Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Medizinische Weiterbildung für Ärzte, Pflegekräfte und Physiotherapeuten Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Inhalt - Definition und Ablauf des Sturzes - Sturzursachen - Sturzfolgen - Sturzhäufigkeit - Handhabung von Sturzgefährdungen - Sturzprophylaxe - Hüftprotektoren Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Einige Fakten zu Beginn • Unfallfolgen gehören zu den häufigsten Todesursachen. • Bei der Mehrzahl aller Unfälle handelt es sich um Stürze. • Jedes Jahr erleiden rund 100.000 Menschen in Deutschland eine Fraktur des Hüftgelenks. Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Definition: Was ist ein Sturz? • „Ein Sturz ist jedes Ereignis, in dessen Folge eine Person unbeabsichtigt auf dem Boden oder auf einer tieferen Ebene zum Liegen oder zum Sitzen kommt.“ Quelle: Kellog International Work Group on the Prevention of Falls by the Elderly (1987) Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Ablauf eines Sturzes Übersicht • Ein Sturz unterteilt sich in mehrere Phasen Grafiken nach Lars Dohrmann, www.moviliti-care.de Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Ablauf eines Sturzes • Bewegungsstörung verursacht Schwerpunktverlagerung (z. B. Stolpern, Schwäche etc.) Grafiken nach Lars Dohrmann, www.moviliti-care.de Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Ablauf eines Sturzes • Oberkörper und Arme versuchen das Gleichgewicht wiederherzustellen Grafiken nach Lars Dohrmann, www.moviliti-care.de Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Ablauf eines Sturzes • Arme werden in Schutzhaltung nach vorn bewegt Grafiken nach Lars Dohrmann, www.moviliti-care.de Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Ablauf eines Sturzes • Kipp-Punkt ist überschritten, der Sturz unausweichlich Grafiken nach Lars Dohrmann, www.moviliti-care.de Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Ablauf eines Sturzes • Durch die Schrittstellung erfolgt oft eine Seitrotation des Körpers Grafiken nach Lars Dohrmann, www.moviliti-care.de Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Ablauf eines Sturzes • Aufprall erfolgt häufig auf Hüfte, Schulter oder Hände/Arme Grafiken nach Lars Dohrmann, www.moviliti-care.de Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Sturzursachen Einteilung STURZ synkopal ca. 10% lokomotorisch ca. 90% (durch Bewusstseinsverlust) (bewegungsbezogen) intrinsisch ca. 80% extrinsisch ca. 10% (von innen) (von außen) Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Innere (intrinsische) Risikofaktoren • Körperliche Faktoren - Erkrankungen - Einschränkungen und Behinderungen • Psychische Faktoren - Angst - Unsicherheit - Selbstüberschätzung und Selbstüberforderung • Iatrogene Faktoren - psychotrope Medikation (z. B. Antidepressiva, Neuroleptika) - Multimedikation (mehr als 4 Medikamente) Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Innere (intrinsische) Risikofaktoren Beispiele • • • • • • • • • • zunehmendes Alter positive Sturzanamnese funktionelle Einschränkungen im täglichen Leben Gang- und Gleichgewichtsstörungen Gliedmaßenamputation Paresen (Gliedmaßenlähmungen) Parkinsonsyndrom visuelle Einschränkungen (Sehstörungen) persistierende neurologische Defizite (z. B. nach Schlaganfall) Deformierungen an der unteren Extremität • • • • • • • • Blutzuckerschwankungen, Unterzuckerung Blutdruck-Schwankungen Muskelatrophie Kachexie Demenz Schwindel (akut/chronisch) Depression Alkohol- oder Drogenabusus Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Äußere (extrinsische) Risikofaktoren Jeder Lebensbereich kann kausal für einen Sturz werden: • Situative Gegebenheiten: - Fremde Umgebung - Ungeeignetes Schuhwerk - Ungeeignete Sitzgelegenheit - Umlagerung • Bauliche Gegebenheiten: - Verstellte Laufwege - Schlechte Beleuchtung - Bodenbelag und Stolperschwellen - Treppen Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Sturzursachen multifaktorielles Ursachenbild • meistens multifaktoriell bedingt und nicht monokausal die Folge einer Krankheit oder eines Funktionsdefizites • meistens Interaktion verschiedener Einzeldefizite der Körperhaltung und/oder der Bewegung im Zusammenhang mit äußeren Bedingungen (bei über 70-Jährigen durchschnittlich 7,6 Risikofaktoren) • fehlende Selbsteinschätzung, Hang zum Risiko und Nichtbeachtung der physiologischen Veränderungen die meisten Stürze ereignen sich aus der Bewegung heraus Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Sturzursachen zunehmendes Lebensalter Veränderungen beim Älterwerden (v. a. ab 60. Lebensjahr) • Reduktion physischer und psychischer Leistungen • Verlust von Muskelmasse und folglich der Kraft (besonders: für Mobilität besonders wichtige, schnell kontrahierende Muskelfasern) • Eingeschränktes sensomotorisches System („Körpergefühl“) Folge: Reduzierung der Gangsicherheit, die Sturzgefahr steigt Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Sturzursachen Bedeutung der Bewegung • nachlassende Bewegungsfreude und zunehmende Bewegungsarmut unterstützen die Risiken • Förderung durch bewegungshemmende Umgebungen, z. B.: – Treppen oft zu eng, zu steil oder unauffindbar (Fahrstuhl) – Sessel und Stühle oft mit zu tiefem Neigungswinkel nach hinten, womit das Aufstehen zur Schwerarbeit wird und man lieber sitzen bleibt („gemütlich“) – Wohnungen oder einzelne Zimmer sind häufig zu eng – Freizeitbeschäftigung beschränkt sich häufig auf Essen, Trinken, Fernsehen Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Sturzursachen Besondere Gefährdung von Heimbewohnern • erhöhtes Sturzrisiko aufgrund von Multimorbidität • noch nicht mit der neuen Umwelt vertraut (gerade in den ersten Monaten) Folgen: • viele Stürze in den ersten Monaten • mehr als 50% der Heimbewohner stürzen 1 x jährlich • 60 - 70% der Gestürzten stürzen in den nächsten 12 Monaten erneut Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Sturzursachen Kausaler Zusammenhang: Sturz und Angst Sturz Auswirkung auf Gleichgewichtskontrolle und Gleichgewichtserhaltung Auswirkung auf kognitiver und verhaltensbezogener Ebene Angst Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Sturzfolgen Fakten • ca. jeder 100. Sturz führt zu einer hüftgelenksnahen Fraktur • Mortalitätsrate (Sterberate) bei Oberschenkelhals-Frakturen: - im Folgejahr bei 25% - Anstieg der Invaliditätsstufe bis zu 30% • perioperative Letalität von hüftnahen Frakturen über 10% • Gehfähigkeit ohne Hilfsmittel vor/nach sturzbedingter Fraktur: - vorher: ca. 75% der Betroffenen - danach: ca. 15% der Betroffenen Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Sturzfolgen Häufige Verletzungen Unfall-/Sturzfolgen sind eine häufige Todesursache Wirbelkörperbrüche: ca. 150.000/Jahr Oberarmkopfbrüche: ca. 30.000/Jahr Oberschenkelhalsbrüche: ca. 120.000/Jahr Handgelenksbrüche: ca. 80.000/Jahr Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Faktor Angst Kaskade der Angst und die Konsequenzen Angst zu stürzen Vermeiden von Aktivitäten Verminderung physischer Kapazitäten Weitere Reduzierung von Aktivitäten, zunehmende Angst Weiterer funktioneller Abbau der physischen Kapazitäten Drohender Verlust der Selbstständigkeit Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Faktor Angst Kaskade der Angst und die Konsequenzen Die Angst zu Stürzen löst eine Kaskade von Mechanismen aus, die das Sturzrisiko erhöhen: • • • • • Betroffene reduzieren ihre Aktivitäten Vermeidung von Orten mit vielen Menschen und Bewegung dadurch Abbau der körperlichen Fähigkeiten dadurch Verstärkung der Angstgefühle funktioneller Fähigkeiten verkümmern es droht der Verlust der Selbstständigkeit Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Sturzfolgen Angst als Sturzfolge („Kreislauf der Angst“) • Angst als weitreichende Folgeerscheinung • Wechselwirkung zwischen Sturz und Angst (siehe „Angst als Sturzursache“) • Post-Fall-Syndrom: Bei Menschen mit Sturzhistorie steigt die Angst vor Stürzen bis zu 92% Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Sturzfolgen Angst als Sturzfolge („Kreislauf der Angst“) also: • Stürze, Frakturen und Verletzungen haben psychische Folgen: - Angst - Unsicherheit - Immobilität - Unselbstständigkeit • daraus folgend: weiter zunehmende physische und psychische Schwäche Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Sturzhäufigkeit • ca. 5.000.000 Stürze im Jahr (10% führen zu erheblichen Verletzungen) • Frauen stürzen häufiger • Heimbewohner stürzen etwa doppelt so oft wie zuhause lebende Menschen Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Sturzhäufigkeit nach Altersgruppen • Die Sturzhäufigkeit nimmt mit zunehmendem Alter stark zu Sturzhäufigkeit: Sturzhäufigkeit: Sturzhäufigkeit: über 50% 40 – 50% ca. 30% Über 65 Jahre Über 80 Jahre Über 90 Jahre Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Kosten von Stürzen • Die Kosten zur Behandlung der Sturzfolgen betragen ca. 500 Mill. €/Jahr • in den USA wird von 20 Billionen Dollar/Jahr ausgegangen Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Handhabung von Sturzgefährdungen Diagnostische Erkenntnisse Analyse Präventive Interventionsmöglichkeiten/ - Gefährdung - potenzielle Gefahren Prophylaxe - eingetretener Sturz Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Handhabung von Sturzgefährdungen • Erfassung einer Sturzgefährdung • Erfassung von möglichen Sturzursachen • Erfassung von Sturzursachen nach einem Sturz Ziel: Ausschaltung der Risiken & Sturzvorbeugung Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Handhabung von Sturzgefährdungen Diagnostik • eine Analyse der individuellen Situation der gefährdeten Person kann Faktoren identifizieren, deren Veränderung das Sturzrisiko reduzieren kann („Sturzdokumentation“) • Gleichgewicht, Aufstehen und Hinsetzen, Stehsicherheit, Rumpfstabilität, Schwankungsbreite, Schrittlänge usw. Darum immer: Durchführung eines geriatrischen Assessments, • also die multidimensionale Erfassung des physischen, psychischen und sozialen Zustands des Patienten Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Handhabung von Sturzgefährdungen Geriatrisches Assessment* Sturzassessment Sturzanamnese Soziales Assessment Risikobeurteilung Diagnostik Sturzprotokolle * Einschätzung, Beurteilung Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Geriatrisches Assessment bei Sturz (Beispiel: Patient mit Morbus Parkinson) • Sturzassessment: Sturzanamnese, Sturzprotokolle?, Zustand (bewusstlos?) • ADL-Kompetenz: Barthel-Index (40 Punkte) • Mobilität und Kraft: Timed up and go, Balance-Test n. Tinetti (möglich/nicht möglich) • Depression, Angststörungen (Sturzangst) • Kognition, Gedächtnis • Sehvermögen (Visus: Sehverschlechterung, neue Brille erforderlich?) • Soziales Assessment: soziale Situation ungesichert (allein stehend, häusliche Versorgung nicht mehr gesichert) Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Risikobeurteilung - Stratify-Scala (Beispiel) Sturzrisiko-Assessment 1 2 3 4 5 6 Positive Sturzanamnese Sturz innerhalb der letzten 4 Wochen 1 = JA Verhaltensauffälligkeit Verwirrtheit, Desorientiertheit und/oder Agitiertheit 1 = JA Toilettendrang Hat Bewohner/in häufigen Bedarf, Toilette aufzusuchen? (z.B. Frequenz, Dringlichkeit, Inkontinenz) 1 = JA Sehbehinderung Hat Bewohner/in alltagsrelevante Visusminderung? 1 = JA Transfer – Gehen/Rollstuhl Bewohner/in ist unsicher bzw. braucht Unterstützung bei Transfers (Liegen bzw. Sitzen/Stehen) 1 = JA Medikation Neuroleptika, Antidepressiva und/oder Opiate/Opioide 1 = JA 0 = NEIN 0 = NEIN 0 = NEIN 0 = NEIN 0 = NEIN 0 = NEIN Summe Datum: Unterschrift: Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Sturzanamnese (Situation bei Sturz - intrinsisch) • • • • • • Synkope? -> plötzliche Bewußtlosigkeit Medikamente? Einschränkungen des Aktionsradius im täglichen Leben frühere Stürze („Sturzbiografie“), Sturzort subjektiv empfundene Gangunsicherheit Gangstörung vorliegend bei Krankheit? (M. Parkinson, Schlaganfall, Alkoholismus, Depression, Osteoporose ->25% bei über 75-Jährigen) • Klinische Untersuchung: u.a. Blutdruck, Herzfehler, Diabetes, Seh- und Hörfähigkeit Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Sturzanamnese (Situation bei Sturz - extrinsisch) • Tätigkeiten und Aktivitäten unmittelbar vor dem Sturz • Tageszeit, Hilfsmittelbenutzung • Umweltfaktoren – Hindernisse, Stolperfallen – Treppenqualität, Geländer – Beleuchtung Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Sturzprophylaxe Ziel jeder Intervention: • Senkung der Sturzhäufigkeit und damit der Frakturrate, der Sturzangst und der damit verbundenen Mobilitätseinschränkung • bei krankheitsbedingter Sturzursache: Kausale Behandlung der Grunderkrankung steht immer im Vordergrund Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Sturzprophylaxe Kombination intrinsischer und extrinsischer Faktoren Multifaktorielle Genese fordert Intervention auf mehreren Ebenen: • Physische und psychische Verbesserungen – Gleichgewichtstraining – Kraft- , Geh- und Reaktionstraining – Verhaltensänderungen • Beseitigung von Hindernissen und Stolperfallen: – – – – – freie Laufwege rutschende Teppiche bzw. feuchte/glatte Fußböden zu hohe Betten oder Stühle Rollstühle/Rollatoren ohne angemessene Bremswirkung Optimierung der Beleuchtung Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Sturzprophylaxe Zuordnung und Maßnahmen (Übersicht) unsicher mobil, orientiert (Modul 3) immobil (Modul 1) mobil, verwirrt (Modul 2) • Lagerung, Hilfestellung, Aufsicht, Anpassung Bett/Rollstuhl • Optimierung der Pharmakotherapie (ggf. Reduktion Psychopharmaka) • Hilfestellung (Mobilität und Transfers) • Hüftprotektoren, Schuhe, rutschfeste Socken, • Umgebung sichern (rutschfeste Matten, Beleuchtung) • Reduktion unbegleiteter Toilettengänge • Optimierung der Pharmakotherapie • bei Frakturanamnese Vitamin D und Calcium • Aufsicht, Alarmsysteme • Hilfestellung (Mobilität und Transfers) • Hüftprotektoren, Schuhe, rutschfeste Socken, • Umgebung sichern (rutschfeste Matten, Beleuchtung) • Reduktion unbegleiteter Toilettengänge • Optimierung der Pharmakotherapie (ggf. Reduktion Psychopharmaka) • Hilfsmittel (Gehhilfen), Therapien, Training • ggf. Visuskorrektur Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Sturzprophylaxe mehrstufige Behandlungsmodule Modul T1 Modul T3 Hilfestellung Modul T2 Wie Modul 2 Prophylaxen Wie Modul 1 + PT-Einzeltherapie Schmerztherapie + Hüftprotektoren + spezielle Gruppen Optimierte Pharmakotherapie + allgemeine Gruppen + Gehhelfer + Hausbesuch Ernährung + Theravital (Trainingsgerät) Kontinenzversorgung + rutschfeste Socken Hilfsmittelversorgung + rutschfeste Matten Klärung Weiterversorgung + Alarmsystem erwägen Evtl. Betreuung + Vitamin D und Calcium Modul T4 Wie Modul 3 + MTT + Gerätetraining + Terraintraining Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Abgeleitete Interventionen (1) • Interventionen richten sich nach der zugrunde liegenden Sturzursache • viele Symptome von Alterserscheinungen (körperliche Gebrechen, neurologische Störungen, chronische Erkrankungen) können durch körperliche Aktivität beeinflusst werden • die Angst vor Stürzen ist nur mit gezielter, langfristiger körperlicher Aktivität nachhaltig zu begegnen • Koordinationstraining ist die einzige Möglichkeit, die Vernetzung innerhalb des ZNS zu beeinflussen und somit die altersbedingten Veränderungen zu verzögern • ein wirksames Training beinhaltet alle Komponenten der Koordination (Gleichgewicht, Orientierung, Rhythmus, Reaktion) Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Abgeleitete Interventionen (2) • geeignet sind: Ballspiele, Hindernisparcours, weil sie alltägliche Situationen simulieren können, z. B. Veränderung durch Tragen von Lasten • Tanzen fördert neben dem Gleichgewicht vor allem das Rhythmusgefühl • neben den genannten Effekten, trainieren die Patienten ebenfalls Ausdauer, Schnelligkeit und Kraft bei den genannten Aktivitäten • Einfluss durch Umgebungsanpassung, Empfehlung für spezielle Schuhe o. Hilfsmittel, Besuche von Kursen zur Förderung der Kraft und des Gleichgewichts • umfassende Information und Beratung von Patienten und Angehörigen über das Sturzrisiko Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Nachweis für hilfreiches Übungsprogramm (Ulmer Modellprojekt) • „Mobilitätsverbesserung und Sturzprävention bei zu Hause lebenden hilfs- und pflegebedürftigen Älteren“ • 3-jährige Dauer, 500 Teilnehmer aus dem Raum Ulm • Trainingsprogramm zur Kraftverbesserung und Balance für zu Hause, Aufklärung über Gefahrenquellen und Hüftprotektoren • Senkung der Sturzanzahl durch körperliches Training und Entfernen von Stolperfallen im Haushalt um 28% und der Anzahl der Mehrfachstürze um 40% • außerdem deutlich weniger Frakturen (vor allem Hüftfrakturen) Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Ziel solcher Programme: Mobilisierung aller verbliebenen Ressourcen Für den Erfolg von gezielten Übungsprogrammen zur Vermeidung von Stürzen (auch nach Stürzen) werden physiologische, das heißt natürliche Grundlagen genutzt: • Haltungskontrolle auf reflektorischer Ebene, sie gehört zur Willkürsensomotorik • verhaltensbeeinflussende Vorwegnahme von Handlungsabfolgen • Vernetzung und Bahnung von Verarbeitungswegen im Gehirn (Bahnung und Hemmung wichtiger sensorischer Informationen) • die gebahnten Wege führen zu einer harmonischen Abfolge der Bewegungsabschnitte Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Ziel solcher Programme: Mobilisierung aller verbliebenen Ressourcen • bei Älteren: zentrale Verarbeitungszeit für solche Vorgänge verlängert • auch: die (afferente) Informationsverarbeitung ist gesteigert, weil mehr unspezifische, weniger wichtige Informationen verarbeitet werden • auch: die (posturalen) Reaktionen darum verspätet und sind weniger effizient • und das ZNS ist schneller überfordert, wenn eine zweite Aufgabe hinzukommt Darum Ziel solcher Programme: Mobilisierung aller verbliebenen Ressourcen Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Hüftprotektoren • Grundlagen • Funktionsprinzip • Positionierung am Körper • Compliance (Therapietreue) • Grundmodelle nach Einsatzgebiet Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Hüftprotektoren Grundlagen • dienen ausschließlich der Prävention hüftnaher Femurfrakturen • reduzieren Frakturgefahr um 50 – 77 % • in vitro können Protektoren 20 - 95 % der einwirkenden Kräfte neutralisieren • aber: Hüftprotektoren können nicht in jedem Fall Verletzungsfolgen verhindern Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Hüftprotektoren Funktionsprinzip • Viscoelastisches Material nimmt die auftretende Kraft auf • Kraft wird verlangsamt und abgeschwächt Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Hüftprotektoren Positionierung am Körper • Protektor muss mittig auf dem Oberschenkelhals sitzen • Korrekte Platzierung ist ausschlaggebend für Wirksamkeit Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Hüftprotektoren Compliance (=Therapietreue) Förderung der Therapietreue durch: • mehrere Hosen zum Wechseln (Hygiene) • passende Größe • leichte Handhabbarkeit • nicht von außen erkennbar • kein Problem bei Harn-/Stuhlinkontinenz Mitwirkung der Pflegekräfte wichtig Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Hüftprotektoren Grundmodelle nach Einsatzzweck Wechselbare Protektoren für einfache Wäsche Fest integrierte Protektoren bei Demenz Slip mit Wäscheschutz bei Inkontinenz Anlegehose bei Inkontinenzproblematiken Hüftschutzgürtel für Reha und privaten Bereich Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Hüftprotektoren Infomaterial von suprima Broschüre Hüftschutz allgemein Broschüre PHYSIOprotect Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Aktuelle Rahmenbedingungen • Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP): Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege – Stand Februar 2005 – richtet sich an alle Pflegefachkräfte (ambulant und stationär) – beinhaltet ein Manual zum Verfahren der Sturzprophylaxe und Interventionen – beinhaltet aktuelle Zahlen bezüglich Bevölkerung und Anteil der Älteren in der Gesamtbevölkerung – Zusammenfassung aller verwendeten Assessments in den einzelnen Ländern inklusive Beschreibung • Nationaler Expertenstandard Sturzprophylaxe inklusive einer Standardaussage Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Literatur (1) • • • • • • • • Becker, C.,Lindemann, U., Rißmann, U., Warnke, A.(2006): Sturzprophylaxe. Sturzgefährdung und Sturzverhütung in Heimen. Vincentz Network, Hannover 2006 DEGAM-Leitlinie (2004): Ältere Sturzpatienten. Gekürzte Internetfassung. Omikron Publishing Düsseldorf Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (2005): Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege. Entwicklung – Konsentierung – Implementierung. Fachhochschule Osnabrück Freiberger, Ellen (2007): Sturzprävention bei älteren Menschen. Die Angst erkennen. Physiopraxis, 6, 24-27 Hill, K.D. et al. (2008): Effectiveness of Falls Clinics. An Evaluation of outcomes and client adherence to recommend interventions. Am Ger. Soc. 56, 600 - 608 Huhn, S. (2006): Hilfreiche Sturzvermeider. Die Schwester/der Pfleger, Nr. 4 (Sonderdruck), bibliomed, Melsungen Icks, A. (2006): Förderung von Sicherheit, Selbstständigkeit und Mobilität. Prävention von Sturz und sturzbedingter Verletzung. Gesundheitsberatungsausschuss der Ärztekammer Nordrhein (Hrsg.), 3. Auflage, Düsseldorf Meyer, G., Warnke, A., Bender, R., Mühlhauser, I. (2003): Effect on hip fractures of increased use of hip protectors in nursing homes: cluster randomised controlled trial. BMJ 326: 76 Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Literatur (2) • • • • • • • • • Parker, M.J., Gillespie, L.D., Martin, F.C., McMurdo, M.E. (2003): Hip protectors for preventing hip fractures in the elderly (Cochrane Review): In: The Cochrane Library, Issue 4, 2003, Chichester. John Wiley & Sons Ltd. Runge,M., Rehfeld, G. (2001): Mobil bleiben – Pflege bei Gehstörungen und Sturzgefahr. Schlütersche Verlagsgesellschaft, Hannover Schlegel, S. (2008): Stürze im Alter. Praxis Physiotherapie – Fachausgabe Geriatrie, 1, 57-60 Stevens, J.A., Corso, P.S., Finkelstein, E.A., Miller, T.R. (2006): The costs of fatal and non-fatal falls among older adults. Inj Prev 12, 290-295 Vetter, C. (2006): Perspektive Sturzprävention. Ein Standbein mit Potenzial. Physiopraxis, 4, 44-46 World Health Organisation (WHO): What are the main risk factors for falls amongst older people and what are the most effective interventions to prevent these falls?, ZVK - Journal Mai 2009, 21-23. Ziganek-Soehlke, F. (2009): Sturzprophylaxe durch Bewegungsschulung. Z. Physioth. 5, 466-470 ZVK (2009): Sturzprävention für die Physiotherapie erschlossen. Zur Sache. Physiother. 1, 10-11 Kannus P, Parkkari J, Niemi S et al. Prevention of hip fractures in elderly people with use of hip protector. N Engl J Med 2000 (23. November); 343: 1506-13 Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention Copyright Die Präsentation und alle Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Digitale und anderweitige Vervielfältigungen, auch in Auszügen, bedürfen der vorherigen schriftlichen Erlaubnis durch die suprima GmbH. Bei Fragen und Wünschen wenden Sie sich bitte an: suprima GmbH Kulmbacher Straße 31-35 95460 Bad Berneck Tel.: +49 (0)9273/9204-0 Fax: +49 (0)9273/9204-55 [email protected] Weitere Informationen finden Sie auch im Internet: www.suprima-gmbh.de Prof. Dr. med. Christian Zippel: Sturz und Sturzprävention