Das Geld, das die Welt regiert

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Das Geld, das die Welt regiert
Die internationalen Finanzmärkte
Materialien zu der Veranstaltung mit
Robert Kurz
Peter Wahl
17. Oktober 2004, Grips Theater
Gegenstimmen – attac lädt ein
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Das Geld, das die Welt regiert
Inhalt
Peter Wahl Finanzmärkte – Verschuldung und Entwicklung ....................................................................... 3
Robert Kurz Der hässliche Finanzinvestor.................................................................................................... 6
Anja Osterhaus Brandbekämpfung mit der Feuerpatsche – die offiziellen Reformvorschläge .................. 8
Peter Waldow/Peter Wahl Devisenmärkte: Ein Konzept mit Zukunft ........................................................ 13
Kontakte, Internetadressen
• Bundeskoordination Internationalismus www.buko.info
• www.weed-online.org
• www.attac.de/finanzmärkte
• www.labournet.de/diskussion/wipo/finanz
Literaturhinweis
• Peter Wahl/Peter Waldow: Tobinsteuer: Kapital braucht Kontrolle
AttacBasisText 3, VSA-Verlag
• Sven Giegold: Steueroasen trockenlegen
AttacBasisText 4, VSA-Verlag (2003)
• Anja Osterhaus/Kai Mosebach/Peter Wahl/Peter Waldow : Kapital braucht Kontrolle. Die internationalen Finanzmärkte: Funktionsweise – Hintergründe – Alternativen
eine Broschüre von WEED und Kairos Europa (2001)
• Jörg Huffschmid: Politische Ökonomie der Finanzmärkte
VSA-Verlag Hamburg, Neuauflage
• Dieter Boris/Alvaro Berriel Diaz/Kai Eicker-Wolf/Ralf Käpernick/Jan Limbers (Hg.):
Finanzkrisen im Übergang zum 21. Jahrhundert. Probleme der Peripherie oder globale Gefahr?
Marburg (2000)
• Arne Heise (Hg.): Neue Weltwährungsarchitektur
Marburg (2001)
Druck des Readers durch DGB-Jugend Berlin-Brandenburg
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Das Geld, das die Welt regiert
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Finanzmärkte – Verschuldung – Globalisierung1
Entwicklungspolitische Dimensionen des internationalen Finanzsystems –
Ursachen Zusammenhänge und Hintergründe von Verschuldung
Peter Wahl
Geld ist das Schmiermittel der Wirtschaft. Als allgemeiner Wertmaßstab, der Wirtschaftsgüter miteinander vergleichbar macht und als Medium des Tausches von Waren und Dienstleistungen, d. h. als
Zahlungsmittel, nimmt das Geld eine zentrale Stellung in jeder denkbaren komplexen Ökonomie ein.
Ohne Finanzen, ohne ein entwickeltes Finanzsystem wären heutige Volkswirtschaften und die Weltwirtschaft insgesamt nicht funktionsfähig. Ohne Geld geht nichts.
Allerdings hat Geld noch mehr Funktionen als die des Wertmaßstabes und des Tauschmediums. So
zum Beispiel
•
die Vermögensfunktion, d.h. es dient der Speicherung von Reichtum und es kann z.B.
•
in Form von Kursgewinnen bei Devisengeschäften oder Zinsen sich selbst vermehren und damit selbst zur Quelle von Reichtumsvermehrung werden.
Schließlich kann Geld auch Funktionen außerhalb der Wirtschaft annehmen. Wenn es in großen
Mengen konzentriert ist, kann es z. B. zur Quelle von außerökonomischer Macht werden. Mit Geld
kann man vieles kaufen: Personen, Einfluss, Macht. Auch wenn der Satz „Geld regiert die Welt“ in
dieser Absolutheit übertrieben ist, so ist doch auch einiges dran. Die Beschäftigung mit den internationalen Finanzmärkten berührt daher den Kernbereich von Wirtschaft und Grundfragen von Macht und
Herrschaft in der Welt.
1.1. Von Bretton Woods ins Kasino
Angesichts der zentralen Rolle des Geldes, ist es von großer Bedeutung, unter welchen regulatorischen Rahmenbedingungen das Geld welche Funktionen erfüllt. Diese Rahmenbedingungen, die von
der Politik gesetzt werden, sind historischem Wandel unterworfen. Das Finanzsystem, wie wir es
heute kennen, sah nicht immer so aus. Von 1944 bis 1973 existierte das sog. Bretton Woods System.
2
Dieses System beruhte auf drei Hauptsäulen:
• feste Wechselkurse zwischen den großen Währungen,
• der US-Dollar als Leitwährung,
• die Absicherung der Stabilität des Dollars durch entsprechende Goldreserven.
Die Aufsicht über dieses System sollte eine Institution gewährleisten, die ebenfalls 1944 gegründet
3
worden war: der Internationale Währungsfonds (IWF). Wie der Name Währungsfonds bereits signalisiert, sollte der IWF internationale Währungspolitik nach Maßgabe der Bretton Woods Ordnung
betreiben, was er auch mit Erfolg tat.
Die Väter der Bretton Woods Ordnung waren sich dabei der politischen Bedeutung stabiler internationaler Finanzbeziehungen sehr bewusst. Das neue System war nämlich auch eine Reaktion auf die
Weltwirtschaftskrise 1929. Diese hatte bekanntlich einen großen Anteil an der politischen Destabilisie1
Auszug aus: „Die Umverteilungsmaschine. Finanzmärkte – Verschuldung und Entwicklung“
Herausgegeben von: Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V. (WEED), Torstr.154, 10115 Berlin
2
Bretton Woods ist ein Wintersportort im Osten der USA, wo 1944 die nachmaligen Sieger des Zweiten Weltkrieges die Wirt-
schaftsordnung der Nachkriegszeit begründeten. Der prominenteste Teilnehmer war John Maynard Keynes, der bedeutendste
Wirtschaftswissenschaftler des 20. Jahrhunderts und zu jenem Zeitpunkt auch britischer Finanzminister.
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Gemeinsam mit dem IWF wurde die Weltbank gegründet, deren Zweck ursprünglich war, zur Finanzierung des kriegszerstör-
ten Europa beizutragen.
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Das Geld, das die Welt regiert
rung in Europa, insbesondere in Deutschland, wo sie zwar nicht der einzige, aber doch einer der
wichtigsten Faktoren für den Sieg des Faschismus mit all seinen fürchterlichen Konsequenzen war.
Im internationalen Finanzsystem der Nachkriegsära beschränkte sich die Funktion des Geldes im
wesentlichen darauf, internationale Handelsgeschäfte und Auslandsinvestitionen zu finanzieren. Der
Devisenhandel war auf die Bereitstellung der dafür nötigen Devisen begrenzt, d.h. sein Volumen belief
sich im großen und ganzen auf den Umfang des Außenhandels und der Auslandsinvestitionen. Das
Geld spielte also praktisch nur die Rolle des Zahlungsmittels und war damit an Handel und Investitionen gekoppelt. Internationale Kreditvergabe – das ist für das Schuldenthema von Belang – war dem
gegenüber eine marginale Größe.
Der regulatorische Rahmen von Bretton Woods existierte bis 1973 und wurde dann von den USA
aufgekündigt. Die wichtigste Änderung war die Aufgabe der festen Wechselkurse. Die Kurse wurden
fortan frei am Markt gebildet und schwanken daher permanent. Die Garantie des Dollars durch Gold
entfiel, währen die Funktion des Dollars als Leitwährung zwar abgeschwächt wurde, de facto aber bis
heute noch besteht (ausführlicher dazu Abschnitt 1.6.)
Mit der Freigabe der Wechselkurse und der folgenden Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte änderte sich das internationale Finanzsystem grundlegend. Zum einen wurde die Vergabe
internationaler Kredite zu einem bedeutenden Instrument der Finanzierung von Investitionen im Allgemeinen und von Entwicklungsprojekten im Besonderen. Zum anderen erlaubte die Freigabe der
Wechselkurse, dass Geld jetzt auch zur Selbstvermehrung genutzt werden konnte. Dies geschieht
dadurch, dass die ständigen Schwankungen der Wechselkurse ausgenutzt werden. Dies geschieht
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auf zwei Wegen: durch Arbitrage und durch Spekulation. Die Freigabe der Wechselkurse und die
Deregulierung des Kapitalverkehrs erlaubte es Anlegern darüber hinaus, nun auch mit Aktien und
anderen Wertpapieren im Ausland zu handeln oder zu spekulieren. Auch die Ausnutzung von Zinsdifferenzen in anderen Ländern wurde zur Quelle für die Erzielung von Renditen. All dies sind heute
alltägliche Vorgänge, quasi das „normale“ Funktionieren der internationalen Finanzmärkte.
Außerdem traten neue Akteure an den Finanzmärkten auf, wie Investment-, Renten-, Versicherungsund Spekulationsfonds, und Off-Shore Zentren und Steuerparadiese nahmen einen ungeahnten Aufschwung. Hinzu kamen sog. „neue Instrumente“, die Finanzderivate.
Die neuen Möglichkeiten der Geldvermehrung führten im Verein mit technologischen Durchbrüchen
(Computerisierung, Telekommunikation, Internet) dazu, dass die internationalen Kapitalsströme in
gigantischem Maße anschwollen. Heute werden pro Börsentag Finanzmassen in Höhe von
1.200.000.000.000 (1,2 Billionen) US-Dollar zwischen den internationalen Finanzplätzen transferiert.
Das ist eine Verachthundertfachung gegenüber 1980. Mit Finanzmarktinvestitionen ließen sich bis
zum Crash 2001 im Durchschnitt doppelt so hohe Renditen erzielen wie durch Investitionen in Industrie, Dienstleistungen und Landwirtschaft. Die lang anhaltende Hausse an den Börsen in der zweiten
Hälfte der neunziger Jahre und der kometenhafte Aufstieg der sog. „New Economy“ hatte damals viele
zu der Auffassung verleitet, dass ein neue Epoche des Wirtschaftens angebrochen sei. Investoren
zogen es daher vor, ihr Geld in – meist kurzfristige – Finanzgeschäfte und Spekulation zu stecken. Die
Finanzmärkte wurden zum Gravitationszentrum der Weltwirtschaft.
4
Wenn die Devisenbörse in Tokio abends schließt, kann es sein, dass der Wechselkurs beispielsweise zwischen Dollar und
Yen geringfügig anders ist, als bei Eröffnung in Frankfurt. Devisenhändler kaufen dann die in Tokio billigere Währung und tauschen sie in Frankfurt zum höheren Kurs wieder um. Das ist ein risikoloses Geschäft. Wenn dabei großen Summen in mehrstelliger Millionenhöhe eingesetzt werden, kommt selbst bei geringen Kursdifferenzen eine beachtliche Rendite heraus.
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Das Geld, das die Welt regiert
Keynes hat dieses System, das in ähnlicher Weise in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts
existierte, als „Kasino“ bezeichnet. Realwirtschaft und damit auch Entwicklung, werden, so Keynes,
zum „Nebenprodukt der Aktivitäten eines Kasinos.“ (zitiert nach Jetin: 2002, 27).
Zu dieser „normalen“ Funktionsweise der Finanzmärkte kommt, allerdings als Ausnahmeerscheinung,
für starke private Akteure die Möglichkeit, spekulative Attacken gegen eine Währung zu fahren. Ist
dies erfolgreich, wie die Attacken gegen die thailändische Währung im Zuge der Asienkrise 1997/98,
werden über Nacht märchenhafte Gewinne von 40% oder mehr möglich.
Die Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte erfasste nach und nach alle Wirtschaftszweige und alle Regionen und wurde damit zum Motor dessen, was man seit Beginn der neunziger Jahre
als Globalisierung bezeichnet (siehe Kasten 1). Es ist grundlegendes Merkmal der gegenwärtigen
Globalisierungswelle, dass sie von den Finanzmärkten angetrieben und von den Finanzmärkten dominiert wird.
1.2. Schuldenkrise und Globalisierung
Auch das Entstehen der Schuldenkrise und deren Verlauf ist nur auf dem Hintergrund der liberalisierten und deregulierten Finanzmärkte zu verstehen. Denn erst durch das Zusammenwachsen der Finanzmärkte und den Abbau nationalstaatlicher Regulierungen konnten Banken ohne große Hindernise und in großem Maßstab Kredite international vergeben, bzw. konnten Entwicklungsländer ohne
große Hindernisse Kredite im Ausland aufnehmen.
Erst auf dem Hintergrund des neuen Finanzsystems konnten aber vor allem die beiden Hauptursa5
chen, die zum Ausbruch der Schuldenkrise 1982 führten, ihre Wirkung entfalten, nämlich:
• der drastische Anstieg der Zinsen mit einer lang andauernden Hochzinsphase und der
• Anstieg des Dollarkurses.
Diese Krisenursachen existierten unter Bedingungen von Bretton Woods nicht. Bei festen Wechselkursen gibt es eben keine Kursschwankungen. Regierungen bzw. Zentralbanken haben dann die
Möglichkeit, den Kurs der eigenen Währung selbst zu regulieren. Gleichzeitig verfügten Regierungen
unter den damaligen Bedingungen über die Zinshoheit. D.h. sie konnten Zinsen als Instrumente zur
makroökonomischen Steuerung, z.B. zur Konjunkturlenkung benutzen. Durch Kapitalverkehrskontrollen konnten sie den Zu- und Abfluss von ausländischem Kapital regulieren. All diese Instrumente wurden ihnen durch die Liberalisierung und Deregulierung weitgehend aus der Hand genommen. Deshalb
waren sie dem Anstieg der Zinsen und des Dollarkurse wehrlos ausgesetzt. In diesem Lichte war die
Schuldenkrise die erste große Globalisierungskrise. Zugleich wird hier deutlich, wie unangemessen es
ist, die Ursachen der Schuldenkrise einseitig bei den Entwicklungsländern zu suchen.
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Wer von Überschuldung des Südens redet, kann von der Globalisierung nicht schweigen.
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Sicher trugen auch noch andere Faktoren zur Entstehung der Krise bei, so z.B. die schuldengestützte Entwicklungsstrategie
wie sie vom damaligen entwicklungspolitischen Mainstream verfolgt wurde, der Verfall der Rohstoffpreise, die Rüstungsfinanzierung von Stellvertreterregimes im Kalten Krieg sowie interne Strukturschwächen in zahlreichen Entwicklungsländern. Den finanzmarktinduzierten Faktoren kam jedoch eine Schlüsselrolle zu
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Das heißt nicht, dass zu den von außen induzierten Ursachen nicht auch interne Faktoren hinzukamen, wie Korruption und
Kapitalflucht einheimischer Eliten, oder teure Rüstungsprogramme.
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Das Geld, das die Welt regiert
Der hässliche Finanzinvestor7
Robert Kurz
Sozialforen und sozialkritische Bündnisorganisationen haben Zulauf, Studenten streiken gegen Mittelkürzung und Studiengebühren. Es gärt in der Gesellschaft, seit unter dem Label der Agenda 2010 die
antisozialen Gegenreformen ans Eingemachte gehen und Menschen bis in die soziale Mitte hinein
härter als erwartet treffen. Eine neue soziale Bewegungskonjunktur deutet sich an. Und wie zu erwarten bringt die soziale Dynamisierung in der Linken und in den Bewegungsorganisationen wie Attac
den Streit um die Interpretation der Krise erneut ins Rollen. Dieser Streit um die gesellschaftlichen
Ursachen des sozialen Niedergangs ist allerdings nicht neu; er hat eine lange Geschichte, deren Untersuchung Überraschendes ans Tageslicht bringt.
Im 19. Jahrhundert gab es eine spezifisch kleinbürgerliche Kapitalismuskritik, die sich Krise und Armut
allein aus den Ansprüchen des zinstragenden Kapitals oder Finanzkapitals erklären wollte. Gäbe es
die „Zinsknechtschaft“ nicht, so dachte etwa Proudhon, dann gäbe es auch keine Krisen. Das war der
Standpunkt von kleinen Klitschenbesitzern, die auch heute noch von der Würstchenbude bis zur Softwarebude gern den Eindruck haben, dass sie „nur für die Bank arbeiten“, weil Zins und Tilgung der
aufgenommenen Kredite drücken. Sie vergessen dabei, dass sie ohne Bankkredit ihre Investitionskosten gar nicht hätten bezahlen können oder längst bankrott wären. Und das Geldkapital ist in der
kapitalistischen Produktionsweise eben ein spezifischer Marktgegenstand, der seinen Preis hat.
Ganz anders argumentierte der klassische Arbeiterbewegungsmarxismus, wie ihn etwa Rudolf
Hilferding in seinem 1910 erschienenen Werk „Das Finanzkapital“ vertrat. Für ihn war das Finanzkapital nicht die Quelle allen Übels, sondern eine fortschrittliche, vergesellschaftende Macht, die es nur
noch der Kontrolle durch den „proletarischen Staat“ zu unterwerfen gelte. Qua dieser Kontrolle sei
dann praktisch der Sozialismus in Grundzügen schon verwirklicht. Sicherlich war das eine stark verkürzte Auffassung. Denn Hilferding stellte wie der gesamte Arbeiterbewegungsmarxismus das „produktive“ Verwertungsprinzip, die gesellschaftliche Form der „Verwertung des Werts“ (Marx) nicht in
Frage, sondern meinte mit einer bloß äußerlichen politischen Kontrolle durch „Arbeiterpartei“ und „Arbeiterstaat“ sei die entscheidende Transformation schon geschafft. Aber diese gegenüber Marx verkürzte, die Fetischform des Werts nicht reflektierende Auffassung war doch eine erkennbar andere als
die kleinbürgerliche.
Betrachten wir nun die heute aufkeimende Diskussion, so stellt sich heraus, daß in der spontanen
Ideologie der Bewegungen eher die ursprünglich kleinbürgerliche Version der Kapitalismuskritik vertreten wird. Man betrachtet die spekulative Finanzblasenwirtschaft seit den 90er Jahren als die eigentliche Ursache der gegenwärtigen Krise. Die „Gier“ der hässlichen Finanzinvestoren wird angeprangert.
Und das zinstragende Kapital als angebliche Quelle des Übels soll in seine Schranken verwiesen
werden, um das Geld, von dem scheinbar „genug da ist“, wieder in produktive Kapitalinvestitionen zu
lenken. Dabei wird das Verhältnis von Ursache und Wirkung auf den Kopf gestellt. In Wirklichkeit ist
die Krise durch die innere Schranke des produktiven Kapitals selbst bedingt. Die Produktivkraft der 3.
industriellen Revolution übersteigt die Fassungskraft der kapitalistischen Produktionsweise, es wird zu
viel Arbeitskraft „freigesetzt“, die kapitalistischen Einkommen gehen zurück und es entstehen Überkapazitäten, sodass sich produktive Investitionen nicht mehr lohnen. Allein deswegen ist die Verschuldungs- und Finanzblasenökonomie entstanden, als bloße Folge und Erscheinungsform der Krise,
nicht als ihre Ursache.
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erschienen in: Neues Deutschland Dez. 2003
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Das Geld, das die Welt regiert
Aber das momentan vorherrschende Bewusstsein in den Bewegungen will bloß das Finanzkapital
kritisieren, nicht die kapitalistische Produktionsweise. Dieses Argumentationsmuster wird bis in die
Gewerkschaften und in den restlichen akademischen Marxismus hinein verwendet, als hätte man die
ganze Marxsche Akkumulations- und Krisentheorie vergessen. Das ist eigentlich ein Rückfall sogar
hinter Hilferding. Welche Gründe gibt es dafür?
Erstens ist mit dem Untergang des Staatssozialismus die ursprüngliche arbeiterbewegungsmarxistische Option, die „fortschrittliche Macht“ des Finanzkapitals in die Regie des „proletarischen Staates“
zu übernehmen, obsolet geworden. Das traut sich niemand mehr zu vertreten. Zweitens ist die soziale
Basis der Bewegungen als Folge der kapitalistischen Vergesellschaftungs- und Individualisierungsprozesse kaum mehr eine „mehrwertschaffende Arbeiterklasse“, sondern ein diffuses allgemeines
Verwertungssubjekt, dessen einzelne Sozialkategorien von der Sozialhilfeempfängerin über den Leiharbeiter, die Langzeitstudentin und den ABM-Worker bis zur berüchtigten Ich-AG zunehmend ineinander verschwimmen und prekär werden. Spontan ist der daraus hervorgehende Sozialcharakter von
einer gewissen sekundären Kleinbürgerlichkeit geprägt (jeder sein eigenes Humankapital, jede ihre
eigene Selbstverwerterin), wobei das „selbständige“ Produktionsmittel bis auf die menschliche Haut
geschrumpft ist. Und drittens ist in der neuen Qualität der Krise selbst der übrig gebliebene scheinbar
kapitalproduktive Kern der Industriearbeit abhängig geworden vom finanzkapitalistischen Vorgriff auf
zukünftige Wertschöpfung (Kreditüberbau, Mega-Verschuldung auf allen Ebenen, Blasenökonomie).
Aus diesen Zusammenhängen heraus wird die allgemeine Abhängigkeit vom entkoppelten Finanzkapital als der eigentliche Skandal erlebt und die wirkliche Krisenursache ignoriert. Auch der ohnehin
schon keynesianisch verwässerte akademische Marxismus wird für diese verkürzte Interpretation
anfällig; konzentriert sich doch gerade die keynesianische Theorie auf eine innerkapitalistische vermeintliche Krisenlösung in Bezug auf Zinsen und Finanzkapitalismus. Es kann nicht verschwiegen
werden, dass die so verkürzte Kapitalismuskritik anschlussfähig wird für rechtspopulistische Krisenideologien. So ist es einfach eine Tatsache, dass die auf das Finanzkapital reduzierte Kritik sich historisch immer wieder mit antisemitischen Stereotypen angereichert hat. Und die bürgerlichen Medien
entdecken hier bereits eine Möglichkeit, die soziale Bewegung überhaupt als „potentiell antisemitisch“
zu denunzieren. Dieser Denunziation kann man nur entgegentreten, wenn die regressive Verkürzung
der Analyse auf das Finanzkapital überwunden wird, um in neuer Weise die vom Verwertungsprinzip
nicht mehr darstellbare Vergesellschaftung und deren zivilisatorische Potenz (öffentliche Dienste etc.)
einzuklagen: über Hilferding hinaus, nicht hinter ihn zurück.
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Brandbekämpfung mit der Feuerpatsche8
– die offiziellen Reformvorschläge
ANJA OSTERHAUS
Die Krisen der neunziger Jahre haben den Reformbedarf des Weltfinanzsystems unübersehbar gemacht. Selbst die Protagonisten der Globalisierung riefen nach einer „neuen internationalen Finanzarchitektur“. Besonders nach der Asienkrise mehrten sich die kritischen Stimmen und wiesen auf die
Gefahren der Finanzmärkte für die weltweite Entwicklung hin. Doch welche konkreten Ansätze gibt es
von offizieller Seite?
7.1. Die Reformer und ihre Krisenanalyse
Die offizielle Debatte wird von den Industriestaaten bestimmt. Seit Ausbruch der mexikanischen
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Finanzkrise (Ende 1994) legen die Vertreter der G7-Staaten auf ihren jährlichen Wirtschaftsgipfeln
Leitlinien und Vorschläge zur Reform der „internationalen Finanzarchitektur“ vor. Für die Ausgestaltung und Umsetzung der Reformen sind die internationalen Finanzinstitutionen zuständig, vor allem
der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ, s.
Box 7.2.). Das neu gegründete Financial Stability Forum (FSF, s. Box 7.1.) hat beratende Funktion
und erarbeitet Empfehlungen für die G7 und die internationalen Institutionen.
Den offiziellen Reformvorschlägen liegt die Prämisse zugrunde, dass die Finanz- und Währungskrisen
in erster Linie auf zwei Mängel in der gegenwärtigen Finanzordnung zurückzuführen sind:
• unzureichende Information der Anleger und
• Unzulänglichkeiten in der Politik der Empfängerländer von Kapitalanlagen.
In begrenztem Maß werden auch systemische Mängel und Fehlentwicklungen im internationalen
Finanzsystem anerkannt, wie z.B. die schädlichen Folgen kurzfristiger Portfolio-Investitionen, Hedge
Funds und Offshore-Finanzzentren sowie Probleme aufgrund der schnellen Liberalisierung von Außenwirtschaft und Finanzmärkten in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern.
DAS FORUM FÜR FINANZSTABILITÄT (FSF)
Auf Initiative der G7 konzipierte der ehemalige Bundesbankpräsident Tietmeyer das Forum für Finanzstabilität (Financial Stability Forum, FSF), das im Februar 1999 gegründet wurde. Mitglieder des FSF sind Finanzminister, Notenbankchefs und Vertreter von Aufsichtsbehörden der G7-Staaten sowie Repräsentanten
internationaler Organisationen (IWF, Weltbank, BIZ und OECD) und Regulierungsgremien (der Baseler Bankenausschuss, die Aufsichtsbehörden für Versicherungen und Wertpapierhandel IOSCO und IAIS). Den
Vorsitz führt Andrew Crockett, Chef der BIZ. Das FSF trifft sich halbjährlich und hat ein Sekretariat in Basel
eingerichtet. Ziel dieses prominent besetzten, aber informellen Gremiums ist es, Möglichkeiten zur Stabilisierung des internationalen Finanzsystems zu erörtern und Empfehlungen zur Vorbeugung und Vermeidung
von Finanzkrisen zu entwickeln. Bei der ersten Sitzung im April 1999 wurden drei Arbeitsgruppen zu den
folgenden Themen eingerichtet: Kapitalverkehr, Offshore-Finanzzentren und Risikofonds (highly leveraged
institutions, HLI) wie z.B. Hedge Funds. Die Empfehlungen dieser Arbeitsgruppen wurden am 5. April 2000
vorgestellt. Nach zwei Jahren soll eine Evaluierung ihrer Umsetzung stattfinden.
7.2. Die Reformvorschläge
Entsprechend der Analyse fallen auch die Reformvorschläge aus: der Schwerpunkt der vorgeschlagenen Maßnahmen liegt auf der Erhöhung von Transparenz und auf Korrekturen in den Schuldnerländern. Angesichts der katastrophalen Folgen der Kriseninterventionen durch den IWF stehen auch die
Rolle und die Aufgabenbereiche des Währungsfonds in der Debatte.
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Kapitel 7 in: Kapital braucht Kontrolle. Die internationalen Finanzmärkte: Funktionsweise – Hintergründe – Alternativen; Hrsg.
Kairos Europa e.V., Bonn 2001
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USA, Kanada, Japan, Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland. Seit 1999 ist auch Russland bei den Gipfeltreffen
vertreten. An der Formulierung der Reformvorschläge zum Thema Finanzsystem war Russland jedoch bislang nicht beteiligt.
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Das Geld, das die Welt regiert
7.2.1. Erhöhung der Transparenz
Dreh- und Angelpunkt aller offiziellen Vorschläge ist die Überlegung, durch mehr Transparenz und bessere
Informationen in den Empfängerländern die Grundlage für rationale Entscheidungen der Marktteilnehmer zu
verbessern. Hintergrund ist, dass über viele der Länder, die von Finanzkrisen betroffen waren, keine verlässlichen Daten zur Verfügung standen – z.B. über das Ausmaß ihrer Verschuldung oder ihre Währungsreserven. Um diese Informationen zu verbessern und allgemein zugänglich zu machen, entwickelte der IWF
u.a. die freiwilligen Special Data Dissemination Standards (SDDS), die monatlich Auskunft über Währungsreserven, Auslandsverschuldung etc. geben.
Der Hoffnung auf Transparenz und Information liegt die Annahme zugrunde, Finanzmärkte seien prinzipiell
effizient, wenn die Marktteilnehmer über ausreichende Informationen verfügen. Diese These ist jedoch
sowohl theoretisch falsch wie empirisch widerlegt:
a)
Da die Preisbildung von Vermögenswerten auf der Zukunftserwartung der Finanzmarktakteure basiert,
die Zukunft aber grundsätzlich nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden kann, wird es auch niemals eine völlig verlässliche Information über die Preisentwicklung geben (Wyplosz 1999:14).
b)
Die neuen Qualitäten der globalisierten Finanzmärkte – die Schnelligkeit der Transaktionen, die Vielfalt
immer neuer Instrumente, die wachsende Zahl der Akteure etc. – bewirken, dass die Situationen sich in
Sekundenschnelle verändern können. Unter diesen Bedingungen ist es ausgeschlossen, jederzeit vollständig informiert zu sein.
c)
Auch die Abwesenheit von Informationen ist eine Information. Sie kann z.B. besagen, dass die Situation nicht ausreichend klar ist. In der Asienkrise war genau dies der Fall. Dass die Krisenländer z.B. unzureichende Aufsichtsbehörden hatten, war bekannt. Rationales Verhalten würde dann bedeuten, den
entsprechenden Anlageort zu meiden, um kein unkalkulierbares Risiko einzugehen. „Im Fall von Wissenslücken müssten rationale Marktteilnehmer die Risiken generell scheuen” (Frenkel & Menkhoff
2000: 24). Im Gegensatz dazu engagierten sich selbst die angeblich so risikobewussten und besser
beaufsichtigten europäischen Banken in den asiatischen Ländern, z.B. auch die Deutsche Bank.
d)
Das rationale Verhalten der Marktteilnehmer ist eine ökonomische Abstraktion. Die Entscheidungen im
realen Leben werden von Menschen aus Fleisch und Blut gemacht, denen nicht allen ein und dieselbe
Rationalität eigen ist. Auch Eigenschaften wie Risikobereitschaft, Ehrgeiz, Geldgier etc. beeinflussen
die Entscheidungen der Marktteilnehmer.
e)
Im Angesicht der Krise können irrationale Verhaltensweisen, wie Panik und Herdentrieb sogar dominieren.
Die Bereitstellung standardisierter und transparenter Informationen ist grundsätzlich zu befürworten – eine
Vermeidung von Finanz- und Währungskrisen ist davon jedoch nicht zu erwarten.
7.2.2. Anpassung der Bankenregulierung
Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hat eine Vielzahl von Empfehlungen und Standards
entwickelt. Von besonderer Bedeutung ist der Baseler Akkord von 1988, nach dem die Forderungen von
Banken für den Fall einer Zahlungsunfähigkeit von Schuldnern zu mindestens 8% der Kreditsumme mit
Eigenkapital unterlegt sein müssen. Weitere wichtige Regelungen beziehen sich auf die Bewertung von
Marktrisiken (1996) und die Kernprinzipien für eine effektive Bankenaufsicht (1997).
Im Zuge der jüngsten Finanzkrisen hat sich herausgestellt, dass viele dieser Regelungen den Anforderungen des heutigen Finanzsystems nicht mehr gewachsen sind. So neigt z.B. die augenblickliche Risikogewichtung dazu, kurzfristige Kredite an Schwellenländer gegenüber langfristigen zu bevorzugen (GriffithJones 1999:271). Zudem wurde die Kreditvergabe an OECD-Länder pauschal als geringeres Risiko einge-
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Das Geld, das die Welt regiert
stuft als diejenige an Nicht-OECD-Länder – nicht zuletzt deshalb erhielt das OECD-Mitglied Südkorea vor
Ausbruch der Krise hohe Summen an kurzfristig angelegten Geldern, die die Krise verschärften.
Aus diesen Gründen hatte der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht im Juni 1999 eine Neufassung des
Baseler Akkords vorgelegt. Der Vorschlag sollte zunächst in einem Konsultationsprozess bis 2002 abgeschlossen sein. Aufgrund vielfältiger Bedenken – nicht zuletzt der deutschen Kreditwirtschaft – wurde die
Frist jedoch verlängert und ein weiterer Konsultationsprozess verabredet. Die endgültige Verabschiedung
der neuen Eigenkapitalvereinbarung ist deshalb noch nicht abzusehen, auch wenn das Jahr 2005 aktuell
anvisiert ist. „In Zukunft soll jedes Land, jedes Unternehmen und jede Gebietskörperschaft durch eine jeweilige Bank in kurzen Zeitabständen als einzelnes Schuldnerrisiko bewertet werden“ (Lütz 2000: 74). Die
Risikoeinstufung kann sowohl intern als auch durch externe Rating-Agenturen vorgenommen werden. Die
Einbeziehung privater Rating-Agenturen ist angesichts ihres häufig prozyklischen und krisenverschärfenden
Einflusses in den letzten Finanzkrisen allerdings sehr problematisch.
Das größte Defizit liegt jedoch darin, dass Nicht-Banken (Börsen,Versicherungen und Investmentgesellschaften) nicht unter die Bestimmungen fallen und somit eine Regulierungslücke für institutionelle
Investoren besteht. Gerade Hedge Funds und Offshore-Zentren, von denen in besonderem Maße
systemische Risiken ausgehen, müssten dringend in die Regulierung miteinbezogen werden, wenn
sie zur Verhinderung von Finanzkrisen beitragen soll. Dies ist jedoch nicht beabsichtigt (Mosebach
2001).
DIE BANK FÜR INTERNATIONALEN ZAHLUNGSAUSGLEICH (BIZ)
Die BIZ ist der Zusammenschluss der Zentralbanken der Industrieländer. Formal ist sie eine Aktiengesellschaft, deren Aktionäre die derzeit 45 Mitglieder sind. Sie wurde 1930 zur Abwicklung deutscher Reparationszahlungen im Rahmen des Young-Planes gegründet. Als zentrale Institution für das Bretton
Woods-System kam die BIZ nicht in Frage, weil sie sich durch Zusammenarbeit mit den Nazis kompromittiert hatte. Sitz der Bank ist Basel.
Die zentralen Organe sind die Generalversammlung und der Verwaltungsrat. Dem Verwaltungsrat, der
die laufenden Geschäfte führt, gehören als ständige Mitglieder die Zentralbankpräsidenten Belgiens,
Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens und der USA sowie sechs Vertreter der Privatwirtschaft dieser Länder an. Aus den weiteren Mitgliedsstaaten werden neun weitere Zentralbankpräsidenten
in den Rat gewählt.
Die BIZ ist berechtigt, mit Gold- und Devisengeschäften sowie kurzfristigen Kredit-, Diskont- und Lombardgeschäften die Refinanzierung der Mitgliedsbanken zu unterstützen. Sie gilt deswegen als Zentralbank der Zentralbanken. 1999 hat der Verwaltungsrat den Briten Andrew Crockett zum General Manager
ernannt.
Grundsätzlich besteht die Aufgabe der BIZ darin, die Zusammenarbeit der Zentralbanken durch einen
gegenseitigen Informationsfluss und multilaterale Konsultationen zu vereinfachen. Sie erfüllt dies durch
die Aufbereitung von Finanzdaten. Dazu erscheint das vierteljährliche Journal International Banking and
Financial Market Developments und ein Jahresbericht.
Darüber hinaus dient die BIZ als Forum für internationale monetäre und finanzielle Kooperation. Bereits
1971 wurde zur Beobachtung des globalen Finanzsystems das Committee on the Global Financial System gegründet, 1974 – nach einer internationalen Bankenkrise – das Committee on Banking Supervision
(CBSRP) (sog. Baseler Konkordat).
1988 wurde der Baseler Akkord mit Standards für die Mindestkapitalausstattung von Banken beschlossen. Zur Zeit wird dieser Vertrag neu verhandelt (Basel II). Seit dem G7-Gipfel 1995 in Halifax befasst
sich die BIZ intensiv mit der Frage der internationalen finanziellen Stabilität. Hierzu wurde 1998 das Financial Stability Institute gegründet. In Reaktion auf die Asienkrise entstand 1999 das Financial Stability
Forum (FSF). Seit 1998 findet man bei der BIZ auch das Sekretariat der International Association of Insurance Supervisors (IAIS), das die Tätigkeit und Risiken der Versicherungsbranche zu über- wachen
sucht. Alle diese Sekretariate und Komitees sind organisatorisch selbstständig, aber dennoch eng mit der
BIZ verbunden.
Im Zuge der Diskussion um die Reform des Finanzsystems hat die BIZ an Einfluss gewonnen und bisweilen Gegenpositionen zum IWF bezogen. Als Zentralbank der Zentralbanken unterliegt die BIZ keinerlei demokratischer Kontrolle. Sie hat allerdings auch keine Weisungsbefugnis, sondern spricht nur Empfehlungen aus.
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Das Geld, das die Welt regiert
7.2.3.Kategorisierung von Offshore-Finanzzentren
Im Kampf gegen Geldwäsche und Drogenhandel haben die zuständigen Behörden die OffshoreFinanzzentren (OFC) schon lange im Visier. Seit der Asienkrise und vor allem seit dem spektakulären
Crash des LTCM-Fonds (s. Box 3.3.) werden sie auch wegen ihrer verhängnisvollen Rolle für die Stabilität des Finanzsystems kritisiert. Aus diesem Grund hat sich auch das FSF mit diesem Thema beschäftigt. Das Forum ist allerdings zu dem Ergebnis gekommen, OFC würden der Stabilität des internationalen Finanzsystems nicht schaden, solange sie „angemessen überwacht sind und ihre
Aufsichtsbehörden sich kooperativ verhalten”. Dementsprechend teilte das FSF die einzelnen Finanzplätze in drei Kategorien ein. Nur die Offshore-Zentren der Kategorien II (z.B. Andorra, Bermuda und
Monaco) und III (z.B. Liechtenstein und die Cayman-Inseln) könnten der globalen Finanzstabilität
schaden. Sie sollten darum ihre Regulierungsstandards und Informationspolitik den OFC der ersten
Kategorie angleichen. Der Internationale Währungsfonds solle sie dabei „unterstützen“ und regelmäßig überwachen. Mit dieser Einteilung in „gute und schlechte” OFC lässt die Arbeitsgruppe außer
acht, dass diese Finanzplätze mit dem Ziel geschaffen wurden, die Regulierung in westlichen Industrieländern zu umgehen. Das gilt auch für die „guten“ OFC. Selbst wenn alle in die erste Kategorie
aufsteigen würden, wären sie immer noch Schlupflöcher aus internationalen Regulierungsmechanismen. Hinzu kommt, dass keine Sanktionen vorgesehen sind, wenn die Vorschläge nicht umgesetzt
werden. Dennoch dürfte der Bericht Folgen haben – zumal auch die OECD im Juni 2000 eine eigene
schwarze Liste veröffentlicht hat, auf der sie „nicht-kooperative Jurisdiktionen“ aufführt, ie den „negativen Steuerwettbewerb“ begünstigen (OECD 2000a) und die sich zum Teil mit der schwarzen Liste des
FSF deckt. Am Beispiel Liechtenstein wird die Bedeutung solcher Listen deutlich: Staatschef Fürst
Hans-Adam protestierte heftig dagegen, dass sein Land als Offshore-Zentrum (und dann auch noch
der schlechtesten Kategorie) bezeichnet wurde. Die liechtensteinischen Banken reagierten auf die
Kritik mit der Ankündigung, in Zukunft solle es keine anonymen Konten mehr geben. Das exzessive
Bankgeheimnis wird jedoch nicht angetastet: „Ausländische Steuerbehörden werden auch in Zukunft
keine Informationen über die Kunden der liechtensteinischen Banken erhalten“ (HB: 20.7.2000). Damit
bleibt der Status Liechtensteins als Steuerparadies erhalten.
Den weitest gehende Vorschlag zur Vermeidung eines schädlichen Steuerwettbewerbs hat die Europäische Union auf ihrem Gipfel in Portugal im Juni 2000 beschlossen. Der gegen den Widerstand von
Luxemburg, Österreich und Großbritannien formulierte Kompromiss beschloss, ab dem Jahr 2010
eine gemeinsame Besteuerung von Kapitalertragszinsen einzuführen. Hierzu soll ein gegenseitiges
Informationssystem eingerichtet werden. Übergangsweise entschied man sich für die Einführung einer
europaweiten Quellensteuer von anfänglich 15%. Sowohl diese Übergangslösung als auch die für
2010 beschlossene europaweite Kapitalertragssteuer unterliegen jedoch ernsthaften Realisierungsproblemen. So macht etwa Luxemburg die Einführung der Kapitalertragssteuer davon abhängig, dass
wichtige Dritt-Staaten wie z.B. die Schweiz oder auch die USA, die nicht von dem EU-Beschluss betroffen sind, sich ebenfalls zu solchen Maßnahmen verpflichten (Attac-Deutschland 2001; Blue 21
2000) .
Auf die besondere Bedeutung von Offshore-Finanzzentren für kriminelle Handlungen deuten die Anstrengung der US-Administration hin, die Finanzquellen der Terroristen trocken zu legen, die für die
Anschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington verantwortlich sind. Die schwarze
Liste von Einzelpersonen und Gruppen, die im Verdacht stehen zum finanziellen Netzwerk des mutmaßlichen Terroristen Osama bin Laden zu gehören, deckt sich zum großen Teil mit einer schon länger bekannten Aufstellung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1999. Die Geschichte der UNKonvention „zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus“ zeigt aber auch, dass unzureichende
internationale Kooperation frühere Erfolge verhindert hat (FR vom 26.09.2001).
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Das Geld, das die Welt regiert
7.2.4. Ein „Verhaltenskodex“ für Hedge Funds
Das FSF hat auch die Risikofonds (highly leveraged institutions, HLI) und kurzfristige Kapitalströme
untersucht. Der Bericht zu den Risikofonds (in erster Linie Hedge Funds) benennt die systemischen
Gefahren, die von diesen hochspekulativen und weitgehend im Dunkeln arbeitenden Fonds ausgehen. Er empfiehlt unter anderem die Verbesserung des Risikomanagements sowohl bei den HLI als
auch bei ihren Kreditgebern – also Banken und andere Finanzinstitute –, eine Verschärfung der Bankenaufsicht, mehr Transparenz und einen freiwilligen „Verhaltenskodex“. Auf weitergehende Maßnahmen, z.B. die direkte Regulierung der Fonds und die Schaffung eines internationalen Kreditregisters, verzichtet die Arbeitsgruppe hingegen. Ohne eine direkte Regulierung sind die Empfehlungen
jedoch wenig wert. Denn Hedge Funds profitieren ja gerade davon, dass sie keine Rechenschaft über
ihre Aktivitäten ablegen müssen. Diesen Wettbewerbsvorteil werden ihre Besitzer und Manager nicht
freiwillig aufgeben. Der Bericht des FSF zum Thema Kapitalverkehr weist auf die Risiken kurzfristiger
Portfolio-Investitionen hin – was einen Fortschritt gegenüber der bislang vertretenen Meinung bedeutet, nach der jede Art des freien Kapitalverkehrs zu begrüßen sei und darum alle Schranken und Kontrollen abgebaut werden müssten. Die konkreten Vorschläge konzentrieren sich jedoch auf Maßnahmen in den Entwicklungs- und Schwellenländern: Empfohlen wird u.a. mehr Transparenz, bessere
Aufsichtsmechanismen, verbessertes Schulden- und Liquiditätsmanagement und die Förderung langfristiger Investitionen durch Schuldverschreibungen. Kapitalverkehrskontrollen werden hingegen skeptisch beurteilt – lediglich Zuflusskontrollen, wie sie Chile praktiziert hat (s. Kap. 8.3.), werden nicht
mehr grundsätzlich abgelehnt.
7.3. Fazit: Keine „neue Finanzarchitektur“ in Sicht
Trotz der zahlreichen Berichte, Verlautbarungen und Foren, die sich seit Jahren mit der Reform des
Finanzsystems beschäftigen, kann von einer „neuen Finanzarchitektur“ keine Rede sein. Obwohl z.B.
seit Jahren die stärkere Einbeziehung privater Investoren in die Kosten von Finanzkrisen (bail in, s.
Kap. 8.6.) gefordert wird, sind bislang keinen konkreten Schritte in diese Richtung vereinbart worden.
Mehr noch, die Ausführungen des Kommuniques des G7-Gipfels in Genau erwähnen mit keinem Wort
mehr, dass auf diesem Gebiet akuter Handlungsbedarf bestünde. Ganz zu schweigen von weitergehenden Vorschlägen, wie z.B. einer Stabilisierung des Wechselkursregimes, einer Beschränkung des
Kapitalverkehrs oder der Einführung einer Devisensteuer. „Die Vorschläge und Maßnahmen beschränken sich auf kosmetische Korrekturen, statt die großen Ideen umzusetzen, die nach der Asienkrise aufkamen... Der Schwerpunkt wurde auf teure Selbstverteidigungsmechanismen und größere
Disziplin in den Schuldnerländern verlegt ... Angemessene institutionelle Rahmenbedingungen auf
internationaler Ebene für die globale Regulierung von Kapitalströmen, internationale Liquiditätsversorgung unter akzeptablen Bedingungen und internationale Vereinbarungen über ein geregeltes Schuldenmanagement haben keine Resonanz gefunden“, stellt Yilmaz Akyüz, Chef-Ökonom der UNC-TAD
fest (Akyüz 2000:2). Die einseitige Konzentration auf Maßnahmen in den Ländern des Südens führt er
auf die internationalen Machtverhältnisse zurück. Veränderungen in den Entwicklungsländern zu erzielen ist viel eher möglich und auch vergleichsweise leicht durchzusetzen. Denn Entwicklungs- und
Schwellenländer sind fast ausnahmslos Schuldnerländer und den Geldgebern gegenüber in der
schwächeren Position (ebd. S. 3f). Sie sind zudem von der offiziellen Diskussion praktisch ausgeschlossen. Das einzige Gremium, an dem neben den Industrieländern auch einige Schwellenländer
10
beteiligt sind, ist das auf dem Kölner Gipfel ins Leben gerufene Forum G20 , das sich im Dezember
10
An der G 20 (Gruppe der 20) sind neben den G7-Staaten und der EU auch die Finanzminister und Notenbankchefs aus
Argentinien, Australien, Brasilien, China, Indien, Indonesien, Korea, Mexiko, Russland, Saudi Arabien, Südafrika und der Türkei
vertreten. Staaten wie Malaysia und Thailand, deren konkrete Erfahrungen mit Finanzkrisen sicher eine Bereicherung für die
Debatte sein könnten, sind nicht beteiligt. Kritiker vermuten, dass die G 20 vor allem einer erleichterten Umsetzung der Codes
und Standards dienen soll, die von den G7 ausgehandelt werden. (Kirton 1999)
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Das Geld, das die Welt regiert
1999 in Berlin konstituierte. Allerdings ist zu bezweifeln, dass die G20 die Interessen der Länder und
Menschen stärker einbringen können, die am stärksten von den negativen Folgen des heutigen Weltfinanzsystems betroffen sind. Diesbezügliche Versuche z.B. der UNCTAD oder UNDP sind bislang
jedenfalls gescheitert.
Schließlich scheint auch mit dem zeitlichen Abstand zum Crash in Asien das Interesse an Reformen
wieder abzuflauen. Sobald ein Problem keine Schlagzeilen mehr macht, lässt offenbar der Druck auf
die Entscheidungsträger nach, etwas zu verändern. Darauf deutet auch das Positionspapier des Bundesfinanzministeriums zur Debatte um eine neue internationale Finanzarchitektur hin (BMFi 2001a).
Trotz der zu begrüßenden und überfälligen Reaktion seitens der Bundesrepublik Deutschland zu diesem Thema sind die Vorschläge mehr als unzureichend. Außer bei den Ausführungen zu OffshoreFinanzzentren verharrt die Position des Finanzministeriums auf der These, dass die Liberalisierung
der Finanzmärkte die Stabilität des internationalen Finanzsystems stärke. Die Interventionen von ausgewiesenen Finanzmarktexperten werden ebenso wenig wahrgenommen wie die Komplexität der
internationalen Diskussion (s.a. Unmüßig/Wahl 2001).
Wesentlich differenzierter argumentiert dagegen die Enquete-Kommission „Globalisierung der Weltwirtschaft“. In dem Zwischenbericht der AG Finanzmärkte wird nicht nur die internationale Debatte
angemessen dargestellt, sondern auch Kapitalverkehrskontrollen und die Tobin-Steuer als mögliche
Instrumente einer Stabilisierung der internationalen Finanzmärkte angesehen (Bundestag 2001).
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die zunehmenden Irritationen in den transatlantischen Beziehungen zwischen den USA und der EU sich auch auf die Gestaltung der internationalen
Finanzinstitutionen auszuwirken beginnen. Insbesondere in Fragen des Umgangs mit OffshoreZentren kollidiert die politische Aktivität Deutschlands und der EU mit der im Mai 2001 gemachten
Aussage der neuen US-Administration unter George W. Bush, die OECD-Initiative die Vermeidung
schädlichen Steuerwettbewerbs nicht mehr zu unterstützen (Handelsblatt 92/2001 und 97/2001).
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Das Geld, das die Welt regiert
Devisenumsatzsteuer: Ein Konzept mit Zukunft11
Von Peter Wahl und Peter Waldow
1. Die Renaissance einer Idee
1972 schlug James Tobin, Nobelpreisträger für Wirtschaft 198112, die Besteuerung von internationalen Devisentransaktionen zur Stabilisierung der Wechselkurse und Unterbindung kurzfristiger Spekulation vor. Der Grundgedanke der häufig als Tobin Tax bezeichneten Steuer ist folgender: Jeder Devisentausch wird mit einer geringfügigen Steuer belegt, sowohl beim Kauf, als auch beim Verkauf einer
Währung. Tobin dachte an einen Steuersatz von 1%. Dadurch werden alle Devisentransaktionen, die
auf geringfügige Kursdifferenzen abzielen (insbesondere kurzfristige Spekulationen) unrentabel und
damit nicht mehr durchgeführt.
Bis in die 90er Jahre hinein spielte Tobins Vorschlag jedoch selbst in der engeren Fachdiskussion
keine Rolle. Erst 1995 wurde die Idee Tobins von Mitarbeitern des UN-Entwicklungsprogramms
(UNDP) aufgegriffen, wobei allerdings nicht die finanzpolitische Lenkungsfunktion, sondern der Ertrag
der Steuer und dessen Verwendung im Mittelpunkt des Interesses stand. Angesichts des kontinuierlichen Rückgangs der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) suchte man nach Wegen, neue Quellen für
die Entwicklungsfinanzierung zu erschließen.
Die Mexikokrise 1994, die Crashs in Südostasien, Russland und Brasilien und der durch eine spektakuläre Rettungsaktion des US-Finanzministeriums verhinderte Zusammenbruch des milliardenschweren Hedgefunds LTCM machten auch der Öffentlichkeit die Risiken deutlich, die die Volatilität13 und
Instabilität liberalisierter Finanzmärkte mit sich bringen. Seither gibt es die Diskussion um eine „Neue
Internationale Finanzarchitektur“, an der sich auf staatlicher Seite u. a. die G 7, der IWF, die Bank für
Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die UNCTAD und andere Internationale Organisationen
beteiligen.
Auf Vorschlag der G7 wurde 1999 eine Kommission gebildet, (Forum für Finanzmarktstabilität –
FSF14), die Vorschläge für eine Reform des internationalen Finanzsystems erarbeiten soll. Im ersten
Zwischenbericht des FSF vom April
200015 sind implizit auch selbstkritische Einsichten des finanzpolitischen Mainstreams zu finden. So
wird die Asienkrise, für die zuvor nur interne Ursachen, wie die Vetternwirtschaft des „crony capitalism“ oder schwache Aufsichtsbehörden verantwortlich gemacht worden waren, inzwischen auch auf
dem Hintergrund systemischer Risiken der internationalen Finanzmärkte interpretiert. So werden z. B.
die kurzfristigen Kapitalströme als Stabilitätsrisiko bewertet (FSF 2000:1).
11
Wenn auch nicht auf dem aktuellen Stand der Entwicklungen der letzten Jahre, bietet dieser Text einen Einstieg ins Thema,
einen guten Überblick über die Entwicklungen bis 2001. Kapitel 1 – 3 aus: Devisenumsatzsteuer: Ein Konzept mit Zukunft.
Herausgegeben von WEED – Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V. (2001)
12
Tobin erhielt den Nobelpreis für seine Analyse der Finanzmärkte und deren Beziehungen zu Investitionsentscheidungen,
Beschäftigung, Produktion und Preisen.
13
Volatilität bezeichnet das unvorhersehbare Auf und Ab der Kurse und Preise auf den Finanzmärkten.
14
Das FSF hat 40 Mitglieder: 25 Ländervertretungen (je 3 aus den G7 – Finanzministerium, Zentralbank und Aufsichtsbehörde
–, je 1 Vertreter aus Australien, Hongkong, Singapur und den Niederlanden), 6 Vertreter der internationalen Finanzinstitutionen
(IWF 2, Weltbank 2, OECD 1, BIZ 1), 6 Mitglieder aus Aufsichtsbehörden (Baseler Komitee für Bankenaufsicht 2, Internationale
Wertpapieraufsicht 2, Internationale Versicherungsaufsicht 2) und 2 Vertreter von Zentralbanken (je 1 vom Komitee für Zahlungssysteme und Abwicklungen sowie vom Komitee für das Internationale Finanzsystem).
15
www.fsforum.org/Reports/Home.html
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Das Geld, das die Welt regiert
Vor diesem Hintergrund erlebt die Idee Tobins eine Renaissance. Sein Ansatz wurde inzwischen von
anderen Autoren modifiziert
16
und Varianten wurden entwickelt, die den heutigen Rahmenbedingun-
gen auf den Finanzmärkten Rechnung tragen. Gleichzeitig mehren sich die Stimmen aus Politik, Zivilgesellschaft und akademischem Milieu, die sich für eine der Tobin-Steuer ähnlichen Devisenumsatzsteuer einsetzen:
• In den Parlamenten Frankreichs, Belgiens, Kanadas und der USA wurden Anfragen und Anträge eingebracht, die eine Devisenumsatzsteuer befürworten, oder eine Prüfung ihrer Machbarkeit fordern.
• Auch die Grünen im Bundestag brachten 1994 einen Antrag ein, in dem eine Devisenumsatzsteuer gefordert wird. Der Antrag wurde von der Kohl-Regierung damals abgelehnt. Auch die
17
PDS tritt für eine Devisenumsatzsteuer ein.
• Im Europaparlament ist ein Antrag zur Unterstützung der Tobin Tax im Januar 2000 mit nur vier
Stimmen Mehrheit abgelehnt worden.
• Einem internationalen Parlamentarieraufruf für die Tobin Tax haben sich bisher über 500 Abgeordnete angeschlossen.
• Der indische Regierungschef Vajpayee hat sich für eine Gebühr auf Kapitalflüsse zwischen Industrieländern und auf Gewinntransfers aus Entwicklungsländern ausgesprochen. Die Einnah18
men sollen einem globalen Fonds zur Armutsbekämpfung zur Verfügung gestellt werden.
• Die finnische Regierung befürwortet in ihrer Koalitionsvereinbarung ebenfalls die Besteuerung
von Devisentransaktionen.
• Die Vereinten Nationen haben mit der Stimme der Bundesregierung eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die u. a. die Realisierungsmöglichkeiten einer Devisenumsatzsteuer (Currency Transacti19
on Tax – CTT) untersuchen soll.
• Ein Papier des Wirtschafts- und Sozialrats der UN spricht sich ebenfalls für eine solche Steuer
20
aus.
• Im Vorbereitungsprozess der UN-Konferenz „Financing for Development“ (FFD), die 2002 stattfinden wird, ist die Steuer eines der meistdiskutierten Themen.
• Eine wissenschaftliche Studie des IWF hält eine Variante der Tobin Tax (sog. cross border ca21
pital tax) für einen sinnvollen Beitrag zur Stabilisierung des internationalen Finanzsystems.
• George Soros, Chef des milliardenschweren „Quantum Fund“ und einer der prominentesten
Spekulanten auf den internationalen Finanzmärkten, plädiert auf der Grundlage seiner Insider22
kenntnisse für die Tobin-Steuer.
• Der Weltrat der Kirchen hat sich bereits 1998 für die Besteuerung von Devisentransaktionen
ausgesprochen.
In zivilgesellschaftlichen Beiträgen zur Diskussion um eine Reform des internationalen Finanzsystems
spielt die Forderung nach Einführung einer Besteuerung von Devisentransaktionen – häufig unter dem
16
Insbesondere wird der Steuersatz von 1% für zu hoch gehalten. Er würde nicht nur die unerwünschten kurzfristigen Transak-
tionen unterbinden, sondern zu einer drastischen Einschränkung von Liquidität überhaupt führen.
17
S. Antrag der PDS vom 23-04-1999 zur Einführung der Tobin Tax (BT Drucksache 14/840)
18
Times of India 8/2/2001, zitiert nach: War on Want (www.waronwant.org). Der Vorschlag aus Indien nimmt vielen Kritikern der
Tobin-Tax das Argument aus der Hand, die Entwicklungsländer selbst wollten eine solche Steuer nicht.
19
Die Expertengruppe wird vom ehemaligen mexikanischen Präsidenten Zedillo geleitet. Ihr gehören u. a. Jacques Delors,
ehemaliger Präsident der Europäischen Kommission, Robert Rubin, ehemaliger US Finanzminister oder David Bryer, Director
von OXFAM an.
20
„Eine einheitliche, global koordinierte Steuer auf Devisentransaktionen sollte weiterhin ernsthaft in Erwägung gezogen wer-
den.“ (Clunies-Ross 2000:7)
21
Zee, Howell H., Retarding short term capital inflows through a withholding tax, IMF working paper 00/40, Washington. Zee
plädiert für eine Besteuerung aller Kapitalimporte, auf die eine Quellensteuer erhoben werden soll, die an das nationale Finanzamt abgeführt wird. Inländische Kapitalimporteure erhalten eine Steuergutschrift, die dann mit anderen Steuern verrechnet
werden kann.
22
So erst jüngst wieder bei einer Fernsehdiskussion im Rahmen des Davoser Weltwirtschaftsforums Januar 2001.
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Das Geld, das die Welt regiert
- 16 -
Stichwort „Spekulationssteuer“ – eine große Rolle. Motor der Bewegung für eine Regulierung der
Finanzmärkte für eine sozial gerechte und umweltverträgliche Entwicklung ist die 1998 in Frankreich
gegründete Organisation ATTAC (Association pour une Taxation des Transactions financières pour
l´Aide aux Citoyens), deren Aktivitäten sich zahlreiche Initiativen in Europa, Nordamerika und in Entwicklungsländern angeschlossen haben.
Jüngstes Beispiel für die wachsende Zustimmung zur Besteuerung internationaler Kapitalflüsse ist die
gemeinsame Erklärung des DGB und des Dachverbands der US-Gewerkschaften, AFL-CIO, in der
neben stabilen Wechselkursen zwischen EURO, Dollar und Yen und Kapitalverkehrskontrollen auch
„die Besteuerung von Devisengeschäften“ gefordert wird.
23
Der wachsenden Aufmerksamkeit für die Tobin Tax und ihre Varianten steht allerdings auch eine starke – mitunter aggressive – Ablehnungsfront gegenüber. Der Wirtschaftsnobelpreisträger von 1999
24
Robert Mundell bezeichnete sie als „idiotische Idee.“
Im wirtschaftspolitischen Mainstream und sei-
nem akademischen Umfeld wird die Steuer als schädlich, unwirksam oder nicht praktikabel bezeichnet. In den o. g. Vorbereitungsverhandlungen der UN-Konferenz FFD ist über den Begriff Tobin Steuer
auf amerikanischen Druck hin ein regelrechtes Tabu verhängt worden. Es wird peinlich genau darauf
geachtet, dass er in keinem UN-Dokument auftaucht. Ebenfalls auf Druck der USA mussten die Publikationen von Mitarbeitern der UNDP, in denen die Steuer befürwortet wird, als private Äußerungen
deklariert werden.
25
Das Bundesfinanzministerium hat in einer Stellungnahme für die Enquête-Kommission „Globalisierung“ des Bundestags eine recht differenzierte Stellungnahme abgegeben. Zwar stellt das Papier am
Schluss fest, die „volkswirtschaftlichen Nachteile [der Tobin Steuer; P.W.] dürften durch die vermuteten Vorteile nicht kompensiert werden.“ Implizit wird aber konzediert, dass Wechselkursschwankungen problematisch sind. Unter Hinweis auf den EURO, mit dem es „zu keinerlei Wechselkursschwankungen mehr kommen kann“ heißt es: „Ein System fester Wechselkurse bzw. im Extremfall eine
einheitliche Währung machten somit die Einführung einer Tobin-Steuer überflüssig.“ (BMF 2000: 12)
26
Der heftige Widerstand gegen eine Steuer auf Devisenumsätze verweist darauf, dass bei diesem
Thema massive Interessen im Spiel sind. In der Tat würden bei der Einführung der Steuer Renditemöglichkeiten in mindestens zweistelliger Milliardenhöhe entfallen und bei den weiter stattfindenden
Transaktionen um die Höhe der Steuer vermindert (s. ausführlicher Kapitel 9).
2. Das Problem: Kurzfristige Kapitalanlagen als Stabilitätsrisiko
Die Liberalisierung des Finanzsektors nach der Auflösung des Währungssystems von Bretton-Woods
hat dazu geführt, dass sich die weltweiten Devisenumsätze von 70 Mrd. US-Dollar 1970 auf heute 1,5
Billionen US-Dollar börsentäglich erhöht haben (Jahresumsatz: 360 Billionen US-Dollar). Das ist ein
Zuwachs um mehr als 2.000 Prozent. Von diesen 1,5 Billionen sind laut Bank für Internationalen Zahlungsausgleich mehr als 80 Prozent Anlagen mit einer Laufzeit von sieben Tagen oder kürzer (sog.
27
Round trip financial flows).
Diese 80 Prozent haben also nichts mehr mit realwirtschaftlichen Aktivitäten, mit Handelsgeschäften,
Investitionen zu tun, sondern haben sich völlig davon abgelöst (s. Grafik 1).
23
DGB, Pressemitteilung PM 025, 30.01.2001:, „AFL-CIO und DGB für stärkere Kontrolle internationaler Finanzmärkte“
(www.dgb.de)
24
Interview von Robert Mundell in der französischen Zeitung Libération vom 3.7.2000: „La Taxe Tobin est une idée idiote”
25
So z. B. die umfangreichste Studie zur Tobin Tax von Ul Haq u. a. (s. Literaturverzeichnis)
26
Die Einwände, die das BMF im einzelnen gegen die Tobin-Steuer vorträgt, sind allerdings nicht auf dem gegenwärtigen Stand
der Diskussion. (s. Kapitel 5 und 7)
27
BIZ Jahresbericht 1998
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Das Geld, das die Welt regiert
Die 80% der täglichen Devisenumsätze (= 1,2 Billionen USDollar) sind Gelder, mit denen
geringfügigste Kursschwankungen
selbst unterhalb der Promillegrenze für kurzfristige Geschäfte ge28
nutzt werden.
Wenn beispiels-
weise eine Bank 100 Mio. EURO
29
in einem Arbitrage-
oder speku-
lativen Intratagesgeschäft (Hinund Rücktransfer innerhalb eines
Tages) einsetzt, das 0,1% Rendite
verspricht, dann sind das immerhin noch 100.000 EURO, die per
Mausklick und buchstäblich im
Handumdrehen verdient werden
können. Demgegenüber belief sich das Volumen des Welthandels für 1998 auf insgesamt 6,9 Billionen US-Dollar und das aller ausländischen Direktinvestitionen auf 619 Milliarden US-Dollar (Weltbank
2000). Das macht zusammen 2% des jährlichen Devisenumsatzes aus. Selbst wenn man weitere
Transaktionen im Zusammenhang mit realwirtschaftlichen Aktivitäten, wie die Absicherung von Handelsgeschäften und Investitionen gegen Wechselkursrisiken (Hedging) dazurechnet, sowie die Möglichkeit einkalkuliert, dass ein Teil der kurzfristigen Finanzen durch kontinuierliche Verlängerung de
facto langfristige Anlagen sein können, bleibt dennoch eine hohe, im Wesentlichen spekulationsbedingte Überliquidität.
30
Liquidität ist nicht per se ein Problem. Im Gegenteil, sie ist notwendig um ein
reibungsloses Funktionieren von Handel, Realinvestitionen und internationalen Kreditbeziehungen zu
gewährleisten. Überliquidität heißt jedoch, dass es über dieses benötigte Maß an Liquidität hinaus ein
Kapitaltransaktionsvolumen gibt, das keine realwirtschaftliche Funktionen mehr übernimmt. Auf den
heutigen Finanzmärkten gilt dies für den größten Teil aller Devisenumsätze.
Die Überliquidität führt zu zwei miteinander verkoppelten Problemen:
a) sie erhöht die Volatilität der Wechselkurse,
b) sie ist schon allein wegen der riesigen Masse und des Tempos der bewegten Gelder per se ein
Stabilitätsrisiko.
Indem sich die Finanzflüsse von der realwirtschaftlichen Grundlage abgelöst haben, ist ein selbstreferentielles System entstanden, d. h. die Kurse werden nicht mehr durch Anlageerwartungen bestimmt,
die sich an den ökonomischen Basisdaten (Fundamentals) orientieren, sondern bilden sich nur noch
durch die kurzfristigen Renditeerwartungen privater Finanzmarktakteure (vor allem Banken, Versicherungen und Fonds). Deren Transaktionen rufen dann unvorhersehbare Ausschläge der Wechselkurse
hervor. Dies wiederum ist die Grundlage für das Interesse der Händler, die selbst erzeugten Schwankungen erneut für die Erzielung von Renditen ausnutzen.
28
Die grundlegende Rechnungseinheit in der Branche ist der Basispunkt (BP). Ein Basispunkt sind 0,01 Prozent.
29
Arbitrage ist die Ausnutzung einer kurzfristig bestehenden Differenz bei Zins, Wechsel- oder Wertpapierkursen auf verschie-
denen Märkten. Wenn z.B. der Wechselkurs des Dollar in Hong Kong für einige Stunden von dem an der Wallstreet verschieden ist, kann diese Differenz für ein schnelles Devisengeschäft genutzt werden.
30
Exakte Daten darüber, wie sich die kurzfristigen Finanzströme zusammensetzen, existieren nicht. Diese Unkenntnis ist
systembedingt, da das Bank- und Geschäftsgeheimnis eine der striktesten Regeln der Branche ist. Allenfalls nationale Aufsichtsbehörden könnten stichprobenartig Genaueres herausfinden. Deren Fähigkeit zur effektiven Kontrolle der privaten Finanzmarktakteure verhält sich allerdings wie das des sprichwörtlichen Hasen zum Igel.
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Als Konsequenz des Prinzips von Angebot und Nachfrage führt die Überliquidität darüber hinaus dazu, dass kurzfristige Kredite attraktiver werden als langfristige. Selbst tatsächlich langfristige Kredite
31
werden dann durch Roll-over
fortlaufend aus kurzfristigen zusammengestückelt. Allerdings ist die
Kehrseite dieser Entwicklung, dass damit die Stabilitätsrisiken wieder zunehmen. Denn kurzfristige
Kredite können auch kurzfristig abgezogen werden, wobei rasch ein Dominoeffekt entstehen kann.
Dies war z. B. der Fall bei der Krise des LTCM Fonds.
Aus alle dem entsteht ein sich selbst verstärkender, positiver Rückkopplungsprozess. Die Volatilität
schafft sich ihre eigenen Grundlagen immer aufs Neue. Die Extrapolation kurzfristiger Wechselkursänderungen im Kalkül der Marktteilnehmer verstärkt die Verzerrungen und Volatilität des Wechselkurses. Aus der kurzfristigen Erwartungshaltung bauen sich dann längerfristige Erwartungen auf.
32
Aus
der alltäglichen Spekulation kann dann eine Spekulationsblase entstehen, die irgendwann zur Krise
führt. (Arestis/Sawyer 1997: 753ff)
Während die neoliberale Logik sich auf die effiziente Allokation von Kapital konzentriert und die Probleme ausblendet, die aus der Kurzfristigkeit von Anlagen resultieren, weisen neuere Arbeiten zunehmend auf diesen Aspekt hin (de Brunhoff/Jetin: 2000), Frenkel/Menkhoff: 2000). Denn Kurzfristigkeit
impliziert auch eine Einschränkung der Zeiträume, in denen Entscheidungen getroffen werden können
und führt somit zu verstärkter asymmetrischer Informationsverteilung, die schließlich zu rational nicht
zu mehr zu begründendem Anlageverhalten führt.
33
Dies führt seinerseits zu einer ineffizienten Kapi-
talallokation. „Abrupte Portfolioanpassungen können zum plötzlichen Versiegen oder zur Umkehr von
Finanzflüssen und zu einem scharfen Wechsel der Vermögenswerte führen“ (FSF 2000:1). In der
Praxis drückt sich dies im vielfach zitierten Herdenverhalten der Anleger aus, das durch den überwie34
gend Computer gestützten Handel noch verstärkt wird.
Das entscheidende Argument, mit dem der
Sinn kurzfristiger Anlagen begründet wird, die hohe Allokationseffizienz, ist also hinfällig.
Auf Seiten der Aufsichtsbehörden und Zentralbanken wird die Reaktionszeit für staatliches Krisenmanagement, z.B. für Notenbankinterventionen zur Stützung eines Kurses, ebenfalls extrem kurz (BIZ,
1999: 8ff u. 165ff). In Kombination mit den riesigen Summen, die in kürzester Zeit verfügbar gemacht
werden können, ist das Interventionspotential von Zentralbanken im Krisenfall oder bei einer spekulativen Attacke selbst bei Volkswirtschaften mittlerer Größe zu gering.
Die Überliquidität an kurzfristigen Kapitalströmen führt also dazu,
a) dass die Rahmenbedingungen für Handel und Investitionen instabil werden. Die Volatilität der
Wechselkurse erschwert betriebswirtschaftliche Planung und verursacht zusätzliche Kosten, weil
sie Maßnahmen zur Absicherung gegen die Schwankungsrisiken erfordert. Stabile Wechselkurse
dagegen bilden ein günstiges Umfeld für Außenhandel, Auslandsinvestitionen und internationale
Kreditbeziehungen. Vor allem die verwundbaren Volkswirtschaften der Entwicklungsländer sind
31
Roll over ist eine weitverbreitete Finanzierungsmethode, bei der kurzfristige Finanzkontrakte kontinuierlich immer wieder
verlängert werden. Aus der Interessenlage der Anleger ist dies günstig, da die permanente Ausstiegsoption das Risiko mindert,
während aus volkswirtschaftlicher Sicht die Methode ein erhöhtes Stabilitätsrisiko enthält.
32
Der Kursverfall des EURO gegenüber dem Dollar um ein Drittel innerhalb eines Jahres wird niemand ernsthaft als ein real-
ökonomisches Absacken der EU in dieser Größenordnung werten. Umgekehrt liegt der Kurs des Yen sehr hoch, obwohl die
japanische Wirtschaft sich seit zehn Jahren in einer Rezession befindet.
33
Das Problem des irrationalen Verhaltens der Marktakteure spiegelt sich im „noise trading” wider, bei dem volkswirtschaftlich
irrelevante Daten (Chart-Analyse) oder rational nicht begründete extreme Risikobereitschaft das Entscheidungskalkül der
Händler bestimmt (vgl. Frenkel/Menkhoff, 2000: S.6f)
34
Mit Herdenverhalten ist die wechselseitige Verhaltensorientierung der Akteure auf den Finanzmärkten gemeint, die zu gleich-
gerichteten Handlungen – Verkäufe, Käufe – führt. In der Praxis übernehmen ein paar Dutzend Fonds(-manager) für die große
Herde die Leitfunktion. Verstärkt wird das Herdenverhalten noch durch die Computerisierung. Die Logik der Programme beruht
darauf, bei steigenden Kursen zu kaufen und bei sinkenden zu verkaufen. Da alle die mehr oder minder gleichen Programme
benutzen, wird das prozyklische Verhalten der Marktteilnehmer potenziert.
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Das Geld, das die Welt regiert
35
auf kalkulierbare währungspolitische Rahmenbedingungen angewiesen, aber nicht nur sie.
Auf-
grund ihrer hohen Auslandsverschuldung sind für die Entwicklungsländer stabile Wechselkurse
äußerst auch wegen eines berechenbaren Schuldendienstes wichtig;
b) dass spekulative Blasen entstehen, die sich bis zu einem Crash aufschaukeln können;
c) dass die Verwundbarkeit gegen Krisen aus anderen Gründen, darunter auch politische, zunimmt.
Denn sobald das Vertrauen der Anleger, aus welchen Gründen auch immer, erschüttert wird, können sie ihre Anlagen sofort abziehen.)
Wären von der Instabilität der Finanzmärkte und den Krisen nur jene betroffen, die sich verspekuliert
haben, so könnte man die Crashs als periodisch fällige Marktbereinigung in Kauf nehmen. Aber obwohl die spekulativen Geschäfte der Banken und Fonds sich von der realwirtschaftlichen Basis abgelöst haben, schlagen Krisen durchaus doch wieder auf die Realwirtschaft und damit auf die gesamte
gesellschaftliche Entwicklung zurück. Durch die Krisen in Mexiko, Südostasien, und Brasilien haben
Millionen von Menschen, die nie ein Devisengeschäft getätigt haben, Einkommensverluste
erlitten, wurden arbeitslos und mussten sozialen Abstieg in Kauf nehmen. Auch in Entwicklungsländern, die keine Finanzmarktaktivitäten aufzuweisen haben, ist infolge der Ansteckungseffekte der
Finanzkrisen ein Wachstumseinbruch zu verzeichnen gewesen (World Bank 1999).
Selbst das FSF sieht die „Risiken und potentiellen Kosten, insbesondere bei kurzfristigen Finanzflüssen“ (FSF 2000:1) und tritt für eine Reduzierung der Volatilität ein. Man stellt fest, dass „das Krisenrisiko durch Faktoren gestiegen zu sein scheint, die, absichtlich oder unabsichtlich, das Muster von
Kapitalflüssen zur Konzentration auf kurzfristige Anlagen hin verzerren, was wiederum zu roll-over
Risiken führt, da die Anlagen leichter wieder abgezogen werden können. „Solche potentiellen Verzerrungen sollten identifiziert werden, und es sollte umgehend darauf geachtet werden, sie angesichts
der zusätzlichen Volatilität, die sie hervorrufen könnten, zu beenden.“ (FSF 2000:1)
36
Zur Stabilisierung des internationalen Finanzsystems müssen daher die kurzfristigen Kapitalbewegungen (sog. hot money), die keine realwirtschaftliche Funktion übernehmen, vermieden werden. Genau
an diesem Punkt setzt der Vorschlag einer Devisenumsatzsteuer an.
3. Die ökonomische Logik einer Devisenumsatzsteuer
Der größte Teil der Devisenumsätze hat den Zweck, kurzfristige Kursdifferenzen im Bereich von
Zehntausendstel bis Tausendstel Prozent zu nutzen. Bei einem entsprechend hohen Einsatz in vielfacher Millionenhöhe lassen sich auf diese Weise ohne großen Aufwand beträchtliche Renditen erzielen. Eine geringfügige Besteuerung auf diese Transaktionen würde einen Teil dieser Transaktionen
unrentabel machen. Sie würden eingestellt. Die Höhe des Rückgangs hängt hauptsächlich von der
Höhe des Steuersatzes und der erwarteten Reaktion der Marktteilnehmer (Elastizität der Nachfrage)
ab. Bei einem Steuersatz von 0,25% ginge das Transaktionsvolumen nach Schätzungen von Felix
und Sau im Höchstfall um 33% zurück (Felix/Sau, 1996: 243).
Die Steuer würde im wesentlichen folgendermaßen funktionieren:
• erhoben würde die Steuer auf jeden Devisenaustausch am Kassa- und Terminmarkt,
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35
Im Grunde treffen hier alle Argumente zu, mit denen die Einführung des EURO, der ja letztlich nichts anders ist als die defini-
tive Abschaffung aller Wechselkursprobleme, begründet wird. Japanische Unternehmen z. B., die vor Jahren Niederlassungen
in Großbritannien gegründet haben, drängen deshalb darauf, dass sich das Land der Eurozone anschließt.
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Die Einsichten des FSF gehen in dieser Frage weiter als die des Bundesfinanzministeriums, das sich in seiner Stellungnahme
zur Tobin Steuer darauf zurückzieht, dass es „bislang keine eindeutige Antwort“ auf die Frage gebe, ob Spekulation auch ursächlich für Finanzkrisen sei. (BMF 2000:6)
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Kassamarkt = Markt für Wertpapiere, Devisen oder Waren, an dem Abschlüsse sofort oder sehr kurzfristig erfüllt werden
müssen. Termingeschäft = wenn bei Waren-, Devisen- und Effektengeschäften die Lieferung und Bezahlung der gehandelten
Werte nicht am Tage des Vertragsschlusses, sondern in der Zukunft erfolgt.
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Das Geld, das die Welt regiert
• Steuerpflichtig sind alle Finanzmarktakteure mit Ausnahme von Zentralbanken, Regierungen
und internationalen staatlichen Organisationen,
• Bemessungsgrundlage ist der Nominalwert der Transaktionen,
• Die Steuer sollte mindestens die drei wichtigsten Währungen, Dollar, Yen und EURO erfas38
sen,
• die Steuer fällt sowohl beim Kauf als auch beim Verkauf einer Währung an, d. h. ein einmaliger
Hin- und Rücktransfer (Round trip) würde bei Zugrundelegung eines Steuersatz von 0,5% mit
einem Prozent besteuert.
Hinsichtlich der Höhe der Steuer gibt es unterschiedliche Vorschläge, die in jüngster Zeit aber alle in
einem Spektrum von 0,05% bis 0,5 (5 bis 50 Basispunkte) konvergieren. Es setzt sich zunehmend die
Auffassung durch, dass ein eher niedriger Satz den Lenkungszweck erreicht, während Tobins Ursprungsvorschlag von 1% wahrscheinlich zuviel Liquidität vom Markt nähme. Die Festlegung der optimalen Höhe ist schwierig. Es müssten dafür ökonometrischen Prognosen für verschiedene Szenarien erstellt werden. Das ist sehr aufwendig und teuer. Im Zuge der politischen Debatte um die Reform
des internationalen Finanzsystems ist deshalb die Forderung an Regierungen zu richten, die Mittel für
eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Allerdings sind solche Berechnungen
immer mit Unsicherheitsfaktoren behaftet. Das Moment der Unberechenbarkeit gehört ja gerade zum
Wesen der internationalen Finanzmärkte. Insofern wäre es im Falle einer Implementierung ohnehin
sinnvoll, die Wirkungsweise der Steuer durch einen niedrigen Einstieg, der dann je nach Reaktion der
Märkte flexibel hochgefahren werden kann, in der Praxis zu erproben.
3.1. Die Filterfunktion einer Devisenumsatzsteuer
Durch die Besteuerung werden alle Devisentransaktionen teurer, unabhängig davon, ob es sich um
eine Realinvestition mit einer Laufzeit von 10 Jahren oder um eine Spekulation im Intratagesgeschäft
handelt. Der Clou dabei ist aber nun, dass durch die unterschiedlichen Laufzeiten die Effekte auf die
unterschiedlichen Geschäfte auch sehr unterschiedlich sind. Ein Handelsgeschäft wird zunächst einmal zwar geringfügig verteuert, bleibt aber angesichts des geringen Steuersatzes weiterhin rentabel.
Auf der anderen Seite werden Absicherungsmaßnahmen gegen Wechselkursrisiken, die unter den
gegenwärtigen Bedingungen hoher Volatilität ebenfalls Geld kosten, geringer ausfallen müssen, sodass der Aufschlag durch die Steuer wieder kompensiert wird. Erst recht gilt dies für Investitionen mit
mehrjähriger Laufzeit. Man nennt das „degressive Struktur“ einer Steuer. Devisentransaktionen, die
sich auf diese Geschäfte beziehen, werden auch weiterhin stattfinden.
Ganz anders dagegen die kurzfristigen
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Spekulations- und Arbitragegeschäfte.
Während bei einer langfristigen Realinvestition der einmalige Abschlag sich in
zu vernachlässigender Größenordnung
auf den Gewinn auswirkt, bekommt die
Steuer bei kurzfristigen Anlagen einen
prohibitiven Charakter. Erst wenn die
Gewinnmarge über der einbehaltenen
Steuer liegt, wird ein Devisengeschäft
wieder rentabel. In Tabelle 1 wird diese
38
Zur Möglichkeit einer Devisenumsatzsteuer ohne die USA s. Kapitel 8
39
Dass Arbitragegeschäfte mit einer Rentabilitätsgrenze bis zur Höhe der Devisenumsatzsteuer ebenfalls unterbunden werden,
ist kein Schaden, da sie ohnehin nur einen kurzfristigen Ausgleich der Kurse bewirken. Gleichzeitig sind sie aber für die Volatilität der Märkte mitverantwortlich. Auch ohne Kurzfristarbitrage wird es zu einem Gleichgewicht der Devisenpreise an den unterschiedlichen Handelsplätzen kommen.
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Das Geld, das die Welt regiert
Rentabilitätsschwelle in unterschiedlichen Szenarien dargestellt. Demnach müssten bei fortlaufenden
Anlagen mit Wochenfrist und bei einem Steuersatz von 0,5% mehr als 52% Jahresrendite zu verdienen sein, um diese Transaktionen rentabel durchführen zu können.
Mit anderen Worten, eine Devisenumsatzsteuer wirkt wie ein Filter. Sie hält das unerwünschte „hot
money“ zurück, ist aber durchlässig für Handelsgeschäfte, langfristige Investitionen und andere auf
realwirtschaftliche Vorgänge bezogene Transaktionen. Die Überliquidität wird abgebaut und es tritt
eine Entschleunigung der Kapitalströme ein, ohne dass Liquidität als solche verschwände oder die
Transaktionen gänzlich unterbunden würden. Tobin selbst sprach davon, „Sand ins Getriebe zu werfen“, nicht aber das Getriebe selbst zum Stillstand zu bringen.
Die Steuer erreicht über den Degressionsmechanismus, dass zwischen realwirtschaftlichen Investitionen und spekulativen Transaktionen nicht gezielt unterschieden werden muss, was in der Praxis ohnehin so gut wie unmöglich ist, und trägt so dazu bei, realwirtschaftliche Investitionen attraktiver zu
machen. Vor allem die Entwicklungsländer, die in besonderem Maße auf ausländische Direktinvestitionen angewiesen sind, würden davon profitieren.
3.2. Stabilisierende Wirkung einer Devisenumsatzsteuer
Die Degression führt zu einer automatischen Anpassung der Fristigkeit der Devisenströme. Damit
stabilisiert eine Devisenumsatzsteuer generell die Finanzmärkte und speziell kleinere Volkswirtschaften und Entwicklungsländer, denn:
• die destabilisierende Überliquidität der Finanzmärkte würde abgebaut, indem die „alltägliche“
Spekulation und deren volatilitätserzeugende Wirkung unterbunden wird, ohne dass Liquidität
als solche in Frage gestellt würde; selbst bei einem Abbau von 50% der aktuellen Devisenumsätze wären die Märkte noch weitaus liquider als in den 80er Jahren. Händler und Investoren
würden ausreichend Möglichkeiten finden, ihre Geschäfte gegen Risiken abzusichern;
• durch den Rückgang der kurzfristigen Transaktionen entfällt für Händler der Anreiz, auf Kursanstiege bzw. -rückgänge zu spekulieren. Damit werden auch Spekulationsblasen, die durch langsames Aufschaukeln kurzfristiger Erwartungen entstehen, nicht mehr möglich. Die Steuer hätte
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somit auch eine krisenvorbeugende Dimension;
• von der Verminderung des Krisenrisikos würden insbesondere Entwicklungsländer profitieren,
deren Volkswirtschaften in besonderem Maße durch Schocks und Krisen verwundbar sind;
• die Verteuerung kurzfristiger Transaktionen würde auch kurzfristige Kredite verteuern und deren
Bevorzugung vor langfristigen Kontrakten reduzieren. Damit würden die systemischen Risiken,
die dem „short term lending“ der kurzfristigen Kreditvergabe, entspringen, verringert. Dies wäre
vor allem für Entwicklungsländer mit ihren besonderen Vulnerabilität gegenüber ökonomischen
Schocks von Bedeutung;
• entwicklungspolitisch bedeutsam wäre auch der generelle Zugewinn an Stabilität. Sowohl der
Außenhandel als auch die Kreditbeziehungen der Entwicklungsländer gewännen eine größere
Berechenbarkeit. Zudem ist der mit der Steuer zu erwartende Anstieg von Auslandsinvestitio41
nen gerade für die Entwicklungsländer von Vorteil.
• Notenbanken könnten – ebenfalls in Grenzen – die Geldpolitik wieder als Instrument makroökonomischer Steuerung einsetzen, ohne dass es unmittelbar zu Kapitalabzug käme. Zinssenkungen zur Ankurbelung des Investitions- und Konsumverhaltens könnten – in Grenzen und zeitlich
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beschränkt – nationalstaatlich autonom durchgeführt werden.
40
Manche Ökonomen sehen darin sogar die Hauptfunktion der Steuer (vgl. Arestis/Sawyer, 1997: 760);
41
Im Rahmen dieses Textes kann nicht auf die Probleme eingegangen werden, die aus der Perspektive nachhaltiger Entwick-
lung häufig mit Direktinvestitionen verbunden sind.
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Die geldpolitische Autonomie ist jedoch mittelfristig beschränkt (bei einem Unterschied von 2 % der langfristigen Kapital-
marktzinsen und einem Devisensteuersatz von 0,25 % werden 3-Monatsanlagen wieder rentabel) und birgt überdies die Gefahr,
dass der Zinsunterschied neue spekulative Kapitalströme auslöst (vgl.: M.Kulessa, 1996:95).
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Das Geld, das die Welt regiert
3.3. Kein Allheilmittel
Trotz ihrer Vorzüge ist eine Devisenumsatzsteuer kein Allheilmittel, mit dem alle Probleme und Risiken des internationalen Finanzsystems zugleich bearbeitet werden könnten. Das war auch nie ihr
Anspruch. Die Steuer sei eine „Schönwettersteuer“, ein Instrument, mit dem spekulative Attacken und
Krisen nicht verhindert werden könnten, so lautet eine verbreitete Kritik. In der Tat, die Steuer bezieht
sich auf Zeiten des „normalen“ Funktionierens der Finanzmärkte. Gegen eine überraschende spekulative Attacke beispielsweise, bei der in kurzer Zeit Profite von 10%, 20%, oder, wie im Falle der Asienkrise, sogar von 40% (Thailand) bis 60% (Indonesien) zu erzielen sind, ist sie tatsächlich ungeeignet.
Finanz- und Währungskrisen können unterschiedliche Ursachen oder auch ganze Bündel von Ursachen haben. Nicht immer muss Spekulation im Spiel sein. So ist die Mexikokrise 1994 durch das Sicherheitsverständnis US-amerikanischer Pensionsfonds, die ihre Anlagegelder abrupt und nach dem
klassischen Muster von Herdenverhalten abzogen, ausgelöst worden. Die Russlandkrise wurde primär
durch das marode nationalen Finanzsystem und das unkontrollierte nationale Budgetdefizit verursacht. In beiden Fällen hätte eine Devisenumsatzsteuer wenig bewirkt. Ein begrenzte Wirkungsradius
gilt ja auch für andere finanzpolitische Instrumente. So werden die Vorschläge des FSF zur Verbesserung von Information, Transparenz und Bankenaufsicht, die im finanzpolitischen Mainstream auf allgemeine Zustimmung stoßen, noch weit weniger als eine Devisenumsatzsteuer in der Lage sein, Krisen zu verhindern.
Kommt es zu einer solchen Krise, helfen in der Regel nur durchgreifende administrative Kapitalverkehrskontrollen (KVK) bis hin zur Schließung von Banken und Börsen.
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Noch besser aber wäre es,
das Entstehen von spekulativen Blasen vorbeugend wirksam blockieren zu können. Paul Bernd
Spahn, Professor für öffentliche Finanzen an der Universität Frankfurt/M., hat dazu einen interessanten Vorschlag gemacht (Spahn 1996). Demnach soll die Tobin-Steuer mit einer zweiten Steuer ergänzt werden (zweistufige Steuer). Er schlägt dazu in Anlehnung an das Europäische Währungssystem (1979-1995) die Festlegung eines Wechselkurskorridors vor, innerhalb dessen ähnlich wie bei der
Tobin-Steuer Transaktionen sehr gering besteuert
werden (0,02%). Der Leitkurs eines solchen Korridors würde täglich von
der Zentralbank auf der
Grundlage der Wechselkurse der jeweils vorherigen 20 Tage festgelegt.
Sobald die Kurse über die
Grenzen dieses Korridors
schwanken, wird der Teil
der Transaktionen, der
außerhalb der Bandbreite
liegt, massiv besteuert
(mit 50% bis 100%).
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Indien und China haben als einzige größere Volkswirtschaften vor der Asienkrise strenge KVKs genutzt. Sie wurden deshalb
kaum von der Krise getroffen. Malaysia hat unmittelbar nach Ausbruch der Krise weitreichende Kapitalverkehrskontrollen und
eine Wecheselkursfixierung etabliert, die die negativen Auswirkungen der Krise deutlich verringert haben. (vgl.auch IMF, 2000:
Country Experiences with the Use and Liberalization of Capital Controls, www.imf.org/external/pubs/ft/capcon/index.htm)
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Das Geld, das die Welt regiert
Spahns Vorschlag hätte über den Effekt hinaus, spekulative Attacken abwehren zu können, auch
noch den Vorteil, dass er im Alleingang von einem Land realisiert werden könnte (s. Grafik 2). Eine
Devisenumsatzsteuer ist ein Instrument in einem Set von unterschiedlichen Instrumenten zur Regulierung der Finanzmärkte. Ein intelligenter Mix erfordert den Einsatz der jeweiligen Instrumente bzw.
deren Kombination für das entsprechende Problem und zum passenden Augenblick. Wie die Metapher von der „neuen Finanzarchitektur“ andeutet, geht es nicht nur um Einzelmaßnahmen, sondern
um ein Ensemble von Reformen. Im Grunde geht es darum, ein neues Bretton Woods, angepasst an
die Bedingungen der globalisierten Weltwirtschaft und die Problemlagen zu Beginn des 21. Jahrhunderts, zu schaffen. Bausteine solcher weitergehenden Reformprogramme liegen auch von zivilgesellschaftlicher Seite vor (KAIROS/WEED 2000).
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