Sichere Wege zu mehr Beschäftigung? Wissenschaft trifft Praxis. Arbeitsmarktpolitische Tagung des IAB und der Ev. Akademie Bad Boll Bad Boll, 7.-8. Mai 2007 Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf Neue Ansätze in der Arbeitsmarktpolitik Prof. Dr. Ute Klammer Universität Duisburg-Essen [email protected] Sichere Wege zu mehr Beschäftigung? Wissenschaft trifft Praxis. Arbeitsmarktpolitische Tagung des IAB und der Ev. Akademie Bad Boll Bad Boll, 7.-8. Mai 2007 Bzw: Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf Empirische Befunde und grundsätzliche Überlegungen Prof. Dr. Ute Klammer Universität Duisburg-Essen [email protected] Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Gliederung: 1. Problemaufriss 2. Arbeitsmarktrisiken, Diskontinuitäten und Übergänge: Ausgewählte empirische Befunde für Deutschland 3. Ein Blick auf Europa und auf die europäische Beschäftigungsstrategie 4. Gestaltung von Übergängen als Zukunftsaufgabe der Arbeitsmarktund Sozialpolitik 4.1 Hilfreiche Denkansätze 4.2 Wichtige Bausteine und Akteure im Hinblick auf ein soziales Übergangs- und Risikomanagement Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … 1. Problemaufriss Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … 2. Arbeitsmarktrisiken, Diskontinuitäten und Übergänge: Ausgewählte empirische Befunde für Deutschland in % der Beschäftigten der jeweiligen Gruppe Anteil der Erwerbstätigen in befristeten Beschäftigungsverhältnissen nach Alter Deutschland 30 25,6 25,4 25 20 15 10 13,5 11,6 6,7 6,8 11,2 7,8 7,8 8,5 5 0 Männer Frauen Alter 54-63 44-53 34-43 24-33 23 und jünger Quelle: BIBB/IAB-Erhebung; Auswertungen für Klammer/Tillmann 2002. Gründe für den Wechsel des Arbeitsplatzes nach Alter, Deutschland in % der Beschäftigten mit Arbeitsplatzwechsel 80 69,7 68,1 65,6 63 56,5 60 40 18,0 20 8,8 9,0 11,5 16,0 13,6 3,7 5,1 7,1 10,6 0 Auf eigenen Wunsch 54 - 63 1936-1945 Auf Wunsch des Betriebes 44 - 53 1946-1955 34 - 43 1956-1965 Wegen eines befristeten Zeitvertrages 24 - 33 1966-1975 bis 231976 nach Quelle: BIBB/IAB-Erhebung; Auswertungen für Klammer/Tillmann 2002. Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Wichtig: Die Perspektive des Erwerbs- bzw. Lebensverlaufs! Anteil der Frauen mit Phasen der "Haushaltsführung mit Kindern unter 18 Jahren" nach Kohorten und Landesteil, in % 100 83,0 80 82,7 78,6 82,9 78,2 76,7 70,3 69,1 68,9 63,4 60 66,1 in % 56,6 40 20 0 Westdeutschland Ostdeutschland Deutschland Geburtskohorten 1936-40 1941-45 1946-50 Quelle: Daten der AVID; Auswertungen für Klammer/Tillmann 2002. 1951-55 Anteil der Personen mit Teilzeitphasen nach Kohorten, Geschlecht und Landesteil, in % 100 86.2 82.383.8 79.4 77.2 80 70.8 73.5 69.4 68.2 65.4 60 in % 54.7 50.7 40 20 0.3 0.7 0.5 1.7 0.4 0.2 0.3 0.6 0.5 1.3 0 Männer Frauen Westdeutschland Männer Frauen Ostdeutschland Geburtskohorten 1936-40 1941-45 1946-50 Quelle: Daten der AVID; Auswertungen für Klammer/Tillmann 2002. Männer Frauen Deutschland 1951-55 Anteil der Personen mit Selbstständigkeitsphasen nach Kohorten, Geschlecht und Landesteil, in % 25 21,5 20 19,5 17,8 18,4 in % 15,5 15,2 15 16,1 15,9 13,7 10,3 13,4 12,3 12,1 10 17,5 17,3 16,2 11,4 10,5 9,6 9 8,1 8,5 8,2 8,1 5 0 Männer Frauen Westdeutschland 1936-40 Männer Frauen Ostdeutschland Geburtskohorten 1941-45 1946-50 Quelle: Daten der AVID; Auswertungen für Klammer/Tillmann 2002. Männer Frauen Deutschland 1951-55 Anteil der Personen mit Phasen der Arbeitslosigkeit nach Kohorten, Geschlecht und Landesteil, in % 80 71,9 70 63,5 58,7 60 53,3 50,8 in % 50 40 56,3 62,6 62,5 56,9 49,0 44,9 42,8 41,8 40,3 34,2 47,5 47,2 44,7 38,5 39,8 55,5 53,9 38,5 32,8 30 20 10 0 Männer Frauen Männer Westdeutschland Frauen Männer Ostdeutschland Geburtskohorten 1936-40 1941-45 1946-50 Quelle: Daten der AVID; Auswertungen für Klammer/Tillmann 2002. Frauen Deutschland 1951-55 Betroffenheit von Arbeitslosigkeit bis zum Alter von 30 Jahren, nach Kohorten Westdeutschland in % 60 53 53 47 50 43 40 30 20 29 31 24 15 10 18 17 13 5 8 4 0 1931-35 1936-40 1941-45 1946-50 1951-50 1956-60 1961-65 Geburtskohorten Männer Frauen Quelle: Daten der IAB-Beschäftigtenstichprobe; Auswertungen für Klammer/Tillmann 2002. 100 % Versicherungspflichtige Erwerbsjahre in der Erwerbsbiografie nach Kohorten und Geschlecht Deutschland, in % in % der Basis 5,8 6,5 9,9 8,0 8,1 20,0 26,2 13 15,3 15,7 35,3 19,4 40,4 23,9 32,1 42,3 22,2 30,3 7,6 1936-1940 1951-1955 1936-1940 Männer 45 Jahre und mehr 35 bis unter 45 Jahre 25 bis unter 35 Jahre Quelle: Daten der AVID; Auswertungen für Klammer/Tillmann 2002. 12,9 1951-1955 Frauen 15 bis unter 25 Jahre Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Diskontinuitäten und Übergänge Zsfg. einiger exemplarischer Befunde für Deutschland: z Bei insgesamt relativ stabiler Betriebszugehörigkeitsdauer (labour turnover rate) sehr unterschiedliche Betroffenheit verschiedener Gruppen der Erwerbsbevölkerung von flexiblen Arbeitsverhältnissen, Arbeitslosigkeit und damit auch Übergängen (Segregation/Segmentierung) z Besondere Flexibilitätsrisiken tragen die „Newcomer“ auf dem Arbeitsmarkt sowie die Niedrigqualifizierten (befristete Beschäftigung, frühe Betroffenheit von Arbeitslosigkeit) z Arbeitsplatzwechsel überwiegend freiwillig, aber bei jüngeren Beschäftigten seltener freiwillig und geringere Chancen der Verbesserung z „Unvollständige“ Erwerbsbiographien nehmen v.a. bei Männern zu (Gegentendenz bei Frauen, allerdings bei fortbestehender „Erwerbslücke“) Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Zentrale Frage - 1: Sind flexible Arbeitsverhältnisse und Übergänge Sprungbretter oder Sackgassen? Zahl der Arbeitgeber1) in der bisherigen Erwerbsbiografie (in % der jeweiligen Erwerbstätigen2)) D D-West D-Ost In % der jeweiligen Erwerbstätigen Alle Erwerbstätigen 1 Arbeitgeber 28,2 29,7 21,9 2 Arbeitgeber 25,7 25,3 27,5 3 Arbeitgeber 18,9 17,9 22,9 4 Arbeitgeber 11,2 10,8 12,9 5 und mehr Arbeitgeber 15,3 15,6 14,0 Weiß nicht/verweigert 0,8 0,8 0,8 Summe 100,0 100,0 100,0 3) Befristet Beschäftigte 1 Arbeitgeber 23,1 27,7 13,5 2 Arbeitgeber 21,2 22,3 18,9 3 Arbeitgeber 18,8 16,7 23,3 4 Arbeitgeber 13,6 11,3 18,1 5 und mehr Arbeitgeber 22,0 20,8 24,4 Weiß nicht/verweigert 1,4 1,2 1,8 Summe 100,0 100,0 100,0 1) Phasen der Selbstständigkeit zählen wie ein Arbeitgeber. – 2) Alle Erwerbstätigen (inkl. Selbstständige). - 3) Beschäftigungsstatus zum Zeitpunkt der Befragung. Quelle: BIBB/IAB-Erhebung zu Erwerb und Verwertung beruflicher Qualifikationen; Berechnungen für Klammer/Tillmann 2002. Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Bisherige Studien zeigen überwiegend wenig befriedigende Ergebnisse bzgl. der erhofften „Brückenfunktion“ flexibler Beschäftigung z.B: z Zur befristeten Beschäftigung: McGinnity und Mertens (2002) mit Daten des SOEP: Nur etwa ein Drittel der befristet Beschäftigten – in der Regel die besser Qualifizierten – erlebte in den Folgejahren eine problemlose berufliche Entwicklung (mit Anschlussverträgen oder Wechsel in unbefristete Beschäftigung sowie positiver Lohnentwicklung). Rudolph (2005): Im oberen Segment haben befristete Beschäftigungsverträge eher die Funktion einer Erprobungsphase, während sie im unteren Segment häufig zur Anpassung der Beschäftigung an wechselnde Auftragslagen genutzt werden und für die Betroffenen sehr viel prekärer sind. z Zur Leiharbeit: Jahn (2004): Zwar konnte 2003 rund die Hälfte der Leiharbeiter, die die PSA verließen, in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wechseln, die andere Hälfte der Teilnehmer verließ die PSA jedoch ohne die angestrebte Integration Promberger (2005): der „Klebeeffekt“ der Leiharbeit, d.h. die Übernahme durch die Entleihbetriebe, fällt mit rund 15% bisher eher gering aus. z Zur Aufstiegsmobilität allgemein: Rhein/Gartner/Krug (2005) auf Basis der IAB-Beschäftigtenstichprobe: Insgesamt ist die Aufstiegsmobilität aus dem Niedriglohnbereich im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte deutlich zurückgegangen Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Konsequenzen der beruflichen Diskontinuitäten für die Beschäftigten z vielfältige Einschränkungen im sozialen Schutz (Sozialversicherungen, aber z.B. auch Elternzeit, betriebliche Alterssicherung etc.) – zum Teil Kumulation z Unsicherheiten in frühen Lebensphasen verhindern langfristige Entscheidungen, z.B. Familiengründung z Negative Einflüsse der Jobunsicherheit und Arbeitslosigkeit auf die Gesundheit z Allgemein: gestiegene Anforderungen an den Arbeitnehmer als „Arbeitskraftunternehmer“ (Voß/Pongratz) z Allerdings: Nicht jedes flexible Beschäftigungsverhältnis ist „prekär“: Prekarität entsteht im Lebenszusammenhang! Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Zentrale Frage - 2: Überzeugen die arbeitsmarktpolitischen „Brücken“ zur Bewältigung von Übergängen? Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Gemischte Ergebnisse zur „Brückenfunktion“ arbeitsmarktpolitischer Instrumente – (Hartz-Evaluation): z z z z z z z z z „Eingliederung in Erwerbstätigkeit“ als zentrales Erfolgskriterium, Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit nur indirekt gemessen Arbeitsmarktpolit. Kernelemente (wie berufl. Weiterbildung, Eingliederungszuschüsse, Existenzgründungszuschüsse) haben zu schnellerer Arbeitsmarktintegration geführt Vermittlungnahe Dienstleistungen: nur begrenzter Erfolg (Vermittlungsgutscheine: ja, jedoch eher Aufnahme von instabiler Beschäftigung; Beauftragung Dritter mit Leistungen: weniger) PSA und ABM wenig erfolgreich, ebenso Transferleistungen des SGB III Großer Anstieg der Minijobs (Substitution?) Sperrzeiten zeigen Wirkung (Zwang) Unterscheidung von Markt-/Beratungskunden und Betreuungskunden: Creaming, Ausschluss der letzteren von vielen Leistungen Konzentration auf Arbeitsmarktintegration hat zur Vernachlässigung von Prävention geführt Makrobetrachtung und Benchmarking z.T. widersprüchlich Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Schlussfolgerungen aus der Evaluation: z Fazit Evaluationsbericht: Neuregelungen haben nur in geringem Maße zum Abbau der Arbeitslosigkeit beigetragen z Problem aber vor allem: Konzentration auf das Kriterium der Erwerbseingliederung verstellt den Blick auf die Qualität von Übergängen und die Nachhaltigkeit, ebenso auf die Verantwortlichkeit für das Management der jeweiligen (Übergangs-)Risiken Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … 3. Ein Blick auf Europa und auf die europäische Beschäftigungsstrategie Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Einige Befunde zu Übergängen in der EU aus: European Commission, Employment in Europe 2004 - I z Europ. Arbeitsmärkte sind inzwischen insgesamt durch ein hohes Maß an Übergängen gekennzeichnet. z Etwa ein Drittel der befristet Beschäftigten hat nach einem Jahr einen „stabileren“ Arbeitsplatz gefunden; allerdings waren nach 6 Jahren 16% der prekär Beschäftigten immer noch in einer ähnlichen Position und 20% sogar aus der Erwerbstätigkeit ausgeschieden. z Niedriglohnbeschäftigung machte im Untersuchungszeitraum (späte 1990er Jahre) etwa 15% der Beschäftigung aus und war vor allem in Deutschland (und den Niederlanden) stark gestiegen. Nach 7 Jahren hatten nur 44% der Niedriglohnbeschäftigten ein Einkommen oberhalb des Niedriglohnbereiches erreicht, dagegen waren 30% (im Vergleich: 17% der Beschäftigten mit hohen Löhnen) nicht mehr erwerbstätig. In Deutschland und England waren die Chancen, den Niedriglohnbereich zu überwinden, besonders schlecht. z z z Die Wahrscheinlichkeit, aus Arbeitslosigkeit oder Inaktivität in Beschäftigung zu wechseln war besonders niedrig in Belgien, Griechenland, Italien und Luxemburg; die Wahrscheinlichkeit, die Erwerbstätigkeit zu verlassen war besonders hoch in Deutschland und Spanien. Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Einige Befunde zu Übergängen in der EU aus: European Commission, Employment in Europe 2004 - II z Frauen, Niedrigqualifizierte, Ältere und z.T. jüngere Menschen haben in den meisten Ländern vergleichsweise schlechte Chancen, sich bei Übergängen zu verbessern; insgesamt bestätigten die Analysen für die meisten Länder das Risiko der Arbeitsmarktsegmentierung. z Training „on the job“ wirkte sich kurzfristig günstig aus, z.B. für die Chance des Übergangs von einem befristeten in einen unbefristeten Vertrag; externe Weiterbildung hatte dagegen langfristig einen positiveren Effekt. z Simulationsrechnung: Durch Vermehrung der „guten“ Übergängen und Reduzierung der „schlechten“ Übergänge könnte das Beschäftigungsniveau in der EU um 4%-Punkte gesteigert und die Arbeitslosigkeit um 2%-Punkte gesenkt werden. z EU-Mobilitätsindex: korreliert mit Beschäftigungsquote; Steigerung der Erwerbtätigenquoten offensichtlich abhängig von Steigerung der Übergangsraten. Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Arbeitsmarktpartizipation und -übergänge im Lebensverlauf in verschiedenen europäischen Wohlfahrtsstaatregimes z Allg. Befund: die unterschiedlichen Wohlfahrtsstaatstypen unterscheiden sich gravierend bzgl. des Niveaus und der Kontinuität der Arbeitsmarktpartizipation verschiedener Subgruppen der Bevölkerung im Erwerbsalter sowie bzgl. der Jobunsicherheit, Beschäftigungsrisiken und Übergangswahrscheinlichkeiten für bestimmte Gruppen! z Es kann davon ausgegangen werden, dass neben der allgemeinen wirtschaftlichen Lage institutionelle Faktoren wie Freistellungsoptionen, Kündigungsschutz, Aktivierungsmaßnahmen im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik etc. hier eine wichtige Rolle spielen. Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Relevante Faktoren für die Absicherung eines bestimmten Status/Übergangs: z Inwieweit wird (im jeweiligen Land) der entsprechende Status/Übergang als „soziales Risiko“ angesehen, das der kollektiven Regulierung bzw. eines sozialen Schutzes bedarf? z Inwieweit wird (im jeweiligen Land) der entsprechende Status als „sozial wertvolle“ nicht-marktliche Aktivität angesehen, die einen sozialen Schutz bzw. eine kollektive Unterstützung verdient? z Inwieweit wird (im jeweiligen Land) der entsprechende Status/Übergang als „freiwillig“ oder „unfreiwillig“ angesehen? Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Problem: • Starke Fokussierung der Lissabon-Strategie auf die Steigerung der Erwerbstätigenquoten • weiter verschärft durch die Neujustierung im Anschluss an den Bericht der Employment Taskforce unter Leitung von Wim van Kok (Bericht „Jobs, jobs, jobs“ 2003) • Arbeitsmarkt(wieder-)eingliederung um jeden Preis? Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … 4. Gestaltung von Übergängen als Zukunftsaufgabe der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … 4.1 Hilfreiche Denkansätze (Auswahl): – – – – – Risiko- und Entscheidungsforschung (Bernstein, Luhmann, Kahnemann et al.) Gerechtigkeitstheorien (Rawls, Dworkin, Sen et al.) Übergangsarbeitsmärkte, Soziales Risikomanagement (Schmid, Gazier et al.) Soziale Ziehungsrechte, neue soziale Rechte (Supiot et al.) Flexicurity (Wilthagen, Madsen, Klammer et al.) Lebenszyklen im Wandel: Wichtige Veränderungen Lebenszyklus Wichtige Veränderungstrends (Auswahl!) Biologischer Lebenszyklus -Steigende Lebenserwartung -Sich ändernde Gesundheitsrisiken und Gesundheitschancen Familiärer Lebenszyklus -Verändertes Heirats- und Scheidungsverhalten -Gesunkene bzw. niedrige Fertilität -Änderungen der Familien- und Haushaltsformen Beruflicher Lebenszyklus -Wertewandel in Bezug auf bezahlte Erwerbsarbeit -„Kompression“ des Lebenserwerbsverlaufs (längere Ausbildungszeiten, früherer Rentenzugang) -neue Arbeits- und Vertragsformen -mehr und andersartige Übergänge, Zunahme diskontinuierlicher Erwerbsbiografien -steigende Bedeutung des lebenslangen Lernens Betrieblicher Lebenszyklus -Abflachung der Hierarchien im Unternehmen -Veränderung in Karriereorientierung und Karriereverläufen -Steigende Anforderungen an die Selbstorganisation der Arbeitnehmer (“Arbeitskraftunternehmer”) -Änderungen in der Altersstruktur der Beschäftigten Lebenszyklus im Job -Veränderungen in den Arbeitsbedingungen -Veränderungen der benötigten Qualifikationen Quelle: Eigene Darstellung inspiriert durch Graf (2001). Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Zentrale neue/steigende Risiken z z z z Risiko sozialer Exklusion durch unzureichende (Aus-)Bildung Risiko der Prekarität wegen befristeter Jobs u.ä. Risiko der Kompression des Lebenserwerbsverlaufs Risiko der Langzeitarbeitslosigkeit und der erzwungenen Inaktivität Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … „Übergänge“ aus der Perspektive der Risikoforschung z z z z Haltung zu Risiken hat sich von fatalistischer Akzeptanz zum Bestreben, Risiken zu meistern, gewandelt (Bernstein 1996) Moderne Gesellschaften verwandeln „Gefahr“ in „Risiko“; dies schließt Wahlmöglichkeiten (choice) ein (Luhmann 1990) Neue Risikoverteilung erfordert neues Risikomanagement; dies sollte als „moral opportunity“ angesehen werden, darüber nachzudenken, was wir den Mitgliedern unserer Gesellschaft schulden (Heimer 2003) Zu unterscheiden: Möglichkeiten der – Risikovorbeugung (Bsp: lebenslanges Lernen), – Risikoabmilderung (Bsp.: Erwerb allgemeiner statt firmenspezifischer Kenntnisse), – Risikobewältigung (Bsp.: ALG, Jobvermittlung) Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Forts. Erkenntnisse der Risikoforschung z Asymmetrien in der Risikowahrnehmung (Verluste stärker wahrgenommen als Gewinne; Gegenwart und Vergangenheit besser als Zukunft eingeschätzt) z Keine Konsistenz der Entscheidungen, keine Nutzenmaximierung z Verhaltensmuster: – – – Bei Wahl zw. sicheren kleinen Gewinnen und unsicheren großen Gewinnen meist Risikoaversion Bei Wahl zw. sicheren und unsicheren Verlusten meist Risikobereitschaft Überschätzung kleiner „naher“ Risiken, Unterschätzung großer „ferner“ Risiken Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Gerechtigkeitstheorien und Schlussfolgerungen für die Verteilung der Verantwortung auf verschiedene Akteure z Rawls: Maximin-Prinzip, Orientierung an den am schlechtesten Gestellten z Dworkin: Kritik an fehlender ethischer Sensitivität; Bedeutung von „choice“, Individuen sind für Ergebnisse mitverantwortlich; Rechte und Pflichten z Sen: Fokus auf gleiche Verwirklichungschancen Wichtige Fragen: 1. 2. Was sind externe, was sind selbst herbeigeführte („manufactured“) Risiken? Welche Risiken können/sollen vom Individuum gemanaged werden, welche bedürfen der kollektiven Unterstützung? Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Soziales Risikomanagement: Risiken und Verantwortlichkeiten Idealtypen der Risikoverteilung Möglichkeit der Akteure zum Risikomanagement Individueller Wahl Risiko resultiert aus… Externen Umständen Schmid (2006: 22); eigene Übersetzung. Individuum Gesellschaft I: II: Solidarität Individuelle Verantwortung III: Individuelle Solidarität IV: Kollektive Solidarität Schematische Darstellung: Kombinationen von Flexibilität und Sicherheit (Quelle: Europ. Kommission, Beschäftigungsausschuss, Dokument SOC 254 ECOFIN 179 zu „Flexicurity“, 19. Mai 2006) Job Security Employment Security Income Security Combination Security External Numerical Flexibility - Types of employment contracts; -Employment protection legislation; - Early retirement -Employment services/ALMP -Training / lifelong learning -Unemployment compensation; -- Other social benefits; -- Minimum wages - Protection against dismissal during various leave schemes Internal Numerical Flexibility - Shortened work weeks / part-time arrangements -Employment protection legislation; - Training/lifelong learning; -Part-time supplementary benefit; -Study grants; - Sickness benefit -Different kind of leave schemes; -Part-time pension Functional Flexibility -Job enrichment - Training -Labour leasing -Subcontracting -Outsourcing -Training / life-long learning; -Job rotation; -Teamwork; -Multiskilling - Performance related pay systems - Voluntary working time arrangements Labour Cost/ Wage Flexibility -Local adjustments in labour costs - Scaling/reductions in social security payments -Changes in social security payments; -Employment subsidies; - In-work benefits -Collective wage agreements; - Adjusted benefit for shortened work week - Voluntary working time arrangements Security Flexibility Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … 4.2 Wichtige Bausteine und Akteure (Auswahl): z Allgemein: Unterstützung von Übergängen z Insbesondere: 1. Unterstützung von Kontinuität und Aufwärtsmobilität z Insbesondere: 2. Unterstützung von Diskontinuität z Flankierend: Neugestaltung der monetären Unterstützungssysteme Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Ad 4.2: Wichtige Bausteine und Akteure Unterstützung von Übergängen z z z z z z z z Barrieren beseitigen (Bsp: Betriebsrenten) Unterstützung bei Übergängen: Krisenmanagement, aber auch Ermutigung (Empowerment) - Sozialpolitische „Brücken“ nötig Aktivierung: z.Zt. in Europa mindestens vier unterschiedliche „Aktivierungsphilosophien“ – Evaluation der Ergebnisse, aber auch normativer Diskurs nötig Palette an Wahlmöglichkeiten an wichtigen Übergangspunkten im Lebensverlauf bereitstellen; Ziel: Menschen als Akteure des eigenen Lebenslaufs „Dekompression“ des Lebenserwerbsverlaufs: Neugestaltung der Erwerbseinstiegsund -ausstiegsphase Ansatz der „Übergangsarbeitsmärkte“ kann helfen, „gute“ Übergänge und passende Unterstützungsangebote zu identifizieren Sozialpolit. Priorität: Langfristige soziale Ausgrenzung und Marginalisierung verhindern, Konzentration auf die „Verlierer/innen“ der Flexibilisierung Ziel: „Aktive Sicherheiten“ Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Ad 4.2: Wichtige Bausteine und Akteure Unterstützung von Kontinuität und Aufwärtsmobilität z z z z Mehr Wissen über langfristige Risiken flexibler Arbeitsverhältnisse nötig Pfade von flexiblen Jobs (z.B. befristeter Beschäftigung) zu stabileren Jobs und mehr Rechten Beitrag der Unternehmen: externe Flexibilität durch interne Flexibilität ersetzen Lebenslanges Lernen: mehr Angebote für Ältere und Niedrigqualifizierte; Mischfinanzierung; „Arbeitsfähigkeitsversicherung“ (Absicherung v. Lohn, Zeitkonten, Lernkonten, Gutscheine, soz. Ziehungsrechte…) z Weiter „Employability“-Ansatz (grunds. Beschäftigungsfähigkeit, physisch-gesundheitl. B., arbeitsmarktbezogene B., Übergangsb., nachhaltige B., an Autonomie und anderen Zeitbedürfnissen orientierte B., sozial eingebettete B. – Gazier) Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Ad 4.2: Wichtige Bausteine und Akteure Unterstützung von Diskontinuität z z z z z z Entwicklung vom „breadwinner model“ zum „adult worker model“ setzt verbesserte Möglichkeiten zur individuellen Arbeitszeitanpassung und für Erwerbsunterbrechungen über den Lebensverlauf voraus Besondere Rechte für Fürsorgeleistende? Beitrag der Unternehmen: Gestaltung flexibler Arbeitszeitmodelle (z.B. Arbeitszeitkonten) Entscheidend: „Zeitsouveränität“, Arbeitskultur – Ziel: der/die Erwerbstätige mit Fürsorgeverpflichtungen als Normvorstellung? Rolle des Staates: Rahmengesetzgebung, Anreize, Information (Bsp: Prognos-Studie) Herausforderung: Unterschiedliche Flexibilisierungsstrategien und „Übergangshilfen“ von Betrieben gegenüber verschiedenen Gruppen von Beschäftigten („Vermarktlichung“ – „verhandelte Stabilität“ – „Mutualisierung“); hierauf müssen die Arbeitsmarktpolitik und die übrigen sozialen Sicherungssysteme stärker Bezug nehmen Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Ad 4.2: Wichtige Bausteine und Akteure Neugestaltung der monetären Unterstützungssysteme z z z z Neue Ansätze zur individuellen Neuverteilung des Einkommens über den Lebensverlauf, z.B. in den Niederlanden – Vorbild für Deutschland? Zusätzlich nötig: Zeit-Optionen mit kollektiver finanzieller Unterstützung, z.B. für Fürsorgeleistende; normativer Diskurs nötig Breiter Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen, Mindestsicherungsfunktion staatlicher Sicherungssysteme gewinnt an Bedeutung; Versicherungspflicht wg. Unterschätzung zukünftiger Risiken und moral hazard Allg. Herausforderung: Eine neue Justierung von „Kommodifizierung“ und „Dekommodifizierung“! Im Fokus: Übergänge im Erwerbsverlauf … Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!