1.3 STETIGKEIT 1.3.1 STETIGKEIT UND KONVERGENZ VON FUNKTIONEN Es seien X und Y topologische Räume. Die zugehörigen topologischen Objekte seien im folgenden jeweils mit X bzw. Y indiziert. Insbesondere seien U X = (UxX )x∈X und U Y = (UyY )y∈Y die jeweiligen Umgebungssysteme von X und Y . Weiter seien zugehörige Umgebungsbasen V X = (VxX )x∈X und V Y = (VyY )y∈Y gegeben. Falls (X, dX ) und/oder (Y, dY ) ein metrischer Raum ist, können als Umgebungsbasen z.B. die jeweiligen ε-Kugeln um x ∈ X bzw. y ∈ Y gewählt werden. Wir betrachten im folgenden Abbildungen f : X ⊃ Df → Y. (1) DEFINITION, BEMERKUNG: (i) Für a ∈ Df definiert bzw. hat man f stetig in a :⇐⇒ ∀ V ∈ UfY(a) ∃ U ∈ UaX ∀ x ∈ Df ∩ U : f (x) ∈ V ⇐⇒ ∀ V ∈ VfY(a) ∃ U ∈ VaX ∀ x ∈ Df ∩ U : f (x) ∈ V. Im Fall, daß X und Y metrische Räume sind, hat man damit f stetig in a ⇐⇒ ∀ ε > 0 ∃ δ > 0 ∀ x ∈ Df : dX (x, a) < δ ⇒ dY (f (x), f (a)) < ε. (ii) Weiter definiert man f stetig :⇐⇒ ∀ a ∈ Df : f stetig in a. (2) BEISPIELE: (i) Für b ∈ Y und M ⊂ X ist die konstante Abbildung f : X ⊃ M 3 x → b ∈ Y stetig. (ii) Für Y ⊂ X ist die Identität (bzw. die Inklusionsabbildung) id : X ⊃ Y 3 y → y ∈ X stetig. (iii) Für einen metrischen Raum (X, d) ist die Metrik d : X × X → IR stetig. 1 Für Funktionen, die auf ganz X definiert sind, ist die folgende Charakterisierung der Stetigkeit nützlich. (3) SATZ: Es sei Df = X, also f : X → Y . Dann gilt: (i) Für a ∈ X : f stetig in a ⇐⇒ ∀ V ∈ UfY(a) : f −1 (V ) ∈ UaX . (ii) f stetig ⇐⇒ ∀ M ∈ OY : f −1 (M ) ∈ OX ⇐⇒ ∀ M ⊂ Y : M abgeschlossen in Y ⇒ f −1 (M ) abgeschlossen in X . Im Fall Df 6= X hat man hier X durch seinen Teilraum Df zu ersetzen, also gemäß 1.2.1 n o UaDf := U ∩ Df | U ∈ UaX , ODf = {O ∩ Df | O ∈ OX } zu betrachten. Die Menge aller stetigen Abbildungen f : X → Y bezeichnen wir mit C(X; Y ). Bevor wir ausführlicher auf stetige Funktionen eingehen, wollen wir kurz den Begriff der ”Konvergenz von Funktionen” behandeln. (4) DEFINITION, BEMERKUNG: (i) Für a ∈ Hp(Df ) und b ∈ Y definiert bzw. hat man: f (x) → b (x → a) Bez.: ”f konvergiert gegen b für x gegen a” :⇐⇒ ∀ V ∈ UbY ∃ U ∈ UaX ∀ x ∈ (Df \ {a}) ∩ U : f (x) ∈ V ⇐⇒ ∀ V ∈ VbY ∃ U ∈ VaX ∀ x ∈ (Df \ {a}) ∩ U : f (x) ∈ V. Im Fall, daß X und Y metrische Räume sind, hat man damit f (x) → b (x → a) ⇐⇒ ∀ ε > 0 ∃ δ > 0 ∀ x ∈ Df : 0 < dX (x, a) < δ ⇒ dY (f (x), b) < ε. (ii) Für a ∈ Hp(Df ) definiert man: f (x) ”konvergent (kgt) für x → a :⇐⇒ ∃ b ∈ Y : f (x) → b (x → a). Ist Y ein Hausdorff-Raum, so ist hierbei b eindeutig bestimmt. Man bezeichnet dann b =: lim f (x) x→a als den Grenzwert von f für x gegen a. Die folgende Bemerkung stellt den Zusammenhang zwischen Konvergenz und Stetigkeit her. 2 (5) BEMERKUNG: Für a ∈ Hp(Df ) und b ∈ Y gilt f (x) → b (x → a) ⇐⇒ ∃ fˆ : X ⊃ Df ∪ {a} → Y stetig in a mit fˆ(x) = f (x), (x ∈ Df \ {a}) und fˆ(a) = b. Hiermit läßt sich die Diskussion der Konvergenz von Funktionen unmittelbar auf die Stetigkeit zurückführen. Wir fahren nun mit der Diskussion stetiger Funktionen fort. Zunächst geht es um die Stetigkeit der Komposition stetiger Funktionen. Dazu seien ein weiterer topologischer Raum Z und eine weitere Abbildung g : Y ⊃ Dg → Z gegeben. Wir betrachten die Komposition g ◦ f : X ⊃ Dg◦f = f −1 (Dg ) 3 x → g(f (x)) ∈ Z. (6) SATZ: Für a ∈ Dg◦f gilt f stetig in a und g stetig in f (a) =⇒ g ◦ f stetig in a und damit f und g stetig =⇒ g ◦ f stetig. Wir betrachten nun die Situation, daß Y ein Produktraum metrischer Räume ist. (7) SATZ: Es seien (Yi , di ), (i = 1, . . . , n) metrische Räume und Y = Ŷ = entsprechende Produktraum. Dann besitzt f die folgende Darstellung f : X ⊃ Df 3 x → f (x) = (fi (x))ni=1 ∈ Y. Für a ∈ Df gilt dann f stetig in a ⇐⇒ ∀ i = 1, . . . , n : fi stetig in a und damit f stetig ⇐⇒ ∀ i = 1, . . . , n : fi stetig. Insbesondere folgt hiermit: Für j = 1, . . . , n ist die j-te Projektion pj : Y 3 y = (yi )ni=1 → yj ∈ Yj stetig. 3 × n i=1 Yi der Ist X = × n i=1 Xi ein Produktraum, so kann man die Stetigkeit von f nicht wie in (7) über ”koordinatenweise” (partielle) Stetigkeit charakterisieren. Ein Gegenbeispiel hierfür liefert (8) BEMERKUNG: Es sei f : IR2 → IR durch f (x, y) := x2 xy , (x, y) 6= (0, 0) + y2 0 , (x, y) = (0, 0) definiert. Dann gilt ∀ x ∈ IR : f (x, .) : IR 3 y → f (x, y) ∈ IR stetig ∀ y ∈ IR : f (., y) : IR 3 y → f (x, y) ∈ IR stetig, d.h. f ist partiell stetig, aber f ist nicht stetig in (0, 0) . Wir betrachten nun speziell einen normierten Vektorraum und zeigen die Stetigkeit der Norm sowie die Stetigkeit der algebraischen Operationen. (9) SATZ: Es sei (X, | . |) normierter Vektorraum über IK = IR oder IK = C I. Dann gilt: (i) Die Norm | . | : X 3 x → | x | ∈ IR ist stetig; (ii) Die Addition + : X × X 3 (x, y) → x + y ∈ X ist stetig; (iii) Die skalare Multiplikation · : IK × X 3 (y, x) → λ · x ∈ X ist stetig. Als direkte Folgerung ergibt sich (10) KOROLLAR: Es sei (Y, | . |) ein normierter Vektorraum über IK = IR oder IK = C I. Weiter seien (für a ∈ X) f : X ⊃ Df → Y stetig (in a), g : X ⊃ Dg → Y stetig (in a), ϕ : X ⊃ Dϕ → IK stetig (in a). Dann sind | f (.) | : X ⊃ Df 3 x → | f (x) | ∈ IR stetig (in a); f + g : X ⊃ Df ∩ Dg 3 x → f (x) + g(x) ∈ Y stetig (in a); ϕ · f : X ⊃ Dϕ ∩ Df 3 x → ϕ(x) · f (x) ∈ Y stetig (in a). 4 Mittels vollständiger Induktion erhält man aus (10) sofort eine entsprechende Verallgemeinerung auf Linearkombinationen der Form f := n X ϕi · fi . i=1 Aus (10) folgt insbesondere, daß in der vorliegenden Situation C(X; Y ) ein Vektorraum über IK ist. Es bietet sich an, hier sogleich auch einige naheliegenden Bemerkungen zur Stetigkeit von linearen und bilinearen – bzw. allgemeiner von n-linearen – Abbildungen zu machen. Wir erinnern an die entsprechenden Definitionen aus der linearen Algebra. Dazu seien zunächst X und Y Vektorräume über dem gleichen Körper IK = IR oder IK = C I. Eine Abbildung f : X → Y heißt (IK−) linear, falls für alle λ1 , λ2 ∈ IK und x1 , x2 ∈ X gilt: f (λ1 x1 + λ2 x2 ) = λ1 f (x1 ) + λ2 f (x2 ) . Die Menge dieser Abbildungen wird üblicherweise mit Hom(X; Y ) bezeichnet. n ∗ Sei nun allgemeiner n ∈ IN und X = Xi , (i = 1, . . . , n). × Eine Abbildung f : n i=1 ×X i=1 i das kartesische Produkt der IK-Vektorräume Xi → Y heißt n-linear, falls für alle x = (xi )ni=1 ∈ X und für alle j = 1, . . . , n die Abbildungen f (x1 , . . . , xj−1 , . , xj+1 , . . . , xn ) : Xj → Y linear sind. Im Fall n = 2 bezeichnet man ein solches f als bilinear. (11) BEMERKUNG: Es sei Y ein normierter Vektorraum über dem Körper IK = IR oder IK = C I . Weiter sei n n ∈ IN∗ und X = ×X i=1 Schließlich sei f : X = i das Produkt der normierten IK-Vektorräume Xi , (i = 1, . . . , n). × n i=1 Xi → Y n-linear. Dann gilt: f stetig ⇐⇒ f stetig in 0 ⇐⇒ f beschränkt auf K 1 (0) ⇐⇒ ∃ γ ∈ [0, +∞[ ∀ x = (xi )ni=1 ∈ X : | f (x) | ≤ γ n Y i=1 (11) läßt sich auf die folgenden speziellen Situationen anwenden: 5 | xi | . (12) BEISPIELE: (i) Es sei X ein normierter Vektorraum über IK = IR oder IK = C I . Dann ist die skalare Multiplikation f : IK × X 3 (α, x) → α x ∈ X bilinear und stetig. (ii) Es sei X = IKn mit n ∈ IN∗ . Dann ist die durch n X f (x, y) := xi yi , (x = (xi )ni=1 , y = (yi )ni=1 ∈ X) i=1 definierte Abbildung f : X × X → IK bilinear und stetig. (iii) Mit n ∈ IN∗ sei X = IKn . Bekanntlich ist die Determinante f := det : X n → IK n-linear . Es gilt | f (x) | ≤ n! n Y | x i |∞ , ( x = (xi )ni=1 ∈ X n ) . i=1 Insbesondere ist damit f stetig. (iv) Mit n ∈ IN∗ sei f ∈ Hom(IKn ; Y ) betrachtet. Bezeichnen eν := (δνµ )nµ=1 , (ν = 1, . . . , n) die kanonischen Basisvektoren von IKn , so gilt für x = (xν )nν=1 = Pn ν=1 xν eν ¯ ¯ n n n ¯X ¯ X X ¯ ¯ | f (x) | = ¯ xν f (eν ) ¯ ≤ | xν | | f (eν ) | ≤ | x |∞ | f (eν ) | . ¯ ¯ ν=1 ν=1 ν=1 Insbesondere ist damit f stetig. (v) Es sei n ∈ IN∗ . Zunächst sei jeweils für ν = (ν1 , · · · , νn ) ∈ INn und x = (xj )nj=1 ∈ IKn die ν-te Potenz von x durch xν := xν11 · . . . · xνnn ∈ IK definiert. Weiter seien eine endliche Menge M ⊂ INn und für ν ∈ M jeweils aν ∈ Y gegeben. Dann ist die hiermit definierte (vektorwertige) Polynomfunktion (in den n Variablen x1 , . . . , xn ) f : IKn 3 x → X xν · aν ∈ Y ν∈M 6 stetig . Wir wollen abschliessend noch kurz einen globalen Aspekt diskutieren. (13) DEFINITION, BEMERKUNG: (i) Es sei f : X → Y eine bijektive Abbildung. Man definiert bzw. hat f Homöomorphismus bzw. topologische Abbildung ⇐⇒ f und f −1 stetig ⇐⇒ OX = {f −1 (M ) | M ∈ OY } ⇐⇒ ∀ a ∈ X : UaX = {f −1 (U ) | U ∈ UfY(a) }. (ii) Man bezeichnet Y homöomorph zu X :⇐⇒ ∃ f : X → Y Homöomorphismus. (iii) Es seien di (i = 1, 2) Metriken auf X. Die zugehörigen Umgebungssysteme und Topologien seien entsprechend indiziert. Man definiert bzw. hat dann d1 und d2 äquivalente Metriken auf X ⇐⇒ idX : (X, d1 ) → (X, d2 ) Homöomorphismus ⇐⇒ O1 = O2 ⇐⇒ ∀ a ∈ X : Ua1 = Ua2 . Stetigkeit ist ein topologischer Begriff. Er hängt nicht explizit von den Metriken dX und dY ab, sondern nur von den zugehörigen Umgebungssystemen bzw. Topologien. Ersetzt man die Metriken dX und dY jeweils durch äquivalente Metriken d˜X und d˜Y , so erhält man dieselben Klasse stetiger Funktionen f : X ⊃ Df → Y . 7