htw saar 1 MATHEMATIK 3: EINFÜHRUNG IN DIE STOCHASTIK htw saar 2 Programm für heute Organisatorisches Kurzer Überblick: Was ist Stochastik? / Unterschied Wahrscheinlichkeitstheorie – Statistik Kapitel 1: Wahrscheinlichkeitsräume WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 3 ORGANISATORISCHES WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 4 Termine Dienstag 11.45 – 14.00 Uhr (maximal) Mittwoch 08.15 – 09.45 Uhr Mittwoch, 8. Februar fällt aus!!!! Bei Bedarf: Zusatztermin zur Klausurvorbereitung DI 14. oder MI 15. Februar nachmittags Individuelle Sprechstunde nach vorheriger Anmeldung (Raum 2413): Dienstag Nachmittag Mittwoch 10 – 12 Uhr WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 5 Folien Die neuen Folien werden spätestens Montag Nachmittag im Mathe 3 – Ordner bereitgestellt. Die Folien enthalten nicht die vollständige Vorlesung: Beweise oft an der Tafel! WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 6 Fragen??? WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 7 EINFÜHRUNG IN DIE STOCHASTIK: WAS IST STOCHASTIK? htw saar 8 Einführung Die Wissenschaft vom Zufall wird als „Stochastik“ bezeichnet. Der Name ist vom griechischen „ στοχαστικὴ τέχνη“ (stochastike techne) abgeleitet. Das bedeutet so viel wie „die Kunst des Vermutens“. Die Stochastik untergliedert sich in • Wahrscheinlichkeitstheorie • Statistik WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 9 Wahrscheinlichkeitstheorie 1 • Analyse zufälliger Ereignisse • Theoretische Untersuchung von charakteristischen „Wahrscheinlichkeits-Verteilungen“ (am bekanntesten: Normalverteilung) WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 10 Wahrscheinlichkeitstheorie 2 • Für ein Ereignis werden die Wahrscheinlichkeiten der einzelnen möglichen Ausgänge berechnet. • Dabei wird eine Modellannahme getroffen. Beispiel: • Ein Würfel wird geworfen. • Annahme: Jede Zahl hat die gleiche Chance. • Jede Zahl hat die Wahrscheinlichkeit 1/6. Es wird bestimmt, wie die Verteilung der Ausgänge aussehen müßte. WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 11 Statistik 1 • Analyse empirischer Daten (Umfrage, Messdaten….) • Stammen Daten aus einer bestimmten Verteilung? • Mehrere Stichproben: Stammen beide aus gleicher Verteilung? WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 12 Statistik 2 Beispiel: Betrachte die Ergebnisse von 50 Würfen. Manche Zahlen kommen deutlich häufiger vor als andere. Frage: Ist der Würfel fair? Die Statistik entwickelt Methoden, um dies zu testen! Die Statistik testet, ob • unter einer bestimmten Modellannahme • die beobachteten Ergebnisse zu diesem Modell passen WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 13 Statistik 3 Weiteres Beispiel: Bei der Körpergröße wird meist davon ausgegangen, dass sie einer Normalverteilung entspricht. Durchschnittliche Körpergröße in Deutschland (Statistisches Bundesamt 2013): Männer 1,78 m Frauen 1,65 m Frage: Entspricht Größenverteilung einer bestimmten Gruppe der Verteilung In der Gesamtbevölkerung? WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 14 Wahrscheinlichkeitstheorie: Historische Anfänge 29. Juli 1654: Blaise Pascal beschreibt in einem Brief an Pierre de Fermat zwei Probleme, die ihm von seinem Freund Antoine Gombaud, Chevalier de Méré zugetragen wurden: Pascal WS 2016/17 Fermat Chevalier de Méré Hans-Peter Hafner htw saar 15 De Méré‘sches Problem Aufteilungsparadoxon Zwei Spieler (A und B) spielen ein gerechtes (= jeder Spieler hat gleiche Gewinnchance) Spiel auf sechs Gewinnsätze. Es muss beim Stande von fünf (A) zu drei (B) Gewinnsätzen abgebrochen werden. Wie teilt man den Siegespreis gerecht auf? WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 16 Anfänge der Statistik Volkszählungen schon in der Antike Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Lukas 2,1-2 Pieter Bruegel d. Ä.: Volkszählung zu Bethlehem (1566) Moderne schließende Statistik: Anfänge Ende 18. Jahrhundert WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 17 Gliederung der Vorlesung 1 Wahrscheinlichkeitsräume 10.01. 2 Kombinatorik 11.01./17.01. 3 Zufallsvariablen (diskreter Fall) und diskrete Verteilungen 18.01./24.01. 4 Bedingte Wahrscheinlichkeit und Stochastische Unabhängigkeit 25.01./31.01. 5 Stetige Zufallsvariablen und Verteilungen 01.02. 6 Deskriptive Statistik 07.02. 7 Schätzen und Testen 14.02./15.02. WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 18 Literatur Grundlage: Henze, Norbert: Stochastik für Einsteiger, Vieweg+Teubner 2013 (10. Auflage). Als elektronische Ressource in Bibliothek verfügbar! Ergänzung für Statistik – Teil: Fahrmeir, Ludwig; Heumann, Christian; Künstler, Rita; Pigeot, Iris; Tutz, Gerhard: Statistik. Der Weg zur Datenanalyse, Springer Spektrum 2016 (8. Auflage). Als elektronische Ressource in Bibliothek verfügbar! Für besonders Interessierte (mathematisch anspruchsvoller): Behrends, Erhard: Elementare Stochastik, Springer Spektrum 2013, Kapitel 1-8. Als elektronische Ressource in Bibliothek verfügbar! WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 19 KAPITEL 1 WAHRSCHEINLICHKEITSRÄUME htw saar 20 Einführung Mathematik verwendet oft idealisierte Modelle zur Beschreibung von Sachverhalten. D. h.: Diese Modelle sind so in der realen Welt nicht zu finden. Sie eignen sich aber trotzdem gut zur Beschreibung realer Sachverhalte. Beispiele: 1) In der Natur gibt es keine exakten Kreise, aber trotzdem gibt es in der Mathematik Formeln zur Berechnung von Fläche und Umfang von exakten Kreisen. 2) „Die Länge eines Tisches ist irrational.“: Mathematisch sinnvolle Aussage, aber ohne Anwendungsbezug (da in Praxis Messen auf mehrere Nachkommastellen nicht möglich). Wahrscheinlichkeitsräume sind idealisierte Modelle zur Beschreibung von zufälligen Phänomenen. WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 21 Anwendungsgebiete Gewinnaussichten bei Glücksspielen Risikoberechnungen bei Banken und Versicherungen Wahlprognosen Wetterprognosen (Niederschlagswahrscheinlichkeit) Qualitätskontrolle WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 22 Zufallssituationen im Alltag Würfeln Kartenspiele Warteschlangen WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 23 Merkmale der Anwendungssituationen 1. Es wird ein „Zufallsexperiment“ durchgeführt. (Würfeln, Spielkarten verteilen, Analyse von Wartezeiten, Bestimmung der Anzahl mangelhafter Produkte) 2. Man kennt nicht das genaue Ergebnis, aber die Menge der möglichen Ergebnisse. 3. Manchmal interessiert das genaue Ergebnis, in anderen Fällen ist ausreichend zu wissen, ob das Ergebnis in einer bestimmten Teilmenge liegt (z. B. bei Qualitätskontrolle Anteil unterhalb einer Oberschranke). 4. Bei häufiger Durchführung zeichnet sich eine Tendenz ab. (Jede Zahl etwa gleich häufig. / Jede/r Spieler/in hat manchmal gute und manchmal schlechte Karten. / Durchschnittliche Bedienzeit pro Kunde bzw. durchschnittliche Fehlerrate stabilisieren sich.) WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 24 Mathematische Formulierung 1: Ereignisse Ω sei die Menge der Ergebnisse eines Zufallsexperiments (Ergebnisraum). Die Teilmengen von Ω nennen wir Ereignisse. Die einelementigen Teilmengen ω ∈ Ω sind die Elementarereignisse. Sei A ein Ereignis. (1) A = Ω ist das sichere Ereignis. (2) A = ∅ ist das unmögliche Ereignis. Für Ereignisse A und B können mittels mengentheoretischer Operationen neue Ereignisse konstruiert werden. Hausaufgabe: Wiederholen Sie die Rechenregeln für Mengen (s. etwa Henze Kapitel 2)! WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 25 Übung 1 Bestimmen Sie jeweils die Ergebnisräume: 1) Ein roter und ein blauer Würfel werden geworfen. 2) Ein roter Würfel wird zweimal hintereinander geworfen. 3) Zwei rote Würfel werden gleichzeitig geworfen. WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 26 Mathematische Formulierung 2: Endliche W.-Räume Die Frage nach den Fundamenten der mathematischen Wahrscheinlichkeitstheorie konnte erst 1933 durch die Axiome von A. N. Kolmogorov zufriedenstellend gelöst werden. Definition endlicher Wahrscheinlichkeitsraum (kurz: W-Raum): Sei Ω ≠ ∅ eine endliche Menge und sei P eine auf den Teilmengen von Ω definierte reellwertige Funktion mit den Eigenschaften (a) P(A) ≥ 0 für alle A ⊂ Ω Nicht-Negativität (b) P(Ω) = 1 Normiertheit (c) P(A ∪ B) = P(A) + P(B), falls A ∩ B = ∅. Additivität Dann ist (Ω, P) ein endlicher W-Raum mit der Wahrscheinlichkeitsverteilung (oder dem Wahrscheinlichkeitsmaß) P. P(A) heißt die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses A. WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 27 Folgerungen aus den Axiomen Sei (Ω,P ) ein endlicher W–Raum und A,B,A1,A2, . . . ,An (n ≥ 2) seien Ereignisse. Dann gilt: a) P(∅) = 0 b) P(∑ Aj) = ∑ P Aj falls A1,A2, . . . ,An paarweise disjunkt sind endliche Additivität c) 0 ≤ P(A) ≤ 1 d) P(A) = 1 - P(A) e) Aus A ⊂ B folgt P(A) ≤ P(B) f) P(A ∪ B) = P(A) + P(B) − P(A ∩ B) g) P(∪ Aj) ≤ ∑ WS 2016/17 P(Aj) Subadditivität Hans-Peter Hafner htw saar 28 Folgerung aus der Additivitätseigenschaft Wegen der Additivitätseigenschaft der Wahrscheinlichkeit ist es ausreichend, die Wahrscheinlichkeit für Elementarereignisse zu definieren. Sei ω ein Elementarereignis. Dann: p(ω) := P({ω}). Wegen der Additivitätseigenschaft von P gilt dann für die Wahrscheinlichkeit eines beliebigen Ereignisses A: P(A) = ∑ω∈Ω:ω∈A p(ω). WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 29 Anschauliche Darstellung von Wahrscheinlichkeiten Quelle: Henze, S. 43 Kreisumfang = 1 WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 30 Diskrete W-Räume Bisher: Ω endliche Menge. Erweiterung: Ω abzählbar => diskrete W-Räume Definition diskreter Wahrscheinlichkeitsraum: Sei Ω ≠ ∅ eine abzählbare Menge und sei P eine auf den Teilmengen von Ω definierte reellwertige Funktion mit den Eigenschaften (a) P(A) ≥ 0 für alle A ⊂ Ω Nicht-Negativität (b) P(Ω) = 1 Normiertheit (c) P(∑ Aj) = ∑ P Aj , falls A1, A2, . . paarweise disjunkte Ereignisse sind. σ– Additivität Dann ist (Ω, P) ein diskreter W-Raum mit der Wahrscheinlichkeitsverteilung (oder dem Wahrscheinlichkeitsmaß) P. P(A) heißt die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses A. WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 31 Beispiele für diskrete unendliche Wahrscheinlichkeitsräume • Folge von Münzwürfen, die dann beendet wird, wenn das erste Mal Zahl fällt • Folge von gewürfelten Zahlen, die beendet wird, wenn das erste Mal eine Sechs fällt WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 32 Bemerkungen I) Die Regeln für Wahrscheinlichkeitsmaße in endlichen W-Räumen gelten auch für Wahrscheinlichkeitsmaße in diskreten W-Räumen. Additivität ist schwächere Eigenschaft als σ– Additivität. WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 33 Bemerkungen II) In vielen Mathematikbüchern findet man folgende allgemeine Definition eines W-Raumes (s. ausführlicher in Behrens 1.2): Ein Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, Ԑ, P) besteht aus drei Dingen: (i) Einer nichtleeren Menge Ω, der Menge der Elementarereignisse. (ii) Einer σ-Algebra Ԑ auf Ω, der σ-Algebra der Ereignisse. (iii) Einem Wahrscheinlichkeitsmaß P : Ԑ →[ 0, 1 ]. Eine σ-Algebra Ԑ auf Ω ist ein Mengensystem (= Menge, die Mengen als Elemente enthält) mit den Eigenschaften (i) Ω und die leere Menge sind Elemente von Ԑ. (ii) Für jedes Element E von Ԑ ist Ω \ E (Komplementärmenge von E in Ω) Element von Ԑ. (iii) Die abzählbare Vereinigung von Mengen aus Ԑ ist in Ԑ enthalten. Ein Wahrscheinlichkeitsmaß P auf Ω ist eine Abbildung P : Ԑ → [ 0, 1 ] mit P(Ω) = 1, die σ– additiv ist. WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 34 Laplace‘sche W-Räume Sei Ω = {ω1,ω2, . . . ,ωs} eine s-elementige Menge von Elementarereignissen und gelte p(ω) = 1/s für alle ω ∈ Ω. Dann nennen wir (Ω,P) einen Laplace‘schen W-Raum. Aufgrund der Additivität der Wahrscheinlichkeitsverteilung gilt dann für ein Ereignis A: P(A) = |A| / s. P heißt die diskrete Gleichverteilung auf Ω. Beispiele: • Ein Würfel wird geworfen: Ω = {1,2, . . . ,6}, p(ω) = 1/6 für ω = 1, 2, …, 6 • Eine Münze wird geworfen: Ω = {W, Z}, p(W) = p(Z) = 1/2 WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 35 Literatur Henze Kapitel 1 + 2 (Ereignisse / Wiederholung Mengenregeln) 6.1/6.2 + 7.1/7.2 (Wahrscheinlichkeitsräume); Optional 7.3-7.5 (weitere Beispiele) WS 2016/17 Hans-Peter Hafner htw saar 36 Übung 2 1) In einer Schachtel liegen vier mit 1 bis 4 nummerierte Kugeln. Wie lautet die Ergebnismenge, wenn zwei Kugeln mit einem Griff gezogen werden? 2) Geben Sie jeweils eine geeignete Ergebnismenge für folgende stochastischen Vorgänge an: a) Drei nicht unterscheidbare 1-Euro-Münzen werden gleichzeitig geworfen. b) Eine 1-Euro-Münze wird dreimal hintereinander geworfen. c) Eine 1-Cent-Münze und eine 1-Euro-Münze werden gleichzeitig geworfen. d) Eine 1-Cent-Münze wird so lange geworfen, bis zum ersten Mal Zahl erscheint, jedoch höchstens sechsmal. e) Ein Würfel wird so lange geworfen, bis jede Augenzahl mindestens einmal aufgetreten ist. Es interessiere dabei nur die Anzahl der benötigten Würfe. (D. h.: Ereignis = Anzahl der Würfe) WS 2016/17 Hans-Peter Hafner