Forschungsschwerpunkt E Innovative Krebsdiagnostik und -therapie Abteilung E080 Molekulare Toxikologie Abteilung Molekulare Toxikologie (E080) Leiter: Prof. Dr. Manfred Wießler Wissenschaftler Dr. Christian A. Bieler 1/03 - 6/04 Dr. Eva Frei Prof. Dr. Christof Granzow 4/02Dr. Susanne Krämer (½) 1-6/03 Dr. Hans-Christian Kliem (seit 9/03: ½) Dr. Marijana Kopun-Granzow (½) 4/02PD. Dr. Heinz H. Schmeiser Dr. Bernd Sorg 1/01 - 7/02 ½ Wissenschaftliche Mitarbeiter ohne Vergütung Dr. Ralph Dollner 4/02 - 3/04 Dr. Alexandra Rueß 4/02 Gastwissenschaftler Dr. Marie Stiborová (Prag, Tschech. Rep.) 7-9/02, 7-9/03 Dr. Amitava Chatterjee (Kolkata, Indien) 4-5/02 Dr. Mamdouh M. Ali Hassan (Kairo, Ägypten) 4-6/03 Dr. Lucie Borek-Dohalska (Prag, Tschech. Rep.) 9-12/02 Dr. Sabin Aurel Cinca (Bukarest, Rumänien) 7-9/03 Doktoranden Tobias Baumbusch 4/02-12/03 Michael Cornelius 6/02-5/04 Nadine Eschen 7/01-12/02 Thomas Fritzsche -8/03 Regine Garcia-Boy 3/01 - 3/04 Claas Gronewold 10/02-10/04 Michael Heuser 4/02-7/03 Thomas Kastell 5 - 8/02 Evelyn Kim - 12/02 Erwin P. Mark - 10/03 Bettina Meister - 3/04 Marcel Simon 4/02-12/03 Dirk Stach - 1/04 Christoph Tacheci -1/04 Sonja Wolf - 3/04 Technische Mitarbeiter Andrea Breuer Karl Albert Klokow - 5/02 Barbara Liebetrau (½) 4/02Peter Lorenz Eduard Müller Nicole Di Gallo 2-4/03 Hans-Herrmann Schrenk 2/03Diplomanden Michael Wolf - 12/02 Sabrina Ehnert 10/02 - 2/03 Sekretärin Hélène Boittin (½) Auszubildende Nicole Di Gallo 9/99 - 1/03 Bettina Helfert 9/98 - 3/02 Pratikanten Claudia Baumann 8-10/03 Jacobo Gómez 7 - 9/03 Manuel Kirschmayr -3/02 Annette Krais 8 - 9/02 Martin Smollich 2 - 4/02 Marina Guschl 9/02 - 3/06 Anna Beil 9/03 - 3/07 Heinz Fleischhacker 11-12/03 Marlis Herberth 3 - 7/03 Kristian Kowollik 3 - 8/02 Volker Mathes 9/03 - 1/04 Die Forschungsschwerpunkte der Abteilung Molekulare Toxikologie sind Biomonitoring von Umweltgiften, die Entwicklung von Arzneistoffen und die Untersuchung von Therapieresistenz. Biomonitoring ist ein Verfahren zur Bestimmung der Exposition eines Individuums oder einer Population gegenüber Fremdstoffen. Besonders erstrebenswert ist die Ermittlung der biologisch wirksamen Dosis des Fremdstoffes oder Umweltschadstoffes, da somit individuelle oder speziesbedingte Unterschiede in der Pharmakokinetik berücksichtigt werden. Für genotoxische Substanzen kann die biologisch wirksame Dosis als Veränderung der DNA oder von Proteinen, den DNA- bzw. Proteinaddukten, bestimmt werden. Ein Schwerpunkt unserer Abteilung liegt in der Analyse von DNA-Addukten, da diese Addukte mutagen sind und eine direkte Risikobewertung durch den Vergleich mit Daten aus Tierversuchen möglich ist. Als Beispiel für ein erfolgreiches, wenngleich unerfreuliches Biomonitoring, sei hier die Chinese Herbs Nephropathy (CHN) genannt. Eine Erkrankung, die bei Patientinnen auftrat, die im Rahmen einer Schlankheitskur Produkte eingenommen hatten, welche versehentlich Aristolochiasäure enthielten. Das DNA-Adduktmuster im Nierengewebe dieser Patientinnen entsprach demjenigen, das in Tieren gefunden wurde, die nach Aristolochiasäure-Behandlung Tumoren entwickelt hatten und war selbst zehn Jahre nach Absetzen der Behandlung im Gewebe der Patientinnen noch nachweisbar. Wir haben mittlerweile Enzyme in menschlichem Gewebe identifiziert, die für die DNA-Addukt bildende Aktivierung der Aristolochiasäure verantwortlich sind. Die ³²P-postlabeling Methode, die für diese Analysen angewandt wird, ist die zur Zeit empfindlichste Methode zur Detektion von DNA-Addukten bekannten und unbekannten Ursprungs. Sie hat jedoch den Nachteil, dass mit hohen Radioaktivitätsmengen umgegangen werden muss und dass die Analysebedingungen für empfindliche Addukte zu drastisch sind. Durch Fluoreszenzmarkierung von Nukleotiden, die nach enzymatischem Verdau der DNA entstehen, konnte mittels Kapillarelektrophorese und laserinduzierter Fluoreszenzdetektion 5-Methylcytosin von den normalen DNA-Bausteinen getrennt und quantifiziert werden. Diese Methode erlaubt auch die Analyse von DNA-Addukten, die durch Umweltschadstoffe hervorgerufen wurden. Die Entwicklung von an Saccharide oder an humanes Serumalbumin gekoppelten Arzneistoffen zur zielgerichteten Therapie (drug targeting) von Tumoren, ist der zweite Schwerpunkt unserer Abteilung. Die Substanz Glufosfamid, ein Konjugat aus Glucose und Ifosfamid Mustard, ist ein in der Abteilung entwickeltes Krebstherapeutikum, welches in klinischer Phase 2 geprüft wurde. Glufosfamid ist von der Firma Baxter (ehemals Asta Medica) an die Firma Threshhold Pharmaceuticals mit der Verpflichtung zur wissenschaftlichen Weiterentwicklung, insbesondere zur Therapie von Pankreastumoren, auslizenziert worden. Aber auch mehrere Explantate von menschlichen Kopf-Hals-Tumoren sprachen in vitro sehr gut auf Glufosfamid ein. Diese Tumoren sind mit sonstigen Chemotherapeutika nur schwer zu beeinflussen. DNA-Reparatur, speziell die durch 06-MethylguaninDNA-methyltransferase (MGMT) vermittelte, spielt eine wesentliche Rolle in der Entstehung von Resistenzen gegenüber alkylierenden Zytostatika. Konjugate neuer MGMT Inhibitoren mit Monosacchariden zeigten eine gute Aufnahme in die Zelle und hemmten, wie gewünscht, die MGMT, wenn der Abstand zwischen Monosaccharid und Effektormolekül groß genug war. Diese Arbeit wird mit Substanzen fortgesetzt, die 5-Methylcytosin-Transferasen beeinflussen, welche durch ihre genregulatorische Funktion bei der Tumorentstehung eine Rolle spielen. Eine weitere Entwicklung betrifft die Darstel- DKFZ 2004: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2002 - 2003 333 Forschungsschwerpunkt E Innovative Krebsdiagnostik und -therapie 334 lung Bor-reicher Verbindungen für die Bor-NeutronenEinfangtherapie (BNCT: Boron Neutron Capture Therapy). Hier gelang die Synthese eines Saccharid-modifizierten Moleküls mit insgesamt 40 Bor-Atomen, dessen therapeutische Wirkung Gegenstand zukünftiger Untersuchungen sein wird. Oligosaccharide dienen wegen ihrer komplexen Struktur als Informationsträger auf Zelloberflächen, indem sie an Proteine - sogenannte Lektine - binden, die spezifisch eine Struktur erkennen. Da die Synthese natürlicher Oligosaccharide sehr aufwendig ist, haben wir Oligosaccharid-Mimetika synthetisiert. Die Verwendung von Mimetika erlaubt es auch Bibliotheken solcher Moleküle zu generieren. Aus diesen Bibliotheken wurden Strukturen ermittelt, die spezifisch an die Zelloberfläche binden und die Adhäsion von Tumorzellen an die extrazelluläre Matrix und/oder deren Migration durch diese Matrix hemmen. Die Zellen eines Tumors haben einen hohen Bedarf an Energie und Aminosäuren, den sie auch durch die Aufnahme von Plasmaproteinen wie Albumin decken. Diese Eigenschaft wird ausgenutzt, um mit Albumin als Träger Tumortherapeutika in die entartete Zelle zu schleusen. Die Aufnahme in die Zelle erfolgt durch Endozytose,und nach lysosomalem Abbau wird das toxische Therapeutikum freigesetzt. Durch Kopplung an Albumin können toxische Substanzen gezielt zum Tumor dirigiert und Resistenzen gegen die nicht gekoppelten niedermolekularen toxischen Substanzen überwunden werden. Wir konnten Proteine auf der Tumorzelle identifizieren, die Albumin binden und vielleicht seine Endozytose vermitteln. Da die systemische Toxizität der Albumin-Konjugate deutlich geringer ist als die des freien niedermolekularen Liganden, soll das Prinzip der Kopplung an Albumin auf andere Therapeutika ausgeweitet werden. Eine weitere Aktivität der Abteilung gilt der Theapieresistenz von Tumoren. Wir arbeiten dabei mit der Universitäts-HNO-Klinik und der Thoraxklinik Heidelberg zusammen. Sinn dieser Zusammenarbeit ist die klinische Nutzbarmachung von experimentell erzielten Fortschritten auf dem Gebiet der Chemosensibilitäts-Testung von Tumoren. Im Berichtszeitraum bestätigten Studien an KopfHals-Tumoren die zuvor bei Lungentumoren gemachte Feststellung, dass Stromazellen der Tumoren Chemoresistenz aufweisen. Die Berücksichtigung dieser Tatsache verbessert die Vorhersagbarkeit der Wirkung von Chemotherapie entscheidend. Ein entsprechendes Testverfahren wurde an Kopf-Hals-Tumoren erfolgreich erprobt. Es soll weiter optimiert und in eine prospektive klinische Studie eingebracht werden. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die tierexperimentelle Validierung des Tests. Die kalifornische Biotechnologiefirma AntiCancer (Präsident: Prof. Robert Hoffmann) führt entsprechende Tierexperimente in unserem Auftrag durch. Abteilung E080 Molekulare Toxikologie Metabolische Aktivierung des carcinogenen Pflanzen-Inhaltsstoffes Aristolochiasäure im Menschen H.H. Schmeiser, M. Stiborová, C.A. Bieler, E. Frei und M. Wießler In Zusammenarbeit mit: Dr. Volker M. Arlt, Section of Molecular Carcinogenesis, Institute of Cancer Research, Sutton, UK; Dr. Joelle L. Nortier und Prof. Jean-Louis Vanherweghem, Nephrology Department, Hopital Erasme, Université Libre de Bruxelles, Belgien; Prof. Jean-Pierre Cosyns, University of Louvain, Medical School, Brüssel, Belgien; Annie Leszkowicz, Ecole Nationale Agronomique de Toulouse, Auzeville Tolosane, Frankreich. Aristolochiasäure (AA), das Hauptalkaloid der AristolochiaArten, ist in hohen Dosen im Menschen nephrotoxisch, außerdem mutagen und carcinogen im Tierversuch [1]. 2002 wurden Heilkräuter, die Pflanzen-Arten der Gattung Aristolochia enthalten, von der IARC als Krebs erregend für den Menschen eingestuft [IARC Sci Publ 82 (2002)]. Dieser Beschluß gründet sich auf das gehäufte Auftreten von Harnleiter-Krebs in einer belgischen Patientengruppe (ca. 100 Fälle) mit terminalem Nierenversagen (Chinesische Heilkräuter Nephropathie Patienten, CHN-Patienten) [Nortier et al., New England Journal of Medicine 342 (2000) 1686 - 1692]. Alle diese CHN-Patienten haben in einer Klinik in Brüssel an einer Schlankheitskur teilgenommen, während der chinesische Heilkräuter, darunter auch Aristolochia fangchi, verabreicht wurden. Durch unsere Untersuchungen konnten wir nun die Beteiligung anderer Risikofaktoren außer der in A. fangchi enthaltenen AA an der Krebsentstehung in CHN-Patienten ausschließen [1][ [Nortier et al., New England Journal of Medicine 342 (2000) 1686-1692; Lord et al., Lancet 358 (2001) 1515-1516]. Diese Untersuchungen basieren auf dem Nachweis von Aristolochiasäure-spezifischen DNAAddukten in den Nieren und Harnleitern von CHN-Patienten mit der hoch-empfindlichen ³²P-postlabeling Methode. Bisher schien das Auftreten von Tumoren in CHN-Patienten an das terminale Nierenversagen gebunden zu sein. Ein weiterer Fall aus der belgischen Patientengruppe belegt nun, dass Harnleiter-Krebs auch ohne Beeinträchtigung der Nieren auftreten kann [2]. Dies bedeutet, dass die carcinogene Wirkung von AA unabhängig von der nierenschädigenden Wirkung ist und somit alle Personen ( ca. 1500), die an der Schlankheitskur teilgenommen haben, ein erhöhtes Krebsrisiko aufweisen. In den letzten Jahren haben Berichte über das Auftreten von CHN außerhalb der belgischen Kohorte besonders im asiatischen Raum stark zugenommen. In den meisten Fällen konnte AA in den eingenommenen Kräutern nachgewiesen werden. In ländlichen Gebieten auf dem Balkan (Rumänien, Kroatien, Bosnien, Serbien und Bulgarien) kennt man seit Jahrzehnten eine Krankheit, die der CHN sehr ähnlich ist, die endemische Balkan Nephropathie (BEN). Auch BEN-Patienten erkranken häufig an Harnleiter-Krebs. Der Nachweis von Aristolochiasäure-spezifischen DNAAddukten in den Nieren zweier von 3 untersuchten BENPatienten zeigt eindeutig, daß diese mit AA exponiert wurden und nährt den Verdacht, dass AA auch ursächlich mit BEN verbunden ist [3]. Chemisch ist AA ein Gemisch, welches im wesentlichen aus den Nitrophenanthrencarbonsäuren Aristolochiasäure I (AAI) und Aristolochiasäure II (AAII), die sich nur durch eine Methoxygruppe unterscheiden, besteht. Bedingt durch die Bildung prämutagener Addukte mit der DNA sind DKFZ 2004: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2002 - 2003 Forschungsschwerpunkt E Innovative Krebsdiagnostik und -therapie beide Aristolochiasäuren genotoxische Mutagene. Die Addukt-Bildung erfolgt erst nach metabolischer Aktivierung von AA durch einfache Reduktion der Nitrogruppe und führt zu mehreren Produkten [1]. Das von AA in vivo hauptsächlich gebildete DNA-Addukt ist ein persistentes Desoxyadenosin-Addukt (dA-AAI), welches noch nach Jahren in der DNA von CHN-Patienten detektierbar ist. Sowohl mikrosomale als auch cytosolische Säuger-Enzyme, die in der Lage sind diese reduktive Aktivierung zu katalysieren, konnten bisher identifiziert werden (Prostaglandin H Synthase, Xanthin Oxidase, DT-Diaphorase, Peroxidasen, NADPH:P450 Reduktase und die Cytochrome P450 1A1 und 1A2) [1] [Stiborová et al., Chem. Res. Toxicol. 14 (2001) 1128-1137]. Verwendet man humane Leber-Mikrosomen als metabolisches System, so sind im wesentlichen die Cytochrome P450 1A1 und 1A2 für die Aktivierung von AAI und AAII verantwortlich. MetabolismusStudien zur Beeinflussung der AA-spezifischen DNAAdduktbildung durch spezifische Enzym-Inhibitoren bzw. Induktoren und Cofaktoren mit cytosolischen Fraktionen von Ratten-Lebern und Ratten-Nieren ergaben, dass vorallem die DT-Diaphorase (NAD(P)H:Chinon Oxidoreduktase) für die cytosolische Aktivierung von AA verantwortlich ist [4]. Analoge Studien mit humanem Cytosol von Leber und Niere bestätigten, daß die AA aktivierende Aktivität hauptsächlich von der DT-Diaphorase ausgeht, aber auch eine Beteiligung der Xanthin Oxidase nicht ausgeschlossen werden kann [5]. Alle cytosolischen Fraktionen, sowohl von der Ratte als auch vom Mensch waren in der Lage AA metabolisch zu aktivieren und führten zur Bildung von DNAAddukten, deren Analyse mit dem ³²P-postlabeling Verfahren AA-spezifische Adduktmuster, wie man sie von AAexponierten Personen (CHN-Patienten) kennt, mit dem Desoxyadenosin-Addukt (dA-AAI) als Hauptaddukt, ergaben. Die Identifizierung humaner Enzyme, welche an der Aktivierung von AA beteiligt sind, bildet die Grundlage für weitere Studien zur Bestimmung der individuellen Empfindlichkeit des Menschen gegenüber der krebsauslösenden Wirkung von AA. Eine neue Wirkungsweise des Tumortherapeutikums Ellipticin E. Frei, M. Stiborová, C.A. Bieler, A. Breuer, L. Borek-Dohalská In Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Biochemie der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Karls Universität Prag (Leitung Prof. Dr. M. Stiborová). Ellipticin ist ein Pflanzeninhaltsstoff mit guter tumortherapeutischer Aktivität, gegen Brustkrebsmetastasen, Nierensarcome und Hirntumoren. Ellipticin ist auch aktiv gegen HIV. Die zelluläre Wirkung von Ellipticin ist sehr weit gefächert, bisher wurden Angriffspunkte an der DNA (Interkalierung und Topoisomerase II Hemmung) an regulatorischen Proteinen (p53) und an Mitochondrien (Entkopplung der Atmungskette) beobachtet (siehe [Stiborová M. et al. Biochem. Pharmacol. 62 (2001) 1675]). In einer lange währenden Kooperation zwischen der Abteilung Molekulare Toxikologie und dem Fachbereich Biochemie der Karls Universität Prag wurde ein weiterer Wirkmechanismus für Ellipticin entdeckt und weitgehend charakterisiert. Ein Zufallsbefund zeigte, dass Ellipticin sich nicht nur in die DNA einlagert, sondern dort auch kovalent bindet und mindestens zwei spezifische DNA-Addukte bildet, die durch Abteilung E080 Molekulare Toxikologie die ³²P-postlabeling Methode gefunden wurden. Wie für viele andere Fremdstoffe ist für diese DNA-Adduktbildung eine enzymatische Aktivierung nötig. Dass Ellipticin im Körper verstoffwechselt wird, war aus Untersuchungen des Urins von Menschen, die mit Ellipticin behandelt wurden, bekannt, dort tauchte 9-Hydroxy-Ellipticin als Hauptmetabolit auf (siehe Schema). Aromatische Verbindungen derartiger Struktur, werden fast immer durch Cytochrom P450 Enzyme (CYP) oxidiert, damit sie wasserlöslich und ausgeschieden werden können. Die Familie der CYP kommt hauptsächlich in der Leber, aber auch in anderen Organen vor. Die Untersuchung von Lebermikrosomen-Fraktionen verschiedener Spezies auf ihre Fähigkeit hin, Ellipticin zu aktivieren und DNA-Addukte zu bilden, ergab, dass Kaninchenlebern sehr aktiv waren, gefolgt von Rattenlebern, und Lebern aus Zwergschweinen, die ähnlich denen aus Menschen waren [Stiborová M. et al. Biochem. Pharmacol. 62 (2001) 1675]. Mit verschiedenen Methoden wurde nun versucht, die für die Aktivierung von Ellipticin verantwortlichen CYP zu identifizieren. Da bekannt ist, dass z.B. Brusttumoren eine andere CYP Ausstattung haben als normales Brustgewebe, postulierten wir, dass eine tumorspezifische Aktivierung von Ellipticin erfolgen könnte. CYP lassen sich in Versuchstieren mit verschiedenen Substanzen induzieren und hemmen. Menschliche CYP sind gentechnisch in Insektenzellen exprimiert zu erwerben. Mit diesen Methoden war es möglich zu zeigen, dass in Menschen und Ratten die gleichen zwei CYP Isoenzyme für die Aktivierung von Ellipticin verantwortlich sind, CYP 3A4 bzw. 3A1 und CYP 1A1/2. In Kaninchen hingegen ist eine ganz andere CYP Spezies aktiv. Ratten bieten sich daher als ideale Modelle an, um die Wirkung von Ellipticin zu untersuchen und Rückschlüsse auf den Menschen ziehen zu können. Diese CYP Enzyme sind in Brusttumoren und Nierenzellcarcinomen erhöht, sodass damit unser Postulat einer tumorspezifischen Ellipticin Aktivierung einen Stützpfeiler erhalten hat. [6]. Ellipticin selbst induziert zudem CYP 1A1/2 in der Leber, und somit dort seinen eigenen Stoffwechsel [7]. Ratten wurden mit Ellipticin behandelt und die DNA Addukte in verschiedenen Organen untersucht. In den Organen wurden die gleichen zwei Addukte gefunden, die auch mit isolierten Leberfraktionen und zugesetzter DNA beobachtet wurden, zusätzlich aber noch drei weitere Addukte. Wie erwartet wurden in der Leber die meisten Addukte gemessen, gefolgt von der Milz, der Lunge, dem Herzen und dem Hirn. Keine Addukte wurden in den Hoden dieser Ratten gefunden [8,9]. Inzwischen ist es uns gelungen, in einem gesunden Brustgewebe und in einem Brusttumor von weiblichen Ratten die typischen Ellipticin-DNAAddukte nachzuweisen. Als Bindeglied zwischen isolierten Leberfraktionen aus Mensch und Tier und dem Gesamtorganismus Tier werden Hamsterzellen verwendet, die durch Transfektion menschliche CYP Enzyme exprimieren. In Versuchen mit solchen Zellen hat sich gezeigt, dass auch hier die gleichen Isoenzyme für die Aktivierung zu DNA bindenden Spezies verantwortlich sind. Das Adduktmuster in den Zellen glich dem in Tieren. Die Versuche zeigten allerdings, dass die Giftigkeit von Ellipticin für diese Zellen nicht abhängig von der enzymatischen Ausstattung dieser gentechnisch transformierten Zellen war. Alle Zelllinien waren gleich empfindlich, die Hälfte der Zellen starb nach 48h in Gegenwart von 0,25 - 0,4mM Ellipticin [10]. Im Moment laufen Untersuchungen an menschlichen Tumorzelllinien verschiedenen DKFZ 2004: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2002 - 2003 335 Forschungsschwerpunkt E Innovative Krebsdiagnostik und -therapie Abteilung E080 Molekulare Toxikologie Synthese neuartiger Borverbindungen für die Bor-Neutronen Einfangtherapie und Elektronenmikroskopie Ursprungs. In diesen Zellen zeichnet sich sehr wohl eine unterschiedliche Empfindlichkeit gegenüber Ellipticin ab [11]. S. Raddatz, H.-C. Kliem, C. Granzow, M. Wießler In Zusammenarbeit mit: Dr. M. Marcello, Dr. H. Tröster, Prof. M. F. Trendelenburg (Strukturelle Genanalyse, DKFZ), Dr. T. Oeser (Institut für Organische Chemie, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg) Die Bor-Neutronen Einfangtherapie (BNCT: Boron Neutron Capture Therapy) ist eine Form der Strahlentherapie, bei der Bor-reiche Verbindungen in malignes Gewebe eingebracht und mit thermischen Neutronen bestrahlt werden. In einer Kernreaktion entstehen dann aus Boratomen (Isotop 10B) energiereiche Helium- (4He) und Lithium- (7Li) Atome, die lokal das sie umgebende Gewebe zerstören. Insbesondere der zerstörerische Effekt auf den Zellkern führt zum Tod der Zelle. Obwohl erste klinische Untersuchungen in den frühen 50er und 60er Jahren stattgefunden haben, fehlt es noch heute an Substanzen, die einerseits eine genügend große Dichte an Boratomen enthalten und andererseits, bei geringer allgemeiner Cytotoxizität, selektiv von Tumorzellen aufgenommen werden. Die Elektronen filternde Transmissions Elektronenmikroskopie (EFTEM) ist eine besondere Form der Elektronenmikroskopie, bei der das inelastische Streuverhalten von Elektronen an Elementatomen zur Visualisierung von markierten biologischen Proben ausgenutzt wird. Auch hier werden Bor-reiche Verbindungen als Markierungsmoleküle benötigt. Mit diesen Ergebnissen ist das unten stehende Stoffwechselschema für Ellipticin postuliert worden. Die genaue Strukturaufklärung der Addukte und der Metabolite M3 und M2 steht noch aus. Weitere Tierversuche an weiblichen Ratten sollen Auskunft über die Persistenz der DNAAddukte, d.h. ihre biologische Stabilität, in Ziel- und Nichtzielorganen einer Tumortherapie mit Ellipticin oder neuen Ellipticin-Konjugaten ergeben. Metabolische Inaktivierung CH3 CH3 N HO N Wir haben es uns daher zur Aufgabe gemacht, Grundstrukturen zu finden, die diese Anforderungen erfüllen. Wasserlöslichkeit und Selektivität der Zielstrukturen sollte dabei durch unser Targeting-Konzept der Glykosidierung erreicht werden. CH3 2 A4 1 P3 CY P1A CY Ellipticin CYP3A4 N CYP3A4 CYP2D6 CYP1A1/2 N CH3 So konnte in einer mehrstufigen Synthese [12] zunächst das Tetracarboranylketon erhalten werden. CH3 N CYP1A1/2 7-OH-Ellipticin M4 Geeignete Verbindungen für BNCT als auch EFTEM müssen daher so konzipiert sein, dass sie erstens eine hohe Dichte an Boratomen aufweisen und zweitens wasserlöslich sind, um in biologischem Material eingesetzt werden zu können. Metabolische Aktivierung CY P1 A1 / 336 Mit der ³²P-postlabeling Methode lässt sich leider nichts über die Struktur der DNA Addukte einer bestimmten Substanz aussagen. Wenn man allerdings statt DNA nur Oligodesoxynukleotide einer Spezies z.B. poly dG/dC oder Nukleotid-3-Phosphate einsetzt, lassen sich die Zielbasen der Adduktbildung in der DNA identifizieren. Im Falle von Ellipticin ergaben diese Untersuchungen, dass für die zwei Hauptaddukte Guanin die Zielbase ist und nur zu einem geringen Anteil Adenin. Pyrimidine sind nicht adduktiert [6]. Die Struktur des mit der DNA reagierenden Metaboliten sowie der genaue Angriffspunkt an der DNA Base sind schwieriger zu identifizieren. Die durch Leberfraktionen aus Ellipticin gebildeten Metabolite lassen sich zwar chromatografisch trennen, aber nur schwierig isolieren. Massenspektrometrisch wurden einige der fünf Metabolite identifiziert. Die bekannten Metabolite 7-Hydroxyellipticin und 9-Hydroxyellipticin wurden synthetisiert und auf ihre DNA Adduktbildung untersucht. Keiner der beiden Metabolite führte zu DNA Addukten, somit stellen diese wahrscheinlich klassische Entgiftungs- und Ausscheidungsprodukte von Ellipticin dar. Die anderen im Schema gezeigten Metabolite kommen eher als sogenannte ultimale Carcinogene in Frage, d.h. als diejenigen Metabolite, die DNA-Addukte bilden. Ihre durch CYP katalysierte Entstehung in verschiedenen Systemen korreliert z.B. mit der DNA-Adduktmenge. N O CH2 OH 5-OH-Ellipticin ? M3 HO CH3 CH2 N N 9-OH-Ellipticin M1 H10B10 OH B10H10 CH3 O N N Polonowski Umlagerung N CH3 B10H10 H10B10 CYP2C9 CH3 11-OH-Ellipticin ? M2 N CH3 Ellipticin-N(2)-Oxid M5 O1 C36 C4 C2 C30 C3 C35 C31 C34 C33 DKFZ 2004: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2002 - 2003 C32 Forschungsschwerpunkt E Innovative Krebsdiagnostik und -therapie Abteilung E080 Molekulare Toxikologie Röntgenstruktur des Tetracarboranylketons Furan-Saccharid-Mimetika Dieses Keton zeichnet sich dadurch aus, dass es mit seinen 40 Boratomen einen auf die Atommasse bezogenen Gehalt von 63% Bor hat und damit eine der Bor-reichsten Verbindungen ist. Ein entscheidender Vorteil dieser Verbindung ist jedoch die Carbonylfunktion im Molekül, die weitere Modifizierungen des Grundbausteins erlaubt. So konnten in ersten Versuchen Verbindungen enthalten werden, die neben dem Grundbaustein bereits ein Saccharidmolekül (Glukose) oder ein Nukleosid enthalten. M. Wießler, B. Meister, S. Wolf, E. Frei, C. Gronewold, H.-C. Kliem, C. Tacheci B10H10 B10H10 H10B10 H10B10 O O H10B10 H10B10 O B10H10 B10H10 OH OH OH O HOH B10H10 H10B10 O NH O N O O P O O H10B10 B10H10 O O O HNEt3 O Schließlich gelang sogar die Kopplung des Tetracarboranylketons zu einem 80 Boratome enthaltenden Cluster. H10B10 H10B10 B10H10 O H10B10 COOH COOH H10B10 H10B10 H10B10 O B10H10 Diese Beispiele zeigen das große Potential des Tetracarboranylketons zur Darstellung von geeigneten Verbindungen für die Verwendung in der BNCT und bei der EFTEM. Die geringe Cytotoxizität dieser Verbindung bei ersten in vitro Tests ermutigt uns zum weitern Studium dieser Verbindungsklasse. Neben den Protein-Protein-Interaktionen sind ProteinSaccharid-Interaktionen an den Prozessen der Zell-Zell-Erkennung und durch die Beeinflussung von Wegen der Signaltransduktion auch an Steuerungsprozessen in der Zelle beteiligt. Ein sehr gut untersuchtes Beispiel für die Beteiligung von Protein-Saccharid-Interaktionen stellt das Homing der Lymphozyten dar. An diesem Beispiel wird auch deutlich, dass diese Wechselwirkungen eher zu den schwachen Interaktionen zählen, im Vergleich zu ProteinProtein-Interaktionen. Dennoch kann die Stärke dieser Wechselwirkungen durch die Mehrfach-Präsentation von beteiligten Saccharid-Einheiten, die sogenannte Multivalenz, deutlich gesteigert werden. Darüber hinaus werden aber die Mechanismen dieser Interaktionen bisher nur wenig verstanden. Zumal aus der Immunologie Antikörper bekannt sind, die gegen Glycostrukturen auf Antigenen gerichtet sind und mit hoher Bindungsstärke an ihre Zielstrukturen binden. Für gezielte Untersuchungen zur Analyse dieser ProteinSaccharid-Interaktionen im Rahmen von Struktur-Wirkungsbeziehungen stehen bisher eine zu geringe Zahl strukturell eindeutig definierter Oligosaccharide zur Verfügung. Fortschritte bei der Festphasensynthese von Oligosacchariden lassen eine deutliche Verbesserung dieser Situation durch die Einführung kombinatorischer Ansätze erwarten. Hinsichtlich der geforderten strukturellen Diversität von Oligosacchariden ist es sinnvoll auch Saccharidmimetika in diese Überlegungen mit einzubeziehen. Diese haben den Vorteil, dass sie oft einfacher herzustellen sind und in biologischen Systemen über die größere Stabilität im Vergleich zu reinen Oligosacchariden verfügen. Zum Nachweis der Interaktionen von Oligosacchariden oder OligosaccharidMimetika mit Proteinen bedarf es in den meisten Fällen der Einführung von Reportermolekülen, da diese Art der Wechselwirkungen mit anderen Methoden nur schwierig nachweisbar sind. Die Verknüpfung von synthetischen Oligosacchariden mit geeigneten Reportermolekülen z.B. Farbstoffen oder Biotin, erfordert oftmals einen zusätzlichen erheblichen präparativen Aufwand. Wir haben in den letzten Jahren einen Ansatz entwickelt, der auf der Basis von Furfurylalkoholen sowohl die Darstellung von glycosilierten Furanen als Saccharidmimetika als auch deren anschließende Funktionalisierung mit Reportermolekülen durch die Diels-Alder-Reaktion (DAR) gestattet [13]. Die benötigten Furan-Verbindungen sind auf Grund der strukturellen Verwandtschaft mit Sacchariden in vielen Fällen aus diesen oder ihren Derivate leicht zugänglich oder sind mit Hilfe einfacher synthetischen Methoden aus billigen Vorstufen erhältlich. Damit folgen wir mit diesem Ansatz auch der Forderung nach Nachhaltigkeit bei der Entwicklung neuer Therapeutika [14]. Furan und seine Derivate verhalten sich als klassische Diene in der Diels-AlderReaktion, die als synthetische Methode auf Grund ihrer Einfachheit in den letzten Jahren zur Herstellung komplexer Naturstoffe eine Renaissance erlebt hat. Bei Verwendung von Maleinimiden als Dienophile, die mit Biotin oder Fluoreszenzfarbstoffen substituiert sind - diese sind ebenfalls in großer Zahl käuflich erwerbbar - verläuft die Reaktion mit Furanen oftmals bei Raumtemperatur und kann auch in wässrigem Milieu durchgeführt werden. Dieses Verhalten kommt uns sehr entgegen, da wir somit unsere FuranSaccharidmimetika für die DAR bereits ohne Schutzgruppen DKFZ 2004: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2002 - 2003 337 Forschungsschwerpunkt E Innovative Krebsdiagnostik und -therapie einsetzen können. Damit verbunden ist die Erfahrung, dass die DAR in Wasser schneller abläuft als in organischen Lösungsmitteln und sie vor allem in diesem Medium auch durch Einsatz von Mikrowellen weiter beschleunigt werden kann. Erst eigene Untersuchungen bestätigen dieses Verhalten. Mit dem von uns entwickelten Ansatz verfolgen wir mehrere Ziele. Lektine, definitionsgemäß Saccharid bindende Proteine, sind am Prozess der Zell-Zell-Interaktion beteiligt. Wir prüfen, ob die von uns dargestellten Furan-Saccharid-Mimetika an diese Lektine binden können und damit in diesen Prozess eingreifen können. Dabei gestattet die Funktionalisierung mit z.B. Biotin den einfachen Nachweis dieser Bindung und damit auch den Nachweis der Lektine oder Saccharid bindenden Proteine. Aufbauend auf diese Untersuchungen können die Furan-SaccharidMimetika als Therapeutika entwickelt werden, wobei wir vor allem an einer Inhibition der Metastasierung durch diese Substanzen arbeiten. 338 Die DAR der Furan-Saccharid-Mimetika kann aber auch noch in anderer Weise genutzt werden. Viele Proteine treten unter physiologischen Bedingungen als Glycoproteine auf. Die biologische Funktion dieser Glycosilierung ist in vielen Fällen noch nicht geklärt, doch scheint die Lebensdauer der Proteine dadurch bestimmt zu werden. Mit Hilfe der DAR lassen sich Proteine nun nach Einführung eines Dienophils, z.B. Maleinimid, in definierter Weise mit unseren Furan-Saccharid-Mimetika modifizieren, so dass Struktur-Wirkungsbeziehungen ermittelt werden können. Auch zur Entwicklung von Glyco-Chips, die mit diesen FuranSaccharid-Mimetika beladen sind, lässt sich diese Technologie einsetzen. Die Bedeutung chemoresistenter Stromazellen für die Vorhersage der Wirkung von Chemotherapie bei menschlichen Tumoren C. Granzow, M. Kopun-Granzow, M. Heuser, M. Simon In Zusammenarbeit mit: PD Dr. Andreas Dietz, Dr. Ralph Dollner und Dr. A. Rueß, Universitäts-HNO-Klinik Heidelberg; Prof. Dr. Heinrich D. Becker und PD Dr. Felix Herth, Thoraxklinik Heidelberg; Dr. Mamdouh Moawad Ali Hassan, Biochemistry Dept., Div. of Genetic Engineering and Biotechnology, National Research Centre, Kairo, Ägypten; Prof. Dr. Herwig Ponstingl, DKFZ. Menschliche Tumoren beinhalten mehrere proliferierende Zelltypen (Mikroheterogenität). Neben für die jeweilige Tumorart spezifischen, malignen Zellverbänden findet man im Tumorgewebe variierende Anteile von sogenannten Stromazellen. Es handelt sich dabei um nichtmaligne Zellen, vor allem Fibroblasten, Endothelzellen und sonstige Elemente des Gefäßbindegewebes, das die Tumoren stützt und ernährt. Der herrschenden Lehrmeinung zufolge kommt Chemoresistenz nur bei den malignen Tumorzellen vor, während Stromazellen prinzipiell als empfindlich für Zytostatika gelten. Unsere gemeinsam mit der Thoraxklinik unter Einsatz eines innovativen Verfahrens durchgeführten in vitro-Untersuchungen an Explantaten von Lungentumoren hatten schon früher gezeigt, dass Fibroblasten und Endothelzellen des Tumorstromas in Wirklichkeit häufig exzessive Resistenz gegenüber einzelnen, meist jedoch mehreren Zytostatika (sog. Multidrogenresistenz) aufweisen. Das Resistenzverhalten von Tumor- und Stromazellen ist zudem häufig diskordant: chemoresistente Tumorzellen können sowohl mit sensiblen als auch mit chemoresistenten Stromazellen koexistieren. Dasselbe gilt für chemosensible Tumorzellen, ohne dass hierfür bisher Regeln erkennbar Abteilung E080 Molekulare Toxikologie sind. Gleichartige Feststellungen haben wir im Berichtszeitraum bei menschlichen Kopf-Hals-Tumoren gemacht [15]. Zusammen mit Einzelbeobachtungen an weiteren Tumorentitäten berechtigt uns dies zu der Annahme, ein generell gültiges Prinzip identifiziert zu haben. Die diesbezügliche Lehrmeinung ist entsprechend zu revidieren. Die genannten Fakten sind von ganz entscheidender Bedeutung für die Vorhersagbarkeit der Wirkung von Chemotherapie beim Patienten durch in vitro-Tests an explantiertem Tumorgewebe. Natürlich vereitelt die Anwesenheit mehrerer, unabhängig voneinander zur Resistenzbildung befähigter Zelltypen im Explantat zwangsläufig eine klinisch verwertbare, prätherapeutische Identifizierung von Sensibilität oder Resistenz der malignen Tumorzellen gegenüber Chemotherapie, solange das Verhalten der einzelnen in Frage kommenden Zelltypen nicht separat ermittelt wird. Unsere Beobachtungen könnten helfen zu erklären, warum die zahlreichen konventionell, d.h. ohne eine solche Differenzierung durchgeführten Testverfahren in der Klinik ausnahmslos versagt haben. Gemeinsam mit unseren klinischen Partnern konnten wir praxiskonforme Verfahren zur Chemosensibilitätstestung etablieren, die zwischen den beteiligten Zelltypen differenzieren [15]. Solche Tests erlauben spezifische Feststellungen zur Sensibilität oder Resistenz der für den Erfolg von Chemotherapie maßgeblichen, malignen Zellen. Sie werden zur künftigen Therapieplanung beitragen [16]. In einem anderen Projekt wird die Modulierbarkeit der Chemoresistenz von Tumorzellen bearbeitet. Unter Anwendung des Sensitizers Verapamil und des photoreaktiven Zytostatikums Napavin konnte die durch P-Glykoprotein vermittelte Multidrogenresistenz in vitro rasch und vollständig behoben werden [17]. Die zu erwartende Übertragbarkeit des Verfahrens auf weitere resistenzvermittelnde Transportproteine, z. B. MRP1, ist Gegenstand laufender Untersuchungen. Publikationen (* = externer Koautor) [1] *Arlt, V.M., Stiborová, M., Schmeiser, H.H.: Aristolochic acid as a probable human cancer hazard in herbal remedies: a review. Mutagenesis 17 (2002) 265-277. [2] *NortierJ.L., Schmeiser H.H., *Muniz M.-C., Arlt V.M., *Vervaet C., *Garbar C.H., *Daelemans P., *Vanherweghem J.L.*: Invasive urothelial carcinoma after exposure to Chinese herbal medicine containing aristolochic acid may occur without severe renal failure. Nephrol. Dial. Transplant. 18 (2003) 426428. [3] *Arlt V.M., *Ferluga D., Stiborová M., *Pfohl-Leszkowicz A., *Vukelic M., *Ceovic S., Schmeiser H.H., *Cosyns J.-P. : Is aristolochic acid a risk factor for Balkan endemic nephropathyassociated urothelial cancer? International Journal Cancer 101 (2002) 500-502. [4] Stiborová M, Frei E., *Sopko B., Wiessler M., Schmeiser H.H.: Carcinogenic aristolochic acids upon activation by DT-diaphorase form adducts found in DNA of patients with Chinese herbs nephropathy. Carcinogenesis 23 (2002) 617-625. [5] Stiborová M., Frei E., *Sopko B., *Sopková K., *Marková V., *Lanková M., *Kumstýrová T., Wiessler M., Schmeiser H.H.: Human cytosolic enzymes involved in the metabolic activation of carcinogenic aristolochic acid: evidence for reductive activation by human DT-diaphorase. Carcinogenesis 24 (2003) 1695-1703. [6] Stiborová M., *Stiborová-Rupertová M., *Borek-Dohalska L., Wiessler M., Frei E.: Rat microsomes activating the anticancer drug ellipticine to species covalently binding to deoxyguanosine in DNA are a suitable model mimicking ellipticine bioactivation in humans. Chem. Res. Toxicol. 16 (2003) 38-47. DKFZ 2004: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2002 - 2003 Forschungsschwerpunkt E Innovative Krebsdiagnostik und -therapie Abteilung E080 Molekulare Toxikologie [7] *Aimová D., *Dlouhá, Frei E., Stiborová M.: Anticancer drug ellipticine acts as an inducer of CYP1A1/2 and potentiates its own pharmacological efficiency. In: Cytochromes P450, Biochemistry, Biophysics and Drug Metabolism, P. Anzenbacher, J. Hudecek eds. Manduzzi Editore, Bologna, (2003) 133-138. [8] Stiborová M., Breuer A., *Aimová D., *Stiborová-Rupertová M., Wiessler M., Frei E.: DNA adduct formation by the anticancer drug ellipticine in rats determined by ³²P postlabeling. Int. J. Cancer 107 (2003) 885-890. [9] Stiborová M., Frei E.: Utilization of cytochromes P450 to explain a new mode of action of anticancer drug ellipticine. In: Cytochromes P450, Biochemistry, Biophysics and Drug Metabolism, P. Anzenbacher, J. Hudecek eds. Manduzzi Editore, Bologna, (2003) 99-105. [10] Frei E., Bieler C. A., *Arlt V. M., Wiessler M., Stiborová M.: Covalent binding of the anticancer drug ellipticine to DNA in V79 cells transfected with human cytochrome P450 enzymes. Biochem. Pharmacol. 64 (2002) 289-295. [11] Borek-Dohalska L., Frei E., Stiborová M.: DNA adduct formation by the anticancer drug ellipticine and its hydroxy derivatives in human breast adenocarcinoma MCF-7 cells. Collect. Czech. Chem. Commun. 69 (2004) 603-615. [12] Raddatz S., Marcello M., Kliem H.-C., Tröster H., Trendelenburg M. F., Oeser T., Granzow C., Wiessler M.: Synthesis of new boron-rich building blocks for boron neutron capture therapy or energy-filtering transmission electron microscopy. ChemBioChem 5 (2004) 474-482. 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[17] Granzow C., Kopun-Granzow M., Ponstingl H., Gros G., Hefft I., Stöhr M.: Pharmazeutische Zusammensetzung zur Aufhebung der membranvermittelten Resistenz von Zellen, US-Patent 6,376,224 (23. 4. 2002), Europäisches Patent 0967997 (19. 11. 2003) DKFZ 2004: Wissenschaftlicher Ergebnisbericht 2002 - 2003 339