Band 1 - Narayana Verlag

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Matthijs O. / Paridon-Edauw / Winkel D.
Manuelle Therapie der peripheren Gelenke - Band 1
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Manuelle Therapie der peripheren Gelenke - Band 1
of Matthijs O. / Paridon-Edauw / Winkel D.
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3.1 Funktionelle Anatomie
3.1
Funktionelle Anatomie
Einleitung
Anatomisch besteht die Schulter aus dem Glenohumeralgelenk mit den umgebenden Weichteilstrukturen. Für eine störungsfreie Schulterfunktion ist jedoch
ein optimales Zusammenspiel mit einigen anderen Knochenverbindungen notwendig. Obwohl es durch die Schultermuskulatur auch separat bewegt werden
kann, stellt das Gelenk ein Glied mehrerer kinematischer Bewegungsketten dar
bzw. ist an ihnen beteiligt. Das betrifft vielfältige Funktionen, wie das Tragen,
Werfen und Auffangen von Gegenständen sowie die Bedienung unterschiedlichster Maschinen (Van der Helm, 1994).
Einerseits gehört das Glenohumeralgelenk zur kinematischen Kette des
Schultergürtels, der unentbehrlich für das reibungslose Funktionieren anderer
kinematischer Ketten der oberen Extremität ist. Im engeren anatomischen
Sinne zählen auch das Sternoklavikulargelenk, das Akromioklavikulargelenk
und das Gleitlager zwischen Skapula und Thoraxrückwand zur geschlossenen
Bewegungskette des Schultergürtels. Indirekt am Schultergürtel beteiligt sind
der Übergang von der Hals- zur Brustwirbelsäule (C7/Thl), die Brustwirbelsäule bis Th6 (Th8) und die Rippen, wobei der homolateralen Rippenserie
jeweils die größere Bedeutung zukommt. Im Gegensatz zu vielen - meist von
Ingenieuren entwickelten - biomechanischen Modellen ist der Rumpf keine
unbewegliche, starre Struktur, sondern spielt innerhalb der genannten Bewegungsketten eine wichtige Rolle.
Andererseits gehört das Glenohumeralgelenk zur Bewegungskette der oberen Extremität - und damit indirekt auch der Schultergürtel mit Sternoklavikular- und Akromioklavikulargelenk sowie dem Gleitlager zwischen Skapula
und Thoraxrückwand. Somit können Störungen im Schulterbereich nicht nur
lokale Ursachen haben, sondern auch durch Dysfunktionen der proximalen
oder distalen Bewegungskette des Arms hervorgerufen werden. Eine Behinderung der Ellbogenstreckung (Bewegung der Ulna um die X-Achse) oder der
Pronation (Bewegung des Radius um die Z-Achse) kann beispielsweise zu einer
kompensatorischen Innenrotation des Humerus führen (Bewegung des Humerus um die Z-Achse), die ihrerseits Beschwerden im Schulterbereich auslöst.
3.1.1
Das Sternoklavikulargelenk
Das Sternoklavikulargelenk ist das einzige Synovialgelenk zwischen der oberen
Extremität und dem Rumpf (Moore, 1980; Perry, 1978). Es stellt eine Verbindung zwischen zwei starren Gliedern der geschlossenen Bewegungskette des
Schultergürtels her, nämlich zwischen der Klavikula und dem Rumpf.
Gelenkflächen
In der Ruhestellung artikuliert die Klavikula nur zu 50% mit dem Sternum
(DePalma, 1983). Ihre klavikuläre Gelenkfläche ist sowohl in kraniokaudaler
als auch in dorsoventraler Richtung größer als die sternale Gelenkfläche (Hollinshead, 1967, 1982) und hat auch eine dickere Knorpelschicht. In kraniokaudaler Richtung ist sie konvex und in dorsoventraler Richtung leicht konkav
gekrümmt.
Die sternale Gelenkfläche weist eine dazu einigermaßen komplementäre
Kurvatur auf, doch die beiden Gelenkflächen sind nicht kongruent (Gray et al.,
1989).
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Leseprobe von Matthijs, van Paridon-Edauw und Winkel „Manuelle Therapie der peripheren Gelenke 1“
Herausgeber: Elsevier Urban & Fischer
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Sie wird in den meisten Anatomiebüchern eher als sattelförmig beschrieben
und hat kraniokaudal größere Abmessungen als dorsoventral. Zweifellos
besteht in der Frontalebene eine Konvexität der Klavikula und Konkavität des
Sternums. In der Transversalebene gibt es aber keine 100% Übereinstimmung;
Bei Dempster (1965) sind sowohl Sternum wie auch Klavikula als konvexe
Strukturen abgebildet (bikonvexe Klavikula). Gray (1989) erwähnt, dass sich
zur Artikulation mit der Klavikula zwei Fossae (Gruben) auf dem Sternum
befinden (bikonkaves Sternum). Die fast immer anwesende Gelenkscheibe
kann solche Formvarianten allerdings ausgleichen.
Die Gelenkfläche befindet sich in der Frontalebene, lotrecht zur ruhenden
Klavikula. In der Parasagittalebene ist sie geneigt und parallel zur ebenfalls
geneigten sternalen Gelenkfläche.
Nach DePalma (1983) kann die Neigung in der Frontalebene von 5 bis 20°
variieren. An der klavikulären Seite befindet sich noch eine kleine Facette, die
mit der ersten Rippe artikuliert.
Discus articularis
In 97% der Sternoklavikulargelenke gibt es eine Scheibe, die verschiedene
Funktionen erfüllt (Jobe, 1990). Sie gleicht Inkongruenzen aus (Hurley, 1990),
dämpft die Kompressionsbelastung (DePalma, 1959), kontrolliert die mediale
Bewegung der Klavikula (Rockwood, 1990) und absorbiert auf die Schulter einwirkende Kräfte, die über die Klavikula das Sternum erreichen. Wäre keine
Gelenkscheibe vorhanden, würde die Klavikula durch solche Kräfte häufiger in
medialer Richtung verschoben (Peat & Culham, 1994).
Die Scheibe teilt das Gelenk in zwei Kammern (Fautrez, 1967). Oben steht sie
über das Verbindungsband zwischen beiden Schlüsselbeinen mit der Klavikula
in Verbindung (Jobe, 1990). Unten ist sie mit dem Gelenkknorpel der ersten
Rippe verwachsen (Bearn, 1967; DePalma, 1957, 1963).
Die meiste Bewegung zwischen Klavikula und Gelenkscheibe findet bei Elevation und Depression des Schultergürtels (Hollinshead, 1982), die meiste
Bewegung zwischen Sternum und Gelenkscheibe bei Protraktion und Retraktion statt (Dempster, 1965; Jobe, 1990).
Der Discus articularis ist flach (Gray et al., 1989), unregelmäßig hoch und
breit; seine beiden Oberflächen entsprechen der Form der anliegenden Gelenkflächen (Fautrez, 1967). Im kranialen Bereich ist er dicker als kaudal, wo er mit
dem Knorpel der ersten Rippe verschmilzt (Bearn, 1967). Moseley (1968)
beschreibt kranial eine Verbindung mit dem medialen Ende der Klavikula.
Wie bereits erwähnt, haben die Gelenkoberflächen eine Sattelform, die
jedoch einigen Studien zufolge sehr geringfügig ist. Danach wären beide
Gelenkflächen eher flach, wobei die Klavikula in der Frontalebene leicht konvex und in der Transversalebene leicht konkav aussieht (Jobe, 1990).
Da die Gelenkscheibe während Elevation und Depression der Schulter als
Teil des Sternums fungiert, trifft die in der Frontalebene konvexe Klavikula auf
einen konkaven Discus articularis. Und da die Scheibe während Protraktion
und Retraktion der Schulter entsprechend als Teil der Klavikula fungiert, treffen in der Transversalebene eine konkave Scheibe und ein eher konvexes Sternum aufeinander.
Kapsel und Ligamente
Die Stabilität des Gelenks wird weniger durch die Knochen als vielmehr durch
die Kapsel und die umgebenden Ligamente gewährleistet (Jobe, 1990).
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3.1 Funktionelle Anatomie
Die Kapsel
Die Kapsel des Sternoklavikulargelenks ist nicht besonders straff (Drukker &
Jansen, 1975). Eine Studie von Bearn (1967) legt die Vermutung nahe, dass bei
maximaler Schulterdepression die Stellung der Klavikula eher durch die Kapsel
als durch die Muskelspannung der absteigenden Mm. trapezii stabilisiert wird.
Auch bei Entfernung der übrigen Unterstützungsstrukturen, wie des Kostoklavikular- und Interklavikularligaments oder des Discus articularis, verstärkte sich die Depression nicht weiter. Somit scheint die Gelenkkapsel der
wichtigste Garant für die Ruhestellung der Klavikula zu sein. Eine häufig zu
tastende Spannungszunahme im Interklavikularligament während Depression
beruhte dann auf einer Spannungsübertragung aus der Gelenkkapsel, die ja
eng mit dem Ligament verbunden ist.
Ligamentum interclaviculare
Nach Dempster (1965) besteht das Interklavikularligament aus zwei Teilen,
dem Hauptstrang und einem kleineren Strang, dessen Fasern vorn am Manubrium sterni inserieren. Der Hauptstrang bedeckt außerdem den hinteren oberen Kapselanteil.
Kranial zieht das Interklavikularligament, das die medialen Enden der beiden Schlüsselbeine verbindet, über das Manubrium sterni hinweg. Man kann
das Band auch als die Verbindung der beiden sternoklavikularen Gelenkkapseln betrachten (Bearn, 1967). Bei 22% der Menschen fehlt es. Bei Schulterdepression spannt es sich an, und bei Elevationen entspannt es sich (Rockwood,
1984). Eine mediane Durchtrennung des Bandes führte nicht zu einer
Zunahme der Schulterdepression.
Ligamenta sternoclavicularia anterius et posterius
Diese Bandstrukturen an der Vorder- und Rückseite des Sternoklavikulargelenks sind die wichtigsten Ligamente.
Ihre Fasern sind schräg von kraniolateral nach kaudomedial ausgerichtet
(Peat & Culham, 1994). Die meisten Autoren (Watson-Jones, 1955) halten das
hintere Ligament für wichtiger, doch die Meinungen hierüber sind geteilt. Nach
Angaben von Bearn (1967) ist das hintere Band dicker als das vordere. Der hintere obere Kapselanteil ist der wichtigste Stabilisator bei Klavikuladepression,
da die beiden Bänder in dem Fall gemeinsam die Rotation der Klavikula um
die Längsachse verringern.
Auch über die genaue Stelle der ligamentären Spannungszunahme während
Protraktion und Retraktion sind die Meinungen geteilt. Bearn (1967) und
Dempster (1965) lokalisierten sie im hinteren Kapselanteil während Protraktion. Cave (1961) berichtete Gegenteiliges. Aus heutiger Sicht ist nicht mehr
nachzuvollziehen, wie die Untersucher zu ihren Befunden kamen.
Cave (1961) schrieb den Kostoklavikularligamenten nicht nur eine Hebelfunktion bei Elevation und Depression, sondern auch bei Protraktion und
Retraktion der Klavikula zu. Außerdem gab er an, dass die vorderen und hinteren Kapselfasern sowohl bei dorsalen wie bei ventralen Drehbewegungen der
Klavikula unter Spannung geraten.
Bearn (1967) beschrieb eine Protraktion der Klavikula während Depression,
wobei sich ihr sternales Ende gleichzeitig kranial- und dorsalwärts bewegt.
Zusammenfassung von Bearns Befunden hinsichtlich der Rolle der
kapsulären Ligamente
Die vorderen Fasern verhindern eine übermäßige Verschiebung der Klavikula
nach kranial, während der hintere Kapselanteil ihre Rotation in kaudaler
Richtung hemmt. Werden das Interklavikular-, das Kostoklavikularligament
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3 Schultergürtel
oder die Gelenkscheibe entfernt, hat das keinen Einfluss auf das Ausmaß der
Verschiebung nach ventral. Bei Lösung des Kapselligaments verschiebt sich das
laterale Ende der Klavikula nach kaudal. Die Kaudalverschiebung des medialen
Klavikulaendes wird durch den Kontakt der Gelenkflächen sowie durch die
Spannung des Interklavikularligaments und der hinteren Gelenkkapsel gesteuert. Der gesamte Rippen-Schlüsselbein-Komplex kontrolliert das Ausmaß kranialer Verschiebungen, während die beiden Kapselligamente sowie der hintere
Anteil des Interklavikularligaments über Ventralverschiebungen der Klavikula
bestimmen.
Ligamentum costoclaviculare
An der Unterseite des Gelenks verbindet das Ligamentum costoclaviculare die
Klavikula mit der ersten Rippe. Cave (1961) gibt für das Band eine Durchschnittslänge von 1,3 cm, eine Durchschnittsbreite von 1,9 cm und eine Durchschnittsdicke von 1,3 cm an. Seine vordere (Ligamentum costoclaviculare anterius) und hintere Schicht (Ligamentum costoclaviculare posterius) haben
jeweils unterschiedliche Funktionen (Jobe, 1990).
Das Band hat die Form eines auf dem Kopf stehenden Kegels mit flacher Vorder- und Rückseite. Sowohl Cave (1961) als auch Bearn (1967) und DePalma
(1963) fanden zwischen den beiden Bandanteilen einen Schleimbeutel.
Im Allgemeinen haben Schleimbeutel die Aufgabe, Reibungskräfte bei Bewegungen zu reduzieren (Drukker & Jansen, 1975). Das Vorhandensein eines
Schleimbeutels bedeutet demnach, dass zwischen den beiden Schichten des
Kostoklavikularligaments sehr wahrscheinlich Bewegungen stattfinden. Bearn
(1967) bestätigt dies und widerspricht Caves Auffassung (1961), dass für die
Aufwärtsbewegung des sternalen Klavikulaendes bei Depression eine Kompression des Ligaments verantwortlich sei und die Bursa eine Kissenfunktion
erfülle. Er bestätigt zwar, dass eine Kompression stattfindet, siedelt sie aber
eher medial des Ligaments, zwischen dem unteren Schlüsselbeinanteil und
dem ersten Rippenknorpel, an.
Die Fasern im vorderen Ligament verlaufen in kraniolateraler Richtung,
wobei die medialen Fasern fast vertikal orientiert sind. Die kürzeren hinteren
Fasern entspringen lateral der vorderen Fasern und verlaufen in kraniomedialer Richtung (Rockwood, 1990). Da die seitlichen vorderen Fasern in Höhe der
klavikulären Anheftung mit den hinteren Fasern verschmelzen, entsteht aus
seitlicher Perspektive der Eindruck einer gedrehten Struktur (Cave, 1961).
Medial verschmilzt das Ligament mit der Gelenkkapsel. Lateral bilden seine
beiden Schichten eine einzige Struktur.
Zwischen Klavikula und erster Rippe fand Cave (1961) in vier von 159 Präparaten eine Diarthrose. Bearn (1967) fand in einer eigenen Studie eine Diarthrose
bei einem von fünf Gelenken. Er weist darauf hin, dass die Klavikula-Elevation
zwar vorwiegend durch das Kostoklavikularligament gehemmt wird, jedoch
nach Entfernung des Ligaments kaum zunimmt. Infolge einer elevationsbedingten Spannungszunahme im Ligament soll es zu einer Gleitbewegung des sternalen Klavikulaendes nach kaudal kommen, womit das Ligament eine Hebelfunktion erfüllt. Schlussendlich hemmt der kraniale Kapselanteil die Bewegung.
Auch das Ligamentum costoclaviculare gerät während Protraktion und
Retraktion unter Spannung, und zwar die vordere Schicht bei Protraktion und
die hintere Schicht bei Retraktion. Nach Entfernung des Ligaments fand Bearn
(1967) während Protraktion und Retraktion eine geringfügige Zunahme des
Bewegungsausmaßes, wobei entweder im hinteren oder im vorderen Sternoklavikularligament jeweils eine Spannungszunahme festzustellen war. Cave
(1961) berichtet über eine gleichzeitige Spannungszunahme im vorderen Kapselanteil und in der hinteren Schicht des Kostoklavikularligaments während
Protraktion und das Umgekehrte bei Retraktion.
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Matthijs O. / Paridon-Edauw / Winkel D.
Manuelle Therapie der peripheren
Gelenke - Band 1
Biomechanik, Bindegewebe,
Schultergürtel
294 pages, hb
publication 2003
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