Darüber hinaus bot sie Einblick in die Güte zweier regionaler Klimamodelle. Abschließend ist zu erwähnen, dass Adaptation an den Klimawandel vorwiegend auf lokaler und regionaler Ebene stattfindet. Um dem Klimawandel entgegenzutreten, darf die Mitigation nicht vernachlässigt werden, die allerdings auf globaler Ebene die dominierendere Rolle einnimmt und demzufolge in dieser Untersuchung keine Berücksichtigung fand. Literatur Abegg, B. (1996). Klimaänderung und Tourismus. Schlussbericht NFP 31. vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich. Ali-Toudert, F. und H. Mayer (2007). „Thermal comfort in an east-west oriented street canyon in Freiburg (Germany) under hot summer conditions“. Theor. Appl. Climatol. 87, S. 223–237. Amelung, B. (2006). Global (Environmental) Change and Tourism. Issues of scale and distribution. Amelung Publisher. Amelung, B. und D. Viner (2006). „Mediterranean tourism: exploring the future with the Tourism Climate Index“. J. Sustain. Tourism 14, S. 349–366. – (2007). „The vulnerability to climate change of the Mediterranean as a tourist destination“. In: Climate Change and Tourism - Assessment and Coping Strategies. Hrsg. von B. Amelung, K. Blazejczyk und A. 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