Hyperaktivitäts-Störung (ADHS)

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Prävalenz und Behandlung der
AufmerksamkeitsdefizitHyperaktivitäts-Störung (ADHS) bei
alkoholabhängigen Patienten in der
stationären Entwöhnung
Das Leben leben
Tillmann Weber
MEDIAN Klinik Wilhelmsheim
Stationäre
Entwöhnungsbehandlung
Sucht-Reha
MEDIAN Klinik Wilhelmsheim
Das Leben leben
MEDIAN Klinik Wilhelmsheim
• Indikation:
- Hauptdiagnose:
1. Alkoholabhängigkeit
2. Medikamentenabhängigkeit (Opioide, Benzodiazepine)
3. Pathologisches Spielen
- Nebendiagnose: Mißbrauch/Abhängigkeit illegale Substanzen
• Voraussetzung für elektive Aufnahme:
- bewilligter Reha-Antrag
- Rehafähigkeit
- Abstinenz
• Aufenthaltsdauer:
- Kurzzeit/Kombi-Bereich: 8 Wochen (30 Betten)
- Langzeitbereich: 16 Wochen (180 Betten)
20.09.2017 Deutscher Suchtkongress
Gründe der ADHS-Prävalenzuntersuchung
bei Alkoholabhängigen in Wilhelmsheim
• es gibt bisher keine Untersuchungen zur ADHS-Prävalenz bei
Alkoholabhängigen in der Sucht-Reha (Entwöhnung)
• Bestätigung der hohen Prävalenzraten (7.7-21.3%) ohne ADHSVordiagnose würde eine ADHS-spezifische Diagnostik und
Behandlung erfordern
• ADHS-Patienten stellen eine schwerer beeinträchtigte Subgruppe
der alkoholabhängigen Patienten dar:
- früherer Beginn und größere Schwere der Alkoholabhängigkeit
und komorbider Drogenkonsum
- ADHS hat einen negativen Einfluß auf den Behandlungserfolg
der Suchterkrankung
- höhere Komorbidität für andere psychische Störungen
- berufliche Beeinträchtigungen
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Vorteile der Prävalenzuntersuchung bei
Alkoholabhängigen in Wilhelmsheim
• große Patientenzahlen (ca. 700 Patienten mit F10.2/Jahr)
• Patienten sind vor Diagnostik schon lange abstinent:
keine Intoxikation, kein Entzug, keine substanzinduzierten
psychischen Störungen
• lange, abstinente Aufenthaltsdauer (8-16 Wochen) führt zur
Stabilisierung des psychischen Befundes
• wenig vorzeitige Therapiebeendigungen: meisten Patienten
durchlaufen komplette Diagnostik
• Längsschnittuntersuchung mit mehreren Untersuchungen im
Verlauf von vielen Wochen möglich
→ tatsächliche Prävalenz des ADHS bei Alkoholabhängigen kann
in Wilhelmsheim verlässlich ermittelt werden
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Studienablauf I
• Woche 1: normales Aufnahmeprocedere
• Woche 2: Studieninfo/Einwilligung
• Woche 3: ADHS-Studien-Diagnostik
- Selbstbeurteilungsfragebögen (WURS-K, ASRS, ADHS-SB, CAARS-SB)
- Fremdbeurteilungsbögen (E-Bogen, Zeugnisse, CAARS-FB, ADHS-DC)
• Woche 4: Strukturiertes, diagnostisches Interview für ADHS bei
Erwachsenen (DIVA2.0)
- DIVA2.0: DSM-IV-Kriterien für Kindheits- und Erwachsenen-ADHS
werden mit Beispielen abgefragt
- durch zwei approbierte Ärzte i.R. ihrer Promotion
- ADHS-Verdachtsdiagnose bei:
≥5 Symptome in der Kindheit oder ≥4 Symptome als Erwachsener
in einem Bereich (Unaufmerksamkeit/Hyperaktivität-Impulsivität)
(i.V. DSM-5: mehrere Kriterien in Kindheit und ≥5 im Erwachsener)
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Studienablauf II
• Woche 5-8: Leitliniengerechte weitere diagnostische Abklärung
- Patienten mit ADHS-Verdacht:
= Untersuchung durch Psychiater Hr. Luderer (ZI, Mannheim)
- Patienten mit ADHS-Verdacht durch Hr. Luderer:
= Untersuchung durch Psychiater Hr. Weber (Wilhelmsheim)
→ ADHS-Diagnosesicherung durch 3 unabhängige Untersucher
• Vor Entlassung:
- ADHS-Selbstbeurteilungsfragebögen
• 1-Jahreskatamnese
- ASRS, Abstinenz, beruflicher Status, Lebenszufriedenheit
- 3/2018 abgeschlossen
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Ergebnisse
• 2-11/16: Neuaufnahme von 624 alkoholabhängigen Patienten
• Studieneinschluss von 488 Patienten (78,2%)
• 452 Patienten erhielten DIVA2.0-Interview:
- 263 Patienten ohne ADHS-Diagnose = keine weitere Abklärung
- 194 Patienten mit ADHS-Verdacht (42,9%) = weitere Diagnostik
• 170 dieser 194 Patienten wurden durch ADHS-Experte 1
untersucht:
- ADHS-Diagnose oder -Verdacht bei 134 Patienten
• 121 dieser 134 Patienten wurden durch ADHS-Experte 2
untersucht:
- ADHS-Diagnose oder -Verdacht bei 93 Patienten
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Ergebnisse der
per protocol Analyse
• 415 von 488 Patienten (85,0%) wurden vollständig
nach Prüfplan untersucht (= per Protokoll)
• Erwachsenen-ADHS Diagnose:
- bei 85 dieser 415 Patienten (20,5%)
- alle durch DIVA2.0 + Experte 1 + Experte 2 abgeklärt
• Gruppe der jungen Erwachsenen (<30 Jahre):
- 52% mit Erwachsenen-ADHS-Diagnose
• Vordiagnose Erwachsenen-ADHS:
- 5 der 85 Patienten (5,9%)
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Ergebnisse der ADHS-Studie
Männliches Geschlecht in %
ADHS (N = 85)
Kein ADHD (N = 319)
Mittel/%
(n)
Mittel/% (n)
SD
75.3 % (64)
p-Wert
SD
71.1 % (218)
0.364
Alter bei Aufnahme
41.4
10.3
49.3
10.2
< 0.001
Dauer Alkoholabhängigkeit bei Aufnahme
13.1
9.0
13.5
9.0
0.681
Beginn des problematischen Konsums
25.3
9.3
31.9
12.1
< 0.001
Beginn der Alkoholkonsumstörung
26.9
10.5
34.3
11.9
< 0.001
Schwere der Alkoholabhängigkeit:
1. Alcohol dependence scale (ADS)
2. Alcohol use disorder identification test
(AUDIT)
18.6
28.5
6.9
7.0
12.7
25.0
6.5
7.6
< 0.001
< 0.001
Alkoholentzugsdelir in Vorgeschichte
% (n)
14.1 % (12)
6.0 % (19)
0.012
Alkoholentzugskrämpfe in % (n)
15.3 % (13)
13.2 % (42)
0.611
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Ergebnisse der ADHS-Studie
ADHD (N = 85)
Mittel/% (n)
Tabakkonsumstörung in % (n)
Beginn der Tabakkonsumstörung
SD
80.0 % (68)
16.2
No ADHD (N = 322)
Mittel/% (n)
SD
69.3 % (221)
2.9
18.1
p
0.052
5.0
0.010
Substanzrückfall während Therapie in % (n)
10.6 % (9)
4.4 % (14)
0.036
Familienanamnese Substanzkonsumstörung in % (n)
[Eltern, Großeltern, Geschwister]
58.8 % (50)
42.0 % (134)
0.006
Beginn der illegalen Substanzkonsumstörung (jede)
21.0
Vorheriger i.v. Konsum in % (n)
10.4
27.3
15.3
0.252
7.1 % (6)
1.6 % (5)
0.014
Substanzkonsumstörung (außer Alkohol + Nikotin)
in % (n)
32.9 % (28)
11.6 % (37)
0.001
Amphetamin Konsumstörung in % (n)
4.7 % (4)
0.3 % (1)
0.001
Cannabis Konsumstörung in % (n)
23.5 % (20)
8.4 % (27)
< 0.001
Sedativa Konsumstörung in % (n)
1.2 % (1)
2.5 % (8)
0.481
Opioid Konsumstörung in % (n)
1.2 % (1)
2.2 % (7)
0.572
Kokain Konsumstörung in % (n)
1.2 % (1)
0.6 % (2)
0.580
Multiple Substanzkonsumstörung in % (n)
5.9 % (5)
2.2 % (7)
0.001
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Vorläufige Ergebnisse der ADHS-Studie:
Komorbide psychische Störungen (N = 415)
Kein ADHS
ADHS
(N = 330)
(N = 85)
Rezidivierende
depressive Störung,
ggw. remittiert
5,5 % (18)
7,6 % (6)
aktuelle depressive
Episode
14,5 % (48)
17,6 % (15)
Persönlichkeitsstörung
7,6 % (25)
21,2 % (18)
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Vorläufige Ergebnisse der ADHS-Studie:
Beruflicher Status bei Aufnahme (N = 415)
Kein ADHS
ADHS
(N = 330)
(N = 85)
Berufstätig
49,7 % (164)
43,5 % (37)
ALG I
14,8 % (49)
18,8 % (16)
}
}
33,6%
ALG II
18,8 % (62)
30,6 % (26)
Rentner
9,1 % (30)
3,5 % (3)
49,4%
Höhere Langzeitarbeitslosenquote bei jüngeren ADHS-Patienten!
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Zusammenfassung der Ergebnisse
• Jeder 5. Alkoholabhängige hat ein ADHS in Wilhelmsheim
• nur 6% der Patienten waren vordiagnostiziert mit ADHS
• Jüngere Patienten bei Aufnahme
• Früherer Konsumbeginn für Alkohol und Tabak
• Frühere Alkohol- und Tabakabhängigkeitsentwicklung
• Häufiger komorbide illegale Substanzkonsumstörung
• Häufiger Rückfälle während der Behandlung
• Höhere Persönlichkeitsstörungsrate
• Höhere Langzeitarbeitslosenquote
= bisher nicht identifizierte, schwerer beeinträchtigte
Subgruppe der Alkoholabhängigen
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Erwachsenen-ADHS:
Behandlung
•93 ADHS-Patienten aus Studie und 45 reguläre ADHS-Patienten
nach der Studie
•Procedere bei Patienten mit ADHS-Diagnose – auch
Studienpatienten:
- mindestens ein Informations- und Beratungsgespräch
- ggf. einen medikamentösen Behandlungsvorschlag
- alle Patienten können an einer ADHS-Gruppentherapie 1 x
75min/Woche teilnehmen
- Organisation einer ambulanten, ADHS-spezifischen
Weiterbehandlung durch niedergelassenen Psychiater
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Behandlung der ADHS-Patienten:
ADHS-Gruppenpsychotherapie (D‘Amelio et al.)
• Krankheitsaufklärung:
a. Was ist ADHS und wie entsteht ADHS?
b. Welche Symptome liegen vor?
c. Wann beginnt die Symptomatik und wie ist der Verlauf?
d. Welcher Zusammenhang besteht zu anderen psychischen
Erkrankungen, besonders zum Substanzkonsum?
• Wie kann man ADHS behandeln?
• Wie gehe ich mit meinem ADHS um? Welche positiven und
negativen Auswirkungen hat es auf mein soziales und
berufliches Leben?
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Behandlung der ADHS-Patienten:
ADHS-Gruppenpsychotherapie (D‘Amelio et al.)
• Selbstmanagement und Selbstregulation: wie kann ich
problematisches Verhalten besser erkennen und verändern?
• Verbesserung der Unaufmerksamkeit
• Organisation im Alltag
• Stressmanagement
• Stimmungsregulation und Kontrolle der Impulsivität
• Umgang mit innerer Unruhe/Rastlosigkeit und Zappeligkeit
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Behandlung der ADHS-Patienten:
Pharmakotherapie
• Internistische Freigabe zur Pharmakotherapie
• Wöchentlicher Einzeltermin bei Psychiater (15 min):
- Nebenwirkungen?
- Wirkung? auf welche Symptome?
→ Selbstbeurteilungsfragebögen im Verlauf und bei
Entlassung
- Entscheidung über weiteres Procedere
- Kontrolle Blutdruck und Puls (> 3x/Woche)
- Kontrolle EKG (1 x/Woche)
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Behandlung der 139 ADHS-Patienten:
Methylphenidat (MPH; Ritalin adult®) (N=92)
• Medikation und Entlassung mit MPH: 72
• Sekundäre Medikation nach Atomoxetin (ATX): 8
→ 6 Entlassungen mit MPH
• abgebrochen wegen mangelnder Wirkung: 2
→ Umstellung auf ATX: 2 → Entlassung mit ATX: 1
• abgebrochen wegen Nebenwirkungen: 12 von 92 (13,0%)
→ Umstellung auf: ATX: 3 + Bupropion (BUP): 1
→ Entlassung mit ATX: 2, mit BUP: 1
• entlassen mit MPH: 78 von 92 Pat. (84,8%)
→ alle mit Teil-/Vollremission des ADHS
→ 95% mit ambulanter psychiatrischer Weiterbehandlung
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Behandlung der 139 ADHS-Patienten:
Atomoxetin (ATX; Strattera®) (N=31)
• Medikation und Entlassung mit ATX: 13
• Sekundäre Medikation nach MPH: 5
→ 3 Entlassungen mit ATX
• abgebrochen wg. mangelnder Wirkung: 2
→ Umstellung auf MPH: 2 → Entlassung mit MPH: 2
• abgebrochen wegen Nebenwirkungen: 13 (41,9%)
→ Umstellung auf: MPH: 5, BUP: 2
→ Entlassung mit MPH: 4 , mit BUP: 1
• entlassen mit Atomoxetin: 16 von 31 Pat. (51,6%)
→ 8 Patienten mit Teil-/Vollremission des ADHS
→ Behandlung in den meisten Fällen nicht abgeschlossen wegen
verzögertem Wirkeintritt von Atomoxetin
→ 100% mit ambulanter psychiatrischer Weiterbehandlung
20.09.2017 Deutscher Suchtkongress
Behandlung der 139 ADHS-Patienten:
Bupropion (BUP; Elontril®) (N=8)
• Medikation und Entlassung mit BUP: 4
• Sekundäre Medikation nach MPH/ATX: 1/2
→ 2 Entlassungen mit BUP
• abgebrochen: 2
• in Therapie oder entlassen mit Bupropion: 6
- 3 mit Teilremission
- 3 in Aufdosierung/kurze Therapiedauer
- 100% mit ambulanter psychiatrischer Weiterbehandlung
20.09.2017 Deutscher Suchtkongress
Behandlung der 139 ADHS-Patienten:
keine medikamentöse Therapie (N=37)
• Kein Behandlungswunsch: 12
- ambulante psychotherapeutische Behandlung geplant: 6
• Nach Nebenwirkungen abgebrochen, ohne weiteren
Behandlungswunsch: 12
• Nach Nebenwirkungen abgebrochen mit weiterem
Behandlungswunsch: 3
• Andere Gründe (KI, Rückfall, keine Remission): 3
• Ambulante medikamentöse Behandlung empfohlen: 11
20.09.2017 Deutscher Suchtkongress
Behandlung der ADHS-Patienten:
Zusammenfassung Pharmakotherapie
• Schneller Wirkeintritt = entscheidender Faktor für
Patientenpräferenz für Methylphenidat
• Schneller Wirkeintritt des Methylphenidat erleichtert klinische
Bewertung der Wirkung (Eigenanamnese + klinische Beobachtung)
• Methylphenidat: deutlich weniger Nebenwirkungen und
Therapieabbrüche als Atomoxetin
• Methylphenidat: höhere Remissionsrate als mit Atomoxetin
• Atomoxetin (und Bupropion) sind vorzuziehen bei Patienten mit
illegalem Substanzkonsum/Kontakt zur Drogenszene
• Bupropion kann als off-label Präparat nicht abschließend bewertet
werden wegen geringer Fallzahl
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Durchführung der Studie
• Mathias Luderer (ZI, Mannheim)
• Christian Sick (MEDIAN Klinik Wilhelmsheim)
• Nurcihan Kaplan-Wickel (MEDIAN Klinik Wilhelmsheim)
• Agnes Richter (MEDIAN Klinik Wilhelmsheim)
• Iris Reinhard (ZI, Mannheim)
• Tillmann Weber (MEDIAN Klinik Wilhelmsheim)
20.09.2017 Deutscher Suchtkongress
24
Ich bedanke mich für
Interesse
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