RheumaZentrum RheumaZentrum: Zentrum: Hirslanden Zentrum für Erkrankungen des Bewegungsapparates Älterwerden: Muss das weh tun? Drs. med. G. Hajnos, H.O. Hofer D. Germann Die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung zu Beginn des 21. Jahrhunderts: 86% der Bevölkerung, 84% der Frauen und 88% der Männer fühlen sich gesundheitlich gut oder sehr gut. Schweizerische Gesundheitsbefragung 2002, BFS 2003 Schweizerische Gesundheitsbefragung 2002, BFS 2003 Leben heisst Bewegung, doch…. Nach PD Dr. F. Horber für kein Organsystem gingen die positiven Anreize im Alltag seit 100 Jahren so sehr zurück, wie für den Bewegungsapparat! Auch heute gilt das: Gesetz der funktionellen Anpassung (W. Roux): „Es gibt keine Struktur ohne Funktion, keine Funktion ohne Struktur“. „Strukturen sind langsame Funktionen“ (Benninghoff) Adaptation: Reiz - Reaktions Konzept Unmittelbar Umgebungsänderung Reaktion Stimulus / Reiz Stress / Reizsumme Verzögert Adaptation Adaptationsvorgänge brauchen Zeit! Strukturelle Veränderungen nachweisbar nach: Muskulatur Sehnen Insertionen Knochen 1-3 Wochen 1-3 Monate 3-6 Monate 1-3 Monate ( 03 Monate) ( 12 Monate) ( 24 Monate) ( 12 Monate) Kinder und Jugendliche Intensität und Dauer körperlicher Aktivität bereits bei 6-Jährigen sinkend! Erwachsene Um 1900: Durchschnittliche Gehdistanz pro Tag 20 Km! Heute: Lediglich 1/3 der Schweizer kommt pro Woche wegen körperlicher Aktivität 3 mal ins Schwitzen / ausser Atem Älterwerden - Muss das schmerzhaft sein ? Altersveränderungen Bildgebung: Morphologische Veränderungen zunehmend Schlechte Korrelation (lediglich 30 % auch Schmerzen) Knochen: Abnahme der Knochenmasse, Verlust Elastizität Muskulatur: Bis 40% Abnahme der Muskelmasse Bindegewebe: Verlust Elastizität, Zunahme Steifigkeit Folgen: - Erhöhte Brüchigkeit, verminderte Reissfestigkeit - Kraftverlust mit verminderter muskulärer Stabilität, erhöhter Sturzgefährdung und verminderter Belastbarkeit Was ist Schmerz? Schmerz ist ein Symptom aber keine Diagnose …ist, was die Patientin, der Patient sagt (M. Felder) …ist Ausdruck eines körperlich ausgedrückten Problems Woher kommt der Schmerz? Passiver Bewegungsapparat Aktiver Bewegungsapparat Nervensystem Knochen, Bänder, Gelenke, Bindegewebe Erregungsentstehung, Leitung, Verarbeitung Muskulatur, Faszien Rückenschmerzen: Epidemiologie • 60 - 90 % der Erwachsenen leiden im Laufe des Lebens mind. einmal an Rückenschmerzen • Rezidive häufig, 92% von Patienten mit aktuellen Rückenschmerzen litten bereits früher an Episoden von Rückenschmerzen • CH – Bevölkerung 2009: 65 J. und älter 16.8 % 40 J. und älter 52,3 % • CH – Befragung 2005: 18 % Berufsbedingte Rückenschmerzen Die Degeneration des Bewegungssegmentes 90% der Kreuzschmerzen sind mechanisch verursacht Degenerative Veränderungen: Spinalstenose Einteilung nach Leitsymptomen • Vertebrales Syndrom: – Umschriebene Haltungsveränderung – Segmentale Funktionsstörung – Reaktive Weichteilveränderung • Spondylogenes Syndrom: – Vertebrales Syndrom (meistens) – Schmerzausstrahlung, Ausdehnung der Weichteilveränderungen (Kettentendomyosen) • Radikuläres Syndrom (Nervenreizung, „Ischias“) – Vertebrales Syndrom (meistens) – Positive Nervendehnungstests (Lasègue-Test) – Nervenfunktion gestört: Sensibel und/oder motorisch Invasive Therapie: Infiltration - Operation Schmerz kann man nicht operieren! Infiltrationen: - Reizverminderung - Abschwellung Operation: - Dekompression - Stabilisierung Therapiekonzept: Ursachenorientierte Schmerztherapie Modulation: - Opiate - Antidepressiva - Gabapentin, - Pregabalin Bewegungssegment: - NSAR, Steroide - Infiltrationen - Paracetamol, Metamizol - Operation Muskulatur, Bindegewebe: - Myofasziale Dehnung, DN - Kräftigung - Koordination (Haltungskorr.) - Myorelaxantien, Magnesium Muskuläre Rumpfstabilisation: Alle sind gefragt! Rectus abdominis Obliqui (ext. et int.) Transversus abdominis Quadratus lumborum Iliopsoas Erector trunci medialer und lateraler Trakt Mediclip, 1997, Williams & Wilkins Referred Pain Phänomene Ein ischialgiformer Beinschmerz ohne neurologische Symptome ist fast immer ein myofasziales Syndrom der Glutealmuskulatur mit Übertragenen Schmerzen Glutaeus maximus Glutaeus medius et minimus B. Dejung: Triggerpunkt-Therapie, 2003, Hans Huber Verlag Referred Pain Phänomene Eine Lumbosakralgie mit Rückbeugeschmerz ist meistens ein myofasziales Syndrom mit TrP‘s im Iliopsoas, selten eine Spinalstenose und manchmal ein blockiertes SIG M. Iliacus M. Psoas B. Dejung: Triggerpunkt-Therapie, 2003, Hans Huber Verlag Muskuläre Funktionalität: KEINE spontane Erholung der Muskellänge, gestörtes Innervationsmuster! Funktionelle Eigenschaften des Skelettmuskels: Reagiert auf Reize, Elastizität, Kontraktionsfähigkeit Dehnung geschieht passiv!! Verkürzte Stellung führt zur Schrumpfung des Bindegewebes: Dekontraktion der verkürzten Sarkomere verhindert / erschwert Entstehung myofaszialer Triggerpunkte begünstigt Das myofasziale Schmerzsyndrom ….ist die häufigste Schmerzursache am Bewegungsapparat! 85% Lebenszeitprävalenz, 15-20% werden chronisch! ….myofasziale Prozesse spielen eine entscheidende Rolle bei der Schmerzchronifizierung ….anatomisches Substrat ist der muskuläre Hartspann und darin der myofasziale Triggerpunkt ….Schmerzauslösend sind metabolische Vorgänge (Ischämie, Azidose), die je nach Dauer mehr oder weniger rasch und vollständig reversibel sind, manchmal auch nach Jahren! Krafttraining: Wir werden nicht nur dicker sondern auch schwächer! Beweglichkeit Sarkopenie, ein neues Schlagwort! Koodination Ausdauer KRAFT! Aus: Dr. med. Beat Knechtle in Fitnesstribune Aktive Bewegungstherapie: Übungsaufbau 1. Ausgangsstellung entlastet → belastet 2. Bewegung geführt → frei 3. Hebelarm kurz → lang 4. Belastungsart isometrisch → 5. Bewegungsbahn klein → gross 6. Gewicht klein → gross 7. Repetitionszahl gross → klein dynamisch Das Konzept der aktiven muskulären Stabilisation Ausgangsstellung stabil Hebel klein Ausgangsstellung freier Hebel grösser Ausgangsstellung instabil Hebel gross Take Home Messages der MuSe • Jede Strukturveränderung ist Folge eines funktionellen Reizes • Vorzustände begünstigen manchmal ein rascheres Entstehen von Verschleiss und Alterung • Leben heisst Bewegung und Belastung! Schonung ist nicht gleich Immobilisierung (Weniger, bewusster,…) • Immobilisierung nur wenn unvermeidbar: Fraktur, Riss, akuteste Entzündung (Schaden der Bewegung grösser als Nutzen) • Chronifizierung meist Folge eines persistierenden funktionellen Reizes mit peripherer Nozizeption • Verschleiss (Binde-Stützgewebe) und Energiekrise (Muskel) führen zu einer entzündlichen Reizung („Wundheilung“) • „Wundheilung“ führt zu Bindegewebsneubildungen, diese sind, wenn nicht entsprechend funktionell behandelt der Beginn der Chronifizierung Die Muskelspannung als Spiegel der Seele Auslösung einer Muskelverspannung durch mehrere Reize Anatomischer Muskelaufbau Kontraktion und Relaxation benötigen Energie! Radiologische Befunde : Probanden ohne Beschwerden 100% 100 90% 70 J. 42 J. 100 Anuluseinriss 80% 75 70% Degen. Erkr. 28 J. 60% 60 50% 60 J. 35 J. 23 J. 40% Diskogramm + 40 34 30% 30 20% 30 J. CT/MRI-Hernie Myelografie + 25 51 J. 15 10% 15 J. 0% 0 10 20 30 40 50 60 70 Konservative Therapie : Zusammenfassung - Bettruhe so kurz wie möglich: Entlastungsstellungen - Adäquate Schmerztherapie: Analgesie, Entzündungshemmung - Kontrollierte Aktivität: Stabilisierung des Rumpfes Wechselhaltungen - Gezielte aktive Bewegungstherapie/Trainingsprogramme: KEINE automatische Erholung der Strukturen (Muskulatur, Bindegewebe)