Sonderforschungsbereich 491 Alles dreht sich um den Ende 1999 kam der Zuschlag: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtete an den Universitäten Duisburg und Bochum den Sonderforschungsbereich 491 ein mit einer jährlichen Förderung von 2,9 Millionen Mark. Thema: „Magnetische Heteroschichten: Struktur und elektronischer Transport.“ Dahinter verbirgt sich ein hochaktuelles Forschungsgebiet, das vor allem für Anwendungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie weitreichende Bedeutung haben wird. „Magnetoelektronik“ heißt der noch junge Forschungszweig in der Festkörperphysik, in dem 60 Wissenschaftler in Duisburg und Bochum nun in dem deutschlandweit größten Projekt zusammenarbeiten. Es geht um den Transport und die Steuerung von Strom unter Berücksichtigung der Eigenschaften der Elektronen im Magnetismus. Durch die Schichtung verschiedener magnetischer und Gerhard-Mercator-Universität Duisburg • nicht-magnetischer Materialien (die Heteroschichten) versucht man ein neues Leitsystem für Elektronen zu entwickeln, das durch Magnetfelder von außen steuerbar ist. Gegenüber der herkömmlichen Halbleiterelektronik öffnet die Entwicklung magnetisch schaltbarer Bauelemente ganz neue Dimensionen der technologischen Anwendung: Magnetische Systeme sind „nicht-flüchtig“, das heißt ihr „Gedächtnis“ bleibt auch bei Stromausfall erhalten. Sie sind unempfindlich gegenüber Strahlung und sie können in bisher noch nicht erreichten Minigrößen hergestellt werden. Dreh- und Angelpunkt für die Erforschung neuer Möglichkeiten des elektronischen Transports ist der „Spin“, die Ausrichtung der Elektronen im Magnetfeld. Diesem Drehimpuls FORUM Forschung 2000 versuchen die Wissenschaftler in dem neuen Sonderforschungsbereich experimentell und theoretisch auf die Spur zu kommen. Dabei wird eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Arbeitsgruppen aus den Bereichen Magnetismus, Metallphysik, Halbleiterphysik/Halbleitertechnologie und Oberflächenphysik/Oberflächenchemie organisiert. Die Gerhard-MercatorUniversität ist mit sechs von 16 wissenschaftlichen Teilprojekten beteiligt. Die Kooperation zwischen Wissenschaftlern der Universitäten in Duisburg und Bochum hat bereits Tradition. Auch in einem früheren Sonderforschungsbereich zur „Untersuchung von strukturellen und magnetischen Eigenschaften von Übergangsmetallen“ hat man erfolgreich zusammengearbeitet. 1 Sonderforschungsbereich 491 Ein Blick auf den aktuellen Forschungsstand Die Entdeckung des Riesenmagnetowiderstandseffekts (GMR-Effekt) Die Forschungsarbeiten im Bereich der Magnetoelektronik erhielten 1988 durch P. Grünberg (Jülich) und A. Fert (Orsay) den entscheidenden Impuls. Bei Experimenten mit künstlich geschichteten magnetischen und nicht-magnetische Materialien (siehe Bild 1) entdeckten die beiden Wissenschaftler die Abhängigkeit des Ladungstransports von der Spinrichtung der Elektronen. Diese Entdeckung wird mit dem Kürzel GMR ( für giant magnetoresistance = Riesenmagnetowiderstand) bezeichnet. Elektronen besitzen im Magnetismus eine Eigenschaft, die bei der Stromsteuerung in der herkömmlichen Halbleiterelektronik keine Rolle spielt: Sie drehen sich — vereinfacht gesagt — um sich selbst. Diesen Drehimpuls bezeichnet man als „Spin“. Im Magnetfeld oder in magnetischer Materie verhalten sich die Elektronen wie winzige magnetische Kompassnadeln. Sie richten sich in zwei Quanten-Zustände aus: „Spin auf“ und „Spin ab“. Die Beschaffenheit und Anordnung der Schichten kann die Richtung ihrer Magnetisierung beeinflussen. So stellen sich zum Beispiel bei geeigneter Dicke der nicht-magnetischen Zwischenschicht (das sind z. B. bei Chrom 8 Atomlagen) die Magnetisierungen benachbarter Eisenschichten durch quantenmechanische „Austauschwechselwirkung“ über die Zwischenschichten hinweg spontan antiparallel zueinander ein. Der GMR-Effekt beruht darauf, dass der Elektronenstrom, der durch das Schichtsystem fließt, je nach der Ausrichtung von den magnetischen Schichten einen unterschiedlich großen elektrischen Widerstand erfährt (Bild 2): Bei antiparalleler Magnetisierungsausrichtung ist der Widerstand größer als bei paralleler Ausrichtung. Der GMR-Effekt wurde bis heute an einer Vielzahl von Heteroschichtsystemen beobachtet. Seine Größe hängt von den verwendeten Materialien und von der physikalischen Beschaffenheit der Grenzflächen innerhalb der Heterostruktur ab. Bild 2: Aus zwei magnetischen Schichten und einer unmagnetischen Zwischenschicht bestehende Heterostruktur (Ausschnitt aus Bild 1). Rechts: Spontane antiparallele Magnetisierungsanordnung. Links: Durch ein nach rechts gerichtetes äußeres Magnetfeld erzwungene parallele Magnetisierungsanordnung. Der GMR-Effekt entsteht, weil die Streuung der den Strom bildenden beiden Elektronensorten „Spin auf“ und „Spin ab“ bei paralleler bzw. antiparalleler Magnetisierungsanordnung unterschiedlich ist. Die Streuung geschieht an den jeweiligen magnetischen Grenzflächen dann, wenn der Elektronenspin antiparallel zur Magnetisierungsrichtung ist. Spinventile als Magnetfeldsensoren Dieser GMR-Effekt hat zu einem neuen magnetischen Sensor-Konzept geführt. In speziellen GMR-Elementen, den sogenannten Spin-VentilSensoren, reichen schon sehr kleine äußere Magnetfelder aus, um die Magnetisierungsanordnung der Heteroschicht zu schalten. Miniaturisierte Spinventilsensoren werden heute bereits als Drehzahlmesser in Autos oder als Leseköpfe in hochdichten magnetischen Festplattenspeichern eingesetzt. Der Sensor registriert dabei die Streufelder der magnetisch eingeschriebenen Bits auf der Festplatte. Bild 4 zeigt in vereinfachter Form die für Anwendungen am häufigsten benutzte Spinventilheterostruktur. Sie besteht aus einer „magnetisch weichen“, leicht schaltbaren Schicht, die durch eine Bild 1: Schematische Darstellung einer magnetischen Heteroschichtstruktur, hier für nicht-magnetische ZwischenEisen/Chrom: Auf einer Unterlage (hier Magnesiumoxid-Einkristall) wird z. B. durch schicht (z. B. Kupfer) von eiVerdampfung im Ultrahochvakuum eine Folge von ferromagnetischen Eisenschichten ner zweiten „magnetisch haraufgebracht, die durch unmagnetische Chrom-Zwischenschichten getrennt sind. Die ten“ oder schwer schaltbaren Schichtdicken liegen im Nanometerbereich. Wenn die Chromschichten eine bestimmte magnetischen Schicht geDicke (in diesem Fall 8 Atomlagen) aufweisen, so tritt eine starke antiferromagnetische trennt ist. Die magnetisch Kopplung zwischen den benachbarten Eisenschichten auf, d.h. ihre Magnetisierungen weiche oder „freie“ Schicht sind spontan antiparallel ausgerichtet (siehe Pfeile). besteht meistens aus einer Gerhard-Mercator-Universität Duisburg • FORUM Forschung 2000 2 Sonderforschungsbereich 491 Bild 3: Typische GMR-Kurve, gemessen bei Raumtemperatur an einer auf MgO(001) epitaktisch (d. h. einkristallin) aufgewachsenen Eisen/Chrom-Heteroschicht (Fe/Cr„Übergitter“). Bei tiefen Temperaturen steigt der GMREffekt stark an und kann bei 4.2 K (Flüssighelium-Temperatur) bis über 200% betragen. Die Kurve zeigt die relative elektrische Widerstandsänderung DR/R (in %) als Funktion des äußeren Magnetfeldes. Die negative Magnetfeldrichtung entsteht durch Umpolen des Magnetfeldes (nach H. Schrör, Diplomarbeit 1997). bestimmten Eisen-Nickel-Legierung („Permalloy“). Die magnetisch schwer schaltbare Schicht wird dadurch erzeugt, dass man eine zweite Permalloy-Schicht mit einer antiferromagnetischen Schicht (beispielsweise aus einer Eisen-Mangan-Legierung oder aus Nickeloxid) bedeckt und dadurch die Magnetisierungsrichtung der zwei- ten Schicht verankert („pinned“). Die- kannt, dass sich die in Bild 2 oder Bild 4 ses Pinning der magnetischen Schicht gezeigten Magnetisierungszustände geschieht durch die sogenannten zur Speicherung einer InformationsExchange-Bias-Wechselwirkung an einheit (Bit) ausnutzen lassen: Bei der Grenzfläche mit der angrenzen- paralleler Magnetisierungsanordnung den antiferromagnetischen Schicht. liegt die digitale „0“ vor, bei antiparMan kann die anti-ferromagnetische alleler Anordnung die digitale „1“. In Schicht auch zwischen der Puffer- den USA wurden inzwischen Prototyschicht und der angrenzenden Per- pen magnetischer Arbeitsspeicher malloy-Schicht einbringen; dann wird (MRAMs) auf der Basis von TMR-Elediese Permalloy-Schicht durch Exchange-Bias verankert und die obere Permalloy-Schicht wird zur freien Schicht. Die Wirkungsweise des Spinventils kann mit der in Bild 5 gezeigten Magneto-Widerstandskurve verstanden werden. Diese Spinventile besitzen bei kleinen äußeren Magnetfeldern eine hohe Empfindlichkeit gegenüber Bild 5: Magnetowiderstandskurve ∆R/R einer Magnetfeldänderungen Spinventil-Heteroschicht (nach B. Dieny u. a. (d. h. steile Kennlinie) und 1993) mit steilem Kennlinienanstieg bei sehr machen sie dadurch zu kleinen Magnetfeldern. Zunächst verankert man geeigneten Magnetfeldmit Hilfe der AF-Schicht die Magnetisierungssensoren. richtung der zweiten magnetischen Schicht nach links (negative Magnetfeldrichtung). Wird das Magnetische Arbeitsäußere Magnetfeld von negativen zu positiven speicher Werten vergrößert, so schaltet die MagnetisieEine weitere Variante rung der freien Schicht bei kleinen Feldwerten des Aufbaus einer Heteroin der Nähe von Null plötzlich um in positive schicht besteht darin, die Richtung, während die Magnetisierungsrichtung nicht-magnetische der verankerten Schicht weiterhin in negative Zwischenschicht Richtung zeigt. Wegen des GMR-Effektes steigt (siehe Bild 2) aus der Widertand dann gerade beim Umschalten in isolierendem, nur diese antiparallele Magnetisierungsausrichtung wenige Atomlagen in der Nähe des Feldwertes Null sehr steil an. dickem Material (zum Beispiel Aluminiumoxid) menten entwickelt. Der relativ einfaaufzutragen. Die spinpola- che Aufbau, die Miniaturisierbarkeit, risierten Elektronen können die Unempfindlichkeit gegenüber iodiese Schicht quantenme- nisierender Strahlung (z. B. wichtig in chanisch „durchtunneln“. Für Satelliten) sowie vor allem das Erhaldiese Elemente mit Tunnel- ten der magnetisch gespeicherten barriere hat man die Bezeich- Information bei Stromausfall („nichtnung „Tunneling Magnetore- flüchtige“ Speicherung) machen solsistance“ (TMR) eingeführt. che magnetischen Arbeitsspeicher atTMR-Elemente besitzen einen traktiv. höheren Grundwiderstand, den man bequemer messen kann Kombinierte Magnet-Halbleiterals den geringen Widerstand Strukturen: Der Spintransistor Von besonderem Interesse ist die Bild 4: Schematischer Querschnitt durch eine einfache Spinventil- rein metallischer GMR-EleHeteroschicht. F(frei) = frei schaltbare magnetische Schicht, NM mente. Allerdings ist die Prä- Entwicklung eines Bauelementes, das = nicht-magnetische Zwischenschicht, F(pinned) = magnetische paration einer auf atomarer magnetische und Halbleiterstrukturen Schicht mit durch die angrenzende antiferromagnetische (AF) Skala kontinuierlichen Alumini- miteinander kombiniert: der SpinSchicht fest verankerter Magnetisierungsrichtung. Die Zwi- umoxid-Zwischenschicht oh- transistor. Er wurde erstmals 1990 schenschichtdicke wird so groß gewählt, dass zwischen den bei- ne „pinholes“ eine schwierige von S. Datta und B. Das konzipiert. den magnetischen Schichten keine Wechselwirkung stattfindet. Kunst. Schon früh wurde er- Gegenüber rein metallischen Systemen Gerhard-Mercator-Universität Duisburg • FORUM Forschung 2000 3 Sonderforschungsbereich 491 Im Rahmen des Sonderforschungsprogramms soll die Entwicklungsarbeit für ein solches Bauelement entscheidend vorangetrieben werden. Der prinzipielle Aufbau eines (noch nicht realisierten!) Spintransistors ist in Bild 6 zu sehen. Die Idee ist, einen spinabhängigen Strom von der linken zur rechten Bild 6: Konzept des Spintransistors (Querschnitt) mit zwei magne- magnetischen Elektrode tischen Eisen-(Fe-) Elektroden. An der Grenzfläche zwischen den innerhalb des zweidiHalbleitern InAlAs und InGaAs bildet sich eine 2-dimensionale mensionalen hochbewegAnsammlung hochbeweglicher Elektronen. Durch die angelegte lichen Elektronengases Spannung werden spinpolarisierte Elektronen von der linken magne- fließen zu lassen. Je nach tischen Elektrode in den Halbleiter injiziert und innerhalb des relativer Magnetisierungs2-dimensionalen „Elektronengases“ nach rechts transportiert, richtung der beiden mabis sie von der rechten magnetischen Elektrode registriert werden. gnetischen Elektroden Vg = Gatespannung. würde sich der Widerstand von „hoch“ (digibieten Magnet-Halbleiter-Systeme im tale „1“, antiparallele MagnetisiePrinzip erweiterte Möglichkeiten, den rungen) auf „niedrig“ (digitale „0“, spinabhängigen Strom zu steuern. Die parallele Magnetisierungen) schalten Realisierung des Spintransistors be- lassen. Bedingung dafür ist, dass man findet sich weltweit erst in den Ansät- erstens einen spinpolarisierten Strom zen. Sein technisches Potential liegt durch Injektion von der magnetischen in der Herstellung nicht-flüchtiger Schicht in eine Halbleiterschicht realiBauelemente (zum Beispiel Daten- siert und zweitens, dass die Spinpolaspeicherzellen und programmierbare risation des Stromes im Halbleiter Logikbausteine). über eine ausreichend große Distanz bis zur rechten magnetischen Elektrode erhalten bleibt. Experimente haben gezeigt, dass die letztere Bedingung in Halbleitermaterialien wie GaAs, InAs etc. erfüllt werden kann. Dagegen konnte die Spininjektion von einer metallischen magnetischen Schicht in die Halbleiterschicht weltweit noch nicht überzeugend nachgewiesen werden. Dies gelang bisher zwar mit bestimmten magnetischen Halbleiterelektroden, die allerdings nur bei tiefen Temperaturen funktionieren. Durch einen Trick ließe sich der spinabhängige Strom im Spintransistor sogar elektrisch steuern, und zwar selbst dann, wenn man die Magnetisierungsrichtungen der beiden magnetischen Elektronen (z. B. parallel) festhält: Man bringt dazu eine unmagnetische Hilfselektrode („Gate-Elektrode“) mit der variablen Gatespannung Vg an (Bild 6). Auf Grund eines Effektes aus der Relativitätstheorie (sog. RashbaEffekt) lässt sich mittels des elektrischen Feldes der Gatespannung die Spinrichtung des spinpolarisierten Stroms — und damit der Strom zwischen den magnetischen Elektroden selbst — schalten. Auf dem Weg zum Spintransistor Projektbeispiele aus dem Sonderforschungsprogramm 491 Das Forschungsprogramm 491 knüpft an die aktuellen Forschungsergebnisse über komplexe Heteroschichtsysteme an. Die Teilaspekte des spinabhängigen Elektronentransports werden mit theoretischen und experimentellen Methoden erforscht. Kunstvolle Präparationen von Schichtmodellen im Nanometerbereich werden durch Simulationen am Computer nachvollzogen, um den Eigenschaften unterschiedlicher Schichtkombinationen auf die Spur zu kommen. Exemplarisch sollen hier einige Teilprojekte vorgestellt werden, an denen an der Gerhard-Mercator-Universität in enger KooperaLangfristige Hauptzielrichtungen des Forschungsprogramms tion mit den Bochumer im Sonderforschungsbereich 491 Wissenschaftlern gearbei• Die Beherrschung des Wachstums komplexer Heteroschichtsyste- tet wird. me und der zusätzlichen lateralen Strukturierung auf einer Längenskala bis in den Bereich einiger Nanometer (Nanostrukturie- Theoretische Vorherrung) sagen durch Computer• Das Verständnis der wechselseitigen Beeinflussung von direkt simulationen aufeinandergestapelten magnetischen und halbleitenden, ferroDie Herstellung permagnetischen und antiferromagnetischen, sowie magnetischen fekt vertikal strukturierter und supraleitenden Schichten Metallschichten ist eine • Das Verständnis der grundlegenden Eigenschaften von spinab- hohe präparative Kunst. hängigem Elektronentransport in Schichtsystemen sowie die Ent- Sie wird bisher nur für wicklung eines Spintransistors wenige Schichtsysteme Gerhard-Mercator-Universität Duisburg • FORUM Forschung 2000 hinreichend beherrscht. Auf atomarer Skala lassen sich scharfe Grenzflächen bisher nur selten erreichen und werden meistens durch Bewegung (Diffusion) der Atome in der Nähe der (idealen) Grenzfläche verhindert. Je nach Materialkombination wachsen Schichten meistens nicht als atomar glatte Filme auf. Sie bilden Stufen und Kanten, klumpen zusammen („Insel“-Bildung). Auch beinhalten sie Wachstumsfehler der Atomanordnung („Versetzungen“) als Folge starker mechanischer Verspannungen der Filme. Mit aufwendigen Computersimulationen anhand von realistischen atomistischen Modellen wird versucht, die Art des Filmwachstums eines Materials A auf einem Material B (z. B. Eisen auf Niob, Eisen auf InAs) theoretisch vorherzusagen. [Arbeitsgruppe von Prof. Dr. D. Wolf] 4 Sonderforschungsbereich 491 Bild 9: Das Siegel der Gerhard-Mercator Universität Duisburg, elektronenstrahl-lithographisch hergestellt mittels dünner magnetischer Leiterbahnen aus Kobalt und ausgelesen mit einem Rasterkraftmikroskop (oben) bzw. magnetischem Kraftmikroskop (unten). Die Bildgröße entspricht ungefähr dem Querschnitt eines Haares. Bild 7: Elektronenbeugungsbild (engl. RHEED) nach Reflexion hochenergetischer Elektronen an einer glatten (sog. galliumterminierten) GaAs(001) — Einkristalloberfläche. Metall-Halbleiter-Schichten: eine Herausforderung Gut definierte Metall/HalbleiterHeteroschichtsysteme sind besonders schwierig zu präparieren, da an der Grenzfläche beider Materialien chemische Reaktionen ablaufen können. Die Bildung von chemischen Grenzflächenverbindungen, die meistens unmagnetisch („magnetisch tot“) sind, hat verheerende Folgen für die Spininjektion von magnetischem Metall in den Halbleiter und muss daher unterdrückt werden. In Duisburg wird die Technik beherrscht, atomar glatte, strukturell wohlgeordnete und saubere GaAs-Einkristalloberflächen im Ultrahochvakuum in einer Molekularstrahlepitaxieanalyse zu präparieren — eine elementare Voraussetzung für die Entwicklung des Spintransistors. Mit Hilfe von Elektronenbeugungsbildern (Bild 7) wird die Güte der GaAs-Oberfläche und der darauf aufgedampften einkristallinen Eisenschichten kontrolliert. [Arbeitsgruppe Prof. Dr. W. Keune] Um den Grenzflächenzustand zwischen den Schichten zu überwachen, wird eine spezielle kernphysikalische Isotopen-Meßtechnik, die MössbauerSpektroskopie (Bild 8), benutzt. Sie ist nach dem deutschen Physiker R. L. Mössbauer benannt, der 1961 den Nobelpreis erhielt. Analoge Untersuchungen werden auch an Eisenschichten auf in Bochum präparierten Halbleiterheterostrukturen durchgeführt. Diese enthalten eine hochbewegliche zweidimensionale Elektronengasschicht. Feinste Strukturen: Nanodrähte Ein weiteres und hochaktuelles Forschungsgebiet ist das Magneto- widerstandsverhalten von lateral nanostrukturierten magnetischen Schichten bzw. Schichtsystemen. Solche feinsten Strukturen, sogenannte „Nanodrähte“, lassen sich mit Hilfe der Elektronenstrahllithographie-Technik präparieren. Die Strichbreite beträgt hier etwa ein Hundertstel des menschlichen Haardurchmessers. (1 Nanometer = ein millionstel Millimeter). [Arbeitsgruppe Priv.-Doz. Dr. G. Dumpich/Prof. Dr. E. F.Wassermann] Bild 8: Mössbauer-Spektrum einer fünf Atomlagen dicken 57Fe-Tracerschicht an der Fe/GaAs-Grenzfläche. Das Spektrum zeigt an, dass der überwiegende Anteil der 57Fe-Atome in der Tracerschicht magnetisch ist (blaue Kurve), während ein geringer Anteil (entsprechend einem Viertel einer Atomlage) eine unmagnetische Grenzflächenlegierung bildet (rote Kurve). Anhand gemessener Mössbauer-Spektren kann man erkennen, ob (und in welcher Konzentration) sich an der Grenzfläche schädliche unmagnetische Fe-Verbindungen ausgebildet haben (rote Kurve). Gerhard-Mercator-Universität Duisburg • FORUM Forschung 2000 5 Sonderforschungsbereich 491 die magnetische Domänenstruktur in Nanostrukturen lernen. Dies ist ein Gebiet, auf dem wissenschaftliches Neuland betreten wird und Quantenphänomene eine Rolle spielen werden. Begleitet werden die experimentellen Untersuchungen durch theoretische Berechnungen. Die Arbeitsgruppe Prof. Dr. P. Entel untersucht rechnerisch den spinpolarisierten Elektronentransport und die auftretenden Streumechanismen, die Arbeitsgruppe Prof. Dr. K. Usadel berechnet die Anordnung der Domänen. Bild 10: Elektronenmikroskopische Aufnahme zweier paralleler magnetischer „Nanodrähte“ aus Kobalt auf GaAs-Unterlage. Die Drähte mit ca. 30 Nanometer Breite (und 40 nm Höhe) werden mittels Elektronenstrahllithographie hergestellt. Für Forschungszwecke lassen sich sogar noch wesentlich kleinere Strukturen erzeugen. Bild 10 zeigt zwei parallele elektronenstrahllithographisch erzeugte Kobalt-Nanodrähte mit Breiten von nur ca. 30 nm (weniger als ein Tausendstel Haarbreite). Misst man nun den elektrischen Widerstand eines Nanodrahtes als Funktion eines äußeren Magnetfelds, d. h. den Magnetowiderstand, so beobachtet man bei tiefen Temperaturen (4.2 K = Flüssigheliumtemperatur) das in Bild 11 gezeigte überraschende Schaltverhalten. Es ist erklärbar mit der sich bei geringen Feldstärken ändernden magnetischen „Domänenstruktur“ im Nanodraht. Aus dem Magnetowiderstandsverhalten lässt sich somit etwas über Das Problem des „Pinning“ In der experimentellen Forschung ist es bereits gelungen, die Magnetisierungsrichtung einer ferromagnetischen Schicht durch eine angrenzende antiferromagnetische Schicht zu verankern (Pinning) und durch äußere Magnetfelder zu schalten. Diese Entdeckung, der sogenannte ExchangeBias-Effekt, hat eine herausragende Bedeutung bei der Entwicklung von Spinventilsensoren. Trotz dieser technischen Erfolge wird die Ursache des Exchange-Bias-Effektes bis heute kontrovers diskutiert. Die Technik ist hier der Grundlagenforschung voraus. Als Kopplungsphänomen zwischen in Kontakt befindlichen ferround antiferromagnetischen Schichten äußert sich dieser Effekt in einer asymmetrischen Verschiebung der magnetischen Hystereseschleife entlang der Magnetfeldachse (Bild 14, blaue Kurve). Ein atomistisches Verständnis dieses Kopplungseffektes bedarf der Klärung der unbekannten Anordnung der atomaren magnetischen Momente („Spinstruktur“) an der Grenzfläche zwischen Ferro- und Antiferromagnet. Für die Untersuchung der noch unbekannten Spinstruktur an der Grenzfläche zwischen Ferro- und Antiferromagnet wird diese Tatsache ausgenutzt, um eine vertikal nanostrukturierte Co/Pt-Heteroschicht, die ebenfalls senkrechte Magnetisierungsrichtung besitzt, an die senkrechten Momente des Antiferromagneten anzukoppeln. Dazu wird die Co/Pt-Heteroschicht auf die gezeigte horizontale Oberfläche eines FeF2Einkristalls aufgedampft. Die einaxiale senkrechte Spinstruktur beider Systeme soll die Spinstruktur an der Grenzfläche vereinfachen. Dieses System wird durch die Arbeitsgruppe Dr. Chr. Bienek / Prof. Dr. W. Kleemann mit Methoden höchstempfindlicher Magnetometrie untersucht. Beweisführung am Rechner In der Theorie-Arbeitsgruppe von Prof. Dr. K. Usadel werden aufwendige numerische Computer-Rechnungen zum gleichen Phänomen durchgeführt. In diesen Rechnungen stört man den Antiferromagneten, indem man einen Teil seiner magnetischen Atome durch nichtmagnetische Atome ersetzt („verdünnt“). Dann ist die oben erwähnte Kompensation der magnetischen Momente in kleinen räumlichen Bereichen des Kristalls nicht mehr exakt gegeben. Kühlt man einen solchen „verdünnten“ Antiferromagneten in einem äußeren Magnetfeld ab, so entwickelt sich eine komplexe Domänenstruktur: In einem der Untergitter haben die atomaren magnetischen Momente nicht mehr überall die gleiche Richtung. Vielmehr Bild 11: Elektrischer Widerstand als Funktion des angelegten Magnetfeldes (Magnetowiderstand) eines magnetischen Nanodrahtes aus Kobalt auf GaAs-Unterlage, gemessen bei tiefer Temperatur (4.2 K). Drahtabmessungen: Länge 30,1 µm, Breite 1,0 µm, Höhe 42 nm. Bei hohen negativen oder positiven Feldstärken ist die Magnetisierung im Draht homogen in Feldrichtung ausgerichtet („gesättigt“), siehe Pfeile. Der Widerstandsabfall („Spitzen“) bei kleinen negativen oder positiven Feldern entsteht durch die dort einsetzende Bildung magnetischer Domänen, d.h. Bereiche mit verkippter Magnetisierungsausrichtung. Auf Grund des sog. anisotropen Magnetowiderstandseffektes werden die Elektronen dann weniger gestreut (Absinken des Widerstandes!) als im magnetischen Sättigungsfall. Gerhard-Mercator-Universität Duisburg • FORUM Forschung 2000 6 Sonderforschungsbereich 491 Multimedia-Dienstleistung von der Idee bis zum Produkt r a s c h m u l t i m e d i a Ralf Schneider, Moers fon 0 28 41- 95 43 61 fax 0 28 41- 95 43 62 mail [email protected] Bild 12: Atomanordnung im Kristallgitter (Elementarzelle) des Antiferromagneten FeF2. Die Pfeile geben die Richtung der atomaren magnetischen Momente der Fe2+-Ionen an. Die Atomanordnung im Kristallgitter eines Antiferromagneten (hier: Eisenfluorid, FeF 2) und die Spinstruktur der Fe2+-Ionen (Pfeile) sind hier schematisch eingezeichnet. Die magnetischen Momente der Fe 2+-Ionen ändern ihre Richtung in aufeinanderfolgenden horizontalen Atomlagen. Das Kristallgitter lässt sich daher beim Antiferromagneten in zwei Untergitter zerlegen: Auf dem einen Untergitter zeigen die atomaren magnetischen Momente in eine bestimmte Raumrichtung (nach oben) und auf dem anderen Untergitter weisen sie in die genau entgegengesetzte Richtung (nach unten). Daher kompensieren sich alle atomaren Momente der ganzen Probe, d. h. deren spontane Magnetisierung ist Null. Dies hat zur Folge, dass ein angelegtes Magnetfeld die antiferromagnetische Spinstruktur kaum verändern kann, im Gegensatz zum weichmagnetischen Ferromagneten, der sich leicht ummagnetisieren lässt. Die Kopplung beider Materialien an der Kontaktfläche führt dann zu erschwertem Ummagnetisierungsverhalten des Ferromagneten und zu der erwähnten Verschiebung seiner Hystereseschleife. Die hier dargestellte Spinstruktur von FeF2 steht senkrecht auf den horizontalen Gitterebenen. Gerhard-Mercator-Universität Duisburg • FORUM Forschung 2000 7 Sonderforschungsbereich 491 gibt es räumliche Bereiche (Domänen), bei denen sie alle in eine bestimmte Richtung zeigen, in der benachbarten Domäne aber in die entgegengesetzte Richtung. Im anderen Untergitter sind die Verhältnisse genau umgekehrt. Dieser Domänenzustand konnte mit Computersimulation nachgewiesen werden. Eine detaillierte Analyse dieser Domänenstruktur hat gezeigt, dass es große Magnetfelder nicht schaffen, die Magnetisierung zu drehen, da die Domänenstruktur im ungeordneten Kristallgitter fest verankert ist. In einem Spin-Ventil-Sensor (Bild 4) wird also die Magnetisierung einer ferromagnetischen Schicht, die direkt im Kontakt mit der antiferromagnetischen Schicht ist, durch deren eingefrorene Magnetisierung festgehalten (Pinning), während sich die freie ferromagnetische Schicht im Magnetfeld leicht drehen läßt. Die Computersimulation zeigt dies anhand der berechneten Hystereseschleifen einer Spin-Ventil-Anordnung (Bild 14). Chancen für wissenschaftlichen Nachwuchs Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat zunächst drei Jahre für dieses ehrgeizige Projekt mit Querschnittscharakter bewilligt. Insgesamt rechnet man mit einer Laufzeit von zwölf Jahren. Zum Team der Wissenschaftler gehören eine Reihe von Diplomanden/Diplomandinnen und Doktoranden/Doktorandinnen, die so die Möglichkeit haben, sich in einem zukunftsorientierten Forschungsbereich zu spezialisieren. Ein großes Ziel ist jedenfalls schon markiert: die Entwicklung eines Spintransistors. Bild 13: Ergebnis einer Computer-Simulation: Verschiedene magnetische Domänen (durch unterschiedliche Farben gekennzeichnet) in einer aus 9 Atomlagen bestehenden Schicht eines „verdünnten“ Antiferromagneten. Bild 14: Exchange-Bias-Effekt: Mittels Computer-Simulation berechnete Hystereschleifen eines Spin-Ventil-Systems mit Hystereseschleifen für die „freie“ ferromagnetische Schicht (magenta-farbene Kurve) und für die durch den Antiferromagneten verankerte ferromagnetische Schicht (blaue Kurve). Wenn das angelegte Magnetfeld (entlang der x-Achse) reduziert wird und in den Bereich des eingezeichneten schwarzen Balkens gelangt, so schaltet die Magnetisierung der freien magnetischen Schicht (magenta-farbene Kurve) zu negativen Werten, nicht aber die durch den Antiferromagneten verankerte Schicht (blaue Kurve). Diese theoretischen Untersuchungen haben wesentlich zum Verständnis des Exchange-Bias-Effektes beigetragen. Kontakt Prof. Dr. Werner Keune Stellvertretender Sprecher des SFB 491 Fachbereich 10 / Physik Laboratorium für Angewandte Physik ☎ 02 03 / 3 79 - 23 87 Fax: 02 03 / 3 79 - 36 01 [email protected] Partner Prof. Dr. Hartmut Zabel Sprecher des SFB 491 Lehrstuhl für Experimentalphyik / Festkörperphysik Ruhr-Universität Bochum ☎ 02 34 / 3 22 - 36 49 / 36 50 Fax: 02 03 / 3 21 41 73 [email protected] http://www.physcip.uni-duisburg.de Gerhard-Mercator-Universität Duisburg • FORUM Forschung 2000 8