MEDIZIN ' ACHTERBAHN DER GEFÜHLE BORNA Bis vor kurzem galt die Diagnose als sicheres Todesurteil für Pferde. Tatsächlich kann die mysteriöse Gehirninfektion aber völlig unentdeckt verlaufen. den vergangenen Jahren gab es zahlreiche neue Erkenntnisse über das Borna Disease Virus. Viele noch mehr ein Virus zum Tatmotiv eines Es klingt wie Science ist aber wahr: Das greift in das Gefühlsleben von Menschen und Tieren ein. Pferde werden apathisch, Menschen depressiv, Schafe, Rinder und andere Säugetiere werden launisch bis aggressiv und sondern sich von der Gruppe ab. Wie ist so etwas möglich? „Das Borna Disease Virus setzt sich im limbischen System des Gehirns fest und vermehrt sich dort", erklärt Professor Dr. Hanns Ludwig von der Freien Universität Berlin. „Diese Region im Zentralhirn ist zuständig für Gefühle und Verhalten. Wenn das Virus dort die Nervenzellen werden sie in ihrer Funktion gestört. Dadurch kommt es zu den Änderungen des normalen Verhaltens, bei Tieren wie bei Menschen." aber auch Wissenszuwachs. Wie wurde. 60 Prozent aller Pferde und rund 30 Prozent aller Menschen sind neuesten Studien zufolge mit dem Borna-Virus befallen. In den meisten Fällen schlummert der Krankheitserreger ein Leben lang im Gehirn und löst keine oder nur geringe Symptome aus. Es gibt aber auch Pferde, die immer wieder unter Aktivierungsschüben leiden. Diese können mit Apathie, Schreckhaftigkeit, Ataxien, Koliken, Zwangsbewegungen und Leistungsschwäche einhergehen. Auch Fressstörungen sind an der Tagesordnung. Ein erkranktes Pferd fraß wahllos alles, was in seiner Krippe landete sogar Katzenfutter und kleine Steine. Im schlimmsten nimmt das Virus derart überhand, dass sich der betroffene Gehirnbereich entzündet, und es kommt zu einer tödlichen Enzephalitis. (K)ein Lied vom Tod Noch vor wenigen Jahren waren diese als einzige Form der Borna'schen Erkrankung bekannt. Da es damals noch keine Medikamente gegen das Virus gab, galt die Krankheit als sicheres Todesurteil. Tatsächlich verhält es sich aber genau umgekehrt, wie die inzwischen beendeten Forschungsarbeiten am in Berlin aufzeigen konnten. „Die frühere Auffassung, wonach die Infektion Borna-Virus Modell eine über 90-prozentige Mortalitätsrate hat, revidiert werden. Infizierte Lebewesen haben eine mindestens genau so große Überlebenschance. Tödliche Enzephalitiden sind auch bei Pferden die seltene Ausnahme, sozusagen eine Art „Betriebsunfall", der wahrscheinlich durch eine außer Kontrolle geratene Virusvermehrung entsteht", schreibt die frühere Leiterin der Forschungsgruppe, Dr. Liv Bode schon 1999 in ihrer Habilitationsschrift. Man nimmt an, dass das BornaVirus seit Millionen von Jahren Säugetiere und Menschen als Wirt benutzt. Für das Virus, das lebenslang in seinem Wirt verbleiben kann, ist es tatsächlich keineswegs von Vorteil, sondern ein „Unfall", wenn sein Wirt stirbt. Schlechte Nachbarschaft Wie Krankheit übertragen wird, ist noch nicht ganz klar. In Laborversuchen war sowohl die Tröpfcheninfektion durch die Nase als auch die Injektion des Virus ins Gehirn erfolgreich. Als „sehr unwahrscheinlich" tut Dr. Ludwig die Spekulationen ab, das Borna-Virus würde durch die Ausscheidungen von Mäusen und Ratten in der Box auf das Pferd übertragen. „Bei der hohen Durchseuchungsrate und einer großen Anzahl gesunder Trägertiere benötigt dieses Virus kein Reservoir. Eher kommt die Anstreckung durch gegenseitiges Beschnuppern oder Trinken aus demselben Wassereimer in Frage." Ist ein Pferd im Stall krank, so besteht daher ein erhöhtes Risiko, dass es das auf seine Boxennachbarn überträgt. Ansteckend können Pferde aber auch zeitweise gesunde Tiere denen man es nicht ansieht, dass sie gerade eine kurzfristige Aktivierung der Infektion durchmachen. Außerdem wurde von Fällen in denen Stuten die Virusinfektion an ihre noch ungeborenen Fohlen weitergaben. Latent Borna-Virus infizierte Pferde, die äußerlich gesund sind und das Virus schlummernd in sich tragen, sind laut Dr. Ludwig eher nicht ansteckend. „Doch auch diese Pferde können eines Tages einen Infektionsschub bekommen und dann das Virus weitergeben." Heiß wird die Frage, ob es sich bei der um eine Zoonose handelt, eine Krankheit, die von Pferd zu Mensch schmerzen, Schlafprobleme, geschwollene Lymphknoten, Nervenzuckungen und an den Gliedmaßen, Ohrgeräusche, Sehstörungen und Allergien. Vieles davon passt zu den Symptomen, die als Chronic-Fatique(CFS) werden, einem Überbegriff für eine bisher noch wenig erforschte Erkrankung. Christel Schmedt die Tatsache, dass dem Beginn ihrer eigenen Krankheitsproblematik eine zeitgleiche Infektion ihres Pferds vorausging. Seit einem Impfschaden litt der unter zahlreichen Symptomen. „Zwischenzeitlich konnte er fast nicht mehr laufen", erinnert sich Schmedt. Im Laufe der drei Jahre wurde er positiv getestet auf Herpesvirus, Borna-Virus und „Mittlerweile geht es ihm wieder Geholfen haben Pferd und Besitzerin ausschließlich naturheil- 60 Prozent aller Pferde und rund 30 Prozent aller Menschen sind mit dem Borna-Virus befallen. übertragen wird und umgekehrt. „Wir können nicht ausschließen, dass so etwas möglich ist. Das Überspringen der Speziesbarriere sehe ich allerdings eher als die Ausnahme an", sagt Dr. Ludwig, „Dies nachzuweisen, ist aber sehr schwer und mit unseren Mitteln nicht machbar." Christel Schmedt ist von der Zoonoseüberzeugt. „Ich kenne zahlreiche Menschen mit tiven Pferden, die diese Symptome ebenfalls aufweisen", sagt Schmedt, die im Internet eine Infopage mit einem angeschlossenen Forum für betroffene Pferdebesitzer eingerichtet hat (www.borna-borreliose-herpes. de). Viele Betroffene aus dem Forum und die Betreiberin selbst berichten nicht nur von Borna-Virus assozierten Symptomen wie Depressionen und Störungen im Gedächtnis und der Konzentration, sondern auch über Symptome wie Kopfschmerzen, Halsschmerzen, Muskel- und Gelenk- kundliche Mittel wie das sche Rhus toxicodendron. Orientierungslos Die Schulmediziner der Berliner Arbeitsgruppe behandeln Borna-VirusInfektionen mit einem wirkenden Medikament, das seit 30 Jahren gegen Influenza A eingesetzt wird, ohne Nebenwirkungen zu verursachen. Es hemmt das Borna-Virus durch tägliche Gaben über mindestens drei Monate hinweg. „500 bis Pferde wären längst bei Petrus, wenn wir dieses Mittel nicht für den Therapieeinsatz empfohlen hätten", sagt Dr. Ludwig. „Darunter waren TopDressurpferde, die nicht mehr rechts von links unterscheiden konnten. Die gehen heute wieder erfolgreich im Viereck." Um die 80 Prozent der erkrankten Pferde wurden mit tadin symptomfrei. Ob ein Borna-Virus Pferd wieder richtig „gesund" wird, bleibt vorerst offen, die Erfahrungen an der Freien Prof. Ludwig der Berliner Arbeitsgruppe zeigen dass mit den richtigen Medikamenten, einem funktionierenden Immunsystem und artgerechter Haltung in den meisten erfolgreich bekämpft werden können. Die und Biologin Dr. Tina Maria Ritter rückte bei ihrem Pferd dem Borna-Virus mit Arnantadin, und zu Leibe. Sie hält außerdem die Umgebung, in der das Pferd sich aufhält für enorm wichtig. „Schimmelige Boxenwände, Stress oder bakterien-verseuchtes, milchiges Brunnenwasser setzen dem Immunsystem derart zu, dass es wenig Chance hat, sich um das Borna-Virus zu kümmern." Speziell Pferde, die neben Borna-Virus auch noch sind, würden sehr sensibel auf Elektrosmog reagieren und gelegentlich nicht auf ansprechen. In diesen Fällen empfiehlt sich eine Beseitigung der stressenden Umweltfaktoren und anschließende Weiterbehandlung. Vorsicht bei Impfung Dr. Ritter hält noch einen weiteren für wahrscheinlich: die generell jährlich empfohlene Impfung der Pferde. „Impfen ist nur was für einen gesunden Organismus", erklärt die Biologin. „Das Borna-Virus wird häufig nicht erkannt, und das Pferd wird trotzdem gegen „Ausscheidern" - auch des - werden. Das bedeutet, sie werden ansteckend für den Boxennachbarn und so einen nicht unerhebInfektionsdruck an weniger stabile Pferde weiter." Pferd mit typischer Borna-Virus Symptomatik: Apathie und "trauriger" Blick und Influenza Viren geimpft. Das stresst den Körper des Pferds so, dass Krankheitssymptome zu Tage treten können. Ihr Rat daher: ein verdächtiges Pferd auf Borna-Virus testen lassen und erst dann impfen, wenn keine Infektion nachweisbar ist. Ähnliches gilt für Wurmkuren. „Man sich vor Augen führen, dass bei den meisten Impfungen Schwermetalle mit ins Pferd gespritzt werden. Sie dienen der Konservierung des verwendeten Impfstoffs, sind aber für Immunsystem und Nervenzellen schädlich." Dr. Ritter forscht derzeit an einer Theorie, die bisher noch nicht belegt ist: „Es könnte sein, dass Pferde nach einer Herpesvirus-Impfung kurzfristig zu 54 CAP D E Z E M B E R 2006 Blutprobe genügt Der Borna-Virus Experte Dr. Ludwig hält Dr. Ritters kritische Überlegungen zur gängigen Pferdeimpfung unbedingt für diskussionswürdig. Gehäuft findet er Borna-Virus positiv getestete Tiere nach einer Impfung. „In jedem Fall muss solchen Beobachtungen aufmerksam nachgegangen werden", sagt Dr. Ludwig. Ob mit diesen Befunden Zusammenhänge zur Einstellung des am Robert Koch Institut zu sehen sind, bleibt vorerst offen. Das von der Berliner Arbeitsgruppe propagierte Testsystem zur von Antikörpern, Antigenen und Immunkomplexen im Blut sei nicht zuverlässig, lautete die Begründung des Robert Koch Instituts. Inwieweit die oder andere wissenschaftliche das Aus für die weltweit führende Bornaherbeigeführt haben, wird im Internet und in Insiderkreisen rauf und runter dekliniert. Dr. Ritter sagt ganz klar: Alles was Dr. Bode und Dr. Ludwig über Borna-Virus Infektionen schreiben, sehe ich tagtäglich bei vielen Pferden bestätigt. halten betroffene Pferdebesitzer in Christel Internetforum die durch ELISA getesteten Borna-Virus Werte ihrer Pferde für reell und geben häufig auch Rückmeldung zu antiviBehandlungserfolgen. Wer sein Pferd auf Borna-Virus testen lassen will, muss kein Gehirnwasser abzapfen lassen, wie gelegentlich empfohlen wird, sondern kann eine Blutprobe einschicken. Der Test wird zurzeit am Institut für Laboratoriumsmedizin Berlin (www.iflb.de) durchgeführt. • Regina Kurzinfo Borna Die Aufzeichnung über eine von Borna-Virus verursachte Gehirnerkrankung stammt aus dem Jahr Damals schrieb Johann Babtista Caliberti von einer „anderen Haubtbei der die Pferde gantz toll und sind (...) verlieren auch einen guten des Futters und Im Laufe der Zeit wurden immer wieder die gleichen Krankheitssymptome beschrieben und als „Hirnwut", „hitzige Kopfkrankheit" oder Gehirn-Rückenbezeichnet. Ihren Namen bekam die Krankheit Ende des 19. Jahrhunderts, als um die Stadt Borna (bei Leipzig) Pferde, auch der preussischen Armee, erkrankten und starben. Heute gehört die Bornazu den mefdepflichtigen Tierkrankheiten, obwohl nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, 60 Prozent aller Pferde - zumindest latent Träger des Virus sind. Eine Impfung gegen das Virus ist bisher nicht erfolgreich. Diese wurde in der Vergangenheit zwar versucht, jedoch wegen unerwünschter Verbreitung der Impfviren durch die LebendVakzine wieder eingestellt. Die ehemalige Borna-Virus Forschergruppe am Robert Koch Institut hat eine Bornazur Erkennung der Symptome beim Pferd ausgearbeitet und zur Beurteilung der klinischen Symptomatik empfohlen. Die Symptome sind: • Apathie • Schläfrigkeit • Ängstlichkeit, Schreckhaftigkeit, Unruhe • Häufiges Gähnen • Aggressivität • Kopfschütteln • Gangunsicherheit/Ataxie Paresen (Einknicken in Vorder- und Hinterhand, beweg gen) • Veränderungen von Appetit und Futteraufnahme Gehäufte Koliken • Leistungsschwäche