125 © 2008 Angeborene Immundefekte W arum werden Kinder beim Kinderarzt vorgestellt? Entwicklungsdiagnostik, Vorsorgeuntersuchungen, Impfungen und viele andere Gründe. Für Eltern immer wieder bedrohlich sind fieberhafte Infektionen, zu deren Abklärung und Behandlung der Kinderarzt aufgesucht wird. Zumeist sind diese Infektionen aus Sicht des Kinderarztes banal, und dann auch immer einfach, oft nur symptomatisch und abwartend zu behandeln. Sie heilen vollständig aus, ein Aufenthalt im Krankenhaus ist nicht erforderlich. Solche Infektionen betrachten wir als physiologisch. Das Immunsystem lernt dabei und bildet sein Antikörperspektrum gegen viele verschiedene, vorwiegend virale Erreger aus. In Einzelfällen aber sieht das bei Kindern mit wiederholten Infektionen anders aus: Banale Infektionen häufen sich, es treten schwerwiegende viszerale Infektionen auf, die dann z. T. nicht wie erwartet ausheilen, sondern chronisch werden. Stationäre Behandlungen werden erforderlich. Selten findet man bei der Erregerdiagnostik opportunistische Erreger. Hier kann man nicht mehr von physiologischer Anfälligkeit gegenüber Infektionen sprechen, sondern solche Befunde können ein Hinweis auf angeborene Immundefekte sein. Tabelle 1 fasst die Unterschiede noch einmal zusammen. Neben dieser allgemein gehaltenen Unterscheidung physiologisch/pathologisch können bestimmte Warnzeichen, die in diesem Themenheft durch erfahrene Autoren Tab. 1 Schattauer GmbH Editorial illustriert und diskutiert werden, auf einen Immundefekt hinweisen. Die landläufige Meinung, Immundefekte seien selten, vielleicht so selten, dass man nicht daran denken muss, ist inzwischen widerlegt. Selbst wenn man den selektiven IgA-Mangel nicht mit zählt, sind angeborene Störungen etwa in den USA mit einer Prävalenz von 1:2000 (!) zu erwarten (1). Das würde für Deutschland bedeuten, dass weit mehr als 50% der Fälle mit angeborenen Immundefekten nicht erkannt werden. Offenbar besteht Handlungsbedarf. Nur wenn das Thema „Angeborene Abwehrschwäche“ oder „Primärer Immundefekt“ fest in der Pädiatrie, aber auch in der Inneren Medizin, verankert ist, jeder Kinderarzt/Internist bei seinen Patienten daran denkt, werden wir in der Lage sein, alle Betroffenen rechtzeitig über eine korrekte Diagnose mit einer sinnvollen Therapie zu versorgen, bevor sie durch destruierende Infektionen Lebensqualität oder ihr Leben verlieren. Wer sich an dieser Zielsetzung beteiligen möchte, dem sei von Herausgebern und Autoren dieses Themenheft sehr ans Herz gelegt. Prof. Dr. med. Volker Wahn Prof. Dr. med. Michael Weiß Literatur 1. Boyle JM, Buckley RH. Population prevalence of diagnosed primary immunodeficiency diseases in the United States. J Clin Immunol 2007; 27: (5): 497–502. Berlin/Köln, im März 2008 Prof. Dr. med. Volker Wahn Prof. Dr. med. Michael Weiß Gastschriftleiter Unterschiede zwischen physiologischer und pathologischer Infektanfälligkeit Eigenschaft der Infektionen physiologische Infektanfälligkeit pathologische Infektanfälligkeit Häufigkeit max. 8 Minor-Infektionen/Jahr bis zum Kleinkindesalter, danach seltener >8 Minor-Infektionen/Jahr bis zum Kleinkindesalter und darüber hinaus Schweregrad leicht, Minor-Infektionen teilweise schwer, Major-Infektionen* Verlauf akut chronisch, rezidivierend Residuen nein ja Rezidiv mit demselben Erreger nein ja opportunistische Infektion nein ja *Pneumonie, Sepsis, Meningitis, Enzephalitis, Osteomyelitis, septische Arthritis, Empyem, tiefe Viszeralabszesse (nicht zervikale Lymphknoten) Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 127 © 2008 Schattauer GmbH Inhalt–Contents Editorial Immundefekte – Immunodeficiencies Abstracts Verbandsnachrichten Verschiedenes Titelbild 3/2008 V. Wahn, M. Weiß Angeborene Immundefekte 125 Zertifizierte Fortbildung V. Wahn, T. Niehues, M. Weiß Definition der „Infektanfälligkeit“ und Klassifikation angeborener Immundefekte – Stand 2007 Definition of susceptibility to infections and classification of primary immunodeficiencies 129 W. Mannhardt-Laakmann, P. Habermehl, F. Zepp T-zelluläre und kombinierte T- und B-Zell-Immundefekte T-cellular and combined T- and B-cell immunodeficiencies 137 S. Ehl, B. Grimbacher, K. Warnatz, H. M. Wolf Angeborene Antikörpermangelsyndrome („B-Zell-Defekte“) Primary antibody deficiency syndromes 151 U. Wintergerst, A. Rack, J. G. Liese, B. H. Belohradsky Granulozytendefekte Defects of granulocytes 160 J. Reichenbach, H. von Bernuth Genetisch bedingte Defekte der angeborenen Immunität – Erhöhte Anfälligkeit für mykobakterielle Infektionen, für invasive bakterielle Infektionen und für Herpes-simplex-Enzephalitis Genetic defects of the innate immunity that cause an increased susceptibility for mycobacterial infections, invasive pyogenic infections and herpes simplex encephalitis 171 V. Wahn, P. Späth Komplementdefekte Complement deficiencies 179 CME-Fragebogen 185 Jahrestagung der Sächsisch-Thüringischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin und Kinderchirurgie am 04. und 05. April 2008 in Chemnitz A1 Deutsche Akademie für Entwicklungs-Rehabilitation e. V. 188 Forum Proteinurie Forum Parasitose Aus Forschung und Industrie Termine Impressum 191 192 194 198 198 Foto: Jose Manuel Gelpi Diaz/Fotolia.com Die zehn CME-Fragen, die Sie auf Seite 185 finden, beziehen sich auf alle Beiträge dieser Ausgabe. Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 2008; 8: 125–198 Immundefekte 129 © 2008 Schattauer GmbH Definition der „Infektanfälligkeit“ und Klassifikation angeborener Immundefekte – Stand 2007 Volker Wahn1, Tim Niehues2, Michael Weiß3 Charité Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum, Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie und Immunologie (Direktor: Prof. Dr. med. U. Wahn) 2 Kinderklinik Krefeld (Chefarzt: PD Dr. med. T. Niehues) 3 Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße Köln, Kinder- und Jugendmedizin (Leiter: Prof. Dr. med. M. Weiß) 1 Schlüsselwörter Keywords Zusammenfassung Summary Infektanfälligkeit, primäre Immundefekte Susceptibility to infections, primary immunodeficiencies (PID) Bei gesunden Kindern verlaufen Infektionen in der Regel akut und ohne Residuen und lassen sich, falls bakteriell verursacht, gut antibiotisch behandeln. Bei einzelnen Kindern weichen die Verläufe von Infektionen jedoch deutlich von diesen Kriterien ab, sodass ein primärer oder erworbener Immundefekt vermutet werden muss. Wir versuchen mit diesem Beitrag, Anfälligkeit gegenüber Infektionen zu definieren und die aktuell gültige Klassifikation für primäre Immundefekte zusammenzufassen. In healthy children infections occur but are usually acute without sequelae and, if of bacterial origin, responsive to antibiotic treatment. In some children, however, the clinical corse does not meet these criteria, and a primary or acquired immunodeficiency must be suspected. We try to define susceptibility to infections and summarize the current classification of PID. Definition of susceptibility to infections and classification of primary immunodeficiencies Kinder- und Jugendmedizin 2008; 8: 129–135 E iner der Arbeitsschwerpunkte der pädiatrischen Immunologen ist die Analyse des infektanfälligen Kindes mit der Frage, ob der Infektanfälligkeit eine angeborene oder erworbene Störung des Immunsystems zugrunde liegt, bei der mehr unternommen werden muss als nur die manifesten Infektionen zu behandeln. Bevor somit Immundefekte klassifiziert werden, ist es notwendig, bereits aus klinischer Sicht diejenigen Kinder auszuwählen, bei denen ein Immundefekt denkbar ist. Viele Informationen finden sich zu dieser Thematik z. B. unter www.immundefekt.de. Bereits im Editorial wurde eine allgemeine Definition der „Infektanfälligkeit“ gegeben. Sie soll hier nicht wiederholt wer- den. Sie kann physiologisch, aber auch pathologisch sein. Infektanfälligkeit per se ist also nichts Krankhaftes, sondern Ausdruck fehlender Immunität, die ja erst im Laufe des kindlichen Lebens erworben wird. An Art und Verlauf von Infektionen kann aber abgelesen werden, ob möglicherweise eine angeborene Störung vorliegen könnte. Neben diesen Kriterien wurden von der Jeffrey Modell Foundation (JMF) vor vielen Jahren zehn Warnzeichen definiert, die auf angeborene Immundefekte hinweisen können.Aufbauend auf dieser Mitteilung wurden vom Erstautor im Jahr 2000 folgende zwölf Warnzeichen definiert, die inzwischen von vielen Zentren verwendet werden: 1. positive Familienanamnese für angeborene Immundefekte 2. acht oder mehr eitrige Otitiden pro Jahr 3. zwei oder mehr schwere Sinusitiden pro Jahr 4. zwei oder mehr Pneumonien innerhalb eines Jahres 5. indizierte antibiotische Therapie über zwei oder mehr Monate ohne Effekt 6. Impfkomplikationen bei Lebendimpfungen (insbesondere Bacille CalmetteGuérin [BCG] und Polio nach Sabin) 7. Gedeihstörung im Säuglingsalter, mit oder ohne chronische Durchfälle 8. rezidivierende tiefe Haut- und Organabszesse 9. zwei oder mehr viszerale Infektionen (Meningitis, Osteomyelitis, septische Arthritis, Empyem, Sepsis) Tab. 1 Lokale Ursachen für rezidivierende, aber monotope Infektionen Infektionsort mögliche Ursache Haut Ekzem, Verbrennungen Atemwege cystische Fibrose Ziliendyskinesie-Syndrom bronchopulmonale Dysplasie Asthma bronchiale ösophagotracheale Fistel Bronchialfehlbildungen Fremdkörperaspiration Ohren Adenoide Meningen Neuroporus, Liquorfistel Harnwege Reflux, Fehlbildungen Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 Eingegangen: 13. Dezember 2007; angenommen:For19.personal Dezember 2007 or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 130 Wahn, Niehues, Weiß Tab. 2 Kombinierte Defekte (SCID=schwerer kombinierter Immundefekt, XL=X-chromosomal-rezessive Vererbung, JAK=Janus-assoziierte Kinase, IL-7Rα=IL-7-Rezeptor α, AR=autosomal-rezessiveVererbung,NK=natürlicheKillerzellen,dATP=Desoxyadenosintriphosphat,dGTP=Desoxyguanosindiphosphat,ZAP-70=Zeta-assoziiertesProteinmit70kd,TAP=transporterassociatedwithantigenprocessing,TAPBP=TAP-bindendesProtein,DCLRE=DNAcrosslinkrepairprotein,RMRP=RNAofmitochondrialRNA-processingendoribonuclease,XLF=XRCC4-likefactor) Bezeichnung Pathogenese/Gendefekt Vererbung besondere Merkmale 1. SCID (T-B+)* (a) X-chromosomal (γc-Defekt) Mutationen in γ-Kette der IL-2, 4, 7, 9, 15, 21-Rezeptoren stark verminderte Anzahl an NK-Zellen (b) autosomal-rezessiv Jak3-Defekt Mutationen im Jak3-Gen stark verminderte Anzahl an NK-Zellen (c) IL-7Rα-Defekt Mutationen im IL-7Rα-Gen normale Anzahl an NK-Zellen (d) CD45-Defekt Mutationen im CD45-Gen AR normale Anzahl an γδ-T-Zellen (e) CD3δ/CD3ε/CD3ζ-Defekt Mutationen im CD3δ-, CD3ε- oder CD3ζ-Gen AR normale NK-Zellen (a) RAG-1/RAG-2-Defekt Mutationen im RAG1/2-Gen AR (b) DCLREIC(Artemis)-Defekt Mutationen im Artemis-DNA-Rekombinase-Reparatur-Protein, defekte VDJ-Rekombination AR (c) Adenosindesaminase(ADA)-Mangel T- und B-Zell-Defekte aufgrund von toxischen Metaboliten (z. B. dATP, S-adenosylhomocystein) infolge eines Enzymmangels AR (d) retikuläre Dysgenesie defekte Reifung von T- und B-Zellen und myeloischen Zellen (Stammzell-Defekt) AR 3. Omenn-Syndrom Missense-Mutationen im RAG1/2-Gen, bei IL-7Rα, Artemis oder RMRP AR 2. SCID (T-B-)* 4. DNA-Ligase IV Mutationen in der DNA-Ligase IV: defekte VDJ-Rekombination 5. Cernunnos/XLF-Mangel Mutation bei Cernunnos AR radiosensitiv: erhöhte Sensitivität gegenüber ionisierenden Strahlen Granulozytopenie, Thrombozytopenie Erythrodermie, Eosinophilie, hohe IgE, Hepatosplenomegalie radiosensitiv, Mikrozephalie, faziale Dystrophie Mikrozephalie, intrauterine Wachstumsretardierung, Radiosensitivität 6. CD40-Ligand-Mangel Mutationen im CD40-Ligand-Gen, gestörte Signalübertragung in B(X-chromosomales Hyper-IgM-Syndrom) und dendritischen Zellen XL Neutropenie, Thrombozytopenie, hämolytische Anämie, Gastrointestinal- und Leberbeteiligung, opportunistische Infektionen 7. CD40-Mangel AR Neutropenie, Gastrointestinal- und Leberbeteiligung, opportunistische Infektionen Mutationen im CD40-Gen, gestörte Signalübertragung in B- und dendritischen Zellen 8. Purin-Nucleosid-Phosphorylase(PNP)- T-Zell-Defekt aufgrund von toxischen Metaboliten (z. B. dGTP) infolge ei- AR Mangel nes Enzymmangels 9. CD3γ-Defekt Defekte bei CD3γ AR 10. CD8-Mangel Mutationen im CD8α-Gen AR 11. ZAP-70-Defekt Mutationen im ZAP-70-Kinase-Gen AR autoimmunhämolytische Anämie, neurologische Symptome 12. Defekt des CRAC-Kanals (Ca-Kanals) Mutation bei Orai-1, einer Komponente des Ca-Kanals AR Autoimmunität, anhidrotische Ektodermaldysplasie, nicht progressive Myopathie 13. MHC-Klasse-I-Defekt Mutationen im TAP-1-, TAP-2- oder TAPBP(Tapasin)-Gen AR CD4 normal, CD8 vermindert, Vaskulitis 14. MHC-Klasse-II-Defekt Mutationen in Transkriptionsfaktorgenen für MHC-Klasse-II-Moleküle (CIITA oder RFX5, RFXAP, RFXANK) AR CD4 normal oder vermindert 15. Winged-Helix-Nude(WHN)-Defekt Mutationen im FOXN1-Gen, das für den Forkhead-N1-Transkriptionsfaktor kodiert AR Alopezie, abnormes Thymusepithel (menschliche Nacktmaus) 16. CD25-Mangel Defekt der IL-2Rα-Kette AR CD4 normal oder leicht vermindert 17. STAT5b-Mangel Defekt im STAT5b-Gen, Störung der Entwicklung von γ/δ-Zellen und regulatorischen T- und NK-Zellen, gestörte T-Zell-Proliferation AR STH-refraktärer Minderwuchs, Dysmorphie, Ekzem, LIP * Atypische Fälle von SCID können bei sogenannten hypomorphen somatischen Mutationen oder bei einer angeborenen GvHD maternale T-Zellen haben. 10. persistierende Candida-Infektionen an Haut oder Schleimhaut jenseits des 1. Lebensjahres 11. chronische Graft-versus-Host-Reaktion (z. B. unklare Erytheme bei kleinen Säuglingen) Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 12. rezidivierende systemische Infektionen mit atypischen Mykobakterien Warum werden nun nicht zehn (www.jmfworld.com), sondern diese zwölf Warnzeichen vorgeschlagen? Bei der JMF sind die Warnzeichen 3 und 8 sehr ähnlich und können zusammengefasst werden. Auch die Kriterien 6 und 9 sind sehr ähnlich. Dagegen fehlen Hinweise auf die chronische Graft-versus-HostReaktion sowie die Hinweise auf disseminierte Infektionen mit atypischen Mykobakterien. Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 131 Klassifikation angeborener Immundefekte Tab. 3 Immundefekte, bei denen der Antikörpermangel im Vordergrund steht (XL = X-chromosomal-rezessiv, AR = autosomal-rezessiv, AD = autosomal-dominanter Erbgang, BLNK = B-Zell-Linker-Protein, ICOS = inducible costimulator, TACI = transmembrane activator, calcium modulator and cyclophilin ligand interactor, BAFF = B-cell activating factor, AID = Aktivierungs-induzierte Cytidin-Desaminase, UNG = Uracil-DNA N-Glykosylase, Ig(κ) = Immunglobulin mit kappa-Leichtkette, btk = Bruton’s Tyrosinkinase) Bezeichnung Pathogenese/Gendefekt Konstellationen der Immunglobuline Vererbung besondere Merkmale 1. starke Reduktion aller Immunglobulin-Isotypen (a) X-chromosomale Agammaglobulinämie Mutationen im btk-Gen alle Isotypen erniedrigt XL schwere bakterielle Infektionen (b) µ-Schwerketten-Mangel Mutationen bei der µ-Schwerkette alle Isotypen erniedrigt AR schwere bakterielle Infektionen (c) λ5-Mangel Mutationen bei λ5 alle Isotypen erniedrigt AR schwere bakterielle Infektionen (d) Igα-Mangel Mutationen bei Igα alle Isotypen erniedrigt AR schwere bakterielle Infektionen (e) Igβ-Mangel Mutationen im Igβ alle Isotypen erniedrigt AR schwere bakterielle Infektionen, normale Anzahl von Pro-B-Zellen (f) BLNK-Mangel Mutationen bei BLNK alle Isotypen erniedrigt AR schwere bakterielle Infektionen (g) Good-Syndrom unbekannt alle Isotypen erniedrigt sporadisch Infektionen, verminderte Anzahl von Pro-B-Zellen (h) Myelodysplasie Einzelfälle mit Monosomie 7, Trisomie 8 oder Dyskeratosis congenita alle Isotypen erniedrigt variabel Infektionen, verminderte Anzahl von Pro-B-Zellen 2. starke Reduktion von mindestens zwei Ig-Isotypen (IgG und IgA), B-Zellzahl variabel CVID* Alterationen bei TACI, BAFFR, Msh5 fungieren als relevante Polymorphismen IgG und IgA erniedrigt, IgM kann normal sein variabel, 10 % Infektionen; autoimmune, granulomatöse und mit positiver Fa- lymphoproliferative Komplikationen milienanamnese (a) ICOS-Mangel Mutationen bei ICOS IgG und IgA erniedrigt, IgM kann normal sein AR schwere bakterielle Infektionen (b) CD19-Mangel Mutationen bei CD19 IgG und IgA erniedrigt, IgM kann normal sein AR schwere bakterielle Infektionen (c) X-chromosomales lymphoproliferatives Syndrom Mutationen im SH2D1A-Gen alle Isotypen können vermindert sein XL einige Patienten haben Antikörpermangel, die meisten eine fulminante EBV-Infektion oder ein Lymphom 3. Verminderung von IgG und IgA bei normalem oder erhöhtem IgM (a) CD40-Ligand-Mangel Mutationen im CD40L, = CD154 IgG und IgA erniedrigt, IgM normal oder erhöht, B-Zellen normal oder erhöht XL opportunistische Infektionen, Neutropenie, Autoimmunität (b) CD40-Mangel Mutationen bei CD40 IgG und IgA erniedrigt, IgM normal oder erhöht, B-Zellen normal oder erhöht AR opportunistische Infektionen, Neutropenie (c) AID-Mangel (activationinduced Cytidin deaminase) Mutationen im AID-Gen IgG und IgA erniedrigt AR vergrößerte Lymphknoten und Keimzentren (d) UNG-Mangel (Uracil-NGlykosylase) Mutationen im UNG-Gen IgG und IgA erniedrigt AR vergrößerte Lymphknoten und Keimzentren 4. Isotyp- oder Leichtkettenmangel mit normalen B-Zellen (a) Defekt der schweren Immunoglobulinkette chromosomaler Defekt bei 14q32 IgG1 oder IgG2 und IgG4 nicht vorhanden und in einigen Fällen IgE und IgA1 oder IgA2 nicht vorhanden AR nicht immer symptomatisch (b) κ-Ketten-Defekt Punktmutationen bei Chromosom 2p11 bei einigen Patienten Ig(κ) erniedrigt: Antikörper-Reaktion normal oder erniedrigt AR teilweise asymptomatisch (c) IgG-Subklassen-Defekt unbekannt Verminderung einer oder mehrerer Subklassen variabel rezidivierende Infektionen (d) IgA- plus IgG-SubklassenMangel unbekannt Verminderung von IgA und einer oder mehrerer Subklassen variabel teilweise asymptomatisch (e) selektiver IgA-Mangel sehr wenige mit TACI-Mutation IgA stark vermindert oder fehlend variabel meist asymptomatisch, teilweise schlechte Antwort auf Polysaccharid-Ag; einige entwickeln sich zum CVID, andere sind damit familiär koexistent 5. Antikörpermangel mit normalen Immunglobulinen und B-Zellen unbekannt normal unbekannt selektive Unfähigkeit zur Bildung von spezifischen Antikörpern, z. B. Polysaccharid-Antikörpern 6. transitorische Hypogammaglobulinämie des Säuglings Differenzierungsdefekt: verspätete Reifung der Helferzell-Funktion IgG und IgA erniedrigt unbekannt häufig in Familien mit anderen Immundefekten * unterschiedliche klinische Phänotypen Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 132 Wahn, Niehues, Weiß Tab. 4 Andere gut definierte Immundefekt-Syndrome (XL = X-chromosomal-rezessiv, AR = autosomal-rezessiv, AD = autosomal-dominant, WASP = Wiskott-Aldrich-Syndrom-Protein, MRE11 = meiotische Rekombination 11, NK = natürliche Killerzellen, CTL = zytotoxische T-Zellen, EBV = Epstein-Barr-Virus, RMPR = RNA component of mitochondrial RNA-processing endoribonuclease, SMARCALI = SWI/SNF-related, matrix-associated, actin-dependent regulator of chromatin, subfamily alpha-like 1, AP3B1 = adaptor-related protein complex 3, β1-subunit) Bezeichnung genetischer Defekt Vererbung besondere Merkmale 1. Wiskott-Aldrich-Syndrom Mutationen im WASP-Gen, zytoskelettaler Defekt, der die Hämatopoese betrifft XL Thrombozytopenie, kleine defekte Plättchen, Ekzeme, Lymphome, Autoimmunerkrankungen, IgA-Nephropathie, bakterielle und virale Infektionen, selten X-chromosomale Neutropenie (a) Ataxia teleangiectatica (Louis-Bar-Syndrom) Mutation im A-T-Gen (ATM), Störung des Zellzyklus, führt zu chromosomaler Instabilität AR Ataxie, Teleangiektasien, variable Störungen bei IgG-Subklassen, IgA und IgE, spezifischen Antikörpern, Vermehrung des monomeren IgM, erhöhtes alpha 1-Fetoprotein, lymphoretikuläre und andere Malignome, Radiosensitivität (b) Ataxia-ähnliches-Syndrom Mutationen im Mre 11-Gen (kodiert für DNAReparaturenzym) AR mäßig ausgeprägte Ataxie, stark radiosensitiv (c) Nijmegen breakage syndrome Defekt in NBS1 (Nibrin), Störung des Zellzyklus und DNA-Reparatur AR Mikrozephalie, Vogel-ähnliches Gesicht, Lymphome, radiosensitiv, chromosomale Instabilität (d) Bloom-Syndrom Mutation bei Helikase AR chromosomale Instabilität, radiosensitiv, Knochenmarkinsuffizienz, Leukämie, Lymphome, Minderwuchs, Vogelkopfgesicht, Lichtempfindlichkeit, Teleangiektasien De-novo-Defekt oder AD Hypoparathyroidismus: conotrunkale Missbildungen, auffällige Facies, partielle Monosomie von 22q11-pter oder 10p bei einigen Patienten 2. DNA-Reparatur-Defekte 3. Thymusdefekte: DiGeorge-Anomalie Defekt, der zu 90 % die Thymus-Entwicklung betrifft, Mutation beim Transkriptionsfaktor TBX1 4. Immunoossäre Dysplasien (a) Knorpel-Haar-Hypoplasie Mutation bei RMRP AR kurzgliedriger Zwergenwuchs, Dysostosen, wenig Haare, Anämie, Neutropenie, erhöhte Anfälligkeit für maligne Erkrankungen (b) Schimke-Syndrom Mutation bei SMARCALI AR Minderwuchs, spondyloepiphysäre Knochendysplasien, Nephropathie (a) Hiob-Syndrom Mutationen bei STAT3 AD Candidiasis der Nägel u. a., kalte Staphylokokken-Abszesse, Ekzeme, Pneumatocelen, typische Facies, Osteoporose, Skoliose, Dentitionsanomalien, Hypermobilität (b) AR HIES Mutationen bei Tyk2 AR Anfälligkeit gegenüber intrazellulären Bakterien, keine skelettalen Auffälligkeiten (c) AR HIES mit Virusinfektion und ZNS-Vaskulitis/Blutung unbekannt 6. chronisch-mukokutane Candidiasis unbekannt AR, AD, sporadisch chronisch-mukokutane Candidiasis, gestörte zelluläre Immunität gegenüber Candida, Autoimmunität, keine Ektodermaldysplasie 7. Immundefekt mit venookklusiver Erkrankung der Leber Mutation bei SP110 AR venookklusive Erkrankung der Leber, Hepatosplenomegalie, PCP, Thrombopenie 8. Hoyerall-Hreidarsson-Syndrom Mutationen beim Dyskerin XL I. u. Minderwuchs, Mikrozephalie, Panzytopenie, Reduktion von NK-Zellen und -Funktion 5. Hyper-IgE-Syndrome Man könnte diese Warnzeichen um weitere ergänzen, so z. B. invasive Infektionen mit Pneumokokken, Staphylokokken oder Salmonellen, oder aber auch die Herpesenzephalitis. Man befürchtet aber, dass dann die „Griffigkeit“ verloren geht und damit die einfache Anwendung. Zum jetzigen Zeitpunkt sollen daher die zwölf Warnzeichen beibehalten werden, die Formulierungen werden aber immer wieder überdacht und präzisiert. Differenzialdiagnostisch ist, inbesondere bei monotopen Infektionen, immer an lokale Ursachen für Infektionen zu denken, wofür Tabelle 1 Beispiele liefert. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 Anfälligkeit gegenüber Bakterien, Viren und Pilzen, Vaskulitis, ZNS-Blutung, keine skelettalen Auffälligkeiten Bereits in der Praxis können einfache Untersuchungen gemacht werden, die circa zwei Drittel aller primären Immundefekte erfassen: ● Blutbild mit Differenzialblutbild ● quantitative Bestimmung der Immunglobuline IgG, IgA und IgM (nicht Eiweißelektrophorese) Die Untersuchungen sollten nicht bei aktuell vorliegender Infektion durchgeführt werden. Eine routinemäßige Untersuchung von IgG-Subklassen als Screening wird nicht empfohlen, zum einen wegen der Kosten, zum anderen wegen der notwendigen Erfahrung für die richtige Interpretation der Ergebnisse. Auf der Basis o. g. Untersuchungen können verschiedene Ergebnisse auf Immundefekte hinweisen: ● Leukopenie ● Leukozytose ● Lymphopenie ● Neutropenie ● Neutrophilie ● Eosinophilie ● Thrombozytopenie ● niedrige Serum-Immunglobulin-Konzentrationen Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 133 Klassifikation angeborener Immundefekte Tab. 5 Erkrankungen bei Immundysregulation (NK = natürliche Killerzelle, CTL = zytotoxische T-Zelle, XL = X-chromosomal-rezessiv, AR = autosomal-rezessiv, AD = autosomal-dominant, LYST = lysosomal trafficking regulator, RAB27A = Rab-Protein 27A, PRF1 = Perforin 1, SH2D1A = SH2 domain protein 1A, APECED = autoimmune polyendocrinopathy-candidiasis-ectodermal dystrophy, AIRE = autoimmune regulator, IPEX = immune dysregulation-polyendocrinopathy-enteropathy-X-linked, FOXP3 = Forkhead box protein 3) Bezeichnung genetischer Defekt Vererbung besondere Merkmale (a) Chediak-Higashi-Syndrom Defekt im LYST-Gen, gestörter lysosomaler Transport AR partieller Albinismus, Akutphase-Reaktion, niedrige NK- und CTL-Aktivitäten, stark vergrößerte Lysosomen, enzephalopathische akzelerierte Phase (b) Griscelli-Syndrom Typ 2 Defekt im RAB27A-Gen, kodiert für GTPase in sekretorischen Vesikeln AR partieller Albinismus, Akutphase-Reaktion, niedrige NK- und CTL-Aktivitäten, progressive Enzephalopathie in schweren Fällen (c) Hermansky-Pudlak-Syndrom Typ 2 Mutationen im AP3B1-Gen, kodiert für β-Untereinheit im AP-3-Komplex AR partieller Albinismus, Neutropenie, erniedrigte NK-Zellen und CTL, Blutungsneigung 1. Immundefekte mit Hypopigmentierung 2. familiäre hämophagozytierende Lymphohistiozytosen (a) Perforinmangel Mutationen im PRF1(Perforin)-Gen AR schwere Entzündungszustände, erniedrigte NK- und CTL-Aktivitäten (b) MUNC 13-D-Defekt Mutationen im MUNC 13-D-Gen AR schwere Entzündungszustände, erniedrigte NK- und CTL-Aktivitäten (c) Syntaxis 11-Defekt Mutation im STX11-Gen AR schwere Entzündungszustände, erniedrigte NK- und CTL-Aktivitäten 3. X-chromosomales lymphoproliferatives Syndrom (a) XLP1 Defekt bei SH2D1A, einem Adapterprotein zur Regulation intrazellulärer Signale XL klinische und immunologische Manifestationen, getriggert durch EBV-Infektion, Hepatitis, aplastische Anämie, Lymphome (b) XLP2 Defekt bei XIAP, einem Inhibitor der Apoptose XL klinische und immunologische Manifestationen, getriggert durch EBV-Infektion, Splenomegalie, Hepatitis, aplastische Anämie, Lymphome, Hämophagozytose 4. Syndrome mit Autoimmunität (a) autoimmune lymphoproliferative Syndrome (ALPS) nur teilweise als „Immundefekt“ anzusehen (I) CD95-Mangel Mutationen im TNFRSF6, dem Apoptose-Rezeptor AD, selten schwere Adenopathie, Splenomegalie, Autoimmunzytopenien, gestörte Apoptose, Fälle AR gesteigertes Lymphomrisiko, doppelt-negative T-Zellen vermehrt (II) CD95-Ligand-Mangel Mutationen im TNFSF6, dem Liganden für den Apoptose-Rezeptor CD95 AR Adenopathie, Splenomegalie, Autoimmunität, Lupus, gestörte Apoptose, doppelt-negative T-Zellen vermehrt (III) Caspase 10-Defekt Mutationen im CASP10 (beteiligt am apoptotischen Signalweg) AR Adenopathie, Splenomegalie, vermehrt dendritische Zellen, Autoimmunität, gestörte Apoptose (IV) Caspase 8-Defekt Mutationen im CASP8 (beteiligt am apoptotischen AD und Aktivierungs-Signalweg) Lymphadenopathie, Splenomegalie, gestörte Lymphozyten-Apoptose und Aktivierung, rezidivierende bakterielle und virale Infekte (V) aktivierender N-Ras-Defekt Defekt bei einem NRas kodierenden GTP-bindenden Protein mit Signalfunktion AD Lymphadenopathie, Splenomgealie, Leukämie, Lymphom, gestörte Lymphozyten-Apoptose nach IL-2-Entzug (b) APECED = Autoimmunpolyenodrinopathie mit Candidiasis und ektodermaler Dystrophie Defekt bei AIRE, einem Transkriptionsfaktor nötig für Ausbildung von „Selbst“-Toleranz im Thymus AR Autoimmunerkrankungen von Nebenschilddrüsen, NEbennieren und anderen endokrinen Organen, plus Candidiasis, Zahn- und Schmelzhypoplasie (c) IPEX, Immundysregulation, Polyendo- Defekt bei FOXp3, einem Transkriptionsfaktor für krinopathie, Enteropathie, X-chromosomal regulatorische T-Zellen XL Autoimmundiarrhö, früh Diabetes, Thyreoiditis, hämolytische Anämie, Thrombopenie, Ekzem, Mangel an FOXp3-pos. CD4+/CD25+-Zellen Sind darüber hinaus labordiagnostische Schritte indiziert, so kann man bei http:// www.immundefekt.de/idef.shtml nachlesen, welche erweiterten Screening-Methoden aussagekräftig sind. Am besten wird die Labordiagnostik im einem gut ausgestatteten pädiatrisch-immunologischen Labor durchgeführt. Ist danach das Ergebnis „Kein Hinweis auf Immundefekt“, so kann man es bei relativ milder Klinik zunächst dabei bewenden lassen. Bei schwerwiegender klinischer Symptomatik sollte aber immer ein Zentrum kontaktiert werden, da die Entwicklung der letzten Jahre eindeutig hat erkennen lassen, dass bestimmte Infektionen, die in der Vergangenheit einfach hingenommen wurden, Hinweise auf Immundefekte sein können. Wird aufgrund der Screening-Verfahren dann ein Immundefekt nachgewiesen, wird man immer versuchen, die genetische Basis zu verstehen. Daran orientiert sich die folgende, zuletzt 2007 aktualisierte, Klassifikation der IUIS (1): 1. T- und B-Zell-Immundefekte 2. Immundefekte, bei denen der Antikörpermangel im Vordergrund steht 3. andere gut definierte ImmundefektSyndrome 4. Störungen der Immunregulation 5. Defekte der Phagozytenzahl und -funktion 6. Defekte der natürlichen Immunität (innate immunity) 7. Komplementdefekte Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 134 Wahn, Niehues, Weiß Tab. 6 Defekte der Granulozyten und Makrophagen (XL = X-chromosomal-rezessiv, AR = autosomal-rezessiv, AD = autosomal-dominant, NK = natürliche Killerzellen, WASP = Wiskott-Aldrich-Syndrom-Protein, IFN = Interferon, LAD = Leukozytenadhäsions-Mangel, FUCT1 = Fucose-Transporter 1, GDP = Guanosindiphosphat, SBDS = Shwachman-Bodan-Diamond-Syndrom, STAT1 = signal transducer and activator of transcription 1); die AD-Form des IFN-R1- oder des STAT1-Mangels wird durch dominant negative Mutationen verursacht Krankheit 1.–3. schwere angeborene Neutropenien Gendefekt Vererbung Merkmale bei einigen Patienten ELA2-Defekt, Fehltransport der Elastase AD gestörte myeloide Differenzierung, Subgruppe mit Myelodysplasie Mutation bei GFI1, gestörte Repression der Elastase AD gestörte myeloide Differenzierung, B-/T-Lymphopenie Mutation im GCSF-Rezeptor AD gestörte myeloide Differenzierung, refraktär gegenüber G-CSF 4. Kostmann-Syndrom HAX-1: Kontrolle der Apoptose AR gestörte myeloide Differenzierung 5. zyklische Neutropenie Elastase 2 AD zyklische Schwankungen von Retikulozyten, Thrombozyten und Leukozyten 6. X-chromosomale Neutropenie Mutation im WASP-Gen: Verlust der Autoinhibition XL Monozytopenie 7. P14-Mangel Mutationen bei MAPBPIP, dem endosomalen Adapterprotein 14 AR partieller Albinismus, Hypogammaglobulinämie, CD8-Zytotoxizität vermindert, Minderwuchs 8. Leukozyten Adhäsions-Defekt 1 Mutation bei INTG2: Beta-Kette (CD18) von LFA-1, Mac 1, p150,95 AR verspäteter Abfall des Nabels, chronische Hautulzera, Peridontitis, Leukozytose, defekte T- und NK-Zell-Zytotoxizität 9. Leukozyten Adhäsions-Defekt 2 GDP-Fucose-Transporter AR verzögerte Wundheilung, chronische Hautulzera, geistige Retardierung, Leukozytose, Bombay-Blutgruppe (hh) 10. Leukozyten Adhäsions-Defekt 3 Mutation im Cal DAG-GEF1, gestörte Rap1-Aktivierung der Integrine AR wie LAD1 + Blutungsneigung 11. RAC-2-Defekt Mutation der GTPase RAC-2, keine Regulation des Aktinskeletts AD verzögerte Wundheilung, Leukozytose 12. β-Aktin-Defekt Mutation von ACTB (kodiert zytoplasmatisches Aktin) AD mentale Retardierung, Minderwuchs 13. lokalisierte juvenile Peridontitis Mutation bei FPR1 (Chemokin-Rezeptor) AR Peridontitis, gestörte Chemotaxis 14. Papillon-Lefèvre-Syndrome Störung im CTSC-Gen: Störung der Kathepsin-Aktivierung von Serinproteasen AR Peridontitis, palmoplantare Hyperkeratose 15. spezifischer Granula-Mangel CCAAT/Enhancer-bindendes Protein ε, myeloider Transkriptionsfaktor AR Neutrophile mit doppelt gelappten Kernen 16. Shwachman-Diamond-Syndrom Mutation bei SBDS AR Panzytopenie, Pankreasinsuffizienz, Chondrodysplasie 17. X-chromosomale septische Granulomatose gp 91 phox (CYBB), macht Elektronentransport XL keine O2-Bildung, Blutgruppe: McLeod Phänotyp möglich 18.–20. autosomal-rezessive septische Granulomatosen P22 phox (CYBA-Elektronentransportprotein), p47 phox (NCF1-Adapterprotein), p67 phox (NCF2-aktivierendes Protein) AR keine O2-Bildung, kein intrazelluläres Killing 21. Neutrophilen-Glukose-6-PhosphatDehydrogenase-Defekt Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase XL hämolytische Anämie, gestörte O2-Bildung und Killing 22. Interleukin-12- und IL-23-RezeptorDefekt Störungen bei IL-12Rβ1 und IL-23Tβ1 AR erhöhte Anfälligkeit gegenüber Mykobakterien und Salmonellen 23. Interleukin-12p40 IL-12p40 AR erhöhte Anfälligkeit gegenüber Mykobakterien und Salmonellen 24. IFN-γ Rezeptor 1-Defekt IFN-γ Rezeptor 1 (Zytokin-bindende Kette) AR/AD erhöhte Anfälligkeit gegenüber Mykobakterien und Salmonellen, keine Bindung von IFN-γ 25. IFN-γ Rezeptor 2-Defekt IFN-γ Rezeptor 2 (Signalkette) AR erhöhte Anfälligkeit gegenüber Mykobakterien und Salmonellen, kein Signal durch IFN-γ 26. STAT-2-Defekte STAT-1* AR erhöhte Anfälligkeit gegenüber Viren, Mykobakterien und Salmonellen, gestörtes IFN-α/β/γ-Signalling STAT-1* AD erhöhte Anfälligkeit gegenüber Mykobakterien und Salmonellen, gestörtes IFN-γ-Signalling * Transkriptionsfaktor, der über den IFN-γ-Rezeptor aktiviert wird Autoinflammatorische Syndrome präsentieren sich klinisch nicht unter dem Leitsymptom der vermehrten Infektanfälligkeit und sind daher an dieser Stelle nicht erwähnt. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 Die Komplementdefekte sind in einem eigenen Beitrag tabellarisch dargestellt. Die in den Tabellen 2 bis 7 wiedergegebene Klassifikation ist sicher nicht perfekt. Sie sollte aber verwendet werden, um die internationale Kommunikation zu erleichtern. Weitere Updates sind zu erwarten. Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 135 Klassifikation angeborener Immundefekte Tab. 7 Defekte der angeborenen Immunität (XR = X-chromosomal-rezessiv, NEMO = NF-kB essenzieller Modulator, AD = autosomal-dominant, AR = autosomal-rezessiv, NFkB = nukleärer Faktor kB, IRAK4 = IL-1-Rezeptor-assoziierte Kinase 4, SDF-1 = von Stroma-Zellen gebildeter Faktor 1, EVER = Epidermodysplasia verruciformis, TIR = Toll- und IL-1-Rezeptor, HPV = humanes Papillomavirus) Krankheit Gendefekt Vererbung Merkmale anhidrotische Ektodermaldysplasie mit Immundefekt (EDA-ID) NEMO XR reduzierte Schweißproduktion, Ektodermaldysplasie*, Fehlen polysaccharidspezifischer Antikörper, gesteigerte Infektneigung, erhöhte Anfälligkeit gegenüber Mykobakterien und Salmonellen anhidrotische Ektodermaldysplasie mit Immundefekt (EDA-ID) IκBα, gain-of-function Mutation bewirkt Störung der NFκB-Aktivierung AD reduzierte Schweißproduktion, Ektodermaldysplasie*, T-Zell-Defekt, gesteigerte Infektneigung, erhöhte Anfälligkeit gegenüber Mykobakterien und Salmonellen IL-1-Rezeptor-assoziierte Kinase 4(IRAK4)-Mangel IRAK-4 AR bakterielle Infektionen, Störung des TLR-Signalweges WHIM(Warzen, Hypogammaglobulinämie, Infektionen, Myelokathexis)-Syndrom CXCR4, Rezeptor für CXCL12 AD Neutropenie, reduzierte B-Zellen, Warzen/HPV-Infektionen, Rezeptor reagiert zu stark auf Triggerung Epidermodysplasia verruciformis EVER1, EVER2 AR HPV(Gruppe B1)-Infektionen und Hautkrebs Herpes-simplex-Enzephalitis UNC93B1, beteiligt an Bildung von IFN-α, -β und -γ AR HSV-Meningoenzephalitis Herpes-simplex-Enzephalitis TLR, beteiligt and Bildung von IFN-α, -β und -γ HSV-Meningoenzephalitis AD * Anmerkung der Autoren: NEMO-Defekte sind auch ohne ektodermale Dysplasie beschrieben worden. Literatur 1. Geha RS, Notarangelo LD, Casanova JL, Chapel H, Conley ME, Fischer A, Hammarström L, Nonoyama S, Ochs HD, Puck JM, Roifman C, Seger R, Wedgwood J. International Union of Immunological Societies Primary Immunodeficiency Diseases Classification Committee. Primary im- munodeficiency diseases: an update from the International Union of Immunological Societies Primary Immunodeficiency Diseases Classification Committee. J Allergy Clin Immunol 2007; 120: 776–794. 2. Wahn V. Das infektanfällige Kind. HNO 2000; 48: 231–234. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Volker Wahn Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie und Immunologie Virchow-Klinikum Augustenburger Platz 1 13353 Berlin Tel.: 0 30/4 50 56 66 93 Fax: 0 30/4 50 56 69 31 E-Mail: [email protected] Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 Immundefekte © 2008 137 Schattauer GmbH T-zelluläre und kombinierte T- und B-Zell-Immundefekte Wilma Mannhardt-Laakmann, Pirmin Habermehl, Fred Zepp Zentrum Kinder und Jugendmedizin, Johannes Gutenberg Universität, Mainz (Direktor: Prof. Dr. med. F. Zepp) Schlüsselwörter Keywords Zusammenfassung Summary Eingeschränkte T-Zell-Reifung und -Differenzierung, Immunregulationsstörung, kombinierter Immundefekt, Lymphozytenphänotypen, Indikation Stammzelltransplantation Primäre T-zelluläre Immundefekte umfassen eine Gruppe seltener Erkrankungen, die Folge genetisch bedingter Störungen der Reifung und Differenzierung bzw. der Aktivierung und Funktion des T-zellulären Immunsystems sind. Wegen der zentralen immunregulatorischen Funktion der T-Zellen besteht sekundär häufig auch ein humoraler Immundefekt, sodass es sich funktionell meist um kombinierte Immundefekte handelt, auch wenn B-Lymphozyten prinzipiell vorhanden sind. Die klinische Einteilung T-zellulärer und kombinierter Immundefekte beruht einerseits auf klinischen Befunden und darüber hinaus auf immunologisch krankheitsspezifischen Auffälligkeiten, die sich aus morphologischen, funktionellen und phänotypischen Untersuchungen des lymphatischen Systems ergeben. Die Möglichkeit, die zugrunde liegenden Defekte zunehmend molekulargenetisch zu definieren, erlaubt eine Einteilung nach pathogenetischen Gesichtspunkten. Dies hat bedeutende therapeutische Konsequenzen. Mit dem wachsenden Verständnis der molekularen Pathogenese einer Immundefekterkrankung erweitern sich die Therapiemöglichkeiten, insbesondere die Stammzelltherapie, um die Option einer Gentherapie. Die folgende Übersichtsarbeit hat zum Ziel, die klinischen Charakteristika der wichtigsten T-zellulären und kombinierten Immundefekte darzustellen und einen Einblick in das diagnostische und therapeutische Vorgehen zu geben. E in funktionsfähiges Immunsystems befähigt den Organismus, Infektionserreger zu erkennen und abzuwehren. Dazu reifen lymphatische Vorläuferzellen (hämatopoetische Progenitorzellen) zunächst im Knochenmark heran, verlassen es als unreife Prä-T-Stammzellen und erfahren im Thymus die genetisch gesteuerte polyklonale Diversifikation, Proliferation und Differenzierung zur reifen T-Zelle mit Impaired T-cell maturation, differentiation and immunoregulation, combined immunodeficiency, lymphocyte phenotyping, transplantation of stem cells Primary T-cell immunodeficiencies consist of a group of rare genetically determined abnormalities during T-cell maturation and differentiation as well as T-cell activation and function. Although B-lymphocytes may arise a humoral deficiency is often associated because the immunoregulatory T-cell-function is impaired. For years the classification of the “T-cell” as well as of the “combined T- and B-cell immunodeficiencies” has followed clinical aspects and has been influenced by immunological, phenotypical and functional laboratory results. The increasing knowledge about gene mutations being the cause of many different T-cell immunodeficiencies helps to understand the molecular basis of each single defect and has an important impact on therapeutic strategies: stem cell transplantation will be supported by gene replacement therapy. In this review the clinical characteristics of the main T-cellular and combined T- and B-cell deficiencies as well as the current diagnostic and therapeutic approaches are described. T-cellular and combined T- and B-cell immunodeficiencies Kinder- und Jugendmedizin 2008; 8: 137–149 der Fähigkeit zur spezifischen Antigenerkennung bei gleichzeitiger Toleranz gegenüber dem Selbst. Die intrathymischen Reifungsvorgänge finden unter dem Einfluss von T-Zell-spezifischen Wachstumsfaktoren statt, die über ein sich differenzierendes Rezeptorsystem die Funktionsfähigkeit etablieren: Die Immun-Effektorfunktionen werden mittels eines fein abgestimmten Antigen-(Ligand-)Rezeptorsystems und Signalübertragungsprozessen eingeleitet. Die resultierende Antigen-spezifische Immunantwort setzt das Zusammenspiel aller Lymphozyten-Subpopulationen (T-Helfer-, T-Regulator-, T-Suppressor-, zytotoxische T-Zellen) voraus. Dieses wird über ein komplexes Geflecht aus Zell-Interaktionen zwischen Erkennungsrezeptoren mit regulativem Austausch von Botenstoffen (Zytokinen) vermittelt. Wie sich aus der Physiologie der T-ZellMaturation ergibt, führen Störungen in diesem Prozess zu Immundefekten auf unterschiedlichem Niveau: Wird die Ausreifung der Lymphozyten-Vorläuferzellen bereits im Knochenmark komplett gehemmt, resultiert ein schwerer kombinierter Immundefekt (severe combined immunodeficiency, SCID), der aufgrund der fehlenden Infektionsabwehr unbehandelt zum Tode führt. Bei T-Zell-Differenzierungsstörungen intraoder postthymisch resultiert ein partieller Immundefekt. Da T-Lymphozyten auch regulative Funktionen ausüben, beziehen schwerwiegende Störungen immer auch die humorale Antwort mit ein und auch Autoimmunität ist eine mögliche klinische Komplikation. Der Übergang zu kombinierten Immundefekten ist fließend. Die folgende Übersichtsarbeit hat zum Ziel, die klinischen Charakteristika der wichtigsten T-zellulären und kombinierten Immundefekte darzustellen und einen Einblick in das diagnostische und therapeutische Vorgehen zu geben. Bei Verdacht auf Immundefekt sollte an eine pädiatrisch-immunologische Spezialambulanz oder ein Immundefektzentrum verwiesen und unverzüglich die spezielle immunologische Labordiagnostik veranlasst werden. Sie erfolgt in spezialisierten Laboratorien für Immunologische Diagnostik, die an verschiedenen Standorten über die Bundesrepublik verteilt an großen Universitäts-Kinderklini- Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 Eingegangen: 10. Dezember 2007; angenommen:For17.personal Dezember 2007 or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 138 Mannhardt-Laakmann, Habermehl, Zepp ken mit zugehörigen Immundefektambulanzen etabliert sind (Addressen über die „Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Immunologie“ (API): www.kinderimmunologie. de und das „Immundefektzentrum der Charité Berlin“: www.immundefekt.de). 1 Klinische Besonderheiten bei T-zellulären und kombinierten Immundefekten Patienten mit lymphatischen Immundefekten zeigen klinisch generell eine signifikante Infektionsanfälligkeit mit Neigung zu schweren polytop auftretenden bakteriellen und viralen Infektionen sowie PilzInfektionen und dem Auftreten ungewöhnlicher infektiöser Komplikationen. Rezidivierende Infektionen mit opportunistischen Erregern sind charakteristisch. Wenn die Krankheitsverläufe im frühen Säuglingsalter beginnen, komplizieren Herpes-VirusInfektionen den Verlauf. Klassischerweise entwickeln sich opportunistische Infektionen (Pilze, Pneumocystis carinii) mit unbeeinflussbarer Gedeihstörung und Infektionen der Atemwege und führen fast durchweg zum Tode. Die BCG(Bacille CalmetteGuérin)-Lebendimpfung (seit einigen Jahren nicht mehr im Impfplan der STIKO empfohlen) mit Entwicklung einer generalisierten BCG-Infektion ist lebensgefährlich. Fallen Neugeborene mit einem morbilliformen Exanthem oder einer ekzematoiden Dermatitis auf, kann es sich um eine abortive chronische Graft-versus-Host-Reaktion (GvHR) handeln, die durch mütterliche, diaplazentar übertragene Lymphozyten induziert wurde und meist unkompliziert verläuft. Hingegen ist die Transfusion unbestrahlter Blutprodukte häufig tödlich. Die allogen mit transfundierten Lymphozyten induzieren eine akute GvHR, die zu einer fulminanten Entzündungsreaktion im Bereich von Haut, Abdominalorganen und Knochenmark führt. Zur Vermeidung dieser fast immer tödlichen Komplikation müssen Blutprodukte vor Transfusion im ersten Lebensjahr unbedingt bestrahlt werden. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 Selten manifestieren sich primäre T-ZellDefekte im späteren Kindes- und Adoleszentenalter, meist dann, wenn es sich um isolierte Störungen T-zellulärer Teilfunktionen handelt. Bei partiellen Immundefekten können Inflammationsreaktionen undAutoimmunreaktionen das klinische Bild dominieren, Patienten weisen aber ebenfalls eine erhöhte Infektanfälligkeit auf. Diese Formen der T-Zell-Defekte sind darüber hinaus durch ein erhöhtes Malignomrisiko charakterisiert. 2 Molekulare Diagnostik von Immundefekten Bis heute wurde bei weit über hundert Immundefekten die molekulargenetische Basis geklärt, die Zahl erhöht sich weiterhin. Hieraus haben sich zahlreiche praktische Fortschritte ergeben: Die Diagnostik ist präziser und Erkrankungen lassen sich frühzeitig erkennen (bei bekannter Prädisposition pränatal), was eine fundierte genetische Beratung ermöglicht. Therapieansätze können an gut definierten Krankheitsentitäten geprüft und verglichen werden. Prognostische Aussagen werden verbessert, wenn die genaue Mutation bekannt ist und sie eventuell den Schweregrad der Erkrankung beeinflusst (z. B. beim X-chromosomal vererbten Wiskott-Aldrich-Syndrom). Die präzise Diagnose erleichtert die Entwicklung therapeutischer Maßnahmen, beispielsweise Verfahren zur Gentherapie. Den Immundefekterkrankungen liegen meistens monogene Störungen zugrunde, sehr häufig X-chromosomal determiniert. In diesem Fall führt eine einzige Mutation zur Manifestation der Erkrankung. Bei den autosomal-rezessiven Erkrankungen dagegen müssen Funktionsverluste auf beiden Kopien des auf homologen Chromosomen lokalisierten Gens vorliegen, damit es zur Erkrankung kommt. Sie kommen daher seltener vor, wenngleich die Vielzahl autosomal-rezessiver Immundefekte deutlich größer ist als die der X-chromosomalen Defekte. Seltener sind monogene, autosomaldominant vererbte Erkrankungen, bei denen die Krankheitsmanifestationen z. B. als Folge einer sogenannten Haploinsuffizienz (beim DiGeorge Syndrom vermutet) auftritt oder wenn es als Folge einer dominanten Mutation zur Bildung eines veränderten Proteins mit toxischer Wirkung kommt. ImVergleich zu den reinenT-Zell-Defekten führen beim schweren kombinierten Immundefekt sehr viele verschiedene Genmutationen zu einem klinisch und labordiagnostisch nicht unterscheidbaren Krankheitsbild. Die global gestörte Ausreifung des lymphatischen Systems kann also Folge unterschiedlicher genetischer Defekte sein, die sowohl X-chromosomal als auch autosomal-rezessiv mit heterogener Pathogenese vererbt werden. Neben den speziellen immunologischen Methoden sind dementsprechend molekulargenetische Methoden zentraler Bestandteil in der medizinischen Diagnostik von Patienten mit angeborenen Immundefekterkrankungen. Letztere ermöglichen zudem eine tiefgehende Erforschung immunologischer Zusammenhänge. Darüber hinaus unterliegt die Klassifikation der primären Immundefekte einer stetigen Anpassung an die Aufklärung der genetischen Ursachen (8). Sie wird von einer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe der WHO gepflegt (32, 34). 3 Klinisch bedeutsame Krankheitsbilder T- und B-zellulärer Immundefekte 3.1 Kombinierte T- und B-Zell-Immundefekte 3.1.1 Schwere kombinierte Immundefekte (SCID) (Störung der Reifung und Differenzierung) Ist die Lymphopoese im Bereich der Vorläuferzellen tiefgreifend gestört, entwickelt sich ein Immundefekt, der sowohl das T-Zell- als auch das B-Zell-System betrifft und klinisch zu einer schweren generalisierten Infektionsanfälligkeit gegenüber viralen, bakteriellen und Pilz-Antigenen bereits im frühen Säuglingsalter führt. Ohne Stammzellersatztherapie ist ein Überleben Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 139 T-zelluläre und kombinierte T- und B-Zell-Immundefekte nicht möglich. Die Häufigkeit kombinierter Immundefekte wird mit 4/100 000 Neugeborene (42) aufgrund der hohen Frühmortalität wahrscheinlich unterschätzt. Die angelegten lymphatischen Organe sind dysplastisch, da eine lymphatische Besiedlung fehlt. Ursächlich lassen sich Differenzierungsdefekte von Funktionsdefekten abgrenzen, die zugrunde liegenden Gendefekte sind weitgehend aufgeklärt (7, 37; Tab. 1). SCID (T-B+) Bei dieser SCID-Form sind B-Zellen vorhanden, aber funktionslos. Der Vererbungsmodus ist zumeist X-chromosomal, insbesondere bei Vorliegen einer Genmutation, die für die γ-Kette kodiert, die zahlreichen Interleukin-Rezeptoren (IL-2- [33], IL-4-, IL-7-, IL-9-, IL-15-, IL-21-Rezeptoren) gemeinsam ist und auf allen Lymphozyten exprimiert wird. Seltener liegen autosomalrezessive Erbgänge vor (Mutationen im JAK3-Gen [23], IL-7α-Gen [16], CD45-Gen, CD3δ-Gen [10]). Die häufigste SCID-Form mit 50–60 % der Fälle ist der X-chromosomal vererbte B+-SCID. Während T-Lymphozyten und NK-Zellen fehlen, sind B-Zellen nachweisbar, die jedoch ohne Funktion sind. Da die B-Zell-Zahl sogar erhöht sein kann, weisen die betroffenen Patienten meist keine ausgeprägte Lymphozytopenie auf. Der Erkrankung liegen Mutationen des Gens, das die „common γ-chain“ kodiert, zugrunde. Diese Rezeptor-Kette ist Bestandteil zahlreicher Interleukin-Rezeptoren, so u. a. für IL-7, das für die Ausreifung von T- und NKZellen von zentraler Bedeutung ist. Eine andere Form des B+-SCID wird autosomal-rezessiv vererbt und betrifft damit auch Mädchen. Dieser Erkrankung liegen Mutationen des JAK-3-Kinase-Gens zugrunde. SCID (T-B-) Bei Störungen der Ausbildung Antigen-spezifischer Rezeptoren in lymphatischen Vorläuferzellen durch Genmutation (RAG-1, RAG-2,Artemis-Gen; autosomal-rezessiv) resultiert ein kompletter Ausfall lymphatischer Zellen: weder T- noch B-Lymphozyten sind nachweisbar. Eine Sonderform der RAG-Mutationen (Missense-Mutation) findet sich beim Omenn-Syndrom (2), das Tab. 1 Wichtige Krankheitsbilder kombinierter Immundefekte schwere kombinierte Immundefekte (SCID) (Störung der Reifung und Differenzierung) ● ● ● ● SCID (T-B+) SCID (T-B+) retikuläre Dysgenesie Adenosindeaminase(ADA)-/ Purinnucleosidphosphorylase(PNP)-Mangel kombinierte Immundefekte (CID) mit T- und B-Zellen (Störungen der T-Zell-Aktivierung) ● ● ● ● MHC-Klasse-I- und MHC-Klasse-II-Defekt CD3γ- bzw. CD3ε-Defekt CD8α-Gendefekt ZAP-70-Defekt auch klinische Charakteristika wie Erythrodermie, Hepatosplenomegalie und Eosinophilie aufweist, wobei die Symptome Ausdruck einer autoaggressiven Reaktion pathologisch aktivierter autologer T-Zellen sind. Sonst fehlen bei dieser Form der Erkrankung T- und B-Zellen vollständig, sodass eine ausgeprägte Lymphozytopenie bzw. Alymphozytose besteht. Die wenigen zirkulierenden lymphatischen Zellen sind funktionstüchtige NK-Zellen. Die Vererbung ist autosomal-rezessiv, sehr häufig sind die Eltern konsanguin. Die hochgradig gestörte Ausreifung der Lymphozyten ist Folge einer defekten V(D)J-Rekombination des T-ZellRezeptors und der Immunglobulin-Gene. Es wurden Mutationen im Bereich der für die Enzyme RAG-1 und RAG-2 kodierenden Gene gefunden. Retikuläre Dysgenesie Die extremste Form einer angeborenen Immunfunktionsstörung ist die retikuläre Dysgenesie. Hier ist die Reifungsdefizienz vonTund B-Lymphozyten mit einem myeloischen Stammzelldefekt (Agranulozytose) gepaart. Vererbungsanalysen zeigen einen autosomalrezessivenVerlauf ohne Kenntnis der zugrunde liegenden Genmutation. Klinisch besteht bei der Geburt bereits eine signifikante Leuko- und Thrombopenie. Adenosindeaminase(ADA)-/Purinnucleosidphosphorylase(PNP)-Mangel Enzymdefekte im Purinstoffwechsel führen zur Akkumulation toxischer Stoffwechsel- metabolite (Deoxyadenosin/Deoxy-ATP/ DeoxyGTP) in Lymphozyten mit Hemmung ihrer Proliferation und somit Ausreifungsstörung. Sekundär entwickelt sich ein kombinierter Immundefekt, dessen Ausmaß mit dem Schweregrad des Enzymmangels korreliert. Insbesondere beim PNP-Defekt kann die humorale Immunfunktion erhalten sein. Entsprechend einer Immunregulationsstörung können Autoimmunphänomene wie eine hämolytische Anämie auftreten (25). Bei etwa 10% der SCID-Patienten ist eine Störung des Purinstoffwechsels, am häufigsten ein Mangel der Adenosindeaminase (ADA), sehr viel seltener der Purinnukleosidphosphorylase (PNP), Ursache des Immundefektes. Als Folge des Enzymmangels kommt es zu einem extra- und intrazellulären Aufstau toxischer Stoffwechselmetaboliten, vor allem von Deoxyadenosin und DeoxyATP bei ADA-Mangel und von Deoxy-GTP bei PNP-Mangel. Lymphatische Zellen, die physiologischerweise über besonders hohe Aktivitäten dieser Enzyme verfügen, werden bevorzugt geschädigt, die Proliferation dieser Zellen wird gehemmt. Die Ausprägung der Immundefizienz bei ADA-Mangel ist uneinheitlich. Während bei der Mehrzahl der Patienten schon bei Geburt das Vollbild des SCID besteht, beobachtet man bei einzelnen Patienten zunächst nur abgeschwächte Immunfunktionen, die innerhalb von Jahren eine progrediente Verschlechterung erfahren. Diese Variabilität beruht auf unterschiedlichen Mutationen des für das ADA-Enzym kodierenden Gens, die nicht immer mit einem vollständigen Enzymmangel einhergehen. Bei Patienten mit PNP-Mangel sind, im Gegensatz zum schweren ADA-Mangel, humorale Immunfunktionen in der Regel erhalten. Betroffene Patienten zeigen zusätzlich häufig psychomotorische Auffälligkeiten und autoimmunologische Störungen wie hämolytische Anämie. 3.1.2 Kombinierte Immundefekte (CID) mit T- und B-Zellen (Störungen der T-Zell-Aktivierung) Es handelt sich hierbei um funktionelle Defekte reifer, postthymischer T-Zellen. Allerdings ist eine Immunantwort durch die gestörte Signalaufnahme und/oder Verarbeitung nicht möglich, sekundär resultiert ein Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 140 Mannhardt-Laakmann, Habermehl, Zepp Tab. 2 Untersuchungsbefunde bei kombinierten Immundefekten Blutbild Lymphozytopenie (nicht obligat), häufig Eosinophilie, Thrombozytose Agranulozytose bei retikulärer Dysgenesie Röntgen/Sono Mediastinum fehlender Thymus (Mediastinum schmal, Retrosternalraum leer) Immunglobuline im Serum IgG niedrig/abfallend, IgA/IgM meist fehlend, selten normale Werte Lymphozyten-Oberflächenmarker T-Zellen meist niedrig/fehlend, falls vorhanden, oft abnorme Verteilung der T-Zell-Subpopulationen (CD4, CD8) B-Zellen variabel, auch erhöht, evtl. fehlende HLA-DR Expression Hauttestung Anergie, nur verwertbar bei gesicherter Antigenexposition, z. B. bei geimpften Patienten (Diphterie, Tetanus) oder bei Infektionen (Candidiasis, BCG-Impftuberkulose) Lymphozyten-Proliferation (in vitro) Stimulation mit Mitogen-/T-Zell-Antikörper meist deutlich erniedrigt oder fehlend, negativ mit spezifischen Antigenen Antikörper-Antwort Isoagglutinine niedrig/fehlend (bei Gesunden erst ab 6. Lebensmonat Anstieg!) Impfantwort immer fehlend (cave: mütterliche Antikörper, IgG-Substitution) HLA-Typisierung Nachweis mütterlicher bzw. fremder Lymphozyten ADA-/PNP-Aktivität (Erythrozyten) fehlende Enzymaktivität beweisend (nach Transfusion falsch positive Werte!) Histologie Lymphknoten Lymphozytendepletion, keine Lymphfollikel Darmschleimhaut kein lymphatisches Gewebe Haut Zeichen einer GvHD Knochenmark fehlende Plasmazellen humoraler Immundefekt aufgrund der fehlenden Steuerung der B-Zellen durch T-Zellen. Das durch den T-Zell-Antigen-Rezeptor(TCR)-CD3-Komplex vermittelte Signal ist nicht nur für die T-Zell-Aktivierung und die Einleitung spezifischer T-Zell-Funktionen von grundsätzlicher Bedeutung, sondern auch für die intrathymische Ausreifung und Differenzierung entscheidend. Die intrazelluläre Signalübermittlung von Lymphozyten kann durch genetische Defekte an verschiedenen Stellen gestört werden. Störungen der Expression eines funktionsfähigen TCR-CD3-Komplexes oder Defekte nachgeordneter Signalübertragungsschritte bis hin zur Expression von Zytokin- und Rezeptor-Genen führen daher nicht nur zu T-Zell-Funktionsausfällen, sondern können die komplette Entwicklung des T-Zell-Systems negativ beeinflussen. Die wichtigsten Funktionsdefekte finden sich beim MHC-Klasse-II- und MHCKlasse-I-Defekt, beim CD3γ- bzw. CD3ε-Defekt sowie bei den Signaltransduktionsstörungen (CD8α-Gendefekt, ZAP-70-Defekt), deren Genmutationen Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 weitgehend aufgeklärt sind (7). Der Vererbungsmodus ist autosomal-rezessiv. SCID als Folge einer gestörten Expression von MHC wird besonders bei Patienten nordafrikanischer Abstammung beobachtet. Die Erkrankung manifestiert sich meist im späteren Säuglingsalter durch eine nicht beherrschbare Gedeihstörung sowie durch rezidivierende Atemwegsinfekte. Bei meist normaler Anzahl von T- und B- Lymphozyten bestehen deutliche Funktionseinschränkungen. Bei der HLA-Typisierung fällt die fehlende Expression von MHC-Klasse-IIAntigenen auf, während MHC-KlasseI-Antigene unterschiedlich stark exprimiert sein können. Der Erkrankung liegen unterschiedliche Gendefekte zugrunde, die zu Störungen der Regulation der MHC-Antigenexpression führen. 3.1.3 Klinik der kombinierten Immundefekte Zelluläre und kombinierte Immundefekte manifestieren sich durch das frühzeitige Auftreten ungewöhnlicher infektiöser Komplikationen. Die Krankheitsverläufe beginnen im Alter von wenigen Wochen mit postnatal progredienter Gedeihstörung aufgrund einer chronischen Enteritis, chronisch mukokutaner Candidiasis, persistierender Pneumonitis mit trockenem Husten und pulmonaler Obstruktion. Störungen der zellulären Immunität prädisponieren zu Infektionen durch Viren, Pilze, Parasiten und intrazellulären Bakterien (oft opportunistische Erreger). Die Infektionen treten rezidivierend auf und heilen weder spontan noch unter antibakterieller Therapie vollständig aus. Schwerste virale Infektionen, insbesondere Varizellen-, Herpes-Typ-I-/II- und CMV(Zytomegalievirus)-Infektionen komplizieren den Verlauf und führen fast durchweg zum Tode. Im weiteren Verlauf kommt es zu therapieresistenten Pilzinfektionen der Schleimhäute, chronischen intestinalen Infektionen, Infektionen der Atemwege mit interstitieller Pneumonie, häufig ausgelöst durch opportunistische Erreger (Pneumocystis carinii). Die BCG-Impfung kann zu einer generalisierten BCG-Infektion unbehandelt mit tödlichem Ausgang führen. Vereinzelt fallen die Patienten schon im Verlauf der ersten Lebenstage durch die Entwicklung eines morbilliformen Exanthems oder einer ekzematoiden Dermatitis mit Pruritus und Bluteosinophilie auf. Hierbei handelt es sich um das Korrelat einer durch mütterliche, diaplazentar übertragene Lymphozyten induzierten, abortiven chronischen Graftversus-Host-Reaktion (GvHR). Untersuchungsbefunde: (Tab. 2) Nicht tastbare Lymphknoten, fehlendes tonsilläres Gewebe und röntgenologische oder sonografische Nichtdarstellbarkeit eines Thymus sind nahezu pathognomonisch für SCID. Bei Patienten mit ADA-Defekt kann eine Auftreibung im Bereich der kostochondralen Übergänge ähnlich wie bei rachitischem „Rosenkranz“ auffallen. Betroffene Säuglinge sind nur in den ersten Lebenswochen klinisch unauffällig. Während bei vollgestillten Säuglingen auch ein längeres symptomfreies Intervall bestehen kann, wird die große Mehrzahl im 2. oder 3. Lebensmonat durch schwere Infektionen symptomatisch. Einige Infektkomplikationen treten mit so großer Regelmäßigkeit auf, dass ein fast stereotypes Krankheitsbild, bestehend aus schwerer Gedeihstörung als Folge rezidivierender bzw. chronischer Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 142 Mannhardt-Laakmann, Habermehl, Zepp Tab. 3 Wichtige Krankheitsbilder T-zellulärer Immundefekte Andere, gut definierte Immundefekt-Syndro- Wiskott-Aldrich-Syndrom me mit T-Zell-Defekt DNA-Reparatur-Defekte Thymusdefekte ● Ataxia teleangiektatika Nijmegen-Chromosomeninstabilitäts-Syndrom ● DiGeorge-Syndrom ● Chediak-Higashi-Syndrom Griscelli-Syndrom ● chronisch mukokutane Candidiasis Hyper-IgE-Syndrom Erkrankungen bei Immundysregulation Immundefekte mit Albinismus ● familiäre hämophagozytierende Lymphohistiozytose (HLH) autoimmunes lymphoproliferatives Syndrom (ALPS) Immundefekte als Begleitsymptom bei anderen genetisch determinierten Erkrankungen intestinaler Infektionen, Zeichen der respiratorischen Insuffizienz als Folge persistierender viraler Infekte sowie ausgedehnter Candidiasis, besonders im Bereich des Oropharynx, resultiert. Eine häufige und akut lebensbedrohliche Komplikation ist die durch Pneumocystis carinii ausgelöste Pneumonie. Die wirksame Prophylaxe und Behandlung dieser Komplikation ist einer der Gründe für die inzwischen deutlich niedrigere Rate früher Todesfälle bei SCID. Bakterielle Infektionen sind vor allem rezidivierende Mittelohrentzündungen, nicht selten kompliziert durch Mastoiditis, lokalisierte Hautabszesse sowie bakterielle Septikämien und Lobärpneumonien. Fatale Komplikationen einer generalisierten BCG-Infektion nach Impfung zeigen sich klinisch als infiltrative, später ulzerative Veränderungen im Bereich der Impfstelle und der regionalen Lymphknoten mit Entwicklung von multiplen papulopustulösen Hauteffloreszenzen als Ausdruck der systemischen Streuung der Mykobakterien. Häufig sind das Skelettsystem in Form lokalisierter, osteolytischer Herde sowie Leber, Milz, Lymphknoten und Lungen betroffen. Differenzialdiagnostisch kann u. a. der Verdacht auf eine Histiozytosis X aufkommen, vor allem wenn ausgedehnte Infiltrationen betroffener Organe durch Histiozyten bestehen. Der Nachweis säurefester Mykobakterien ist entscheidend für die DiagKinder- und Jugendmedizin 3/2008 nose der BCG-Histiozytose. Die tuberkulostatische Behandlung verzögert lediglich das weitere Fortschreiten, die Überwindung der Infektion ist nur im Rahmen einer Immunrekonstitution durch Stammzelltransplantation möglich. Infolge des kompletten Ausfalls der immunologischen Abwehrfunktionen kommt es bei SCID zu spezifischen Komplikationen, die diagnostisch wegweisend sein können. Durch eine transplazentare maternofetale Transfusion immunkompetenter mütterlicher Lymphozyten wird eine Graftversus-Host-Reaktion im Säugling ausgelöst (s. o.). Die Patienten fallen durchVeränderungen im Bereich der Haut auf, ähnlich einer Neurodermitis. Im Extremfall besteht eine generalisierte Dermatitis mit nässenden, desquamativen oder chronisch-entzündlichen, ekzematösen Veränderungen, meist begleitet von einer auffallenden Bluteosinophilie und einem quälenden Pruritus. Diese Manifestationen sind mit denen bei Omenn-Syndrom identisch, hier jedoch Ausdruck der primären, durch mütterliche T-Lymphozyten ausgelösten, GvHR. Man findet mütterliche T-Zellen bei über der Hälfte der Patienten, meist in sehr niedriger Zahl. Ausprägung und Schweregrad klinischer Zeichen der GvHD, überwiegend im Bereich der Haut, sind variabel (31). Demgegenüber kommt es nach Bluttransfusionen charakteristischerweise zu einer akuten GvHD mit schwerer Dermatitis, Enteropathie bis hin zum Ileus, Hepatitis mit Leberversagen und einer irreversiblen Panzytopenie mit tödlichem Ausgang durch fehlende Therapieoptionen. Die Prophylaxe durch generelle Bestrahlung von Blutprodukten vor jeglicher Transfusion im Säuglings- und Kindesalter stellt die einzige Möglichkeit dar, eine solche lebensbedrohliche Komplikation zu vermeiden. Diagnose: Familienanamnese mit engem Verwandtschaftsgrad der Eltern sowie bei körperlicher Untersuchung fehlende tastbare Lymphknoten und nicht sichtbaren Tonsillen können bereits die Grundlage einer Verdachtsdiagnose bilden. Fehlt sonografisch und/oder röntgenologisch der normalerweise ausgeprägt sichtbare Säuglingsthymus, sollte unverzüglich die spezielle immunologische Labordiagnostik angeschlossen werden. Lymphopenie mit Werten unter 1 000 µl, Eosinophilie und Thrombozytose in Kombination mit fehlenden T-Lymphozyten sind klassische Befunde bei SCID. Die SerumImmunglobulinspiegel (insbesondere auch Isohämagglutinine) fehlen, bei jungen gestillten Säuglingen können IgG-Immunglobuline von der Mutter jedoch diagnostisch verwirren. Lymphozytenphänotypisierung der T- und B-Lymphozyten-Subpopulationen sowie Lymphozyten-Proliferationstests auf Stimulation mit polyklonalen und spezifischen T-Zell-Antigenen zeigen die Funktionsunfähigkeit des Immunsystems. Sind T-Zellen nachweisbar, kann die HLA-Typisierung klären, ob maternale Lymphozyten im Kind proliferieren. Von zentraler Bedeutung für die Diagnostik sind weiterhin Untersuchungen, welche die Fähigkeit zur Ausbildung spezifischer Immunantworten prüfen. Inzwischen ermöglicht dieVerfügbarkeit spezieller immunologischer Messmethoden (besondere Zytokinassays) eine genauere funktionelle Charakterisierung des zugrunde liegenden Defektes, welcher dann molekulargenetisch bestätigt werden kann. Die molekulare Aufklärung im Einzelfall hat auch für eine zukünftige genetische Beratung und Pränataldiagnostik für die betroffene Familie eine wichtige Bedeutung. Therapie: Die Stammzelltransplantation ist die einzige kurative Therapieoption. Alle üb- Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 143 T-zelluläre und kombinierte T- und B-Zell-Immundefekte rigen Behandlungsmaßnahmen dienen der Infektvorbeugung und -bekämpfung und sind im günstigsten Fall geeignet, eineVerzögerung weiterer Komplikationen bzw. eine vorübergehende Stabilisierung zu erreichen. Bei Infektionsverdacht wird nach mikrobiologischer Diagnostik unverzüglich mit einer breiten antimikrobiellen Therapie begonnen. Zum Erregernachweis müssen auch invasive diagnostische Eingriffe, wie z.B. die bronchoalveoläre Lavage, erwogen werden. Bei akuter Pneumonie sollte wegen der hohen Wahrscheinlichkeit einer Pneumocystis carinii-Infektion sofort eine entsprechende antimikrobielle Therapie begonnen werden. Bei BCG-geimpften Patienten ist eine Kombinationstherapie mit INH (Isonicotinsäurehydrazid) und Rifampicin notwendig, auch wenn die klinischen Zeichen einer systemischen Infektion fehlen, um eine weitere systemische Streuung zu verhindern. Die betroffenen Kinder müssen streng isoliert und praktisch keimfrei gepflegt werden. In jedem Fall werden eine Pneumocysti carinii- und Pilz-Prophylaxe initiiert. Immunglobuline werden regelmäßig in hoher Dosierung substituiert. Blutprodukte sollten CMV-frei getestet sein und müssen vor Transfusion bestrahlt werden. Lebendimpfungen sind streng kontraindiziert (24). Die Ernährung der dystrophen Kinder muss in der Regel parenteral ergänzt werden und erfordert einen zentralen Zugang. Die Stammzelltransplantation lymphohämatopoetischer Spenderzellen muss so früh wie möglich erfolgen; ein guter Allgemeinzustand des Patienten begünstigt den Transplantationserfolg. Durch Vorbehandlung des Stammzelltransplantats mit dem Ziel der T-Zell-Depletion kommen auch Eltern mit einem haploidentischen genetischen Hintergrund als Spender infrage (3, 4). Bei rechtzeitiger Diagnosestellung ist die Stammzelltransplantation bei der Mehrzahl der Patienten erfolgreich. Für SCID mitADA-Mangel lässt sich die Immunfunktion auch durch Enzymsubstitution verbessern. Darüber hinaus sind erste gentherapeutische Ansätze zur Substitution des defekten Gens in Erprobung (1). Prognose: Ohne Stammzelltransplantation versterben alle Patienten während des ersten Lebensjahres. Bei allogener Empfänger-/ Spender-Konstellation kann sich im im- mundefekten Empfänger eine „Graft-versus-host-Disease“ entwickeln, die je nach medikamentösem Behandlungserfolg die Prognose mitbestimmt. Häufig müssen die Patienten trotz erfolgreicher Rekonstitution des T-Zell-Systems lebenslang mit Immunglobulinen substituiert werden. 3.2 Andere gut definierte Immundefekt-Syndrome mit T-Zell-Defekt Im Vergleich zu den kombinierten Immundefekten, bei welchen die T-Zell-Entwicklung bereits auf Ebene der Stammzelle gestört ist, handelt es sich bei den Immundefektsyndromen mit T-Zell-Defekt um Störungen im Bereich der Zelldifferenzierung und Aktivierung (Tab. 3). Wegen der zentralen immunregulatorischen Funktion der T-Zellen kommt es neben der Infektanfälligkeit zu Autoimmunphänomenen und Autoimmunerkrankungen. 3.2.1 Wiskott-Aldrich-Syndrom Bei diesem X-chromosomal vererbten Krankheitsbild treten klinisch die Symptome der Trias Thrombozytopenie, chronisches Ekzem und Anfälligkeit für rezidivierende opportunistische Infektionen auf. Die Ursache liegt in der Mutation des WASP-Gens, was in letzter Konsequenz lymphozytäre Tyrosinkinasen, die für Rezeptor-vermittelte Signaltransduktionsprozesse bei der Aktivierung der Immunantwort (T- und B-Zellen) eine Rolle spielen, in ihrer Funktion beeinträchtigt (20). Bei der Differenzierung der Thrombozyten bewirkt das WASP-Protein die Polymerisation von Actinfilamenten. Die Thrombozytopenie entsteht durch vermehrten Abbau in der Milz. Klinik: Die Thrombozytopenie führt bereits bei Neugeborenen zu schweren petechialen und im weiteren Verlauf gastrointestinalen und zerebralen Blutungen. Nach dem ersten Lebenshalbjahr treten rezidivierende Infektionen wie Otitiden, Pneumonien, Septikämien und Meningitiden meist durch Pneumokokken, Meningokokken, Haemophilus influenzae (Kapsel-tragenden Bakterien) sowie opportunistische Infektionen (Pneumocystis carinii) auf. Virale In- fektionen (z. B. Herpes, Varizellen) verlaufen schwer. Ein Ekzem wie bei atopischer Dermatitis tritt bereits während der ersten Lebensmonate auf. Charakteristisch ist die Entwicklung von Autoimmunphänomenen (Arthritis, Vasculitis, hämolytische Anämie, Neutro-/Thrombopenie) (12). Diagnostik: Thrombozyten sind sowohl in Anzahl (unter 100000/µl) als auch Funktion beeinträchtigt (Größe halbiert, Aggregationsfähigkeit vermindert). Bei der immunologischen Phänotypisierung sind B-Zellen vorhanden, IgA und IgE erhöht, Paraproteine im IgG-Bereich zuweilen nachweisbar. Demgegenüber sind IgM immer vermindert, Isoagglutinine fehlen, die IgM-Polysaccharidantwort versagt.Antigen-spezifischeAntikörper werden unzureichend gebildet. DieT-ZellImmunität ist anfänglich normal und nimmt im Verlauf mehrerer Jahre progredient ab. In T-Zell-Proliferations-untersuchungen fallen vor allem Einschränkungen auf spezifische Antigene (z.B.Tetanus,Allo-AG) auf. Schwere Lymphopenien werden nach dem sechsten Lebensjahr beobachtet. In den Lymphknoten und der Milz entsteht eine Zellverarmung der T-Zell-abhängigen Regionen. Die Hautreaktion vom verzögerten Typ ist reduziert oder fehlt. Den Monozyten fehlt in etwa 50% der Fälle der Fc-Rezeptor für IgG. Die molekulargenetisch nachweisbare Mutation im WASP-Gen (auf dem kurzen Arm von Chromosom Xp11.22–11.3) beweist die Diagnose im Verdachtsfall; eine positive Familienanamnese ist möglich. Therapie und Prognose: Die Erkrankung kann durch HLA-identische Stammzelltransplantation erfolgreich therapiert werden (14). Bis zum Zeitpunkt der Intervention sollten eine antimikrobielle Prophylaxe sowie regelmäßige Immunglobulingaben i. v. durchgeführt werden (22). Das Ekzem kann durch Kuhmilch- und Ei-freie Diät behandelt werden. Die Langzeitprognose ist durch das besondere Risiko der Malignomentwicklung (lymphoretikulär, myeloische Leukämie) getrübt. 3.2.2 DNA-Reparaturdefekte Die Ataxia teleangiektatika (Louis-BarSyndrom) beruht auf einem großen Gendefekt des ATM-Gens mit autosomal-rezessiver Vererbung. In der Folge treten klinisch Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 144 Mannhardt-Laakmann, Habermehl, Zepp eine progrediente zerebelläre Ataxie, geistige Retardierung, okulokutane Teleangiektasien, endokrine Störungen (Diabetes mellitus, Hypogonadismus) sowie Symptome eines kombinierten Immundefektes auf (bronchopulmonale Infektionen). Pathogenese: Es handelt sich um eine durch einen singulären Gendefekt ausgelöste Multisystemkrankheit. Das für das Krankheitsbild verantwortliche Gen (ATMGen) kodiert ein Homolog einer Phosphatidylinositol-3-Kinase. Dieses Enzym ist in die Signalübertragungskette eingebunden und spielt generell bei der meiotischen Rekombination und der Zellzyklus-Kontrolle eine Rolle. Dies erklärt die erhöhte Empfindlichkeit der AT-Zellen nach DNA-Schädigung (Radiosensitivität) (43, 47). Interessanterweise treten bei derAtaxia teleangiektatika Chromosomenbrüche und Translokationen 40-fach häufiger als erwartet an den Chromosomen 7 und 14 auf. Die betroffenen Regionen sind für die Entwicklung des Immunsystems (14q11.2 – α-Kette des T-Zell-Antigen-Rezeptors, 7q35 – β-Kette des TCR, 7q15 – γ-Kette des TCR, 14q32 – schwere Immunglobulin-Ketten = Gene der Immunglobulin-Gen-Superfamilie) von essenzieller Bedeutung. Der Immundefekt mit funktionellen immunologischen Störungen erklärt sich dementsprechend durch die ATM-bedingte Störung der Signalübertragung zwischen Zytoplasma und Zellkern. Die neurologischen Symptome (kortikale zerebelläre Degeneration) könnten durch eine ungenügende Signalverarbeitung in neuronalen Zellen bedingt sein. Das ATM-Genprodukt scheint für zwei unabhängige Funktionen verantwortlich zu sein: als Sensors für eine DNA-Schädigung im Zellkern sowie als Regulator für die zytoplasmatische Signaltransduktion von der Membran zum Nukleus. Klinische Symptomatik: Die klinische Symptomatik mit Ataxie, Teleangiektasien und progeroidem Habitus entwickelt sich etwa ab dem 2. Lebensjahr progredient, wobei die zerebelläre Ataxie initial zunächst als motorische Ungeschicklichkeit („Clownsgang“) fehlinterpretiert werden kann. Störungen wie Choreoathetose, extrapyramidale Symptome und geistige Retardierung treten im Verlauf hinzu. Ab dem 3. bis 5 Lebensjahr entwickeln sich Teleangiektasien Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 im Bereich der Konjunktiven, später an den Ohren, im Schulter-Hals-Bereich sowie an den Beugeseiten der Arme. Lichtexponierte Hautregionen sind bevorzugt betroffen. Weitere Symptome sind Depigmentierung der Haare, Vitiligo, Café-au-lait-Flecken, Sklerodermie-ähnliche Hautveränderungen und ein progeroider Habitus. Diagnose: Bei voll ausgeprägtem Krankheitsbild ist die Zahl αβ-TCR-tragender T-Zellen im peripheren Blut vermindert, der Anteil γδ-positiver Zellen dagegen erhöht. T-Helferzellen zeigen eine verminderte Proliferation sowie eine eingeschränkte Lymphokin-Produktion. Auch die Aktivität zytotoxischer T-Zellen gegenüber viralen Antigenen ist reduziert. Das CD4/CD8-Verhältnis ist erniedrigt. Die Funktion der natürlichen Killerzellen und der T-Suppressor-Zellen sind in der Regel normal. Der Thymus ist dysplastisch mit embryonalen Strukturelementen. Die humorale Immunfunktion ist durch erhöhte Serum-IgM-Spiegel bei eingeschränkter Produktion der übrigen Antikörperklassen gekennzeichnet. Es werden keine spezifischen Antikörper gegenüber den Polysaccharid-Antigenen von bekapselten Bakterien gebildet. In 70 % der Fälle besteht ein selektiver IgA-Defekt, bei 80 % der Patienten sind die IgE-Spiegel vermindert. Etwa die Hälfte der Betroffenen hat einen IgG2- und IgG4-Mangel. Kinder mit einem kombinierten IgG2- und IgA-Mangel tragen ein besonders hohes Infektionsrisiko. Im Verlauf der Erkrankung können Autoantikörper gegen Hirn- und Thymusgewebe nachweisbar werden sowie autoimmun bedingte hämolytische Anämien, Thrombozytopenien sowie ein Diabetes mellitus auftreten. Diagnostisch hilfreich ist der Nachweis erhöhter Konzentrationen von α-1-Fetoprotein und des karzinoembryonalen Antigens. Bei Verdacht ist die molekulargenetische Untersuchung des ATM-Gens indiziert und kann auch in der pränatalen Diagnostik genutzt werden. Therapie: Bei der Therapie des Immundefektes stehen symptomatische Maßnahmen im Vordergrund, da aufgrund des DNA-Reparaturdefektes hohe Risiken bezüglich der myeloablativen Konditionierung vor einer eventuellen Stammzelltransplantation stehen. Die Stammzelltranplantation beein- flusst ohnehin lediglich den immunologischen Defekt ohne die Progredienz der neurologischen Symptome aufhalten zu können. Die immunologische Dysbalance führt zu einer Neigung zur Anti-IgA-Antikörperbildung. Daher müssen für die regelmäßig notwendige Immunglobulinsubstitution (alle 3–4 Wochen 0,4 g/kg KG) IgA-arme Präparate ausgewählt werden. Eine antiinfektiöse Dauerprophylaxe (z. B. Cotrimoxazol), die Verwendung von bestrahlten CMV-freien Blutprodukten sowie die Vermeidung von Lebendimpfungen sind weitere wichtige Behandlungsstrategien. Die Prognose wird durch die schwere Behinderung mit Infektionsanfälligkeit besonders pulmonal sowie die gesteigerte Malignomentwicklung bestimmt (18). Das Nijmegen-Chromosomeninstabilitäts-Syndrom ist ein autosomal-rezessiv vererbter Symptomenkomplex aus Minderwuchs, Mikrozephalie, mentaler Retardierung, Café-au-lait-Flecken und gesteigerter Infektionsanfälligkeit. Die Patienten fallen klinisch durch ihr besonderes Gesicht (Mikro-/Retro- oder Agnathie, große Nase, Hypotelorismus, tiefsitzende Ohren), Klinodaktylie des 5. Fingers, Vitiligo, exzessive Sommersprossenbildung und Fehlbildungen des Harntraktes (Hydronephrose, Reflux) auf. Der Gendefekt betrifft das NBS1-Gen auf Chromosom 8q21, welches fürAnteile eines DNA-Reparaturkomplexes kodiert und klar vom ATM-Gen abzugrenzen ist (49). Spontane Chromosomenbrüche betreffen allerdings wie bei der Ataxia teleangiektatika Gene der Immunglobulin-Superfamilie (gehäuft an den Chromosomen 7 und 14) mit einem resultierenden Immundefekt insbesondere der T-Helferzellen sowie eingeschränkter zytotoxischer T-Zell-Funktion, humoraler Defizienz mit Mangel an Antigen-spezifischen Antikörpern, gesteigerter Radiosensitivität sowie einem erhöhten Malignomrisiko. Die Therapie ist in Analogie zur Ataxia teleangiektatika supportiv. Autoimmunphänomene sind bislang nicht berichtet worden. Molekularbiologisch lassen sich bislang mindestens zwei weitere DNA-Reparaturdefekte (LIG4-Syndrom, Bloom-Syndrom) mit ähnlichem z. T. aber sehr variabel ausgeprägtem Immundefekt abgrenzen (35). Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 145 T-zelluläre und kombinierte T- und B-Zell-Immundefekte Das ICF-Syndrom wird durch die Hauptsymptome Immundefekt, zentromere Heterochromatin-Instabilität und faziale Dysmorphien definiert und autosomal-rezessiv vererbt. Es besteht eine vermehrte Brüchigkeit der Zentromer-Heterochromatinregionen, vor allem an den Chromosomen 1, 9 und 16, seltener auch an Chromosom 2. Die auffälligsten Anomalien sind vielarmige Konfigurationen, welche durch Duplikation oder Deletion entstehen. Wahrscheinlich ist eine Mutation im DNA-Methyltransferase-3B-Gen, die zu einer Methylierungsstörung von DNA-Satelliten der Zentromerregion der Chromosomen 1, 9 und 16 führt und die vermehrte Chromosomen-Brüchigkeit begünstigt, für das Syndrom verantwortlich. Da Methylierungsvorgänge auch für das V(D)J-Rearrangement von Rezeptorstrukturen bei T- und B-Zellen von Bedeutung sind, ergibt sich hier ein pathogenetischer Zusammenhang zu den Immunfunktionsstörungen des Syndroms. Klinische Symptome: Die klinischen Symptome sind durch Gesichtsanomalien, makrozephale Kopfkonfiguration, postnatalen Kleinwuchs, Hepatosplenomegalie, die Entwicklung eines Hydrozephalus und eine verzögerte mentale Entwicklung gekennzeichnet. Schon innerhalb der ersten Lebensmonate entwickeln die Kinder schwerste, therapieresistente Diarrhöen und rezidivierende Infektionen des Respirationstraktes. Überzufällig wird das Auftreten einer Chorioretinitis nachgewiesen. Immunologie: Immunologisch besteht eine T-Zell-Lymphopenie mit defizienter Funktion (Hauttest, Proliferation) bei normaler bis leicht erhöhter B-Zell-Zahl. Das Thymusorgan ist verkleinert. Es besteht eine Hypogammaglobulinämie mit Verminderung aller Immunglobulinklassen, spezifische Antikörper nach Infektion oder Impfung können nicht gebildet werden. Die chromosomalen Anomalien werden zytogenetisch in kultivierten Lymphozyten nachgewiesen. Therapie: Die Therapie schließt eine Langzeit-parenterale Ernährung sowie eine supportive regelmäßige Immunglobulinsubstitution und eine antiinfektiöse Prophylaxe mit ein. Bei schwerem T-Zell-Defekt kann eine Knochenmarktransplantation erfolgreich sein. Prognose: Es sind sowohl Knaben wie Mädchen gleichermaßen betroffen. Die Prognose ist unklar, die Mehrzahl der bekannten Patienten ist im Säuglings- und Kleinkindalter verstorben. Ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Malignomen besteht offensichtlich nicht (18). 3.2.3 Thymusdefekte DiGeorge-Sequenz Es handelt sich um einen Defekt der Entwicklungsfelder der 3. und 4. entodermalen Schlundtasche mit den korrespondierenden ektodermalen Kiemenbögen, der einen Symptomenkomplex mit Hypo- bis Aplasie des Thymus und konsekutiver T-Zell-Defizienz, Hypoparathyreoidismus, Vitium cordis und Gesichtsdysmorphie beschreibt. Der Phänotyp ist ausgesprochen variabel, auch der T-Zell-Defekt variiert von einer partiellen Defizienz ohne wesentliche klinische Ausprägung über die Entwicklung von Autoimmunphänomenen (15) bis hin zur Thymusaplasie mit vollständiger T-Zell-Defizienz (komplette DiGeorge-Sequenz) (41). Pathogenese: Die Morphogenese der 3. und 4. entodermalen Schlundtaschen sowie der korrespondierenden ektodermalen Kiemenbögen ist gestört, was etwa in der 4. Embryonalwoche zur Entwicklungshemmung von Thymus und Nebenschilddrüse führt. Da während dieser Embryonalperiode die Differenzierung von Philtrum, Ohrhöckern, Herzscheidewänden und embryonalen Aortenbögen ebenfalls erfolgt, kann es zu entsprechenden assoziierten Fehlbildungen kommen. Die Mehrzahl der Patienten mit DiGeorge-Sequenz weist strukturelle Chromosomenaberrationen (partielle Trisomie 20 oder partielle Monosomie 22) auf. Fast 95 % der betroffenen Kinder tragen eine Mikrodeletion in der Region 22q11.2 (21). Die für die DiGeorge-Sequenz bedeutende kritische Region (MDGCR: minimal DiGeorge critical region) auf Chromosom 22q11.2 umfasst 250 Basenpaare. In der Region kodiert ein dem murinen Catenin (p120CAS) homologes Protein, dem eine Rolle bei Protein-Protein-Interaktionen zugeschrieben wird. Die DiGeorge-Sequenz wird zu einer Gruppe von Krankheitsbildern gerechnet, die unter dem Akronym „CATCH22“ zu- sammengefasst werden. CATCH22 steht für Cardiac,Abnormal facies,Thymic hypoplasia, Cleft palate, Hypocalcemia, 22nd Chromosome. Andere Krankheitsbilder mit einer 22q11-Monosomie sind das velokardiofaziale (Shprintzen-)Syndrom, das konotrunkale Gesichtsanomalie-Syndrom, das Cayler-Syndrom und Patienten mit BBB-/ G-Syndrom (Opitz-Syndrom), die ohne Störung der Thymusentwicklung einhergehen. Deletionen am Chromosom 22q11 können heute mittels „Fluoreszenz-in-situHybridisierung“ (FISH-Technik) zuverlässig nachgewiesen werden. Ähnliche klinische Symptome wurden auch bei Deletionen am Chromosom 10p13 berichtet. Klinik: Die auffällige Gesichtsmorphe (dysplastische Ohren, Hypertelorismus, Mikrogenie, Gaumenspalte, kurzes Lippenphiltrum, Fischmund, antimongoloide Augenfalte) in Verbindung mit hypokalziämischen Krampfanfällen sowie kardialen Fehlbildungen (rechter Aortenbogen, Aortenatresien, Truncus arteriosus communis, Ventrikelseptumdefekte, Fallot'sche Tetralogie) und pulmonalen Komplikationen häufig bereits während der ersten Lebenstage fallen nach der Geburt auf und werden von frühzeitig auftretenden generalisierten und opportunistischen Infektionen (viral, mykotisch, bakteriell) begleitet. Insbesondere therapieresistente Diarrhö, Gedeihstörung und Pneumonie sind charakteristisch. Die weitere Entwicklung kann von einer psychomotorischen Entwicklungsverzögerung begleitet sein (41). Bei partiellem T-Zell-Defekt können sich aufgrund regulativer Funktionsstörungen Autoimmunphänomene entwickeln (15). Diagnostik: Bei persistierender Hypokalziämie, Mangel an Parathormon und eventuellen Herzgeräuschen erhärten Echokardiografie und Sonografie des Mediastinums zur Darstellung desThymus (fehlender Thymusschatten im Röntgenbild des Thorax) die klinische Verdachtsdiagnose. Immunologische Untersuchungen des T-Zell-Phänotyps und der Funktionsanalyse ergeben je nach Ausmaß der Thymusdysplasie verminderte T-Zell-Zahlen bis zum völligen Fehlen. Auch lassen sich häufig unreife T-ZellVorstufen (CD1, CD38, gesteigerte γ/δ-Rezeptor-positive T-Zellen), eingeschränkte Zytokinproduktion, verminderte prolifera- Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 146 Mannhardt-Laakmann, Habermehl, Zepp tive Antwort auf polyklonale und antigene/ allogene Stimulation nachweisen. B-Lymphozyten und Immunglobulinspiegel finden sich häufig normal, bei mangelnder T-Zell-Hilfe können Antigen-spezifische Antikörper (z. B. gegenüber Tetanus-Antigen) fehlen. Zur ursächlichen Differenzierung sollte eine molekulargenetische Untersuchung auf CATCH22 mittels FISH-Technik (kann auch pränatal eingesetzt werden) erfolgen. Therapie: Die Transplantation von fetalem humanem Thymusgewebe kann bei kompletter Thymusaplasie die T-Zell-Funktion rekonstituieren (26). Bei entsprechender Indikation (Therapiemöglichkeiten der Begleiterkrankungen) ist aber die HLA-identische Stammzelltransplantation heute vorzuziehen. Bei partiellen T-Zell-Defekten hängt die Therapie vom Ausmaß des Immundefektes ab und schließt die Cotrimoxazol-Prohylaxe (Pneumocystis carinii) sowie die Immunglobulinsubstitution bei entsprechender Indikation mit ein. Bei Bluttransfusionen (z. B. kardiochirurgische Eingriffe) müssen unbedingt bestrahlte Blutprodukte verwendet werden, um eine Graft-versus-Host-Reaktion zu vermeiden. Lebendimpfungen entsprechend den STIKO-Empfehlungen sind nicht generell indiziert, können nach individueller Prüfung derT-Zell-Funktion bei guter Funktion (36) in Zusammenarbeit mit pädiatrischen Immunologen gegebenenfalls durchgeführt werden. Prognose: Bei kompletter DiGeorge-Sequenz sterben mehr als 80 % aller Kinder auch aufgrund assoziierter z. B. kardialer Fehlbildungen. Kinder mit Thymushypoplasie und Restfunktion können demgegenüber im Zeitverlauf ein funktionsfähiges Immunsystem entwickeln. Winged-Helix-Nude(WHN)-Defekt Die Mutation im WHN-Gen (autosomal-rezessiv) führt klinisch zu Alopezie und einer abnormen Entwicklung desThymusepithels mit einer konsekutiven T-Zell-Störung und immunologisch vergleichbarer Klinik wie beim DiGeorge-Syndrom (37). Allerdings scheint die alleinige Stammzelltransplantation nicht für eine anhaltende Immunrekonstitution auszureichen. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 3.2.4 Chronisch mukokutane Candidiasis Die Erkrankung setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen, wobei einerseits die rezidivierenden Pilz-Infektionen (überwiegend Candida-Infektionen) von Haut und Schleimhäuten, andererseits die Endokrinopathie mit Beteiligung multipler Organsysteme gepaart mit einem partiellen T-Zelldefekt (immunregulatorische T-ZellFunktionen, Zytokinproduktion) insbesondere gegenüber Pilz-Antigenen auffallen. Antikörpertiter gegenüber Pilz-Antigenen sind demgegenüber mit hohen Titern nachweisbar. Bei der autosomal-rezessiven Polyendokrinopathie-Candidiasis-Ectodermale-Dysplasie (APECED) liegt die Mutation im AIRE-Gen und führt klinisch zur Entwicklung der Autoimmunendokrinopathie. Klinischer Verlauf: Die Candida-Infektionen beginnen im ersten Lebensjahr und betreffen Nägel, Haut und Schleimhäute; das Risiko einer systemischen Candida-Infektion ist hingegen nur selten zu beobachten. Aufgrund des selektiven T-Zell-Defektes gegenüber Candida verläuft die Erkrankung benigne; ist ein IgG-Subklassen-Defekt assoziiert, besteht eine zusätzliche Anfälligkeit für kapseltragende Bakterien sowie ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Bronchiektasien. Die Endokrinopathien (etwa 20 %) betreffen hauptsächlich Schilddrüse (Hypothyreose) und Nebenschilddrüse (Hypoparathyreoidismus mit hypokalziämischen Krampfanfällen), Pankreas (Diabetes mellitus) und Nebennierenrinde (M. Addison). Eine begleitende Alopezie ist häufig. Es wird vermutet, dass der chronisch mukokutanen Candidiasis mit Endokrinopathie und dem Krankheitsbild der autoimmunen Endokrinopathien ähnliche immunologische Störungen zugrunde liegen. Diagnostik: Diagnostisch fällt eine selektive Einschränkung der T-Zell-Antwort auf Candida-Antigen auf, während die Mitogenantwort auf polyklonale Antigene und andere spezifische Antigene nicht eingeschränkt ist. In vitro werden nach Stimulation mit Candida zu wenigT-Helfer-2-Zytokine (Interleukin-2 [IL-2] und kein Interferon-gamma [INF-γ]) gebildet. Im Gegensatz dazu werden vermehrt T-Helfer-2-Zy- tokine (IL-4, IL-5, IL-10) sezerniert. Die Zahl zirkulierender Helfer-Inducer-T-Zellen ist vermindert, was möglicherweise zur defekten T-Helfer-1-Antwort und zur mangelnden Entwicklung einer Candida-spezifischen Gedächtnisantwort führt. Das B-Zell-System ist in der Regel intakt. Die Immunglobulin-Spiegel liegen im Normbereich, die Produktion spezifischer Antikörper ist nicht beeinträchtigt. Häufig finden sich exzessiv hohe Antikörpertiter gegen Candida-Antigene. Bei Kindern wurde allerdings auch über eine verzögerte IgG2-Produktion gegenüber Candida-Antigen oder Pneumokokken-Polysacchariden berichtet. Ein selektiver IgA-Defekt oder/ und ein IgG2-IgG4-Mangel sowie Störungen der Makrophagenfunktion (Chemotaxis, Phagozytose) und des Komplementsystems sind beschrieben worden (18). Therapie: Therapeutisch kommen Antimykotika (z.B. Itraconazol) erfolgreich zum Einsatz; bei IgG-Subklassenmangel ist eine regelmäßige Immunglobulinsubstitution indiziert. Die endokrinen Störungen müssen entsprechend hormonell substituiert werden. 3.2.5 Hyper-IgE-Syndrom Das Hyper-IgE-Syndrom (Buckley- oder Hiob-Syndrom) ist durch die klinische Trias Ekzem, rezidivierende abszedierende Staphylokokken-Infektionen der Haut und Luftwege, Eosinophilie mit sehr hohen Serum-IgE-Konzentrationen und Pneumonien mit Pneumatozelenbildung gekennzeichnet (33). Es wird ein autosomal-rezessiver Erbgang vermutet, Mädchen und Knaben sind gleichermaßen betroffen. Klinik/Pathogenese: Die molekularen Ursachen konnten in den letzten zwei Jahren aufgeklärt werden. Bei der dominanten Form finden sich Mutationen im STAT3-Gen (29), bei einem Patienten mit autosomal-rezessiver Erkrankung wurde eine Mutation bei Tyk2 gefunden (30), die beide eine erhöhte IgE-Bildung und Eosinophilie zur Folge haben. Schon in den ersten Lebenswochen entwickelt sich eine chronische Dermatitis mit abszedierenden Staphylokokken-Infektionen im Gesicht und im Bereich der Extensoren, gefolgt von eitrigen Infektionen der Atemwege mit eventueller Pneumatozelen- Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 147 T-zelluläre und kombinierte T- und B-Zell-Immundefekte bildung. Systemische Infektionen sind selten. Häufigste Infektionserreger sind S. aureus und bekapselte Bakterien (H. influenzae, Pneumokokken). Eine chronische Konjunktivitis kann zu massiver Hypertrophie der Oberlid-Konjunktiven und zu Hornhautulzera führen. In der weiteren Entwicklung auffällig sind vergröberte Gesichtszüge mit breitem Nasenrücken und dysproportioniertem Gesichtsschädel. Durch die vermehrte Freisetzung proinflammatorischer Mediatoren und eine verstärkte Knochenresorption durch Monozyten leiden ältere Kinder unter einer Osteoporose, die pathologische Frakturen begünstigen kann. Neben der Eosinophilie (bis zu 50 %) fallen massiv erhöhte IgE-Konzentrationen auf (Werte > 2 500 U/ml, z. T. bis > 50 000 U/ml). Die übrigen Immunglobulinklassen sind normal oder leicht erniedrigt. Beim Hyper-IgE-Syndrom werden hohe anti-S. aureus- und anti-C. albicans-IgEAntikörperspiegel nachgewiesen. Die zelluläre Immunität ist eingeschränkt, Hautteste fallen immer negativ aus. Nur bei wenigen Patienten besteht ein zusätzlicher, meist transitorischer, Chemotaxisdefekt. Therapie: Die Behandlung besteht in einer Staphylokokken-wirksamen Infektionsprophylaxe. Bei hoher Infektanfälligkeit ist in Einzelfällen eine Immunglobulinsubstitution sinnvoll. Weitere Therapieansätze sind experimentell. 3.3 Erkrankungen bei Immundysregulation Im Folgenden werden charakteristische Erkrankungen mit Störungen der Zytotoxizität dargestellt. Genetisch unterschieden werden die Unfähigkeit zytotoxische Lysosomen intrazellulär zu transportieren (Chediak-Higashi-Syndrom, Griscelli-Syndrom ), zur Ausschleusung zu bringen (MUNC-Defekt) oder funktionell unwirksame Zytolysine (Perforin-Defekt) zu bilden. Die Betroffenen erkranken überwiegend während des ersten Lebensjahres mit Fieber, Hepatosplenomegalie und ZNS-Symptomen. Insbesondere nach Virus-Infektionen entwickelt sich eine unregulierte Proliferation ineffektiver zytotoxischer Zellen mit über- schießender Zytokinfreisetzung (IFN). Somit wird eine schwere Inflammationsreaktion mit Multiorganbeteiligung und entsprechender Histologie einer Hämophagozytose provoziert (44). 3.3.1 Immundefekte mit Albinismus Beim autosomal-rezessiv vererbten Chediak-Higashi-Syndrom führt die Mutation im Lyst-Gen zur Verschmelzung der azurophilen Granula der Neutrophilen zu Riesengranula (diagnostisch mikroskopisch hinweisend im peripheren Differenzialblutbild) mit der Folge von Chemotaxis-Defekt und Störung der antimikrobiellen Toxizität (5). Die Zytotoxizität von T- und NK-Zellen ist ebenfalls eingeschränkt, woraus ein kombinierter Immundefekt resultiert mit histiozytärer Proliferation und Makrophagenaktivierung („HLH“) in der Terminalphase. Einzige erfolgreiche Therapieoption besteht in der Stammzelltransplantation. Die dem Syndrom vergesellschaftete Neurodegeneration und der okulokutane Albinismus bleiben unbeeinflusst. Das Griscelli-Syndrom (Mutation im RAB27α-Gen, autosomal-rezessiv; [28]) lässt sich aus dem Haarschaft durch die mikroskopisch erkennbare Verplumpung des Pigments bei infektanfälligen Patienten mit Hypopigmentierung von Haut und Haar diagnostizieren. Die Zytotoxizität von Tund NK-Zellen ist ebenfalls eingeschränkt mit der Folge einer dysbalancierten Lymphoproliferation (HLH). Eine progressive Enzephalopathie entwickelt sich in schweren Fällen. 3.3.2 Familiäre hämophagozytierende Lymphohistiozytose (HLH) Beim Perforin-Mangel (autosomal-rezessiv) liegt eine Mutationen im PRF1(Perforin)-Gen vor, was zu einer funktionell erniedrigten NK- und CTL(zytotoxische Lymphozytenreaktion)-Aktivität führt (45). Die T-Zellen selbst sind stark aktiviert (CD25+, HLADr+). Beim Munc-Defekt (Mutation im MUNC13–4, autosomal-rezessiv) ist die Exkretion des Perforins in den synaptischen Spalt gestört mit der klinischen Folge einer erniedrigten NK- und CTL-Aktivität (13). Das X-chromosomale lymphoproliferative Syndrom (XLP) („Purtilo-Syndrom“) wird durch eine inadäquate Lymphoproliferation auf EBV (18) klinisch gekennzeichnet und beruht auf einer Mutation im SAP-Gen. Neben der Hepatitis kann eine aplastische Anämie induziert werden und die Entwicklung von Lymphomen ist gehäuft. Die familiäre HLA ist nur durch Stammzelltransplantation heilbar (19). 3.3.3 Autoimmunes lymphoproliferatives Syndrom (ALPS) Dem ALPS, autosomal-rezessiv vererbt, liegt ursächlich eine gestörte Apoptose („programmierter Zelltod“) zugrunde, was zu einer Fehlsteuerung des Immunsystems mit dem klinischen Bild einer chronischen nicht malignen Lymphoproliferation, Hepatosplenomegalie, Autoimmunphänomenen und, diagnostisch hinweisend, dem Nachweis einer erhöhten Anzahl sogenannter doppelt negativer T-Lymphozyten (CD3+, CD4–, CD8–) führt. Für die Dysregulation bezeichnend sind auch die nachweisbare Hypergammaglobulinämie (IgG, IgA, IgM) sowie die Coombs-Test-positive autoimmun-hämolytische Anämie. Entsprechend der verschiedenen zugrunde liegenden Mutationen lassen sich mehrere ALPSSubtypen abgrenzen: Typ-Ia/b, -IIa/b, -III (40). Die klinische Manifestation kann zwischen dem frühen Säuglingsalter bis ins Erwachsenenalter hinein beginnen (38). Ein assoziierter Immundefekt liegt nur ausnahmsweise vor. Beim Typ-Ia (CD95-Mangel) liegt die Mutation im Fas/ APO1-Gen und begünstigt klinisch die Entwicklung von Adenopathie, Splenomegalie und Autoimmunzytopenien (17, 27). Ein gesteigertes Lymphomrisiko wird beschrieben (46). Beim sehr seltenen Typ-Ib liegt demgegenüber ein Mangel an CD95-Ligand vor. Weitere Mutationen, die zur eingeschränkten Apoptose führen, betreffen Gene für intrazelluläre Proteasen (Typ-IIa: Caspase 10-Defekt, Typ-IIb: Caspase 8-Defekt), die an der Signalübertragung der FAS-induzierten Apoptose beteiligt sind (9, 48). Dem Typ-III-ALPS werden alle heterogenen klinischen Erscheinungsbilder ohne klare molekulare Mutation zugeordnet (11). Therapeutisch kommen je nach Typ Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 148 Mannhardt-Laakmann, Habermehl, Zepp Kombinationen von Immunsuppressiva, aber auch die Stammzelltransplantation infrage (6). 3.4 Immundefekte als Begleitsymptom bei anderen genetisch determinierten Erkrankungen Bei einer Vielzahl von seltenen, genetisch determinierten Erkrankungen spielen Störungen der Immunität eine Rolle. Dies gilt insbesondere für Erkrankungen mit dysproportioniertem Kleinwuchs („short limb dwarfism“ und kombiniertem Immundefekt), anderen ossären Dysplasien, Stoffwechselstörungen und chromosomalen Aberrationen. In Abhängigkeit von der Lokalisation der immunologischen Störung können partielle bis hin zu kombinierten Immundefekten auftreten, die einen Einfluss auf die Prognose haben. Auch aus diesem Grunde ist es daher wichtig, bei unklaren Symptomenkomplexen oder syndromalen Erkrankungen eine Diagnose anzustreben. Literatur 1. Aiuti A, Cassani B, Andolfi G et al. Multilineage hematopoietic reconstitution without clonal selection in ADA-SCID patients treated with stem cell gene therapy. J Clin Invest 2007; 117(8): 2233–2240. 2. Aleman K, Noordzij JG, de Groot R et al. Omenn syndrome. Eur J Pediatr 2001; 160: 718–725. 3. Amrolia P, Gaspar HB, Hassan A et al. Nonmyeloablative stem cell transplantation for congenital immunodeficiencies. Blood 2000; 96: 1239–1246. 4. Antoine C et al. 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Wilma Mannhardt-Laakmann Pädiatrische Immunologie und Rheumatologie Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Johannes Gutenberg Universität Langenbeckstr.1 55131 Mainz Tel.: 0 61 31/17 74 25 Fax: 0 61 31/17 66 93 E-Mail: [email protected] Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Immundefekte © 2008 151 Schattauer GmbH Angeborene Antikörpermangelsyndrome („B-Zell-Defekte“) Stephan Ehl1, Bodo Grimbacher2, Klaus Warnatz2, Hermann M. Wolf3 Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinik Freiburg (Direktor: Prof. Dr. med. Andrea Superti-Furga) 2 Abteilung Rheumatologie und Klinische Immunologie, Medizinische Universitätsklinik Freiburg (Direktor: Prof. Dr. med. Hans-Hartmut Peter) 3 Immunologische Tagesklinik und Biomedizinisches Institut Wien, Österreich (Leitung: Univ.-Prof. Dr. med. Martha Eibl) 1 Schlüsselwörter Keywords Antikörpermangelsyndrom, Antikörperdefizienz, Hypogammaglobulinämie Immunodeficiency, antibody deficiency, hypogammaglobulinemia Zusammenfassung Summary Patienten jedweden Alters sollten bei Vorliegen einer pathologischen Infektanfälligkeit (z. B. häufige bakterielle Infektionen des Respirationstraktes) auf das Vorliegen eines angeborenen Antikörpermangelsyndroms untersucht werden. Die frühe Diagnose einer primären Antikörperdefizienz ist entscheidend für die Prognose der betroffenen Patienten, da nur durch frühzeitigen Beginn einer adäquat dosierten Immunglobulin-Substitutionstherapie die Häufigkeit infektiöser Episoden reduziert und damit eine annähernd normale Lebensqualität ermöglicht wird. Durch frühe Diagnose und Therapie wird insbesondere die Entwicklung von Langzeitfolgen wie chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen verhindert. Patients at any age with undue susceptibility to infections (e. g. recurrent bacterial infections of the upper and lower respiratory tract) should be investigated for possible primary antibody deficiency syndrome. Early diagnosis of inborn defects of antibody production is pivotal for the prognosis of the patients, as the frequency and severity of infectious episodes and their complications can only be reduced by early initiation and sufficient dosage of immunoglobulin substitution therapy. Therapy can be provided by intravenous infusions or subcutaneous home treatment. Late diagnosis and delayed treatment of the severe antibody deficiency syndromes such as CVID results in substantial morbidity and considerable mortality. Primary antibody deficiency syndromes Kinder- und Jugendmedizin 2008; 8: 151–158 U nter angeborenen Antikörpermangelsyndromen („B-Zell-Defekten“) versteht man genetisch bedingte (primäre) Immundefektsyndrome mit klinisch und immunologisch überwiegender Störung der Antikörperproduktion (11). Von diesen primären Immundefekten abzugrenzen sind sekundäre Immundefekte, die durch eine Grunderkrankung oder durch externe Faktoren wie z. B. eine immunsuppresive Therapie verursacht werden. Obgleich jedes Jahr neue genetische Ursachen für eine angeborene Antikörperdefizienz entdeckt werden, ist bei der Mehrzahl der Patienten die genaue molekulare Pathophysiologie inklusive des genetischen Defektes noch immer unbekannt. Angeborene Antikörpermangelsyndrome dürften häufiger vorkommen als bisher angenommen und zählen zu den klinisch am meisten anzutreffenden primären Immundefekten. So wurde in einer rezenten Studie eine Inzidenz für primäre Immundefekte von 1/1200 ermittelt, wobei rund 80% der Patienten einen überwiegenden Defekt der Antikörperbildung aufweisen (1). Im Gegensatz zu kombinierten Immundefekten, bei denen die Antikörperbildung auch als Folge eines Defekts der zellulären Immunität (z. B. bei schwerem kombiniertem Immundefekt wie XL-SCID, bei kombinierten Immundefekten wie DiGeorge-Syndrom etc.) gestört ist, ist bei primären Antikörpermangelsyndromen die zellmediierte Immunität weitgehend oder völlig intakt. Antikörperbildungsstörungen bei kombinierten Immundefekten sowie Krankheitsbilder, bei denen der B-Zelldefekt als Teil eines weiterreichenden Syndroms auftritt, z. B. WHIMSyndrom, Netherton-Syndrom, Chromosomeninstabilitätsdsyndrome wie BloomSyndrom, numerische und strukturelle Chromosomenaberrationen wie Trisomie 21, Deletion oder Ring des Chromosoms 18, sind nicht Gegenstand dieser Übersichtsarbeit. Pathogenese und Einteilung der primären Antikörperdefizienz Angeborene Störungen der frühen B-Zellentwicklung In der B-Zellentwicklung unterscheidet man die Antigen-unabhängige B-Zell-Entwicklung im Knochenmark und die Antigen-abhängige B-Zell-Reifung in den sekundären lymphoiden Organen wie den Lymphknoten, Peyerschen-Plaques, der Milz und den Tonsillen. Entsprechend dieser Unterscheidung kennt man primäre Antikörperbildungsstörungen, denen ein Defekt der Antigen-unabhängigen frühen B-Zell-Entwicklung im Knochenmark zugrunde liegt (Tab. 1). Das Fehlen reifer B-Zellen in der Peripherie ist verbunden mit einer Agammaglobulinämie, d. h. dem völligen Fehlen von Immunglobulinen aller Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 Eingegangen: 13. Dezember 2007; angenommen:For3.personal Januar 2008 or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 152 Ehl et al. Isotypen z. B. im Serum. Beispiele hierfür sind die X-chromosomal-gekoppelte Agammaglobulinämie (M. Bruton, XLA) oder autosomal-rezessive Agammaglobulinämien. Diese Patienten werden typischerweise bereits im frühen Kindesalter mani- fest, Ausnahmen mit einer Manifestation im (jungen) Erwachsenenalter verbunden mit einem weniger schweren Phänotyp wurden aber beschrieben. Verschiedene Defekte der B-Zelldifferenzierung im Knochenmark führen zu Agammaglobulinämie (Tab. 1). X-chromosomal vererbte Agammaglobulinämie Als Prototyp einer angeborenen Störung der frühen B-Zellentwicklung und als häufigste Ursache einer Agammaglobulinämie mit Tab. 1 Einteilung der primären Antikörpermangelsyndrome (XLA = X-chromosomal vererbte Agammaglobulinämie, ARA = autosomal-rezessive Agammaglobulinämie, CVID = variables Immundefektsyndrom, HIGM = Hyper-IgM-Syndrom, AK = Antikörper, AR = autosomal-rezessiv, AD = autosomal-dominant, SPAD = selective polysaccharide specific antibody deficiency) angeborene Antikörpermangelsyndrome Serumimmunglobuline IgG-Antikörperproduk- B-Zellen tion Pathogenese Vererbung klinische Auffälligkeiten Antikörperdefizienz mit fehlender früher B-Zellentwicklung im Knochenmark XLA (MIM #300300) alle Isotypen massiv erniedrigt (Agammaglobulinämie) massiv vermindert bis fehlend sehr niedrig bis fehlend (<<1%) Btk-Mutation X-chromosomal schwere bakterielle Infektionen, chronische Meningoenzephalitiden (ECHO-Viren) ARA (MIM #601495) alle Isotypen massiv erniedrigt (Agammaglobulinämie) massiv vermindert bis fehlend fehlend (<<1%) Mutation von Igα, λ5, µ, BLNK oder LRRC8 AR schwere bakterielle Infektionen Thymom mit Antikörperdefizienz alle Isotypen massiv erniedrigt (Agammaglobulinämie) massiv vermindert bis fehlend sehr niedrig bis fehlend (<<1%) unbekannt unbekannt Thymom Antikörperdefizienz mit normaler oder quantitativ reduzierter Zahl der B-Zellen CVID IgG und IgA stark erniederigt, IgM erniederigt, normal oder erhöht massiv vermindert bis fehlend normal oder reduziert überwiegend unbekannt; Mutationen in ICOS, CD19, TACI, Msh5, BAFFR beschrieben AR, AD, sporadisch invariabel schwere bakterielle Infektionen, ev. Autoimmunität, lymphoproliferative/granulomatöse Erkrankung IgA-Defizienz IgG und IgM normal, IgA fehlend IgG- und IgM-Antikörper normal normal unbekannt variabel pathologische Infektanfälligkeit möglich z. B: bei begleitender IgG-Subklassendefizienz IgG-Subklassendefizienz eine oder mehrere IgGSubklassen reduziert normale IgG-Antikörperbildung oder SPAD normal unbekannt HIGM1 IgM normal oder erhöht, massiv vermindert bis IgG und IgA stark ernied- fehlend rigt oder fehlend normal CD40L-Mutation X-chromosomal massive Infektanfälligkeit, kombinierter Immundefekt! HIGM3 IgM normal oder erhöht, IgG und IgA stark erniedrigt oder fehlend massiv vermindert bis fehlend normal CD40-Mutation AR massive Infektanfälligkeit; kombinierter Immundefekt! passageres Antikörpermangelsyndrom des Kleinkindesalters variable bis starke vorübergehende Erniedrigung von IgG oder mehrerer Ig-Isotypen IgG-Antikörperbildung auf Impfantigene intakt normal unbekannt unbekannt variable pathologische Infektanfälligkeit, asymptomatisch möglich AID-Defizienz (HIGM2), MIM #605258 IgM normal oder erhöht, andere Isotypen deutlich erniedrigt oder fehlend massiv vermindert bis fehlend B-Zellzahl normal, nur Mutation von AID (activa- AR IgM- und IgD-exprimie- tion-induced cytidine dearende B-Zellen vorhanden minase, AICDA) bakterielle Infektionen, lymphoide Hyperplasie mit vergrößerten Keimzentren UNG-Defizienz (HIGM5), MIM #608106 IgM normal oder erhöht, andere Isotypen deutlich erniedrigt oder fehlend massiv vermindert bis fehlend B-Zellzahl normal, nur Mutation der UracilIgM- und IgD-exprimie- DNA-N-Glykosylase rende B-Zellen vorhanden (UNG) bakterielle Infektionen, lymphoide Hyperplasie Gendeletion der konstanten Region der schweren Immunglobulinkette Immunglobuline der jeweiligen Klasse oder Subklasse fehlend normale Produktion anderer IgG-Subklassen normal oder reduziert Deletion(en) der schweren AR Immunglobulin-KettenGene bei 14q32 Immunglobulin-KappaDefizienz Kappa-positive Immunglobuline stark erniedrigt bzw. fehlend normale Produktion Lambda-positiver IgG-AK Kappa-B-Zellen erniedrigt/fehlend Punktmutation Immunglobulin-kappa 2p11 Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 pathologische Infektanfälligkeit z. B: bei zusätzlicher SPAD, asymptomatisch möglich AR AR Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. meist keine wesentliche Infektanfälligkeit keine Infektanfälligkeit 153 Angeborene Antikörpermangelsyndrome fehlenden B-Zellen gilt die Anfang der 50er-Jahre des vorigen Jahrhunderts erstmals beschriebene X-chromosomal vererbte Agammaglobulinämie (XLA) (2, 17). Der Defekt der frühen B-Zelldifferenzierung wird dabei durch eine Mutation des Btk-Gens (X-chromomal vererbte Agammaglobulinämie) verursacht (5). Bedingt durch den X-chromosomal-rezessiven Erbgang erkranken nur die Knaben, während die Mädchen klinisch gesunde Überträgerinnen sind (33). Bei den bisher bekannten über 800 Patienten fanden sich fast ebenso viele verschiedene Mutationen die ohne Phänotyp-Genotyp-Korrelation über das ganze Gen verteilt sind (19). Als Folge eines Fehlens der Btk in der B-Zelle und damit defekter Signalübertragung über den Prä-BCR (B-Zell-Rezeptor) kommt es zu einer mehr oder weniger vollständigen Unterbrechung der Ausreifung der Pro-B- zu Prä-B-Lymphozyten (26) und entsprechenden weiteren Reifungsstufen der B-Zellen inklusive der ausdifferenzierten, Antikörper-bildenden Plasmazellen. Im Gegensatz zu gesunden Jugendlichen und Erwachsenen (zwischen 6 und 16% der Lymphozyten sind B-Zellen), findet man bei XLA-Patienten weniger als 1% der Lymphozyten als B-Zellen, typischerweise sogar nur um 0,1% oder weniger, was der durchschnittlichen Nachweisgrenze bei der üblicherweise angewandten Methode der Durchflusszytometrie entspricht. Autosomal-rezessive Agammaglobulinämie Bei ca. 15% der (vor allem pädiatrischen) Patienten mit fehlenden peripheren B-Zellen liegt eine autosomal-rezessive Agammaglobulinämie (ARA) vor (20). Sie manifestiert sich meist früher als die X-chromosomale Form, verläuft schwerer, und sowohl Mädchen als auch Jungen sind betroffen. Bei der Mehrzahl dieser Patienten (20–30%) werden Mutationen im Gen für die schwere µ-Kette beschrieben (36, 22, 20). Bei einzelnen Patienten führen Mutationen in den Genen für BLNK (B-Zell-Zinkerprotein), einem in der Signalübertragung des B-Zell-Rezeptors (BCR) wirksamen Adaptorprotein (23), für Igα (CD79a), einem signalübertragenden Transmembran- protein, das wie µ Bestandteil des Prä-BCR ist (24), für λ5/14.1 (IGLL1), der Vorläuferleichten Kette des Prä-BCR (25) oder für LRRC8, einem neu entdeckten Transmembranprotein auf B-Zellen (28), zu einem kompletten Stop der B-Zellentwicklung beim Übergang von pro-B- zu prä-B-Zellen (6). Bei über der Hälfte der Patienten mit Agammaglobulinämie, fehlenden B-Zellen und intaktem Btk-Gen ist die genetische Ursache weiterhin unbekannt (6). Angeborene Störungen der Antigen-abhängigen B-Zellfunktion und -entwicklung Patienten, die einen Entwicklungsblock in der Antigen-abhängigen B-Zellreifung haben, haben meist eine normale B-Zellzahl in der Peripherie; eine variable Reduktion der B-Zellzahl auf mehr als 1% der Blutlymphozyten ist jedoch auch möglich (Tab. 1). Zu diesen primären Antikörpermangelsyndromen gehören die häufigsten Formen einer angeborenen Antikörperdefizienz wie das variable Immundefektsyndrom (CVID) und Defekte der Antikörperbildung, die durch das Fehlen von einzelnen Immunglobulin-Isotypen, Immunglobulin G (IgG)Subklassen oder einen selektiven Defekt der Bildung von Antikörpern gegen bestimmte Antigene oder Typen von Antigenen, z. B. bakterielle Polysaccharide, charakterisiert sind. Variables Immundefektsyndrom Das variable Immundefektsyndrom (Common variable immunodeficiency, CVID) ist der Oberbegriff für eine pathogenetisch heterogene Gruppe von Antikörpermangelsyndromen. Neben der deutlichen Verminderung von Immunglobulinen im Serum umfassen die diagnostischen Kriterien der europäischen Gesellschaft für Immundefekte (www.esid.org) einen Erkrankungsbeginn jenseits des 2. Lebensjahres, reduzierteAntikörperbildung nach Impfung und den Ausschluss anderer Ursachen einer Hypogammaglobulinämie. Beim CVID handelt es sich um die häufigste klinisch relevante primäre Immundefizienz mit inva- riabel massiver Symptomatik. Bei der CVID-Erkrankung können die klinischen Symptome in jedem Lebensalter beginnen, es gibt aber zwei wesentliche Manifestationszeitpunkte: Der erste liegt in der Kindheit zwischen 5 und 10 Jahren und der zweite bei jungen Erwachsenen zwischen 20 und 30 Jahren. Die Symptome der Erkrankung sind unspezifisch, weshalb immer noch teilweise eine beträchtliche Verzögerung zwischen dem Beginn der Symptome und der Diagnose und der adäquaten Behandlung der primären Immundefizienz mit entsprechenden Folgen für die Prognose besteht. CVID tritt in der Regel sporadisch auf, aber 10–20% der Fälle sind familiär, wobei sowohl autosomal-rezessive als auch autosomal-dominante Erbgänge auftreten. CVID und selektiver IgA-Mangel können in einer Familie auftreten, was eine gemeinsame genetische Basis für diese beiden Erkrankungen in manchen Fällen nahelegt. In den letzten Jahren sind Mutationen in 4 Genen (ICOS, TACI, CD19, BAFF-Rezeptor) bei CVID-Patienten identifiziert worden (3, 13, 29, 32, 34). Diese Mutationen zeigen die genetische Heterogenität der Erkrankung. Mutationen in einem dieser 4 Gene wurden in einzelnen Familien mit CVID oder – wie im Fall heterozygoter TACI-Mutationen – bei etwa 8% der untersuchten CVID-Patienten und bei wenigen Prozent der parallel untersuchten gesunden Kontrollgruppe gefunden. Der induzierbare Kostimulator (ICOS) ist ein Mitglied der Familie von kostimulatorischen Molekülen, die ausschließlich auf aktivierten T-Zellen exponiert werden und wesentlich sind für T-Zell-abhängige B-Zell-Antworten. Der Ligand wird auf der Oberfläche von B-Zellen und anderen antigenpräsentierenden Zellen exprimiert und die Bindung an ICOS auf aktivierten T-Zellen induziert eine T-Zell-Aktivierung, die eine notwendige Voraussetzung für den Klassenwechsel von B-Zellen ist. Bisher wurden 9 Patienten mit ICOS-Defizienz (13) identifiziert, von denen 3 Kinder imAlter von 4, 5 und 15 Jahren waren. Die klinische Manifestation der ICOS-Defizienz scheint aber überwiegend im Erwachsenenalter zu liegen. Das Molekül Transmembranaktivator und kalziummodulierender Cyclofenil-Ligand-Interaktor (TACI) gehört zur Familie der TNF- Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 154 Ehl et al. ähnlichen Rezeptoren und Liganden und wird auf der Oberfläche von B-Zellen exprimiert. Zu dem komplexen System, das das Überleben und die Differenzierung von B-Zellen reguliert, gehört außer TACI der B-Zell-aktivierende Faktor (BAFF) und sein Rezeptor (BAFF-R), das B-Zell-Reifungsantigen (BCMA) und ein proliferationsinduzierender Ligand (APRIL). Sowohl homozygote als auch heterozygote Mutationen in TACI wurden in Assoziation mit CVID beschrieben (4, 29). Ebenso konnte eine BAFF-Rezeptor-Defizienz im Zusammenhang mit CVID identifiziert werden (34). Das CD19-Molekül wird ausschließlich auf B-Zellen exprimiert, homozygote Mutationen im CD19-Gen wurden kürzlich als Ursache der CVID-Erkrankung bei 4 Patienten beschrieben. Der Beginn der Erkrankung bei diesen Patienten lag in der frühen Kindheit. CD19 ist wichtig für die Aktivierung von B-Zellen, sodass ein Fehlen dieses Moleküls zu einer erheblich reduzierten Antikörperbildung führt (32). Hyper-IgM-Syndrom Unter Hyper-IgM-Syndrom versteht man eine massive Störung der Bildung von hochaffinen, isotyp-gewechselten Antikörpern (IgG, IgA, IgE) bei gleichzeitig normalen oder sogar erhöhten Spiegeln von IgM. Bei der Mehrzahl der Patienten ist der genetische Defekt geklärt. Die meisten Patienten sind Knaben und haben eine Mutation im Gen für den CD40-Ligand (X-chromosomal vererbt), einem für die T-B-Zell-Interaktion und die Aktivierung von antigen-präsentierenden Zellen (APC) wie dendritischen Zellen unentbehrlichen Oberflächenrezeptor (HIGM1). Verschiedene Gendefekte führen zur autosomal-rezessiven Form von HIGM, wobei die CD40-Mutation einen von HIGM-1 nicht zu unterscheidenden Phänotyp zu Folge hat (HIGM3). Bei beiden Erkrankungen führt die defekte APC-Aktivierung und damit gestörte T-Zellimmunität zu einem klinisch und immunologisch über eine bloße Einschränkung der Antikörperproduktion hinausreichenden kombinierten Immundefekt (12). Neben diesen HIGM-Syndromen mit kombiniertem Immundefekt und gestörter T-B-Interaktion kommen verschiedene ForKinder- und Jugendmedizin 3/2008 men des AR-HIGM mit B-Zell-intrinsischen Defekten vor. Mutationen in der Aktivitäts-induzierten Cytidin-Deaminase AID (HIGM2) oder der Uracil-N- (DNA)-Glycosylase (UNG, HIGM5) führen zu einer Störung des Immunglobulin-Isotypwechsels und der Hypermutation der Gene für die variable Region der Immunglobuline (9). Diese Defekte führen zum typischen Bild einer schweren Antikörperbildungsstörung. Bei Mutation von NEMO, einer Komponente des NF-kappaB-Aktivierungsweges, wurde ein X-chromosomal vererbter Immundefekt mit einer Störung der Antikörperproduktion (Defekt der Bildung von Isotyp-gewechselten Antikörpern, d. h. HIGMPhänotyp, oder aber nur eine gestörte IgGAntikörperbildung gegen Polysaccharidantigene) beschrieben (XL-EDA-ID), wobei Patienten mit und ohne Assoziation mit anhydrotischer ektodermaler Dysplasie bekannt sind (30). Während eine Mutation des Gens für die konstante Region der schweren Immunglobulinkette µ zu einem Stopp der frühen B-Zellentwicklung führt, kommt es bei homozygoten Deletionen im Bereich eines oder mehrerer Gene für konstante Regionen der schweren Immunglobulinketten anderer Isotypen (gamma γ1 bis 4, α1 und 2, ε) zu einem Defekt der Bildung der betroffenen Immunglobulinklasse(n) oder -subklasse(n). Die überwiegende Mehrheit der betroffenen Personen ist klinisch gesund, was durch die nachweisbare Produktion von Antikörpern anderer Immunglobulinsubklassen erklärt werden kann. Der überwiegenden Mehrheit der IgG-Subklassendefizienz mit und ohne IgA-Defizienz sowie der IgA-Defizienz liegt hingegen ein bislang ungeklärter regulatorischer Defekt und keine Gendeletion der entsprechenden schweren Immunglobulinketten zugrunde (27). Eine homozygote Mutation des Gens auf Chromosom 2 für die konstante Region der leichten Immunglobulin (kappa)-Kette führt zu einem völligen Fehlen von Immunglobulin-κ-enthaltenden Antikörpern aller Klassen und Subklassen, während Immunglobulin-λ (lambda)-enthaltende Antikörper normal gebildet werden. Das erklärt das Fehlen einer Infektanfälligkeit bei dem beschriebenen Patienten (31). Selektiver Immunglobulin-A-Mangel Der selektive Immunglobulin-A-Mangel (IgA-Defizienz, IgAD) ist durch deutlich erniedrigte (<0,07 g/l) oder nicht nachweisbare Serum-IgA-Spiegel, verbunden mit normalen IgG und IgM-Spiegeln, definiert. Ein Teil der Patienten weist zusätzlich eine IgG-Subklassendefizienz auf (z. B: IgG2-IgG4-Defizienz, [3]), was dann zum Entstehen einer Infektanfälligkeit beiträgt (14). Die IgA-Defizienz ist häufig (Inzidenz ca. 1:700 bis 1:1000), und die meisten Personen mit IgAD sind asymptomatisch. IgG-Subklassendefizienz Von einer IgG-Subklassendefizienz spricht man bei normalen Gesamt-IgG-Serumspiegeln, aber erniedrigter Konzentration einer oder mehrerer IgG-Subklassen. IgG-Subklassendefekte können isoliert oder assoziiert mit anderen definierten primären Immundefekten vorkommen. Bei der Ataxia teleangiectatica findet sich zum Beispiel häufig ein IgG2-und IgG4-Mangel. Die klinische Relevanz eines IgG-Subklassendefektes ist individuell zu beurteilen und unterliegt einer großen Variation, wobei bes. eine zusätzliche Störung der Antikörperbildung, z. B. selektiver Defekt der IgG-Antikörperbildung gegen bakterielle Polysaccharidantigene, zur Infektanfälligkeit führen kann. Bei Vorliegen einer selektiven Antikörperbildungsstörung werden Antikörper gegen bestimmte Antigene (z. B. Non- oder Low-Responder gegen Hepatitis B-SurfaceAntigen) oder bestimmte Antigentypen (z. B. selektive Antikörperbildungsstörung gegen bakterielle Polysaccharidantigene) gar nicht oder signifikant vermindert gebildet. Dieser partielle Defekt der Antikörperbildung kann von anderen Auffälligkeiten der humoralen Immunität begleitet sein. Beispiele sind hier eine IgG-Subklassendefizienz oder die Defizienz bestimmter Immunglobulin-Isotypen wie z. B. die IgADefizienz. Dabei handelt es sich um eine überwiegende Störung der humoralen Immunität, d. h. die zell-mediierte Immunität ist prinzipiell intakt. Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 155 Angeborene Antikörpermangelsyndrome Passageres Antikörpermangelsyndrom des Kleinkindesalters Ab dem sechsten Lebensmonat steigen bei den meisten Säuglingen die IgG-Spiegel kontinuierlich an, begleitet von einem Anstieg der IgA- und IgM-Spiegel. Unterbleibt ein zeitgerechter Anstieg v. a. von IgG, aber auch anderer Immunglobulin-Klassen, so spricht man von einem passageren Antikörpermangelsyndrom des Kleinkindesalters, wobei definitionsgemäß die Fähigkeit, Antikörper gegen Proteinantigen, z. B. Impfantigene, zu bilden, intakt ist (8). Die Ursache dieser Erkrankung ist bislang nicht geklärt und eine heterogene Ätiologie wahrscheinlich. Klinische Symptomatik einer angeborenen Antikörperdefizienz Angeborener Antikörpermangel kann in jedem Alter manifest werden. Das klinische Bild ist dabei vor allem charakterisiert durch wiederholte bakterielle Infektionen des Respirations- und Gastrointestinaltraktes und/oder einzelne schwere „tiefe“ überwiegend bakterielle Infektionen wie Osteomyelitis, Sepsis, Meningitis ([35], Tab. 2). Bei bestimmte Erkrankungen, wie z. B. CVID, kann die durch die verminderte Antikörperbildung bedingte pathologische InTab. 2 fektanfälligkeit auch von Symptomen einer immunologischen Regulationsstörung begleitet werden, z. B. durch granulomatöse Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen, Lymphoproliferation, oder aber auch durch maligne vor allem hämatologische Erkrankungen kompliziert werden. Die häufigste klinische Präsentation bei signifikantem Antikörpermangel sind wiederholte bakterielle Infektionen des Atemwegstraktes (Otitits, Sinusitis, Bronchitis, Pneumonie), insbesondere durch bekapselte Bakterien wie Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae und Moraxella catharralis. Diese rezidivierenden Infektionen können zu irreversiblen Schäden des Lungengewebes im Sinne von Bronchiektasen, Lungenfibrose, Emphysem und letztlich zum Lungenversagen führen. Eine frühe Diagnose und engmaschige Betreuung sind daher notwendig, um erhebliche Langzeitfolgen zu verhindern. Bei Infektionen des Gastrointestinaltraktes handelt es sich z. B. bei CVID-Patienten vor allem um Giardia lamblia, Salmonellen oder Campylobacter jejuni, die zu chronischem Durchfall und Malabsorbtion führen können. Im Gegensatz zu bakteriellen Infektionen werden Virusinfektionen bei Patienten mit Antikörpermangel in der Regel ohne wesentliche Komplikationen eliminiert, es bleibt jedoch keine humorale Immunität zurück. Bei einzelnen Patienten, z. B. mit XLA, wurden chronische Enterovirus-Infektionen des ZNS beschrieben, und eine Anfälligkeit einzelner CVID-Patienten für Reaktivierungen von Infektionen mit Viren der Herpesfamilie (HSV, VZV, CMV) wird berichtet. Besonders bei CVID-Patienten können autoimmune, nicht-infektiöse inflammatorische und lymphoproliferative Komplikationen auftreten. Bei den autoimmunen Manifestationen handelt es sich vor allem um Autoimmunthrombopenie oder autoimmun-hämolytischeAnämie. Bei manchen CVID-Patienten steht dieser Autoimmunphänotyp im Vordergrund und kann der Suszeptibilität gegen bakterielle Infektionen vorangehen. CVID kann auch mit organspezifischer Autoimmunität (Thyreoiditis, perniziöser Anämie, Vitiligo) assoziiert sein. Im Fall einer Arthritis bei CVID muss differenzialdiagnostisch eine Erreger-assoziierte Arthritis, z. B. durch Mykoplasmen, ausgeschlossen werden. Patienten mit XLA können auch unter Arthritis der großen Gelenke leiden, die sich unter Immunglobulin-Substitution zurückbildet. Die Ätiologie der XLA-assoziierten Arthritiden ist unklar, denn in der Regel gelingt im Gelenkspunktat kein Erregernachweis. Bis zu 10% der CVID-Patienten entwickeln eine granulomatöse Entzündung mit Sarkoidose-ähnlichen Läsionen in der Lunge, Haut, Leber, im ZNS, Knochenmark und in den Lymphknoten. Vor allem ein Befall des ZNS, der Leber und der Lunge können die Prognose wesentlich beeinflussen und sind oft schwierig zu behandeln. Im Bereich des Darms bestehen bei CVID-Patienten Sprue-ähnliche Symptome Klinik eines variablen Immundefektsyndroms: männlicher Patient, geboren 1975 (IVIG = intravenös verabreichte Immunglobuline) stationärer Aufenthalt Erkrankungen 03/1994 (18a) IgA (mg/dl) IgM (mg/dl) inadäquate Therapieversuche Anamnese: rezidivierende Pneumonie (im vergangenen <158 Jahr etwa alle drei Monate), Gewichtsabnahme Diagnose: Pneumonie, Giardia lamblia Enteritis, Verdacht auf Abwehrschwäche <7 <27 einmalig IVIG 140 mg/kg Körpergewicht 02/1998 (22a) Diagnose: Pneumonie <195 <33 <30 IVIG 100 mg/kg Körpergewicht alle 4–6 Wochen 08/1999 (24a) Diagnose: Pneumonie rechter Oberlappen; Leberabszess; abdominale Lymphadenopathie; Zustand nach Splenektomie wegen multipler Milzabszesse; Abszess des M. psoas, Operation eines Leberabszesses, Osteomyelitis <251 <8 <7 IVIG 140 mg/kg Körpergewicht als Therapie bei Infektion <195 <33 <30 IVIG-Substitutionstherapie nicht indiziert 11/1999 01/2000, 03/2000 (25a) 05/2000 06/2000 08/2000 09/2000 (26a) IgG (mg/dl) Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 156 Ehl et al. und Crohn-ähnliche entzündliche Darmerkrankungen, die von infektiöser Genese abgegrenzt werden müssen. Außerdem liegt ein erhöhtes Risiko für Magenkarzinome vor. Nicht-maligne Lymphoproliferationen, wie Splenomegalie, Lymphadenopathie und noduläre lymphatische Hyperplasie des Gastrointestinaltraktes, sind bei CVID-Patienten relativ häufig. Aufgrund eines höheren Risikos für Lymphome müssen Lymphknoten regelmäßig kontrolliert werden und bei Verdacht auf maligne Entartung entnommen werden. Lymphome bei CVID sind in der Regel extranodal und vom B-Zell-Typ. Bei Patienten mit XLA oder autosomalrezessiver Agammaglobulinämie treten erste klinischen Symptome typischerweise früh, unter Umständen schon ab einem Alter von 6–12 Monaten, auf, wobei die meisten Patienten mit XLA mit mehr oder weniger langer Verzögerung im Alter von 1–4 Jahren diagnostiziert werden. Ein späteres Auftreten von klinischen Symptomen, wie z. B. bei etwa 10% der XLA-Patienten, deren Symptome erst im Volksschulalter oder später beginnen (15), schließt jedoch eine XLA keineswegs aus. Im ersten Lebenshalbjahr ist die Erkrankung durch die passiv übertragenen mütterlichen Antikörper maskiert. Die hervorstechende klinische Manifestation ist wie bei allen anderen Formen einer schweren Antikörperbildungsstörung, das Auftreten von wiederkehrenden und/oder therapieresistenten bakteriellen Infektionen der Atemwege (Otitis media, Sinusitis, Bronchitis, Pneumonie) und/oder schwer verlaufenden systemischen bakteriellen Infektionen (Sepsis, Meningitis, Osteomyelitis), vor allem mit kapselbildenden grampositiven Bakterien. Die häufigsten Erreger sind dabei Pneumokokken, Haemophilus spp., Meningokokken (7, 15, 18), in geringerer Häufigkeit kommen auch andere Erreger wie Staphylokokken oder Pseudomonas aeruginosa vor. Hautinfektionen wie Pyoderma gangraenosum, Abszesse oder Zellulitis können erste Symptome besonders im ersten Lebensjahr sein. Systemische Infektionen durch Mykoplasmen wurden beschrieben. Daneben besteht eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Infektionen mit Enteroviren (Echo-, Coxsackie- und Polioviren), wobei Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 neben einer Infektion des Gastrointestinaltraktes sekundär über hämatogene Streuung persistierende Infektionen des ZNS, der Haut, der Muskulatur und anderer Organe vorkommen können (21). Diagnose einer angeborenen Antikörperdefizienz Hinsichtlich der diagnostischen Abklärung einer angeborenen Antikörperdefizienz sollten die für die adäquate Behandlung und Betreuung der Patienten unbedingt notwendigen Untersuchungen von dem großen Spektrum an weiterführenden Untersuchungen abgegrenzt werden, die überwiegend auch wissenschaftliche Fragestellungen beantworten. Wie bei allen primären Immundefektsyndromen ist auch hier die Durchführung mehr oder weniger spezieller Laboruntersuchungen notwendig, sodass eine enge Kooperation zwischen dem behandelndenArzt (z. B. dem Pädiater) und einem klinisch-immunologisch spezialisierten Zentrums einschließlich Speziallabor erforderlich ist. Eine angeborene Antikörperdefizienz sollte bei jedem Kind ausgeschlossen werden, bei dem eine über die Altersnorm erhöhte Frequenz an Atemwegsinfektionen (Otitis, Sinusitis, Bronchititis, Pneumonie) vorliegt. Wesentlich ist die Anamnese der Infektneigung mit den typischen bakteriellen Infektionen der Schleimhäute des Atemund Verdauungstraktes. Die Anamnese muss außerdem eine sorgfältige Familienanamnese zum Ausschluss einer familären Häufung enthalten. Eine positive Familienanamnese (ein erkrankter Onkel mütterlicherseits, ein Cousin oder Bruder mit derselben Erkrankung) unterstützt z. B. dieVerdachtsdiagnose einer XLA. Allerdings findet sich bei einem erheblichen Teil der primären Immundefekte mit bekannter Vererbung eine Neumutation mit entsprechend unauffälliger Familienanamnese (18). Die entscheidende, primäre und kostengünstige Laboruntersuchung ist die quantitative Bestimmung der Serumimmunglobuline; so haben z. B. CVID-Patienten erniedrigte IgG- und meist auch IgA-Serumspiegel. Ungefähr 85% zeigen eine zusätzliche Reduktion des IgM. Hierbei ist es wichtig, altersentsprechende Normwerte zu berücksichtigen und sekundäre Ursachen (z. B. Eiweißverlust, immunsuppressive Behandlung) für eine Hypogammaglobulinämie auszuschließen. Die Bestimmung der IgGSubklassen ist keine Routineuntersuchung und sollte gezielt bei Kindern mit typischer Klinik und grenzwertig normalen IgG-Serumwerten durchgeführt werden. Dagegen gibt es keinen Grund IgG-Subklassen bei bereits deutlich erniedrigtem Gesamt-IgG zu bestimmen. Neben der quantitativen Untersuchung der Serumimmunglobuline ist es wichtig, nach einer eingeschränkten Fähigkeit zur Bildung spezifischer Antikörper nach Impfungen oder Infektionen zu suchen. Hierbei sollten sowohl Impfantworten auf T-Zell-abhängige, meist Proteinantigene, als auch T-Zell-unabhängige, z. B. Polysaccharidantigen, untersucht werden. In entsprechend spezialisierten Zentren wird mithilfe weiterführender immunologischer Untersuchungen von B- und T-Zellen, funktioneller Untersuchungen, z. B. des Klassenwechsels, und genetischer Untersuchungen eine weitere Zuordnung des Immundefekts erfolgen. Soweit bekannt, erfolgt die weiterführende Diagnose der angeborenen Antikörperdefizienz durch Untersuchung der Expression des defekten Proteins (z. B. Btk-Expression auf Proteinebene mittels Western-Blot [10]) sowie durch den Nachweis der Genmutation. Nur in wenigen Fällen führt derzeit die genetische Diagnostik zu einer Änderung der Therapieoptionen, sie ist aber wann immer möglich als endgültige Diagnosesicherung sowie zur weiteren Betreuung der Familie anzustreben. Für die Kontrolle sekundärer Komplikationen sind regelmäßige Untersuchungen des Blutbildes, des Erregerspektrums, der Milzgröße durch klinische Untersuchung und ggfs. Ultraschall sowie der Lungenfunktion bei Verdacht auf Einschränkung notwendig. Zum Ausschluss von Bronchiektasen und beginnender Lungenfibrose muss bei entsprechender Symptomatik eine Computertomographie desThorax durchgeführt werden. Die Abklärung der gastrointestinalen Symptomatik umfasst Stuhlkulturen, und bei beginnend chronischen Verläufen auch die Endoskopie des oberen und unteren Gastrointestinaltraktes. Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 157 Angeborene Antikörpermangelsyndrome Differenzialdiagnose Das infektanfällige Kind ist eines der häufigsten Probleme in der Pädiatrie und hat eine breite Differenzialdiagnose. Sie schließt die Anwesenheit von Risikofaktoren, wie ältere Geschwister, Betreuung in Tagesstätten, Rauchen in der Familie, sowie die Anwesenheit von prädisponierenden Erkrankungen, wie Asthma, Herz- oder Lungenerkrankungen, genetische Erkrankungen, wie Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, zystische Fibrose oder Kartagener-Syndrome, HIVInfektionen oder onkologische Erkrankungen ein. Wichtig ist der Ausschluss einer Reihe von Erkrankungen, die zu einer sekundären Antikörperdefizienz führen können (16). Behandlung der angeborenen Antikörperdefizienz Es gibt derzeit keine kurative Behandlung für Patienten mit primärer Antikörperdefizienz. Der lebenslange Ersatz von Immunglobulinen stellt jedoch eine effektive Behandlung dar, der bei den meisten Patienten zu einer Reduktion der klinischen Symptomatologie, z. B. der Infektanfälligkeit, führt. Immunglobuline können intravenös (IVIG) in 3- bis 4-wöchentlichen Abständen in Dosen von 200–600 mg/kg KG verabreicht werden. Die IgG-Talspiegel vor der nächsten Infusion müssen bei dieser Behandlung regelmäßig überwacht werden, und sollen nach heutigen Maßstäben 600–900 mg/dl nicht unterschreiten. Eine individuelle Dosierung, entsprechend dem klinischen Bedarf des Patienten zur Infektkontrolle, ist in Betracht zu ziehen, die genannte Mindestdosierung sollte jedoch nicht unterschritten werden. Intravenöse Immunglobuline werden in der Regel gut vertragen; bei 1–10% der Patienten führen jedoch interkurrente Infektionen, schnelle Infusionsraten sowie die Temperatur des infundierten Präparates zum Auftreten von Nebenwirkungen wie Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Anaphylaktische Reaktionen sind selten, sollten aber insbesondere bei Patienten mit komplettem IgA-Defekt bedacht werden. Es empfiehlt sich daher, die ersten Infusionen unter Überwachungsbedingungen mit Reanimationsbereitschaft durchzuführen. Für das IVIG konnte überzeugend gezeigt werden, dass die Infektionsrate deutlich gesenkt werden kann und weniger Krankenhausaufenthalte oder antibiotische Therapien notwendig sind. Eine mindestens genauso effektive Therapie ist die subkutane Verabreichung der Immunglobuline (SCIG), die wöchentlich durch die Patienten selbst durchgeführt wird. Die Immundefektzentren bieten eine entsprechende Schulung für Patienten und Angehörige an. Auch unter dieser Therapie sollten die Patienten alle drei Monate kontrolliert werden. Neben der Immunglobulin-Ersatztherapie müssen bakterielle Infektionen rasch, in ausreichender Dosierung und ausreichender Therapiedauer behandelt werden. Eine Erregerisolation und Resistenztestungen sollten angestrebt werden. Bei manchen Patienten ist eine antimikrobielle Prophylaxe sinnvoll, die dem Keimspektrum des individuellen Patienten angepasst werden sollte. Cotrimoxazol oder Amoxicillin sind in der Regel dafür geeignete Medikamente. Die Therapie der Autoimmunmanifestationen der CVID-Erkrankung einschließlich Autoimmunzytopenie und entzündlicher Darmerkrankungen stellt oft eine Herausforderung dar, die nur in Zusammenarbeit mit Immundefektzentren durchgeführt werden sollte. Für keine der Therapien besteht eine ausreichende Evidenz. Meist werden zunächst Steroide systemisch oder lokal eingesetzt. All diese Therapiemaßnahmen müssen von einer intensiven Aufklärungs- und Beratungstätigkeit einschließlich psychosozialer Betreuung dieser chronisch kranken Kinder begleitet werden. Hier müssen der Kinderarzt in der Praxis und im Immundefektzentrum eng zusammenarbeiten. Literatur 1. Boyle JM, Buckley RH. Population prevalence of diagnosed primary immunodeficiency diseases in the United States. 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Reinhardt) Schlüsselwörter Granulozyten, Phagozyten primäre Immundefekte, angeborenes Immunsystem Zusammenfassung Hereditäre Störungen der Granulozyten betreffen das angeborene Immunsystem („innate immunity“). Sie lassen sich in Erkrankungen mit quantitativer Reduktion und funktionellen Störungen der Granulozyten/Phagozyten einteilen. Sie können ferner isoliert oder als Begleitsymptom weiterer Störungen auftreten. Pathogenetisch sind Mutationen in so unterschiedlichen Molekülen wie Enzymen, Transkriptionsfaktoren, Adhäsionsproteinen und Strukturproteinen ursächlich beteiligt. Der folgende Übersichtsartikel stellt die Krankheitsbilder schwere kongenitale Neutropenie, zyklische Neutropenie, Shwachman-Diamond-Syndrom, Glykogenose Ib, Chediak-Higashi-Syndrom, Dyskeratosis congenita, Knorpel-Haar-Hypoplasie, Leukozytenadhäsionsdefekte I-III, ß-Actin-Defizienz, RAC-2-Defizienz, spezifischer Granula-Defekt, Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase sowie chronische Granulomatose vor. Granulocytes, Phagocytes, prim immunodeficiencies, innate immune system Summary Hereditary defects of granulocytes are defects of the innate immune system. They can be classified as quantitative or qualitative deficiencies and can present as a single defect or as part of a syndrome. Pathogenetically mutations in such different molecules like enzymes, transcriptional factors, adhesion proteines or structural proteins are involved. This review deals with severe congenital neutropenia, cyclic neutropenia, Shwachman-Diamond syndrome, glycogenosis Ib, Chediak-Higashi syndrome, dyskeratosis congenita, Cartilage-hair hypoplasia, leukocyte adhesion deficiency I-III, ß-actin deficiency, RAC-2 deficiency, specific granule deficiency, glucose-6-phosphate dehydrogenase deficiency, and chronic granulomatous disease. Defects of granulocytes Kinder- und Jugendmedizin 2008; 8: 160–170 sches Syndrom bzw. eine akute myeloische Leukämie entwickelt (98). Ca. 80% entwickeln zuvor eine Mutation im G-CSF-Rezeptor. Diagnose SCN-Patienten haben eine persistierende schwere Neutropenie (<500 Zellen/µl). Beim diagnostischen Vorgehen sollte zunächst die wesentlich häufigere Autoimmunneutropenie durch Bestimmung von antineutrophilen Antikörpern ausgeschlossen werden. Finden sich keine neutrophilen Antikörper, ist eine Knochenmarkuntersuchung angezeigt. Bei SCN wird ein Maturationsarrest auf Ebene der Promyelozyten gefunden. Die molekulargenetische Analyse kann denTyp genauer einordnen (109). Therapie S törungen der Granulozyten betreffen das angeborene Immunsystem („innate immunity“). Sie lassen sich in Erkrankungen mit quantitativer Reduktion und funktionellen Störungen der Granulozyten/Phagozyten einteilen (Tab. 1). Schwere kongenitale Neutropenie Die schwere kongenitale Neutropenie (SCN) ist ein angeborener Immundefekt mit einer Häufigkeit von 1–2 Fällen pro 1 000 000/Jahr. Diese Erkrankung ist charakterisiert durch früh einsetzende, bakterielle Infektionen bei persistierender schwerer Neutropenie (<200 Zellen/µl) (98, 109). Bisher wurden mehrere Gendefekte gefunden. Etwa die Hälfte der autosomal-dominanten und sporadischen Formen sind durch MutaKinder- und Jugendmedizin 3/2008 Keywords tionen im Neutrophilen-Elastase-Gen (Ela2) bedingt (109). Bei der autosomal-rezessiven Form wurden Mutationen im HAX1-Gen (52) gefunden. Eine X-gebundene Form ist durch eine konstitutive Überaktivierung im Wiskott-Aldrich-Gen (WAS) verursacht (22). Die Neutrophilen-Elastase ist an der Synthese der Promyelozyten und das HAX1 an der Kontrolle der Apoptose beteiligt Klinische Manifestation Die Patienten leiden von Geburt an an schweren, rezidivierenden bakteriellen Infektionen. Es handelt sich meistens um Abszesse, orale Ulzera, Pneumonien und Omphalitis. Unbehandelt versterben die meisten Kinder in den ersten Lebensjahren. SCN wird auch als ein präleukämisches Syndrom angesehen, weil ein größererTeil der Patienten im weiteren Verlauf ein myelodysplasti- Therapie der Wahl ist die Gabe von rekombinantem granulozytenstimulierendem Faktor (G-CSF). Die Dosis sollte so gewählt werden, dass 24 h nach Gabe die Granulozytenzahl >1500 bis 5000 Zellen/µl beträgt. Man beginnt mit 5µg/kg KG/Tag. Unter G-CSF reduziert sich die Zahl neuer Infektionen signifikant (109). Eine Stammzelltransplantation ist bei Patienten mit Mutationen im G-CSF-Rezeptor angezeigt, die nicht auf G-CSF ansprechen oder unter G-CSF ein myelodysplastisches Syndrom bzw. eine akute Leukämie entwickeln (56). Alle Patienten mit SCN sollten mindestens alle 6 Monate klinisch untersucht und alle 3 Monate sollte ein komplettes Blutbild durchgeführt werden (109). Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 Eingegangen: 10. Dezember 2007; angenommen: 17. Dezember 2007 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 161 Granulozytendefekte Tab. 1 Zyklische Neutropenie Angeborene Störungen der Granulozytenzahl und -funktion Erkrankung pathophysiologische Störung Gendefekt schwere kongenitale Neutropenie (Kostmann-Syndrom) Ausreifungsstörung der Granulozyten Ela-2, HAX-1 zyklische Neutropenie zyklische Ausreifungsstörung Ela-2 Shwachman-Diamond-Syndrom Pankreasinsuffizienz, Neutropenie SBDS-Gen Glykogenose Ib Glykogenspeicherung, Neutropenie Glukose-6-Phosphatase Chediak-Higashi-Syndrom fehlende NK-, T-Zellzytotoxizität aufgrund einer Sekretionsstörung von Granula LYST Dyskeratosis congenita Dyskerin, Telomerase DKC1, TERC Knorpel-Haar-Hypoplasie RNA-Verdauung RMRP Leukozytenadhäsionsdefekte I-III Adhäsionsmolekül CD18 (LAD-I), Fucosylierungsstörung (LAD-II), Aktivierungsstörung der Integrine (LAD-III) CD18-Molekül, GDP-Transporter (LAD-II) ß-Actin-Defizienz Actinpolymerisation, Migration ß-Actin-Gen RAC-2-Defizienz Migration, fehlende Sauerstoffradikalproduktion RAC-2 spezifischer Granula-Defekt fehlende Bildung von Granula CEBPe Diagnose Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase Um den zyklischen Verlauf der Neutrophilenzahl zu erfassen, muss über 6 Wochen zweimal wöchentlich ein Differenzialblutbild angefertigt werden. Die Knochenmarkuntersuchung zeigt in Phasen der Neutropenie einen Reifungsstop auf der Ebene früher Vorläuferzellen (Promyelozyten) (26). fehlender respiratorischer Burst, Hämolyse Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase, NADPH-Oxidase intakt chronische Granulomatose fehlende Sauerstoffradikalproduktion Defekt der NADPH-Oxidase 4 Formen: CYBB, CYBA, NCF-1, NCF-2 Die zyklische Neutropenie (CN) ist ein seltener Immundefekt mit einer Frequenz von 1/1 000 000/Jahr, charakterisiert durch eine alle 3 Wochen wiederkehrende und für 3–6 Tage dauernde Neutropenie (18). Die zyklische Neutropenie ist durch eine abnorme Regulation früher hämatopoetischer Vorläuferzellen bedingt. Häufig werden Mutationen im Ela2-Gen nachgewiesen (19). Klinische Manifestation quantitative Defekte qualitative Defekte Die Patienten sind normalerweise in der Phase zwischen den Neutropenien symptomfrei, leiden aber während der Neutropenie häufig an Fieber, oralen Ulzera, Gingivitis, Abszessen oder Sepsis (26, 87). Therapie Ca. 10% der Patienten mit zyklischer Neutropenie erleiden lebensbedrohliche Infektionen. Bei schwerem klinischem Verlauf ist eine Therapie mit G-CSF angezeigt (18). Shwachman-DiamondSyndrom Das Shwachman-Diamond-Syndrom (SDS) umfasst eine exokrine Pankreasinsuffizienz, eine Knochenmarkhypoplasie und eine metaphysäre Chondrodysplasie (97). Die Erkrankung ist durch Mutationen im SBDS-Gen bedingt (96), dessen Funktion derzeit noch nicht genügend verstanden wird. Vermutlich ist das ent- sprechende Protein an der Regulation der Ribosomen, der Chromatintranskription und der Modulation von Apoptose beteiligt (83, 102). Klinische Manifestation Patienten mit Shwachman-Diamond-Syndrom leiden aufgrund der Pankreasinsuffizienz an Gedeihstörungen mit übelriechenden Stühlen, Wachstumsretardierung und einer persistierenden bzw. intermittierenden Neutropenie mit rezidivierender Otitis media, Sepsis und Pneumonie. Während sich die Pankreasinsuffizienz im Verlauf bessern kann, entwickeln die Patienten etwa nach dem 4. Lebensjahr häufig eine Anämie und/ oder Thrombozytopenie. Bei ca. 10% der Patienten treten ein myelodysplastisches Syndrom und/oder eine akute myeloische Leukämie auf (36, 97). Diagnose Der Verdacht auf ein Shwachman-DiamondSyndrom sollte sich ergeben bei der Kombination einer Pankreasinsuffizenz, Minderwuchs und Knochenmarkversagen wie z. B. einer Neutropenie oder Thrombozytopenie. Im abdominellen Ultraschall zeigt sich das Pankreas echoreich („weißes Pankreas“). Für die Bestätigung der Pankreasinsuffizienz sollte eine 72-Stunden-Stuhlsammlung mit Fettbestimmung und Messung von Serumtrypsinogen durchgeführt werden. Die Chemotaxis der Neutrophilen ist reduziert. Wegen der Blutbildveränderungen ist eine Knochenmarkuntersuchung mit Zytogenetik indiziert (Ausschluss von Fanconi-Anämie und Chromosomenbruchsyndromen). Die Diagnose kann durch eine molekulargenetische Analyse des SBDS-Gens gesichert werden. Ein fehlender Nachweis einer Mutation schließt die Diagnose jedoch nicht aus. Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 162 Wintergerst et al. Therapie Bei Vorliegen einer Pankreasinsuffizienz sollten zunächst Pankreasenzyme substituiert und die Neutropenie im Falle rezidivierender Infektionen mit G-CSF behandelt werden. Patienten mit Panzytopenie, myelodysplastischem Syndrom (MDS) oder akuter myeloischer Leukämie sollten einer Knochenmarktransplantation zugeführt werden. Die akute Überlebensrate nach Transplantation beträgt allerdings derzeit nur ca. 60–70% (14, 97). Glykogenose Ib Die Glykogenose 1b ist bedingt durch einen Defekt in der Glukose-6-Phosphat-Translokase, die für den Transport von Glukose6-Phosphat in das endoplasmatische Retikulum essenziell ist. Hierdurch ist, ähnlich der Glykogenose Ia, die Freisetzung von Glukose aus der Zelle gestört. DiesesTransportsystem ist besonders für Neutrophile wichtig. Klinische Manifestation Die Glykogenose 1b ist gekennzeichnet durch Hypoglykämien, Hepatomegalie, Wachstumsretardierung und Neutropenie mit rezidivierenden bakteriellen Infektionen. Diagnose Die Diagnose kann beiVorliegen einer Hepatomegalie, Hypoglykämie, die sich nicht auf Glukagon bessert, Hyperlipidämie, erhöhtem Laktat und Neutropenie vermutet werden. Eine definitive Diagnose kann einerseits durch die fehlende Aktivität der Glukose6-Phosphat-Translokase im Lebergewebe oder molekulargenetisch durch eine Mutationsanalyse des Gens gestellt werden. Therapie Die Hypoglykämien müssen durch intermittierende oder kontinuierliche Zufuhr ungekochter Stärke behandelt werden. Je nach Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 Schwere der Neutropenie ist eine Therapie mit G-CSF indiziert. Chediak-Higashi-Syndrom Das Chediak-Higashi-Syndrom (CHS) ist eine seltene autosomal-rezessive Krankheitsentität, bestehend aus Hypopigmentierung, schwerem Immundefekt besonders der NK-Zellen, Blutungsneigung und neurologischen Störungen mit Riesengranula in allen granulierten Körperzellen. (15, 44). Das bei CHS defekte CHS-Protein ist vermutlich an der Steuerung intrazellulärer Membranfusionen beteiligt und wird von dem auf Chromosom 1q42-q43 gelegenen Gen LYST kodiert (75). Klinische Manifestation Aufgrund des ubiquitärenVorkommens dieser lysosomalen Störung in vielen unterschiedlichen Körperzellen tritt eine Vielzahl von Symptomen auf. Kennzeichnend ist eine Hypopigmentierung von Haut und Haaren mit Variabilität zwischen milder Ausprägung und totalem Albinismus (99). Ist auch die Iris betroffen, können damit Lichtempfindlichkeit, Nystagmus und Sehschwäche einhergehen (86).DieKinderleidenanhäufigen,oftschweren Infektionen v. a. der Haut und des Zahnfleisches, mit Staphylo- und Streptokokken, Blutungs- und Hämatomneigung aufgrund gestörter Plättchenfunktion (13) und neurologischen Symptomen wie Krampfanfällen, mentaler Retardierung, Hirnnervenparesen und progressiver peripherer Neuropathie mit Muskelschwäche (71). Bei 85% der Patienten tritt im Verlauf eine sogenannte akzelerierte lymphoproliferative Phase mit Panzytopenie, Blutungsneigung, lymphohistiozytären Infiltraten (Knochenmark, Lymphknoten, Milz, Leber, Lunge), Fieber, Ikterus, Lymphadenopathie, Hepatosplenomegalie und Gingivitis ein (9). Liegt eine mildere Verlaufsform vor (10–15%), kann das Erwachsenenalter erreicht werden, viele Patienten sterben jedoch im ersten Lebensjahrzehnt. Diagnose Die Leukozyten, teilweise auch die Thrombozyten, in peripherem Blut und Knochenmark enthalten typischerweise PAS-positive Riesengranula, die rote Reihe ist meist ausgenommen. Während die Phagozytose intakt ist, sind die NK- und T-Zell-Zytotoxizität durch reduzierte intrazelluläre Lyse aufgrund von gestörter Enzymsekretion aus den Riesengranula herabgesetzt und die Chemotaxis ist vermindert (101). Die Mikroskopie von Haut oder Haarschaft zeigt Riesenmelanozyten mit Reifungsstörung und Fibroblasten mit großen Granula. Im CT oder MRT können eine diffuse Hirn- und Rückenmarksatrophie auffallen (6), weiterhin kann es zu verminderter Nervenleitgeschwindigkeit und neurogener Muskelatrophie sowie zu Riesengranula in Schwann- und Muskelzellen kommen. Aufgrund seiner enormen Größe ist die Analyse des LYST-Gens bisher nur im Rahmen von Forschungsprojekten möglich, erlaubt jedoch eine grobe Genotyp-PhänotypKorrelation mit Null-Mutationen, die meist zu schwerer, und Missense-Mutationen, die zu milderer klinischer Ausprägung führen (49). Zur Pränataldiagnostik kann die Diagnose aus fetalen Blut- , Haarzellen oder Amnionzellen mikroskopiert gestellt werden (25). Therapie Bisher gibt es keine spezifische Therapie und die Langzeitprognose unbehandelter Patienten ist schlecht. Die einzige kurative Möglichkeit hinsichtlich des Immundefekts und der Verhinderung der akzelerierten Phase bietet die Knochenmarktransplantation (41). Letztere ist auch noch in der akzelerierten Phase wirksam, während eine Chemotherapie nur temporär wirksam ist. Die Haut- und neurologischen Symptome werden von einer Knochenmarktransplantation allerdings nicht beeinflusst. Letztere können eventuell durch Kortikosteroide aufgehalten werden (33). Bei akuten Infektionen kann die Neutropenie durch die Substitution von Granulozytenstimulierendem Faktor (G-CSF) positiv beeinflusst werden (5). Akute Infektionen müssen aggressiv und frühzeitig behandelt werden. Eine Gentherapie ist bisher nicht verfügbar. Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 163 Granulozytendefekte Dyskeratosis congenita Die Dyskeratosis congenita (DC) ist eine Multisystemerkrankung mit einer Prävalenz von 1:1 000 000/Jahr. Es besteht eine ausgeprägte klinische und genetische Heterogenität. Die X-chromosomale Form beruht auf Mutationen im DKC1-Gen (Xq28), das für das Protein Dyskerin kodiert und in den Nukleoli aller Körperzellen vorliegt (42). Bei Patienten mit autosomal-dominantem Erbgang und milderem Verlauf wurden Mutationen im TERCGen (Chromosom 3q) gefunden (105), die in reduzierter Telomerase-Aktivität resultieren und in folgenden Generationen durch progressive Verkürzung der Telomere zu erschwerter Krankheitsausprägung führen. Klinische Manifestation DC ist charakterisiert durch die mukokutane Symptomtrias aus abnormaler Hautpigmentierung, Nageldystrophie und Leukoplakie. Daneben wurden Veränderungen der Zähne, der Augen, des Gastrointestinal-, Genitourinal- und Skelettsystems sowie neurologische Störungen beschrieben (24). Limitierend sind pulmonale Komplikationen aufgrund eines schweren T-, B- und NK-Immundefekts und eines Knochenmarkversagens sowie maligner Entartung. Dies sind Kennzeichen der neonatalen Form, die Hoyeraal-Hreidarsson-Syndrom genannt wird (46, 47). Diagnose Die Diagnose wird klinisch gestellt. Bei Verdacht ist eine molekulargenetische Untersuchung indiziert (Mutation im DKC-TERC1-Gen). Differenzialdiagnostisch zum Knochenmarksversagen sind eine aplastische Anämie, ein myelodysplastisches Syndrom und eine Fanconi-Anämie auszuschließen. Eine Pränataldiagnose ist möglich. Therapie Hautpflege, Sonnenschutz und Mundhygiene sowie die Vermeidung von Zigaretten- rauch undAlkohol sind die Grundpfeiler der Therapie. Die Blutbildung kann durch Oxymetholon, G-CSF und Erythropoetin angeregt werden. Durch Stammzelltransplantation kann zwar das Knochenmarkversagen behandelt werden, die Patienten sterben aber häufig wenige Jahre später an Gefäßkomlikationen und Infektionen (53, 112, 115-118). Knorpel-Haar-Hypoplasie Die Knorpel-Haar-Hypoplasie (CHH) ist eine autosomal-rezessive Chondrodysplasie mit Immundefekt. Zugrunde liegt der Defekt einer Endoribonuklease, kodiert vom RMRPGen auf Chromosom 9p12. Das Enzym verdaut RNA in der mitochondrialen DNA-Synthese und prä-rRNA im Nukleolus (88). Klinische Manifestation Die Erkrankung umfasst Kleinwuchs (70%), Haarhypoplasie, Immundefekt mit Anfälligkeit für virale, bakterielle und Pilzinfektionen mit rezidivierenden Atemwegsinfektionen (ca. 60%), chronischer Sinusitis und Diarrhö, hypoplastische Anämie (80%), Assoziation mit M. Hirschsprung (7%), gestörte Spermatogenese, dysproportionierte, kurze Extremitäten, Skoliose (21%), Lendenlordose (85%), dünnes, lichtes Haar sowie Gelenklaxizität oder -streckhemmung (65, 63). Neben pulmonalen Infektionen sind Non-Hodgkin-Lymphome lebenslimitierend (64). Diagnose Die Diagnose basiert auf dem klinischen Phänotyp. Daneben finden sich eine moderate Lymphopenie und bei ca. 60% der Patienten eine eingeschränkte Lymphozytenantwort auf Mitogenstimulation bei zugrunde liegendem T-Zelldefekt. Die Immunglobulinspiegel sind normal. Die Mutationsanalyse des RMRP-Gens sichert die Diagnose und ermöglicht eine Pränataldiagnose. Therapie In den ersten Lebensjahren können bei mildem Phänotyp zunächst symptomatisch antibiotische und antivirale Medikamente sowie Erythrozytenkonzentrate eingesetzt werden. Aufgrund des 90-fach erhöhten Risikos für ein Non-Hodgkin-Lymphom sollte eine Stammzelltransplantation erwogen werden. Diese behebt allerdings nicht die skelettalen Veränderungen und die Aganglionose (10). Erythropoetin und Wachstumshormon sind wirkungslos, Lebendimpfungen kontraindiziert. Die Aganglionose muss operativ behandelt werden. ß-Actin-Defizienz Die β-Actin-Defizienz ist wie die RAG2-Defizienz eine Leukozytenmigrationsstörung. Sie führt zu einer gestörten Actinpolymerisation von Neutrophilen durch eine Mutation im nicht-myofibrillären β-Actin-Gen (ACTB) (78). Klinische Manifestation Die Patienten leiden an wiederkehrenden bakteriellen und mykotischen Infektionen, an mentaler Retardierung und Photosensitivität (77). Diagnose Die Chemotaxis und Phagozytose sind erheblich eingeschränkt, ebenso die Polymerisation von Actinmonomeren; die CD18- und CD15A-Expression sind normal. Die Diagnose kann durch eine Mutationsanalyse desACTB-Gens gestellt werden. Therapie Die Knochenmarktransplantation ist die derzeit einzige Form der kurativen Therapie. Bei Fehlen eines geeigneten Spenders sollte eine Antibiotika-Dauerprophylaxe (z. B. Cotrimoxazol) verabreicht werden. Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 164 Wintergerst et al. pisch ist die Anzahl spezifischer Granula signifikantreduziert.WährendimSpeichelnormale Mengen Laktoferrin und Transcobalamin-1 vorkommen, fehlen diese beiden Moleküle im Plasma und in den Neutrophilen. Die Erkrankung kann durch eine molekulargenetische Analyse des CEBPε-Gens bestätigt werden. Therapie Abb. 1 Funktion der NADPHOxidase RAC-2-Defizienz Therapie Die RAC-2-Defizienz bedingt eine Leukozytenmigrationsstörung. Ähnlich den Leukozytenadhäsionsproteindefekten (LAD I-III) und der β-Actin-Defizienz kommt es am Ort der Infektion nicht zur Eiterbildung (1). RAC-2 ist einerseits eine Komponente der granulozytären NADPH-Oxidase (Abb. 1), weshalb bei Fehlen von RAC-2 die Bildung reaktiver Sauerstoffradikale gestört ist (2). Andererseits ist RAC-2 als Rho-GTPase wichtig für die Expression von L-Selektin und F-Actin. Mutationen in RAC-2 führen zur Störung der Actinpolymerisation und der Chemotaxis (77). Klinische Manifestation Das klinische Erscheinungsbild ähnelt Patienten mit LAD-I (89). Diagnose Die CD18-Expression ist normal, die Chemotaxis gegen das Peptid FMLP oder den Komplementfaktor C5A ist vermindert, ebenso die Bildung von Sauerstoffradikalen nach Stimulierung mit FMLP (89). Die Diagnose erfordert den Nachweis der Wiederherstellung der Oxidaseaktivität in einem zellfreien System nach Hinzugabe von gereinigtem RAC-2. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 Schwere Infektionen müssen frühzeitig mit Antibiotika und eventuell mit Granulozytentransfusionen behandelt werden. Eine Heilung ist nur durch Stammzelltransplantation möglich (89). Spezifischer Granuladefekt Der spezifische Granuladefekt ist eine äußerst seltene Erkrankung, die zu einer gestörten Chemotaxis und verminderten Hochregulierung von Toll-like-Rezeptoren führt. Hierdurch kommt es zu einer erhöhten Empfänglichkeit für bakterielle Infektionen. Die Erkrankung ist bedingt durch eine Mutation in einem myelopoetischen Transkriptionsfaktor (CEBPε) (54). Klinische Manifestation Die Patienten leiden an ulzerativen und nekrotischen Läsionen der Haut- und Schleimhäute bedingt durch Staphylococcus aureus und/oder Pseudomonas aeruginosa. Diagnose Durch eine Antibiotika-Dauerprophylaxe kann die Infektionsfrequenz deutlich gesenkt werden. Bei akuten Infektionen solltenAntibiotika gegeben werden, die Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa und Klebsiella-Spezies umfassen. Leukozytenadhäsionsproteindefekte (LAD I–III) Leukozytenadhäsionsproteindefekte sind seltene Immundefekte mit einer Inzidenz von ca. 1/1 000 000 Einwohner/Jahr. Sie sind gekennzeichnet durch Defekte der neutrophilen Adhäsion an der Gefäßwand, wodurch neutrophile Granulozyten nicht an den Ort der Infektion wandern können (67). Ätiologisch werden sie in drei Formen eingeteilt (79): ● LAD-I ist gekennzeichnet durch eine defekte β-Kette (CD18) eines Integrins, das an die endothelialen Rezptoren ICAM-1 bzw. ICAM-2 bindet, um das Gefäßsystem verlassen zu können. ● LAD Typ II ist durch eine fehlende Fucosylierung von Selektinen, die für das „Rolling“ der Granulozyten an der Gefäßwand wichtig sind, gekennzeichnet (27). Aufgrund dieses Fucosylierungsdefektes wird LAD-II auch als „Congenital Disorders of Glycosylation“ (CDG Typ IIc) klassifiziert (59, 61, 110). ● LAD Typ III wurde kürzlich beschrieben als Aktivierungsdefekt von Integrinen. Im Gegensatz zu LAD-I ist die Expression von CD18 normal. LAD-III ist durch eine Fehlfunktion des Moleküls RAP-1, einer regulatorischen GPTase, bedingt (51). Im Blutausstrich sind zweigelappte Granulozyten pathognomonisch. Die Chemotaxis ist deutlich eingeschränkt und elektronenmikrosko- Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 165 Granulozytendefekte Klinische Manifestation Therapie Diagnose LAD-I und LAD-III sind häufig durch eine verzögerte Ablösung des Nabelstumpfes mit gleichzeitig bestehender Omphalitis charakterisiert. Normalerweise fällt der Nabelstumpf zwischen dem 3. und 45. Tag, im Mittel nach 10 Tagen, ab. Ferner sind wiederkehrende bakterielle Infektionen der Haut, Periodontitis und Abszesse mit fehlender Eiterformation charakteristisch (26). Bei LAD-II sind die Infektionen im Allgemeinen weniger schwer als bei LAD-I. Die Eiterbildung ist beeinträchtigt, aber nicht fehlend und die Infektionen sind in der Regel nicht lebensbedrohlich. Allerdings entwickelt sich bei Patienten mit LAD II rasch eine schwere psychomentale Retardierung mit Mikrozephalie und kortikaler Atrophie, wenn die Therapie (s. u.) nicht frühzeitig eingeleitet wird (29). Bei allen LADs sollten Infektionen sofort und adäquat mit Antibiotika behandelt werden. Die Transfusion G-CSF-stimulierter Granulozyten kann im Akutfall lebensrettend sein. Für die schwere Form von LAD-I und -III ist die einzige kurative Therapie derzeit die Stammzelltransplantation (103). Hierbei legen neue Daten nahe, dass mit non-myeloablativen Konditionierungsregimen die Überlebensrate gesteigert werden kann (85). Die Genersatztherapie ist derzeit noch keine klinische Option, aber im Tierversuch durchaus Erfolg versprechend (7, 8). Bei leichteren Formen (CD18 >2%) reichen oft eine antibiotische Dauerprophylaxe mit z. B. Cotrimoxazol und gute Zahnhygiene aus. Bei LAD-II ist eine antibiotische Dauerprophylaxe zur Verhinderung von Infektionen oft ausreichend. Bei einigen Patienten konnte durch frühzeitige Supplementierung von L-Fucose (Kaden Biochemicals GmbH, Hamburg) eine dramatische Verbesserung erzielt werden (28, 29, 69). Die Kombination einer hämolytischen Anämie mit einem pathologischen Dihydrorhodamin-Test unter 1% ist richtungsgweisend. Die Bestimmung der Glukose-6-PhosphatDehydrogenaseaktivität in Erythrozyten und Leukozyten bestätigt die Diagnose (11). Diagnose Frühe bakterielle Infektionen, besonders Omphalitis mit fehlender Eiterbildung und ausgeprägter Neutrophilie (zwischen 10 000–50 000- bis 100 000/µl), sollten zu der Verdachtsdiagnose LAD führen. LAD-I ist gekennzeichnet durch ein Fehlen oder eine signifikante Verminderung von CD18 und CD11. In der schweren Form ist CD18 auf 1–2% verglichen zu normalen Tageskontrollen vermindert. Patienten mit einem CD18-Gehalt von 2–30% zeigen einen milderen Phänotyp (67). LAD-II kann bei Patienten mit mentaler Retardierung, Neutrophilie und Infektionsneigung vermutet werden. Hinweise geben die sogenannte Bombay-Blutgruppe (Hämoglobin H) und die fehlende Expression von SLEX (CD15A). Eine Bestätigung der Diagnose gelingt durch die molekulare Analyse des GDP-Fucose-TransporterGens (32, 59). LAD-III benötigt den Nachweis einer gestörten Integrinaktivierung in einem Speziallabor. Glukose-6-PhosphatDehydrogenase-Defizienz (G6PD) Die Glukose-6-Phosphat-DehydrogenaseDefizienz ist bedingt durch Mutationen im G6-PD-Gen (12). Normalerweise führt die Defizienz dieses Enzyms zu intermittierenden Hämolysen, da Erythrozyten aufgrund ihrer fehlenden Mitochondrien am meisten auf dieses Enzym angewiesen sind. Ist die Mutation so schwer, dass die Restaktivität unter 5% liegt, kann auch die Sauerstoffradikalproduktion beeinträchtigt sein (4, 17, 37, 104). Klinische Manifestation Bei Beeinträchtigung des respiratorischen Burst ist die klinische Symptomatik ähnlich der chronischen Granulomatose mit rezidivierenden Abszessen innerer Organe, schweren Pneumonien zusätzlich zu den Zeichen einer hämolytischenAnämie (37). Therapie Die Infektionen erfordern eine symptomatische Behandlung von Infektionen und Hämolyse. Als ultima ratio kommt eine Stammzelltransplantation in Betracht. Chronische Granulomatose Die chronische Granulomatose ist eine genetisch bedingte Störung der Sauerstoffradikalbildung von Phagozyten (89) mit einer Häufigkeit von ca. 1:250 000 Geburten. Den Phagozyten fehlt die Fähigkeit insbesondere Katalase-positive Bakterien (z. B. Staphylococcus aureus) und Pilze (z. B. Aspergillus spp.) abzutöten (89). Katalasenegative Mikroorganismen hingegen, die eine Netto-Produktion reaktiver Sauerstoffradikale haben, tragen nach Phagozytose zu ihrem eigenen Absterben bei. Infektionen mit diesen Erregern treten bei Patienten mit CGD nicht gehäuft auf. Neben der gesteigerten Empfänglichkeit gegenüber Infektionen leiden Patienten mit CGD häufig auch an inflammatorischen Erkrankungen wie chronischen Darmentzündungen (Crohn-like disease), Lupus-ähnlichen Syndromen, Lungenfibrose sowie Erkrankungen durch die Bildung von Granulomen in lumenhaltigen Organen (z. B. Bronchien, Magenausgang, Ureteren) (55). Ätiologie Der Enzym-Defekt liegt in der NADPHOxidase, die den „respiratory burst“, d. h. die Bildung reaktiver Sauerstoffradikale, katalysiert. Dieses Enzym ist ein Komplex aus mindestens 7 Proteinen (Abb. 1). Das En- Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 166 Wintergerst et al. Tab. 2 Klassifikation der chronischen Granulomatose (89) Komponente Genlocus Benennung NBT-Score O2-Produktion (% von normal) Cytochrom b (% von normal) gp91phox Xp21.1 X91o X91X91X91+ 00% 80–100% (schwach gefärbt) 05–10% 00% 0% 3–30% 5–10% 0% 000% 003–30% 005–10% 100% p22phox 16p24 A22o A22+ 00% 00% 0% 0% 000% 100% p47phox 07q11.23 A47o 00–1% 0–1% 100% p67phox 01q25 A67o 00–1% 0–1% 100% Molekulargewicht und dem Suffix „phox“ (Phagozyten-Oxidase) bezeichnet werden (gp91phox, p22phox, p47phox, p67phox), konnten bisher mit dem Krankheitsbild der CGD assoziiert werden (Tab. 2). Wenn eines dieser 4 Proteine nicht korrekt gebildet wird, kommt es zu einem Funktionsverlust der NADPH-Oxidase. Mutationen in gp91phox verursachen die X-gebundene Form und betreffen etwa 65% aller Erkrankten. Etwa 25% werden durch Mutationen in p47phox und je 5% in p67phox und p22phox beobachtet (89, 111). Pathogenese Abb. 2 Röntgen-ThoraxAufnahme eines Patienten mit invasiver Aspergillose (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Schneider, Universität München) zym wird über Bindung von Bakterien oder Pilzen an Toll-like-Rezeptoren aktiviert (114), wobei die zytosolischen Komponenten p47phox, p67phox und GTPase Rac und RapA1 nach Phosphorylierung an das membranständige Flavocytochrom gp91phox und p22phox transloziert werden. Dieser Komplex überträgt Elektronen von NADPH auf der zytoplasmatischen Seite auf 02-Moleküle auf der Phagosomen-Seite. Die NADPH-Bindungsseite liegt dabei zunächst im Innern der Zellmembran. Wenn ein Granulozyt einen Erreger phagozytiert, kommt diese Bindungsseite an der Außenseite des Phagosomes zu liegen und die katalytische Seite für die Generierung von 02 im Innern des Phagosoms (Abb. 1). Der Krankheitserreger wird durch die entstehenden SauerKinder- und Jugendmedizin 3/2008 stoffradikale und weitere dadurch generierte Moleküle, wie z. B. hypochlorige Säure, abgetötet (3, 20, 93). Mutationen in 4 Komponenten der NADPH-Oxidase, die mit dem Abb. 3 Computertomografisches Bild eines Leberabszesses (mit freundlicher Genehmigung von Dr. Leinsinger, Universität München) Die Granulozyten und Makrophagen von Patienten mit CGD sind morphologisch intakt und können Bakterien und Pilze normal phagozytieren. Durch die fehlende bzw. stark verminderte Bildung reaktiver Sauerstoffradikale können Katalase-positive Mikroorganismen nicht abgetötet werden. Durch die ungestörte Vermehrung der Erreger gehen die Granulozyten zugrunde und die Erreger werden erneut frei, um von weiteren Granulozyten phagozytiert zu werden. Um diese zerfallenden Granulozyten bildet sich sekundär ein Wall von Lymphozyten und Histiozyten, die Granulome bilden und der Erkrankung ihren Namen geben. Die Bildung von Granulomen scheint im Alter zuzunehmen (57). Klinische Manifestation Pneumonien (Abb. 2) sind die häufigste Erkrankung bei CGD und werden gewöhnlich von Staphylococcus aureus, Burkholderia cepacia und Aspergillus-Spezies ausgelöst, gefolgt von Lymphknotenabszessen, Hautabszessen und Leberabszessen (Abb. 3). Seltenere Infektionen sind Osteomyelitiden durch z. B. Aspergillen, ausgehend von einer invasiven Aspergillose der Lunge. Bei ca. 60% der Patienten – besonders bei der X-gebundenen Form – treten die ersten Symptome schon während des ersten Lebensjahres auf (55). Diese Kinder sind oft dystroph, anämisch, mit Ekzem und Hepatosplenomegalie. Die Tabellen 3–5 geben die relativen Häufigkeiten von Infektionsort und Erreger Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 167 Granulozytendefekte an. Durchschnittlich erleiden Patienten mit X-chromosomalem Defekt ohne antibiotische Prophylaxe ca. 2 schwere Infektionen/ Jahr (30). Das klinische Bild ist sehr variabel und ein kleiner Teil der Patienten wird erst im Erwachsenenalter auffällig (58). Diese Patienten haben meist eine geringe Restaktivität (2–5%) der NADPH-Oxidase. Neben schweren Infektionen treten auch gehäuft granulomatöse und autoimmunologische Komplikationen auf (Tab. 6). Granulome entstehen dadurch, dass phagozytierte Erreger zwar einerseits nicht abgetötet, andererseits durch einen makrozytären/histiozytären Randwall an der Ausbreitung und Abszessentstehung gehindert werden. Dies ist ein „Gleichgewichtsprozess“, sodass Granulome und Abszesse nebeneinander vorkommen können. Die häufigsten autoimmunologischen Manifestationen sind Crohn-like-artige Erkrankungen des Dünndarms und restriktive Lungenerkrankungen. Diagnose Zum diagnostischen Screening werden Substanzen verwendet, die im reduzierten Zustand farblos sind und frei über die Plasmamembran diffundieren können. Nach maximaler Stimulation mit dem Phorbolester PMA oxidieren die gebildeten reaktiven Sauerstoffradikale diese Indikatorsubstanzen, die sich hierunter färben und wegen ihrer Ladung nicht mehr die Zelle verlassen können. Der älteste heute z. T. noch gebräuchliche Test ist der Nitroblautetrazoliumtest (NBT). Die Granulozyten werden hierbei mikroskopisch ausgewertet. Der Nachteil dieses Tests besteht darin, dass keine quantitative Bewertung möglich ist und somit CGD-Formen mit Restaktivität als falsch normal befundet werden können. Dihydrorhodamin (DHR) ist ein Farbstoff, der sich aufgrund seiner Fluoreszenz für die automatische Detektion in einem Fluoreszenz-aktivierten Cell Sorter (FACS) eignet. Die Farbintensität sollte nach Stimulation mindestens um den Faktor 200 ansteigen. Dieser Test hat den weiteren Vorteil, dass Überträgerinnen durch die Detektion zweier Populationen mit unterschiedlicher Farbintensität erkannt werden können. Tab. 3 Infektionslokalisation und Häufigkeit bei Patienten mit chronischer Granulomatose (55, 89, 111) Infektionstyp Häufigkeit Pneumonie 30–80% Abszesse ● Haut ● Lymphknoten ● Lunge ● Leber ● Gehirn ● perirektal 20–40% 60–80% 15% 30–40% <5% 10–15% Osteomyelitis 03–30% Meningitis <5% Perikarditis 01% Tab. 4 Erreger und Häufigkeit bei Infektionen von Patienten mit chronischer Granulomatose (89) infektiöses Agens Häufigkeit Staphylococcus aureus 30–50% E. coli 5–10% Aspergillus spp. 10–20% Salmonella spp. 5–10% Bei pathologischem DHR-Test sollte die O2-Produktion (Ferrocytochrom-Reduktion) als unabhängiger Bestätigungstest durchgeführt werden. Ist auch diese negativ oder erheblich eingeschränkt, sollte der zugrunde liegende Defekt näher charakterisiert werden. Mit dem Antikörper 7D5 (113) kann im FACS bei gesunden Kontrollen der membranständige gp91/p22phox (Cytochrom B)-Komplex nachgewiesen werden. Bei der X-gebundenen Form findet man normalerweise kein Cytochrom B, während bei p47-Mangel oder p67-Mangel alle Phagozyten Cytochrom B tragen (Tab. 2). Bei p22-Defizienz kann der Komplex nicht in der Membran verankert werden, weshalb auch hier in der FACS-Analyse kein oder nur deutlich vermindert Cytochrom B nachgewiesen werden kann. Wenn aufgrund des Stammbaums, des Geschlechts des Patienten und der Labortests eine Verdachtsdiagnose für die Unterform gestellt werden kann, kann die zugrunde liegende Mutation molekulargenetisch geklärt werden. Klebsiella spp. 5–10% Burkholderia cepacia 5–10% Serratia marcescens 5–10% Überträgerinnen Enterobacter spp. <5% Nocardia spp. <5% Proteus spp. <5% Haemophilus influenzae <5% Streptococcus spp. <5% Candida spp. <5% Granulibacter bethesdensis* ? Bei der X-chromosomalen Form kann im DHR-Test durch Nachweis von zwei Populationen (mit und ohne oxidative Reaktivität) rasch und sicher der Überträgerstatus der Mutter diagnostiziert werden. Diese Untersuchung sollte allen Familienmitgliedern der „mütterlichen Linie“ angeboten werden. Bei den autosomal-rezessiven *(38) Tab. 5 Beziehung von Infektionsort und Häufigkeit der isolierten Erreger von Patienten mit chronischer Granulomatose (111) Infektionsort häufigste Erreger Pneumonie Aspergillus (40%) > Staphylococcus (10%) > Burkholderia (7%) Tab. 6 Typische nicht-infektiöse Erkrankungen bei Patienten mit chronischer Granulomatose (ITP = idiopathisch-thrombozytopenische Purpura) (111) Erkrankung Häufigkeit Colitis/Crohn-like-Erkrankung 17% Magenausgangsstenose 15% Lungenrestriktion 05–10% 10% Lymphknotenabszesse Staphylococcus (30%) > Serratia > Candida > Klebsiellen Ureterstenose systemischer Lupus erythematodes 03% Osteomyelitis Serratien (32%) > Aspergillen (25%) > Paecilomyces (4%) > Staphylococcus (3%) Chorioretinitis 02% ITP 01% Myasthenia gravis 00,3% Meningitis Candida spp., Burkholderia Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 168 Wintergerst et al. Formen ist die Bildung von Sauerstoffradikalen in den Phagozyten beider Eltern normal. Der Subtyp der chronischen Granulomatose sollte molekulargenetisch bestätigt werden. Klinischer Verlauf bei Überträgerinnnen: Überträgerinnen sind meist asymptomatisch. Ca. 50% der Überträgerinnen der X-gebundenen Form leiden allerdings an wiederkehrender, meist milder Stomatitis und Gingivitis. Bei ungewöhnlich ungünstiger X-Inaktivierung (<10% normale Granulozyten) können gehäuft Infektionen auftreten (89). Die ungünstige X-Inaktivierung und damit die Verminderung gesunder Granulozyten kann mit dem Alter zunehmen und mitunter zu einem schweren Krankheitsverlauf führen (62). Wenn der Anteil gesunder Zellen unter 10% fällt, sollte eine Dauer-Prophylaxe mit Cotrimoxazol eingeleitet werden. Bei ca. 25% der Überträgerinnen mit X-gebundener Form wird zudem ein diskoider Lupus erythematodes (90) des Gesichts, der Arme und des oberen Thorax beobachtet. SonnenlichtExposition verstärkt die Symptomatik. In schweren Fällen kann der Einsatz von Hydroxychloroquin helfen (89). Bei den autosomal-rezessiven Formen werden keine spezifischen oder gehäuften Erkrankungen bei Überträgern/Überträgerinnen beobachtet. Therapie (etablierte Therapien) Konservative Therapie/Prophylaxe der Grundkrankheit Mitte der 80er-Jahre wurde gezeigt, dass die lebenslange prophylaktische Gabe von Cotrimoxazol zu einer signifikanten Reduktion von bakteriellen Infektionen führt. Hiermit gelingt es, die Zahl schwerer Infektionen auf ca. 0,4/Jahr zu senken (68, 73). Bei Unverträglichkeit (Allergie) kommt Dicloxacillin (25–50 mg/kg KG/ Tag) in Betracht (89), dessen Wirksamkeit allerdings nicht gut dokumentiert ist. Es zeigte sich rasch, dass unter der antibakteriellen Prophylaxe die bakteriellen Infektionen zurückgingen, die mykotischen Infektionen, und allen voran Aspergillus spp. aber nun die Haupttodesursache bildeten. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 In einer 1991 veröffentlichten randomisierten, US-amerikanisch-europäischen Studie zum Einsatz von Interferon-gamma bei CGD wurde eine signifikante Verbesserung der Überlebenszeit beobachtet (34, 35, 89). Interessanterweise lagen die Letalitätsraten amerikanischer Kinder in der Verum-Gruppe höher als in der Placebogruppe der europäischen Kinder. Ob hier ethnische Gründe für den günstigeren Krankheitsverlauf europäischer Kinder eine Rolle spielen, konnte nicht geklärt werden. In Europa hat sich die Routine-Prophylaxe mit gamma-Interferon aufgrund des eher geringen klinischen Effekts und der hohen Nebenwirkungsrate nicht durchgesetzt. Da zur gleichen Zeit das erste orale Antimykotikum mit Wirkung gegen Aspergillen verfügbar wurde und sich durch prophylaktische Gabe die Rate von Aspergillus-Infektionen (74, 84) signifikant senken ließ, wird in den europäischen Zentren Patienten mit CGD üblicherweise die Prophylaxe mit Cotrimoxazol (3–5 mg/kg KG TMP-Anteil/Tag) und Itraconazol (5–10 mg/kg KG/Tag) empfohlen. Therapie der Komplikationen Grundsätzlich sollen Infektionen sofort und aggressiv therapiert werden. Es muss darauf geachtet werden, dass die Antibiotika ausreichende intrazelluläre Wirkspiegel aufbauen. Günstig sind bei grampositiven Erregern Clindamycin, Makrolide und Rifampicin, sowie Teicoplanin/Vancomycin und Fosfomycin; bei gramnegativen Erregern Fosfomycin und Gyrase-Hemmer. Penicilline und Cephalosporine sind im Allgemeinen nur wenig wirksam (45). Pneumonie: Pneumonien sind die häufigste Manifestation der CGD. Verursachende Erreger sind Staphylococcus aureus, Burkholderia cepacia, Aspergillus spp. und andere gramnegative Erreger. Die klinische und radiologische Rückbildung ist meist sehr verzögert und eine Ausheilung benötigt oft eine prolongierte Antibiotika/Antimykotika-Therapie über Wochen bis Monate (Aspergillus spp., s. unten). Bei Staphylococcus aureus sind Antibiotika der Wahl Clindamycin, Fosfomycin und Rifampicin. Mittel der 2. Wahl sind Vancomycin/Teicoplanin. Gegen Burkhol- deria und andere gramnegative ist Meropenem oder Ciprofloxacin wirksam. Lymphadenitis: Erreger sind meist Staphylokokken. Im Frühstadium kann eine Therapie mit Antibiotika, die sich intrazellulär anreichern, erfolgreich sein. Mittel der Wahl ist Clindamycin. Bei Einschmelzung muss der Lymphknoten entfernt werden. Abszesse sollte frühzeitig chirurgisch drainiert werden. Leberabszess: Erreger sind ebenfalls meist Staphylokokken. Neben der antibiotischen Therapie mit z. B. Clindamycin plus Rifampicin sollte frühzeitig eine Drainage zur Erregergewinnung und Entlastung in Erwägung gezogen werden (60). Steroide wirken der Granulombildung und dadurch der verschlechterten Durchblutung des Infektionsortes entgegen und sind deshalb bei fehlender Besserung trotz der Immundefizienz unter Antibiose indiziert. Invasive Aspergillose: Mittel der Wahl ist Voriconazol (43, 106). Alternativ stehen liposomales Amphotericin B, Caspofungin und Posaconazol (letzteres ist im Kindesalter noch nicht zugelassen) zur Verfügung. Konventionelles Amphotericin B war in einer großen randomisierten Studie von Herbrecht et al. Voriconazol signifikant unterlegen. Zu beachten ist ferner, dass Aspergillus terreus gegen Amphotericin B/Ambisome primär resistent ist. Bei den Azolen sind – v. a. bei Voriconazol – Interaktionen mit Medikamenten, die über das Cytochrom-P-450-System abgebaut werden (z. B. Ciclosporin, Tacrolimus, Vincristin. HIV-Protease-Inhibitoren etc.), zu beachten. Dosis für Voriconazol bei Kindern: initial 6 mg/kg KG, dann schrittweise Steigerung auf 2-mal 7–8 mg/kg KG/d (100, 108). Die wichtigsten Nebenwirkungen sind Erhöhung der Transaminasen, Photosensibilität, Bauchschmerzen, Erbrechen, und Verlängerung der QT-Zeit. Posaconazol ist das derzeit jüngste für Erwachsene zugelassene Azol-Derivat. Die Effektivität bei Ambisome- oder Voriconazol-resistenten Aspergillus-Infektionen liegt bei ca. 40–50% (50). Die Dosis beträgt für Erwachsene 2-mal 400 mg bzw. 4-mal 200 mg p. o./d. Die Substanz sollte zur besseren Resorption mit einer kleinen fettreichen Mahlzeit eingenommen werden. Posacona- Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 169 Granulozytendefekte zol ist auch für die Therapie der ZNS-Aspergillose geeignet. Erste Fallbeschreibungen bei Kindern legen nahe, dass diese Dosis auch für Kinder geeignet ist (76, 92). Als ultima ratio kann die antimykotische Effektivität versuchsweise durch eine Kombination von Caspofungin mit einem Azol (Voriconazol bzw. Posaconazol) erhöht werden. Die Dosis für Caspofungin beträgt: initial 70 mg/m2/d, ab Tag 2 dann 50 mg/m2/d, bei Säuglingen 2 mg/kg KG/d (sehr begrenzte Erfahrung). Die wichtigsten Nebenwirkungen sind Anämie, Kopfschmerzen, Phlebitis und Übelkeit; keine Hemmung von Cytochrom P450 (100, 108). Für die generelle Anwendung einer Kombinationstherapie liegen noch zu wenige Daten vor (70, 94, 108). In therapieresistenten Fällen können Granulozytentransfusionen, die Gabe von gamma-Interferon und eine Knochenmarktransplantation (48, 82) lebensrettend sein. Nicht-infektiöse Komplikationen Ein wesentlicher Baustein der Therapie der nicht-infektiösen granulombedingten Komplikationen (Granulome, „Crohn-like disease“) ist ein Kortikosteroid (16, 21). Magenausgangsstenose: Die Stenose wird durch Granulome verursacht, die gut auf Steroide ansprechen. Die Häufigkeit beträgt ca. 10–15% (89, 111). Das Hauptsymptom ist zunehmendes nicht-galliges Erbrechen. Die Symptome bilden sich unter Steroiden rasch zurück. Hierbei sollte bis zur Rückbildung der Symptome eine hohe Dosis (2 mg/ kg KG Prednisonäquivalent) eingesetzt werden. Nach klinischer Besserung sollte die Dosis über Wochen langsam bis auf 0,1–0,2 mg/kg KG reduziert und diese Erhaltungsdosis über einige Wochen fortgeführt werden Weitere gastrointestinale Manifestationen: Patienten mit CGD haben überproportional häufig gastrointestinale Manifestationen. In bis zu 30% findet man ulzerative Stomatitiden, in 5% eine chronische Gingivitis (55), in bis zu 20% perirektale Abszesse (31), in 15% entzündliche Darmerkrankungen, die dem M. Crohn ähneln (Crohn-like disease) und Kolitiden (55, 111). Klinisch herrschen abdominelle Schmerzen, Diarrhö mit Eiweißverlust und blutige Stühle vor. Histologisch findet man Zellinfiltrationen mit eosinophilen Granulozyten, teilweise Kryptenabszesse und selten Granulome (91). Hervorzuheben ist, dass man auffallend wenig neutrophile Granulozyten im histologischen Präparat findet. Die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen sprechen gut auf Kortikosteroide an und können die Erstsymptome einer CGD sein. Harnleiterstenosen: Wie bei der Magenausgangsstenose handelt es sich um „steroidsensible“ Granulome. Hauptsymptome sind Flankenschmerzen und Harnwegsinfektionen und Erweiterung des Nierenbeckenkelchsystems. Die Therapie ist identisch zur Magenausgangsstenose. Auch Interferon-gamma kann hilfreich sein (107). Lungenfibrose: Auch die Lungenfibrose spricht auf Steroide an. Aufgrund der Langzeitkomplikationen (Cor pulmonale) sollte Patienten mit dieser Komplikation eine Knochenmarktransplantation angeboten werden. Bei fehlendem Spender kommt die Fremdspende in Betracht. Interessanterweise bilden sich nach der Transplantation die restriktiven Veränderungen zurück. Knochenmarktransplantation (KMT) Seger et al. (95) berichten, dass sich bei Verfügbarkeit eines HLA-identischen Geschwisters durch immunsuppressive Konditionierung die Erkrankung durch KMT mit vertretbarem Risiko heilen lässt (40). Im Transplantationsregister für CGD sind die Daten von 22 Patienten verfügbar. 19 Patienten wurden geheilt, 3 verstarben. Die drei verstorbenen Patienten hatten alle zum Zeitpunkt der Transplantation eine nichtkontrollierbare Pilzinfektion (95). Bei Erwachsenen mit CGD zeigte ein gegenüber dem Standard-Protokoll reduziertes Konditionierungsregime ermutigende Ergebnisse (40), die noch der weiteren Bestätigung bedürfen. Die HLA-identische Fremdspende wird aufgrund der relativ günstigen Prognose unter konservativer Antibiotika- und Antimykotika-Prophylaxe derzeit als zu risikoreich angesehen. Allerdings ist die Fremdspendertransplantation bei Auftreten von Komplikationen wie einer nicht-konservativ kontrollierbaren, invasiven Aspergillen- infektion und bei pulmonaler Restriktion eine therapeutische Option (82). Therapie (experimentelle Ansätze) Gen-Ersatztherapie In den letzten Jahren wurden sowohl im Tierversuch (23) als auch mit humanen Stammzellen Fortschritte in der Transfektion des gp91phox-Gens erzielt (39). Ein schwieriges Problem ist dabei, dass transfizierte Zellen in vivo keinen Selektionsvorteil haben und somit die Menge an ex vivo transfizierten und reinfundierten Zellen bisher nicht ausreicht um die Infektionsanfälligkeit zu senken. Dieses Problem konnte durch eine milde Konditionierung überwunden werden. Ott et al. (80) gelang es erstmals bei 2 erwachsenen Patienten Stammzellen mit einem gp91phox-tragenden retroviralen Vektor zu transfizieren. Die Patienten erholten sich von ihren schweren Infektionen und hatten über 20 Monate bis zu 40% funktionierende Granulozyten im peripheren Blut. Ein Patient verstarb nach 27 Monaten an einer Darmperforation, die wohl nicht mit der Gentherapie assoziiert war (81). Bei dem anderen Patienten entwickelte sich ein myelodysplastisches Syndrom mit Verlust der korrigierten Granulozyten. Ein Münchner Kind mit schwerster invasiver Aspergillose und Tetraparese aufgrund einer Pilzinfektion der Myelons erholte sich vollständig nach Gentherapie, obwohl schon 4 Wochen nach Gabe der gentransfizierten Zellen nur noch 2% korrigierte Zellen im peripheren Blut nachweisbar waren (durchgeführt bei R. Seger, Zürich). Aufgrund der Probleme mit der Transaktivierung von Onkogenen ist derzeit die Gentherapie nur als Ultima ratio anzusehen und bedarf einer grundsätzlichen Verbesserung der verwendeten Vektoren. Bei p47phox-CGD wurden gentherapeutische Versuche von Malech et al. berichtet (66), die aber klinisch nicht erfolgreich verliefen. Bei den anderen Formen der CGD ist derzeit keine funktionierende Gentherapie in Sicht. Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 170 Wintergerst et al. Fazit für die Praxis Prognose Finn et al. (30) beobachteten bei Patienten, die in der Zeit von 1955–1987 geboren wurden, eine Letalität von 50% bis zum 20. Lebensjahr. In einer Untersuchung von Mouy et al. (72) betrug die Letalität in der Zeit von 1969–1985 50% bis zum 10. Lebensjahr. In einer eigenen Untersuchung war die Überlebensrate bei 39 Patienten, die zwischen 1952 und 1992 geboren wurden, bis zum 10., 20. und 40. Lebensjahr 91%, 86% und 54% (55). Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 Die chronische Granulomatose ist eine zwar seltene, aber wichtige Erkrankung des Kindesalters, da bei frühzeitiger Diagnose eine wirksame Prophylaxe eingeleitet und – bei Vorhandensein eines HLA-identischen Geschwisters – die Erkrankung durch eine Knochenmarktransplantation geheilt werden kann, bevor schwere Komplikationen auftreten. Vor allem Abszesse innerer Organe (Leber, Lunge, Knochenmark) und rezidivierende Abszesse von Lymphknoten, Haut und Perineum sowie schwere Pneumonien sollten an dieses Krankheitsbild denken lassen. Das Literaturverzeichnis finden Sie online unter www.kinder-und-jugendmedizin-online.de. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Uwe Wintergerst Dr. von Haunersches Kinderspital Lindwurmstr. 4 80337 München Tel.: 0 89/51 60 39 31 Fax: 0 89/51 60 39 64 E-Mail: [email protected] Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Immundefekte © 2008 171 Schattauer GmbH Genetisch bedingte Defekte der angeborenen Immunität Erhöhte Anfälligkeit für mykobakterielle Infektionen, für invasive bakterielle Infektionen und für Herpes-simplex-Enzephalitis Janine Reichenbach1, Horst von Bernuth2 1 Universitäts-Kinderspital Zürich, Abteilung Immunologie/Hämatologie/KMT (Leiter: Prof. Dr. med. R. A. Seger) 2 Charité Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum, Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie und Immunologie (Leiter: Prof. Dr. med. U. Wahn) Schlüsselwörter Keywords Zusammenfassung Summary Mykobakterielle Infektionen, invasive bakterielle Infektionen, Herpes-simplex-Enzephalitis, IFN-γ-/Interleukin12-System, Toll-ähnliche/Interleukin-1-Rezeptoren Bei Patienten mit wenigen Infektionen, mit Infektionen durch nicht opportunistische Erreger und mit Infektionen durch nur einen bestimmten Erreger muss auch an einen Immundefekt gedacht werden. In diesem Beitrag werden Immundefekte vorgestellt, die durch Störungen in Signalwegen der angeborenen Immunität zu einer spezifischen Anfälligkeit gegen eine bestimmte Erregergruppe oder nur einen Erreger führen. Eine besondere Anfälligkeit für Mykobakterien kann ein Hinweis für Defekte in den Signalwegen von Interferon-γ und Interleukin-12 sein. Defekte der MyD88- und IRAK-4-abhängigen Signalwege, der Tollähnlichen und Interleukin-1-ähnlichen Rezeptoren prädisponieren zu invasiven bakteriellen Infektionen durch insbesondere Staphylococcus aureus und Streptococcus pneumoniae. Patienten mit sporadischer Enzephalitis durch Herpes-simplex-Virus-1 sollten auf Defekte der TLR3/UNC93B abhängigen Signalwege untersucht werden. Mycobacterial disease, invasive pyogenic bacteria, herpes simplex encephalitis, IFN-γ/Interleukin-12 system, Tolllike/Interleukin-1 receptors In patients with few infections, infections caused by nonopportunistic pathogens and infections caused by only a single pathogen an immunodeficiency must also be considered. We here present immunodeficiencies that are caused by impaired signalling in pathways of the innate immune system. These defects predispose to a specific susceptibility to one group of pathogens or only one pathogen. An increased susceptibility to mycobacterial infections can indicate a defect in the Interferon-γ and Interleukin-12 dependent pathways. Defects in MyD88 and IRAK-4-dependent pathways of Toll-like and Interleukin-1 receptors predispose to invasive pyogenic infections, in particular by Staphylococcus aureus and Streptococcus pneumoniae. In patients with herpes simplex encephalitis defects of TLR3/UNC93B-dependent signalling should be suspected. Genetic defects of the innate immunity that cause an increased susceptibility for mycobacterial infections, invasive pyogenic infections and herpes simplex encephalitis Kinder- und Jugendmedizin 2008; 8: 171–178 A ls Warnzeichen für einen angeborenen „klassischen Immundefekt“ gelten wiederkehrende schwere Infektionen, verursacht durch eine Vielzahl verschiedener Erreger oder Infektionen durch seltene, nicht obligat pathoge- ne, opportunistische Erreger. Mit den Antikörpermangelsyndromen, den schweren kombinierten Immundefekten und der septischen Granulomatose sind in den vorhergehenden Beiträgen Beispiele für Immundefekte besprochen worden, die dieser klas- sischen Definition eines Immundefektes entsprechen. In den letzten zehn Jahren ist jedoch zunehmend deutlich geworden, dass auch bei Patienten mit wenigen Infektionen, mit Infektionen durch nicht opportunistische Erreger und selbst mit Infektionen durch nur einen bestimmten Erreger auch an einen Immundefekt gedacht werden muss. Im folgenden Beitrag werden drei Gruppen neuer Immundefekte vorgestellt, die durch Störungen in Signalwegen der angeborenen Immunität verursacht werden. Defekte in den Signalwegen von Interferon-γ und Interleukin-12 gehen mit einer vornehmlichen Anfälligkeit für Mykobakterien einher. Defekte der MyD88- und IRAK-4-abhängigen Signalwege der Toll-ähnlichen und Interleukin-1-Rezeptoren (TLR und IL-1Rs) prädisponieren zu einer Anfälligkeit für invasive Infektionen durch Staphylococcus aureus und Streptococcus pneumoniae und Defekte der TLR3/UNC93B-abhängigen Signalwege zu einer erhöhten Anfälligkeit für Enzephalitis durch Herpes-simplex-Virus-1. Im weiteren Gegensatz zu den meisten klassischen Immundefekten, die mit zumindest an Universitätskliniken verfügbaren diagnostischen Verfahren erkannt werden können, verlangt die Diagnostik dieser Immundefekte der angeborenen Immunität Tests, die bisher nur von spezialisierten Labors angeboten werden. Die Diagnostik der Erkrankungen umfasst dabei funktionelle Tests und eine molekulargenetische Untersuchung, um die Diagnose zu Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 Eingegangen: 10. Dezember 2007; angenommen:For18.personal Dezember 2007 or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 172 Reichenbach, von Bernuth sichern. Die so gewonnene diagnostische Sicherheit ist unabdingbare Voraussetzung für die korrekte individuelle prognostische Einschätzung und darauf aufbauend zielgerichtete und risikoadaptierte Therapie. Klinisches Bild, Pathogenese, Diagnostik und Therapie sowie Differenzialdiagnosen dieser Defekte der angeborenen Immunität werden im folgenden Beitrag vorgestellt. Störungen in den Signalwegen von Interferon-γ und Interleukin-12 Die Familie der Mykobakterien umfasst über 85 unterschiedliche Arten, vom hoch virulenten Mycobacterium tuberculosis, dem Erreger der Tuberkulose, über zahlreiche weniger virulente Arten, wie nicht tuberkulöse atypische Mykobakterien (z. B. Mycobacterium avium, M. smegmatis, M. peregrinum, M. marinum), bis zu den attenuierten M. bovis-Stämmen, die seit 1921 als BCG(Bacille Calmette-Guérin)-Impfstoff über Jahrzehnte zur Prophylaxe der Tuberkulose eingesetzt wurden und in einigen Staaten auch noch heute eingesetzt werden (6, 60). Nicht tuberkulöse Mykobakterien (NTM) leben überwiegend saprophytär im Erdreich, in Gewässern, im Trinkwasser und alsAerosole in der Luft; M. tuberculosis hingegen ist obligat humanpathogen und wird typischerweise aerogen als Tröpfcheninfektion durch Kontakt mit einem Infizierten übertragen. Bei immunkompetenten Personen resultiert der Kontakt mit den meisten Mykobakterien selten in einer Infektion und einer klinisch apparenten Erkrankung. Invasive, disseminierte und/oder rezidivierende Infektionen mit niedrig virulenten BCG oder NTM sind meist Hinweis auf eine gestörte Immunabwehr (36, 61). Neben einem klassischen primären Immundefekt (PID) muss an das Vorliegen von MSMD (Mendelian Susceptibility to Mycobacterial Disease, MIM 209950) gedacht werden. MSMD ist ein seltenes angeborenes Syndrom, das definiert wird durch eine schwere disseminierte oder rezidivierend lokalisierte Erkrankung durch schwach virulente MykobakteKinder- und Jugendmedizin 3/2008 rien-Spezies, wie den BCG-Impfstoff oder NTM, bei ansonsten immunkompetenten Individuen (13, 34). Patienten mit MSMD haben im Allgemeinen keinerlei andere assoziierte Infektionen, bis auf Salmonellosen in etwas weniger als der Hälfte der Fälle. Es wurden aber bei einigen wenigen Patienten auch schwere, disseminierte Infektionen mit dem virulenteren M. tuberculosis beschrieben (34). Klinisch und genetisch ist dieses Syndrom heterogen. Bei einigen sporadischen und bei den meisten familiären Fällen liegt ein autosomal-rezessiver Erbgang vor, in einigen Familien kommen aber auch autosomal-dominante oder X-chromosomal-rezessive Erbgänge vor. Mutationen in fünf autosomalen Genen sind für MSMD verantwortlich: IFNGR1 und IFNGR2, die für beide Ketten des Interferon(IFN)-γ-Rezeptors kodieren; STAT1, das ein essenzielles Protein der Signaltransduktion im IFN-γ-Aktivierungsweg kodiert; IL12B, das die p40-Untereinheit von Interleukin(IL)-12 und IL-23 kodiert; sowie IL12RB1, das die β1-Kette des IL-12- und IL-23-Rezeptors kodiert. Gemeinsam ist diesen Erkrankungen eine gestörte IL-12-/23-IFN-γ-vermittelte Immunität. Bei Patienten mit Mutation von IL12B und IL12RB1 ist die IFN-γ-Sekretion gestört, wogegen bei Patienten mit Mutation von IFNGR1, IFNGR2 und STAT1 die zelluläre Antwort auf IFN-γ gestört ist. Ein hoher Grad allelischer Heterogenität an diesen fünf autosomalen Loci bedingt das Vorkommen mindestens zwölf bekannter unterschiedlicher genetischer Defekte (13, 34). Bisher wurden über 220 Patienten aus über 43 Ländern weltweit beschrieben. Die häufigste genetische Ursache für MSMD ist mit 40 % der IL-12Rβ1-Defekt, gefolgt vom IFN-γR1-Defekt mit 39 %; ein IL12p40-Defekt wurde in 9 %, ein STAT1-Defekt in 5 % und ein IFN-γR2-Defekt in 4 % aller Fälle gefunden (34). IFN-γR1- und IFN-γR2-Defekte Der vollständige Mangel der IFN-γ-Rezeptor-Liganden-Bindungs-Kette (IFN-γR1) und der vollständige Mangel der IFN-γ-Rezeptor-Signaltransduktions-Kette (IFN- γR2) durch Nullmutationen der entsprechenden Gene führen zu einem Fehlen der Zellantwort auf IFN-γ. Loss-of-function Mutationen verhindern bei normaler Expression von IFN-γR-Molekülen auf der Zelloberfläche die Bindung des natürlichen Liganden IFN-γ an seinen Rezeptor (IFNγR1-Defekt) bzw. die IFN-γR-Signaltransduktion (IFN-γR2-Defekt) (2, 39). Bei allen Formen des kompletten IFN-γR-Defekts finden sich erhöhte Spiegel von zirkulierendem IFN-γ im peripheren Blut der Patienten (33). Die betroffenen Kinder fallen typischerweise innerhalb der ersten Lebensjahre durch eine disseminierte Erkrankung nach BCG-Impfung oder nach Infektion mit niedrig virulenten NTM auf (23). Typischerweise können keine reifen mykobakteriellen Granulome gebildet werden; die histologischen Läsionen sind schlecht abgegrenzt, lepromatös und bakterienreich. Die Mortalität der Erkrankung ist mit 75 % an mykobakteriellen Infektionen Verstorbenen hoch (23). Einzelfälle schwerer Infektionen durch weitere Erreger (Zytomegalie-Virus, Humanes Herpes-Virus-8 [Kaposi-Sarkom], Listerien) sind bei Kindern mit komplettem IFN-γ-Rezeptor-Defekt beschrieben worden (8, 13, 23, 65). Die üblichen (meist viralen) Infektionskrankheiten des Kindesalters werden gut überstanden. Der klinische Phänotyp von Patienten mit partiellen IFN-γ-Rezeptor-Defekten, die meist autosomal-rezessiv vererbt werden, ist deutlich milder (21, 40) und korreliert zur Zellantwort auf IFN-γ (27). Auch bei Patienten mit partiellem, autosomal-rezessiv vererbtem IFN-γ-Rezeptor-Defekt kann oft ein erhöhter Spiegel von zirkulierendem IFN-γ im peripheren Blut festgestellt werden. Die Spiegel liegen jedoch niedriger als bei den kompletten Defekten des IFN-γ-Rezeptors. Histologisch finden sich gut abgegrenzte, bakterienarme, tuberkuloide Granulome. Das Alter bei Manifestation liegt im Mittel bei 13,4 Jahren (Range 1,5–57 Jahre) und die Prognose ist mit nur zwei Verstorbenen von 38 Patienten im Vergleich zu kompletten IFN-γR-Defekten relativ gut (23, 34). Bei Patienten mit partiell dominantem IFN-γR1-Defekt wurde außerdem in 5 % der Fälle eine Salmonellose be- Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 173 Genetisch bedingte Immundefekte schrieben. Typisch scheint bei partiell dominantem IFN-γR1-Defekt besonders das Vorkommen mykobakterieller Osteomyelitiden (23, 34). STAT1-Defekte STAT1 (Signal Transducer and Activator of Transcription) ist eine wichtige Komponente in der Transduktion IFN-vermittelter Signale. Nach Bindung von IFN-α/β und IFN-γ an die jeweiligen Rezeptoren kommt es zur Bildung von mindestens zwei Komplexen von Transkriptionsfaktoren: STAT1 bildet mit STAT2 und p48/IRF-9 ein Trimer, das als ISGF3 (Interferon-stimulated Gamma Factor 3) bezeichnet wird. STAT1-Homodimere bilden GAF (gamma-activated factor). ISGF3 wird bevorzugt von IFN-α/β induziert, während GAF eher von IFN-γ induziert wird. Mutationen des STAT1-Gens bedingen eine gestörte Signaltransduktion in der Zellantwort auf IFN. Bei bisher zehn Patienten mit MSMD wurden STAT1-Mutationen identifiziert (26). Zelllinien der Patienten mit homozygoten autosomal-rezessiven STAT1-Mutationen (kompletter STAT1-Defekt) können unter experimentellen Bedingungen eine Infektion mit VSV (Vesicular Stomatitis Virus), EMCV (Enzephalomyocarditis-Virus), und HSV-1 (Herpes-simplex-Virus) nicht kontrollieren. Auch durch die exogene Zugabe von IFN-α und IFN-β kann die Replikation der Viren nicht eingedämmt werden. Klinisch ähneln die Betroffenen mit heterozygoter STAT1-Mutation (partieller STAT1-Defekt) Patienten mit partiellem IFN-γR-Defekt. Es kommt zu disseminierten Infektionen mit BCG und NTM und zu keinerlei viralen Infektionen (26). Patienten mit komplettem STAT1-Defekt sind zusätzlich zu Infektionen mit Mykobakterien für schwere virale Infektionen hoch anfällig, was in fünf beschriebenen Fällen zum frühen Tod der Betroffenen geführt hat (28). Einer der Patienten verstarb an einer generalisierten Infektion im Rahmen rezidivierender HSV-1-Enzephalitiden, ein weiterer Patient an einer nicht näher identifizierten Virus-ähnlichen Erkrankung. IL-12p40-Defekt IL-12 ist ein heterodimeres Zytokin, das von Makrophagen und dendritischen Zellen sezerniert wird und die Bildung und Freisetzung von IFN-γ induziert. Die biologisch aktive Form IL-12p70 besteht aus zwei Untereinheiten, IL-12p40 und IL-12p35. Fünf unterschiedliche rezessive Loss-of-function-Mutationen im IL12B-Gen, das die p40-Untereinheit von IL-12 und IL-23 kodiert, wurden bisher bei 20 Patienten identifiziert (5, 55). Bei Patienten mit klinisch milder Form des MSMD-Syndroms sollte an einen IL-12p40-Defekt gedacht werden. PBMC (mononukleäre Zellen aus dem peripheren Blut) der Patienten produzieren in vitro nach Aktivierung mit PHA oder BCG nur ein Zehntel bis ein Hundertstel der normalen IFN-γ-Menge. PBMC- oder EBVtransformierte B-Zellen der Patienten bilden kein IL-12p40 (5, 55). Durch Stimulation mit IL-12 kann die gestörte IFN-γ-Produktion in vitro wiederhergestellt werden. Alle Patienten mit IL-12p40-Defekt leiden, falls geimpft, an BCG-Infektionen, bei der Hälfte der Betroffenen kommt es zusätzlich zu Salmonella-Infektionen. In wenigen Fällen wurden Infektionen mit NTM und M. tuberculosis beschrieben. Die Prognose der Erkrankung ist relativ gut. IL-12Rβ1-Defekt Das IL12RB1-Gen kodiert die β1-Untereinheit des IL-12-Rezeptors, die auch am IL-23-Rezeptorkomplex beteiligt ist. Bisher wurden 89 Patienten mit IL-12Rβ1-Defekt beschrieben (34). In den meisten Fällen verhindern homozygot-rezessive Mutationen die Expression von IL-12Rβ1 und führen zu einer verminderten IFN-γ-Sekretion durch die ansonsten funktionellen NK- und T-Zellen (1, 3, 4, 12, 13, 32, 45). Nur in zwei Familien wurde eine 12 165 Nukleotide große Deletion gefunden, die zur Expression nicht funktioneller IL-12Rβ1 führt (31). Da im Gegensatz zum IFN-γR-Defekt keine Korrelation von Genotyp und Phänotyp besteht und die Penetranz der Erkrankung nur ca. 40 % beträgt, sollten auch gesunde Familienmitglieder untersucht werden (32). Patienten mit IL-12Rβ1-Defekt leiden an schweren, aber gut ausheilenden BCG-Infektionen, Erkrankungen durch NTM kommen nur bei ca. einem Fünftel der Patienten nach dem dritten Lebensjahr bzw. in einigen Fällen sogar erst im Erwachsenenalter vor. In wenigen Fällen wurde eine schwere Tuberkulose beschrieben (4, 9, 32). Die Hälfte der Patienten leidet außerdem an disseminierten und rezidivierenden Salmonella-Infektionen, wobei einige wenige Patienten ausschließlich an Salmonella-Infektionen leiden (34). Andere schwere Infektionen kommen bei IL-12Rβ1-Defekt nicht vor. Histologisch finden sich gut begrenzte und differenzierte BCG-Granulome; NTM-Granulome sind etwas unreifer und bakterienreicher. Diagnostik Entscheidend für die Diagnostik sind funktionelle Tests aus heparinisiertem Vollblut der Patienten: Die IFN-γ- und IL-12-Produktion werden nachAktivierung mit lebendem BCG, BCG plus IFN-γ und BCG plus Il-12 im ELISA (enzyme-linked immunosorbent assay) gemessen. Maximale IL12-Spiegel können nach 12–18 StundenAktivierung gemessen werden, maximale IFNγ-Spiegel finden sich nach 48 Stunden Aktivierung (30). Es sollte zum Vergleich immer eine gesunde Kontrolle mit untersucht werden, v. a. beim Versand der Proben als Reisekontrolle. Bei auffälligen Befunden sollte dann zur Bestätigung eine Bestimmung von IFN-γ im Serum sowie in spezialisierten Labors eine weitere Untersuchung des jeweiligen Signaltransduktionsweges mittels sogenannter electrophoretic mobility shift assays (EMSA) erfolgen. Die Diagnostik kann durch Untersuchung der IFN-γR-Moleküle auf der Zelloberfläche von frischen peripheren mononukleären Zellen (PBMC) oder kultivierten EBV-transformierten B-Zellen mittels monoklonaler Antikörper in der Durchflusszytometrie ergänzt werden: Fehlen von IFN-γR-/IL-12R-Molekülen bestätigt die Diagnose, während das Vorhandensein von IFN-γR-/IL-12R-Molekülen sie nicht ausschließt, da einige Mutationen nicht die Expression der Moleküle, sondern die Bindung von IFN-γ an seinen Rezeptor und die resultierende Signaltrans- Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 174 Reichenbach, von Bernuth duktion verhindern. Die endgültige Diagnose muss über genetische Untersuchungen gestellt werden. Therapie Das für die Erkrankung verantwortliche Mykobakterium sollte bei allen Fällen von MSMD unbedingt identifiziert und entsprechend Antibiogramm aggressiv mit mindestens vier Antituberkulotika therapiert werden. Neben einer konsequenten antibiotischen Therapie der Infektionen stellt aufgrund der Schwere der mykobakteriellen Erkrankungen und der Wirkungslosigkeit einer Therapie mit IFN-γ eine KMT (Knochenmarktransplantation) bei Patienten mit komplettem IFN-γR- und komplettem STAT1-Defekt die einzige Möglichkeit zur kurativen Therapie dar. Die KMT ist jedoch bei Kindern mit komplettem IFN-γRDefekt nach wie vor mit erheblicher Morbidität und Mortalität verknüpft. Die Abstoßungsrate der Transplantate ist selbst bei HLA-identer Transplantation vom verwandten Spender hoch (63, 64). Patienten mit komplettem IL-12- und IL12Rβ1-Defekt oder partiellem IFN-γR-Defekt sollten bei relativ guter allgemeiner Prognose zunächst konservativ behandelt werden, wobei die tuberkulostatische Therapie über mindestens zwei Jahre durchgeführt werden sollte. Zusätzlich sollte mindestens bis zur klinischen Remission humanes rekombinantes IFN-γ gegeben werden. Bei IL-12Rβ1-Defekt kann die Behandlung abdomineller Läsionen schwierig sein, mit schlechtem Ansprechen auch auf hohe Dosen von IFN-γ. Die chirurgische Entfernung einer vergrößerten Milz oder abdomineller Lymphknoten kann in Einzelfällen hilfreich sein (34). Möglicherweise reagieren Kinder mit IL-12p40-Defekt auf eine Behandlung mit IL-12, es gibt dazu jedoch derzeit noch keine ausreichend gesicherten Daten (34). Bei Patienten mit IFN-γR-, IL-12- oder IL-12Rβ1-Defekt sollten alle von der ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Regelimpfungen (Stand 2007) durchgeführt werden. Bei Patienten mit STAT1-Defekt sollten Impfungen mit Lebendimpfstoffen (z. B. Masern-, Mumps-, RötelnImpfung) äußerst sorgfältig durch einen auf Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 Immundefekte spezialisierten Arzt abgewogen werden. Auf keinen Fall darf bei Patienten mit MSMD eine BCG-Impfung durchgeführt werden. Diese Impfung wird in Deutschland nicht mehr generell empfohlen. Sie gehört jedoch in anderen Ländern noch zum Regelimpfplan, sodass in diesen Ländern Impfkomplikationen vorkommen und die impfenden Ärzte auf die Grunderkrankung des Kindes hingewiesen werden müssen. Differenzialdiagnosen Die meisten Fälle schwerer NTM-Erkrankungen sowie ein kleiner Teil der schweren Tuberkulosefälle weltweit sind durch einen erworbenen Immundefekt im Rahmen einer HIV-Infektion bedingt.Andere Risikofaktoren für eine schwere Erkrankung an Mykobakterien sind erworben (Hautläsionen, maligne Erkrankungen, Diabetes) oder angeboren (Mukoviszidose oder PID). Nur in wenigen Fällen einer NTM-Infektion und in noch selteneren Fällen einer M. tuberculosis-Infektion kann jedoch ein zugrunde liegender PID diagnostiziert werden. Hingegen sind die meisten Fälle einer schweren BCG-Infektion (BCGitis) mit einem PID assoziiert. Vor allem weil das Mykobakterium früh in der Kindheit inokuliert wird, fallen Patienten mit schwerem kombiniertem Immundefekt (SCID) und (OL)-EDA-ID (Osteopetrose-Lymphödem-Ektodermale Dysplasie mit Immundefekt) im ersten Lebensjahr mit disseminierter BCG- oder NTM-Infektion auf. Patienten mit septischer Granulomatose (CGD) und etwas seltener auch Patienten mit Hyper-IgM-Syndrom (X-HIGM) und Hyper-IgE-Syndrom (HIES) sind anfällig für klinisch mildere BCG-Infektionen und NTM-Erkrankungen mit etwas späterer Manifestation. Patienten mit diesen klassischen PID leiden im Gegensatz zu Patienten mit MSMD fast immer auch an schweren Infektionen mit anderen Keimen. Daneben finden sich in einigen wenigen Fällen bei Patienten mit mykobakterieller Infektion Autoantikörper gegen IFN-γ, die die Bindung von IFN-γ an den Rezeptor hemmen (20, 41, 54). Defekte der MyD88und IRAK-4-abhängigen Signalwege der Toll-ähnlichen und Interleukin-1-Rezeptoren Obwohl Staphylokokken auf der Haut der meisten Kinder und Pneumokokken und Staphylokokken im oberen Respirationstrakt vieler Kinder nachweisbar sind (7, 46), betreffen invasive Pneumokokkeninfektionen und Staphylokokkeninfektionen nur eine kleine Minderheit der besiedelten Kinder (10, 15). Die Empfänglichkeit für invasive Pneumokokken- und Staphylokokkenerkrankungen wird durch angeborene und erworbene Faktoren bestimmt. Die intakte Haut ist ein wesentlicher Schutz gegen Staphylokokkeninfektionen (46). Intakte Schleimhäute des Respirationstraktes sind ein wesentlicher Schutz gegen Pneumokokkeninfektionen (57). Nach dem Überwinden der Haut- und/oder Schleimhautbarriere haben phagozytierende Zellen wie neutrophile Granulozyten, Monozyten und Makrophagen die wohl wichtigste Abwehrfunktion gegen Staphylokokken (46), wohingegen opsonisierende Antikörper und Komplement sowie milzständige Makrophagen insbesondere für die Abwehr von Pneumokokken wichtig sind (57). Die erfolgreiche antibakterielle Immunantwort von Phagozyten setzt eine ausreichende Anzahl, die Funktionsfähigkeit dieser Zellen sowie ihre rasche und nachhaltige Aktivierung voraus. Phagozyten erkennen mikrobielle Strukturen über Toll-ähnliche-Rezeptoren (toll like receptors, TLR), die über intrazelluläre Signalwege die rasche Synthese proinflammatorischer Zytokine wie IL-1β, IL-6, IL-8, IL-12 und TNF-α vermitteln. Die Synthese dieser Zytokine wird auch durch IL-1β-vermittelt, das über den IL1-Rezeptor und den gleichen Signalweg wie die TLRs die Bildung proinflammatorischer Zytokine weiter verstärkt. Diese Zytokine vermitteln einerseits systemische Effekte wie Fieber, die Hemmung der Bildung von Erythrozyten und die Induktion von AkutPhase-Proteinen, andererseits aktivieren sie das Endothel, erhöhen die vaskuläre Permeabilität und wirken chemotaktisch auf ei- Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 175 Genetisch bedingte Immundefekte ne Reihe von Immunzellen. Hierdurch werden zahlreiche weitere phagozytierende Zellen an den Ort der Infektion rekrutiert. Eine gestörte Signalübermittlung der Toll-like- und Interleukin-1-Rezeptoren (TLRs und IL-Rs = TIRs) führt zu einer eingeschränkten Expression proinflammatorischer Zytokine und einer verminderten Phagozytenaktivierung. Autosomal-rezessiv vererbte vollständige IRAK-4-Defekte und MyD88-Defekte gehen dabei mit isolierten Störungen der TIR-Signalübermittlung einher (44, 56, 73) (von Bernuth, unpublizierte Daten), während X-chromosomal-rezessiv vererbte hypomorphe NEMO-Defekte und autosomal-dominant vererbte IκBα-Defekte zu Einschränkungen in weiteren immunologischen (TNF-Rezeptoren und B-ZellRezeptor) und nicht immunologischen Signalwegen führen und daher oft als syndromale Erkrankungen imponieren (18, 22, 38, 76). Patienten mit vollständigem MyD88-Defekt und IRAK-4-Defekt fallen früh mit Meningitiden, Arthritiden, Osteomyelitiden und tiefen Organabszessen, hervorgerufen vor allem durch S. pneumoniae und S. aureus, aber auch durch Infektionen mit weiteren grampositiven und gramnegativen Bakterien auf. Die Patienten erkranken auch an bakteriellen Hautinfektionen (10, 16, 19, 29, 43, 44, 48–50, 56, 68, 73). Die Signalübermittlung durch den TLR3 ist bei Patienten mit MyD88-Defekt und mit IRAK-4-Defekt normal und die Patienten zeigen keine besondere Anfälligkeit für Infektionen durch Viren, Pilze und Parasiten (44, 73). Patienten mit NEMO-Defizienz und Iκ− Bα-Defekt fallen meist durch konische Zähne (42), fehlendeAugenbrauen, schütteres, dünnes Haar, („Ektodermale Dysplasie“, ED), trockene Haut und fehlende Schweißbildung („Anhidrosis“, A) und einen Immundefekt (ID) auf (18, 22, 38, 76). Einige Patienten zeigen auch eine Osteopetrose (25, 67) und Lymphödeme (25). Patienten mit einem Immundefekt durch Mutationen in NEMO können neben Infektionen durch die oben genannten bakteriellen Erreger (43) auch eine erhöhte Anfälligkeit für Viren der Herpesgruppe (Herpes-Enzephalitis) (53, 59) und für Mykobakterien (Lymphadenitis, BCGitis, Pneumonie) (35, 53, 59) aufweisen. Oft präsentieren sich die- se Patienten früh mit schwer behandelbaren Durchfällen und Gedeihstörung. Hinweisend auf eine Störung der Phagozytenaktivierung durch MyD88-Defekt, IRAK-4-Defekt, NEMO-Defizienz oder IκBα-Defekt können gering ausgeprägte Akut-Phase-Reaktionen (Fieber, CRP) trotz schwerer invasiver Infektion sein (25, 29, 71). Patienten mit EDA-ID zeigen v. a. als Säuglinge häufig eine persistierende neutrophile Granulozytose. Bei einigen Patienten mit IRAK-4-Defekt fällt ein verzögerter Nabelschnurabfall (> 30 Tage) auf (68). Zur Diagnose eines MyD88- und eines IRAK-4-Defektes muss Vollblut durch Bakterienbestandteile und Interleukin-1β aktiviert werden. Bestimmt wird die CD62L-Expression auf Granulozyten und die Produktion von TNF-α oder IL-6 im Kulturüberstand von Vollblut nach 24 oder 48 Stunden. Bei Gesunden löst eine so durchgeführte Aktivierung das Abscheren von CD62L auf Granulozyten und eine deutliche Produktion von TNF-α, IL-6 und anderen Zytokinen im Vollblut aus. Bei den bisher bekannten Patienten mit vollständigem MyD88-Defekt oder mit IRAK-4-Defekt ist sowohl das Abscheren von CD62L als auch die Zytokinproduktion deutlich vermindert (16, 43, 70). Zum Ausschluss einer NEMO-Defizienz oder eines IκBα-Defekts gibt es keine hinreichend sensitiven funktionellen Tests. Daher muss bei Verdacht auf die beiden Erkrankungen der direkte Proteinnachweis der beiden Moleküle, die Sequenzierung der Gene NEMO und IκBα und eine umfassende biochemische Untersuchung der NEMO- und IκBα-abhängigen Signalwege in Fibroblasten der Patienten angestrebt werden. Die Prognose der vier in diesem Abschnitt vorgestellten Erkrankungen ist sehr unterschiedlich. Patienten mit vollständigem MyD88- und IRAK-4-Defekt sind bis zur Adoleszenz in besonderem Maße durch lebensbedrohliche invasive bakterielle Infektionen bedroht, nach dem 14. Lebensjahr erscheint die Prognose beider Erkrankungen deutlich verbessert (44). Nach der Adoleszenz traten invasive bakterielle Infektionen nicht mehr, Hautinfektionen insbesondere durch S. aureus jedoch weiter auf (Picard und von Bernuth, unpublizierte Daten). Aus diesem Grund wird für Patienten mit MyD88- und IRAK-4-Defekt mindestens bis zum 16. Lebensjahr eine antibiotische Prophylaxe mit Wirksamkeit gegen Pneumokokken, Staphylokokken und Pseudomonaden empfohlen. Die Patienten müssen gegen Pneumokokken geimpft und der Impferfolg muss kontrolliert werden. Die zusätzliche Gabe von Immunglobulinen kann ebenfalls bis zum 16. Lebensjahr sinnvoll sein, besonders dann, wenn die Patienten unzureichend Antikörper gegen Polysaccharide bilden können. Da die Infektionsanfälligkeit bei Patienten mit NEMO-Defizienz und IκBα-Defekt sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann, können für Patienten mit diesen Defekten keine allgemeingültigen Empfehlungen gegeben werden. Das Spektrum der möglichen Behandlungsoptionen reicht hier von einer alleinigen antibiotischen Prophylaxe (35) bis zur Knochenmarktransplantation (24, 69). Die Therapie orientiert sich dabei individuell an den gegebenenfalls bereits vorliegenden Erfahrungen bei Patienten mit der gleichen oder einer verwandten Mutation, dem Schweregrad der in vitro messbaren Funktionseinschränkung der NEMO-abhängigen Signalwege und dem klinischen Verlauf des einzelnen Patienten. Die Standardtherapie im Falle einer Herpes-Enzephalitis muss bei Patienten mit NEMO-Defekt um die Gabe von IFN-α erweitert werden (53). Patienten mit NEMODefizienz und IκBα-Defekt, die eine Hypogammaglobulinämie aufweisen, wird eine Substitution mit Immunglobulinen empfohlen. Bei allen vier Defekten müssen Patienten, Eltern und Ärzte darauf hingewiesen werden, dass invasive Infektionen ohne den sonst erwartetenTemperaturanstieg und ohne die sonst gewohnte Akut-Phase-Reaktion verlaufen können (29, 71). Für Patienten mit MyD88- und IRAK-4-Defekt gelten keinerlei Impfeinschränkungen. Patienten mit NEMO-Defekt und IκBα-Defekt können mit allen Totimpfstoffen geimpft werden, über Impfungen mit Lebendimpfstoffen muss mit einem auf Immundefekte spezialisierten Kollegen im Einzelfall entschieden werden. Differenzialdiagnosen Nicht immunologische Grunderkrankungen, die zu invasiven Pneumokokkeninfek- Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 176 Reichenbach, von Bernuth tionen oder Staphylokokkeninfektionen prädisponieren, sind Niereninsuffizienz, Lebereinsuffizienz, Herzinsuffizienz, Sichelzellanämie, Leukämie und Liquorfistel (46, 47). Die HIV-Infektion mit einem Immundefekt der T-Zellen ist ein erworbener Risikofaktor für invasive Pneumokokkeninfektionen (47). Angeborene Immundefekte, die durch die eingeschränkte Abtötung opsonisierter Bakterien durch milzständige Makrophagen hervorgerufen werden (Komplementdefekte, Antikörpermangelsyndrome, Asplenie), sind mit einer erhöhten Anfälligkeit für invasive Pneumokokkeninfektionen verbunden (11, 57). Angeborene Immundefekte, die mit einer eingeschränkten Phagozytose oder einem eingeschränkten Abtöten phagozytierter Erreger einhergehen (Neutropenien, Leukozytenadhäsionsdefekte, Defekte der spezifischen Granula, Papillon-Lefèvre-Syndrom, septische Granulomatose), sind mit einer erhöhten Anfälligkeit für Staphylokokkeninfektionen vergesellschaftet (11). Ebenso zeigen Patienten mit Hyper-IgE-Syndromen eine erhöhte Anfälligkeit für invasive Staphylokokkeninfektionen (37, 51, 52, 62). Eine Assoziation von invasiven Staphylokokkeninfektionen mit der Bildung von Autoantikörpern gegen IL-6 ist beschrieben worden (58). Bei Patienten mit Antikörpermangelsyndromen (CVID, XLA) kommen Infektionen mit S. aureus selten vor. Beim Wiskott-Aldrich-Syndrom sowie beim IPEXSyndrom sind häufiger Staphylokokkeninfektionen beschrieben, sie gehören aber nicht zu den charakteristischen Manifestationen dieser Erkrankungen (11). Defekte der TLR3/UNC93B1abhängigen Signalwege Die durch Herpes-simplex-Virus-1 (HSV-1) verursachte Enzephalitis ist eine Erkrankung, die mit akuten, nekrotisierenden Läsionen im Gehirn einhergeht. Unbehandelt ist die Erkrankung in etwa zwei Dritteln der Fälle tödlich, doch auch unter Behandlung mit Aciclovir kommen tödliche Verläufe vor und ein Drittel bis die Hälfte der überlebenden Patienten leiden unter neurologischen Folgeschäden. Mit einer InKinder- und Jugendmedizin 3/2008 zidenz von 2–4/100 000/Jahr ist die HerpesEnzephalitis zwar selten, jedoch der häufigste Grund für akute, sporadische Virusenzephalitiden in der westlichen Hemisphäre (72). Da die Erkrankung überwiegend sporadisch und bei anderweitig „gesunden“ Kindern auftritt, wird bisher die systematische Diagnostik hinsichtlich angeborener Immundefekte unterlassen. HSV-1 ist ein neurotropes Virus, das das Gehirn über den Bulbus olfactorius infiziert. Nach Eintritt in die Nervenzellen entsteht intrazellulär im Replikationszyklus von Herpes-simplexTyp-1 doppelsträngige RNA, die vom endosomal lokalisierten Rezeptor TLR3 erkannt wird. Ein mit diesem Rezeptor assoziiertes, für die Signaltransduktion essenzielles Protein ist UNC93B. Der mit UNC93B assoziierte TLR3 aktiviert zwei Hauptsignalwege, die über IKKε/TBK1 und den aus NEMO/ IKKα/IKKβ bestehenden IKK-Komplex, die zurTranslokation derTranskriptionsfaktoren IRF3, IRF7 und NF-κB in den Zellkern führen und die Produktion von IFN-α bewirken. IFN-α wird vom IFN-α-Rezeptor erkannt, der für die weitere Signaltransduktion STAT1 benötigt (66, 74). Eine gestörte Signalübermittlung des TLR3 führt bei Patienten mit autosomal-rezessivem UNC93B1-Defekt und bei Patienten mit autosomal-dominantem TLR3-Defekt zu einer eingeschränkten Expression antiviral wirksamer Interferone, insbesondere von Interferon-α (14, 75). Die beiden bisher beschriebenen Patienten mit UNC93B1-Defekt erkrankten im Alter von elf Monaten bis 17 Jahren ausschließlich an rezidivierenden Enzephalitiden durch HSV-1 (14). Die beiden bisher identifizierten Patienten mit TLR3-Defekt erkrankten im Alter von fünf Monaten bis sechs Jahren ebenfalls ausschließlich an rezidivierenden Enzephalitiden durch HSV-1 (75).Trotz Exposition sind diese Patienten resistent gegen Infektionen durch weitereViren, durch Bakterien, durch Parasiten und durch Pilze. Mit dem UNC93B1-Defekt und dem TLR3-Defekt sind damit angeborene Immundefekte mit erhöhter Anfälligkeit für einen einzigen Erreger identifiziert worden. Für die Diagnose beider Immundefekte gibt es keinen einfachen Suchtest, der zur Identifizierung von beiden Defekten anwendbar ist. Der TLR3-Defekt und der UNC93B1-Defekt können bei einer verminderten Produktion von IFN-β oder IFN-λ in Fibroblasten nach Stimulation mit TLR3-Agonisten vermutet werden. Ein recht einfacher Test auf UNC93B1-Defekt ist die Aktivierung von Vollblut mit Agonisten von TLR7 und TLR8 mit nachfolgender durchflusszytometrischer Messung der Expression von CD62L auf Granulozyten, dessen Herunterregulation vermindert ist (s. oben) (70). Zur Prognose beider Immundefekte kann wegen der geringen Patientenzahl bisher keine Aussage getroffen werden. Eine routinemäßige Chemoprophylaxe wird nicht empfohlen, jedoch eine vermehrte Wachsamkeit gegenüber den Symptomen einer Enzephalitis und eine entsprechend frühzeitige aggressive Diagnostik und Therapie. Die Standardtherapie einer HerpesEnzephalitis muss bei Patienten mit UNC93B- und TLR3-Defekt um die Gabe von IFN-α erweitert werden. Differenzialdiagnostisch muss insbesondere an den bereits besprochenen vollständigen STAT1-Defekt, an NEMO-Defekte und an ein Hyper-IgE-Syndrom durch Tyk-2-Defekt gedacht werden (17, 51, 53, 66). Für Patienten mit UNC93B- und TLR3-Defekt gelten keinerlei Impfeinschränkungen. Schlussfolgerungen/Fazit für die Praxis Bei Kindern und Jugendlichen mit erhöhter Anfälligkeit für Infektionen durch atypische Mykobakterien und/oder für disseminierte, komplizierte Infektionen durch Tuberkuloseerreger muss an Erkrankungen im IFN-γ-/IL-12-System gedacht werden. Die genaue Diagnose dieser Defekte ist notwendig, da bei IL-12, IL-12-Rezeptor-Defekten sowie partiellen IFN-γ- und STAT1-Defekten die antituberkulöse Therapie durch Gabe von IFN-γ ergänzt werden muss. Bei kompletten IFN-γ-Rezeptorund STAT1-Defekten ist eine Knochenmarktransplantation die einzige kurative Therapieoption. Bei jedem Säugling oder Kleinkind mit Meningitis, septischer Arthritis, Osteomyelitis und Abszessbildung durch S. pneumoniae und/oder S. aureus muss auch an eine Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 177 Genetisch bedingte Immundefekte gestörte Signalübermittlung der Toll-likeund Interleukin-1-Rezeptoren wie bei MyD88-, IRAK-4-, NEMO- und IκBα-Defekt gedacht werden. Kinder mit diesen Diagnosen müssen eine antibiotische Dauerprophylaxe erhalten. Die Therapie eines NEMO-Defekts muss dem Einzelfall angepasst werden. Bei jedem Patienten mit Enzephalitis durch Herpes-simplex-Virus-Typ-1 muss eine gestörte Signalübermittlung des TLR3-Rezeptors wie bei UNC93B1-Defekt und TLR3-Defekt ausgeschlossen werden. Bei beiden Defekten stellt die Ergänzung der Therapie einer Herpes-Enzephalitis um IFN-α gegebenenfalls eine entscheidende weitere Therapieoption dar. Literatur 1. Aksu G, Tirpan C, Cavusoglu C et al. Mycobacterium fortuitum-chelonae complex infection in a child with complete interleukin-12 receptor beta 1 deficiency. Pediatr Infect Dis J 2001; 20: 551–553. 2. Allende LM, Lopez-Goyanes A, Paz-Artal E et al. A point mutation in a domain of gamma interferon receptor 1 provokes severe immunodeficiency. Clin Diagn Lab Immunol 2001; 8: 133–137. 3. Altare F, Durandy A, Lammas D et al. Impairment of mycobacterial immunity in human interleukin-12 receptor deficiency. Science 1998; 280: 1432–1435. 4. Altare F, EnsserA, BreimanA et al. Interleukin-12 receptor beta 1 deficiency in a patient with abdominal tuberculosis. J Infect Dis 2001; 184: 231–236. 5. Altare F, Lammas D, Revy P et al. 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Horst von Bernuth Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie und Immunologie Virchow-Klinikum Augustenburger Platz 1 13353 Berlin Tel.: 0 30/4 50 56 61 31 Fax: 0 30/4 50 56 69 31 E-Mail: [email protected], [email protected] Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Immundefekte © 2008 179 Schattauer GmbH Komplementdefekte Volker Wahn1, Peter Späth2 Charité Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum, Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie und Immunologie (Direktor: Prof. Dr. med. U. Wahn) 2 Institut für Pharmakologie, Universität Bern (Direktor: Prof. Dr. med. H.-U. Simon) 1 Schlüsselwörter Keywords Komplementdefekte, hereditäres Angioödem, Meningokokkeninfektionen, Autoimmunerkrankungen Complement deficiencies, hereditary angioedema, meningococcal infections, autoimmune disorders Zusammenfassung Summary Das Komplementsystem besteht aus einer Vielzahl von Einzelproteinen und wird als Teil des unspezifischen, angeborenen humoralen Immunsystems angesehen. Hauptaufgaben sind die Beteiligung an der Bakterienabwehr, der Elimination von Immunkomplexen und Entzündungsreaktionen. Genetische Defekte sind bei fast allen Komponenten beschrieben. Häufigster Defekt ist das hereditäre Angioödem (HAE), verursacht durch Fehlen oder Dysfunktion des C1-Inhibitors. Es muss differenzialdiagnostisch vom allergischen Quincke-Ödem abgegrenzt werden. Andere Defekte fallen durch Neigung zu schweren bakteriellen Infektionen, insbesondere Meningokokkeninfektionen, oder durch autoimmune oder autoimmunähnliche Erkrankungen auf. Complement system is composed of several individual components. It is part of non-specific, innate humoral immunity. It contributes to antibacterial defense, elimination of circulating immune complexes and inflammatory responses. Genetic defects have been described for almost all components of the complement system. The most frequent defect is the hereditary angioedema HAE, caused by absence or dysfunction of the C1-Inhibitor (C1-INH) molecule. HAE is an important differential diagnosis of the allergic Quincke edema. Deficiencies of the other complement proteins present with increased susceptibility to severe bacterial infections, especially meningococcal infections, or with autoimmune or autoimmune-like diseases. Complement deficiencies Kinder- und Jugendmedizin 2008; 8: 179–184 K omplement (C) ist Teil des unspezifischen angeborenen humoralen Immunsystems. Einschließlich seiner Regulatorproteine besteht es aus ca. 25 verschiedenen Plasmaeiweißen. Hinzu kommen noch gewebsständige Regulatorproteine und Rezeptoren für Komplementproteine. Unter physiologischen Bedingungen liegen die Komplementfaktoren als native (zu aktivierende) Vorstufe vor. Erst durch einen Aktivierungsvorgang, meist eine partielle Proteolyse, werden sie in biologisch wirksame Eiweiße mit enzymatischer oder Kofaktor-Aktivität überführt. Komplement steht bereits bei Geburt zur Abwehr zur Verfügung, wenn auch mit etwas reduzierter Aktivität verglichen mit Erwachsenen. C hat im Wesentlichen folgende Aufgaben: ● Abwehr von Bakterien, ● Lyse von Antikörper-beladenen Zielzellen (Typ II-Allergie), ● ● ● Beteiligung an Entzündungsreaktionen (Anaphylatoxine), Elimination von Immunkomplexen mit Erythrozyten als „Transportern“, Bindeglied zwischen angeborener und erworbener Immunität. Komplement kann auf 3 Wegen aktiviert werden, die wir als klassischen, alternativen und Lektinweg bezeichnen. Alle führen zur Aktivierung von C3, dem zentralen Schritt der Komplementaktivierung. Über die Verstärkung (amplification) der C3-Aktivierung erlangt das Komplementsystem seine Kraft und die Voraussetzung für dieAktivierung des lytischen Weges. Durch Beteiligung der Komponenten C5-C9 entsteht der Membranattacke-Komplex (MAK, oder Terminal Complement Complex, TCC), der in der Lage ist, z. B. Zielzellen oder Bakterien zu lysieren. Die überwiegende Mehrzahl der C-Defekte betrifft den klassischen Weg zwischen C1-C9, der hier vereinfacht dargestellt wird. Alle Folien finden sich in animierter und vertonter Form bei www.immundefekt.de (Abb. 1 und 2). Damit sind nicht alle Details, aber wichtige biologische Grundlagen zum Verständnis der Komplementdefekte gelegt. Genetische Komplementdefekte In Tabelle 1 sind die Defektzustände aufgeführt, die auch eine Expertenkommission der WHO akzeptiert (14). Ergänzt wurden einzelne Defektzustände, die in der Literatur als (neue) familiäre und somit genetische Defekte publiziert wurden. Häufigkeit Der häufigste Defekt ist das durch den Mangel des C1-Inhibitors hervorgerufene hereditäre Angioödem (HAE). Die Prävalenz wird zwischen 1:10 000 und 1:50 000 geschätzt. Der zweithäufigste Defekt ist der C2-Mangel mit einer geschätzten Prävalenz von 1:40 000. Alle anderen Defekte sind deutlich seltener. Ätiologie, HLA-Assoziation C-Defekte sind erbliche Erkrankungen, dieArt der Vererbung ist in Tab. 1 vermerkt. Die Genorte für die meisten Komplementkomponenten sind inzwischen bekannt (Tab. 1). Bei C-Defekten sind Punktmutationen, Deletionen, Genregulationsstörungen u. a. beschrieben. Wenn auch wissenschaftlich interessant, so ha- Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 Eingegangen: 10. Dezember 2007; angenommen:For20.personal Dezember 2007 or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 180 Wahn, Späth ben diese Untersuchungen für Diagnosestellung und Therapie bisher keine große Bedeutung erlangt. Einige dieser Strukturgene (C4, C2, B) befinden sich innerhalb des MHCKomplexes (Major Histocompatibility Comlex). Sie werden als MHC-Klasse-III-Gene bezeichnet. Wegen der engen Nachbarschaft der Genorte sind die Defekte von C2 und C4 HLAgekoppelt, werden also nur in Verbindung mit bestimmten HLA-Typen vererbt. Pathogenese, Leitsymptome Abb. 1 Bestimmte Antigene auf der Oberfläche von Zielzellen, wie z. B. Bakterien oder Blutzellen, werden durch spezifische IgG-Antikörper erkannt. An deren nun nahe beieinander stehenden Fc-Teilen bindet der pentamolekulare C1-Komplex (C1qC1r2C1s2) über die globulären Strukturen von C1q. Nach der Bindung werden die Proenzyme C1r und C1s aktiviert. Diese aktivieren C4 und C2. Das aktive C4 und das aktive C2 bilden die klassische C3-Konvertase C4b2a, die auch über den Lektinweg (MBL, MASP) generiert werden kann. C3 wird enzymatisch gespalten, C3b auf der Oberfläche der Zielzelle deponiert. Erst nach der mehrfachen Ablagerung von C3b erfolgt die sukzessive Anlagerung von C5–C9, bis schließlich der multimere Membranattacke-Komplex (MAK) vorliegt. Die bei der Aktivierung entstehenden Fragmente C3a und C5a sind Anaphylatoxine, d. h. Entzündungsmediatoren (C4a wird heute nicht mehr als Anaphylatoxin angesehen). Abb. 2 Komplement hat enge Verbindungen zum Gerinnungs- und Kininsystem, was am Beispiel des C1-INH dargestellt wird. Fehlt C1-INH, so ist die Kontrolle der ersten Aktivierungsschritte vom klassischen und Lektinweg, aber auch von Gerinnung und Kininbildung gestört. Bei stark verminderter Funktion von C1-INH können spontan Kinine (Bradykinin, mittlerweile sehr fraglich auch das C2-like Kinin) entstehen, die die Durchlässigkeit der Gefäßwand erhöhen und die Ödembildung in den unteren Schichten der Haut und in den Schleimhäuten fördern (HMW = high molecular weight). Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 Einleitend wurden die Aufgaben von Komplement erläutert. Fallen einzelne Komponenten aufgrund genetischer Defekte aus, lassen sich die klinischen Leitsymptome leicht verstehen: ● hereditäres Angioödem (HAE), ● bakterielle Infektionen, ● autoimmunähnliche Erkrankungen. Klinische Symptome und Verlauf Das häufigste Krankheitsbild ist das hereditäre Angiödem (HAE). Patienten mit HAE fallen durch rezidivierende spontane nichtallergische Schwellungen der Extremitäten auf, die an ein allergisches Quincke-Ödem erinnern und die sich auf die tiefen Schichten der Haut beschränken. So sind die Schwellungen beim HAE eher blass, teigig hart und jucken nicht. Urtikaria ist untypisch für C1-INH-Mangelzustände. Schwellungszustände am Darm rufen Abdominalkoliken hervor, die bei Unkenntnis der Grundkrankheit zur chirurgischen Intervention (V. a. Appendizitis oder mechanischer Ileus) Anlass geben. Das Übergreifen auf den Larynx kann eine lebensbedrohliche Erstickungssymptomatik hervorrufen, und in vielen betroffenen Familien gibt es Vorfahren, die am Glottisödem verstorben sind (7). Bei sorgfältiger Anamneseerhebung zeigte sich, dass sich das HAE in der Mehrzahl der Fälle bereits im Kindesalter manifestiert. Bei der Erhebung der Anamnese darf nicht aus den Augen gelassen werden, dass bis zu 25% der HAE-Fälle spontane Neumutationen sein können! Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 181 Komplementdefekte Tab. 1 Hereditäre Komplementdefekte (IUIS-Klassifikation [International Union of Immunological Societies] von 2006, modifiziert; MBL = Mannose-bindendes Lektin, MASP = MBPassoziierte Serinprotease, MPGN II = membranoproliferative Glomerulonephritis Typ II): *Der C1r-Mangel ist meistens mit C1s-Mangel verbunden. Das C1s-Gen liegt in unmittelbarer Nähe des C1r-Gens auf demselben Chromosom (Locus 12 p ter). **Der C2-Defekt ist im Kopplungsungleichgewicht mit HLA-A25, B-18, DR2, Komplotyp S042 von Faktor B, Typ 4 C4A, Typ 2 C4B. *** Der C8α-Mangel geht obligat mit einem C8γ-Mangel einher, da die γ-Kette normalerweise kovalent an die α-Kette gebunden wird. Das γ-Gen selbst ist intakt. #Beim hereditären Angioödem (HAE) sollten 3 Typen unterschieden werden: Mangel (ca. 85% der Patienten), Dysfunktion (ca. 15% der Patienten) und eine Variante mit typischer Klinik, aber normalen Laborbefunden. Diese Form wurde auch als HAE Typ III bezeichnet, was aber zu Missverständnissen führen kann, da bei dieser Form kein C1-INH-Mangel vorliegt. Die bessere Namensgebung, die sich langsam durchsetzt ist „estrogen-dependent hereditary angioedema“. Es können zwei Formen unterschieden werden: eine mit nachweisbaren Mutationen im Faktor-XII-Gen und eine ohne möglichen Nachweis. Bis auf einen Fall sind nur Frauen mit FXII-Mutationen bekannt. Bei der Form ohne nachweisbare Mutation des FXII-Gens ist der Anteil der Männer höher. ## Dieser Defekt, dessen Familiarität in der Literatur belegt ist, wird von der WHO bisher nicht berücksichtigt. lfd. Nr. Defekt Vererbung chromosomale Lokalisation wichtigste klinische Symptome 1 C1q AR 1 SLE-ähnlich, Infektionen 2 * C1r AR 12 SLE-ähnlich, Infektionen 3 C4 AR 6 SLE-ähnlich, Infektionen ** 4 C2 AR 6 SLE-ähnlich, Vaskulitis, Polymyositis 5 C3 AR 19 rezidivierende eitrige Infektionen 6 C5 AR 9 Neisseria-Infektionen, SLE 7 C6 AR 5 Neisseria-Infektionen, SLE 8 C7 AR 5 Neisseria-Infektionen, SLE, Vaskulitis 9 C8α*** AR 1 Neisseria-Infektionen, SLE 10 C8β AR 1 Neisseria-Infektionen, SLE 11 C9 AR 5 Neisseria-Infektionen C1-Inhibitor (Homozygotie) AR 11 milde Form des herditären Angiödems 11 hereditäres Angioödem 12a 12b # C1-Inhibitor (Heterozygotie) i) Typ I = Antigenmangel AD hereditäres Angioödem ii) Typ II = Dysfunktion AD hereditäres Angioödem iii) „estrogen-dependent“ (Typ III); Antigen- und in vitro-Funktion normal; Zuordnung zu Komplementdefekten nur aus klinischer Sicht 13 Faktor I ## hereditäres Angioödem, bei Frauen sowie Männern mit Östrogenüberschuss AR 4 rezidivierende bakterielle Infektionen 14 C4-bindendes Protein AD? 1q32 atypischer M. Behçet, Angioödem 15a Faktor H (Homozygotie) AR 1 rezidivierende bakterielle Infektionen, MPGN II, atypisches hämolytisch-urämisches Syndrom atypisches hämolytisch-urämisches Syndrom 15b Faktor H (Heterozygotie) 16 Faktor D AR 19 Neisseria-Infektionen 17 Properdin X-chr. X Neisseria-Infektionen 18 MBL-Mangel AR 10q21–23 eitrige Infektionen (v. a. bis zum 2. Lebensjahr) 19 MASP2-Mangel AR 3q27–28 Pneumokokken-Pneumonie und Pneumokokken-Sepsis (unter Prednisolon-Therapie); die eigentliche klinische Erscheinungsform des MASP-2-Defekts ist vorerst unklar. Was die Attacken auslöst, lässt sich im Einzelfall nicht immer ermitteln. Ein Trauma, eine Infektion (EBV, Helicobacter pylori), psychischer Stress, Medikamente wie z. B. ACE-Inhibitoren, Kontrazeptiva oder auch die Menstruation werden gelegentlich als Auslöser identifiziert. Es kommt u. a. zur Bildung von Bradykinin, welches für die klinische Symptomatik hauptverantwortlich gemacht wird (13). ACE-Inhibitoren verhindern den Abbau von Bradykinin und erhöhen dadurch die Zahl und Schwere der Anfälle. Die wichtigstenVarianten des HAE sind der Mangel (ca. 85%) und die Dysfunktion (ca. 15% der Patienten). HAE I basiert fast immer auf einem heterozygoten Defektzustand, nur in einer Familie wurde Homozygotie beobachtet (2). Seit kurzem ist eine vererbte Form des An- gioödems ohne verminderte C1-INH-Funktion bekannt. Die Bezeichnung HAE Typ III ist umstritten. Sie ist offenbar Östrogen-abhängig. Es können heute zwei Formen unterschieden werden: mit oder ohne nachweisbarer Faktor-XIIMutation. Eine Arbeit (9) macht eine Gain-offunction-Mutation beim Hagemann-Faktor (Faktor XII) verantwortlich, wobei der Spiegel von Faktor XII unverändert ist. Diese Beobach- Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 182 Wahn, Späth Abb. 3 Interpretation funktioneller Globaltests für das Komplementsystem: Nur bei bestimmten Befundkonstellationen ist die Analyse bestimmter Einzelkomponenten (teuer, wenn funktionell bestimmt!) indiziert (MBL = Mannose-bindendes Lektin, MASP = MBP-assoziierte Serinprotease). tung muss noch bestätigt werden. In EinzelfällenistdieManifestationbeiMännernbeibeiden Formen bekannt (3). Schwellungen an der Haut kommen aber nicht nurbeim HAE vor. InVerbindung mit dem Mangel an Faktor I (C3b-Inaktivator) wurde in einem Fall eine Urtikaria beobachtet, die unter der warmen Dusche (verstärkter C-Umsatz?) noch zunahm. Beim Mangel des C4-bindenden Proteins hatte ein Patient neben einem M. Behçet auch Symptome eines Angioödems. Das zweite wichtige Leitsymptom der Komplement-Mangelzustände, insbesondere bei terminalen C-Defekten (C5-C9), ist die Neigung zu rezidivierenden bakteriellen Infektionen, bei Kindern insbesondere Meningokokkeninfektionen (Tab. 1), die in jedem Lebensalter auftreten können. Diese klinische Symptomatik lässt sich leicht durch die verminderten antibakteriellen Eigenschaften C-defizienter Seren erklären. Die verminderte Fähigkeit von Seren, in denen die frühen Komponenten des klassischen Aktivierungsweges (C1, C4, C2) fehlen, zur effizientenAbräumung von apoptotischen Blebs (blasige Abschnürungen, die bei der Apoptose entstehen) und zur Auflösung und Elimination von Immunkomplexen mag Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 primär zur Häufung von SLE (systemischem Lupus erythematodes) oder SLE-ähnlichen Autoimmunerkrankungen (Tab. 1) beitragen. Neben den beschriebenen klinischen Manifestationen gibt es in Verbindung mit C-Defekten Erkrankungen mit unspezifischer klinischer Symptomatik, so zum Beispiel das atypische hämolytisch-urämische Syndrom (aHUS) (Tab. 1). Beim aHUS, etwa 10% aller HUS Fälle, geht keine Toxin-induzierte (Verotoxin, VTEC, Shiga-like toxin) Diarrhö der klinischen Manifestation voraus. aHUS ist nicht selbstlimitierend. Bei etwa 15–30% der aHUS konnte ein Zusammenhang zu Mutationen im Faktor-H-Gen erbracht werden, wobei das klinische Bild des aHUS bei homozygoten wie auch heterozygoten Patienten beschrieben wurde. Darüber hinaus sind bei Familienuntersuchungen auch homozygote C-Defekte gefunden worden, die ohne negative klinische Auswirkungen für die Betroffenen geblieben sind. Diagnose, Differenzialdiagnose Leidet ein Patient an einer Erkrankung, der auch ein Komplementdefekt zugrunde lie- gen könnte, ist der frühzeitige Einsatz aussagekräftiger Laboruntersuchungen wichtig. Die vielerorts durchgeführte Messung von C3, C4 und evtl. B ist kein probates Mittel, um C-Defekte zu finden. Entscheidend ist der Einsatz funktioneller Globaltests, die die hämolytische Funktion des klassischen und alternativen Aktivierungsweges erfassen (für den Lektinweg nicht vorhanden). Diese aussagekräftigen Globaltests werden als CH50 (complement hemolytic 50%) bzw. APH50 (alternative pathway hemolysis 50%) bezeichnet. Als Alternative stehen ELISA-Tests zur Verfügung, mit denen Defekte in allen drei Aktivierungswegen erfasst werden können (z. B. Wieslab, Ideon Research Park Lund, S-223 70 Lund, Schweden). Funktionelle Tests müssen wegen der Temperaturlabilität einzelner C-Komponenten mit Serum durchgeführt werden, das entweder frisch ist, oder aber tiefgefroren gelagert und verschickt wurde! Sind die Globaltests normal, kann meistens auf weitere Untersuchungen inkl. der Messung von C3 und C4 verzichtet werden, mit Ausnahme folgender Situationen: ● Beim Verdacht auf ein hereditäres Angioödem sollten im ersten diagnostischen Anlauf C1-Inhibitor-Menge und -Funktion gemessen werden, da außerhalb akuter Attacken das CH50 normal ausfallen kann. Die HAE-Östrogen-abhängige Form des HAE wird auch durch die Messung der C1-INH-Funktion nicht erfasst. ● Bei Verdacht auf auf C4A- oder C4B-Mangel (dieser Verdacht ist bei der Diagnose SLE oder SLE-ähnliche Erkrankung gegeben) muss primär eine Polymorphismus-Untersuchung gemacht werden, da auch bei diesen Defekten CH50 und APH50 normal sein können. ● Bei C9-Defekten sind in Einzelfällen messbare CH50-Werte bis zu 50% der Norm beschrieben worden. C9-Defekte sind in Deutschland bisher nicht bekannt, wohl aber in der Schweiz.. Bei anderen Defekten kann bereits durch die Ergebnisse von CH50 und APH50 der Defekt eingeengt werden: Ist CH50 nicht nachweisbar und APH50 normal, muss die Störung bei C1, C4 oder C2 liegen. Ist CH50 normal, aber AP50 nicht nachweisbar, muss die Störung bei P oder D gesucht Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 183 Komplementdefekte werden. Ist beides nicht nachweisbar, liegt die Störung zwischen C3 und C9. Mit der nun gegebenen Möglichkeit, alle 3 Aktivierungswerge zu untersuchen ist die Möglichkeit einer noch feineren Einengung des ersten Verdachtes möglich (Abb. 3). Bei gegebenem Befund müssen dann die infrage kommenden Einzelfaktoren untersucht werden, um das selektive Fehlen einer Komponente zu belegen. Eine Familienuntersuchung schließt sich an, um den Erbgang zu rekonstruieren. Bei Heterozygoten können dabei die Globaltests durchaus normal ausfallen. Die Messung der Einzelkomponente deckt aber den Carrierstatus auf. Molekulargenetische Analysen sind sicher wissenschaftlich interessant, für den Patienten aber ohne praktische Bedeutung. Bei nur ganz wenigen Defekten würde man eine(n) Pränataldiagnostik/Schwangerschaftsabbruch anstreben. Eine Besonderheit gibt es bei C8-Defekten. Hier sind sowohl Defekte der α/γ- wie der β-Kette bekannt. Sie können z. B. mithilfe der Western-Blot-Untersuchung oder durch Rekonstitutionsexperimente in vitro differenziert werden. Therapie Eine kausale Therapie ist in erster Linie beim HAETyp I und II (C1-INH-Mangel) möglich. Dazu stehen gereinigte C1-Inhibitor-Konzentrate (z. B. Berinert P®) zur Verfügung. Sie sollten im akuten Anfall intravenös in einer Dosis von 25 Einheiten/kg KG verabreicht werden, wenn die Schwellungszustände bedrohlich sind (s. u.). Glukokortikoide oder Antihistaminika sind wirkungslos. Zur Kurzzeitprophylaxe vor geplanten Eingriffen kann ein abgestuftes Vorgehen empfohlen werden (s. u.). Ein rekombinantes Produkt aus der Milch von transgenen Kaninchen ist entwickelt und wirksam (8), aber in Deutschland noch nicht zugelassen. Langzeitnebenwirkungen dieses Präparats sind derzeit nicht zu beurteilen einschließlich der Bildung vonAntikörpern gegen Kaninchen-Eiweiße. Bei mittlerer bis geringer Häufigkeit von Rezidiven können nach reiflicherAbwägung (Cave Kinder!) zur Langzeitprophylaxe attenuierte Androgene (z. B. Danazol) einge- Tab. 2 Therapieempfehlungen leichte gastrointestinale Attacke Tranexamsäure 12–25 mg/kg KG, max. 1,5 g, 3- bis 4-mal tgl. bis zum Sistieren der Symptome Ödem der oberen Atemwege oder schwere GI-Attacke C1-Inhibitor-Konzentrat 25 Einh./kg KG; bei Bedarf Wiederholung nach 4 Std. geplanter Eingriff (möglicher Triggerfaktor) a) Danazol einsetzbar: Danazol 10 mg/kg KG/Tag, max. 600 mg/Tag für 5–10 Tage vor + 2–5 Tage nach Eingriff b) Danazol nicht einsetzbar: Tranexamsäure 12–25 mg/kg KG, max. 1,5 g, 3- bis 4-mal tgl. für 5 Tage vor + 5 Tage nach Eingriff c) Beides nicht einsetzbar: C1-INH-Konzentrat wie bei Hochrisikoeingriff (s. u.) Hochrisikoeingriff C1-INH-Konzentrat 25 E/kg KG 1 h vor Eingriff Langzeitprophylaxe bei häufigen und schweren spontanen Attacken a) Tranexamsäure einsetzbar: Tranexamsäure 12–25 mg/kg KG, max. 1,5 g, 3- bis 4-mal tgl.; Reduktion auf minimal wirksame Dosis; Kontrollen 6-monatlich: Leber- und Nierenfunktion, Gerinnung, Untersuchung Augenarzt b) Tranexamsäure nicht einsetzbar: Danazol max. 200 mg/Tag; Reduktion auf minimal wirksame Dosis, evtl. nur 400 mg/Woche; Kontrollen 6-monatlich: Leber- und Nierenfunktion, großes Blutbild, Gerinnung, Lipide, Wachstum und Pubertätsentwicklung setzt werden, wodurch Häufigkeit und Intensität der Schwellungen in ca. 55% der Fälle deutlich zurück gehen. Mit Danazol befinden wir uns in dem Dilemma, dass es ausschließlich zur Behandlung der Endometriose zugelassen ist und somit off-label eingesetzt wird. Die Androgenwirkung ist wahrscheinlich über eine Steigerung der Synthese von C1-INH in der Leber zu erklären. Der C1-INH-Spiegel wird von ca. 10–15% auf ca. 40–50% erhöht. Im Kindesalter sind bisher erst relativ wenige Fälle mit Danazol behandelt worden (z. B. [11]). Der Nutzen dieser Behandlung muss gegen die nicht zu übersehenden Risiken der Langzeittherapie mit Androgenen aufgerechnet werden! Nur die minimal-effektive Dosis (≤200 mg/d) sollte eingesetzt werden, d. h. nur für kurze Zeit über 200 mg/d. Ist Danazol bei 200 mg/d nicht wirksam, muss eine andere Langzeitprophylaxe ins Auge gefasst werden, evtl. die Substitutionstherapie. Wird die Danazol-Langzeittherapie gewählt, sind die Routinekontrollen wie Lipidstatus, Leberenzyme und Sonographie unerlässlich. Bei großer Häufigkeit schwerer Anfälle wird der prophylaktische Einsatz von C1-INH praktiziert. Auch Tranexamsäure ist zur Therapie eingesetzt worden (z. B. [11]). Die Substanz ist in Deutschland zugelassen für generalisierte und lokale Hyperfibrinolyse, also ebenfalls nicht für HAE. Mögliche Neben- wirkungen sind zahlreich und die therapeutische Wirkung ist häufig gering. Einzelne Zentren setzen wegen dieser Nebenwirkungen das C1-Inaktivator-Konzentrat für besondere Fälle auch als Dauertherapie ein. International anerkannte Experten haben sich 2003 getroffen und versucht, diagnostische und therapeutische Leitlinien zu definieren, die die Unsicherheit beim Umgang mit HAE zumindest bei Erwachsenen verringern sollen (5). Bei der vom hormonellen Status und nicht von einer Mutation im C1-INH-Gen abhängigen Form des HAE (nicht ganz präzise auch als HAE Typ III bezeichnet) ist die Behandlung umstritten. Möglicherweise stehen in Zukunft auch dazu Studienergebnisse zur Verfügung. Da Tranexamsäure ein genereller Protease-Inhibitor ist, kann ihr Einsatz erwogen werden. Stehen betroffen Frauen unter oraler Antikonzeption, ist diese zu überdenken und wenn möglich durchAlternativen zu ersetzen. Spezifisch pädiatrische Aspekte des C1-INH-Mangels haben Boyle et al. (6) in einer kritischen Übersicht mit Wertung pädiatrischer Daten herausgearbeitet, die in Tabelle 2 leicht modifiziert übernommen wurden. Bei den C-Defekten, an denen der C1-Inhibitor nicht beteiligt ist, ist die Therapie symptomatisch. Langzeiterfahrungen mit Frischplasmagaben, über die Defekte ausgeglichen werden sollen, sind zwar publiziert, bergen aber neben den infektiologischen Pro- Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008 184 Wahn, Späth Literatur Abb. 4 Pathogenese des Angioödems, aggravierende Faktoren und Angriffspunkte von Therapeutika (nach [1]), (HAE = hereditäres Angioödem, HMW = high molecular weight). blemen das Risiko in sich, dass der Patient gegen die seinem Immunsystem unbekannten Proteine, einschließlich der genetisch fehlenden C-Komponente, sensibilisiert wird und schließlich anaphylaktisch reagiert. Bei Patienten mit Neigung zu Meningokokkeninfektionen ist zunächst die Aufklärung des Patienten darüber wichtig, dass es bei ihm keinen „banalen“ Infekt gibt, sondern dass er bei Fieber immer einenArzt aufsuchen sollte. Eine Penicillindauerprophylaxe erscheint sinnvoll. Eine Meningokokkenimpfung (nicht wirksam gegen Serotyp B!) kann zusätzlichen Schutz bieten, dennoch sind bei C-defizienten Patienten trotz Impfung einzelne Neuinfektionen vorgekommen. Patienten mit autoimmunologischen Manifestationen (SLE-ähnlich) werden symptomatisch behandelt. Steroide sollten nicht zu hoch dosiert werden, da ja keine „klassische“ Autoantikörper-vermittelte Erkrankung behandelt wird. Prognose Bis auf die Patienten, die bei Fehlen der frühen klassischen Komponenten an AutoKinder- und Jugendmedizin 3/2008 immunerkrankungen versterben, ist die Prognose der C-Defekte quoad vitam in der Regel gut. Entscheidend ist, dass die Patienten um ihre Anfälligkeit z. B. gegenüber Meningokokkeninfektionen wissen und fieberhafte Infekte in jedem Fall ernst genommen werden. Bei früher antibiotischer Therapie verlaufen die Meningokokkeninfektionen häufig benigne, da kein effizienter MAK-Angriff stattfindet und bakterielle Bruchstücke und Toxine nur in geringem Maße freigesetzt werden. Auch beim HAE, an dem früher viele Patienten durch ein Larynxödem verstorben sind, ist die Prognose inzwischen durch die Verfügbarkeit des C1-Inhibitor-Konzentrates, den Einsatz von attenuierten Androgenen undTranexamsäure drastisch verbessert worden. Laufende klinische Studien lassen vermuten, dass mit einem Bradykinin-Rezeptor-2-Antagonisten (Icatibant, [4]) oder einem Kallikrein-Inhibitor (Ecallantide, [15]) neue Wirkprinzipien in der Zukunft zur Verfügung stehen werden (Abb. 4). Von ultimativer Bedeutung bleibt allerdings die gute Aufklärung von Arzt + Patient, damit adäquate Therapie im Notfall nicht an organisatorischen Defiziten scheitert! 1. Bas M,Adams V, Suvorava T et al. Nonallergic angioedema: role of bradykinin. Allergy 2007; 62: 842–856. 2. Blanch A, Roche O, Urrutia I et al. First case of homozygous C1 inhibitor deficiency. J Allergy Clin Immunol 2006; 118: 1330–1335. 3. Bork K, Gul D, Dewald G. Hereditary angio-oedema with normal C1 inhibitor in a family with affected womenandmen.BrJDermatol2006;154:542–545. 4. Bork K, Frank J, Grundt B et al. Treatment of acute edema attacks in hereditary angioedema with a bradykinin receptor-2 antagonist (Icatibant). J Allergy Clin Immunol 2007; 119: 1497–1503. 5. Bowen T, Cicardi M, Farkas H et al. Canadian 2003 International Consensus Algorithm For the Diagnosis,Therapy, and Management of HereditaryAngioedema.JAllergyClinImmunol2004;114:629–637. 6. Boyle RJ, Nikpour M, Tang MLK. Hereditary angioedema in children: A management guideline. Pediatr Allergy Immunol 2005; 16: 288–294. 7. Carugati A, Pappalardo E, Zingale LC, Cicardi M. C1-inhibitor deficiency and angioedema. Mol Immunol 2001; 38: 161–173. 8. ChoiG,SoetersMR,FarkasHetal.Recombinanthuman C1-inhibitor in the treatment of acute angioedema attacks. Transfusion 2007; 47: 1028–1032. 9. Cichon S, Martin L, Hennies HC et al. Increased activity of coagulation factor XII (Hagemann factor) causes hereditary angioedema type III.Am J Hum Genet 2006; 79: 1098–1104. 10. Eisen DP, Minchinton RM. Impact of mannosebinding lectin on susceptibility to infectious diseases. Clin Infect Dis 2003; 37: 1496–1505. 11. Farkas H, Harmat G, Fust G et al. 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Volker Wahn Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie und Immunologie Campus Virchow-Klinikum Augustenburger Platz 1 13353 Berlin Tel.: 0 30/4 50 56 66 93 Fax: 0 30/45 05 66 69 31 E-Mail: [email protected] Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 185 Zertifizierte Fortbildung Zertifizierte Fortbildung In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landesärztekammer CME-Fragebogen 1. Welche Symptome und Erkrankungen sind typisch bei Kindern mit angeborenen Immundefekten? a) b) c) d) e) Fieber Infektionen und Autoimmunerkrankungen Fieber, Infektionen und Autoimmunerkrankungen Tumor- und Autoimmunerkrankungen Fieber, Infektionen, Tumor- und Autoimmunerkrankungen 2. Welche Zellpopulation kann bei Kindern mit Immundefekten vom angeborenen Defekt betroffen sein? a) b) c) d) e) B-Lymphozyten T-Lymphozyten und Granulozyten B- und T-Lymphozyten sowie Granulozyten NK-Lymphozyten und Granulozyten B-, T- und NK-Lymphozyten sowie Granulozyten 3. Welche Zellpopulation ist bei einem Kind mit M. Bruton-Immundefekt (X-chromosomale Agammaglobulinämie) vorwiegend vom angeborenen Defekt betroffen? a) b) c) d) e) B-Lymphozyten T-Lymphozyten und Granulozyten B- und T-Lymphozyten sowie Granulozyten NK-Lymphozyten und Granulozyten B-, T- und NK-Lymphozyten sowie Granulozyten 4. Was kann Teil der Behandlung eines immundefekten Kindes sein? a) der Einsatz intravenöser Immunglobuline b) eine Knochenmarktransplantation sowie eine antimykotische Therapie c) der Einsatz intravenöser Immunglobuline, eine Knochenmarktransplantation sowie eine antimykotische Therapie d) eine antibiotische sowie antimykotische Therapie e) der Einsatz intravenöser Immunglobuline, eine Knochenmarktransplantation, eine antibiotische sowie antimykotische Therapie 5. Welche Laboruntersuchungen helfen bei der Charakterisierung eines B-Zell-Defektes? a) die Bestimmung von IgG b) die Bestimmung von IgA und Isohämagglutininen c) die Bestimmung von IgG, IgA und Isohämagglutininen d) die Bestimmung von IgM und Isohämagglutininen e) die Bestimmung von IgG, IgA, IgM sowie Isohämagglutininen 6. Welche Laboruntersuchungen helfen bei der Charakterisierung eines T-Zell-Defektes? a) die Messung der Menge der CD4-Zellen b) die Messung der Menge der CD8-Zellen und Untersuchung der Komlementfunktion c) die Messung der Menge der CD4- und CD8-Zellen d) der Granulozytenfunktionstest sowie die Untersuchung der Komplementfunktion e) die Messung der Menge der CD4- und CD8-Zellen, der Granulozytenfunktionstest sowie die Untersuchung der Komplementfunktion 7. Welche Zellen benutzen keine VDJRekombination zur Erstellung antigenspezifischer Rezeptoren? a) b) c) d) e) Monozyten Granulozyten und B-Zellen Mono- und Granulozyten T- und B-Zellen Mono- und Granulozyten, T- und B-Zellen 8. Welche Zellpopulation kann bei Kindern mit erworbenen Immundefekten betroffen sein? a) b) c) d) e) B-Lymphozyten T-Lymphozyten und Granulozyten B- und T-Lymphozyten sowie Granulozyten NK-Lymphozyten sowie Granulozyten B-, T- und NK-Lymphozyten sowie Granulozyten CME-Fortbildung ab sofort online Die Teilnahme an der CME-Fortbildung ist ab sofort ausschließlich online möglich. Zur Anmeldung gehen Sie bitte auf cme.schattauer.de. Es ist immer nur eine Antwort pro Frage zutreffend. Teilnahmeschluss ist der 01.04.2009. Als Abonnent der Kinder- und Jugendmedizin nehmen Sie nach Angabe Ihrer AbonnementNummer kostenlos am CME-Programm teil. Als Nichtabonnent benötigen Sie CME-Credits – Informationen hierzu finden Sie unter cme.schattauer.de. Beantworten Sie mindestens 70 % der Fragen richtig, erhalten Sie eine Bescheinigung mit der Bestätigung über 2 Fortbildungspunkte per E-Mail. Bei richtiger Beantwortung von 100 % der Fragen erhalten Sie 3 Punkte. Weitere Informationen zur Anmeldung und Registrierung finden Sie unter cme.schattauer.de. Die zehn CME-Fragen beziehen sich auf alle Beiträge dieser Ausgabe. 10. Welche Behandlungen werden häufig bei einem Kind mit schwerem angeborenem Immundefekt (SCID) eingesetzt? a) die Prophylaxe gegen Pneumocystis jiroveci (vormals carinii)-Infektion b) eine Stammzell- und Thymustransplantation c) die Prophylaxe gegen Pneumocystis jiroveci (vormals carinii)-Infektion, eine Stammzelltransplantation sowie Immunglobulinsubstitution d) eine Immunglobulinsubstitution und Thymustransplantation e) die Prophylaxe gegen Pneumocystis jiroveci (vormals carinii)-Infektion, eine Stammzelltransplantation, eine Immunglobulinsubstitution sowie Thymustransplantation 9. Welcher Immunglobulin-Isotyp kann bei einem Kind mit M. Bruton-Immundefekt (X-chromosomale Agammaglobulinämie) vermindert sein? a) b) c) d) e) IgG IgA und IgE IgG, IgA und IgE IgM und IgE IgG, IgA, IgM und IgE Downloaded from www.kinder-und-jugendmedizin-online.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinder- und Jugendmedizin 3/2008