Bachelorarbeit Pharmakotherapie bei Morbus Alzheimer Verfasst von: Benedict Danner Medizinische Universität Graz Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft Betreuerin: Ao. Univ.- Prof. Dr. med. univ. Ulrike Holzer Universitätsplatz 4 8010 Graz Lehrveranstaltung: Pharmakologie Graz am 16.09.2014 1 EIDESSTATTLICH ERKLÄRUNG Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet und die den benutzen Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Benedict Danner e.h. 2 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Geschlechtsbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht. 3 INHALTSVERZEICHNIS 1.) Einleitung..........................................................................................................................6 2.) Allgemeine Definition........................................................................................................7 2.1.) Definition von Morbus Alzheimer...............................................................................8 3.) Ursachen und Pathogenese.............................................................................................9 3.1.) Ursachen...................................................................................................................9 3.1.1.) Genetische Faktoren..........................................................................................9 3.1.2.) Entzündliche Prozesse.......................................................................................9 3.1.3.) Aluminium als Ursache für die Alzheimer Krankheit........................................10 3.2.) Pathogenese...........................................................................................................10 4.) Die Rolle von Acetylcholin bei Morbus Alzheimer...........................................................11 4.1.) Synthese und Abbau des Neurotransmitters Acetylcholin.......................................11 4.2.) Acetylcholinrezeptoren.............................................................................................11 4.2.1.) Nicotin-Rezeptoren..........................................................................................12 4.2.2.) Muscarin-Rezeptoren.......................................................................................12 5. Epidemiologie...................................................................................................................13 5.1.) Inzidenz des Morbus Alzheimer..............................................................................13 5.2.) Prävalenz der Morbus Alzheimer............................................................................14 6.) Pharmakotherapie bei Morbus Alzheimer.......................................................................15 6.1.) Grundlagen der Therapie bei Morbus Alzheimer....................................................16 6.2.) Therapie in den unterschiedlichen Stadien einer Morbus Alzheimer......................17 6.2.1.) Prä-Demenz.....................................................................................................17 6.2.2.) Mildes bis moderates Alzheimer......................................................................17 6.2.3.) Fortgeschrittenes Alzheimer.............................................................................18 6.3.) Antidementiva im Detail.......................................................................................18 6.3.1.) Acetylcholinesterase-Hemmer.........................................................................18 6.3.1.1.) Allgemeine Pharmakodynamik von anticholinergen Wirkstoffen..............20 6.3.1.2.) Nebenwirkungen von Acetylcholinesterase-Hemmstoffen.......................21 6.3.1.3.) Rivastigmin...............................................................................................21 6.3.1.4.) Donepezil..................................................................................................23 6.3.1.5.) Galantamin................................................................................................25 6.3.2.) NMDA-Rezeptor-Antagonisten........................................................................27 6.3.2.1.) Memantin..................................................................................................30 4 6.3.3.) Nootropika........................................................................................................32 6.3.3.1.) Ginkgo biloba............................................................................................33 6.3.3.2.) Radikalfänger / Antioxidantien..................................................................35 7.) Nicht-medikamentöse Therapie von Morbus Alzheimer.................................................35 7.1.) Verhaltenstherapie...................................................................................................36 7.2.) Kognitives Training..................................................................................................36 7.3.) Milieutherapie..........................................................................................................36 7.4.) Ergotherapie............................................................................................................37 8.1.) Inhibition der Beta-Amyloid-Fibrillogenese..............................................................38 8.2.) Hemmung der Tau-Protein-Aggregation..................................................................38 8.3.) Florbetapir (18F)......................................................................................................39 9.) Conclusio........................................................................................................................40 10.) Literaturverzeichnis.......................................................................................................41 11.) Internetquellen..............................................................................................................44 12.) Abbildungsverzeichnis..................................................................................................46 13.) Tabellenverzeichnis.......................................................................................................48 5 1.) EINLEITUNG Ich habe mich im Zuge meiner Bachelorarbeit zur Lehrveranstaltung „Pharmakologie“ mit dem Thema Morbus Alzheimer und hier im speziellen mit den pharmakotherapeutischen Aspekten dieser Erkrankung beschäftigt. Zu Beginn meiner Arbeit habe ich mithilfe des Word-Wide-Webs nach interessanten, verständlichen und vor allem wissenschaftlich relevanten Artikeln, Publikationen und Büchern gesucht, welche ich großteils über Pub-Med und teilweise auch über Google Scholar gefunden habe. Sofern diese Unterlagen nicht in digitaler Form vorhanden waren (was bei den meisten Büchern der Fall war), habe ich die weitere Recherche an der Bibliothek der Medizinischen Universität Graz durchgeführt. Das Thema Pharmakotherapie bei Morbus Alzheimer habe ich aus unterschiedlichen Beweggründen gewählt. Auf der einen Seite steht die Tatsache, dass chronische Erkrankungen des Nervensystems, zu denen auch Morbus Alzheimer bzw. Demenz zählen, einen immer größeren Stellenwert in der Welt der Medizin, Pharmakologie, Pflege aber auch in der Lebenswelt der Betroffenen und deren Angehörigen einnehmen. Auf der anderen Seite steht mein persönliches Interesse an dieser Erkrankung, an deren Entstehung sowie ihrer Behandlung. Da ich neben meinem Studium zusätzlich als freiwilliger Rettungssanitäter beim Österreichischen Roten Kreuz tätig bin und ich in eben dieser Tätigkeit häufiger mit Personen in Kontakt komme, die an Morbus Alzheimer bzw. Demenz leiden, hoffe ich, dass ich mit dieser Bachelorarbeit auch für diesen Bereich einige nützliche Erkenntnisse sammeln kann. 6 2.) ALLGEMEINE DEFINITION Morbus Alzheimer ist eine Krankheit, die in der Kategorie der Demenz angesiedelt ist und für rund 70% aller Demenzerkrankungen verantwortlich ist (Vgl. Lang, Silbernagl, 2009, S. 370). Dies entspricht einer Zahl von 24 Millionen weltweiten Erkrankungen. Charakteristische Merkmale der Demenz sind eine spontane Abnahme sämtlicher kognitiver Fähigkeiten (Lernen, Gedächtnis, Raumvorstellung, Intelligenz, etc.) und einer damit verbundenen Unfähigkeit den Alltag alleine zu meistern. Eine Demenz beruht auf dem Untergang von Neuronen und an spezifischen Orten im zentralen Nervensystem und einer damit verbundenen Verschlechterung der neuronalen Verschaltung. Ein Auftreten von Demenz kann unterschiedliche Ursachen haben. Am häufigsten ist Morbus Alzheimer für Demenz verantwortlich. Es folgen chronischer Alkoholismus, Morbus Parkinson und vaskuläre Durchblutungsstörung (vaskuläre Demenz). Im zentralen Nervensystem findet man ein histaminerges System dessen Perikaryen vor allem im Hypothalamus liegen. Die Neurone ziehen in verschiedene Hirnbezirke (Hirnrinde, Corpus striatum, Thalamus, Hippocampus, Hypothalamus) und bilden in diesen Bereichen Synapsen, welche H3-Rezeptoren besitzen. Eine Stimulation eben dieser H 3Rezeptoren durch freigesetztes Histamin vermindert die Freisetzung anderer Botenstoffen wie Acetylcholin (ACh), Noradrenalin (NA) oder Serotonin (5HT). Histamin-Antagonisten mit einer Affinität zu H3-Rezeptoren heben diese Hemmung auf, was zu einer Steigerung der Konzentration von ACh, NA und 5HT im synaptischen Spalt führt. In Tierversuchen konnte bewiesen werden, dass H3-Rezeptor-Antagonisten die kognitiven Fähigkeiten der Tiere verbessern (Vgl. Lüllmann 2010, S. 386). 7 2.1.) Definition von Morbus Alzheimer Morbus Alzheimer ist eine Erkrankung mit neurodegenerativen Folgen. Sie kommt am häufigsten bei Personen auf, die das 65. Lebensjahr bereits überschritten haben. In seltenen Fällen kann die Alzheimer Krankheit jedoch auch bei jüngeren Personen auftreten (meist ab dem 50. Lebensjahr). Wie bei allen Demenzerkrankungen manifestiert sich auch die Alzheimer Krankheit durch eine Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten. Die erste Beschreibung von Morbus Alzheimer erfolgte im Jahr 1901 durch den deutschen Psychiater und Neuropsychologen Alois Alzheimer. Die von Alzheimer betreute Patientin Auguste Deter war mit 50 Jahren für eine Morbus Alzheimer Patientin noch relativ jung, weshalb er die Krankheit als „präsenile Demenz“ bezeichnete. Spätere Untersuchungen an anderen Patienten legten jedoch offen, dass die beschriebene präsenile Symptomatik sowie die beobachteten histologischen Veränderungen auch bei älteren Patienten zu finden waren (Vgl. Müller et al., 2013). Die der Alzheimer Krankheit zu Grunde liegenden degenerativen Veränderungen sind noch nicht behandelbar. Abbildung 1: Auguste Deter 8 3.) URSACHEN UND PATHOGENESE 3.1.) Ursachen Die Ursachen, die für das Entstehen einer Alzheimer Krankheit verantwortlich sind, sind bis heute nicht vollständig geklärt. Man geht davon aus, dass Morbus Alzheimer, wie die meisten chronischen Krankheiten durch die Kombination von diversen Faktoren anstatt nur durch eine bestimmte Ursache entsteht (Vgl. Alzheimer's Organisation, 2012). 3.1.1.) Genetische Faktoren Genetische Faktoren können Einfluss auf das Ausbilden einer Alzheimer Erkrankung haben. Man konnte auf dem Chromosom 21 einen Defekt des β-amyloid precursor, welches zu Amyloidpeptiden von 42 Aminosäuren abgebaut werden kann, finden. Diese können sich zu 7-10 nm langen Proteinfibrillen zusammenlagern. Die Amyloidfibrillen bilden gemeinsam mit ApoE4, Proteoglykanen und α-1 Antrichymotrypsin Klumpen mit einen Umfang von 10 bis mehreren hundert μm Durchmesser. Diese Klumpen werden als senile Plaques bezeichnet und kommen in den Gehirnen von Alzheimer Patienten in großer Zahl vor (Vgl. Lang, Silbernagl, 2009, S. 370). 3.1.2.) Entzündliche Prozesse Auf Basis der „Minnesota nun Study“, einer Longitudinalstudie über das Altern, von David Snowden aus dem Jahr 1986 wurde von diversen Forschern angenommen, dass entzündliche Prozesse im Gehirn der Patienten ausschlaggebend für Morbus Alzheimer sein könnten. Wissenschaftlern der Universität Bonn ist es gelungen einen neuen Signalweg zu identifizieren, der an chronischen Entzündungen im Gehirn beteiligt ist. Eine große Rolle spielt dabei das Enzym Caspase-1 (siehe Abb. 3), welches für die Aktivierung von Entzündungsreaktionen mitverantwortlich ist und in den Gehirnen der Alzheimer Patienten vermehrt vorgefunden wurde (Vgl. Universität Bonn, 2012). Eine im Jahr 2013 veröffentlichte Studie von Heneka M.T., et al. zeigte des weiteren, dass das Protein NLRP3 für Entzündungen, die zum Absterben von Gehirnzellen führen, mitverantwortlich ist (Vgl. Heneka et al. 2013). 9 3.1.3.) Aluminium als Ursache für die Alzheimer Krankheit Der Zusammenhang zwischen Aluminium und Alzheimer ist in der Wissenschaftsgemeinde durchaus umstritten. Die britische Alzheimer's Society veröffentlichte 2009 ein Dossier, demzufolge kein kausaler Zusammenhang zwischen Aluminium und einem erhöhten Risiko an Alzheimer zu erkranken erkennbar ist (Vgl. Alzheimer's Society, 2009). Auch das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) konnte in einer 2005 durchgeführten gesundheitlichen Bewertung keinen solchen Zusammenhang finden. Dieser Erkenntnisse wurden durch eine Bewertung im Jahr 2007 bestätigt. Es wurde jedoch die Empfehlung ausgegeben, vorsorglich keine Speisen und Getränke in Aluminiumtöpfen oder in Aluminiumfolie aufzubewahren (Vgl. BfR, 2005). Diesen Erkenntnissen zum Trotz, hält sich vor allem in pseudowissenschaftlichen Kreisen der Standpunkt, dass Aluminium Alzheimer fördert oder auslöst. 3.2.) Pathogenese Die Krankheit ist durch einen stetigen Untergang von Nervenzellen gekennzeichnet. Der Nervenzellenuntergang ist eng mit einer herabgesetzten Bildung und Konzentration von diversen Neurotransmittern verbunden. Besonders stark betroffen ist der Botenstoff Acetylcholin. Bei manchen Patienten wurde in der Großhirnrinde und im Hippocampus eine um bis zu 90% verringerte Menge an Cholin-Acetyltransferase gefunden (Vgl. Lang, Silbernagl, 2009, S. 370). Dieses Enzym ist essentiell für die Bildung von Acetylcholin. Neben Acetylcholin sind auch noch andere Neurotransmitter wie etwa Noradrenalin, Serotonin oder Neuropeptid Y in ihrer Bildung und Konzentration durch den Nervenzellenuntergang beeinträchtigt. Aus der neurodegenerativen Natur des Morbus Alzheimer geht der Verlust einer Vielzahl von Gehirnfunktionen hervor. Zu Beginn der Erkrankung ist ihr Verlauf schleichend und wird daher oft nicht ausreichend diagnostiziert. Typische Symptome in der frühen Krankheitsphase sind subtile Gedächtnisausfälle, Delir, Amnesie und Vernachlässigung von alltäglichen Tätigkeiten (Körperpflege, Ankleiden, Kochen, etc.). Mit fortschreitendem Krankheitsverlauf folgt auf eine anterograden Amnesie häufig eine Beeinträchtigung des Altgedächtnisses sowie des prozeduralen Gedächtnisses (Vgl. Lang, Silbernagl, 2009, S. 370). Motorische Ausfälle wie Sprachstörungen, Gangstörungen und Ataxie treten in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung auf. 10 4.) DIE ROLLE VON ACETYLCHOLIN BEI MORBUS ALZHEIMER Acetylcholin ist einer der wichtigsten Botenstoffe im menschlichen Körper. Dieser Neurotransmitter ist neben zahlreichen Funktionen im Körper (z.B. der Erregungsübertragung zwischen Nerv und Muskel) vor allem für die Kommunikation zwischen den Nervenzellen im Gehirn verantwortlich. 4.1.) Synthese und Abbau des Neurotransmitters Acetylcholin Die Synthese des Botenstoffes Acetylcholin erfolgt in cholinergen Neuronen durch die Cholinacetyltransferase aus Cholin und Acetyl-Coenzym A (Vgl. Königshoff, 2007, S.277). Die Übertragung aus dem Zytoplasma in die Transmittervesikel erfolgt über einen vesikulären Transporter. Bei der Depolarisierung der präsynaptischen Zellmembran kommt es zum Einstrom vom Kalzium-Ionen (Ca2+) in das Axoplasma, was die Exozytose (eine Art des Stofftransportes aus der Zelle heraus) von Acetylcholinvesikeln auslöst. Das folglich in den synaptischen Spalt freigesetzte Acetylcholin aktiviert prä- und postsynaptische Rezeptoren, wird jedoch rasch durch Cholinesterasen gespalten und somit inaktiviert. Das Cholin wird nach dem Rücktransport in das Neuron zur erneuten Synthese von Acetylcholin verwendet (Vgl. Lüllmann, 2012, S. 85). Acetylcholin lässt sich neben den Synapsen zwischen Neuronen des weiteren noch als Transmitter an der motorischen Endplatte, sowie als Botenstoff im Sympathikus und im Parasympathikus finden 4.2.) Acetylcholinrezeptoren In seiner Tätigkeit als Neurotransmitter wirkt Acetylcholin an den Synapsen des zentralen Nervensystems, an den Ganglien des Parasympathikus und des postganglionären Parasympathikus. Des weiteren bewirkt Acetylcholin die Erregungsübertragung an den sympathischen Ganglien sowie an den Endplatten der quergestreiften Muskulatur. Bei den 11 Rezeptoren des Acetylcholins unterscheidet man zwei Arten: Nicotin-, und MuscarinRezeptoren. 4.2.1.) Nicotin-Rezeptoren Bei Nicotin-Rezeptoren (bzw. n-Cholinorezeptoren) handelt es sich um ligandengesteuerte Ionenkanäle, bei denen die Bindung von Acetylcholin zur Öffnung eines Natriumkanals führt. Neben der Erregung durch Acetylcholin lassen sich diese Rezeptoren auch durch Nicotin erregen. n-Cholinrezeptoren findet man in den Neuronen des zentralen Nervensystems und in Ganglien sowie an der neuromuskulären Endplatte (Vgl. Mutschler et al., 2008, S. 358). Der Wirkmechanismus sieht dabei wie folgt aus: In den vegetativen Ganglien müssen sämtliche Reaktionen innerhalb von weniger Millisekunden ablaufen. Für diese sehr schnelle Reaktion sind ligandengesteuerte Ionenkanäle, sogenannten n-Cholinorezeptoren verantwortlich, an die sich das Acetylcholin bindet. Die Bindung ist nur von äußerst kurzer Dauer. Während der Anlagerung wird die Leitfähigkeit für Natrium Ionen (Na+) und Kalium Ionen (K+) erhöht, was zu einem Absinken des Membranpotentials führt. 4.2.2.) Muscarin-Rezeptoren Im Gegensatz zu den n-Cholinorezeptoren sind die Muscarin-Rezeptoren (bzw. mCholinorezeptoren) G-Protein gekoppelt. Das heißt die Signalübertragung erfolgt über Guanosintriphosphat bindende Proteine (GTP-bindende Proteine) in den Intrazellularraum bzw. das Innere des Endosoms. Man findet m-Cholinorezeptoren im zentralen Nervensystem, in Ganglien und im Bereich parasympathischer Synapsen lokalisierter Rezeptoren, die neben Acetylcholin auch durch Muscarin aktiviert werden können (Vgl. Mutschler et al., 2008, S. 358). m-Cholinorezeptoren lassen sich in 5 Subtypen einteilen: • M1-Rezeptoren: kommen hauptsächlich in neuronalen Strukturen (ZNS, Ganglien) vor. 12 • M2-Rezeptoren: lassen sich am Herzen (Erniedrigung der Herzfrequenz) finden. • M3-Rezeptoren: findet man an der glatten Muskulatur (Kontraktion) und den exokrinen Drüsen. • M4-Rezeptoren: befinden unter anderem im Vorderhirn, Hippocampus und Striatum, ihre physiologische Funktion ist noch nicht ausreichend geklärt. • M5-Rezeptoren: kommen vor allem im zentralen Nervensystem vor und ihre physiologische Funktion ist ebenfalls größtenteils unklar. 5. EPIDEMIOLOGIE Morbus Alzheimer als Form der Demenz ist eine der am weitesten verbreitetsten Zivilisationskrankheiten mit weltweit rund 24 Millionen Erkrankungen. Die Krankheit betrifft vor allem Menschen, die das 65. Lebensjahr überschritten haben. Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge wird die Zahl von Menschen, die älter als 65 Jahre sind von 420 Millionen (7% der Weltbevölkerung) im Jahr 2000 auf über 1 Milliarde (12% der Weltbevölkerung) im Jahr 2030 ansteigen (Vgl. United Nations Organization, 2001). Am stärksten von der zukünftigen Überalterung werden Länder der dritten Welt und Schwellenländer betroffen sein. Da Morbus Alzheimer, wie bereits erwähnt, sehr stark mit einem fortgeschrittenen Lebensalter zusammenhängt, wird dieser Erkrankung in naher Zukunft eine außerordentlich große Herausforderung für die Medizin, die Pharmakologie, die Pflege, die Politik und alle am Gesundheitswesen beteiligten Berufe sowie natürlich für die Betroffenen und deren Angehörigen darstellen. 5.1.) Inzidenz des Morbus Alzheimer Zahlen, welche die US-amerikanische Bevölkerung betreffen zeigen, dass die Inzidenz der Alzheimer-Erkrankungen in den Altersgruppen 65-69 Jahre (5/1.000 Personen), 70-74 Jahre (6/1.000 Personen) und 75-79 Jahre (10/1.000 Personen) kontinuierlich ansteigen, bis es schließlich in der Altersgruppe 80-84 Jahre (30/1.000 Personen) zu einer sprunghaften Steigerung der Inzidenz kommt, die ihren Höhepunkt bei der Altersgruppe der über 90 Jährigen mit 70/1.000 Personen erreicht. Das entspricht einem Anstieg der 13 Inzidenz um das 7-fache innerhalb von 10 Jahren (siehe Abb. 5). Abbildung 5: Inzidenz Morbus Alzheimer Diese Zahlen werfen die Fragen auf, ob die Alzheimer Krankheit in einer hypothetisch angenommen Gruppe von 100+ jährigen im gleichen Maße ansteigen würde oder ob die Krankheit irgendwann eine Plateauphase erreichen würde und die Inzidenz nicht mehr weiter ansteigen würde? Diese Daten wären vor allem für ein Verständnis der Ätiologie der Morbus Alzheimer wichtig. Ist Alzheimer eine unausweichliche Konsequenz der Alterns oder sinkt die Vulnerabilität bei Hochaltrigkeit durch Umwelteinflüsse oder genetische Faktoren ab? Fehlende Studien in diesen Altersgruppen lassen hier jedoch nur Vermutungen zu (Vgl. Qui et al., 2009, S. 113). Innerhalb der einzelnen Altersgruppen konnten die Forscher keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen bezüglich der Inzidenz finden. Es scheint jedoch ein Nord-Süd Gefälle innerhalb der Altersgruppe der über 90-jährigen zu geben. So wurde festgestellt, dass Personen, die aus nördlicheren Regionen der jeweiligen Untersuchungsgruppen (Europa, USA, Ost-Asien, Kanada) kamen einen höhere Inzidenz aufwiesen als Personen, die in südlicheren Regionen lebten (Vgl. Qui et al. 2009, S.113). 5.2.) Prävalenz der Morbus Alzheimer Einer Kohortenstudie aus dem Jahr 2000 ist zu entnehmen, dass die gepoolte Prävalenz für alle Demenzerkrankungen in Europa bei Personen, die das 65. Lebensjahr überschritten haben, bei 6,4% liegt, wovon 4,4% auf Morbus Alzheimer zurückzuführen sind. Die restlichen 0,7% verteilen sich auf diverse andere Formen der Demenz (Lobo, et 14 al. 2000, S.4). Die Prävalenz der Morbus Alzheimer Fälle steigt beginnend mit dem 65. Lebensjahr exponentiell an. Unterschiede zwischen den Geschlechtern lassen sich ab der Altersgruppe 75-79 Jahre feststellen. Ab dieser Altersgruppe leiden immer mehr Frauen als Männer an Morbus Alzheimer. Abbildung 6: Prävalenz Morbus Alzheimer in Deutschland 6.) PHARMAKOTHERAPIE BEI MORBUS ALZHEIMER Vorweg ist zu sagen, dass die Pharmaindustrie bis zum heutigen Tag noch keine Therapie gegen Morbus Alzheimer gefunden hat, die den Verlauf der Erkrankung stoppen oder gar rückgängig machen kann. Alle am Markt erhältlichen Präparate bewirken lediglich eine Verzögerung des Krankheitsverlaufs. Diese Tatasche ist jedoch keinesfalls eine Bankrotterklärung der Pharmakologie. Auch wenn der Krankheitsverlauf nicht gestoppt werden kann, so verhilft die Medikation den Patienten doch ihr Leben in geregelteren Bahnen ablaufen zu lassen. So kann eine dauerhafte, auf das jeweilige Stadium der Erkrankung angepasste, Medikation die Patienten wieder ein Stück weit unabhängig machen und somit sie selbst und auch die Menschen in ihrem Umfeld entlasten. Wichtig ist auch, nach einem erfolglosen Therapieversuch (die Demenz schreitet trotz Therapie weiter fort) das Medikament abzusetzen (Vgl. Lüllmann, 2010, S.367). Der Grund hierfür, sind die teilweise recht starken Nebenwirkungen, die eine Dauermedikation mit Antidementiva mit sich bringen. Neben der klassischen medikamentösen Therapie möchte 15 ich später in diesem Kapitel auch einige nicht-medikamentöse Therapieansätze erläutern. Diese Ansätze werden in der Regel zusätzlich zur Pharmakotherapie angewendet. Im folgenden möchte ich kurz auf die Grundlagen der Morbus Alzheimer Medikation eingehen. 6.1.) Grundlagen der Therapie bei Morbus Alzheimer Eine optimale Alzheimer Therapie setzt sich in der Regel aus mehreren Säulen zusammen. Auf der einen Seite steht die Anwendung von Antidementiva, die dem fortschreitenden Verlust der kognitiven Fähigkeiten entgegenwirken und auf der anderen Seite eine nicht-medikamentöse Therapie, die das allgemeine Wohlbefinden der Patienten steigern soll. Da die Alzheimer-Demenz häufig mit diversen Begleiterkrankungen, wie Depressionen, Schlafstörungen, Halluzinationen oder gesteigerten Aggressivität, verbunden ist, sollten diese ebenfalls medikamentös oder nicht-medikamentös behandelt werden. Zur Behandlung der Grunderkrankung (Morbus Alzheimer) werden heute vorwiegend zwei unterschiedliche Arzneimittelgruppen verwendet: • Acetylcholinesterase-Hemmer → Rivastigmin, Donepezil und Galantamin • NMDA-Rezeptor-Antagonisten → Memantin Zusätzlich werden noch diverse andere Arzneimittel aus der Gruppe der Nootropika zur Behandlung von Morbus Alzheimer eingesetzt. Ein früher Behandlungsbeginn ist bei Morbus Alzheimer besonders wichtig, da durch die richtige Medikation der Krankheitsverlauf erheblich verlangsamt werden kann und somit unter anderem eine Heimeinweisung um bis zu zwei Jahre hinausgezögert werden kann. Da eine Alzheimer-Therapie in der Regel mit Nebenwirkungen verbunden ist, ist es notwendig die Pharmakotherapie in genauer Absprache und in Zusammenarbeit mit dem behandeltem Arzt durchzuführen. Die beiden oben genannten Arzneimittelgruppen haben jeweils unterschiedliche Einsatzgebiete. So lassen sich Acetylcholinesterase-Hemmer eher am Beginn einer Morbus Alzheimer applizieren während NMDA-Rezeptor-Antagonisten in fortgeschrittenen 16 Stadien der Erkrankung zum Einsatz kommen. Es ist anzumerken, dass beide Arzneimittelgruppen nur zu mäßigen Erfolgen bei der Bekämpfung der Krankheit führen. 6.2.) Therapie in den unterschiedlichen Stadien einer Morbus Alzheimer Eine Alzheimer-Erkrankung lässt sich für die Pharmakotherapie grob in 3 Stadien einteilen: • Stadium 0 → Prä-Demenz • Stadium I → Mildes bis moderates Alzheimer • Stadium II → Fortgeschrittenes Alzheimer Diese Stadien sind von Patient zu Patient unterschiedlich und ihre Übergänge verlaufen in der Regel fließend. 6.2.1.) Prä-Demenz Die ersten Anzeichen einer beginnenden Demenzerkrankung werden in den meisten Fällen nicht richtig erkannt. Vergesslichkeit, Erinnerungslücken oder Schwierigkeiten sich Neues zu merken werden in der Regeln dem Alter zugesprochen und als natürlicher Verlauf des Lebens gedeutet. Die Diagnose „Morbus Alzheimer“ kann im Regelfall nur durch gezielte neuropsychologische Tests gestellt werden. Dabei werden unter anderem die Merkfähigkeit, Koordination und Intelligenz getestet (Vgl. Bäckman , 2004). Eine Pharmakotherapie in diesem Stadium gestaltet sich schwierig, da sich die Therapie größtenteils auf Präparate beschränkt, deren Wirksamkeit bisher noch durch keine Studien bestätigt wurde. 6.2.2.) Mildes bis moderates Alzheimer Bei den meisten Patienten wird die Alzheimer Krankheit durch eine verminderte Lern- bzw. Gedächtnisleistung diagnostiziert (Vgl. Förstl, 1999). Ziel der medikamentösen Therapie in diesem Stadium ist eine vorübergehende (6-12 Monate) Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten oder das Verhindern eines weiteren Fortschreitens der Erkrankung. In diesem Stadium kommen ausschließlich Acetylcholinesterase-Hemmer zum Einsatz. Klinische Studien haben gezeigt, dass bei ausgeprägteren Zustandsbildern keine 17 Besserung durch die Gabe von Cholinesterase-Hemmstoffe zu erwarten ist. (Vgl. Lüllmann, 2010, S. 367). Die Wirkung dieser Wirkstoffe ist nicht unumstritten. So rät das britische Insitute for Clinical Excellence davon ab Donezepil, Rivastigmin oder Galantamin aufgrund mangelnder Wirksamkeit zu verordnen (Vgl. Lüllmann, 2010, S. 367). 6.2.3.) Fortgeschrittenes Alzheimer Der Übergang von moderatem Alzheimer zur fortgeschrittenen Form der Erkrankung verläuft im Großteil der Fälle fließend. Gekennzeichnet ist dieses Stadium vor allem durch einen weiteren Verfall der kognitiven Fähigkeiten, erschwerte Kommunikation und motorische Beeinträchtigung (Vgl. University of Rochester-Medical Center, 2002). Eine weitere schwerwiegende Konsequenz der Morbus Alzheimer in diesem Stadium ist die Wesensveränderung, die viele Patienten betrifft. So kommt es häufig zu unvorhersehbaren Wutausbrüchen. Nachdem Acetylcholinesterase-Hemmer in diesem Stadium der Erkrankung nahezu wirkungslos sind, wird auf die Arzneimittelgruppe der NMDARezeptor-Antagonisten zurückgegriffen. Es wird versucht neben dem zentralen cholinergen System, auch über Glutamat-Rezeptoren des NMDA-Typs eine Besserung der Demenzerkrankung zu erzielen (Vgl. Lüllmann, 2010, S. 367). 6.3.) Antidementiva im Detail Wie bereits erwähnt wird zur Behandlung der Alzheimer-Demenz eine unterschiedliche Palette von Arzneimitteln verwendet. Die Wahl des Arzneimittels richtet sich in der Regel nach dem Krankheitsstadium in dem sich der jeweilige Patient befindet. Neben der Anwendung von antidementiv wirkenden Präparaten, ist in einem Großteil der Fälle auch eine medikamentöse Therapie von Begleitsymptome (Depressionen, Aggressivität, etc.) notwendig. 6.3.1.) Acetylcholinesterase-Hemmer Cholinesterase-Hemmstoffe vermindern die Geschwindigkeit, mit der Acetylcholin abgebaut wird, da sie in Abhängigkeit von ihrer Konzentration einen mehr oder weniger großen Teil der Cholinesterase-Moleküle blockieren. Dieser Vorgang führt zu einer 18 Zunahme der Acetylcholin-Konzentration im synaptischen Spalt. AcetylcholinesteraseHemmer imitieren in der Körperperipherie den Parasympathikus, weshalb sie auch als indirekt wirkende Parasympathomimetika bekannt sind. Diese Bezeichnung verschweigt allerdings, dass Cholinesterase-Hemmstoffe auch die Erregungsübertagung an den motorischen Endplatten fördern. Die Bezeichnung als Cholinesterase-Hemmstoffe trifft Angriffsort und Wirkung daher genauer (Vgl. Aktories, 2013, S. 145). Als Prototyp für moderne Acetylcholinesterase-Hemmer kann das in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts entdeckte Physostigmin (Summenformel: C15H21N3O2) angesehen werden. Es wurde aus den Samen des Physostigma venenosum isoliert (Vgl. Aktories, 2013, S.145). Die hemmende Wirkung auf die Acetylcholinesterase wurde 1926 von Otto Loewi geklärt. Loewi war ein deutscher Pharmakologe, der 1921 für die Entdeckung der chemischen Übertragung der Nervenimpulse den Nobelpreis für Medizin erhielt. Heute wird Physostigmin hauptsächlich bei Vergiftungen oder Überdosen mit parasympathisch wirkenden Substanzen wie Atropin oder Antihistaminika eingesetzt. Im militärischen Bereich findet es Anwendung als Antidot gegen Kampfstoffe der 3-Chinuclidinylbenzilat-Gruppe (Benzilsäureester). Die wichtigsten Cholinesterase-Hemmstoffe lassen sich in zwei große Gruppen einteilen: I. Reversible Hemmstoffe Zu den reversiblem Hemmstoffen zählen vierbindige Stickstoff-Verbindungen wie Phyostigmin (bzw. Eserin) und die Synthetika Neostigmin und Pyridostigmin (Vgl. Aktories, 2013, S. 147). Phyostigmin, welches auch als Eserin bekannt ist, ist ein Alkaloid des Physostigma venenosum. Phyostigmin hat eine starke Wirkung auf die Hemmung der Herzfunktion und die Erregung des Darmes, weshalb es nicht als Medikament benutzt werden sollte. Für eine medikamentöse Behandlung eignen sich die beiden Synthetika Neostigmin und Pyridostigmin besser, da diese allgemein besser veträglich sind. Gute Ergebnisse kann man mit Physostigmin hingegen bei der Therapie von zentralnervösen Vergiftungen durch Cholinolytika und Antidepressiva erzielen. Der Grund hierfür ist die Tasache, dass Physostigmin als tertiäres Amin in das Gehirn eindringen kann und dort zentral cholinmimetisch 19 wirkt (Vgl. Lüllmann, 2010, S.89). In die Gruppe der reversiblen CholinesteraseHemmstoffe fallen auch die indirekten Parasympathomimetika Donepezil, Galantamin und Rivastigmin. Dieser werden als Antidementiva eingesetzt um die Blut-Hirn-Schranke zu passieren und den Mangel an Acetylcholin ausgleichen sollen. Die auftretende indirekte parasympathische Wirkung ist bei der Indikation Morbus Alzheimer eigentlich nicht erwünscht, aber als Nebenwirkung nicht zu verhindern (Vgl. Lüllmann, 2010, S.89). II. Irreversible Hemmstoffe Als irreversible Hemmstoffe werden in der Regel Phosporsäureester bezeichnet, die das esteratische Zentrum der Cholinesterase über einen sehr langen Zeitraum hinweg, unter bestimmten Umständen, irreversibel phosphorylieren. Die Phosphorsäureester werden äußerst selten therapeutisch eingesetzt, sind aber wichtige Insektizide und potentielle Kampfstoffe. 6.3.1.1.) Allgemeine Pharmakodynamik von anticholinergen Wirkstoffen Nachdem die Pharmakodynamik bei den Stoffen Rivastigmin, Donepezil und Galantamin nahezu gleich ist, werde ich davon absehen, diese in jedem Kapitel zu erwähnen, sondern ich werde dies gleich zu Beginn des Kapitels Acetylcholinesterase-Hemmer ausführen. Grundsätzlich ist es so, dass Cholinesterase-Hemmstoffe Acetylcholin, dort wo es freigesetzt wird, länger überleben lassen. Das hat zur Folge, dass n-Cholinorezeptoren und m-Cholinorezeptoren einer höheren ACh-Konzentration ausgesetzt sind. Dadurch kommt es zu einer verstärkten cholinergen Informationsübertragung im zentralen Nervensystem aber auch zu einer erhöhten parasympatischen Aktivität in Bezug auf Herz, glatte Muskulatur und Drüsen. Für eine Therapie mit Cholinesterase-Hemmstoffen sind die indirekten parasympathomimetischen Wirkungen auf die Augen, die Wirkung auf die neuromuskuläre Übertragung und die zentralnervöse Wirkung wichtig (Vgl. Aktories, 2013, S. 145). Tacrin war der erste als Antidementivum Abbildung 8: Wirkung von CholinesteraseHemmstoffen eingesetzte Cholinesterase-Hemmstoff. Er verbesserte zwar die kognitiven Funktionen und Verhaltensstörungen von Alzheimer-Patienten, jedoch war der klinische Nutzen, vor 20 allem durch die auftretenden Nebenwirkungen (hohe Lebertoxizität), deutlich eingeschränkt. Das Präparat war deshalb nur kurze Zeit in Verwendung und wurde rasch wieder aus dem Handel genommen (Vgl. Mutschler et al., 2008, S. 196). 6.3.1.2.) Nebenwirkungen von Acetylcholinesterase-Hemmstoffen Gleiches wie für die Pharmakodynamik gilt in der Regel auch für die Nebenwirkungen, die bei einer medikamentösen Behandlung mit Acetylcholinesterase-Hemmstoffen auftreten. Nachdem es jedoch teilweise unterschiedliche Nebenwirkungen bei den unterschiedlichen Präparaten gibt, werde ich diese als Aufzählung jeweils eigenständig angeben. Die Nebenwirkungen werden hierzu in 4 Gruppen eingeteilt: I. Sehr häufige Nebenwirkungen (mehr als 1 Behandelter von 10) II. Häufige Nebenwirkungen (1 bis 10 Behandelte von 100) III. Gelegentliche Nebenwirkungen (1 bis 10 Behandelte von 1.000) IV. Seltene Nebenwirkungen (1 bis 10 Behandelte von 10.000) Grundsätzlich ist zu sagen, dass sich die Nebenwirkungen aus den jeweiligen Angriffspunkten ableiten (Vgl. Aktories et al., 2013, S. 149). Für Patienten, die unter Alzheimer-Demenz leiden, sind vor allem die auftretenden parasympathischen Nebenwirkungen von Bedeutung. Eine Therapie mit Antidementiva unterliegt immer einer Abwägung von „Kosten und Nutzen“ der Behandlung. Sollten die Nebenwirkungen den pharmakologischen Nutzen der Therapie in den Schatten stellen, so ist in Absprache mit dem behandelten Arzt eine andere Behandlungsstrategie eventuell besser geeignet. 6.3.1.3.) Rivastigmin Rivastigmin wird als Arzneistoff bei mildem bis moderatem Alzheimer eingesetzt. Rivastigmin ist ein Phenylcarbamat, welches in der erhältlichen oralen Form als Rivastigminhydrogenotartrat, ein weißes, kristallines Pulver vorkommt, welches in Wasser leicht löslich ist (Vgl. Mutschler et al., 2008, S. 196). Der allgemeine therapeutische Nutzen ist, wie bei anderen Antidementiva auch, eher gering, jedoch wurde in einer Studie ein signifikante Effekt auf die kognitiven Funktionen und die Lebensqualität von Patienten nachgewiesen (Vgl. Birks, 2006). Rivastigmin wird sehr gut resorbiert, unterliegt aber 21 einem starken First-pass-Effekt. Die Plasmahalbwertszeit liegt bei Rivastigmin bei etwa einer Stunde (Vgl. Mutschler, 2008, S. 196). Bei der Dosierung wird in der Regel mit einer Menge von 1,5 mg, 1x täglich begonnen. Nach 14-tägiger Einnahme kann die Dosierung auf 2x täglich 3 mg gesteigert werden. Die maximale Dosierung liegt bei 12 mg/24h (Vgl. Lüllmann, 2010, S. 366). Rivastigmin-Präparate sind als Hartkapseln, Lösungen oder als transdermale therapeutisches System [TTS] am Markt erhältlich. Der Vorteil der TTS gegenüber anderer Applikationsformen liegt in der Tatsache, dass der Wirkstoff über einen gewissen Zeitraum gleichmäßig abgegeben wird und dass der Firstpass-Effekt umgangen wird, wodurch die Menge des aufgenommenen Wirkstoffs höher ist als bei einer oralen Einnahme. Handelsnamen für Rivastigmin sind: • Exelon ® → wird in Deutschland und der Schweiz verwendet • Nimvastid ® → vor allem in Deutschland gebräuchlich • Ravastigmin „Actavis“® und Ravastigmin „ratiopharm“® → in Österreich gängige Präparate (vgl. Erstattungskodex) Pharmakokinetik Oral verabreicht wird Rivastigmin, wie bereits erwähnt, gut resorbiert. Die Resorption erfolgt größtenteils im Magen-Darm-Trakt. Die Stoffe Rivastigmin, Donepezil und Physostigmin sind nichtquartäre Stoffe (das heißt, es binden sich weniger als 4 organische Reste an das Stickstoffatoms) und durchdringen deshalb leicht die Blut-Hirn-Schranke. Die Bioverfügbarkeit liegt bei einer Dosierung von 6 mg zwischen 60,2% und 71,7%, gemessen in der Zerebrospinalfüssigkeit im Zeitraum von 1,4 bis 3,8 Stunden nach einer oralen Verabreichung (Vgl. Hossain, 2002). Durch die Verwendung eines transdermalen Pflasters lässt sich das pharmakokinetische Profil von Rivastigmin weiter verbessern. Ein TTS mit einer Dosierung von 9,5 mg/24h hat die selbe Wirkung wie die orale Einnahme der maximal empfohlenen Dosis von 12 mg/24h (Vgl. Cummings, 2007). Wechselwirkungen Rivastigmin wird größtenteils von Esterasen abgebaut und interagiert kaum mit Cytochromen. Aufgrund seiner pharmakologischen Eigenschaften sollte Rivastigmin nicht 22 zusammen mit Parasympathomimetika und Parasympatholytika verwendet werden. Wechselwirkungen können auch mit Betablockern auftreten. Hier besteht die Gefahr einer Erhöhung des Bradykardie-Risikos. Kontraindikation Eine Kontraindikation von Rivastigmin liegt bei schwerer Leber- und Niereninsuffizienz vor. In der Schwangerschaft sollte das Präparat nur dann eingenommen werden, wenn ein Absetzten unmöglich ist. Des weiteren ist Rivastigmin bei Erkrankungen Asthma bronchiale bzw. schweren Erkrankungen der Atemwege, bei geringem Körpergewicht, Tremor und Unverträglichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder anderen Carbamat-Derivaten (z.B. Retigabin zur Behandlung von Epilepsie) (vgl. Pharmawiki) kontraindiziert (Vgl. Gebrauchsinformation Rivastigmin neuraxpharm® 6mg, 2012). Unerwünschte Nebenwirkungen I. Sehr häufige Nebenwirkungen → Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Appetitlosigkeit II. Häufige Nebenwirkungen → Sodbrennen, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwitzen III. Gelegentliche Nebenwirkungen → Depression, Schlafstörungen, Stürze IV. Seltene Nebenwirkungen → Brustschmerzen, Krampfanfälle, Hautausschlag, Magen- und Darm-Geschwüre (Vgl. Gebrauchsinformation Rivastigmin neuraxpharm® 6mg, 2012) 6.3.1.4.) Donepezil Der japanische Pharmakonzern Eisai begann im Jahr 1983 unter der Leitung des Chemikers und Pharmakologen Hachiro Sugimoto mit der Entwicklung des Arzneimittels, welches zu dieser Zeit als E2020 bekannt war. Die First-in-human Phase (Phase I des Zulassungsverfahrens) wurde 1989 durchgeführt. Phase IV (die endgültige Zulassung des Arzneimittels) wurde in den USA 1996 erreicht. Das Patent lief im Jahr 2012 aus. Seitdem ist Donepezil als Generikum erhältlich. Wie bei allen anderen CholinesteraseHemmstoffen auch, ist die tatsächliche Wirkung von Donepezil nicht gänzlich bewiesen. In Studien, die über einen Zeitraum von 6-12 Monaten durchgeführt wurden, konnten jedoch 23 nur mäßige Besserungen der kognitiven Fähigkeiten und im Verhalten der Patienten festgestellt werden (Vgl. Steele, 1999, S. 919). Donepezil-Präparate wurden in zulassungsüberschreitender Anwendung (engl. off-label use) bei Lewy-Körper-Demenz und vaskulärer Demenz eingesetzt. Des weiteren wurde Donepezil auch bei Schizophrenie, Aufmerksamkeitsdefizit und postoperativ nach Koronararterien-Bypass eingesetzt (Vgl. Doraiswamy, 2007). Die Dosierung von Donepezil liegt innerhalb der ersten 4-6 Wochen bei 5 mg/24h, jeweils abends verabreicht. Nach 4-6 Wochen kann die Dosis auf 10 mg/24h gesteigert werden (Vgl. Mutschler, 2008, S. 196). gängige Handelsnamen sind: • Aricept ® → Deutschland, Österreich, Schweiz • Donepezil „ratiopharm“® → Österreich (vgl. Erstattungskodex) Abbildung 9: Aricept 10 mg • Yasnal ® → in Deutschland verbreitet • Memac ® → in Italien gängiges Präparat Pharmakokinetik Die Bioverfügbarkeit von Donepezil liegt bei oraler Verabreichung bei 100%. Das Arzneimittel kann aufgrund seiner nichtquartären Struktur leicht die Blut-Hirn-Schranke passieren. Der maximale Plasmaspiegel wird nach 3-5 Stunden erreicht. Die Metabolisierung erfolgt durch die Cytochrom-Isoenzyme CYP2D6 und CYP3A4 in der Leber und die Ausscheidung erfolgt mit einer Plasmahalbwertszeit von 70-100 Stunden großteils renal (Vgl. Infomed online, 1998). Wechselwirkungen Wechselwirkungen können vor allem bei gleichzeitiger Einnahme von anderen Antidementiva, wie z.B. Galantamin, Anticholinergika wie z.B. Tolterodin, oder in Verbindung mit diversen Antibiotika wie z.B. Erythromycin oder Rifampicin, auftreten. Patienten, die Donepezil einnehmen, müssen dies unbedingt vor einer anstehenden 24 Operation mit Vollnarkose angeben, da das Präparat die Menge an benötigtem Anästhetikum beeinflussen kann. Nahrungsaufnahme beeinflusst die Wirkung von Donepezil nicht. Der Genuss von Alkohol in Verbindung mit Donepezil ist untersagt, da Alkohol die Wirkung des Arzneimittels senken kann (Vgl. Gebrauchsinformation Aricept © 5mg Filmtabletten, 2011). Kontraindikation Donepezil ist bei Unverträglichkeit gegenüber Piperidin-Derivate wie z.B. Domperidon kontraindiziert. Des weiteren liegt bei Herzerkrankungen (Sick-sinus-syndrom, supventrikulärer Reizleitungsstörung), Synkope, Asthma bronchiale, Leberfunktionsstörungen bzw. Hepatitis und Krampfanfall-Neigung eine Kontraindikation vor. Während einer Schwangerschaft und der darauf folgenden Stillzeit darf Donepezil nicht eingenommen werden (Vgl. Gebrauchsinformation Aricept ©, 2011). Unerwünschte Nebenwirkungen I. Sehr häufige Nebenwirkungen → Durchfall, Übelkeit, Kopfschmerzen II. Häufige Nebenwirkungen → Krämpfe, Schlaflosigkeit, Halluzinationen, aggressives Verhalten, Ohnmacht, Schwindelgefühl, Juckreiz, Ausschlag, Harninkontinenz, ungewöhnliche Träume (inkl. Alpträume), Appetitlosigkeit, Stürze, Erkältung III. Gelegentliche Nebenwirkungen → Bradykardie IV. Seltene Nebenwirkungen → Steifheit, Tremor, unkontrollierte Bewegungen im Gesicht, and der Zunge und an den Gliedmaßen (Vgl. Gebrauchsinformation Aricept ©, 2011) 6.3.1.5.) Galantamin Unter Galantamin versteht man ein Pflanzenalkaloid, das ursprünglich aus Schneeglöckchen und bestimmten Narzissenarten (Gelbe Narzisse) isoliert wurde. Erste Forschungsanstrengungen zur Verwendung von Galantamin in Verbindung mit seiner 25 acetylcholinesterasehemmenden Wirkung wurden in den 1950er Jahren in den UDSSR durchgeführt (Vgl. Heinrich,2004, S. 905). Vorangetrieben wurde die Forschung vor allem durch den Pharmazeuten Mikhail Davidovich Mashkovsky, der zusammen mit seinem Kollegen R. P. Kruglikova–Lvova 1951 die erste Studie über die anticholinerge Wirkung des Galantamin veröffentlichte (Vgl. Mashkovsky, 1951). Neben seiner ursprünglichen Verwendung als Antidementivum werden Galantamin-Präparate auch noch als Nootropika (Vgl. Life enhancement, 2007) und zur Behandlung von Autismus bei Kindern verwendet (Vgl. Ghaleiha et al., 2013). Von Galantamin verabreicht man initial einen Dosis von 8 mg/24h. Eine spätere Dosissteigerung auf 16-24 mg/24h ist je nach Verträglichkeit möglich. Der Wirkstoff ist in Form von Hartkapseln (4, 6 oder 12 mg), als Retardpräparat (8, 16 oder 24 mg) sowie als orale Lösung (4 mg/ml) erhältlich. Gebräuchliche Handelsnamen sind: • Reminyl ® → in Deutschland, Österreich und der Schweiz verbreitet • Galantamin „ratiopharm“ ® → wird in Österreich verwendet (Vgl. Erstattungskodex) • Galnora ® → erstes Generikum mit dem Wirkstoff Galantamin Pharmakokinetik Galantamin wird, oral verabreicht, sehr rasch resorbiert. Die Bioverfügbarkeit liegt im Bereich zwischen 80% und 100%. Die Plasmahalbwertszeit von Galantamin liegt bei 6 Stunden, wobei die höchste anticholinerge Wirkung nach einer Stunde erreicht wird (Vgl. Mutschler, 2008, S. 196). Rund 75% des Wirkstoffes werden in der Leber metabolisiert. An diesem Vorgang sind vor allem die beiden hepatischen Enzyme Cytochrom P450 2D6 (CYP2D6) und Cytochrom P450 3A4 (CYP3A4) beteiligt. Wechselwirkungen Wie bei den vorher erwähnten Antidementiva kann es auch bei der Einnahme von Galantamin zu einer pharmakologischen Wechselwirkung mit anderen gleichartig wirkenden Arzneistoffen (z.B. Rivastigmin, Donepezil, Neostigmin oder Pilocarpin) 26 kommen. Zu Wechselwirkungen kann es auch bei gleichzeitiger Einnahme von Galantamin und Paroxetin (Antidepressivum), Erythromycin (Antibiotikum), Chinidin (Medikament gegen Herzrythmusstörungen) oder Ritonavir (HIV-Protease-Hemmer) kommen (Vgl. Gebrauchsinformation REMINYL®, 2013). Kontraindikation Galantamin sollte nur bei Morbus Alzheimer, nicht aber bei anderen Formen von Demenz eingesetzt werden. Eine klare Kontraindikation liegt bei Leber- oder Niereninsuffizienz sowie bei Herzerkrankungen (Angina pectoris oder niedrigem Puls) vor. Bei bekannten Erkrankungen der Atemwege wie Asthma Bronchiale oder COPD (Chronisch obstruktive Lungenerkrankung) und Störungen des zentralen Nervensystems (Epilepsie oder Morbus Parkinson) ist die Gabe von Galantamin ebenfalls kontraindiziert. Patientinnen dürfen während der Behandlung mit Galantamin keinesfalls stillen (Vgl. Gebrauchsinformation REMINYL® , 2013). Unerwünschte Nebenwirkungen I. Sehr häufige Nebenwirkungen → Übelkeit, Erbrechen II. Häufige Nebenwirkungen → Gewichtsabnahme, Bradykardie, Vertigo, Tremor, Durchfall, Benommenheit, Ohnmacht, Schwitzen, Krämpfe, Stürze, hoher Blutdruck, Halluzinationen, Depression, Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Schwächegefühl, Magenschmerzen, Verdauungsstörung III. Gelegentliche Nebenwirkung → erhöhte Leberenzyme im Blut, Extrasystolen, Kribbeln der Haut, Veränderung des Geschmackssinns, Schläfrigkeit, Verschwommensehen, Brechreiz, Dehydration, allergische Reaktion IV. Seltene Nebenwirkungen → Entzündung der Leber (Hepatitis) (Vgl. Gebrauchsinformation REMINYL® , 2013) 6.3.2.) NMDA-Rezeptor-Antagonisten 27 Der NDMA-Rezeptor Glutamat besitzt vier Rezeptoren, drei von denen (AMPA-, Kainat- und NMDARezeptoren) sind ligandenaktivierte Ionenkanäle. Ein Rezeptor, der metabotrope Glutamatrezeptor (mGluR-Rezeptor), koppelt an G-Proteine (Vgl. Aktories, 2013, S.114). Als besonders anzusehen ist vor allem der NMDA-Rezeptor. Er zeichnet sich durch vier Charakteristika aus: I. Der Ionenkanal des NMDA-Rezeptors ist im Ruhemembranpotential von Magnesium-(Mg2+) Ionen verstopft. Erst eine leichte Depolarisierung der Zellmembran erlaubt es, dass Mg2+ den Kanal verlässt und er durch einen Agonist geöffnet wird. II. Den geöffneten Kanal passieren neben Na+- und K+-Ionen zusätzlich noch Ca2+Ionen. III. Der NMDA-Rezeptor besitzt eine Bindungsstelle für Glycin. Glycin potenziert die Wirkung von NMDA und Glutamat. IV. Der Rezeptor besitzt Bindungsstellen für eine Reihe verschiedener Substanzen, die den Kanal verstopfen können. Dazu zählen unter anderem das Narkosemittel Ketamin, sein Vorläufer Phencyclidin sowie das Alzheimer- bzw. ParkinsonMedikament Memantin. Die ersten beiden genannten Besonderheiten geben dem NMDA-Rezeptor seine sowohl positive als auch negative Einzigartigkeit. Die vom Membranpotential abhängige Blockade durch Mg2+ gibt der Informationsübertragung durch NDMA-Rezeptoren Plastizität, welcher man eine Rolle bei Lernprozessen und dem Gedächtnis zuschreibt. Glutamat kann aber unter anderem auch bei cerebraler Ischämie oder bei Hypoglykämie neurotoxisch wirken. Für die neurotoxische Wirkung ist der große Ca2 +-Einstrom durch den NMDA-Rezeptor mitverantwortlich (Vgl. Aktories, 2013, S.114). Inaktivierung von Glutamat 28 Freigesetztes Glutamat wird durch spezifisch wirkende Carrier sowohl in die Glutamatnervenendigungen resorbiert als auch in Gliazellen transportiert. In den Nervenendigungen kann sich vesikuläre Speicherung anschließen, während gliales Glutamat in Glutmaian umgewandelt wird und so den Nervenendigungen zur Resynthese von Glutamat angeboten werden kann (Vgl. Aktories, 2013, S.114). Einsatzgebiete von NMDA-Rezeptor-Antagonisten Ein wesentlicher pathogenetischer Faktor, der bei degenerativen Hirnerkrankungen auftritt, ist die Überstimulierung der NMDA-Rezeptoren und die dadurch bedingte Überladung der Neuronen mit Calciuminonen. Diese Überladung wird als Exzitotoxizität (vom lateinischen excitare = antreiben und dem griechischen toxikon = Gift) bezeichnet. Bei diesem Phänomen kommt es durch die übermäßige Ausschüttung von Neurotransmittern wie zum Beispiel Glutamat zu einer Art Selbstzerstörungsmechanismus der Nervenzellen. Dieser Prozess kann, sofern er länger andauert, große Areale des Gehirns befallen. Damit ein NDMA-Rezeptor-Antagonist als ausreichend neuroprotektive Substanz angesehen werden kann, muss er eine Reihe von Eigenschaften aufweisen. Diese sind: • Die normale glutamaterge Neurotransmission sollte nicht oder nur gering beeinflusst werden. Das heißt, der NDMA-Rezeptor-Antagonist soll nicht mit der eigentlichen Glutamat-Bindungsstelle interagieren, sondern „nicht-kompetitiv“ im Inneren des durch NDMA gesteuerten Ionenkanals im Bereich der MagnesiumBindungsstelle angreifen. Dies ist nur möglich, wenn der Kanal erregt und als Folge davon geöffnet wird. Diesen Vorgang bezeichnet man als Use-dependence. • Des weiteren ist es essentiell, dass der jeweilige NMDA-Rezeptor-Antagonist rasch wieder von seiner Bindungsstelle dissoziiert, um eine zu lange Blockade des Kanals und eine damit verbundene anhaltende Funktionsstörung zu vermeiden (Vgl. Mutschler, 2008, S.197). Eine Verbindung, die diese Eigenschaften besitzt ist Memantin. Im Folgenden werde ich nun auf Pharmakodynamik, Pharmakokinetik, Wechselwirkungen, Kontraindikationen und auf unerwünschte Nebenwirkungen eingehen. 29 6.3.2.1.) Memantin Der Einsatz von NMDA-Rezeptor-Antagonisten wie Memantin beruht auf der Annahme, dass Exzitotoxizität an verschiedenen Prozessen der Alzheimer-Demenz beteiligt ist. Der Wirkstoff Memantin ist ein Derivat des Amantadins und wird heute zur Behandlung von moderater bis schwerer Alzheimer Demenz eingesetzt. Neben der Verwendung als Antidementivum wird Memantin zusätzlich noch zur Therapie von Morbus Parkinson eingesetzt. Memantin ist seit 2002 zur Behandlung der Alzheimer-Demenz zugelassen. Diverse Studien aus dem Jahr 2003 schreiben Memantin eine Verzögerung der Progredienz (Vgl. Aktories, 2013, S.149) zu, die allgemeinen Erfolge, die durch eine Behandlung mit NMDA-RezeptorAntagonisten erzielt werden können, lassen sich allerdings nur als mäßig bezeichnen (Vgl. Lüllmann, 2010, S. 367). Die Therapie mit Memantin wird mit einer Dosis von 5mg/24h im Zeitraum von einer Woche begonnen. In der zweiten Woche wird die Dosis auf 10mg/24h gesteigert und in der dritte Woche mit 15mg/24h weitergeführt. Die Erhaltungsdosis (minimale Dosis die eingenommen werden muss, damit der gewünschte Therapieeffekt eintritt) liegt bei 2030mg. Gebräuchliche Handelsnamen sind: • Memando ® → Deutschland • Axura ® → Deutschland, Österreich, Schweiz • Ebixa ® → in Deutschland, Österreich und der Schweiz verbreitet • Memantin „1A Pharma“® → Österreich (Vgl. Erstattungskodex) Pharmakodynamik Wie bereits erwähnt ist Memantin ein nicht-kompetitiver NMDA-Rezeptor-Antagonist, der am glutamatergen System wirkt. Glutamat hat in seiner Eigenschaft als Neurotransmitter im zentralen Nervensystem einen direkten Einfluss auf verschiedene neurologische Prozesse. Beeinträchtigungen des glutamatergen Systems spielen in der Pathophysiologie 30 von verschiedenen Demenzformen eine zentrale Rolle (Vgl. Aktories, 2013, S.113). Aufgrund seines spezifischen Bindungsortes blockiert Memantin die schädliche Wirkung des Glutamats und verhindert somit die „Selbstzerstörung“ der Neuronen. Das Arzneimittel gibt den Ionenkanal, welcher mit dem Rezeptor verbunden ist erst wieder frei sobald, ein physiologisches Signal (z.B. ein kognitiver Prozess) auftritt. Durch diese Eigenschaft kann der Lern- und Gedächtnisprozess normal weiter ablaufen. Pharmakokinetik Memantin wird peroral appliziert und sehr rasch und vollständig resorbiert. Die Ausscheidung erfolgt größtenteils renal und in unveränderter Form. Die Plasmahalbwertszeit von Memantin liegt zwischen 60 und 80 Stunden. Sollte der Patient an einer Niereninsuffizienz leiden, so ist eine Dosisreduktion notwendig. Wechselwirkung Bei NMDA-Rezeptor-Antagonisten wie Memantin können unter anderem bei einer gleichzeitigen Therapie mit Narkosemitteln wie etwa Ketamin Wechselwirkungen auftreten. Durch die Einnahme von Memantin wird des weiteren die Wirkung von Anticholinergika, Leveodopa und dopaminergen Agonisten verstärkt (Vgl. Mutschler, 2008, S.197). Kontraindikation Eine Therapie mit Memantin ist vor allem bei diversen neurologischen Störungen wie schwerem Delir, Angststörungen oder bei Epilepsie kontraindiziert. Patienten, die unter koronarer Herzkrankheit leiden oder kürzlich einen Myokardinfarkt erlitten haben, dürfen Memantin ebenfalls nicht einnehmen. Eine weitere Kontraindikation für die Behandlung mit Memantin liegt vor, sollte der Patient an einer schweren Niereninsuffizienz leiden. In der Stillzeit darf Memantin nicht verabreicht werden (Vgl. Gebrauchsinformation Memantine Merz®, 2012). Unerwünschte Nebenwirkungen 31 I. Sehr häufige Nebenwirkungen → Kopfschmerzen, Schläfrigkeit II. Häufige Nebenwirkungen → erhöhte Leberfunktionswerte, Vertigo, Übelkeit, Erbrechen, erhöhter Blutdruck, Kurzatmigkeit III. Gelegentliche Nebenwirkungen → Müdigkeit, Delir, anormaler Gang, Herzleistungsschwäche, Thrombosen IV. Seltene Nebenwirkungen → Krampfanfälle (Vgl. Gebrauchsinformation Memantine Merz®, 2012) 6.3.3.) Nootropika Unter dem Begriff Nootropikum bzw. Neurotropikum versteht man in der Pharmakologie eine unscharf definierten Gruppe von Arzneimitteln, die einen Einfluss auf verschiedene Hirnleistungen haben. Neben der Pharmakologie kommen Nootropika auch in der Komplementärmedizin und im Wellnessbereich zum Einsatz. Im Volksmund sind Nootropika auch als sogenannte „smart-drugs“ oder als „Hirn-Doping“ bekannt. In der Regel sind sie Arzneimittel, die keine oder allenfalls geringe zentral stimulierende Effekte auf die Konzentrationsfähigkeit, die Aufmerksamkeit oder auf das Urteilsvermögen haben. Erreicht werden diese Effekte durch eine Beeinflussung des Gehirnstoffwechsels, unter anderem durch Verbesserung der Membraneigenschaften oder durch Aktivierung des Proteinstoffwechsels (Vgl. Mutschler, 2013, S.197). Zwar konnte man sowohl in Tierversuchen als auch in Humanstudien einen positiven Effekt von Neurotropika auf gewisse Hinfunktionen sowie auf den Hirnstoffwechsel feststellen, die Wirksamkeit bei degenerativen Hirnerkrankungen wie Morbus Alzheimer ist jedoch weiterhin umstritten. Eine effektive Therapie von dementiellen Erkrankungen mit Nootropika ist nur eingeschränkt möglich. Ausschlaggebend dafür ist die Tatsache, dass die Symptome einer Demenz meist erst dann auftreten, wenn ein Großteil der betroffenen Nervenzellen bereits beschädigt oder vollständig zerstört ist und die Therapie somit zu spät einsetzen würde. Negativ auf die Wirkung von Nootropika als Antidementiva wirkt sich auch die Tatsache aus, dass bei einer Demenz mehrere neuronale Systeme, die durch unterschiedliche Neurotransmitter erregt bzw. gesteuert werden betroffen sind. Eine gleichzeitige pharmakologische Beeinflussung aller dieser Systeme ist nahezu unmöglich. In Bezug auf die Linderung der Krankheitssymptome können Neurotopika eine vorübergehende Linderung schaffen. Studien haben gezeigt, dass sie über einen Zeitraum von 6 Monaten 32 die Fähigkeit der Patienten den Alltag zu bewältigen steigern und somit eine Verlegung in ein Pflegeheim hinauszögern können (Vgl. Mutschler, 2013, S.198). 6.3.3.1.) Ginkgo biloba Ginkgo-Extrakte, die zur Behandlung von verschiedenen Demenzformen verwendet werden, gewinnt man in der Regel aus den Blättern des Ginkgo-Baumes. Dieser Baum ist im asiatischen Raum beheimatet und ist der einzige lebende Vertreter aus der Gruppe der Ginkoales. Ginkgo hat in der traditionellen chinesischen Medizin eine lange Tradtion als Heilpflanze und wird mittlerweile auch in der westlichen Schulmedizin zur Behandlung einer Reihe von Krankheiten eingesetzt. Der europäische Dachverband für Phytotherapie ESCOP (European Scientific Cooperative on Phytotherapy) gibt für Trockenextrakte aus Ginkgo biloba folgende Einsatzgebiete an (Vgl. Hänsel, 2010): • Zur symptomatischen Behandlung von diversen Hirnstörungen (Gedächtnisstörungen, Konzentrationsschwäche, Vertigo, Tinnitus und Kopfschmerzen). • Zur symptomatischen Behandlung von arteriellen Durchblutungsstörungen. Zu den wichtigsten Inhaltsstoffen von Ginkgo-Präparaten zählen Flavonglykoside wie Isorhamnetin und Quercetin, und Terpenlactone, wie Ginkgolide A, B und C sowie Bilobalid. Gängige Ginkgo-Extrakte beinhalten in der Regel 8 bis 10mg Flavonglykoside und 2 bis 2,8mg Terpenlactone pro Einezldosis. Neuere Studien mit standardisierten Ginkgo Extrakten zeigen, dass eine Pharmakotherapie mit eben diesen Extrakten zu Befunden führt, die denen, die durch andere Antidementiva erbracht werden, ähnlich sind. Die letztliche klinische Relevanz dieser Ergebnisse wird jedoch immer noch kontrovers diskutiert (Vgl. Mutschler, 2012, S.197). Pharmakodynamik Die Suche nach wissenschaftlich relevanten Veröffentlichungen, welche die 33 Pharmakodynamik von Ginkgo biloba beschreiben, gestaltete sich schwierig. Es wird vermutet, dass Ginkgo-Präparate eine ähnliche Pharmakodynamik wie Acetylcholinesterase-Hemmer haben. Sie würden also den übermäßigen Abbau von Acetylcholin hemmen. Pharmakokinetik Diverse Humanstudien haben gezeigt, dass peroral verabreichtes Ginkgolid A, B und Bilobalid eine Bioverfügbarkeit von über 80% aufweisen. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass Ginkgo-Extrakte gut resorbiert werden. Des weiteren wurde für Arzneimittel mit dem Wirkstoff Ginkgolid A eine Plasmahalbwertszeit von ca. 4,5 Stunden ermittelt. Bei Präparaten, die Ginkgolid B enthalten liegt die Halbwertszeit bei ca. 10 Stunden und bei Bilobalid bei ca. 3,5 Stunden (Vgl. Ude et al., 2009, S. 419). Weitere pharmakokinetische Parameter können aus der nachstehenden Tabelle entnommen werden: Substanz c-max T-max [h] AUC [µg*h/L] T ½ [h] CL [L/h] 1,06 ± 0,72 146,04 ± 10,07 ± 1,60 [ng/ml] Ginkgolid A 33,29 ± 9,12 4,50 ± 1,55 21,50 Ginkgolid B 16,46 ± 5,02 1,17 ± 0,69 109,9 ± 20,60 10,57 ± 3,56 9,67 ± 2,20 Bilobalid 18,81 ± 8,84 1,17 ± 0,80 78,97 ± 38,98 3,21 ± 0,64 52,18 ± 26,20 Tabelle 1: Pharmakokinetik-Parameter Ginkgolid A, B und Bilobalid Wechselwirkung Ginkgo-Präparate wie Gingium® stehen vor allem mit diversen Antikoagulanzien wie zum Beispiel Phenprocoumon, Warfarin oder Acetylsalicysäure in Wechselwirkung. Eine gleichzeitige Verabreichung dieser beider Arzneimittelgruppen kann zu einer Wirkungsverstärkung der Antikoagulanzien führen (Vgl. Gebrauchsinformation Gingium® Filmtabletten, 2014). Kontraindikation Von einer Therapie mit Ginkgo biloba ist vor allem bei einer Überempfindlichkeit 34 gegenüber dem Wirkstoff sowie in der Schwangerschaft abzuraten. Besondere Vorischt ist geboten, falls eine krankhaft erhöhte Blutungsneigung vorliegt sowie bei gleichzeitiger Behandlung mit gerinnungshemmenden Arzneimitteln. Unerwünschte Nebenwirkungen Bezüglich der Häufigkeit der unerwünschten Nebenwirkungen gibt es keine gesicherten Daten. Nebenwirkungen, die auftreten können, sind Kopfschmerzen, Übelkeit, schwere Überempfindlichkeitsreaktionen sowie Blutungen der inneren Organe (Vgl. Gebrauchsinformation Gingium® Filmtabletten, 2014). 6.3.3.2.) Radikalfänger / Antioxidantien Neben der Alzheimer-Demenz werden eine Vielzahl von Krankheiten wie Morbus Parkinson, Krebs oder Diabetes mit dem Vorhandensein von oxidativem Stress bzw. sogenannten freien Radikalen in Verbindung gebracht. Es wird angenommen, dass sich eine neuroprotektive Wirkung durch die Verabreichung von Substanzen erreichen lässt, die entweder die Entstehung von freien Radikalen verhindern oder deren Wirkung außer Kraft setzen. Zwar wurden in tierexperimentellen Studien einige positive Effekte von Radikalfängern wie Vitamin A, C und E beobachtet, es konnte jedoch kein präventiver Nutzen dieser Vitamine in Humanstudien festgestellt werden (Vgl. Aktories, 2013, S. 726). Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2005 zeigte sogar eine gestiegene Mortalität nach Einnahme von hohen Dosen von α-Tocopherol (>400mg/24h) (Vgl. Miller, 2005, S. 38). Diese Studie wird jedoch hitzig diskutiert, da die Gründe für die Beobachtungen nicht eindeutig aufgezeigt werden. Zu beachten ist die Tatsache, dass z.B. Vitamin E wie ein Fremdstoff abgebaut und ausgeschieden wird und es somit potentiell zu einer Überschneidung mit dem Arzneimittelstoffwechsel kommen kann (Vgl. Aktories, 2005, S. 726). 7.) NICHT-MEDIKAMENTÖSE THERAPIE VON MORBUS ALZHEIMER Neben der gängigen Therapie mit den oben genannten pharmakologischen Präparaten 35 steht den Betroffenen und deren Angehörigen eine Palette von Maßnahmen zur Behandlung der Alzheimer-Demenz zur Verfügung, die auf nicht-medikamentösen Ansätzen beruht. Ziel dieser Maßnahmen ist in der Regel eine Steigerung der Lebensqualität der erkrankten Personen sowie deren Angehörigen. Im Folgenden werden einige dieser Therapieansätze kurz beschrieben. 7.1.) Verhaltenstherapie Diese Form der nicht-medikamentösen Therapie ist vor allem für Patienten im Frühstadium der Erkrankung geeignet. Die Diagnose Alzheimer ist für viele Betroffenen ein Schlag ins Gesicht, mit der sie nicht umgehen können. Viele Patienten gleiten in eine Depression ab oder reagieren mit Wut gegenüber sich selbst oder ihren Mitmenschen. Die Verhaltenstherapie greift hier an und versucht in Kooperation mit Psychologen oder Psychotherapeuten den Betroffenen den Umgang mit der Erkrankung zu erleichtern, indem sie aufklärt und die Krankheit begreifbar macht. 7.2.) Kognitives Training Übungen im kognitiven Bereich eignen sich im Regelfall besonders für Patienten im milden bzw. moderaten Stadium der Alzheimer-Demenz. Im Mittelpunkt des kognitiven Trainings stehen vor allem die Steigerung des allgemeinen Denkvermögens und der Lernfähigkeit. Einzel- bzw. Gruppentherapie, Kreuzworträtsel, Wortspiele oder das Ergänzen von Reimen eigenen sich gut um die kognitiven Fähigkeiten der Patienten zu steigern. 7.3.) Milieutherapie Eine Milieutherapie ist in allen Stadien der Krankheit sinnvoll. Sie zielt insbesondere darauf ab, die Lebensumgebung der Erkrankten so zu gestalten, dass sie ihren individuellen Bedürfnissen und dem jeweiligen Stadium der Demenz gerecht wird. Dazu gehören Maßnahmen wie das Verwenden von glattem Holz, weichen Stoffen oder das Versprühen von bekannten Düften. Diese Maßnahmen können sich in fortgeschritteneren Stadien der Erkrankung positiv auf die Patienten auswirken. 36 7.4.) Ergotherapie Die Ergotherapie hilft Patienten im milden bzw. moderaten Stadium der Krankheit ihre Alltagskompetenzen möglichst lange zu erhalten. Tägliche Bewegung kann dazu beitragen, dass Patienten länger selbstständig essen, trinken und kochen können und Tätigkeiten, wie sich selbständig anzukleiden, durchführen können. 8.) Weitere pharmakotherapeutische Ansätze der Morbus Alzheimer Behandlung Zwar ist die Chance an einer Alzheimer-Demenz zu erkranken heute genauso hoch wie vor 200 Jahren, jedoch hat die Erkrankung heute einen viel höheren Stellenwert als damals. Grund dafür ist die Tatsache, dass durch die Steigerung der Lebenserwartung auch eine Steigerung der Erkrankten einhergeht. Im beginnenden 19. Jahrhundert lag die Lebenserwartung bei durchschnittlich 50 Jahren, womit sich die Population, in der sich eine Alzheimer-Demenz entwickeln könnte, dementsprechend verkleinert. Durch das Ansteigen der Lebenserwartung, vor allem in westlichen Industrienationen, ist die Alzheimer-Krankheit zu einem immer größer werdenden Problem angewachsen. Nachdem es bis zum heutigen Tag noch keine Möglichkeit gibt Alzheimer vollständig zu heilen, stellt die Erkrankung sowohl die Medizin als auch die Pharmaindustrie vor eine große Herausforderung. So wird laufend an neuen Arzneimitteln und Behandlungsmethoden zur Bekämpfung von Morbus Alzheimer geforscht. Im Folgenden wird auf einige dieser Arzneimittel bzw. Behandlungsstrategien eingegangen. 37 8.1.) Inhibition der Beta-Amyloid-Fibrillogenese Die Amyloid-Theorie besagt, dass der Prozess der Beta-Amyloid-Fibrillogenese für eine Reihe von physiologischen Vorgängen verantwortlich ist, die direkten Einfluss auf das Entstehen bzw. das Fortschreiten der Alzheimer-Demenz haben (Vgl. Lashuel et al., 2002, S. 42881). Amyloid-beta 40 und Amyloid-beta 42 sind neurotoxische Stoffe, die beide in Form von Ablagerungen (Plaques) im Gehrin von Alzheimerkranken gefunden werden können. Ziel der Therapie ist es nun, die Fibrollogenese der Beta-Amyloide zu verhindern. Dies kann durch die Verabreichung von Apomorphin und verschiedenen Apomorphinderivaten erreicht werden (Vgl. Lashuel et al., 2002, S. 42881). 8.2.) Hemmung der Tau-Protein-Aggregation Das Tau-Protein ist ein Protein, welches an Mikrotuboli bindet und deren Zusammenbau reguliert. Pathologische Veränderungen des Tau-Proteins können beim Menschen eine Reihe von neurodegenerativen Erkrankungen wie die Pick-Krankheit (Erkrankung des Stirn- bzw. Schläfenlappens des Gehirns ab dem 60. Lebensjahr), eine progressive supranukleäre Blickparese (Erkrankung der Basalganglien) und Morbus Alzheimer hervorrufen. Durch die Verabreichung des als Farbstoff bekannten Methylenblau konnte in einer Studie aus dem Jahr 2008 eine positve Wirkung auf das Fortschreiten der AlzheimerDemenz im milden bzw. moderaten Stadium nachgewiesen werden (Vgl. Atamna et al., 2008, S. 705). 38 8.3.) Florbetapir (18F) Hierbei handelt es sich um eine diagnostische Maßnahme zur Erkennung von Morbus Alzheimer. Die FDA (U.S.-Food and Drug Administration) sprach sich im Jahr 2011 für die Verwendung des Radiopharmakons Florbetapir ( 18F) zur Diagnose der Alzheimer-Demenz aus (Vgl. Usa-Today, 2011). Dieser Empfehlung liegt eine Studie aus dem Jahr 2008 zugrunde, in der durch die Verarbreichung von Florbetapir und einer anschließend durchgeführten Positronen-emissions-tomographie bei 34 von 35 gescannten Patienten eine exakte Diagnose bezüglich einer Alzheimer-Erkankung gestellt werden konnte. (Vgl. The New York Times, 2010). 39 9.) CONCLUSIO Mit einer Gesamtzahl von 26,5 Millionen Erkrankten zählt Morbus Alzheimer zu einer der häufigsten Erkrankungen weltweit. Der Umstand der allgemein gestiegenen Lebenserwartung spielt der absoluten Häufigkeit der Alzheimer-Demenz in die Hände. Nachdem die Anzahl der Hochaltrigen stetig im Wachsen begriffen ist, nimmt auch die Zahl der Demenzkranken ständig zu. Die Tatsache, dass es bis zum heutigen Tag keine definitive Heilung für Morbus Alzheimer gibt, stellt sowohl die Pharmakologie als auch die Medizin vor eine große Herausforderung. Die Alzheimer-Demenz hat jedoch nicht nur für diese beiden Professionen Bedeutung. Die Erkrankung ist auch in diversen anderen Sektoren wie der Politik und der Pflege, die sich unter anderem mit der Fragestellung „Wie geht man mit der wachsenden Anzahl an Erkrankten um?“ beschäftigten, zu einem wichtigen Thema geworden. Schlussendlich betrifft die Erkrankung nicht nur den jeweiligen Patienten, sondern auch dessen soziales Umfeld, welches durch die Vielzahl von Einschränkungen und Veränderungen, welche die Alzheimer-Demenz mit sich bringt gefordert bzw. überfordert sind. Zukünftige Forschungsanstrengungen können an jedem dieser Punkte angreifen und Verbesserungen für das Individuum und die Gesellschaft hervorbringen. Benedict Danner Graz am 16.09.2014 40 10.) LITERATURVERZEICHNIS Aktories K., Föstermann U., Hofman F.B., Starke K. (2013) Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. München: Elsevier GmbH Atamna H., Ngyuen A., Schultz C., Boyle K., Newberry J., Kato H., Amnes B.N. 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ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Auguste Deter (Public Domain, http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/1d/Auguste_D_aus_Marktbreit.jpg) Stand: 16.09.2014..................................................................................................................8 Abbildung 2: Caspase 1 (Public Domain, http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/b/b9/Protein_CASP1_PDB_1bmq.p ng/250px-Protein_CASP1_PDB_1bmq.png) Stand: 16.09.2014..................................................................................................................9 Abbildung 3: Strukturformel Acetylcholin (Public Domain, http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/6/6e/Acetylcholin2.svg/288px46 Acetylcholin2.svg.png) Stand: 16.09.2014................................................................................................................11 Abbildung 4: M3-Acetylcholinrezeptor (Public Domain, http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/38/Muscarinic_acetylcholine_receptor_M 2-3UON.png) Stand: 16.09.2014................................................................................................................12 Abbildung 5: Inzidenz Morbus Alzheimer (Vgl. Dialogues in clinical neuroscience) Stand: 16.09.2014................................................................................................................14 Abbildung 6: Prävalenz Morbus Alzheimer in Deutschland (Vgl. Deutsche Alzheimer Gesellschaft) Stand: 16.09.2014................................................................................................................15 Abbildung 7: Strukturformel Physostigmin (Public Domain, http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/5/5a/Physostigmine_Structural_For mulae.png/1024px-Physostigmine_Structural_Formulae.png) Stand: 16.09.2014 ...............................................................................................................19 Abbildung 8: Wirkung von Cholinesterase-Hemmstoffen (Vgl. PharmaWiki, http://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Cholinesterase_Hemmer) Stand: 16.09.2014................................................................................................................20 Abbildung 9: Aricept 10 mg (Vgl. Pillbox, http://pillbox.nlm.nih.gov/assets/large/628560246.jpg) Stand: 16.09.2014................................................................................................................24 Abbildung 10: Strukturformel Galantamin (Public Domain, http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/0/0a/Galantamine_Structural_Form ulae.png/270px-Galantamine_Structural_Formulae.png) Stand: 16.09.2014................................................................................................................25 Abbildung 11: Strukturformel Memantin (Public Domain, http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/7/77/Memantin_Struktur.png/200pxMemantin_Struktur.png) Stand: 16.09.2014................................................................................................................30 Abbildung 12: Grundstruktur Ginkgolide (Public Domain, http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/1/18/Ginkgolide.svg/450pxGinkgolide.svg.png) Stand.16.09.2014.................................................................................................................33 47 Abbildung 13: Lebenserwartung 1960-2010 (Eigenes Werk mit Daten United Nations Organisation, http://esa.un.org/wpp/unpp/p2k0data.asp)....................................................37 Abbildung 14: Strukturformel Methylthioniniumchlorid (Public Domain, http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/9/9f/Methylene_blue.svg/1024pxMethylene_blue.svg.png) Stand: 16.09.2014................................................................................................................38 13.) TABELLENVERZEICHNIS Tabelle 1: Pharmakokinetik-Parameter Ginkgolid A, B und Bilobalid (Vgl. Ude et al. 2009, S.420)................................................................................................34 48