verstehen - ARTHRITIS.at

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GESUNDHEITSRATGEBER
Bewegungsapparat & Rheuma
Euro 5,-
verstehen
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Auflage rte
• Früherkennung rheumatischer Erkrankungen
• Aktuelle Therapiemöglichkeiten
• Gesunderhaltung des Bewegungsapparates
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Bewegungsapparat & Rheuma
verstehen
SEITE
EDITORIAL
5, 6
LEBEN MIT RHEUMA8
ENTZÜNDLICH-RHEUMATISCHE
ERKRANKUNGEN 20
HEUMATOIDE ARTHRITIS
R
(CHRONISCHE POLYARTHRITIS)
21
JUVENILE IDIOPATHISCHE ARTHRITIS (JIA)
28
MORBUS BECHTEREW (SPONDYLOARTHRITIS)
33
PSORIASIS-ARTHRITIS
39
GICHT
44
MEDIKAMENTÖSE THERAPIE
47
NICHT-MEDIKAMENTÖSE THERAPIE
59
REGELMÄSSIGE KONTROLLEN UND
THERAPIEANPASSUNG65
2 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
INHALT
VERSCHLEISSRHEUMATISMUS66
ARTHROSE 67
OSTEOPOROSE
74
WEICHTEILRHEUMATISMUS78
FIBROMYALGIE 79
POLYMYALGIA RHEUMATICA (PMR) 82
SYSTEMISCHER LUPUS ERYTHEMATODES (SLE)84
SCHMERZ: URSACHE UND THERAPIE89
HILFE AUS DER APOTHEKE99
BEWEGUNG & SPORT109
IMPFUNGEN 112
SELBSTTESTS
116, 117
SELBSTHILFEGRUPPEN118
IMPRESSUM:
Herausgeber und Medieninhaber: MedMedia Verlags- und Mediaservice GesmbH, 1070 Wien‚ Seidengasse 9 / Top 1.1. Projektleitung: Alexandra Hindler. Redaktion:
Dr. Karl H. Fenzl & Mag. Nicole Gerfertz. Layout und Grafik: creativedirector.cc lachmair gmbh. Lektorat: Mag. Andrea Crevato. Druck: Ferdinand Berger & Söhne GmbH, 3580
Horn. Fotos: shutterstock.com, stock.adobe.com
Die gesetzliche Offenlegung gemäß § 25 MedienG finden Sie unter www.medmedia.at/home/impressum.
Alle Texte in „Bewegungsapparat & Rheuma verstehen“ wurden nach bestem Wissen recherchiert. Irrtümer sind vorbehalten. Trotz sorgfältiger Prüfung übernehmen Verlag
und Medieninhaber keine Haftung für drucktechnische und inhaltliche Fehler. Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird jeweils nur die männliche Form der Bezeichnung
von Personen ( z.B. der Patient ) verwendet, damit ist aber sowohl die weibliche als auch die männliche Form gemeint. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form
(Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert,
verarbeitet, vervielfältigt, verwertet oder verbreitet werden.
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 3
MITWIRKENDE
WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT DIESER AUSGABE:
Prim. Dr. Gabriele Eberl, MBA
Ärztliche Direktorin des Klinikums Malcherhof Baden,
Baden bei Wien
Univ.-Prof. Dr. Winfried Graninger
Leiter der Klinischen Abteilung für Rheumatologie,
LKH-Universitätsklinikum Graz
Prim. Univ.-Prof. Dr. Ludwig Erlacher
Leiter der 2. Medizinischen Abteilung,
SMZ-Süd, Wien
Prim. Priv.-Doz. Dr. Günter Höfle
Leiter der Abteilung für Innere Medizin,
LKH Hohenems
MITWIRKENDE DIESER AUSGABE:
Dr. Georg Rüdiger Barisani
Facharzt für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie
Leiter der Abteilung für Unfallchirurgie,
Sanatorium Hera, Wien
Univ.-Prof. Dr. Hans Peter Dimai
Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Knochen
und Mineralstoffwechsel
Vizerektor für Studium und Lehre,
Universitätsklinik für Innere Medizin,
Klinische Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel,
Medizinische Universität Graz
Univ.-Doz. Dr. Johann Gruber
Universitätsklinik für Innere Medizin VI,
Rheumatologie, Innsbruck
Prim. Univ.-Prof. Dr. Burkhard Gustorff, DEAA
Vorstand der Abteilungen für Anästhesie, Intensiv- und
Schmerzmedizin, Wilhelminenspital der Stadt Wien
Univ.-Doz. Dr. Ursula Hollenstein
Vorstand Reisemedizinisches Zentrum Traveldoc,
Wien
Prim. Univ.-Doz. Dr. Christian Huemer
Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde,
LKH Bregenz
Prim. Priv.-Doz. Dr. Burkhard Leeb
Vorstand der 2. Medizinischen Abteilung,
Niederösterreichisches Kompetenzzentrum für
­Rheumatologie, Landesklinikum Stockerau
Prim. Dr. Monika Mustak-Blagusz
Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie
SKA-RZ Gröbming, Pensionsversicherungsanstalt
Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Quittan, MSc
Vorstand des Instituts für Physikalische Medizin und
­Rehabilitation, SMZ-Süd und SMZ-Floridsdorf, Wien
OÄ Dr. Andrea Studnicka-Benke
Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie
Universitätsklinik für Innere Medizin III, Salzburg
Prim. Univ.-Prof. Dr. Franz Trautinger
Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten,
­Universitätsklinikum St. Pölten,
Karl-Landsteiner-Universität für Gesundheitswissenschaften
OÄ Dr. Maria-Christina Walter
2. Medizinische Abteilung, SMZ-Süd, Wien
Wir danken allen Mitwirkenden für die Unterstützung.
Erstellt in Kooperation mit dem
4 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Redaktion: Dr. Karl H. Fenzl &
Mag. Nicole Gerfertz
EDITORIAL
© Harald Eisenberger
Prim. Univ.-Prof. Dr. Ludwig Erlacher,
Wien
Sehr geehrte Leserinnen und Leser!
Hiermit dürfen wir Ihnen bereits die 7. überarbeitete und aktualisierte Neuauflage
des Patientenratgebers „Rheuma verstehen“ präsentieren.
Sie finden in diesem Ratgeber umfassende Informationen zu den unterschiedlichen
rheumatischen Erkrankungen. Diese wurden klar strukturiert und verständlich aufbereitet. Der bewährte „Frage-Antwort-Modus“ soll Ihnen dabei helfen, möglichst
leicht genau jene Antworten zu finden, die für Sie wichtig sind. Dabei darf aber
nicht vergessen werden, dass die klinische Untersuchung unverändert die Basis
jeder Abklärung einer rheumatischen Erkrankung darstellt. Laborparameter und die
Ergebnisse der Bildgebung ergänzen nur den klinischen Befund.
Betroffene können – so meine langjährige Erfahrung als Facharzt für Rheumatologie – sehr davon profitieren, mehr über ihre Erkrankung zu wissen. Wichtig dabei
ist natürlich immer die Absprache mit den behandelnden Ärzten.
Gemeinsames Ziel von Arzt und Patient ist es, die Lebensqualität des Betroffenen
zu erhalten bzw. wieder herzustellen und Krankheiten rechtzeitig zu behandeln, um
so Spätschäden zu verhindern. Dieser Ratgeber soll Ihnen daher auch eine Hilfestellung bieten für die Gespräche mit Ihrem Arzt, damit Sie gemeinsam die für Sie
am besten geeignete Therapie festlegen können.
Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre!
Prim. Univ.-Prof. Dr. Ludwig Erlacher
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 5
EDITORIAL
Mag. Gudrun Kreutner
Leitung Presse und Kommunikation,
Österreichische Apothekerkammer
Sehr geehrte Leserinnen und Leser!
Die Ratgeber aus der Serie „Gesundheit verstehen“ erfreuen sich bei Apothekenkundinnen und -kunden großer Beliebtheit und waren in der Vergangenheit oftmals
schnell vergriffen. Gerade in einer Zeit, in der man zwar von Informationen über­
flutet wird, aber vor allem im Internet nicht immer zuverlässige und seriöse Antworten
findet, ist ein kompetenter Ratgeber besonders wertvoll.
Das betrifft auch das Thema rheumatische Erkrankungen. Auf wissenschaftlicher
Basis, praxisnah und gut verständlich präsentiert sich daher nun die bereits 7. Auflage des Gesundheitsratgebers „Rheuma verstehen“. Die neue Auflage wurde inhaltlich ergänzt und wissenschaftlich aktualisiert. Das Themenspektrum umfasst die
Früherkennung rheumatischer Erkrankungen, Therapien sowie Tipps zu Bewegungsarten. Das Buch gibt einen guten Überblick zu allen Formen des Rheumatismus und
enthält einen eigenen Teil zur Hilfe aus der Apotheke. Das alles gibt es wie immer im
bewährten Frage-Antwort-Prinzip. Wichtig sind auch die Hinweise auf Impfungen
während einer Basistherapie.
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern eine interessante Lektüre und hoffe, dass
Sie viele zufriedenstellende Antworten auf Fragen zum Thema Rheuma finden!
Mag. Gudrun Kreutner
6 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Morbus
Bechterew
Machen Sie mit bei der Umfrage
Wie ist das Leben mit AS
Dieser Fragebogen wurde in Zusammenarbeit mit RheumatologInnen und der
Patientenorganisation entwickelt.
Ziel dieser Umfrage ist eine umfassende Analyse der Herausforderungen, mit denen
Betroffene in Österreich und anderen Ländern Europas konfrontiert sind. In weiterer
Folge möchten wir das Bewusstsein für die Erkrankung in unserer Gesellschaft
steigern und einen Aktionsplan für Politik und Gesundheitswesen entwickeln.
Gemeinsam können wir ein Konzept erarbeiten, das in der Gesellschaft ein
erhöhtes Bewusstsein für die Erkrankung und damit die Voraussetzung für
eine Verbesserung der Lebenssituation der PatientInnen schafft.
Um an der Umfrage teilzunehmen, gehen Sie auf www.lebenmitbechterew.at
Mit Ihrer Unterstützung können wir die Betreuung von PatientInnen
mit Morbus Bechterew weiter verbessern!
Österreichische Vereinigung Morbus Bechterew
Ehrenamtlich geführte Selbsthilfeorganisation
Mit freundlicher Unterstützung von
Stella-Klein-Loew-Weg 17, A-1020 Wien
www.novartis.at
AT1702590277, 05/2017
Die Beantwortung der Umfrage dauert etwa 30 Minuten.
LEBEN
MIT RHEUMA
Früherkennung ist bei rheumatischen
Erkrankungen von großer Bedeutung, um
entsprechend behandeln zu können. Denn
mit einer konsequenten Therapie sind die
Erkrankungen gut in den Griff
zu bekommen.
Leben mit Rheuma
Rheuma – was ist das eigentlich?
Der Begriff „Rheuma“ kann übersetzt
werden mit „Schmerzen im Bewegungsapparat“. Unter diesem Begriff fasst
man alle Schmerzen und Funktionsstörungen am Bewegungsapparat (dazu gehören Knochen, Gelenke und Muskeln)
zusammen. „Rheuma“ dient daher als
Oberbegriff für rund 400 Erkrankungen,
hinter denen sich eine Vielzahl an Beschwerden und Ursachen verbirgt.
Ist Rheuma eine seltene Erkrankung?
Im Gegenteil: Jeder Dritte ist im Laufe
seines Lebens von einer rheumatischen
Erkrankung betroffen. Früherkennung,
d.h. die frühzeitige Diagnose, ist dabei
besonders wichtig.
Heilt Rheuma von alleine wieder?
Leider nein! Daher sollten Sie gleich
beim Auftreten der ersten Warnsignale
(Gelenkschmerzen und -schwellungen,
Morgensteifigkeit etc.; siehe Kasten,
Seite 11) einen Arzt aufsuchen, damit
frühzeitig eine entsprechende Therapie
eingeleitet werden kann. Doch viele
Betroffene setzen sich erst zu spät mit
der Möglichkeit, an Rheuma erkrankt
zu sein, auseinander. Für die Gesunderhaltung der Gelenke ist es wertvolle
Zeit, die hier verstreicht!
Für alle rheumatischen Krankheitsbilder
gilt: Wer einmal daran erkrankt ist, braucht
oft auf Dauer eine Therapie. Insbesondere
der Entzündungsrheumatismus schreitet,
wird er nicht entsprechend behandelt, in
jedem Fall fort. Dies führt zu Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates und irreversiblen (= nicht umkehrbaren) Gelenk-
zerstörungen. Es drohen Behinderungen
bis hin zur Arbeitsunfähigkeit. Neben den
Schmerzen bringt die Erkrankung für die
Betroffenen auch eine massive seelische
Belastung mit sich.
Ist Rheuma eine
„Alte-Leute-Krankheit“?
Nein! Rheuma ist nicht zwangsläufig an
ein hohes Lebensalter gekoppelt. Zum
­Beispiel:
• Der typische Patient, der an einer chronischen entzündlich-rheumatischen
Systemerkrankung (z.B. rheumatoide
Arthritis) leidet, ist oft um die 40 Jahre
jung und weiblich.
• Patienten, die an Fibromyalgie erkranken, sind im Durchschnitt 35 Jahre alt.
• Spondyloarthritis, eine weitere entzündliche rheumatoide Erkrankung,
tritt mit ihren ersten Symptomen um
das 23. Lebensjahr auf.
• Auch Arthrose ist nicht zwangsläufig
eine Alterserscheinung.
Welche Erkrankungen gehören zu
„Rheuma“?
Die diversen rheumatischen Erkrankungen werden entsprechend ihren Ursachen in verschiedene Gruppen eingeteilt
(„rheumatischer Formenkreis“). Eine
Übersicht über Symptome und Therapie
finden Sie auf 18/19.
1. Entzündungsrheumatismus: entzündlich-rheumatische Gelenkerkrankung,
z.B. rheumatoide Arthritis, juvenile idiopathische Arthritis, Psoriasis-Arthritis
2. Abnutzungsrheumatismus: degenerative Gelenk- und Wirbelsäulenveränderung, z.B. Arthrose
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 9
Leben mit Rheuma
3. Weichteilrheumatismus: auch als ex­
traartikulärer Rheumatismus bezeichnet, das bedeutet „außerhalb der Gelenkkapsel eines Gelenks gelegen“,
z.B. Fibromyalgie. Auch Erkrankungen aufgrund der Abnützung und
Überlastung von Sehnen oder
Schleimbeuteln bei lokalen Schmerzen in nur einem Gelenk werden dazu
gezählt, z.B. Kalkschulter.
4. Stoffwechselbedingte Gelenkerkrankungen, z.B. Gicht
5. Kollagenosen: Das Immunsystem
führt zu Entzündungen im Körper
(Gelenkschwellung, Entzündung der
Nieren, der Lunge usw.) und an der
Haut.
Was passiert bei den verschiedenen
rheumatischen Erkrankungen?
Beim Entzündungsrheumatismus kommt
es in unterschiedlichen Gelenken des Körpers zu immer wiederkehrenden oder ständig bestehenden (= chronischen) Entzündungen eines Gelenks (Monarthritis),
einiger (Oligoarthritis) oder mehrerer Gelenke (Polyarthritis). Der Grund liegt in
einer überschießenden Reaktion des Immunsystems, das sich gegen den eigenen
Körper richtet. Daher spricht man auch
von einer Autoimmunerkrankung.
Häufigkeit von rheumatoider Arthritis in
Österreich: ca. 40.000 Menschen
Beim Abnutzungsrheuma nutzt sich der
Gelenkknorpel ab und der darunter liegende Knochen verändert sich. Dies kann
so weit gehen, dass die Knochen aneinander reiben. Es kann dabei auch zu einer
Entzündung der Gelenkinnenhaut kommen; Schwellungen sind die Folge.
10 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Gelenkentzündungen, -schwellungen und
-schmerzen sind typisch für rheumatische
Erkrankungen.
Häufigkeit: rund 1,3 Mio. Arthrose-Erkrankte in Österreich
Unter Weichteilrheumatismus werden
Erkrankungen der Sehnen, Sehnenscheiden, Muskeln, Bänder und Schleimbeutel, die örtlich eingegrenzt werden können, verstanden. Eine Sonderform stellt
die Fibromyalgie (= chronisch weit verteilter Schmerz) dar.
Häufigkeit: bis zu 5% der Bevölkerung
Zu den stoffwechselbedingten rheumatischen Erkrankungen zählt beispielsweise Gicht. Dabei kommt es zu einer
Ablagerung von Harnsäurekristallen in
den Gelenken.
Leben mit Rheuma
Welche Beschwerden deuten auf
Rheuma hin?
Die ersten Beschwerden werden von Betroffenen oft als diffus (= nicht klar abgegrenzt) und schwer zuordenbar dargestellt. Meist denken sie, sie hätten nur
schlecht gelegen oder ihren Körper
überanstrengt. Wie sich nach mitunter
monatelangen Schmerzen herausstellt,
waren dies jedoch die Vorboten einer
rheumatischen Erkrankung.
Wichtiger Hinweis: Gerade bei rheumatischen Erkrankungen gilt: Je früher diagnostiziert und mit einer entsprechenden
Therapie begonnen wird, desto besser
sind die Behandlungserfolge! So können
Sie bleibende Schäden verhindern.
Gibt es einen Zusammenhang
­zwischen Immunsystem und Rheuma?
Unser Immunsystem ist dafür verantwortlich, Fremdkörper inklusive Bakterien, die in unseren Körper eindringen,
wirksam auszuschalten. Bei ent­
zündlich-rheumatischen Erkrankungen
kommt es jedoch zu einer Störung des
Immunsystems: Es kann nicht mehr exakt zwischen fremden und eigenen Substanzen unterscheiden. Daher greift der
Körper seine eigenen Strukturen, wie
beispielsweise bei der rheumatoiden Arthritis die Gelenkinnenhaut, an. Die Folge: Das betroffene Gelenk schwillt an,
wird unter Umständen warm und es
kommt in weiterer ­Folge zu Auswirkungen auf den ganzen Körper. Man spricht
daher von einer entzündlich-rheumatischen Systemerkrankung.
Die Gelenkveränderungen bei Arthrosen
sind überwiegend nicht entzündlich be-
dingt. Hier ist das Immunsystem nicht
beteiligt.
Mögliche erste Symptome –
bitte ärztlich abklären lassen!
1. V erdacht auf chronisch-entzündliche rheumatische Erkrankung:
­Gelenkschmerzen und -schwellung
ohne nachvollziehbaren Grund,
Nachtschweiß, Müdigkeit, Morgensteifigkeit; häufig sind zunächst Finger
und Zehen betroffen, später auch die
großen Gelenke; oftmals symmetrische
Schwellungen der gleichen Gelenke auf
beiden Körperseiten.
2. V erdacht auf Abnützung
(­ degenerative Erkrankung): Schmerzen, die am Beginn einer körperlichen
Tätigkeit auftreten und nach kurzer
Zeit der Bewegung wieder nachlassen
(Anlaufschmerzen) sowie ein Gefühl der
Spannung in den Gelenken vor allem
bei Wetterumschwung zu nasskalten
Perioden.
3. Verdacht auf Weichteilrheumatismus: Schmerzen in bestimmten
Muskeln, Sehnen und Gelenken.
Die Schmerzattacken können auch
wechselnd verschiedene Körperregion
betreffen.
4. Verdacht auf Gicht: Schmerz,
­Druckempfindlichkeit und Schwellung von Gelenken über Nacht;
­mitunter kurz vor dem Anfall intensiver
A­ lkoholkonsum.
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 11
Leben mit Rheuma
Entzündungsrheumatismus –
was sind die Ursachen?
Ein eindeutiger Auslöser für die Fehlfunktion des Immunsystems bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen
konnte bisher noch nicht gefunden werden. In einigen Fällen wurden jedoch
familiäre und geschlechtsspezifische
Häufungen festgestellt. Der Einfluss von
Erbfaktoren ist bewiesen. Das bedeutet
jedoch nicht, dass die jeweilige rheumatische Erkrankung eine Erbkrankheit ist.
Bei Kindern von Entzündungsrheumatikern besteht eine nur gering erhöhte
Wahrscheinlichkeit, eine rheumatische
Entzündungserkrankung zu entwickeln.
Kann eine anderweitige Entzündung
schuld an Arthritis sein?
Grundsätzlich ja. Hier muss jedoch klar
unterschieden werden: Bei der bakteriellen Arthritis kann beispielsweise eine
Infektion eine bakterielle Gelenkeiterung hervorrufen, nachweisbar in der
Gelenkflüssigkeit. Diese Akuterkrankung lässt sich in der Regel mit Antibiotika und Gelenkspülungen gut sanieren.
Davon zu unterscheiden ist die reaktive
Arthritis, bei der eine Infektion anderer
Organe (Harntrakt, Atemwege, Darm)
als Auslöser für eine Gelenkentzündung
verantwortlich ist. Dabei können in den
betroffenen Gelenken selbst keine Keime festgestellt werden, sehr wohl aber
im Harn oder in einer Stuhlprobe.
Welche Ursachen hat
V­ erschleißrheumatismus?
Zu den Ursachen für degenerative Erkrankungen gehören u.a. Gelenkfehlstellungen sowie Überlastung der Ge­
12 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
lenke durch Beruf, Übergewicht oder
Leistungssport.
Was ist eine Anamnese und wozu
dient sie?
Unter Anamnese versteht man die individuelle Krankengeschichte eines Menschen. Diese liefert Hinweise für die richtige Diagnose (Krankheitsbezeichnung).
Sinnvoll ist es, wenn der Betroffene schon
vor dem ersten Arztbesuch die drei sogenannten „W“-Fragen für sich beantwortet
(siehe Kasten).
Zu wem gehe ich, wenn ich
G
­ elenkschmerzen habe?
• Allgemeinmediziner/praktischer Arzt
(„Hausarzt“): Er ist die erste Anlaufstelle. Der Allgemeinmediziner leitet
seine Patienten bei Bedarf an einen
Facharzt weiter. Deuten die Unter­
suchungsergebnisse auf eine rheuma­
tische Erkrankung hin, wird er den
­Patienten im Sinne der optimalen Betreuung an einen Rheumatologen überweisen.
Zur Vorbereitung auf den
­Arztbesuch: die 3 „W“-Fragen
•W
ann – zu welcher Tageszeit, bei
­welchem Wetter tritt der Schmerz auf?
•W
o – an welchen Gelenken tritt der
Schmerz/die Schwellung auf?
•W
ie – kann man eine Schwellung
­bemerken, wird das Gelenk warm,
ist es am Morgen steif etc.?
Leben mit Rheuma
Gelenkschmerzen immer ärztlich abklären lassen!
• Orthopäde: Fachärzte, die einerseits
chirurgische Operationen durchführen,
andererseits mittels Spritzen (Infiltrationen, Injektionen) und Manualtherapie
(sog. konservative Orthopädie) die
Schmerzen behandeln, aber auch Fehlhaltungen korrigieren. Orthopäden
können die Zusatzspezialisierung für
Rheumatologie haben.
• Rheumatologe: Facharzt für Innere
Medizin mit einer dreijährigen Zusatzausbildung im Bereich der Rheumatologie und Immunologie. Er hat spezielle Kenntnisse in der Diagnose und
Therapie von Patienten mit entzündlichen und degenerativen Skelett-,
Weichteil- und Autoimmunerkran­
kungen. Rheumatologen sind dafür
ausgebildet, gezielte körperliche, laborchemische und radiologische Untersuchungen durchzuführen oder zu
veranlassen. Darauf aufbauend erstellen sie einen Befund und besprechen
dann geeignete Behandlungsformen
und Maßnahmen mit dem Patienten.
Wie sieht der Diagnoseablauf aus?
Die erste Anlaufstelle ist, wie bereits erwähnt, in der Regel der praktische Arzt.
Dieser wird die Krankengeschichte
­aufnehmen und den Patienten, falls der
Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung besteht, an einen Rheumatologen
überweisen. Erhärtet sich der Verdacht
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 13
Leben mit Rheuma
durch den sogenannten „Rheumastatus“
(gezielte Untersuchung), Laborwerte
und Röntgenbefund, kann umgehend mit
einer medikamentösen Therapie begonnen werden. Sind die Ergebnisse nicht
aussagekräftig genug, um eine klare
Entscheidung zu treffen, bestehen aber
weiterhin Gelenkschmerzen, müssen zusätzliche Untersuchungen, welche die
Entzündungen darstellen können (z.B.
Magnet­
resonanztomografie mit Kontrastmittel, hochauflösender Gelenkultraschall), durchgeführt werden.
„Moderne Rheumatherapie“ –
was heißt das?
Wichtigstes Element der Therapie ist die
Übereinkunft zwischen Arzt und Patient
über die Ziele der Behandlung. Der Be-
troffene muss sich von seinem behandelnden Arzt verstanden fühlen. Das
Therapiekonzept soll maßgeschneidert
sein. Die Auswahl der Medikation richtet sich nach Ursache und Verlauf der
rheumatischen Erkrankung.
In einem ersten Schritt ist es wesentlich,
die Schmerzen des Betroffenen in den
Griff zu bekommen. Gleichzeitig kann
man heute das Fortschreiten der Erkrankung verzögern, im besten Fall sogar
stoppen.
Ziel einer rechtzeitigen und richtigen Therapie ist es, die Gelenkzerstörung zu verhindern und die Gelenkfunktionen zu erhalten. Wird nicht oder nur unzureichend
behandelt, bedeutet das für den Patienten
ein Leben mit Schmerzen und fortschreitender körperlicher Behinderung.
Rheumatoide Arthritis: Beschwerden treten oftmals zuerst in den Fingergelenken auf.
14 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Leben mit Rheuma
Welche Rolle spielt die Psyche?
Für die Betroffenen bringt die Erkrankung eine starke psychische Belastung
mit sich, da es sich um eine chronische,
oft lebenslange Erkrankung handelt.
Viel Selbstdisziplin ist für die häufig
jahrelange medikamentöse Therapie
vonnöten. Schmerz- und Stressmanagement spielen eine wichtige Rolle.
Psychologische Hilfe – vom Stress­
training über autogenes Training bis
zur Verhaltenstherapie – kann sich vorteilhaft auf den Krankheitsverlauf auswirken.
Warum gelten so viele Menschen mit
Rheuma als „nicht therapiert“?
In Österreich ist die Versorgung mit den
entsprechenden Medikamenten, Physiotherapien und anderen Hilfestellungen
sehr gut bis ausgezeichnet. Das Problem
ist an anderer Stelle zu suchen: Jeder
zweite Rheumatiker war mit seinen Beschwerden noch nie beim Arzt! Die Betroffenen ordnen ihre Beschwerden oft
erst spät einer rheumatischen Erkrankung zu. Somit kann der Allgemeinmediziner die Zuweisung zu einer Laboruntersuchung oder einem Rheumatologen
gar nicht veranlassen.
Gibt es bei rheumatischen
E­ rkrankungen geschlechtsspezifische
Unterschiede?
Ja. Frauen sind insgesamt häufiger von
rheumatischen Erkrankungen betroffen
als Männer. Hier ein Überblick über den
Anteil Frauen – Männer bei den verschiedenen rheumatischen Erkrankungen:
• Rheumatoide Arthritis (RA): Frauen
erkranken zwei- bis dreimal häufiger
an RA als Männer. Einen maßgeblichen Einfluss dürften Hormone haben.
Systemischer Lupus erythematodes
•
(SLE): Der SLE findet sich bei etwa
1 Promille der Bevölkerung und tritt
zehnmal häufiger bei Frauen auf als bei
Männern. Abgesehen von genetischen
Faktoren spielen auch hier hormonelle
Faktoren bei der Entstehung der Erkrankung eine große Rolle.
• Fibromyalgie: Auch diese Erkrankung
betrifft Frauen etwa sechsmal häufiger
als Männer.
•
Morbus
Bechterew
(Spondylitis
­ankylosans): Diese Erkrankung betrifft Männer gleichermaßen wie Frauen. Allerdings verläuft die ­Spondylitis
ankylosans (AS) bei Frauen meist
deutlich milder als bei Männern.
Können auch Kinder an Rheuma
erkranken?
Ja. Diese Form von Rheuma nennt man
„juvenile idiopathische Arthritis“ (JIA).
Es handelt sich dabei um eine Autoimmunerkrankung, die vom Säugling bis
zum Jugendlichen auftreten kann. Die
Ursachen für die Fehlreaktion des Immunsystems sind bisher nicht gänzlich
geklärt.
Ist von einer Schwangerschaft bei
Rheuma abzuraten?
Eine Schwangerschaft ist prinzipiell
möglich, allerdings sollte sie nur in
Phasen niedriger bis keiner Krankheitsaktivität und in Absprache mit
dem behandelnden Arzt geplant werden. Eine erhöhte Krankheitsaktivität
der Mutter bedeutet unabhängig von
der genauen Diagnose der rheumatiBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 15
Leben mit Rheuma
Während der Schwangerschaft sind regelmäßige
rheumatologische Kontrolluntersuchungen notwendig!
schen Erkrankung ein geringgradig erhöhtes Risiko für eine Fehlgeburt,
Frühgeburtlichkeit und Wachstumsstörungen des Kindes.
Vorsicht: Viele Medikamente müssen
rechtzeitig vor einer geplanten Schwangerschaft pausiert werden!
Verändert sich die Krankheitsaktivität
in bzw. nach der Schwangerschaft?
Bei der Mutter hängt die Prognose von
der genauen Diagnose ab: So ist bei rheumatoider Arthritis eine Verbesserung der
Krankheitsaktivität während der Schwangerschaft möglich. Allerdings kann es
auch, wie bei der Spondyloarthritis, zu
einer Zunahme der Krankheitsaktivität
kommen. Die verminderte Krankheitsaktivität wird auf die veränderte Immunsituation in der Schwangerschaft, sozusa16 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
gen das „Tolerieren eines Fremden“,
zurückgeführt. Bei Kollagenosen, wie
z.B. systemischem Lupus erythematodes,
ist eine Verschlechterung möglich, vor allem bei Mitbeteiligung der Nieren. Daher
Rheuma und Schwangerschaft –
Hinweise für die werdende Mutter:
• Neben der üblichen Schwangerschaftsvorsorge sollten engmaschige rheumatologische Kontrollen erfolgen.
• Sinnvoll ist es, wenn sich die behandelnden Fachärzte (Rheumatologen,
Gynäkologen sowie evtl. Kinderärzte)
­untereinander besprechen, um gemeinsam mit der schwangeren Patientin die
beste Vorgehensweise zu wählen.
Leben mit Rheuma
erfolgt eine Zusammenarbeit mit Organspezialisten (z.B. für Nephrologie = Nierenkrankheiten; Dermatologie = Hauterkrankungen; Neurologie = chronische
Nervenentzündungen).
Was bedeutet eine Schwangerschaft
für die Einnahme von Medikamenten?
Im Beipacktext findet sich bei fast allen
Medikamenten der Hinweis: Nicht in
der Schwangerschaft einnehmen! Dies
bezieht sich darauf, dass kein Medikament bei Schwangeren auf Unbedenklichkeit getestet wurde. Die Erfahrung
zeigt jedoch, dass einzelne Medikamente in der Schwangerschaft durchaus eingenommen werden können. Hier ist aber
in jedem Fall Rücksprache mit dem behandelnden Arzt zu halten!
Hinweis für männliche Rheumapatienten: Das Thema Medikamente betrifft
nicht nur Frauen. Auch Männer mit einer
rheumatischen Erkrankung sollten bei
Kinderwunsch ihre Medikation nicht
einfach absetzen oder weiter einnehmen,
sondern das Thema ebenfalls mit ihrem
behandelnden Arzt besprechen.
dann rasch eine geeignete Therapie beginnen zu können.
Neigt mein Kind wahrscheinlich auch
zu Rheuma?
Eine gewisse angeborene (vererbte, genetische) Neigung, Rheuma zu bekommen, gibt es. Studien bei eineiigen
Zwillingen haben jedoch gezeigt, dass
diese nur zu einem geringen Teil am tatsächlichen Ausbruch der Erkrankung
beteiligt ist.
Zusammenfassend kann man sagen:
Eine Schwangerschaft ist ein wunderbares Ereignis. Frauen, die an einer rheumatischen Erkrankung leiden, wird die
Planung gemeinsam mit dem behandelnden Rheumatologen empfohlen, damit die Zeit, die so wichtig für Mutter
und Kind ist, auch weitgehend sorgenfrei verlaufen kann.
Können während der Schwangerschaft Komplikationen auftreten?
Ja, gerade deshalb ist die regelmäßige
Rücksprache mit den behandelnden
Ärzten so wichtig! Bei sich abzeichnenden Problemen empfiehlt sich die Kontrolle an einer Risikoambulanz. In der
Regel verlaufen Schwangerschaft und
Geburt problemlos. Oft kommt es jedoch nach der Geburt zu einem Rheumaschub. Dies sollte im Rahmen der
Vorbereitung besprochen werden, um
Die Neigung zu Rheuma wird zu einem
geringen Teil vererbt.
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 17
Leben mit Rheuma
Übersicht: Häufige rheumatische Erkrankungen
Erkrankung
Symptome
M
a. Rheumatoide Arthritis
(= RA; früher auch:
chronische Polyarthritis = CP)
Gelenkschmerzen oder -schwellung,
Überwärmung und Druckschmerz,
Morgensteifigkeit von mindestens einer
halben Stunde
NS
ka
Su
Bi
1BBl
To
b. Juvenile idiopathische Arthritis
(= JIA)
Schmerzen/Schwellung, Überwärmung
der Gelenke, Morgensteifigkeit, Müdigkeit,
­Weinerlichkeit
NS
­(M
In
T-
c. Spondyloarthritis
(axiale Spondyloarthritis; ankylosierende
­Spondyloarthritis, früher: Morbus Bechterew)
tief sitzende Kreuzschmerzen, Verschlechterung
durch Ruhe, Besserung durch Bewegung,
morgendliche Steifigkeit der Wirbelsäule,
Rückenschmerzen, Hüftschmerzen in der Leiste,
­Versteifung der Wirbelsäule
NS
17
d. Psoriasis-Arthritis
(= PsA; Schuppenflechte mit Gelenkerkrankung)
strahlenförmige Entzündung der Gelenke von
Händen und Zehen, damit einhergehende
Hautprobleme, Befall der Finger- und Zehennägel,
Sehnenansatzentzündung mit Schwellung
NS
ra
TN
Bl
1. Chronisch-entzündliche Erkrankungen
2. Nicht-entzündliche rheumatische Erkrankungen
a. Arthrose
(= Abnutzungserkrankung der Gelenke)
Schmerzen bei Beginn einer Bewegung,
­ elastungsschmerzen,
B
Bewegungseinschränkungen,
Muskelverspannungen, Gelenkverformungen
Rh
st
be
ge
b. Fibromyalgie
(= eine Form des „Weichteilrheumatismus“)
„Ganzkörperschmerz“: großflächige Schmerzen
von Kopf bis Fuß, Schlaf- oder Angststörungen,
chronische Müdigkeit, Depressionen, u.U.
Schwellungsgefühl in Händen, Füßen und
Gesicht, Kälteempfindlichkeit
An
Pa
NS
18 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
g
Leben mit Rheuma
Medikamentöse Therapie
Nicht-medikamentöse Therapie
Seite
Heilgymnastik, Ergotherapie, Thermotherapie,
NSAR (= nicht-steroidale AntirheumatiElektrotherapie, Ultraschall
ka), Basistherapeutika (z.B. Methotrexat,
Sulfasalazin, Leflunomid), Kortison,
Biologika (TNF-alpha-Blocker, Interleukin1-Rezeptor-Blocker, T-Zell-Hemmer,
B-Zell-Antikörper, Interleukin-6-RezeptorBlocker), JAK-Kinase-Hemmer (Baricitinib,
Tofacitinib)
21
NSAR, Kortison, Basistherapeutika
­(Methotrexat), TNF-alpha-Blocker,
Interleukin-6-Rezeptor-Blocker,
T-Zell-Hemmer
Physiotherapie, Ergotherapie,
­gelenkschonende Sportarten
28
NSAR, TNF-alpha-Blocker, Interleukin17-Blocker
tägliche Gymnastik, Wärme-, Kältetherapie,
Massagen, Elektrotherapie, Ultraschall
33
NSAR, Kortison bei Schüben, Basistherapeutika, Phosphodiesterase-Hemmer,
TNF-alpha-Blocker, Interleukin-12/23Blocker, Interleukin-17-Blocker
Physiotherapie
39
Rheumasalben/-gels, NSAR (= nichtsteroidale Antirheumatika), Kortison
bei aktivierter Arthrose (in die Gelenke
gespritzt), evtl. Hyaluronsäure
ausreichend Bewegung, Gelenkschutz (z.B.
mittels Hilfsmittel), Abbau von Übergewicht,
Ergo-, Wärme- und Kältetherapie, Elektrotherapie, Ultraschall, Massagen, Lasertherapie,
Aquatraining, Alltagshilfen (Stöcke, festes
Schuhwerk)
67
Analgetika (Schmerzmedikamente wie
Paracetamol, Metamizol, Tramadol und
NSAR; eher sparsam eingesetzt)
psychologische Betreuung, ­Psychotherapie,
Entspannungstraining, Bewegungs-/­
Trainingstherapie, physikalische Medizin
(Wärme, Ultraschall, Heilbäder, Elektrotherapie
etc.)
79
e,
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n
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 19
ENTZÜNDLICHRHEUMATISCHE
ERKRANKUNGEN
Die häufigste und bekannteste der entzündlich-rheumatischen
Erkrankungen ist die rheumatoide Arthritis.
20 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
RHEUMATOIDE ARTHRITIS
(CHRONISCHE POLYARTHRITIS)
Blick:
Auf einen
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Was ist rheumatoide Arthritis?
Rheumatoide Arthritis (kurz: RA) oder
auch chronische Polyarthritis (kurz: CP)
ist eine Form der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Sie verläuft oftmals schubweise. Charakteristisch sind
entzündliche Schwellungen der Gelenk­
innenhaut und der gelenknahen Strukturen (z.B. Schleimbeutel).
Wer ist betroffen?
Die rheumatoide Arthritis betrifft Frauen
dreimal häufiger als Männer, mit einem
Altersgipfel zwischen dem 40. und 60.
Lebensjahr. In Österreich leiden rund
70.000–80.000 Menschen an rheumatoider Arthritis. Jährlich gibt es zwischen
2.400 und 4.800 Neuerkrankungen.
Welche Auslöser gibt es?
Nach derzeitigem Erkenntnisstand sind
keine einzelnen Auslöser für den Ausbruch von RA verantwortlich, sondern
ein Zusammenspiel von erblicher Veranlagung und äußeren Faktoren. Dies kann
zu einer Fehlleistung des Immunsystems
führen, wobei sich die Abwehrkräfte gegen den eigenen Körper wenden, in diesem Fall gegen die Gelenke. Was letztlich wirklich diesen Prozess auslöst, ist
noch nicht bekannt, sodass auch noch
keine ursächliche Behandlung zur Verfügung steht.
Was passiert bei RA im Körper?
Normalerweise produziert die Gelenk­
innenhaut (= Membrana synovialis) die
Gelenkschmiere (= Synovia bzw.
Synovialflüssigkeit). Diese ist für
­
reibungs­arme Bewegungen des Gelenks
ver­antwortlich und versorgt das Knorpelgewebe. Bei RA kommt es durch das
überschießende Immunsystem zu einer
Entzündung dieser Gelenkinnenhaut.
Eine Schlüsselrolle in dieser Entzündungskaskade spielen die sogenannten
proinflammatorischen (entzündungsfördernden) Zytokine. Das sind Proteine
und Botenstoffe, die im Immunsystem
die körpereigene Abwehr steigern, aber
auch Entzündungen verursachen oder
verstärken. Zu den bekanntesten proinflammatorischen Zytokinen gehören
beispielsweise TNF-α (Tumor-NekroseFaktor alpha), Interleukin-1 und InterBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 21
Rheumatoide Arthritis
Kennzeichnend für RA: Entzündungen
der Gelenke
leukin-6. Unter dem Einfluss dieser proinflammatorischen Zytokine kommt es
zu einer erhöhten Produktion von entzündlich veränderter Gelenkschmiere.
Daraus
resultieren
schmerzhafte
Schwellungen der Gelenke und unter
Umständen eine Ergussbildung. Später
wächst die Gelenkinnenhaut wie ein gutartiger Tumor in das Gelenk hinein.
Knorpelgewebe wie auch der darunter
liegende Knochen werden angegriffen
und das Gelenk verformt sich.
Woran merke ich, dass ich RA habe?
Die RA zeigt sich individuell unterschiedlich, sie kann plötzlich ausbrechen oder sich schleichend durch unspezifischere Symptome ankündigen. Am
häufigsten ist die klassische Verlaufsform:
•G
elenkschmerzen oder -schwellungen,
wovon zunächst meist symmetrisch
22 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
die Fingergrund- und -mittelgelenke
betroffen sind, im höheren Lebensalter
auch größere Gelenke
chwellung,
Überwärmung
und
•S
Druckschmerzhaftigkeit mehrerer Gelenke
• s chmerzhafte Bewegungseinschränkungen
• u ncharakteristische Vorboten wie Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, starkes Schwitzen, erhöhte Temperatur
und Abgeschlagenheit
•M
orgensteifigkeit (mindestens eine
Stunde lang), die das Anziehen und
Waschen erschwert; die Symptome
verschwinden je nach Schwere und
Aktivität der Erkrankung im Laufe des
Tages.
• n ach Jahren: Auftreten von Rheumaknoten (= derbe Knötchen unter der
Haut, oft an der Streckseite der Ellbogengelenke)
Was passiert, wenn keine Therapie
eingeleitet wird?
Wird das fehlgesteuerte Immunsystem
nicht gebremst, schreitet die Zerstörung
der Gelenke innerhalb weniger Monate
und Jahre unaufhaltsam voran. Entzündungen bilden sich teilweise nach Wochen
zurück, um dann schubweise wieder aufzutreten und dabei die Gelenkstrukturen
weiter anzugreifen. Da es sich bei der
rheumatoiden Arthritis um eine Systemerkrankung handelt, ist bei längerer Krankheitsdauer auch ein entzündlicher Befall
innerer Organe möglich, z.B. an den Gefäßen sowie Herz, Nieren und Lunge. Die
Krankheit birgt per se ein gesteigertes
Infektionsrisiko. Ebenso ist die Wahr­
scheinlichkeit, an Lymphdrüsenkrebs zu
Rheumatoide Arthritis
erkranken, erhöht. Mit fortschreitender
Gelenkzerstörung kann die Krankheit
durch Gelenkversteifungen und Gelenkdeformationen bis zur Invalidität führen.
Was kann einen Schub auslösen?
Einhellige Meinung herrscht darüber,
dass psychische Aspekte oft eine Rolle
spielen. Denn Stress, Sorgen und ungelöste Probleme können das Immunsystem beeinflussen. Für einen an RA Erkrankten kann dies einen neuen Schub
zur Folge haben. Bemerkbar für den Betroffenen macht sich ein Schub durch die
Zunahme der Gelenkschmerzen und
-schwellungen, vermehrte Abgeschlagenheit und deutlich stärkere Bewegungs- und/oder Ruheschmerzen.
Wie erfolgt die Diagnose?
Sobald der begründete Verdacht auf RA
besteht, sollte der Patient unbedingt einen Rheumatologen aufsuchen. Dieser
erhebt die genaue Anamnese (= Krankengeschichte) durch Befragung des Patienten und führt eine gezielte klinische
Untersuchung durch – den sogenannten
„Rheumastatus“. Bildgebende Verfahren
und Laboruntersuchungen vervollständigen die Untersuchung und können die
Diagnose sichern.
Was zeigen die Befunde?
Laborbefunde allein liefern keinen eindeutig gesicherten Beweis für das Vorliegen einer RA. Ergänzend zum klinischen
Befund
(Schmerzen
und
Schwellung der Gelenke) sind sie aber
oft bestätigend. Bei vorliegender Diagnose helfen sie mit, die Aktivität der
Krankheit zu beurteilen.
Die Blutwerte zeigen bei einer Entzündung häufig eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und ein erhöhtes
C-reaktives Protein (CRP). Der Wert
der Blutsenkung und des CRP zeigt jedoch lediglich an, dass eine Entzündung
im Körper vorliegt, enthält aber keine
Aussage darüber, ob es sich um eine
Entzündung der Gelenke handelt und ob
tatsächlich eine RA vorliegt.
Was sind Rheumafaktoren?
Bildgebende Verfahren und Laboruntersuchen dienen der Diagnosestellung.
Rheumafaktoren (RF) sind körpereigene
Abwehrstoffe, die sich an die eigenen
Immunglobuline (= Antikörper) binden,
die also gegen ihresgleichen gerichtet
sind. Sie werden im Blut nachgewiesen.
Der Rheumafaktor kann den ärztlichen
Verdacht auf Vorliegen einer RA bestätiBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 23
Rheumatoide Arthritis
gen, ist jedoch alleine noch kein Beweis
für eine Rheumaerkrankung. Bei bis zu
85% der Patienten mit RA werden im
Laufe der Erkrankung Rheumafaktoren
im Blutserum nachgewiesen. Ein eindeutiger Nachweis für das Vorliegen einer RA ist dies aber nicht, da es auch
Patienten mit RA gibt, die keinen Rheumafaktor haben (= negativ, seronegativ).
Auch der Umkehrschluss stimmt nicht.
Denn wer diesen Faktor im Blut aufweist, muss nicht zwangsläufig an Rheuma erkranken. Bis zu 20% der gesunden
älteren Menschen weisen einen erhöhten
Rheumafaktor auf.
Die modernste Labormethode zur Diagnosesicherung ist der ACPA-Test (= Test
zum Nachweis „anti-citrullinierter Peptid-Antikörper“, wie z.B. Anti-CCPoder Anti-MCV-Antikörper).
Bei Bestehen klinischer Beschwerden
des Patienten ohne eindeutigen Blutbefund bedarf es in jedem Fall weiterer
Schritte, um eine eindeutige Diagnose
zu stellen.
Welche Bedeutung haben
b­ ildgebende Verfahren?
Im Röntgen kann der Zustand der Gelenke sichtbar gemacht und die für RA typischen Veränderungen können nachgewiesen werden. Dies sind gelenknahe
Erosionen (= Defekte im Bereich der
Knorpel-Knochen-Grenze). Mittels Rönt-
Normal
Bei RA führen Entzündungen zu ­Gelenk­verformungen.
24 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Rheumatoide Arthritis
Rheumatoide Arthritis
gen können jedoch nur bereits vorhandene
Zerstörungen nachgewiesen werden.
Bei Frühformen einer RA und (noch)
unauffälligem Röntgen ist der Einsatz
einer MRT (Magnetresonanztomografie
oder Kernspintomografie) sinnvoll.
­Mittels MRT gelingt es, ohne Strahlenbelastung aktive Gelenkentzündungen
frühzeitig zu erkennen, noch bevor
schwerwiegende Zerstörungen an Knorpel oder Knochen eingetreten sind. Zu
diesem Zweck wird ein Kontrastmittel in
die Vene injiziert.
Vorteil eines hochauflösenden Ultraschalls (Gelenkultraschall) ist einerseits
das Fehlen jeglicher Strahlenbelastung
und andererseits, dass die Beobachtung
in Bewegung gemacht werden kann. Es
können hier mithilfe des Schalls Entzündungen der Gelenkinnenhaut nachgewiesen und betroffene Bereiche genau
lokalisiert werden. Ultraschalluntersuchungen kommen vor allem bei Handund Fingergelenken, aber auch bei Vorfuß-, Fußwurzel- und Schultergelenken
zum Einsatz.
Warum ist eine fachärztliche
U­ ntersuchung notwendig?
Aus dem Bericht des Patienten erstellt
der Facharzt ein möglichst vollständiges
Beschwerdebild. Entsprechend zielgerichtet erfolgt danach die genaue Untersuchung, der sogenannte Rheumastatus.
Nur so kann wirklich unterschieden werden, ob es sich um eine entzündliche
oder um eine andere Form der rheumatischen Erkrankung handelt. Blutbefunde
und bildgebende Verfahren ermöglichen
dann die Eingrenzung und Feinabstimmung. Es braucht viel Erfahrung und
Wissen, um aus all diesen Bausteinen
die richtige Diagnose aufzuspüren.
Welche Ziele verfolgt die Therapie
der RA?
An erster Stelle stehen Schmerzlinderung und Beseitigung der Entzündung.
Die abschwellenden Rheumaschmerzmittel (NSAR = nicht-steroidale Antirheumatika) sind dabei sehr wirksam.
Der Rheumatologe wird unmittelbar
nach Diagnosestellung versuchen, mithilfe eines sogenannten Basistherpeutikums die Entzündung und das fehlgesteuerte Immunsystem in den Griff zu
bekommen. Dazu ist eine oft lebenslange Einnahme dieser Medikamente notwendig.
Am häufigsten kommt hier der Wirkstoff
Methotrexat (MTX) zum Einsatz. Die
Wirkung des Basistherapeutikums tritt
oft erst nach ein bis zwei Monaten ein,
wobei nicht alle Patienten auf die Basistherapie sofort ansprechen. In der Regel
tritt bei 40% der Betroffenen eine Besserung der Entzündungsreaktion ein. In
etwa 15% der Fälle kann sogar von einer
gänzlichen Remission (= Wegfall der
Krankheitssymptome) gesprochen werden. Aufgrund der verzögerten Wirkung
schlägt der Rheumatologe oft vor, das
körpereigene Nebennierenhormon Kortison für die Zeit der Überbrückung bis
zum Wirkungseintritt der Basistherapie
einzusetzen. Bei gleichzeitiger Einnahme
von Kortison und einem NSAR muss in
jedem Fall ein Magenschutzpräparat
­gegeben werden, um das Risiko für Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre zu
senken. Obwohl viele Patienten die Kortisonmedikamente zuerst skeptisch sehen,
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 25
Rheumatoide Arthritis
ist die Wirkung vor allem bei ausgeprägten Gelenkschwellungen doch meist so
befreiend, dass sie die Präparate letztlich
gerne einige Wochen einnehmen.
Was ist, wenn die Basistherapie
keinen Erfolg bringt?
Kommt es mit der Basistherapie nicht
zum gewünschten Erfolg – also zu einem Entzündungsstopp –, kann zu einem anderen Basistherapeutikum gewechselt werden.
Eine weitere vielversprechende Option
stellen die sogenannten Biologika dar.
Dazu gehören die TNF-alpha-Blocker
(Adalimumab, Certolizumab, Etanercept, Golimumab, Infliximab) sowie
Abatacept, welches die Aktivierung von
T-Zellen bremst, und der Interleukin6-Blocker Tocilizumab. Sie kommen
zum Einsatz, wenn die bisherige Behandlung mit chemischen Basistherapeutika nicht erfolgreich war. Biologika
wirken am besten in Kombination mit
herkömmlichen Basistherapeutika. Innerhalb weniger Wochen weiß man, ob
die gewünschte Wirkung mit Biologika
eintritt. Sollte dies nicht der Fall sein,
besteht die Möglichkeit, zu einem anderen Biologikum zu wechseln.
Wird die Entzündung nicht dauerhaft reduziert oder gestoppt, stehen dem Rheumatologen noch weitere immuntherapeutische Konzepte zur Verfügung, die
ebenfalls zu den Biologika gehören, wie
die Hemmung der B-Zellen mittels der
Substanz Rituximab.
Alternativ zu den Biologika, die entweder mittels Infusion in eine Vene eingebracht oder unter die Haut gespritzt werden, gibt es auch neue Substanzen wie
26 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Die Basistherapie soll die
E­ ntzündungen stoppen.
Tofacitinib und Baricitinib, die nicht die
Botenstoffe, sondern entzündungsfördernde Enzyme hemmen und die als Tabletten (ein- bis zweimal täglich)
­geschluckt werden können.
Langfristig sollte es zu einem Rückgang
der entzündlichen Aktivität kommen.
Damit wird auch die Gelenkzerstörung
eingedämmt bzw. gestoppt und Schmerzfreiheit erzielt.
Was ist entscheidend für eine
e­ rfolgreiche Therapie?
Der Behandlungserfolg ist abhängig vom
Behandlungsbeginn. Die Aktivität der Erkrankung kann zu jedem Zeitpunkt
schlagartig zunehmen und schwere Verlaufsformen auslösen. Je früher mit der
richtigen Therapie begonnen wird, desto
größer sind die Erfolgschancen. Ein optimales Behandlungsergebnis ist bei Frühtherapie schon 12–16 Wochen nach
Krankheitsbeginn zu erwarten.
Die Entwicklung der Erkrankung hängt
aber auch von der Mitarbeit des Patienten ab: Es ist unbedingt notwendig, dass
die Medikamente konsequent eingenommen werden! Auch regelmäßige
die
.
Rheumatoide Arthritis
Kontrolltermine sind notwendig. Der
Rheumatologe wird die Therapie so lange anpassen, bis die Krankheit zumindest eine niedrige Krankheitsaktivität
oder eine völlige Remission (= Nachlassen der Symptome) aufweist; dieses Vorgehen wird heute fachärztlich „Treat to
Target“ genannt.
Welche Zusatzbehandlungen gibt
es bei RA?
Eine Kräftigung der Muskulatur wird
mit Heilgymnastik erreicht. Massagen
tragen zur Steigerung der Durchblutung
und zur Muskelentspannung bei, denn
Patienten mit RA leiden nicht selten an
massiven Muskelverspannungen. Abgesehen von der medikamentösen Therapie
machen Zusatzbehandlungen vor allem
im Schmerzbereich immer Sinn, wenn
der Patient damit sein subjektives Wohlbefinden und seine Lebensqualität steigern kann.
Grundsätzlich sollten bei RA die Anwendung von starker Wärme sowie der
Aufenthalt in zu heißem Wasser (über
32 °C) vermieden werden. Besonders
bei einem akuten Schub sind Kryotherapien (Kryo = Kälte) empfehlenswert,
wenn dies subjektiv vom Patienten als
angenehm empfunden wird.
Vorsicht: Bei einem akuten Schub ist
Heilgymnastik nicht zielführend und
sollte daher nicht angewendet werden!
Welche Hilfen gibt es für den Alltag?
Dies ist die Domäne der Ergotherapeuten.
Wenn alltägliche Tätigkeiten wie das Halten einer Kaffeetasse, das Schneiden von
Brot oder das Zuknöpfen des Hemdes un-
möglich werden, gibt es Hilfsmittel im
gut sortierten Fachhandel. Finger- und
Handhalterungsschalen können ebenso
helfen wie die sogenannten Knopflochund Schwanenhalsschienen oder Metakarpalspangen. Spezielle Messer (der
Griff ist 90 Grad von der Klinge weggebogen) und spezielle Flaschenöffner erweisen ebenfalls gute Dienste.
Wann ist eine Operation
u­ numgänglich?
Operationen werden nur dann durchgeführt, wenn andere Therapieformen nicht
den erwarteten Erfolg bringen. Bei der
sogenannten Synovektomie – das ist eine
gelenkerhaltende Therapiemaßnahme –
wird die entzündete Gelenkinnenhaut
durch Ausschälen des betroffenen Gelenks operativ entfernt (siehe Seite 60).
Innerhalb einiger Wochen wächst die Gelenkinnenhaut wieder nach (Regenerat).
Tipps für den Alltag
• Tragen Sie Lasten mit Rucksack, damit
das Gewicht gleichmäßig verteilt wird.
• Vermeiden Sie Erschütterungen der
Gelenke (vibrierende Geräte, Schütteln
der Gelenke).
• Überschreiten Sie Ihre Belastungsgrenze
nicht, muten Sie sich nicht zu viel zu.
• Unterstützen Sie Ihre Handgelenke bei
belastenden Tätigkeiten.
• Sorgen Sie mit Freizeitaktivitäten, die
Spaß machen, für glückliche Momente.
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 27
JUVENILE IDIOPATHISCHE
­ARTHRITIS (JIA)
Blick:
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Was bedeutet „juvenile idiopathische
Arthritis“?
Juvenil = kindlich/jugendlich; idiopathisch = Erkrankung ungeklärter Ursache; Arthritis = Gelenkentzündung
Verschwindet Rheuma bei Kindern
wieder?
Von alleine nicht, daher muss kindliches
Rheuma behandelt werden! In vielen
Fällen ist es jedoch möglich, die Erkrankung mit der richtigen Therapie zum
Stillstand zu bringen oder sie so zu ver28 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
langsamen, dass es sich gut damit leben
lässt. Wichtig ist, während des Stadiums
einer aktiven Gelenkentzündung vor allem mit medikamentöser Therapie zu
verhindern, dass bleibende Gelenkschäden entstehen.
Wie häufig ist kindliches Rheuma?
In Österreich gibt es jährlich etwa 140
Neuerkrankungen, bundesweit sind rund
1.700 Kinder und Jugendliche von chronischer Arthritis betroffen. Rheuma ist
somit bei Kindern ebenso häufig zu finden wie Diabetes mellitus.
Juvenile idiopathische Arthritis
Wie äußert sich eine JIA?
Rheuma bei Kindern macht sich sehr unterschiedlich bemerkbar: Die Anzahl betroffener Gelenke kann variieren, Haut,
Bänder und Sehnen können ebenfalls am
Entzündungsprozess beteiligt sein. Auch
der Krankheitsverlauf ist nicht immer
gleich: Bei manchen Kindern entzünden
sich die Gelenke immer wieder, bei anderen nur selten; oft ist auch nur ein Gelenk betroffen.
Ärzte sprechen von einer JIA, wenn die
Gelenkentzündung mindestens sechs
Wochen anhält und die Erkrankung
vor dem 16. Lebensjahr beginnt.
Was können erste Anzeichen sein?
So unterschiedlich die JIA verlaufen
kann, allen Verlaufsformen gemeinsam
ist die Gelenkentzündung. Erste Anzeichen sind Schmerzen sowie geschwollene, überwärmte Gelenke. Am Morgen ist
auch oft eine Steifigkeit der Gelenke
festzustellen.
Welche weiteren Beschwerden
k­ önnen auftreten?
Wachstumsstörungen, Entzündung der
Augen oder Beeinträchtigung des Entwicklungszustandes
Wie verläuft eine JIA?
Wie sich eine JIA entwickelt und ob sie
bis ins Erwachsenenalter bestehen bleibt
macht, lässt sich schwer voraussagen.
Der Verlauf ist oft von der genauen Erkrankungsform abhängig.
Ärzte unterscheiden folgende Formen
der JIA:
• Oligoarthritis: Ein bis vier Gelenke
sind betroffen, sehr häufig das Kniegelenk. Oft verläuft die Erkrankung nicht
gleichmäßig an beiden Körperhälften,
sondern asymmetrisch. Augenentzündungen sind häufig. Die Krankheit beginnt im Kleinkindalter.
• Polyarthritis: Mindestens fünf Gelenke sind betroffen. Am häufigsten sind
Hand-, Finger-, Ellbogen-, Knie- und
Sprunggelenke entzündet.
• Systemische Arthritis: Diese beginnt
meist im Kleinkindalter mit hohem
Fieber und Hautausschlägen. Neben
den Gelenken sind auch Organe, wie
z.B. Herz, Lymphknoten, Milz, Leber,
Nieren oder Lunge, beteiligt.
• Psoriasis-Arthritis: Beschwerden des
Kniegelenks und der kleineren Gelenke
(Hände, Füße) treten hier gemeinsam
mit einer Schuppenflechte (Psoriasis)
auf. Anzeichen: scharf begrenzte, rötliche Areale auf der Haut, die mit silbrigweißen Schuppen bedeckt sind. Bevor
es zu einer Psoriasis kommt, zeigen sich
oft Nagelveränderungen wie auch ein
Anschwellen ganzer Finger oder Zehen.
• Enthesitis-assoziierte Arthritis: Gelenkbeschwerden sowie Entzündung
von Bändern und Sehnen, insbesondere der Ferse. Diese Form der JIA beginnt meist im Schulalter und kommt
häufiger bei Buben vor. Die Gelenke
sind in der Regel asymmetrisch betroffen, vorzugsweise die Knie- und
Sprunggelenke.
Wo finde ich ärztliche Hilfe, die auf
kindliche Bedürfnisse eingeht?
Aufgrund der Besonderheiten kindlichrheumatischer Erkrankungen sollte die
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 29
Juvenile idiopathische Arthritis
Therapie durch ein spezialisiertes Team
(Kinderrheumatologen,
-orthopäden,
Kinderphysio- und -ergotherapeuten,
Kinderpsychologen sowie pädiatrisch
geschulte Augenärzte) erfolgen.
Wie wird Rheuma bei einem Kind
festgestellt?
An erster Stelle steht das ausführliche
Gespräch mit dem Kinderrheumatologen. Wichtige Fragen sind:
•G
ibt es in der Familie Rheumatiker?
•W
ann haben die Schmerzen angefangen?
•W
ie oft treten die Schmerzen auf?
•W
urde auch eine Veränderung beispielsweise an der Haut oder den Augen bemerkt?
Diese Fragen dienen dazu, möglichst
viele Informationen aus der Vorgeschichte des jungen Patienten zu sammeln und Zusammenhänge mit den aktuellen Beschwerden herzustellen.
Neben der gründlichen Untersuchung
der entzündeten Gelenke erfolgt eine
weitere Einschätzung der Krankheit mittels bildgebender Verfahren wie Ultraschall, Röntgen, Magnetresonanz und
selten Computertomografie. Wichtig für
die Diagnose ist auch ein Blutbild. Bei
der
Blutsenkungsgeschwindigkeit
(BSG) wird das Verhalten der roten
Blutkörperchen beobachtet. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf eine Entzündung im Körper ziehen. Auch die Menge
des C-reaktiven Proteins (CRP) – eines
Eiweißstoffes im Blut – nimmt zu, wenn
eine Entzündung im Körper vorliegt: je
höher die Werte, desto aktiver das Entzündungsgeschehen.
30 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Wie wird kindliches Rheuma
b­ ehandelt?
Hauptziel der Behandlung ist es, die
Entzündung vollständig zu stoppen und
damit bleibende Schäden an den Gelenken zu verhindern. Der Therapieplan ist
je nach Patient unterschiedlich und besteht aus einer Kombination von Medikamenten, Physiotherapie, Ergotherapie,
psychosozialer Unterstützung und selten
auch Operation.
Welche Medikamente kommen
zum Einsatz?
Häufig sind mehrere Medikamente notwendig, um die verschiedenen Symptome der Entzündung und der Schmerzen
in den Griff zu bekommen:
• Nicht-steroidale Antirheumatika wirken entzündungshemmend und zum
Teil auch schmerzlindernd.
• Kortikoide hemmen die Entzündung.
Sie werden Kindern und Jugendlichen
nicht nur in Form von Tabletten oder Infusionen verabreicht, sondern häufig
auch als Injektion. Die Gabe wird sorgfältig dosiert und die Dauer der Einnahme möglichst kurz gehalten. Eine einmalige hohe Verabreichung erfolgt nur
in seltenen Fällen, etwa wenn die Entzündung besonders stark ist und schnell
eingedämmt werden muss.
• Basistherapeutika
kommen
bei
schweren Formen der JIA zum Einsatz. Sie nehmen direkten Einfluss auf
den Krankheitsprozess und damit auf
den Krankheitsverlauf. Methotrexat ist
eines der am häufigsten eingesetzten
Basismedikamente.
• Biologika greifen ebenfalls direkt in
das Krankheitsgeschehen ein. Biologi-
Juvenile idiopathische Arthritis
ka wie Etanercept oder Adalimumab
blockieren den körpereigenen Botenstoff Tumor-Nekrose-Faktor alpha
(TNF-α) und kommen dann zum Einsatz, wenn andere Medikamente keine
ausreichende Wirkung zeigen oder
nicht vertragen werden. Oft werden
Biologika mit Basistherapeutika kombiniert, um gezielt den Entzündungsprozess zu beeinflussen. Auch Abatacept und der Interleukin-6-Hemmer
Tocilizumab kommen in der Behandlung des kindlichen Rheumas zum
Einsatz. Die Wirkung der Biologika
tritt im Unterschied zu den klassischen
Basistherapeutika schon innerhalb weniger Wochen ein.
• Schmerztherapie: Bei schweren Verläufen der JIA können starke Schmerzen auftreten. Hier sind neben der medikamentösen
Behandlung
auch
physikalische Methoden zielführend.
Gerade die medikamentöse Schmerztherapie beim Kind braucht viel Erfahrung hinsichtlich der angemessenen
Dosierung und der Verträglichkeit der
Schmerzmittel.
übt, die auch alltägliche Handgriffe erleichtern sollen. Hilfsmittel, wie z.B.
individuell angefertigte Schienen, Griffverstärkungen für Schreibgeräte oder
spezielle Dreiräder, können nützlich
sein. Ein Bett in richtiger Sitzhöhe erleichtert beispielweise das Aufstehen,
ein höhenverstellbarer Schreibtisch und
ein ergonomischer Schreibtischsessel
sind ebenfalls wichtige Hilfen im Alltag.
Was ist bei der Ernährung zu
b­ eachten?
Da sich bei Kindern und Jugendlichen
der Körper noch in der Wachstumsphase
befindet, sollte man besonders auf eine
ausgewogene Ernährung mit frischem
Obst und Gemüse, Milch- und Vollkornprodukten, Fisch und pflanzlichen Fetten
achten. Einseitige Diäten sind unbedingt
zu vermeiden!
Welche therapieunterstützenden
Maßnahmen gibt es?
Die Physiotherapie hilft, Fehlstellungen
und Versteifungen von Gelenken, die
z.B. durch Schonhaltung entstehen können, zu verhindern oder zu korrigieren.
Wichtig ist es, die Übungen nach ausführlicher Einschulung durch einen Therapeuten auch zu Hause regelmäßig
durchzuführen, um die Beweglichkeit zu
erhalten und zu fördern.
Mithilfe der Ergotherapie werden gelenkschonende Bewegungsabläufe geBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 31
Juvenile idiopathische Arthritis
Wie soll die Familie mit der
E­ rkrankung umgehen?
Anzeichen der JIA sind geschwollene,
überwärmte Gelenke.
Wann muss operiert werden?
Wenn bereits Schäden am Bewegungsapparat entstanden sind, können Operationen an rheumatisch deformierten
­Gelenken helfen, die Funktion wiederherzustellen bzw. eine weitere Beeinträchtigung zu vermeiden. Eine häufig
angewandte invasive, aber nicht operative
Maßnahme ist die Verabreichung einer
sogenannten intraartikulären Steroid­
injektion: Das heißt, durch die einmalige
Gabe eines entzündungshemmenden
Medikaments mittels Injektion kann die
Gelenkentzündung sehr effektiv unterdrückt werden.
32 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Zunächst sollten alle im unmittelbaren
Verwandten- und Bekanntenkreis von der
Krankheit des Kindes informiert werden,
also Lehrer, Schulkollegen, Freunde etc.
Arztbesuche und Therapiemaßnahmen
müssen in den Alltag integriert werden;
abgesehen davon soll das Kind aber trotzdem einen möglichst normalen Tagesablauf haben. Es ist wichtig, die Krankheit
nicht zu verschweigen, sondern sie zu
akzeptieren. Es gilt das Kind dazu zu ermutigen, das Beste aus der Situation zu
machen. Dazu gehört auch, bewusst da­
rauf zu schauen, welche Hobbys oder
Bewegungsformen trotz körperlicher
­
Einschränkung möglich sind. Der Erfahrungsaustausch mit den Eltern anderer
betroffener Kinder über die Österreichische Rheumaliga oder eine Selbst­
hilfegruppe (www.rheumaliga.at, www.­
rheumalis.org) kann viele wertvolle und
praktische Tipps für die Eltern bringen.
Aber auch für die jungen Rheumapatienten selbst kann es wichtig sein, mit anderen betroffenen Kindern in Kontakt zu
kommen.
Kann mein Kind Sport betreiben?
Ja, unbedingt! Sport wirkt sich positiv
auf die Beweglichkeit aus. Auch wenn
bei schweren Verläufen manche Sportarten, wie Tennis oder Fußball, nicht empfohlen werden, so gibt es Alternativen,
trotzdem beweglich zu bleiben. Gelenkschonende und daher empfehlenswerte
Sportarten sind z.B. Schwimmen, Reiten, Tanzen, Radfahren oder etwa Tischtennis.
SPONDYLOARTHRITIS
(MORBUS BECHTEREW)
Blick:
Auf einenhritis (AS)
art
Spondylo : Morbus
früher
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­Bechtere
Erkrankung
entzündliche eventuell
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zudem spielt Rolle bei der Behandlung
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entscheidend
Was ist eine Spondyloarthritis?
Die Spondyloarthritis ist eine Entzündung
der Kreuz-Darmbein-Gelenke und der
kleinen Gelenke in der Wirbelsäule.
Manchmal kann es auch zu Entzündungen in anderen Gelenken, wie z.B. im
Kniegelenk, kommen.
Begriffserklärung: Spondyl = Wirbel;
­Arthros = Gelenk; -itis = Entzündung k
„entzündetes Wirbelgelenk“
Der Begriff bezieht sich auf eine Gruppe
von Erkrankungen. In kompletter Ausprägung wird eine Spondyloarthritis als an-
kylosierende Spondyloarthritis (AS) bezeichnet („ankylosierend“ = knöchern
zusammenwachsen; „Spondylitis“ = Entzündung der Wirbelkörper). Bekannt ist
diese Verlaufsform auch unter dem früher
verwendeten Namen „Morbus Bechterew“.
Was passiert bei Spondyloarthritis
im Körper?
Die Entzündung spielt sich in den KreuzDarmbein-Gelenken und zum Teil in den
kleinen Gelenken der Wirbelsäule ab. Dabei können diese Gelenke teilweise knöchern durchbaut werden, wodurch die
Wirbelsäule ihre Beweglichkeit verliert.
Formen der Erkrankung:
• undifferenzierte Spondyloarthritis
• n icht-radiografische axiale Spondylo­
arthritis
•S
pondyloarthritis bei reaktiver Arthritis
•S
pondyloarthritis assoziiert mit Psoriasis vulgaris
•S
pondyloarthritis assoziiert mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung
(Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn)
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 33
Spondyloarthritis
Was versteht man unter einer
n­ icht-radiografischen axialen
S­ pondyloarthritis?
Patienten mit einer nicht-radiografischen
axialen Spondyloarthritis haben im normalen Übersichtsröntgen der Sakroiliakalgelenke (SIG = Kreuz-Darmbein-Gelenke) einen unauffälligen Befund.
Mithilfe der Magnetbilduntersuchung
(MRI) kann die Entzündung allerdings
sehr oft nachgewiesen werden.
Was bedeutet die Unterscheidung
„axial“ und „peripher“?
Eine Spondyloarthritis kann auch als
„axial“ oder „peripher“ klassifiziert werden, je nachdem, ob hauptsächlich die
Wirbelsäule oder die Gelenke der Extremitäten betroffen sind. Bei einer axialen
Spondyloarthritis bestehen hauptsächlich
Symptome im Bereich der Wirbelsäule.
Bei Patienten mit peripherer Spondyloarthritis treten vorwiegend Gelenkschwellungen in den Gelenken der unteren Extremität auf.
Welche Symptome treten bei
S­ pondyloarthritis auf?
Das häufigste Symptom ist ein tief sitzender Schmerz im Bereich der Kreuz-Darmbein-Gelenke mit wechselseitiger Ausstrahlung in den Gesäßbereich. Weitere
typische Symptome sind Schmerzen im
Bereich der Wirbelsäule. In Spätstadien
treten manchmal eine verminderte Beweglichkeit und ein Gefühl der Steifigkeit
in der Wirbelsäule auf.
Weitere typische Anzeichen der Entzündung sind: Verschlechterung durch Ruhe,
Schmerzen und Aufwachen in der zweiten
Nachthälfte und in den frühen Morgen34 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
stunden (mit Besserung nach dem Aufstehen), Steifigkeit nach dem Erwachen,
Besserung durch Bewegung.
Zusätzlich können folgende Beschwerden
vorkommen: Entzündung des Hüftgelenks („Coxarthritis“) mit Schmerzausstrahlung in die Leisten oder Schmerzen
beim Gehen; Entzündungen und Schmerzen in anderen Gelenken (Knie-, Sprunggelenke); Entzündungen an den Ansatzpunkten großer Sehnen an den Knochen
– hauptbetroffen: Achillessehne).
Allgemeinsymptome: Augenentzündung,
Müdigkeit, Krankheitsgefühl, erhöhte
Entzündungswerte
Wie erfolgt die Diagnose?
Die Diagnose wird aufgrund der Symptome, der Krankenuntersuchung und der
Bildgebung (Röntgen, MRI) gestellt. Bei
entsprechenden Beschwerden wird sie
auch durch den Nachweis von HLA-B27
in der Blutuntersuchung unterstützt. Es
gibt keinen Labortest, der definitiv die Diagnose einer Spondyloarthritis bestätigt
oder ausschließt.
Bildgebung: Es zeigen sich typische Veränderungen in den Sakroiliakalgelenken
(Kreuz-Darmbein-Gelenke = Gelenke,
die die Wirbelsäule mit dem Becken verbinden). Diese Veränderungen sind in
Spätstadien auf Röntgenbildern zu erkennen, anfangs jedoch nur mittels Magnetresonanz-Imaging (MRI).
Was ist HLA-B27?
Das Merkmal HLA-B27 ist ein angeborenes Merkmal der weißen Blutkörperchen.
Es verändert sich im Laufe des Lebens
nicht. Der Nachweis, dass man Träger dieses Merkmals ist, bedeutet eine etwas hö-
Spondyloarthritis
here Wahrscheinlichkeit, an Spondyloarthritis zu erkranken. HLA-B27 kann aber
auch bei völlig Gesunden vorkommen.
Was sind weitere Risikofaktoren für
eine Spondyloarthritis?
Die Erkrankung kann in manchen Familien gehäuft auftreten, vor allem bei Verwandten ersten Grades (Eltern, Geschwister). AS ist bei Männern häufiger als bei
Frauen. Sie wird häufig schon im Alter
zwischen 20 und 30 Jahren diagnostiziert.
Welche Komplikationen können
a­ uftreten?
•U
veitis anterior: Eine chronische Entzündung der mittleren Augenhaut in ihrem vorderen Bereich (Iris, Ziliarmuskel) ist die häufigste Mitbeteiligung
neben den Gelenken. Sie führt zu
Schmerzen im Auge, verschwommenem Sehen und Lichtempfindlichkeit.
Auffallend ist eine Rötung des Augapfels. Diese Komplikation sollte sofort
behandelt werden, um bleibende Schäden am Auge zu verhindern; unbehandelt kann sie langfristig zu Blindheit
führen.
• Osteoporose: Osteoporose ist bei Patienten mit Morbus Bechterew nach längerem Verlauf häufig, deshalb sollte bei
jedem Patienten eine Knochendichtemessung durchgeführt werden. Bei bereits knöchern überbauter Wirbelsäule
liefert diese aber fälschlich gute Werte
– hier muss die Messung am Schenkelhals herangezogen werden.
• Brüche (Frakturen) der Wirbelsäule
und Verletzungen des Rückenmarks:
Brüche der Wirbelsäule und Verletzungen des Rückenmarks sind bei AS-Pati-
enten vier- bzw. elfmal häufiger als bei
Gesunden.
• Kardiovaskuläre Erkrankungen: Selten kommt es zu einer Beteiligung der
Aortenklappe, die dann nicht mehr ganz
schließt.
• Lungenerkrankungen: Viele AS-Patienten können aufgrund der Versteifung
der Gelenke im Brustraum die Lunge
nicht mehr voll entfalten. In der Folge
kommt es zu Veränderungen der Lungenfunktion.
• Darmentzündungen: Einige Patienten
mit AS entwickeln Entzündungen im
Darm.
Beeinflusst die AS den Alltag?
AS kann den Alltag insbesondere in folgenden Bereichen behindern: beim Anziehen, vom Sessel Aufstehen, vom Boden Hochkommen, gerade Stehen,
Stiegensteigen, auf die Seite oder über die
Schulter Schauen, Verrichten von Haushaltsarbeiten. Diese Einschränkungen
sind durch die verminderte Gelenk- und
Wirbelsäulenbeweglichkeit bedingt und
haben Auswirkungen sowohl auf den Patienten als auch seine Familie.
Wie wird AS behandelt?
Die Behandlung wird an die spezifischen
Beschwerden angepasst. Folgende Elemente sollten Teil des Behandlungsplans
sein:
Heilgymnastische Übungen: „Bechterew-Gymnastik“ sollte bei jedem Patienten mit Spondyloarthritis Teil des Behandlungsplans sein. Die Übungen umfassen
täglich selbstständig durchzuführende
Heimübungen – Haltungstraining, Atemtherapie, Rückenkräftigung und DehBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 35
Spondyloarthritis
nungsübungen – sowie Einzel- oder
Gruppentherapie mit einem Physiotherapeuten oder auch physiotherapeutische
Anwendungen wie Wärme, Strom, Ultraschall und Massagen.
Welche Medikamente kommen
zum Einsatz?
• Nicht-steroidale
Antirheumatika
(NSAR): NSAR werden häufig eingesetzt, um Schmerzen zu verringern. Diese Medikamente können regelmäßig
genommen werden. Leider sind sie
manchmal nicht gut verträglich und
können zu ernsthaften Nebenwirkungen
führen. Deshalb sollte die Tageshöchstdosis nicht überschritten werden und
verschiedene NSAR sollten niemals
gleichzeitig eingenommen werden.
• Sulfasalazin: Dieses Basistherapeutikum kommt bei entzündlicher Mitbeteiligung peripherer Gelenke zum Einsatz,
hat jedoch auf die Entzündung der Wirbelsäule selbst keinen Einfluss. Es kann
gleichzeitig mit NSAR verordnet werden.
• Anti-Tumornekrosefaktor-Therapie:
Diese gentechnisch hergestellten Medikamente sind als Spritzen bzw. Pens
oder Infusionen verfügbar. Bei AS zeigen sie oftmals eine hohe Wirksamkeit
hinsichtlich der Schmerzen und der allgemeinen Entzündung. Wirkstoffe: Infliximab, Etanercept, Adalimumab, Certolizumab Pegol sowie Golimumab. Sie
kommen zum Einsatz, wenn trotz Standardtherapie mit NSAR weiterhin eine
hohe Krankheitsaktivität besteht.
• IL-17-Blocker: Wie bei den oben genannten Anti-Tumornekrosefaktor-Medikamenten handelt es sich auch hierbei
36 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
um sogenannte Biologika. Wie diese
greifen auch sie in das überaktive Immunsystem ein, aber an einer anderen
Stelle, wo sie die Wirkung des Interleukin-17 hemmen. Zurzeit steht nur ein
Wirkstoff, Secukinumab, zur Verfügung.
• Glukokortikoide: Eine Kortisoninjektion in ein besonders geschwollenes oder
schmerzhaftes Gelenk zeigt zumeist
gute Wirksamkeit.
• Operationen: Hüftgelenk- oder Wirbelsäulenoperationen können manchmal
notwendig werden. Insbesondere die
Hüftgelenkersatzoperation kommt häufiger vor: Bei dauerhaften starken
Schmerzen oder schwerer Bewegungseinschränkung wird gelegentlich eine
Prothese notwendig.
Welche allgemeinen Maßnahmen
können zur Besserung beitragen?
Es gibt einige Maßnahmen, von denen
alle Patienten profitieren:
•R
auchstopp: Rauchen schädigt die Lunge, die auch durch die Erkrankung selbst
schon angegriffen sein kann. Deshalb ist
ein Nikotinstopp doppelt sinnvoll!
chten Sie auf eine gute Körperhaltung
•A
und die Teilnahme an einem Übungsprogramm.
•A
chten Sie auf eine adäquate Einnahme
von Kalzium und Vitamin D, um das Risiko von Knochenschwund (Osteoporose) zu verringern. Produkte, die Kalzium enthalten, sind Milchprodukte wie
Milch, Käse und Jogurt.
•M
edikamente zur Behandlung von Osteoporose können nur dann empfohlen
werden, wenn bereits ein krankhafter
Knochenschwund nachweisbar ist.
Spondyloarthritis
1A
2A
1B
Mobilisieren der Wirbelsäule
2B
Stärkung der oberen
R­ ückenmuskulatur
3
Stärkung der Bauch- und Gesäßmuskeln
Tägliche Gymnastik bei
Morbus Bechterew
In der Therapie des Morbus Bechterew ist
die regelmäßige (tägliche) und gezielte
Gymnastik ein fixer Bestandteil. Das gezielte Muskeltraining trägt zur Schmerzlinderung und zum Erhalt der Beweglichkeit der Wirbelsäule bei. Damit beugt
man auch der frühzeitigen Versteifung
der Wirbelsäule und Fehlhaltungen vor.
Grundsätzlich ist es sinnvoll, in Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Therapeuten die Übungen dem Krankheitsstadium angepasst zusammenzustellen.
Im Folgenden sind einige Übungen beispielhaft angeführt, die Sie einfach zu
Hause ausprobieren können. Die Übungen sollten auf einer Turnunterlage in bequemer Kleidung mindestens 5x wiederholt werden. Wichtig ist, die Spannung
ca. 5 Sekunden lang zu halten. Sollten Sie
dabei Schmerzen haben, hören Sie mit der
4
Stärkung der Bauchmuskeln
Übung auf und sprechen Sie mit Ihrem
Arzt darüber. Bei den Übungen müssen
Sie auf Ihre bestehenden Bewegungseinschränkungen Rücksicht nehmen.
1. Mobilisieren der Wirbelsäule
Gehen Sie auf die Knie und stützen Sie
sich mit den Händen schulterbreit auf.
Die Hände sind leicht gebeugt, die Knie
befinden sich unter den Hüftgelenken, die
Halswirbelsäule ist gestreckt (Blick auf
den Boden, Nacken lang machen). In dieser Position („Vierfüßlerstand“) machen
Sie nun abwechselnd einen „Buckel“ –
dabei ziehen Sie das Kinn zur Brust – und
danach bewusst ein Hohlkreuz – Kopf
wieder in die Ausgangsposition.
2. Stärkung der oberen
­Rückenmuskulatur
Legen Sie sich auf den Bauch und verschränken Sie die Hände vor dem Kopf.
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 37
Spondyloarthritis
Dabei liegen die Handflächen auf dem
Boden, die Stirn stützen Sie darauf ab. Heben Sie nun die Ellbogen langsam an und
ziehen Sie den Kopf nach oben. Halten Sie
diese Position. Danach legen Sie sich wieder flach auf die Matte und entspannen,
bevor Sie die Übung wiederholen.
3. Stärkung der Rücken- und
­Gesäßmuskeln
Gehen Sie in den „Vierfüßlerstand“. Strecken Sie abwechselnd einen Arm oder ein
Bein in Verlängerung des Rückens aus.
Halten Sie den Rumpf stabil. Fällt Ihnen
diese Übung leicht, strecken Sie den linken
Arm und das rechte Bein bzw. den rechten
Arm und das linke Bein gleichzeitig aus.
5
4. Stärkung der Bauchmuskeln
Legen Sie sich auf den Rücken und winkeln Sie Ihr rechtes Bein so ab, dass ein
rechter Winkel in der Hüfte entsteht.
Drücken Sie nun den linken Arm gegen
das rechte Knie und halten Sie gleichzeitig mit dem Bein dagegen. Spüren Sie
dabei, wie Sie Ihre Bauchmuskeln anspannen. Wiederholen Sie das mit dem
anderen Arm und Bein.
5. Stärkung der Schultermuskulatur
Setzen Sie sich gerade auf eine harte Unterlage (z.B. Sesselkante). Neigen Sie den
Oberkörper leicht nach vorne und strecken
Sie dabei die Arme nach oben. Die Daumen zeigen nach hinten, der Rücken bleibt
gerade. Atmen Sie tief ein und aus und versuchen Sie dabei, die Spannung zu halten.
Weitere Empfehlungen
Gezielte Atemübungen: Diese müssen
eigentlich in jedes Therapieprogramm
38 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Stärkung der Schultermuskulatur
von Morbus Bechterew miteinbezogen werden, da die Atmung durch den
Beweglichkeitsverlust der Wirbelsäule
sowie durch Schmerzen eingeschränkt
sein kann. Die Übungen können nach
Anweisung durch einen Spezialisten zu
Hause regelmäßig – eingebunden in das
Gymnastikprogramm – ausgeführt werden. Damit wird sich Ihre Lungenfunktion merkbar verbessern, das konnte auch
in Studien nachgewiesen werden.
Ebenso werden Rotationsübungen für
den Brustkorb, Dehnungsübungen sowie Gymnastikübungen für die Halswirbelsäule seitens der physikalischen
Medizin angeraten.
Sprechen Sie mit Ihrem Arzt, er wird
Sie gegebenenfalls an einen Spezialisten
überweisen.
PSORIASIS-ARTHRITIS (PSA)
Was ist Psoriasis-Arthritis?
Blick:
Auf einen
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Die Schuppenflechte (Psoriasis vulgaris)
ist eine chronische Hauterkrankung, die
sich durch gerötete und meist stark schuppende Hautveränderungen, die entweder
nur an bestimmten Stellen (z.B. Ellbogen,
Knie, Kopfhaut) oder manchmal auch am
ganzen Körper auftreten, äußert. Auch die
Nägel können in typischer Weise befallen
sein. In Österreich leiden vermutlich
2–3% der Bevölkerung an Schuppenflechte, davon erkranken 5–15% auch an
schmerzhaften Gelenkentzündungen.
Was sind die Ursachen?
Sowohl bei Psoriasis als auch bei Psoriasis-Arthritis handelt es sich um Autoimmunerkrankungen, bei denen das ImmunBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 39
Psoriasis-Arthritis
system körpereigenes Gewebe als
Fremdkörper bekämpft. Voraussetzung
für die Entstehung der Krankheit ist eine
genetische Veranlagung. Das heißt, dass
Menschen mit bestimmten Erbanlagen
eine Neigung zur Entwicklung von Psoriasis und Psoriasis-Arthritis besitzen, unter
der es entweder von selbst oder durch äußere Auslöser – wie etwa Infektionskrankheiten – zu diesem Fehlverhalten des Immunsystems kommen kann.
Wie äußert sich die Erkrankung?
Oft zeigen sich einige Jahre nach Auftreten der Schuppenflechte schmerzhafte
entzündliche Veränderungen der Gelenke.
Nur bei etwa jedem zehnten Betroffenen
stellt sich der Hautbefall erst nach der Gelenkerkrankung ein. Manchmal treten
Haut- und Gelenkbeschwerden allerdings
auch gleichzeitig auf.
Welche Körperteile sind hauptsächlich
betroffen?
wurstförmig geschwollen und verursacht starke Schmerzen („Daktylitis“).
ehr häufig sind die Mittel- und End•S
gelenke betroffen. Dies unterscheidet
die Psoriasis-Arthritis von anderen
Formen des entzündlichen Rheumas,
bei denen körpernähere Gelenke befallen sind.
• Entzündung des Sehnenansatzes, die
sich in ausgeprägter Schwellung und
Schmerzen äußert (häufig z.B. am Fersenbein, wo die Achillessehne ansetzt).
•W
ie auch bei der ankylosierenden Spondyloarthritis kann es zu einer Entzündung der Iliosakralgelenke, also der
Gelenkverbindungen zwischen Becken
und Kreuzbein, kommen. Die Betroffenen klagen oft über Schmerzen in den
Gesäßbacken.
• I m Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis ist die Gelenkbeteiligung bei der
Psoriasis-Arthritis oft asymmetrisch,
Gelenke, Knochen und teilweise auch
Sehnen sind in unterschiedlicher Ausprägung von der Erkrankung betroffen. Am
häufigsten zeigt sich die Psoriasis-Arthritis an den kleinen Gelenken von Fingern
und Zehen.
Wichtiger Hinweis: Wenn die PsoriasisArthritis nicht rechtzeitig behandelt wird,
kann es ähnlich wie bei anderen rheumatischen Gelenkerkrankungen zu einer irreparablen Zerstörung der Gelenke kommen!
Welche Symptome treten auf?
• Strahlenförmige Entzündung einzelner
Finger oder Zehen. Der betroffene Körperteil ist vom Ansatz bis zur Spitze
40 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Charakteristisch: wurstförmig geschwollener
Finger
Psoriasis-Arthritis
d.h. es sind an der rechten oder an der
linken Körperhälfte unterschiedliche
Gelenke befallen.
•W
enn die Schuppenflechte die Zehenoder Fingernägel befällt, ist das ein
wichtiger Hinweis für das Vorliegen einer Psoriasis-Arthritis – vor allem dann,
wenn Gelenkschwellungen vorhanden
sind. Man findet z.B. stecknadelkopfgroße Grübchen auf der Nagelplatte, die
Nagelplatte kann gelblich verfärbt sein
(sog. Ölflecke), der Nagel kann sich
vom Nagelbett abheben und manchmal
auch vollständig zerstört werden.
Wie verläuft die Erkrankung?
Sowohl die Psoriasis als auch die Psoriasis-Arthritis haben in der Regel einen
chronisch-schubweisen Verlauf. Das
heißt, Phasen der Verschlechterung wechseln sich mit Phasen der Besserung oder
sogar Beschwerdefreiheit ab. Während
der Hautbefall in jeder Erkrankungsphase
zur vollständigen Rückbildung gebracht
werden kann, können die Gelenkentzündungen zu bleibenden Schäden mit Bewegungseinschränkungen der betroffenen
Gelenke führen.
Woran erkenne ich Psoriasis-Arthritis
bei meinem Kind?
Psoriasis-Arthritis im Kindesalter ist selten und zeigt kein einheitliches Krankheitsbild. Untersuchungen belegen, dass
Kinder vor allem um das 2. und 5. Lebensjahr erkranken. Auch und besonders
bei Kindern geht die Arthritis der Psoriasis oft um Jahre voraus. Die kleinen Patienten leiden häufig an schmerzhaften
Schwellungen und Entzündungen der Finger- oder Zehengelenke sowie an typi-
schen Nagelveränderungen. Von den großen Gelenken sind vor allem das Knie- und
das Sprunggelenk, aber auch Hand-, Ellbogen- und Hüftgelenk betroffen. Die
Kinder belasten das betroffene Gelenk
weniger und wollen getragen werden.
Bei älteren Kindern zeigen sich Entzündungen der Sehnenansätze oder auch der
Wirbelsäulengelenke, die sich durch
Schmerzen in der Lendenwirbelsäule äußern können. Auch Fieber, das über einen
längeren Zeitraum mit oder ohne begleitenden Hautausschlag auftritt, oder eine
Entzündung der Regenbogenhaut am
Auge (Iridozyklitis) kann ein erstes Anzeichen sein. Besonders bei Kleinkindern
kann es sein, dass weder Schmerzen noch
Rötung auf die Augenentzündung hinweisen und diese nur durch eine routinemäßige Augenarztuntersuchung entdeckt wird.
Wird die Entzündung nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, können bleibende
Schäden entstehen.
Wie stellt der Arzt die Diagnose?
Der Arzt beurteilt das Krankheitsbild
nach ...
• d em Befallsmuster der Gelenke,
• d em Erscheinungsbild der Haut,
• d em Verlauf,
•m
öglichen Begleiterscheinungen,
• d er Ausprägung der Erkrankung,
• d en Ergebnissen von Röntgen- und
­Laborbefunden.
Was ist dabei zu beachten?
Bei Psoriasis-Arthritis ist es wichtig, die
Erkrankung von anderen rheumatischen
Krankheitsbildern, wie z.B. rheumatoide
Arthritis, Morbus Bechterew oder Abnützungserscheinungen der Gelenke (ArthBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 41
Psoriasis-Arthritis
rose, Osteoarthritis), zu unterscheiden.
Das klinische Erscheinungsbild kann individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt
sein und nicht immer zeigen Haut und
Gelenke die oben beschriebenen typischen Veränderungen (siehe „Welche
Symptome treten auf“, Seite 40). Diese
vielfältigen Manifestationsmöglichkeiten
erfordern ausgiebige Erfahrung in der
klinischen Untersuchung von Patienten
mit PsA. Labor und Bildgebung sind dabei lediglich Hilfsmittel.
Welche Laboruntersuchungen gibt es?
Eine Blutuntersuchung kann hilfreich
sein, auch wenn es keine eindeutigen
Marker für die Psoriasis-Arthritis gibt.
Neben allgemeinen Entzündungsmarkern
(Blutsenkungsgeschwindigkeit, CRP), die
aber oft im Normalbereich liegen, wird
dabei auch der sogenannte Rheumafaktor
bestimmt, der bei der Psoriasis-Arthritis
im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis
in aller Regel negativ (d.h. nicht nachweisbar) ist. Patienten mit Psoriasis oder
Psoriasis-Arthritis besitzen ein erhöhtes
Risiko für Stoffwechselstörungen, daher
ist auch die Untersuchung von Blutfetten
und Harnsäure mit entsprechender Beratung sinnvoll.
Welche bildgebenden Verfahren helfen
bei der Diagnose?
Das Skelettröntgen ist ein wesentliches
bildgebendes Verfahren, sowohl an den
Gelenken als auch an der Wirbelsäule.
Häufig findet man asymmetrische Veränderungen mit sogenannten Usuren
(lochartige Substanzdefekte) oder Proliferationen (knöcherne Anlagerungen).
In sehr fortgeschrittenen Stadien der Er42 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Durch entsprechende Therapie kann sich der
Hautbefall vollständig zurückbilden.
krankung entstehen schwere Verformungen der Knochen.
Gelegentlich werden auch Ultraschall
und Magnetresonanztomografie (MRT)
zur Diagnostik eingesetzt. Die MRT ist
eine besonders wertvolle Untersuchung
zur frühzeitigen Erkennung von bereits
eingetretenen
Gelenkschäden
und
schweren Verlaufsformen der PsoriasisArthritis.
Wie wird die Erkrankung behandelt?
Die Gabe von Medikamenten zur Entzündungshemmung und zur Unterdrückung
der Krankheitsaktivität ist die wichtigste
therapeutische Maßnahme. Darüber hi­
naus stellt die Physiotherapie eine zusätzliche Behandlungsform dar. Sie stärkt die
Muskulatur, entlastet die Gelenke und
hilft den Betroffenen, richtige Bewegungsmuster zu erlernen. Sehr selten sind
operative Eingriffe nötig.
Welche Medikamente gibt es?
Medikamente aus der Substanzgruppe
der nicht-steroidalen Antirheumatika
Psoriasis-Arthritis
(NSAR) lindern wirksam Schmerzen,
können aber den Verlauf der PsoriasisArthritis nicht beeinflussen. NSAR werden vor allem dann eingesetzt, wenn die
Erkrankung sehr mild ausgeprägt ist. Bei
akuten Schüben der Psoriasis-Arthritis
kann kurzfristig auch Kortison verabreicht werden.
Langfristig werden vor allem sogenannte
konventionelle
immunmodulierende
Substanzen (Basistherapeutika) eingesetzt, die als Langzeittherapie geeignet
sind und die Krankheitsaktivität – meist
sowohl an der Haut als auch an Gelenken
– unterdrücken. Zu diesen Medikamenten,
die meistens in Tablettenform verabreicht
werden, gehören in erster Linie Substanzen, die auch bei anderen rheumatischen
Erkrankungen eingesetzt werden, wie Methotrexat, aber auch Leflunomid.
Bei hoher Krankheitsaktivität, wenn Basistherapeutika nicht ausreichend wirken
oder nicht vertragen werden, kommen
Biologika mit gezielterer Wirkung auf
das Immunsystem zur Anwendung. Diese
werden seit Jahren in der Therapie der
Schuppenflechte eingesetzt und zeigen
auch sehr gute Erfolge bei Psoriasis-­
Arthritis. Mit diesen Substanzen, die als
Infusionen oder subkutane Injektionen
verabreicht werden, können gezielt bestimmte körpereigene Botenstoffe, welche die Entzündungen in Haut und Gelenken mitverursachen, blockiert werden.
Zum Einsatz kommen derzeit sogenannte
TNF-alpha-Blocker,
Interleukin17-Blocker und Interleukin-12/23-Blocker. Auch Biologika sind gleichermaßen
zur Behandlung der Haut- wie auch der
Gelenkerscheinungen und – ähnlich wie
die oben genannten älteren Medikamente
– ebenfalls für die Langzeittherapie geeignet.
Eine neue Klasse stellen die oral (als Tabletten) verfügbaren, gezielten immunmodulierenden Substanzen dar. Bisher steht
daraus der Phosphodiesterase-Hemmer
Apremilast zur Verfügung.
Wichtiger Hinweis: Um eine sichere
Langzeittherapie mit allen immunmodulierenden Substanzen zu gewährleisten,
muss vor Therapiebeginn eine ausführliche Beratung und Aufklärung über erforderliche Vor- und Kontrolluntersuchungen, das erhöhte Infektionsrisiko sowie
andere Nebenwirkungen und Komplikationen durch einen mit diesen Therapien
erfahrenen Arzt erfolgen.
Gibt es Begleiterkrankungen?
Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass andere chronische Erkrankungen besonders
häufig bei Personen mit Psoriasis oder
Psoriasis-Arthritis auftreten. Dazu zählen
beispielsweise Stoffwechselerkrankungen
wie Übergewicht, Diabetes mellitus und
Herzkranzgefäßverkalkung. Die Ursachen
für diesen Zusammenhang sind noch nicht
restlos geklärt, ebenso wenig wie die
­Frage, ob eine erfolgreiche Therapie der
Psoriasis-Arthritis auch zu einer Besserung dieser Begleiterscheinungen führt.
Sicher ist jedenfalls, dass Patienten mit
schwerer Psoriasis und Psoriasis-Arthritis
besonders auf einen gesunden Stoffwechsel und eine gesunde Lebensführung mit
Vermeidung zusätzlicher ­
Risikofaktoren
(z.B. Zigarettenrauchen) achten sollen und
die diesbezügliche Beratung und Aufklärung Teil eines umfassenden Behandlungskonzeptes sein sollten.
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 43
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wichtige Grund
Was geschieht bei Gicht?
Bei Gicht (Arthritis urica) kommt es
durch Harnsäurekristalle in den betroffenen Gelenken zu einer Entzündung: Die
Gelenke schwellen an und schmerzen.
Welche Symptome treten auf?
Der erste akute Gichtanfall tritt völlig
unerwartet auf, zumeist nachts oder in
den frühen Morgenstunden. Typische
Symptome sind heftige Gelenkschmerzattacken. Meistens ist das Grundgelenk
der großen Zehe betroffen: Es schwillt
an und ist oft so prall, dass die Haut
glänzend gespannt ist und sehr stark
schmerzt. Das betroffene Gelenk kann
kaum berührt oder bewegt werden. Auch
andere Gelenke können beteiligt sein,
44 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Die Gelenkschmerzen beginnen häufig am
Grundgelenk der großen Zehe.
wie z.B. Sprung- oder Daumengrundgelenk. In manchen Fällen ist der Allgemeinzustand schlecht, Fieber und Unwohlsein können hinzukommen. Nach
einigen Tagen klingen die Symptome
meist wieder ab. Bis zu einem neuerlichen Gichtanfall können mitunter Wochen oder sogar Jahre vergehen.
Bleiben die Harnsäurespiegel erhöht
und die Symptome treten wiederholt
auf, spricht man von chronischer Gicht.
Sie kann zu dauerhaften Gelenkdeformationen führen und eventuell auch andere Organe schädigen.
Warum ist der Harnsäurewert erhöht?
Zeigen die Laborwerte eine zu hohe
Harnsäurekonzentration, nehmen Sie
entweder über die Nahrung zu viele Purine auf (Purine sind neben Pyrimidinen
wichtige Bausteine der Nukleinsäuren)
Gicht
und/oder Ihre Niere scheidet zu wenig
Harnsäure aus. Lebensmittel tierischer
Herkunft enthalten viele Purine. Bei
Menschen werden die Purine zu Harnsäure abgebaut. Je höher der Harnsäurewert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, an einer Gichterkrankung zu leiden.
Wie stellt der Arzt die Diagnose?
Ein erhöhter Harnsäurespiegel kann schon
viele Jahre ohne Beschwerden bestehen,
ehe es zum ersten Gichtanfall kommt.
Während oder nach einem akuten Gichtanfall sind oft gar keine stark erhöhten
Harnsäurewerte im Blut mehr festzustellen. Es sind lediglich erhöhte Entzündungswerte (CRP) festzustellen und die
Leukozyten (weiße Blutkörperchen) sind
ebenfalls häufig erhöht. Für eine sichere
Diagnose sind daher oft Harnsäureuntersuchungen nicht aussagekräftig.
Aufschlussreicher sind die Entnahme von
Gelenkflüssigkeit und die anschließende
Untersuchung dieses Punktats auf Harnsäurekristalle. Ob es bereits zu dauerhaften
Schädigungen von Gelenken gekommen
ist, kann durch bildgebende Verfahren
(Röntgen-, Ultraschall- und CT-Untersuchung) gut festgestellt werden.
Wie kommt es zu einem Gichtanfall?
Wie sieht die Behandlung aus?
Erster Schritt ist eine umfassende
­Ernährungsumstellung. Es gilt eine purinarme Ernährung einzuhalten. Das bedeutet:
•A
chten Sie auf eine gesunde und ausgewogene Vollwertkost.
•V
erzichten Sie auf Innereien und essen
Sie rotes Fleisch (z.B. Rind, Schwein
oder Gans) nur in Maßen.
•F
isch ist erlaubt, aber:
•M
akrelen, Sardinen, Heringe, Sardellen
oder auch Meeresfrüchte (z.B. Krustentiere und Muscheln) können den Harnsäurespiegel erhöhen und sollten daher
nur selten verzehrt werden.
•A
uf Alkohol (v.a. Spirituosen und Bier
– auch alkoholfrei) sollten Sie besser
ebenfalls weitgehend verzichten.
•T
rinken Sie 2,5 Liter Mineral- oder
Leitungswasser täglich, um die Harnsäure mit dem Harn auszuspülen.
•E
ssen Sie viel Gemüse, aber Obst nur
in Maßen.
•N
ehmen Sie möglichst fettarme Speisen zu sich, greifen Sie zu fettreduzierter Milch und Milchprodukten.
ermeiden Sie gesüßte Getränke sowie
•V
Apfel- und Orangensaft.
•Z
ucker und Salz sollten nur in Maßen
konsumiert werden.
Verantwortlich für Gicht kann vor allem
die Ernährung gemacht werden. Schweres, üppiges (purinreiches) Essen oder
hoher Alkoholkonsum löst nicht selten
einen akuten Gichtanfall aus. Auch die
erbliche Veranlagung spielt eine wesentliche Rolle. Andere Krankheiten sowie
Medikamenteneinnahme, Bewegungsmangel und Übergewicht begünstigen
darüber hinaus den Ausbruch von Gicht.
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 45
Kein Widerspruch: Angegriffene Gelenke profitieren von Bewegung.
Weitere Lebensstilmaßnahmen:
•B
ei Übergewicht ist eine vorsichtige
Gewichtsreduktion hilfreich.
•S
portliche Betätigung (spazieren gehen, Rad fahren, schwimmen) wirkt
sich mehrfach positiv aus, nämlich einerseits auf das Körpergewicht und
andererseits auch auf den erhöhten
Harnsäurespiegel.
Welche medikamentösen
­Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Genügt die Ernährungsumstellung nicht,
um den Harnsäurespiegel in den Normalbereich zu bringen, ist zusätzlich eine medikamentöse Therapie erforderlich, um
eine dauerhafte Schädigung an Gelenken
bzw. Organen zu verhindern. Medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten alleine bringen jedoch wenig Erfolg, wenn
nicht auch die erforderliche Umstellung
der Lebensweise eingeleitet wird!
Was kann man bei einem akuten
Gichtanfall tun?
Bei einem akuten Gichtanfall kommen
Schmerzmittel sowie schmerz- und ent46 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
zündungshemmende
Antirheumatika
(NSAR) zum Einsatz. Manchmal wird
auch Kortison (als Tablette oder Injektion) eingesetzt. Durch die Akuttherapie
können die Schmerzen innerhalb weniger Stunden deutlich verringert werden.
Auch Colchicin wird zur Akuttherapie
empfohlen, allerdings muss vor dem
Einsatz vom Facharzt abgeklärt werden,
ob die Anwendung im individuellen Fall
möglich ist. In Ausnahmefällen kann
Canakinumab, ein gegen den Interleukin-1-Rezeptor gerichtetes Biologikum,
verabreicht werden.
Wie kann man einem Gichtanfall
vorbeugen?
Zur Langzeittherapie können purinsenkende Medikamente eingesetzt werden
(Allopurinol, Febuxostat). Diese können
auch erneuten Gichtanfällen vorbeugen.
Darüber hinaus wird der Rheumatologe
unter Umständen bestimmte Medikamente (z.B. harntreibende Substanzen),
die Sie wegen anderer Krankheiten einnehmen (z.B. Bluthochdruck), gegen andere austauschen.
MEDIKAMENTÖSE BEHANDLUNG
BEI ENTZÜNDLICH-RHEUMATISCHEN
­ERKRANKUNGEN
Blick:
Auf einen
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Welche Medikamente gibt es?
Zu den Arzneimitteln, die vor allem
schmerzstillend wirken, zählt die große
Gruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR = kortisonfreie Rheumaschmerzmittel). Im Gegensatz dazu sind
jene entzündungshemmenden Rheuma­
arzneien, die das körpereigene Hormon
Kortison enthalten, zu erwähnen. Beide
Medikamentengruppen entfalten eine rasche Wirkung. Sie wirken jedoch nur
gegen die Krankheitszeichen, wie z.B.
­
Schmerz und Schwellung, beeinflussen
aber den längeren Krankheitsverlauf nicht
oder – wie Kortison – nur beschränkt.
Umso wichtiger ist der Einsatz von sogenannten Basistherapeutika oder auch
DMARDs (Disease-modifying Antirheumatic Drugs), die zumeist als Dauermedikation verabreicht werden. Sie sollen den
Übersicht medikamentöse Therapie
Schmerzbekämpfung
und
Entzündungshemmung
Bekämpfung der
Gelenkschwellung
Bekämpfung der
radiologischen
Veränderung
(Gelenkdeformation)
NSAR
ja
ja
nein
Kortison
ja
ja
nein
(im Frühstadium ja)*
Klassische
Basistherapeutika
ja
ja
ja
Biologika/Biosimilars
ja
ja
ja
Small Molecules
ja
ja
ja
* keine Indikation für Langzeittherapie
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 47
Medikamentöse Therapie
Krankheitsverlauf positiv beeinflussen,
die aktive Entzündung über einen längeren Zeitraum zum Stillstand bringen und
somit eine Erhaltung der Gelenkfunktion
sicherstellen. Zur Gruppe der Basistherapeutika gehören auch die seit 1999 am
Markt b­ efindlichen sogenannten Biologika s­ owie seit Kurzem auch deren „Nachbauten“, die Biosimilars.
Basistherapeutika
Was bedeutet Basistherapie oder
DMARD?
Basistherapeutika sind Medikamente,
die bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zur Verbesserung der Gelenksymptomatik und zur Verminderung
bzw. im Idealfall zum Stopp der Gelenkzerstörung führen. Der englische Begriff
„Disease-modifying
Antirheumatic
Drug“ (DMARD), also krankheitsbeeinflussendes Medikament, trifft den Effekt
der Substanz wohl am ehesten.
Folgende Wirkstoffe – neben den Biologika/Biosimilars – zählen zu den Basistherapeutika und finden in Österreich
häufig Anwendung: Sulfasalazin, Chloroquin, Leflunomid und Methotrexat.
Die Dosierung von Methotrexat liegt üblicherweise bei bis zu maximal 30 mg
einmal pro Woche. Die Verabreichung
erfolgt entweder als Tablette oder als
Spritze unter die Haut. Ein- bis zweimal
pro Woche muss zusätzlich Folsäure (5
mg) eingenommen werden.
Wie wirken Basistherapeutika?
Sie „dämpfen“ bzw. normalisieren die
„überschießende“ Antwort des Immun48 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
systems. Dies führt zu einer Verringerung der entzündlichen Reaktion in den
Gelenken, wodurch Gelenkschwellungen verhindert werden sollen. Basistherapeutika üben eine Langzeitwirkung
auf den Krankheitsverlauf aus, indem sie
die fortschreitende Zerstörung der Knorpel und Knochen verhindern oder zumindest verzögern. Die Wirkung der
Substanzen zeigt sich oft erst nach einigen Monaten. Nach längerer Einnahme
sollte es zu einer deutlichen Besserung
der Beschwerden bis hin zur Beschwerdefreiheit und im Idealfall zum Stillstand der Erkrankung kommen. Sie
müssen regelmäßig eingenommen werden und dürfen nur nach Absprache mit
dem Arzt abgesetzt werden. Zumeist ist
eine dauerhafte Einnahme erforderlich.
Bei gutem Therapieansprechen des Patienten kann die Dosis reduziert werden.
Kommt es bei Basistherapeutika zu
Nebenwirkungen?
Wie bei allen Medikamenten können
vereinzelt Nebenwirkungen auftreten.
Deshalb muss von Beginn an eine kontinuierliche Kontrolle durch den behandelnden Arzt erfolgen: anfangs alle zwei
bis vier Wochen, danach in zwei- bis
dreimonatigen Abständen. So können
frühzeitig oft subjektiv nicht sichtbare
Nebenwirkungen rasch und zielgerichtet
behandelt werden. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Infektionen, Übelkeit, Durchfall, leichter Haarausfall sowie Leberfunktionsstörungen. Da eine
Schädigung der Keimzellen durch Basistherapeutika nicht ausgeschlossen
werden kann, raten Ärzte, eine Schwangerschaft erst mehrere Monate nach Ab-
schluss der Behandlung in Betracht zu
ziehen. Männer, die mit Methotrexat behandelt werden, sollten während und bis
mindestens sechs Monate nach Beendigung der Therapie keine Kinder zeugen.
Es stehen Wirkstoffe als
­Medikamente zur oralen Einnahme,
als Fertigspritze bzw. Pen sowie
in Form von Infusionen
zur Verfügung.
Wann kommen Basistherapeutika
zum Einsatz?
• r heumatoide Arthritis
• j uvenile idiopathische Arthritis
•P
soriasis-Arthritis
•S
pondyloarthritis mit Gelenkschwellungen
• z um Teil bei Kollagenosen (z.B. systemischer Lupus erythematodes)
Wie wirkt Kortison?
Kortison bremst die Immunreaktionen
und wirkt damit effizient gegen starke
Entzündungen. Gerade bei rheumatischen Erkrankungen kommt dieser Effekt zum Tragen, denn Kortison unterdrückt die Entzündung in den Gelenken
wirksam und schnell. Meist bessern sich
die Beschwerden innerhalb von ein bis
zwei Stunden nach der Einnahme. Oft
wird Kortison zur Überbrückung eingesetzt, bis die Basistherapie greift.
Wichtiger Hinweis: Kortison beseitigt
nur das Symptom, eine Heilung kann dadurch nicht erreicht werden.
Warum ist Kortison so gefürchtet?
In den 1970er-Jahren wurde Kortison
häufig überdosiert und zu lange verabreicht. Dadurch kam es zu den bekannten Nebenwirkungen. Heute weiß man,
dass große Mengen Kortison nur für
kurze Zeit gezielt angewendet werden
sollen, und handelt dementsprechend.
Die Nebenwirkungen von vernünftig dosiertem Kortison sind wesentlich geringer ausgeprägt.
Was ist bei der Einnahme von
­Kortison zu beachten?
Kortisonpräparate müssen regelmäßig
und zum vorgesehenen Zeitpunkt eingenommen werden. Sie sollten nach längerer Einnahme niemals plötzlich abgesetzt werden, sondern die Dosis muss
Schritt für Schritt verringert werden.
Denn der Körper kann während der Therapie die eigene Kortisonproduktion einstellen, daher kann es bei plötzlichem
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 49
Medikamentöse Therapie
Absetzen des Präparats zu lebensgefährlichen Reaktionen kommen. Weiters
muss das Risiko für das Auftreten von
Osteoporose vor Beginn der Therapie
mittels Knochendichtemessung abgeklärt werden. Ebenso sind regelmäßige
Blutdruck-, Blutzucker- und Gewichtskontrollen sinnvoll.
Biologika
Wie wirken Biologika?
Biologicals, auch Biologics oder Biologika genannt, sind mittels modernster
Biotechnologie und unter sehr hohem
technischem Aufwand hergestellte Eiweiße. Diese sind in der Lage, die Regulationsmechanismen bei entzündlichrheumatischen Erkrankungen wesentlich
zu beeinflussen. Dadurch unterscheiden
sie sich von den anderen in der Rheumatherapie eingesetzten Präparaten.
Biologika greifen gezielt in den immunologischen Abwehrmechanismus des
Körpers ein: Sie schalten beispielsweise
Zytokine – also Botenstoffe, die für die
Immunantwort des Körpers zuständig
sind – aus. Spätfolgen, wie z.B. Gelenkveränderungen bis hin zur Gelenkzerstörung, können mithilfe von Biologika
gemindert, gestoppt oder zumindest hi­
nausgezögert werden.
Seit Kurzem stehen zudem „Nachbau“Präparate von Biologika, die sogenannten Biosimilars, zur Verfügung (siehe
Seite 56).
Wie sieht der Therapieablauf aus?
Die gängige Therapie besteht darin, dass
die Gabe von Basistherapeutika beibe50 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
halten wird, wenn mit einer Biologikatherapie begonnen wird. Innerhalb von
2–4 Wochen tritt oftmals eine Besserung
ein, nach rund 8–16 Wochen ist das Wirkungsmaximum erreicht. Sollte nach
3–4 Monaten kein entsprechender Therapieerfolg erzielt worden sein, sollte ein
Wechsel auf ein anderes Biologikum
oder ein anderes Wirkprinzip ins Auge
gefasst werden.
Wann wird mit einer Biologikatherapie
begonnen und welche Vorteile hat sie?
Biologika werden erst nach erfolglosen
Versuchen mit Basistherapeutika eingesetzt. Die Biologika sind also für die Behandlung jener Patienten zugelassen, bei
denen die Basismedikamente nicht oder
nicht ausreichend wirken. Die gleichzeitige Einnahme von Biologika und Basistherapeutika ist in der Behandlung der
rheumatoiden Arthritis nahezu immer
angezeigt (Kombinationstherapie). Patienten mit Psoriasis-Arthritis und Spondylarthropathien (Morbus Bechterew)
können auch mit einer Biologika-Monotherapie behandelt werden.
Bis zu 50% der mit den neuen Wirkstoffen behandelten Patienten berichten,
dass sich ihre Beschwerden deutlich gebessert haben – wobei auch hier wieder
der rechtzeitige Beginn der Behandlung
entscheidend für den Therapieerfolg ist.
Bei welchen Erkrankungen kommen
Biologika zum Einsatz?
• r heumatoide Arthritis
• j uvenile idiopathische Arthritis
•P
soriasis
•P
soriasis-Arthritis
•M
orbus Bechterew
Medikamentöse Therapie
• c hronisch-entzündliche Darmerkrankungen
•R
egenbogenhautentzündung
(Iritis/
Uveitis anterior)
• s ystemischer Lupus erythematodes
u.a.
Biologika in Form von Infusionen –
wo liegen die Vorteile?
Die Infusion wird über eine Vene des Patienten in der Ordination oder an einer
Tagesstation vom Facharzt verabreicht.
Die Vorteile der Verabreichung von Infusionen sind maßgeschneiderte Dosierung, längere Intervalle und direkte
Kontrolle durch den verabreichenden
Arzt (Pflegepersonal). Nach der Infusion
tritt die Wirkung bei den meisten Biologika sehr rasch ein. Schmerzen und
Morgensteifigkeit werden reduziert.
Auch die Entzündungszeichen im Blut
(CRP, Blutsenkung) bessern sich. Wesentlich ist, die Behandlung weiterzuführen, auch wenn sich die Symptome
gebessert haben, andernfalls kann sich
die Krankheit wieder verschlimmern.
Als vorteilhaft empfinden Patienten,
dass sie sich um nichts kümmern müssen. Das bedeutet, dass die Sorge um die
Lagerung der Substanz, wenn man beispielsweise auf Urlaub fährt, wegfällt.
Ebenso entfallen Umstände bei der
Selbstverabreichung.
Biologika in Form von Fertigspritzen oder
Pens – welche Vorteile bringen sie?
Die erste Verabreichung der Wirksubstanzen mittels Fertigspritze oder Pen
sollte unter Anleitung des behandelnden
Arztes erfolgen. Die Substanzen werden
beispielsweise als fertige Lösung in ei-
nem vordosierten Pen mit inkludierter
Nadel ohne weitere Vorbereitungsmaßnahmen verabreicht. Hat der Patient genügend Sicherheit in der eigenständigen
Anwendung erlangt, verabreicht er sich
den Wirkstoff zu Hause selbst. Dies
stellt für viele Patienten einen Vorteil
dar, weil sie dadurch unabhängig vom
Spital oder vom behandelnden Arzt sind.
Wichtig ist allerdings, darauf hinzuweisen, dass der Betroffene zu Hause für
eine entsprechende Kühlung der Substanz im Kühlschrank (bei ca. 2–8 °C)
sorgen muss.
Was bewirken TNF-alpha-Blocker?
Ein typisches Beispiel für den oben genannten Wirkmechanismus sind die
TNF-alpha-Blocker (Tumor-NekroseFaktor alpha). Die zum Einsatz kommenden Substanzen – Adalimumab,
Certolizumab, Etanercept, Golimumab
und Infliximab – blockieren den körpereigenen, entzündungsauslösenden Botenstoff TNF-α. Über diesen Wirkmechanismus hemmen sie damit das
weitere Fortschreiten der Gelenkentzündung, wodurch der Gelenkzerstörung
Einhalt geboten wird. Die Beweglichkeit
des Gelenks bleibt erhalten. Die Vorteile
gegenüber herkömmlichen Basismedikamenten: Viele Patienten sprechen gut
und rasch auf TNF-alpha-Blocker an,
die Entzündung in den Gelenken nimmt
ab, zudem wird das Voranschreiten der
Knochenveränderungen
eingedämmt
bzw. gestoppt. Der Patient bemerkt den
Behandlungserfolg, indem er weniger
Schmerzen verspürt und die Gelenkschwellung abnimmt bzw. im Idealfall
ganz verschwindet. Als Nachteil sind die
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 51
Medikamentöse Therapie
Übersicht: Biologika in der Rheumatologie
TNF-alphaBlocker
Interleukin-12/23Blocker
Wirkstoff
Darreichungsform
Zugelassen für
Infliximab
intravenöse Infusion; zunächst in Woche
0, 2 und 6, danach alle vier bis acht
Wochen, abhängig von der Erkrankung
rheumatoide Arthritis,
Psoriasis-Arthritis,
Spondyloarthritis, Morbus
Crohn, Colitis ulcerosa,
Psoriasis
Adalimumab
subkutan: Fertigspritze oder Pen; Durchstechflasche ausschließlich für Kinder;
alle zwei Wochen
rheumatoide Arthritis,
Psoriasis-Arthritis,
Spondyloarthritis, Morbus
Crohn, juvenile idiopathische Arthritis, Colitis
ulcerosa, Psoriasis
Etanercept
Durchstechflasche; subkutan: Fertigspritze oder Pen, ein- oder zweimal
wöchentlich
rheumatoide Arthritis,
Psoriasis-Arthritis,
Spondyloarthritis, juvenile
idiopathische Arthritis,
Psoriasis
Certolizumab
subkutan: Fertigspritze, zwei Injektionen
jeweils in Woche 0, 2 und 4, danach eine
Injektion jede zweite Woche
rheumatoide Arthritis,
Psoriasis-Arthritis,
­Spondyloarthritis
Golimumab
subkutan: Fertigspritze oder Pen, einmal
monatlich
rheumatoide Arthritis,
Psoriasis-Arthritis,
­Spondyloarthritis,
Colitis ulcerosa, juvenile
idiopathische Arthritis
Ustekinumab
subkutan: Durchstechflasche oder
Fertigspritze; erste Injektion in Woche 0,
zweite nach vier Wochen, danach alle
zwölf Wochen
Psoriasis-Arthritis,
­Psoriasis, Morbus Crohn
52 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Medikamentöse Therapie
Übersicht: Biologika in der Rheumatologie
Wirkstoff
Darreichungsform
Zugelassen für
B-Zell-Antikörper
Rituximab
intravenöse Infusion; in Woche 0 und 2
eine Infusion, danach alle sechs Monate
bzw. nach Bedarf
rheumatoide Arthritis,
Granulomatose mit
­Polyangiitis, mikroskopische Polyangiitis
Selektiver T-ZellCo-Stimulationshemmer
Abatacept
intravenöse Infusion: in Woche 0, 2
und 4 einmal, danach alle vier Wochen;
­subkutan: zu Beginn der Therapie
optional einmalige intravenöse Infusion
(Loading Dose); generell: wöchentlich
subkutane Injektion
rheumatoide Arthritis,
­juvenile idiopathische
Arthritis
Interleukin-6-­
Rezeptor-Inhibitor
Tocilizumab
intravenöse Infusion: alle vier ­Wochen;
subkutan: Fertigspritze, einmal
­wöchentlich
rheumatoide Arthritis,
juvenile idiopathische
Arthritis
Interleukin-1-­
Rezeptor-Inhibitor
Anakinra
subkutan: Fertigspritze, einmal täglich
rheumatoide Arthritis
BLyS-Inhibitor
Belimumab
intravenöse Infusion; zunächst in Woche
0, 2 und 4, danach alle vier Wochen
systemischer Lupus
erythematodes
Phosphodiesterase-Hemmer
Apremilast
Filmtablette zum Schlucken, zweimal
täglich
Psoriasis-Arthritis
Interleukin-17-­
Blocker
Secukinumab
subkutan: Startdosen in den Wochen
0, 1, 2, 3; ab Woche 4 in monatlichen
Abständen
Psoriasis, PsoriasisArthritis, ankylosierende
Spondyloarthritis
JAK-KinaseHemmer
Baricitinib
Filmtablette, einmal täglich
rheumatoide Arthritis
Tofacitinib
Filmtablette, zweimal täglich
rheumatoide Arthritis
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 53
Medikamentöse Therapie
hohen Kosten und ein erhöhtes Infektionsrisiko anzuführen.
Wichtig: Vor dem Verabreichen der Substanz muss das Vorliegen einer Infektion, insbesondere von Tuberkulose, ausgeschlossen werden. Ebenso muss nach
Zeichen einer Leberinfektion (Hepatitis)
im Blut gesucht und der Impfstatus
überprüft werden.
Welche Bedeutung hat die
Anti-B-Zell-Therapie?
Im Gegensatz zu den TNF-alpha-Blockern, bei denen das Hauptaugenmerk
auf der Regulation von Zytokinen liegt,
ist diese Therapie auf die B-Zellen oder
B-Lymphozyten, einer Unterklasse der
weißen Blutkörperchen, ausgerichtet.
Eine wichtige Aufgabe der B-Zellen ist
es, Antikörper zu bilden. Bei rheumatoider Arthritis werden die B-Zellen jedoch
zur „Attacke“ gegen die eigenen Gelenke gerufen. Durch die B-Zell-Therapie
werden B-Zellen, die auf ihrer Oberfläche ein spezielles Merkmal (CD20) tragen, stark vermindert. Dadurch können
die Krankheitsaktivität und die radiologisch nachweisbare Zerstörung der Gelenke verringert werden.
Die dabei zum Einsatz kommende Substanz Rituximab wurde ursprünglich für
die Therapie von bösartigen Erkrankungen des lymphatischen Systems entwickelt. Zellen, die das Merkmal CD20
nicht tragen, wie z.B. Plasmazellen, werden nicht eliminiert, wodurch ein Teil
der körpereigenen Abwehrkraft erhalten
bleibt. Es werden in der Regel zwei Infusionen im Abstand von 14 Tagen verabreicht – wenn sich keine Wirkung zeigt,
54 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
kommt es zu keinem weiteren Einsatz
von Rituximab. Zeigt sich ein positiver
Effekt der Therapie, hält dieser sechs
Monate bis zu einem Jahr an. Meist wird
Rituximab mit einem Basistherapeutikum kombiniert.
Blockade der Aktivierung der T-Zellen
– was bringt das?
Wenn ein Patient auf die Therapie mit
Basistherapeutika nicht zufriedenstellend anspricht oder diese nicht verträgt,
kann Abatacept als Biologikum zum
Einsatz kommen. Die Substanz ist für
Patienten mit moderater bis schwerer
rheumatoider Arthritis (RA) sowie mit
juveniler idiopathischer Arthritis (JIA)
zugelassen und wird meist zusammen
mit Methotrexat angewendet. Seine immunmodulierende Wirkung kommt
durch die Blockade der Aktivierung von
T-Zellen zustande. Der Wirkstoff hemmt
die Aktivierung von T-Lymphozyten (TZellen), die bei der Steuerung von Abwehrvorgängen des Immunsystems eine
Rolle spielen, und unterdrückt dadurch
die Entzündungsvorgänge.
Wann kommt ein Interleukin-6-­
Rezeptor-Inhibitor zum Einsatz?
Beim IL-6-Rezeptor-Inhibitor handelt es
sich um einen humanisierten monoklonalen Antikörper gegen den Interleukin6-Rezeptor (IL-6), der die Aktivität von
IL-6 – einem weiteren wichtigen Auslöser des Entzündungsprozesses – unterdrückt. Die Substanz Tocilizumab, die
hier zum Einsatz kommt, ist zur Behandlung von Patienten mit mäßiger bis
schwerer aktiver rheumatoider Arthritis
bzw. mit juveniler idiopathischer Arthri-
Medikamentöse Therapie
tis zugelassen, die unzureichend auf eine
Therapie mit Basistherapeutika angesprochen haben. Die Wirkweise reduziert die Entzündung der Gelenke und
lindert die systemischen Symptome. Der
Wirkungseintritt ist in der Regel sehr
rasch zu erwarten.
Welche weiteren medikamentösen
Optionen gibt es?
•E
ine weitere Therapieoption bei der
rheumatoiden Arthritis stellt der IL1-Rezeptor-Inhibitor Anakinra dar.
Dieser kommt ebenfalls bei erwachsenen Patienten, die nur unzureichend
auf Basistherapeutika ansprechen,
zum Einsatz. Die Substanz hemmt den
entzündungsfördernden Botenstoff Interleukin-1. Anakinra ist allerdings in
seiner Wirksamkeit den anderen Biologika unterlegen und kommt daher
nicht primär zur Anwendung.
•B
ei der Psoriasis-Arthritis sind der Interleukin-12/23-Blocker Ustekinumab,
der Interleukin-17-Antagonist Secukinumab sowie der PhosphodiesteraseHemmer Apremilast weitere medikamentöse
Behandlungsmöglichkeiten.
Die monoklonalen Antikörper Ustekinumab und Secukinumab setzen bei den
Entzündungsbotenstoffen
Interleukin-12, -23 und -17 an und können
­dadurch die Entzündung verringern. Apremilast hemmt das Enzym Phosphodiesterase IV, wodurch ebenfalls die Entzündungsreaktion reduziert wird. Diese
Substanz steht als Tablette zur Verfügung.
•E
in Biologikum, das bei Patienten mit
systemischem Lupus erythematodes
(siehe ab Seite 84), die trotz Standard-
therapie eine hohe Krankheitsaktivität
aufweisen, eingesetzt wird, ist der sogenannte BLyS-Inhibitor Belimumab.
Seine Wirkung beruht auf der Bindung
an das lösliche humane B-Lymphozyten-Stimulator-Protein BLyS, was zu
einer Verkürzung der Lebensdauer von
B-Lymphozyten führt.
Welche Kontrollen sind bei einer
Dauertherapie wesentlich?
Um Schäden, die subjektiv nicht merkbar sind, rechtzeitig zu erkennen, sollten
folgende Werte regelmäßig kontrolliert
werden: Blutbild, Leberwerte, Nierenwerte, CRP und Harn. Einige Präparate
oder die Kombination mehrerer Substanzen erfordern noch zusätzliche Kontrolluntersuchungen.
Zur Therapiekontrolle sind u.a. regelmäßige
Blutkontrollen erforderlich.
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 55
Medikamentöse Therapie
Biosimilars
Sind Biologika und Biosimilars
d­ asselbe?
Ein wenig schon, aber nicht ganz. Der
Name leitet sich – über das englische
Wort „similar“ – vom lateinischen Vokabel „similis“ ab, und das hat die Bedeutungen „ähnlich“ und „gleich“. Und
genau in dieser Zone zwischen gleich
und ähnlich sind die Biosimilars angesiedelt.
Hängen die möglichen Unterschiede mit
dem Herstellungsprozess zusammen?
Bei den Biologika handelt es sich um
große, hochkomplexe Eiweißmoleküle,
die eine weitgehend exakte spezifische
Form und Struktur aufweisen müssen,
um ihre Aufgaben erfüllen zu können.
In keinem chemisch-technischen Labor
würde die Synthese dieser Substanzen
gelingen. Wir sind für die Herstellung
auf die Mithilfe lebender Zellen angewiesen, denen die dafür notwendigen
Erbinformationen in die eigene DNS
(dem Speichermedium der zelleigenen
Erbinformation) eingebaut wurden (daher auch der Name „Biologika“).
Wird nun beispielsweise für ein bestimmtes Biologikum eine neue Zellkultur angelegt, dann ist das Produkt,
das diese eigenwilligen Zellen herstellt,
dem ursprünglichen nicht mehr ganz
gleich und etwas mehr als nur ähnlich
(„similis“) – im Detail wird sich die
eine oder andere Abweichung zeigen,
die aber die Funktion des Moleküls
nicht beeinträchtigt. Genau das ge56 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
schieht auch bei der Herstellung von
Biosimilars.
Ist es möglich, dass im Einzelfall
­Original und Biosimilar unterschiedlich wirken?
Biosimilars sind, wie gesagt, Nachfolgepräparate von Biologika, deren Patent
abgelaufen ist und die nun von anderen
Erzeugern auf biotechnologischem Weg
entwickelt und hergestellt werden. Da
dabei nicht nur eine Zellkultur ausgetauscht wird, sondern ein komplizierter,
mehrstufiger Prozess neu aufgestellt
werden muss, ist grundsätzlich die Möglichkeit einer gravierenden Abweichung
größer. Deshalb müssen die neu gewonnenen Wirkstoffe ein umfassendes Prüfund Kontrollverfahren einschließlich
klinischer Studien durchlaufen, ehe sie
die Zulassung für die therapeutische Anwendung erhalten.
Wenn alle diese Prüfungen erfolgreich
bestanden wurden, kann man davon
ausgehen, dass die neuen Antikörper
Medikamentöse Therapie
Tabletten mit gezielter
­Wirkung
Was sind JAK-STAT-Hemmer oder
sogenannte „Small Molecules“?
Seit kurzer Zeit stehen zur Behandlung
der rheumatoiden Arthritis neben den
Basistherapeutika und Biologika auch
noch Präparate einer dritten Gruppe zur
Verfügung: die JAK-STAT-Hemmer Baricitinib und Tofacitinib. Sie sind in ihrer gezielten Wirkung den Biologika
vergleichbar, können aber im Gegensatz
zu diesen als Tabletten (ein- bis zweimal
täglich) geschluckt werden.
den bisher eingesetzten ausreichend
ähnlich sind.
Da aber „ähnlich“ nicht „gleich“ ist,
kann es durchaus vorkommen, dass sich
im individuellen Einzelfall verschiedene
Biosimilars (Originale und Nachbau)
hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Verträglichkeit doch unterscheiden. Dank
der engmaschigen Kontrollen, die die
Einleitung und Umstellung einer Biologikabehandlung begleiten, wird dies
aber rasch entdeckt werden und stellt daher kein wesentliches Problem dar.
Biosimilars:
• s ind „Nachahmeprodukte“ der OriginalBiologika, aber nicht identisch mit diesen.
• Der Wirksamkeit und Sicherheit von
Biosimilars können Sie ebenso vertrauen
wie der von Biologika!
• Die Auswahl des für Sie passenden Arzneimittels liegt beim behandelnden Arzt.
Warum gibt es keine Biologika in
Kapselform?
Biologika hemmen gezielt entzündungsfördernde Signalstoffe – entweder direkt
oder durch Blockade ihrer Rezeptoren.
Bei diesen Botenstoffen handelt es sich
um Eiweißkörper, die ihrerseits wiede­
rum nur durch andere Eiweißmoleküle,
die Antikörper, bekämpft werden können. Genau diesen Prozess vollziehen –
in Nachahmung des natürlichen Immunsystems – die Biologika. Als Proteine
würden sie den Weg durch den Verdauungstrakt nicht überstehen und müssen
daher parenteral, also unter dessen Umgehung, über eine Vene oder die Unterhaut in den Kreislauf gelangen.
Wieso können Small Molecules
genauso wirksam sein wie große
Biologika?
Diese Botenstoffe docken dann an eine
Zelle an. Um wirksam zu werden, muss
aber noch ein Signal von dieser Stelle
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 57
Medikamentöse Therapie
­ olekülen an der Innenseite der Zelle
M
verknüpft, die als Enzyme diesen
­Signalweg initiieren können. Zu diesen
Enzymen gehören die JAK-Moleküle,
die in weiterer Folge den Stab an die
STAT-Enzyme weiterreichen. Der Trick
der sparsamen Natur dabei ist, dass mehrere unterschiedliche Zytokinrezeptoren
gleiche JAK-Enzyme verwenden können.
Wenn es gelingt, diese JAKs an ihrer Tätigkeit zu hindern, kann man auf diese
Weise die entzündungsfördernde Kaskade unterbinden, ähnlich wie mit einem
Biologikum. Der Unterschied dabei ist
vor allem, dass man zur Enzymhemmung keine Antikörper braucht, weil
dieser Effekt mit kleinen, chemisch-synthetisch herstellbaren Molekülen erzielt
wird. Und die sind leicht in Tabletten zu
verpacken und können einfach geschluckt werden.
Werden Small Molecules und
­Biologika in verschiedenen
K­ rankheitsphasen eingesetzt?
JAK-STAT-Hemmer stehen in Tablettenform
zur Verfügung.
am äußersten Rand durch die ganze Zelle bis in den Zellkern gelangen, denn nur
dort kann als Antwort die Zellaktivität
reguliert werden. Nun besitzt eine reaktionsfähige Immunzelle aber nicht nur
Rezeptoren für einen einzigen Botenstoff, sondern für sehr viele verschiedene. Einige davon sind mit anderen
58 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Soweit man es bisher beurteilen kann,
sind die JAK-Inhibitoren klinisch in ihrer Wirkung den Biologika sehr ähnlich,
d.h. in Bezug auf ihre erwünschten und
unerwünschten Wirkungen. In diesem
Sinne scheint das für Biologika Festgestellte bezüglich Effizienz, Verträglichkeit und Sicherheit auch für diese neuen
Substanzen Gültigkeit zu haben. Und
wie auch die Biologika werden sie dann
eingesetzt, wenn mit der Basistherapie
alleine die Entzündungsaktivität nicht
ausreichend beseitigt werden kann oder
die Basismedikamente nicht vertragen
werden.
NICHT-MEDIKAMENTÖSE
BEHANDLUNG BEI ENTZÜNDLICH-
RHEUMATISCHEN ERKRANKUNGEN
Blick:
Auf einenamentöse
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Nicht-me
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Allt
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dafür zur Ver
Wann ist eine Operation sinnvoll?
Operationen sind niemals ein Ersatz für
eine medikamentöse Therapie, sondern
werden dann durchgeführt, wenn alle
herkömmlichen Methoden (wie physikalische Therapie, Medikamente, Hilfsmittel etc.) ausgeschöpft sind und trotzdem anhaltende Schmerzen in einem
Gelenk bestehen. Operationen können
entweder eine vorbeugende oder eine
wiederherstellende Maßnahme darstellen.
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 59
Nicht-medikamentöse Therapie
Welche Operationsmethoden gibt es?
•S
ynovektomien: Dabei wird entzündete Gelenkschleimhaut entfernt. Mithilfe dieser chirurgischen Behandlung
kann das Fortschreiten der Gelenkzerstörung entscheidend verzögert und in
manchen Fällen sogar zum Stillstand
gebracht werden. Durch die Möglichkeiten der sogenannten Schlüssellochchirurgie mittels Arthroskopie kann
der Eingriff vor allem am Knie oder an
der Schulter ohne große Schnitte erfolgen. Bei den Hand- oder Fingergelenken ist eine Arthroskopie jedoch oft
nicht möglich, weil Bänder oder Sehnen mitbehandelt werden müssen.
Dann kann lediglich eine „offene“ Synovektomie erfolgen, die größere
Schnitte notwendig macht. Nach dem
Eingriff wächst die Gelenkinnenhaut
(Synovia) innerhalb weniger Wochen
wieder nach.
•K
orrekturoperationen bei Gelenkfehlstellungen oder Funktionseinschränkungen (präventive und rekonstruktive
Eingriffe)
elenkersatz (= Teil- oder Totalendo•G
prothesen)
•A
rthrodesen, Spondylodesen (= stabilisierende Versteifungsoperation)
Was ist eine Radiosynoviorthese?
Bei der Radiosynoviorthese wird eine
schwach radioaktiv strahlende Flüssigkeit in ein chronisch entzündetes Gelenk
injiziert. Dadurch verödet die entzündete Gelenkinnenhaut oberflächlich. Diese
Behandlungsform wird jedoch erst dann
angewendet, wenn die Basistherapie und
die Kortisongabe direkt ins Gelenk nicht
ausreichend wirksam waren.
60 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Wann ist ein Gelenkersatz notwendig?
Ist ein bestimmtes Maß an Zerstörung
erreicht, bleibt nur noch der künstliche
Gelenkersatz mit Materialien wie Metall, Keramik, Polyethylen oder Silastic.
Der Eingriff ist an fast allen Gelenken
möglich, etwa an Schulter-, Ellbogen-,
Hand-, Finger-, Hüft-, Knie-, oberem
Sprunggelenk oder an den Zehengelenken. Am häufigsten wird er beim Hüftund Kniegelenk durchgeführt.
Im Allgemeinen kann gesagt werden,
dass Kunstgelenke zu einem hohen Prozentsatz Schmerzfreiheit und annähernd
normale Beweglichkeit erwarten lassen
können. 90–95% der Implantate halten
mindestens 15 Jahre, bei sehr aktiven
jüngeren Patienten kann es etwas kürzer
sein. Bestimmte Materialpaarungen haben einen extrem niedrigen Abrieb, wie
z.B. Keramik-Keramik, wodurch auch
eine starke Belastung im Rahmen sportlicher Betätigung möglich wird.
Nicht-medikamentöse Therapie
Was versteht man unter einer
V­ ersteifungsoperation?
Eine operative Gelenkversteifung wird
beispielsweise bei einer sehr schweren
rheumatischen Erkrankung vorgenommen (oft bei kleineren Gelenken im Bereich der Fuß- und Wirbelgelenke) und
dient vor allem der Schmerzlinderung.
Die Bewegungsfähigkeit des Gelenks
wird unterbunden, die Knochenteile des
versteiften Gelenks wachsen zusammen.
Welche Operationsmöglichkeiten
gibt es?
•B
ei rheumatoider Arthritis (RA): Je
nach Stadium wird die entzündlich
veränderte Gelenkkapsel oder Sehnenscheide entfernt (Synovektomie).
Zerstörte Sehnen werden wiederher­
­
gestellt, eine Gelenkteilentfernung
(Resektionsarthroplastik) wird vorgenommen, eine Gelenkversteifung (Arthrodese) durchgeführt oder ein künstliches Gelenk eingesetzt. Künstliche
Gelenke werden häufig im Bereich von
Hüfte, Knie oder Schulter eingesetzt,
im Bereich des Ellbogens oder Sprunggelenks eher seltener. Bei kleineren
Gelenken wird oft auch eine Versteifungsoperation durchgeführt. Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis
kommt es häufig im Bereich des 2.
Halswirbelkörpers zu entzündlichen
Veränderungen, die im fortgeschrittenen Stadium zu neurologischen Ausfällen führen können. Die beginnende
Schädigung des Rückenmarks zeigt
sich
durch
Hinterkopf-NackenSchmerzen, eine Schwächung an den
Extremitäten und Unsicherheit beim
Vibrationen schaden den Gelenken.
Überblick:
Nicht-medikamentöse Behandlung
Zur Schmerzbehandlung:
Thermotherapie, Elektrotherapie,
­Ultraschall, Massagen (je nach Schmerz­
ursache unterschiedliche Auswahl an
Therapieverfahren)
Zur Entzündungshemmung:
Thermotherapie (Kälte bei akuten, Wärme
bei chronischen Entzündungen)
Zur Behandlung von
Bewegungsstörungen:
Heilgymnastik, Ergotherapie, Sporttherapie
Zur Muskelentspannung und
Verbesserung der Durchblutung:
Heilgymnastik, klassische Massage,
­Wärmetherapie, Kältetherapie
Zur Muskelkräftigung:
Heilgymnastik, Reizstromtherapie,
­Elektrotherapie
Zur Verhütung und Korrektur
von Fehlstellungen:
Heilgymnastik, Ergotherapie, Sporttherapie
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 61
Nicht-medikamentöse Therapie
Gehen. Durch eine Versteifungsoperation kann das Rückenmark geschützt
und eine weitere Schädigung verhindert werden.
•B
ei Morbus Bechterew: Im Vordergrund steht lebenslange Gymnastik
zur Kräftigung der Rückenstrecker.
Wenn der Krankheitsverlauf jedoch so
stark fortschreitet, dass die Krümmung
der Wirbelsäule stark zunimmt, sollte
rechtzeitig eine Versteifungsoperation
im Bereich der Wirbelsäule durchgeführt werden. Dabei werden Schrauben in die Wirbelkörper eingebracht
und untereinander mit Stäben verbunden, um eine Stabilisierung zu erreichen. Diese Implantate sind nur vorübergehend als Stabilisatoren gedacht,
bis eine knöcherne „Brücke“ entsteht,
die das Fortschreiten der Erkrankung
stoppt.
•B
ei Psoriasis-Arthritis: Je nach Stadium wird die entzündlich veränderte
Gelenkkapsel oder Sehnenscheide entfernt (Synovektomie), zerstörte Sehnen werden wiederhergestellt, eine
Gelenkteilentfernung (Resektionsarthroplastik) wird vorgenommen, eine
Gelenkversteifung
(Arthrodese)
durchgeführt oder ein künstliches Gelenk eingesetzt.
Welche physikalischen Maßnahmen
gibt es?
Physikalische Maßnahmen sind bei allen
Erkrankungen des Bewegungs- und
Stützapparates für den Erhalt der Gelenkbeweglichkeit wichtig. Hierzu zählen:
•B
ewegungstherapie
•W
ärme- und Kältetherapie
•M
assage (manuelle und Reflextherapie)
62 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
lektrotherapie
•E
•m
edizinische Trainingstherapie
•L
aserbestrahlung
• t ranskutane elektrische Nervenstimulation (TENS) bei akuten Schmerzen
Warum ist Bewegung so wichtig?
Mit Heilgymnastik kann eine Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit, eine
Kräftigung der Muskulatur sowie eine
Schmerzlinderung erreicht werden.
Vorsicht: Bei einem akuten Schub sollte
die Heilgymnastik pausiert werden!
Wann kommt Wärme, wann Kälte
zur Anwendung?
Durch die Wärmetherapie sollen
Schmerzen gelindert und Muskeln entspannt werden. Warme Wickel, Bäder,
Moor-, Fango- oder Schlickpackungen,
Heusäcke oder Paraffin als Wärmeträger
(oft bei Arthrose in den Finger- oder
Kniegelenken) sowie Bestrahlung mit
Infrarotlampen sind Möglichkeiten der
Wärmebehandlung.
Vorsicht: Bei akuten Entzündungen soll
Wärme nicht angewendet werden, da
diese die Symptomatik der Erkrankung
verschlimmern kann!
Die Kältetherapie wirkt entzündungshemmend, schmerzlindernd und bewegungsfördernd. Sie wird bei geschwollenen Gelenken, Schmerzen und akuten
Entzündungen angewendet. Die Techniken reichen von Eispackungen über kalte Moorpackungen, Kryopacks (Kryo =
Kälte) und Kältebäder (15 °C) bis zu
Ganzkörpertherapien in Kältekammern
mit Temperaturen bis -110 °C.
Vorsicht: Nicht angewendet werden darf
Nicht-medikamentöse Therapie
Bewegungstherapie mit einem Physio­
therapeuten wird empfohlen.
die Kältetherapie bei Fieber, Nierenund Blasenleiden, Kälteüberempfindlichkeit sowie bei Gefäßentzündungen!
Was bewirken Massagen?
Massagen entspannen verhärtete Muskeln, was sich wiederum entlastend auf
die Gelenke auswirkt. Zudem fördern
Massagen die Durchblutung und regen
den Muskeltonus an. Massagen können
auch Schwellungen reduzieren. Wichtig
ist, dass sie vom Patienten als angenehm
empfunden werden.
Was versteht man unter
E­ lektrotherapie?
Die Verfahren der Elektrotherapie beinhalten die therapeutische Anwendung
von elektrischem Strom in der Medizin.
Sie unterscheiden sich sowohl physikalisch als auch biologisch voneinander.
Die Hochfrequenztherapie ist eine reine
Wärmetherapie mit großer Tiefenwirkung. Mittels spezieller Elektroden wird
hochfrequenter Strom durch die Haut
geleitet und im Körper in Wärme umgewandelt.
Achtung: Für Patienten mit einer Prothese im zu behandelnden Gebiet oder
mit einem Herzschrittmacher ist diese
Form der Therapie nicht geeignet!
Die Niederfrequenztherapie arbeitet im
Frequenzbereich von 0–1.000 Hertz. Sie
dient der Schmerzlinderung, dem
­Muskeltraining und der Durchblutungsförderung. Dadurch können Schmerzmedikamente eingespart oder ein kreislaufschondendes
Muskeltraining
durchgeführt werden.
Wann ist eine medizinische Trainingstherapie sinnvoll?
In chronischen Krankheitsphasen kommt
es häufig zu Muskelschwund. Hier ist ein
richtig dosiertes, ärztlich überwachtes
Ausdauer- und Krafttraining indiziert.
Natürlich müssen die biomechanischen
Gelenkveränderungen berücksichtigt und
Trainingsgeräte sowie Trainingsintensität
individuell angepasst werden. Die Effekte
zeigen sich jedoch nicht nur in einer besseren körperlichen Leistungsfähigkeit
und gesteigertem Wohlbefinden, sondern
auch in einer Abnahme der Entzündungsaktivität.
Was bewirkt die Ergotherapie?
Die Ergotherapie versucht, dem erkrankten Menschen trotz einer beeinträchtigenden Erkrankung größtmögliche
Selbstständigkeit im Alltag zu ermöglichen. Gemeinsam mit dem Betroffenen
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 63
Nicht-medikamentöse Therapie
werden Hilfsmittel ausprobiert und gegebenenfalls angeschafft. Es wird genau
besprochen, wie beispielsweise der Arbeitsplatz gelenkschonend gestaltet werden kann oder welche Übungen bei
sportlicher Betätigung weniger belastend sind. Es gibt auch spezielle orthopädische Hilfsmittel, wie z.B. Gelenkschienen, die helfen, den Alltag besser
zu meistern. Ziele sind mehr Selbstständigkeit im täglichen Leben, weniger
Schmerzen und eine Schonung des betroffenen Gelenks.
Was bedeutet Gelenkschutz?
Gelenkschutz bedeutet ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ruhe und Belastung. Die Gelenke sollten achsengerade belastet, d.h. nicht verdreht werden,
wie es z.B. beim Auswinden eines Tuches der Fall ist. Gelenke sollten auch
keiner Vibration ausgesetzt werden: So
sollte man beispielsweise nicht mit einem Küchenmixer arbeiten, der starke
Vibrationen erzeugen kann. Die Belastung sollte mäßig sein und auf so viele
Gelenke wie möglich verteilt werden –
so sollten z.B. Lasten beidhändig getragen, Trinkgefäße mit beiden Händen gehalten werden etc.
Welche Hilfen gibt es für den Alltag?
Im gut sortierten Fachhandel stehen unterschiedliche Hilfsmittel zur Verfügung, z.B.:
•F
inger- und Handhalterungsschalen
•K
nopfloch- und Schwanenhalsschienen
• s pezielle Messer (der Griff ist 90 Grad
von der Klinge weggebogen) und Flaschenöffner
• e rgonomische Computertastaturen
•C
omputermaus, die die Handgelenke
nicht belastet
•H
andstöcke und Gehstützen
Hilfsmittel zum Öffnen von Dosen u. Ä. erleichtern den Alltag.
64 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Nicht-medikamentöse Therapie
REGELMÄSSIGE KONTROLLEN UND
­THERAPIEANPASSUNG
Warum ist eine frühzeitige Therapie
so wichtig?
Beim Auftreten von unklaren Gelenkschmerzen und/oder Gelenkschwellungen, verbunden mit Morgensteifigkeit,
sollte zeitnah ein Arzt aufgesucht werden.
Denn je früher Patienten mit rheumatoider Arthritis identifiziert werden und mit
einer Rheuma-Basistherapie begonnen
wird, desto besser kann die Krankheitsaktivität eingedämmt werden.
Was kann der Patient selbst
b­ eitragen?
Patienten können das Fortschreiten der
rheumatoiden Arthritis am besten verhindern bzw. verlangsamen, indem sie
die empfohlenen medikamentösen und
nicht-medikamentösen
Maßnahmen
konsequent durchführen und die vereinbarten ärztlichen Kontrollen einhalten.
Warum sind zu Beginn der Therapie
häufige Arztbesuche erforderlich?
Wer eine Basistherapie einer rheumatischen Erkrankung beginnt, muss zunächst in kürzeren Intervallen Kontrolltermine wahrnehmen. Dadurch kann der
Rheumatologe überprüfen, ob die Therapie auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist, ob die Behandlungsziele
erreicht wurden bzw. ob eventuell Therapieanpassungen notwendig sind. Eines
der Hauptziele der Therapie ist die Beschwerdefreiheit des Betroffenen (= Remission). Sollte das Erreichen einer Re-
mission nicht möglich sein, soll
zumindest ein Zustand mit geringer
Krankheitsaktivität erreicht werden.
Was versteht man unter dem Begriff
„Remission“?
Remission bezeichnet das Erreichen eines Zustandes, in dem keine Schwellungen mehr vorhanden sind bzw. nur noch
ein Gelenk geschwollen ist und auch
keine Schmerzen mehr bestehen. Dies
geht mit dem Wiedererlangen bzw. dem
Erhalt der Funktionsfähigkeit der Gelenke einher.
Welche Kontrollen sind bei einer
Dauertherapie wesentlich?
Klinische Kontrollen beim Rheumatologen sind notwendig, um die Effektivität
der eingesetzten Basistherapie zu beurteilen. Im Arzt-Patient-Gespräch werden
auch die Verträglichkeit der Medikamente und eine eventuelle Änderung
oder Ergänzung der bestehenden Therapie erörtert. Außerdem sind Überprüfungen der Blutwerte notwendig, um mögliche Nebenwirkungen der Medikamente,
die man selbst nicht immer bemerken
würde, zu erkennen. In bestimmten Abständen ­
werden auch entsprechende
Röntgenkontrollen durchgeführt. Zudem können Begleitmaßnahmen wie Ergotherapie, Hilfsmittelversorgung sowie
die berufliche Situation und eventuell
die Notwendigkeit einer Rehabilitation
besprochen werden.
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 65
VERSCHLEISSRHEUMATISMUS
66 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Frauen sind häufiger von
Arthrosen und Osteoporose
betroffen als Männer.
ARTHROSE
Blick:
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Arthrose
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Wie kommt es zu Arthrose?
Arthrosen sind chronische Gelenkerkrankungen, die aufgrund von Veränderungen
des Gelenkknorpels und des darunter liegenden Knochengewebes entstehen. Die
Ursache sind Umbauprozesse im Knorpelgewebe und im gelenknahen Knochengewebe. Dabei kommt es zu einer Störung
des Gleichgewichts im Knorpelstoffwechsel. Den Verlust von Knorpelgewebe
kann der Körper nicht mehr ausgleichen.
Die Folge: Schmerzen, Muskelverspannungen, Bewegungseinschränkungen und
vereinzelt auch Schwellungen im Bereich
der betroffenen Gelenke. Mit der Zeit
kann es zu Gelenkverformungen und damit zu einer nicht mehr rückbildungsfähigen Funktionseinschränkung kommen.
Ein Trauma (Unfall, Verletzung) kann die
Entstehung von Arthrose begünstigen.
Welche Gelenke sind betroffen?
Oftmals sind Knie- und Hüftgelenke
betroffen, da diese stark belastet werden,
müssen sie doch einen großen Teil des
Körpergewichts tragen. Die verminderte
Beweglichkeit und Belastbarkeit infolge
einer Arthrose verändern die Haltung
und den Gang.
Auch die Arthrose der kleinen Fingergelenke (Fingerarthrose), die vor allem die
Fingerendgelenke (Heberden-­Arthrose),
die Fingermittelgelenke (Bouchard-­
Arthrose) sowie die Daumen­sattelgelenke
(Rhizarthrose) betrifft, kommt sehr häufig vor.
Welche Faktoren begünstigen die
Entstehung einer Arthrose?
• Alter: Fast jeder zweite über 70-Jährige hat Abnutzungserscheinungen an
den Gelenken, die sich unterschiedlich
stark mit Schmerzen bemerkbar machen können.
• Genetik: Es gibt Familien, bei denen
die Erkrankung häufiger auftritt. Ursache dafür dürften arthrosespezifische
Gene sein.
• Starkes Übergewicht: Mehr Gewicht
belastet die Gelenke zusätzlich und
fördert somit auch die Entstehung von
Unterschied zwischen
Arthritis und Arthrose:
• Unter dem Begriff Arthritis
­werden entzündliche Gelenkleiden
z­ usammengefasst.
• Bei der Arthrose liegt eine primär nicht
entzündliche Abnutzungserkrankung vor.
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 67
Arthrose
Veränderungen des Gelenkknorpels können zu Arthrose führen.
Abnutzungserscheinungen. Vor allem
die Kniegelenke und in geringerem
Ausmaß auch die Hüftgelenke sind bei
übergewichtigen Menschen häufig von
Arthrose betroffen.
• Fehlstellungen: Gelenke, die von Geburt an fehlgestellt sind (X-Beine, OBeine), bzw. Personen, die Verletzungen (wie Meniskusschäden) erlitten
haben, neigen besonders zur Entwicklung einer Arthrose.
Wichtiger Hinweis: Durch ein Ultraschall-Screening von Neugeborenen
kann eine Fehlstellung der Hüfte festgestellt und so bereits früh behandelt
werden, z.B. durch breites Wickeln
oder eine sogenannte Spreizhose.
68 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
• Stoffwechselstörungen wie Eisenspeicherkrankheit
• Überbelastung: Jahrelange schwere körperliche Arbeit – etwa lange Tätigkeiten
im Stehen mit zusätzlichem ­
Anheben
von schweren Gewichten (schaufeln,
­hacken etc.) oder Tätigkeiten mit hoher
Belastung bestimmter Gelenke bzw.
­Gelenkregionen (z.B. Kniescheiben bei
Fliesenlegern) – kann Arthrose fördern.
• Extremsport: Fußballer beispielsweise
leiden besonders häufig an einer Arthrose der Knie-, Hüft- oder auch der
Knöchelgelenke, Radsportler an Veränderungen der Kniescheiben bzw. der
Kniegelenke, Balletttänzer an Arthrose
in den Sprunggelenken.
Arthrose
Wie sieht der typische Verlauf aus?
Der Verlauf ist unterschiedlich. Vom Erscheinungsbild her unterscheidet man das
klinisch stumme Stadium (Arthrose im
Röntgenbild ohne Beschwerden), das
chronische Stadium (leichte bis starke
Schmerzen bei verschiedenen Belastungsniveaus) und das Stadium der akuten (bzw. aktivierten) Arthrose mit Gelenkschwellung, Überwärmung, Ergüssen
und Schmerzen.
Welche Beschwerden treten auf?
Typisch ist der Startschmerz zu Beginn
einer Bewegung, der dann nach wenigen
Schritten nachlässt. Es kann aber auch
zu einem Belastungsschmerz kommen,
der sich etwa bei längeren Gehstrecken
oder beim Hinuntersteigen von Treppen
äußert. Im Ruhezustand oder im Schlaf
tritt der Schmerz selten auf. Mit der Zeit
kann es zu Gelenkverformungen kom-
Regelmäßige
Bewe­gung hilft,
Arthrose
vorzubeugen.
men. Die betroffenen Gelenke sind hart
und knöchern, oft knotig verändert, aufgetrieben und „knirschen, reiben oder
knacken“ bei bestimmten Bewegungen.
Wie erfolgt die Diagnose?
Eine erste Verdachtsdiagnose wird mittels
Untersuchung von Bewegungseinschränkungen sowie der Funktion, der Bandstabilität und der Gelenkkontur getroffen.
Dazu kommen die Abklärung von eventuellen Fehlstellungen (z.B. der Beine)
­sowie Schmerztests. Wichtig für die Diagnose ist beispielsweise, wann und bei welchen Tätigkeiten der Schmerz auftritt.
Welche bildgebenden Verfahren
w
­ erden eingesetzt?
• Röntgenuntersuchung: macht u.a.
Veränderungen wie Gelenkspaltverschmälerungen, Defekte, Zerstörung
von Gelenkknorpel und Knochen sowie Zystenbildung sichtbar
• Gelenkpunktion: kommt bei Auftreten einer Gelenkschwellung zum
Einsatz. Mittels Punktion wird Ge­
lenkflüssigkeit entnommen und im
Labor untersucht. Die Gelenkpunktion nimmt zum einen die schmerzhafte Spannung vom Gelenk, zum anderen ermöglicht die Laboruntersuchung,
verschiedene
Gelenkerkrankungen
voneinander abzugrenzen (bakterielle
Infektionen, Kristallablagerungserkrankung u.a.).
• Ultraschalluntersuchung: eignet sich
zur Beurteilung von Sehnen, Muskeln,
Schleimbeutelentzündungen und Gelenkergüssen
• Magnetresonanztomografie (MRT)
oder Magnetic Resonance Imaging
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 69
AD-Ima
Arthrose
(MRI): kommt zur Beurteilung des
Knorpels zum Einsatz
Welche Laboruntersuchungen
sind sinnvoll?
Laborbefunde, die Arthrose nachweisen,
gibt es noch nicht. Es können aber Erkrankungen, die Arthrose verursachen
oder sich ähnlich wie Arthrose präsentieren können, laborchemisch ausgeschlossen werden.
Dazu gehören folgende Laborwerte:
• Rheumafaktor: meist normal
• Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG):
normal oder nur leicht erhöht
•A
CPA (anti-citrullinierte Peptid-Antikörper): meist negativ (z.B. AntiCCP- oder Anti-MCV-Antikörper;
werden zur Diagnose einer rheumatoiden Arthritis verwendet)
Welche Behandlungsmöglichkeiten
gibt es?
Bei der Arthrosetherapie geht es darum,
die Beschwerden zu lindern und ein
Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. Trotz des Gelenkverschleißes sollen mithilfe der Therapie die Belastbarkeit und die Beweglichkeit des
Gelenks noch für möglichst lange Zeit
erhalten bleiben. Sind die Zerstörungen
zu groß und die Schmerzen unerträglich,
bleibt nur noch der Ersatz des Gelenks.
Wichtige Maßnahmen sind:
• a usreichende Bewegung ohne Überlastung
•S
chutz vor Gelenkverletzungen
•V
erhinderung bzw. Abbau von Übergewicht
70 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
edikamentöse Therapie
•m
Z
Welche nicht-medikamentösen
­Maßnahmen gibt es?
Physikalische Maßnahmen: Elektrotherapie, Ultraschall, Wärme und Kälte
­sowie Massagen sollten bei Arthrose regelmäßig zur Anwendung kommen. Auch
die Lasertherapie (Photoradiation; LowLevel Laser Therapy – LLLT) wird als
nicht-invasive Methode zur Reduktion des
akuten Entzündungsschmerzes erfolgreich eingesetzt und bietet eine nebenwirkungsfreie Alternative bzw. Ergänzung
zur medikamentösen Behandlung.
Die Heil- bzw. Krankengymnastik und
die Ergotherapie verbessern die Funktion der erkrankten Gelenke. Zusätzlich
kommen Hilfsmittel wie Gummibänder,
Bälle, Schienen und Bandagen zum Einsatz.
Die medizinische Trainingstherapie
verbessert die Ausdauer und die Muskelkraft durch systematisches Training an
speziellen Geräten.
Spezielle Hilfsmittel im Alltag unterstützen die Gelenke und verzögern das Fortschreiten der Erkrankung. Eventuell
können Schienen, festes Schuhwerk
oder das Verwenden eines Stockes die
Gelenke entlasten.
Besonders hilfreich und wirksam ist
auch die Behandlung im Wasser (Aqua­
training).
.
Wie verläuft die medikamentöse
Behandlung?
Ein wesentliches Ziel der medikamentösen Therapie ist die Schmerzlinderung.
Allerdings können Schmerzmittel die
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Arthrose
der Erkrankung zugrunde liegende
Schädigung des Knorpels nicht beeinflussen. Aber erst durch weitgehende
Schmerzfreiheit ist es möglich, eine Bewegungstherapie durchzuführen – und
Bewegung wiederum ist notwendig ...
Wie erfolgt die Schmerzlinderung?
• „ Rheumasalben“: Sie sind zur lokalen Anwendung als entzündungshem-
Entzündungshemmende Salben können
Gelenkschmerzen lindern.
72 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
mende Salben bzw. Gels erhältlich.
Salbenverbände haben den Vorteil,
dass der Wirkstoff nicht so schnell in
die Haut einzieht, sondern ein ausreichend großer Anteil als „Nachschub“
auf der Haut verbleibt.
•N
icht-steroidale
Antirheumatika
(NSAR): Diese Antirheumatika blockieren Gewebshormone (Prostaglandine), die den Schmerz weiterleiten.
Neben der schmerzlindernden besteht
auch eine entzündungshemmende
Wirkung, die u.a. Schwellungen lindert. NSAR sollten nur nach Absprache mit dem Arzt eingenommen werden.
• Systemische Analgetika (z.B. Paracetamol) – auch sie dürfen über längere
Zeit nur auf Anraten eines Arztes angewandt werden.
• Kortison: Ist die Gelenkinnenhaut eines einzelnen Gelenks krankhaft stark
verändert bzw. entwickelt sich ein entzündlicher Verlauf, so kann Kortison
gezielt ins Gelenk gespritzt werden. Es
wirkt stark entzündungshemmend.
• Injektion von Hyaluronsäure direkt
ins (Knie-)Gelenk: Man erhofft sich
davon eine schmerzlindernde und
knorpelschonende Wirkung. Denn ein
krankes Gelenk kann keine Hyaluronsäure mehr produzieren, die den Abrieb von Knorpelsubstanz reduziert.
Ihre Wirksamkeit wird kontroversiell
gesehen.
• Knorpelschutzsubstanzen oder Aufbaupräparate: Hierzu zählen Substanzen wie Glucosamin(-sulfat) oder
Chondroitinsulfat, die den Knorpelabbau bremsen sollen. Ihre Wirksamkeit
wird ebenfalls kontroversiell gesehen.
Arthrose
• Die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) kann die Intensität akuter Schmerzen reduzieren.
TENS erscheint vorteilhaft gegenüber
vielen Alternativen, weil es vom Patienten selbst angewendet werden kann.
Als einzige Nebenwirkungen wurden
Jucken oder Hautrötungen unter den
Elektroden beschrieben.
Wann wird eine Arthroskopie
d­ urchgeführt?
Diese Maßnahme kommt vor allem bei der
Untersuchung und Behandlung von Knie-,
Sprung- und Schultergelenk zum Einsatz.
Bei dieser speziellen endoskopischen Untersuchung von Gelenken führt man ein
Arthroskop – ähnlich einer kleinen Kamera – durch einen kleinen Hautschnitt in den
betroffenen Gelenkraum ein. Auf diese
Weise kann der Arzt die Gelenkstrukturen
direkt betrachten. Meistens werden Arthoskopien eingesetzt, um zeitgleich mit der
Diagnostik auch Operationen zur Gelenksanierung durchzuführen.
Gegenüber den offenen chirurgischen Verfahren besitzt die minimal-invasive Chirurgie den Vorteil der geringeren Belastung
für den Organismus, geringerer Schmerzen nach der Operation, kürzerer Heilungszeiten und dadurch einer schnelleren
Wiedereingliederung in die Alltagsaktivitäten. Die Durchführung einer Arthroskopie sollte nur bei eindeutiger Indikationsstellung erfolgen.
Wann wird ein Gelenkersatz e­ rwogen?
Bei starken Beschwerden und Behinderungen kann ein künstliches Gelenk
­Erleichterung verschaffen und die Beweglichkeit wiederherstellen. Bei allen
großen und mittleren Gelenken (wie
Hüfte, Knie, Schulter) ist der Gelenkersatz die erfolgreichste Therapieform,
wenn trotz medikamentöser Behandlung
weiterhin ständig Schmerzen vorhanden
sind und die Funktionalität des Gelenks
stark eingeschränkt ist.
Nach einem operativen Eingriff sind
Bewegungstherapie und physikalische
­
Therapiemaßnahmen wichtige Voraussetzungen für die bestmögliche Funktion des künstlichen Gelenks.
Was ist nach der Operation zu
b­ eachten?
Im Allgemeinen beginnt die Mobilisation bereits am Tag nach der Operation.
Dazu gehören Bewegungsübungen und
leichte Gymnastik unter therapeutischer
Anleitung. Diese Übungen sind sehr
wichtig und senken unter anderem das
Risiko einer Thrombose. Später folgt intensive Krankengymnastik, um den
Muskelaufbau zu fördern und die Beweglichkeit der betroffenen Gelenke zu
verbessern. Ein spezielles Bewegungsprogramm sollte danach auch zu Hause
täglich durchgeführt werden.
Das allfällige Ausmaß der sportlichen
Betätigung sollte vorab mit der operierenden Stelle geklärt werden.
Bei Hüfte, Knie
oder ­Schulter
kann ein Gelenk­
ersatz erwogen
werden, wenn die
medikamentöse
Therapie nicht
ausreicht.
Osteoporose
OSTEOPOROSE
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Welche Rolle spielt die Knochenmasse
für unseren Körper?
Unser Knochenskelett hat zahlreiche
wichtige Aufgaben. So reguliert es unseren Kalziumhaushalt und trägt uns
durchs Leben. Knochen sind lebende
„Materie“, sie sind stark durchblutet und
ständig wird Knochenmasse auf- und
wieder abgebaut. Dazu verfügt der Körper über eigene Zellen: Die Knochenabbauzellen (Osteoklasten) „rüsten“ den
Knochen ab, die Knochenaufbauzellen
(Osteoblasten) füllen die Vertiefungen
im Knochengewebe wieder auf. Beide
Prozesse befinden sich normalerweise
im Gleichgewicht, welches maßgeblich
durch „ruhende“ Knochenzellen, die
­Osteozyten, reguliert wird.
74 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Warum nimmt die Knochendichte mit
zunehmendem Alter ab?
Ein messbarer physiologischer Verlust
der Knochendichte setzt etwa ab dem
30. Lebensjahr ein. Der Verlust beträgt
rund 0,5–1,0% pro Jahr und kann beim
weiblichen Geschlecht mit Eintritt in die
Wechseljahre zumindest vorübergehend
deutlich ansteigen.
Tipp: Viel Bewegung und eine ausgewogene Ernährung (Kalzium, Vitamin D)
tragen dazu bei, diesen Prozess langsamer ablaufen zu lassen!
Welche Folgen hat Osteoporose?
Bei der Osteoporose handelt es sich um
eine Skeletterkrankung, die durch niedrige Knochenmasse und verringerte
Knochenqualität gekennzeichnet ist. Es
wird deutlich mehr Knochenmasse abals aufgebaut, dadurch wird der Knochen buchstäblich zerbrechlicher. Das
Risiko für Knochenbrüche nimmt erheblich zu. Vor allem im höheren Lebensalter steigt diese Gefahr stark an. Für die
Osteoporose typisch sind Brüche der
Wirbelkörper, der Hüfte (v.a. der Schenkelhalsregion) sowie des Ober- oder Unterarms. Osteoporotische Knochenbrüche treten typischerweise durch
minimale Krafteinwirkung auf.
Kann es zu Verformungen der
W
­ irbelsäule kommen?
Ja. Bei Patienten mit osteoporotischen
Wirbelkörperbrüchen kann es neben einer erheblichen Abnahme der Körpergröße zu Verformungen der Wirbelsäule
kommen, die zum sogenannten „Witwenbuckel“ führen.
Bei Osteoporose wird deutlich mehr ­Knochenmasse ab- als aufgebaut. Dadurch wird der
Knochen zerbrechlicher.
Warum sind Frauen häufiger
b­ etroffen?
Die Knochenmasse der Frau ist genetisch bedingt geringer als jene des Mannes. Hinzu kommt, dass mit Eintreten
der Menopause immer weniger Östrogen produziert wird. Dieses Hormon hat
einen knochenschützenden Effekt.
Nimmt also das Östrogen ab, wird auch
mehr Knochensubstanz ab- als aufgebaut.
Aber nicht nur Frauen in den Wechseljahren sind häufiger von Osteoporose
betroffen: Untergewichtige Mädchen
und Frauen haben ebenfalls ein erhöhtes
Osteoporoserisiko, weil zumeist auch
eine Störung des weiblichen Hormonhaushalts vorliegt.
Welche Risikofaktoren begünstigen
Osteoporose?
• Geschlecht: Frauen erkranken h­ äufiger.
• Genetik
• Fortgeschrittenes Lebensalter: Mit
­jeder Dekade (70 Jahre, 80 Jahre etc.)
steigt das Risiko für neue Knochen­
brüche.
•K
nochenbrüche:
Vorangegangene
Knochenbrüche erhöhen das Risiko für
weitere Knochenbrüche.
• Erhebliche Bewegungseinschränkung
(etwa durch Bettlägerigkeit)
• Vorerkrankungen: z.B. Schilddrüsenüberfunktion, rheumatoide Arthritis,
Diabetes Typ 1, aber auch Typ 2,
Nieren- bzw. Leberleiden, COPD,
­
Hormonstörungen, Darmleiden wie
­
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 75
Osteoporose
Empfohlene
Vorsorgeuntersuchungen
Knochendichtemessung:
• zum ersten Mal – je nachdem, welche
Risikofaktoren vorliegen (mit Arzt abstimmen!) – zwischen dem 50. und 65.
Lebensjahr durchführen lassen
• bei Frauen ohne Risikofaktoren für Frakturen das erste Mal mit 65 Jahren
• bei Frauen mit Risikofaktoren schon
früher
• bei Männern ohne Risikofaktoren erste
Messung mit dem 70. Lebensjahr
• bei Männern mit Risikofaktoren unab­
hängig vom Alter
Röntgen-, CT- oder MRT-­
Untersuchungen: stellen bei starken
Veränderungen der Wirbelsäule wichtige
Diagnosemöglichkeiten dar
chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder Zöliakie
• Mangel des Hormons Testosteron
beim Mann
• Verkürzte Bildung des Hormons Östrogen bei der Frau: z.B. durch späte
erste Regelblutung (nach dem 16.
Lebensjahr), frühe Menopause (vor
­
dem 45. Lebensjahr) oder häufige
­Zyklusstörungen
• Ungesunder Lebenswandel: Bewegungsmangel, langjähriges Rauchen,
zu viel Alkohol, Mangelernährung mit
zu wenig Kalzium, zu wenig Vitamin
D und Eiweiß, z.B. bei Magersucht
• Untergewicht bzw. sehr schlanke Statur (Body-Mass-Index < 18)
76 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
• Medikamente: Manche Medikamente
können den Knochenstoffwechsel negativ beeinflussen. So reduziert z.B.
Kortison die Kalziumaufnahme aus
dem Darm und unterdrückt die Knochenneubildung, wenn es länger als
drei Monate eingenommen wird. Ähnliches gilt für Glitazone (für Diabetiker) und eine Reihe anderer Medikamente.
Was sind die ersten Anzeichen?
Solange noch keine Beschädigungen an
den Wirbelknochen aufgetreten sind,
verläuft die Erkrankung asymptomatisch. Dann aber macht sich Osteoporose
u.a. durch chronische Rückenschmerzen, Verlust an Körpergröße, zunehmende Rundrückenbildung, vermehrte Faltenbildung am Rücken sowie Brüche vor
allem im Bereich der Unterarme, Rippen
und Hüften (keine Sport- oder Verkehrsunfälle) bemerkbar. Diese Beschwerden
treten zumeist nach dem 70. Lebensjahr
auf.
Wie wird Osteoporose behandelt?
Die Basis jeder Osteoporosebehandlung
ist die ausreichende Zufuhr von Kalzium
(1.000–1.500 mg täglich) und Vitamin D
(mindestens 800 Einheiten täglich).
Was ist bei der Ernährung zu
b­ eachten?
Wichtige Kalziumlieferanten sind vor
allem Milch und Milchprodukte, aber
auch Spinat, Brokkoli, Haselnüsse sowie
kalziumreiches Mineralwasser.
Negativen Einfluss auf den Kalziumspiegel können Alkohol in großen Mengen
sowie übermäßiger Rauchgenuss haben.
Osteoporose
Das „Knochenvitamin“ D wird in bedeutendem Maße nur durch Sonnenlicht in
der Haut gebildet. Daher sollte man mindestens 30 Minuten täglich im Freien verbringen. Ein geringerer Anteil kann auch
mit der Nahrung aufgenommen werden.
Reichlich Vitamin D enthalten beispielsweise fetter Fisch sowie Eigelb.
Wichtiger Hinweis: In der Kindheit und
Jugend werden die Knochen aufgebaut –
der Bedarf an Kalzium und Vitamin D ist
daher in diesem Alter besonders hoch!
Warum ist Bewegung wichtig?
Die zweite wichtige Säule der Behandlung stellt regelmäßige Bewegung dar.
Risikopatienten sollten mit Unterstützung eines Therapeuten spezielle Übungen zur Muskel- und Knochenstärkung
durchführen.
Welche Medikamente helfen bei
Osteoporose?
Als drittes Standbein der Behandlung
können medikamentöse ­Wirkstoffklassen
zum Einsatz kommen, um das Risiko für
einen Knochenbruch zu senken, den Verlust an Knochenmasse zu minimieren
bzw. den Knochenaufbau und somit die
Knochenstabilität wieder zu fördern. Diese Medikamente sollten in jedem Fall entsprechend der ärztlichen Vorgabe eingenommen werden, da sonst die Gefahr für
Knochenbrüche wieder zunimmt.
1. Knochenabbauhemmende Substanzen
Dies sind Stoffe, die in erster Linie den
Knochenabbau hemmen. Sie reduzieren
bei kontinuierlicher Einnahme die Häufigkeit von Frakturen. Zu dieser Substanzklasse gehören:
• Bisphosphonate: bremsen die Aktivität jener Zellen (Osteoklasten), die am
Knochenabbau beteiligt sind. Sie können als Tablette einmal täglich, einmal
wöchentlich oder einmal monatlich
eingenommen werden; weiters stehen
sie als Dreimonatsspritze oder Kurzinfusion – einmal im Jahr verabreicht –
zur Verfügung. Bisphosphonate führen
zu einer Verbesserung der Knochenstabilität durch eine verstärkte Mineralisation des Knochengewebes.
• Denosumab: zählt zu den sogenannten
Biologika und führt, ähnlich wie die
Bisphosphonate, zu einer erhöhten
Knochenstabilität durch eine Zunahme
der Mineralisation. Die Verabreichung
erfolgt in halbjährlichen Abständen als
Injektion in die Unterhaut.
• Selektive Ö(E)strogen-Rezeptor-Modulatoren (SERM): wirken ebenfalls
durch Hemmung der Osteoklasten. Allerdings gibt es keinen Nachweis dafür, dass sie das Knochenbruchrisiko
am Schenkelhals vermindern.
2. Knochenaufbaufördernde Substanz
Diese Substanz kommt bei Hochrisikopatienten, die besonders frakturgefährdet
sind, zum Einsatz, wenn eine Behandlung
mit Bisphosphonaten nicht ausreicht.
• Parathormon (PTH)-Analogon 1–34
(Teriparatid): stimuliert die Knochen
aufbauenden Zellen und führt somit
zu einer „echten“ Knochenneubildung.
Die Verabreichung erfolgt einmal täglich, bevorzugt in die Bauchhaut. Die
Behandlungsdauer ist auf zwei Jahre
begrenzt. Danach wird der erzielte
Knochenaufbau mit knochenabbauhemmenden Medikamenten gefestigt.
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 77
WEICHTEIL­
RHEUMATISMUS
Hierzu gehören die Fibromyalgie sowie
die Polymyalgia rheumatica (PMR).
78 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
schmerzempfindliche
Punkte
FIBROMYALGIE
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Welche Symptome gibt es?
Bei Fibromyalgie weisen die Patienten
sowohl körperliche als auch psychische
Symptome auf; sie fühlen sich krank, abgeschlagen und müde. Typische Kennzeichen sind sogenannte Ganzkörperschmerzen, die über mindestens drei
Monate anhalten: Der Patient klagt über
großflächige (Muskel-)Schmerzen von
Kopf bis Fuß, vor allem an der Wirbelsäule, an Armen und Beinen, aber auch
Schlaflosigkeit, Angststörungen, Erschöpfung, chronische Müdigkeit und
Depression können auftreten. Diese Beschwerden sind unterschiedlich stark
ausgeprägt und treten oftmals schon
nach minimalen körperlichen Belastungen auf.
Häufig werden die Schmerzen durch
Stress, Kälte oder körperliche Belastung
verstärkt, es kann zu einem subjektiv
wahrgenommenen Anschwellen der Ex­
tremitäten und zu brennenden Hautschmerzen kommen. Weiters werden reduzierte Leistungsfähigkeit, trockene
Augen oder Mund, Reizdarmsyndrom,
Kopfschmerzen, Beklemmungsgefühl,
Kälteempfindlichkeit, Migräne oder
Herzbeschwerden angegeben.
Welche Folgen hat die Erkrankung?
Fibromyalgie ist nicht nur mit einem
enormen Leidensdruck für die Patienten
verbunden, sondern kann in vielen Fällen auch zu sozialen Beeinträchtigungen
führen, wie z.B. zum Verlust des Arbeitsplatzes, zu Problemen in der Partnerschaft und sozialem Rückzug.
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 79
Fibromyalgie
Wer ist betroffen?
In Österreich dürften 80.000 Personen
an dieser Erkrankung leiden. Frauen
sind von Fibromyalgie neunmal häufiger
betroffen als Männer. Zumeist beginnt
die Krankheit eher schleichend im Alter
von etwa 35 Jahren und erreicht im Klimakterium ihren Höhepunkt. Selten sind
auch Kinder betroffen.
Eine „sekundäre Fibromyalgie“ kann
auch als Folge einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung wie rheumatoider Arthritis (Seite 21) oder bei systemischem Lupus erythematodes (Seite 84)
auftreten.
Mit welchen Methoden wird die
Erkrankung diagnostiziert?
Zunächst müssen andere Krankheitsbilder
ausgeschlossen werden, denn hinter den
Symptomen können sich auch andere Erkrankungen verbergen. Daher wird eine
rheumatologische Untersuchung des gesamten Bewegungsapparates durchgeführt, es werden Labor- und Röntgenbefunde erstellt, auch um entzündliche
Rheumaformen oder Schilddrüsenstörungen auszuschließen. Sind diese Befunde
unauffällig, kommt das FibromyalgieSyndrom als Diagnose infrage.
Wichtige Diagnosehilfen können druckempfindliche Punkte am Körper sein.
Der Arzt drückt mit dem Daumen auf
bestimmte Stellen, die über den ganzen
Körper verteilt sind. Diese sogenannten
„Tender Points“ im Nacken, oberhalb
der Schulterblätter, bei den Schlüsselbeinen, in der Kreuzbeingegend, an den
äußeren Oberschenkeln (unterhalb des
Beckenknochens) und an weiteren Stellen sind allerdings nicht beweisend.
80 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Wie wird die Fibromyalgie behandelt?
Die Fibromyalgie ist nicht heilbar. Wichtigstes Behandlungsziel ist, den Patienten
zu einem aktiven Lebensstil zu motivieren
und dadurch seine sozialen und beruflichen Funktionen zu erhalten. Jede Therapie muss individuell an die jeweilige
Krankheitsaktivität angepasst werden.
Grundsätzlich bedarf die Behandlung großer persönlicher Zuwendung und ist meist
sehr zeitintensiv. Als therapeutische Maßnahmen stehen – nach gestellter Diagnose
– Psychotherapie, Entspannungstraining
sowie eine individuell angepasste, abgestufte Trainingstherapie, die den Patienten
nicht überfordert, an erster Stelle.
Welche Behandlungsmöglichkeiten
gibt es noch?
Da Schmerzmittel nur beschränkt einsetzbar sind, setzen Experten bei der Fibromyalgie unter anderem auf folgende
(„multimodalen“) Methoden:
•P
hysikalische Therapie, Verhaltensund Bewegungstherapie sowie aktive
Techniken zur Schmerzkontrolle
Fibromyalgie
Problemsituationen zu arbeiten. Oftmals
ist es wichtig, die Familienmitglieder in
die Therapie einzubeziehen. Auch Selbsthilfegruppen können hilfreich sein.
Tipp: Zusätzlich wirken sich bei Stress
Entspannungsübungen wie progressive
Muskelentspannung, autogenes Training
und andere Entspannungstechniken positiv aus.
Bewegung, wie z.B. Unterwassergymnastik, ist
für Betroffene sehr wichtig.
•W
ärmebehandlungen mit lokalen Packungen, Ultraschall oder Heilbäder
wirken
muskelentspannend
und
schmerzlindernd.
•L
ymphdrainagen und Akupunktmassagen vermindern lokale Stauungen und
reduzieren Schmerzen.
•B
ehandlungen in Infrarotwärmekabinen, aber auch in der Kältekammer
können zu sehr guten Ergebnissen führen.
•S
pezielle Formen der Elektrotherapie
können Schmerzen lindern.
Warum ist eine psychische Betreuung
notwendig?
Die psychotherapeutische Therapie zielt
auf eine Veränderung von Einstellungen
und Verhaltensmustern ab. Patienten mit
Fibromyalgie neigen dazu, vieles als Katastrophe zu sehen und sich dadurch
selbst sehr unter Stress zu setzen. Da
Stress bei der Entstehung der Krankheit
eine Schlüsselrolle spielen kann, wird
den Betroffenen empfohlen, mit einem
Therapeuten an der Bewältigung von
Wie wichtig ist Bewegung?
Bewegung ist ein wichtiger Teil des Rehabilitationsprogramms, allerdings unter Aufsicht und in Maßen, damit es zu
keinem Rückfall kommt.
•H
erz-Kreislauf-Training (Ergometer,
Nordic Walking, Crosstrainer) wirkt
leistungsfördernd.
•Z
usätzlich ist Heilgymnastik zur Muskelstärkung und Haltungsverbesserung notwendig. Einzelheilgymnastik
und Kleingruppen haben sich sehr bewährt.
•U
nterwassergymnastik ist für ihre
ausgezeichnete Wirkung auf Schmerz
und Psyche bekannt.
Tipp: Die Kombination von Heilgymnastik und Unterwassergymnastik ist äußerst sinnvoll, wobei jedes Training immer ganz behutsam begonnen werden
sollte.
•A
uch Körperselbstwahrnehmungsprogramme haben sehr gute Erfolge
erzielt. Die Patienten lernen dabei, mit
ihrem Körper und ihrer Energie besser
umzugehen. Generell ist auf ein
Gleichgewicht zwischen Aktivität und
Erholungsphasen zu achten.
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 81
POLYMYALGIA RHEUMATICA (PMR)
Blick:
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Wer ist von PMR betroffen?
Die Polymyalgia rheumatica (PMR;
griech./lat.: „rheumatischer Vielmuskelschmerz“) ist eine relativ häufige entzündliche Erkrankung, die meist nach
dem 50. Lebensjahr auftritt. Frauen sind
deutlich häufiger betroffen als Männer.
Jährlich erkranken in Österreich zwischen 2.000 und 4.000 Personen.
Typische Symptome: starke Schmerzen
in der Schultermuskulatur auf beiden
Seiten, Beschwerden im Beckengürtelund Oberschenkelbereich, verringerte
Handkraft.
Verantwortlich für die Beschwerden ist
eine Entzündung der Schleimbeutel vor
allem im Bereich von Schulter- und
Hüftgelenken, die im Ultraschall sichtbar wird. Je nach Entzündungsaktivität
kommt es zu Gewichtsabnahme, erhöh82 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
ter Körpertemperatur und allgemeinem
Krankheitsgefühl.
Was ist eine Riesenzellarteriitis (GCA)?
In rund 10% der Fälle besteht gleichzeitig
mit der PMR auch eine Riesenzellarteriitis, vor allem der Temporalarterie im Bereich der Schläfe (Morbus Horton). Es
sind die großen Arterien des Blutkreislaufs
betroffen, meist im Versorgungsbereich
der äußeren Halsschlagader (Arteria carotis externa) oberhalb der Aorta.
Die Riesenzellarteriitis gehört zur Gruppe
der Gefäßentzündungen. Betroffen sind
großteils Frauen über 50 Jahren, der Häufigkeitsgipfel liegt um das 70. Lebensjahr.
Was passiert bei der Riesen­
zellarteriitis?
Die anhaltende Entzündungsaktivität hat
eine Verengung der betroffenen Gefäße
Polymyalgia rheumatica
zur Folge bis hin zum Verschluss,
wodurch schwere Schäden entstehen
­
können. Ohne Behandlung kann auch
eine Schädigung des Auges drohen, im
schlimmsten Fall die Erblindung.
Es stehen jedoch Therapien zur Verfügung, durch die bei fast allen Patienten
Beschwerdefreiheit erreicht werden kann.
Hier gilt besonders: Je früher die Krankheit erkannt und mit der Behandlung begonnen wird, desto geringer ist die Gefahr, dass dauerhafte Schäden entstehen.
Welche Beschwerden verursacht die
Riesenzellarteriitis?
Patienten mit Riesenzellarteriitis leiden
unter einem allgemeinen Krankheitsgefühl („grippig“), eventuell verbunden
mit Fieber, Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Appetitlosigkeit und allgemeiner Schwäche. Die weiteren Beschwerden sind unterschiedlich – je nachdem,
welcher Gefäßbereich betroffen ist. Die
Arteriitis temporalis Horton beispielsweise verursacht pochende, einseitige
Kopfschmerzen im Bereich der Schläfen. Bei manchen Patienten kommt es zu
Sehstörungen (Doppelbilder) oder einer
Sehminderung.
Wie diagnostiziert der Arzt eine PMR?
Legen die Symptome den Verdacht nahe,
dass es sich um eine PMR handelt, müssen bei der Diagnosestellung zunächst
andere Erkrankungen ausgeschlossen
werden. So sind z.B. bei den Laborbefunden die Blutsenkung und andere Entzündungsparameter zumeist stark bis sehr
stark erhöht. Typisch für die PMR ist
auch das Fehlen von Laborwerten, die
eine Schädigung der Muskulatur anzei-
gen (z.B. keine Erhöhung der sogenannten Kreatinkinase).
Wie wird die PMR behandelt?
Die PMR kann mit Glukokortikoiden
(Kortison) ausgezeichnet behandelt werden. Charakteristisch für die PMR ist das
beinahe unmittelbare Ansprechen des Patienten auf die Behandlung. Die Wirkung
der Therapie wird über die Kontrolle der
Symptome überprüft. Dementsprechend
erfolgt auch eine langsame Reduktion der
Medikamentendosis bis hin zu einer minimalen Erhaltungsdosis. Grundsätzlich
kann von einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von etwa einem Jahr ausgegangen werden, doch kann die Therapie im Einzelfall auch bis zu mehreren
Jahren oder aber bei gutem Therapieansprechen auch deutlich kürzer als ein Jahr
dauern.
Liegt neben der PMR auch eine Riesenzellarteriitis vor, sind höhere Medikamentendosierungen erforderlich, um die
Entzündungen zu verringern und Dauerschädigungen zu verhindern. Fixer Bestandteil des Behandlungskonzeptes ist
auch die Begleittherapie mit Kalzium und
Vitamin D bzw. bei Vorliegen eines hohen osteoporotischen Frakturrisikos eine
spezifische Therapie (Bisphosphonate,
Denosumab bzw. Teriparatid).
Wie wirken Glukokortikoide?
Bei rheumatischen Erkrankungen kommen Glukokortikoide (natürliche Hormone, die in der Nebennierenrinde des Menschen produziert werden) zum Einsatz.
Sie unterdrücken die Entzündungen
wirksam und schnell. Dadurch lässt auch
der Schmerz rasch nach.
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 83
SLE
Systemischer Lupus erythematodes ist eine
Autoimmunerkrankung (Kollagenose), die
unter anderem zu Entzündungen der inneren Organe und der Gelenke führen kann.
84 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
SYSTEMISCHER LUPUS
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Was versteht man unter dem Begriff
„Systemischer Lupus erythematodes“?
„Systemisch“ im Krankheitsnamen steht
dafür, dass innere Organe von der Erkrankung betroffen sein können. Der
systemische Lupus erythematodes wird
dem rheumatischen Formenkreis und
den Kollagenosen (früher: „Bindegewebserkrankungen“) zugeordnet. Mit
dem Kollagen, also der Bindegewebsgrundsubstanz unseres Körpers, hat die
Krankheit aber in Wirklichkeit nichts zu
tun. Wenn lediglich die Haut betroffen
ist, lautet die Diagnose „chronisch diskoider Lupus erythematodes“ (CDLE)
oder „subakut kutaner Lupus erythematodes“ (SCLE).
Wer erkrankt an SLE?
Der systemische Lupus erythematodes
ist mit ca. 50 Betroffenen unter 100.000
Menschen selten. Die Patienten sind
überwiegend junge Frauen im Alter von
15 bis 40 Jahren (Verhältnis weiblich :
männlich = 10 : 1). Bei Kindern tritt
SLE selten vor dem 5. Lebensjahr auf.
Auch hier sind Mädchen deutlich häufiger betroffen als Jungen. Aus diesem
Grund vermutet man, dass die weiblichen Hormone (Östrogene) Einfluss auf
die Krankheitsentstehung haben.
Welche Ursachen hat SLE?
Die genauen Ursachen sind bisher nicht
bekannt. Fest steht, dass im Blut Antikörper gegen Zellbestandteile, häufig
gegen den Zellkern, gebildet werden.
Diese sogenannten Autoantikörper heften sich an körpereigenes, gesundes Gewebe an und lösen dort Entzündungen
aus. In weiterer Folge lagern sich Autoantikörper sowie Immunzellen an den
Wänden kleiner Blutgefäße ab. Dadurch
kommt es zu Entzündungen in verschiedenen Organen. Vorwiegend sind die
Blutgefäße der Haut, der Nieren sowie
der Gelenke betroffen.
Eine Häufung der Erkrankung in manchen Familien deutet auf eine genetische
Veranlagung hin. Wissenschafter vermuBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 85
Typisch, aber nicht immer vorhanden:
­schmetterlingsförmige Rötung des Gesichts
ten einen erblichen Fehler des programmierten Zelltods bestimmter Immunzellen. Das Risiko, die Erkrankung an die
eigenen Kinder weiterzugeben, wird
dennoch als gering eingestuft.
Auch verschiedene Umweltfaktoren
könnten als Auslöser bei der Entstehung
von SLE eine Rolle spielen, z.B. Infektionen mit Viren, intensive Sonnen­
einstrahlung sowie hormonelle Um­
stellungen, wie sie etwa in Pubertät,
Schwangerschaft und Wechseljahren
auftreten.
Eine extrem seltene Sonderform der Erkrankung stellt der sogenannte medikamenteninduzierte Lupus erythematodes dar: Bei bestimmten Personen
können einige Medikamente (z.B. Anti­
epileptika, Blutdruckmedikamente, Antibiotika, Psychopharmaka) SLE auslösen. Die Beschwerden verschwinden
zumeist nach Absetzen des entsprechenden Medikaments wieder zur Gänze.
Was sind die Anzeichen eines SLE?
Ein systemischer Lupus erythematodes
macht sich durch viele verschiedene
Symptome bemerkbar. Ein bekanntes,
86 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
aber nicht immer vorhandenes Anzeichen für die Erkrankung ist eine schmetterlingsförmige Rötung (Erythem) des
Gesichts (auf beiden Wangen sowie über
dem Nasenrücken), die bei Sonnenbestrahlung stärker ausgeprägt ist. Weitere
Symptome sind Gelenkschmerzen,
Durchblutungsstörungen der Finger und
Organbeteiligungen (z.B. Nierenentzündung, Rippenfellentzündung oder Herzbeutelentzündung). Die meisten Betroffenen
fühlen
sich
müde
und
abgeschlagen, viele leiden unter Fieber,
Schwächegefühl und Gewichtsverlust.
Die Lymphknoten sind manchmal vergrößert. Welche Organe betroffen sind
und wie stark die Symptome auftreten,
ist individuell sehr unterschiedlich.
In sehr seltenen Fällen greift der SLE
auf die Nerven über, dadurch kommt es
zu Taubheitsgefühl, Schmerzen sowie
erhöhter Empfindlichkeit und herabgesetztem Temperaturempfinden. Diese
Gefühlsstörungen treten meist beidseitig
an Händen und Füßen auf. Auch Kopfschmerzen, epileptische Anfälle, Sehstörungen, Verwirrtheit und Depressionen
können auftreten.
Systemischer Lupus erythematodes
Häufig verläuft der SLE in wiederholten,
aktiven Phasen, sogenannten Schüben.
Dazwischen liegen Perioden, in denen
die Krankheit nur wenig oder gar nicht
aktiv ist.
Kommt es zu bleibenden
G
­ elenk­schäden?
Im Gegensatz zu anderen rheumatischen
Erkrankungen verursacht SLE meist
keine bleibenden, im Röntgenbild erkennbaren Schädigungen der Gelenke.
Wie erfolgt die Diagnose?
Die Diagnose, ob ein systemischer Lupus erythematodes vorliegt, wird anhand
der Anamnese, einer eingehenden klinischen Untersuchung sowie mithilfe von
bildgebenden Verfahren und Labortests
gestellt. Hilfreich ist dabei die Bestimmung der vom Immunsystem gegen Teile des eigenen Körpers gebildeten Abwehrstoffe (Autoantikörper).
Wichtiger Hinweis: Die Feststellung der
Krankheit (= Diagnose), die Behandlung
und die Betreuung gehören unbedingt in
die Hand von Spezialisten (auf SLE spezialisierte Fachärzte für Innere Medizin
und Rheumatologie)! Reine Hautformen
werden von spezialisierten Hautärzten
betreut. Die enge Zusammenarbeit zwischen Spezialisten und Hausarzt ist bei
SLE besonders wichtig.
Wie wird SLE behandelt?
Auch wenn der systemische Lupus erythematodes nicht heilbar ist, so ist die
Erkrankung doch gut behandelbar. Ziel
der Behandlung ist es, die Aktivität des
überaktiven Immunsystems zu beruhi-
gen (Immunmodulation). Dabei kommen verschiedene Medikamentengruppen zur Anwendung. Welche Therapie
zum Einsatz kommt, wird anhand der
Schwere der Erkrankung und der befallenen Organe von einem Spezialisten
(Rheumatologen) festgelegt.
Welche Medikamente kommen
zum Einsatz?
Für die Behandlung des Lupus erythematodes werden folgende Medikamente
eingesetzt:
•S
chmerzmittel
•A
ntimalariamittel (z.B. Chloroquin)
•K
ortison
• I mmunsuppressiva (Medikamente, die
die Aktivität des überaktiven Immunsystems abschwächen, z.B. Azathioprin, Mycophenolat-Mofetil)
•B
iologika (Belimumab, Rituximab) –
primär bei Patienten mit aktivem
Krankheitsverlauf trotz angepasster
Standardtherapie
•Z
ytostatika (z.B. Methotrexat, Cyclophosphamid)
Mithilfe dieser Medikamente sollen die
Entzündung und die überschießende Aktivität des Immunsystems eingedämmt werden. Mit Antimalariamitteln erzielt man
bei Lupus erythematodes besonders gute
Erfolge bezüglich Hauterscheinungen und
Gelenkproblemen. Immunsuppressiva und
Zytostatika werden bei schwereren Krankheitsverläufen eingesetzt.
Welche Nebenwirkungen können
auftreten?
Wie bei allen Medikamenten kann es
auch bei der Basistherapie des systemiBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 87
Systemischer Lupus erythematodes
schen Lupus erythematodes vereinzelt
zu Nebenwirkungen kommen. Diese
sind individuell verschieden. Daher sind
regelmäßige klinische Kontrollen und
Blutuntersuchungen unerlässlich.
Was sollten Betroffene noch beachten?
•S
onnenlicht und UV-Licht können den
Krankheitsverlauf verstärken. Daher
sollten Betroffene direkte Sonneneinstrahlung meiden und stets Sonnenschutzmittel verwenden. Vor allem
sollten sie kein Solarium (Bräunungsstudio) aufsuchen! Die geringe Sonnenlichtexposition kann mit hoher
Wahrscheinlichkeit zu Vitamin-DMangel führen, daher wird ein medikamentöser Vitaminersatz empfohlen.
•S
LE-Patienten weisen ein erhöhtes Risiko für Arteriosklerose („Gefäßverkalkung“) auf, daher muss Nikotinkonsum vermieden werden!
•V
erhütungsmittel und Schwangerschaft sind (unbedingt rechtzeitig!)
mit einem auf Lupus erythematodes
spezialisierten Rheumatologen zu besprechen.
• I mpfungen (z.B. Grippeschutzimpfung) sollten nur nach Rücksprache
mit dem behandelnden Arzt erfolgen.
•B
ewegung und Sport sind empfehlenswert, da Bewegung die Funktion des Immunsystems und der Psyche unterstützt.
•Z
udem sollten Betroffene versuchen,
das Leben trotz der Erkrankung positiv
zu sehen. Denn das Immunsystem arbeitet besser, wenn man sich psychisch
gut fühlt.
SLE und Kinderwunsch
Ein Kinderwunsch wirft für Frauen, die
an SLE erkrankt sind, viele Fragen auf.
Grundsätzlich ist nicht ausgeschlossen,
dass von Lupus erythematodes betroffene Frauen schwanger werden können.
Bei schwerer Krankheitsaktivität oder
Nierenbeteiligung sollte allerdings aufgrund der zu hohen Risiken für Mutter
und Kind ein günstigerer Zeitpunkt für
eine Schwangerschaft abgewartet werden. Ein Kinderwunsch sollte eingehend
mit dem behandelnden Rheumatologen
in Zusammenarbeit mit dem Frauenarzt
besprochen werden.
Bei SLE-Patienten besteht
ein erhöhtes Risiko für
Arteriosklerose.
88 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
SCHMERZ:
URSACHE UND
THERAPIE
Schmerzen sollten unbedingt
rasch abgeklärt werden!
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 89
Schmerz: Ursache und Therapie
Blick:
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Wie erfolgt die ärztliche Abklärung?
An erster Stelle stehen eine gründliche
Untersuchung, bildgebende Verfahren
(Sonografie, Magnetresonanztomografie) und Labor, wobei vor allem Entzündungswerte erhoben werden.
Oft haben Betroffene Schwierigkeiten,
ihren Schmerz zu beschreiben. Hier kann
die Selbsteinschätzung mithilfe einer
Schmerzskala helfen: Auf einer Skala
kann der Patient seinen aktuellen Schmerz
als Punkt markieren – dies hilft auch dem
Arzt, die Intensität einzuschätzen.
MEDIKAMENTÖSE
MASSNAHMEN
Wie werden chronische Schmerzen
behandelt?
Nach den heutigen Standards wird die
medikamentöse
Schmerzbehandlung
von chronischen Schmerzen nach den
90 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Regeln der Weltgesundheitsorganisation
(WHO) durchgeführt.
Als Basistherapie (Stufe 1) werden sogenannte nicht-opioide Analgetika eingesetzt
(Paracetamol,
Metamizol,
NSAR, COX-2-Hemmer). Als Stufe 2,
wenn die Stufe-1-Medikation nicht ausreicht oder nicht vertragen wird, erfolgt
eine Kombination mit schwach wirksamen Opioiden. Erst nach Ausschöpfung
auch dieser Möglichkeit kommen starke
Opioide zum Einsatz (Stufe 3).
STUFE 1:
Was sind nicht-opioide Analgetika?
Nicht-opioide Analgetika sind schmerzstillende Arzneimittel (= Analgetika),
die ihre Wirkung durch Unterdrückung
von Schmerz auslösenden biochemischen Prozessen entfalten. Im Idealfall
unterdrücken sie die Schmerzempfindung, ohne das Bewusstsein, die sensorische Wahrnehmung und andere wichtige Funktionen des Zentralnervensystems
zu beeinflussen.
Substanzen wie Metamizol oder Paracetamol finden bei leichten bis mäßig starken Schmerzen Anwendung. Viele nichtopioide Analgetika haben auch eine
fiebersenkende Wirkung.
Einige Substanzen aus der Gruppe der
nicht-opioiden Analgetika wirken zusätzlich entzündungshemmend, diese Arzneigruppe wird auch nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) genannt. Dazu
gehören beispielsweise die Substanzgruppen Acetylsalicylsäure, Ibuprofen,
Dexibuprofen, Diclofenac und Coxibe.
Sie gelten aufgrund ihrer entzündungshemmenden Eigenschaft auch als Mittel
der Wahl bei Rheumaschmerzen.
Schmerz: Ursache und Therapie
Wie wirken NSAR?
NSAR – nicht-steroidale Antirheumatika
– sind klassische Schmerzmittel. Sie wirken entzündungshemmend und schmerzstillend. Der komplexe Name besagt
nichts anderes, als dass es sich um Substanzen handelt, die nichts mit Kortison zu
tun haben (= nicht-steroidal). Die Wirkung von NSAR tritt oft schon innerhalb
von Stunden ein. Sie können als Tablette,
Zäpfchen, Spritze oder teilweise auch als
Gel verabreicht werden. Auch Präparate
in Retard-Form – das heißt, die Wirkung
setzt mit Zeitverzögerung ein – sind erhältlich. Die Wahl des geeigneten Mittels
sollte in jedem Fall mit dem behandelnden Arzt abgestimmt werden!
Gibt es Nebenwirkungen von NSAR?
Je länger die Behandlungsdauer und je
höher die Dosis, umso eher können unerwünschte Effekte auftreten. Vor allem die
Schleimhaut des Magen-Darm-Trakts
wird zur Zielscheibe dieser Nebenwirkungen. Insbesondere bei älteren Patienten können NSAR zudem die Nierenfunktion beeinträchtigen und zu einer
Wasseransammlung in den Beinen (Ödeme) oder zu hohem Blutdruck führen.
Auch massive Leberschädigungen wurden beobachtet.
Was ist bei der Einnahme von NSAR
zu beachten?
•P
eriodische Blutkontrollen in Bezug
auf die Leber- und Nierenwerte sind
wesentlich.
•D
ie gleichzeitige Einnahme von zwei
verschiedenen NSAR erhöht das Risiko von Nebenwirkungen massiv und
sollte vermieden werden.
•E
s sollte gemeinsam mit NSAR ein
Magenschutzpräparat eingenommen
werden.
Was bedeutet „Magenschutz“ im
Zusammenhang mit NSAR?
Wie bereits erwähnt, gehört das Angreifen der Magenschleimhaut zu einer der
wesentlichen Nebenwirkungen der
NSAR. Daher sollte (v.a. bei den zuvor
beschriebenen Risikopatienten) eine
„Magenschutztherapie“ zum Einsatz
kommen. Drei Wirkprinzipien stehen
dabei zur Verfügung:
•P
rotonenpumpenhemmer (PPI): reduzieren die Magensäure und verhindern so Defekte an der Magenschleimhaut
Gemeinsam mit NSAR sollte ein
­Magenschutzpräparat eingenommen werden.
Besonders gefährdet sind Patienten, die ...
• ä lter als 65 Jahre sind,
• i n der Vergangenheit bereits einmal ein
Magengeschwür oder ein Zwölffingerdarmgeschwür (Ulkus) hatten oder
• n eben den NSAR zusätzlich Kortison
erhalten oder
• b lutverdünnende Medikamente einnehmen.
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 91
Schmerz: Ursache und Therapie
Zur
Schmerzabklärung
Die Beantwortung folgender Fragen
ist eine gute Grundlage für das
Arztgespräch:
❏ Wo und wann treten Schmerzen auf?
❏ Wie stark sind sie?
❏ Kommt es zu Steifigkeit oder
Bewegungseinschränkungen?
❏ Treten die Schmerzen gemeinsam mit
Schwellungen auf?
❏ Sind die Schmerzen auch von
Schwäche, Angst oder Müdigkeit
begleitet?
•P
rostaglandine (Pg): schützen die
Magenschleimhaut
•H
2-Blocker: können in höheren Dosierungen verwendet werden, wenn
PPI oder Pg kontraindiziert sind
Wie wirken COX-2-Hemmer?
Diese Substanzgruppe wurde entwickelt, um die Wirkung der NSAR ohne
die unerwünschten Nebenwirkungen im
Bereich des Magens und des Zwölffin92 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
gerdarms zu erzielen. Die verbesserte
Magen-Darm-Verträglichkeit der Coxibe beruht darauf, dass es zwei unterschiedliche Cyclooxygenase-Enzyme
(COX-1 und COX-2) gibt, die beide von
den herkömmlichen NSAR gehemmt
werden.
Wie die nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) hemmen auch die Coxibe die
Bildung der körpereigenen Prostaglandin-Schmerzbotenstoffe über eine COX2-Hemmung. COX-2 wird vor allem bei
Entzündungsprozessen im geschädigten
Gewebe aktiviert. COX-1, das für den
Schutz der Magenschleimhaut vor Magensäure verantwortlich ist, wird allerdings nicht gehemmt. Coxibe lassen also
die Wirksamkeit des schützenden COX1-Enzyms unberührt, während sie gezielt die Funktion des COX-2-Enzyms
unterdrücken.
Gibt es Nebenwirkungen bei
COX-2-Hemmern?
Leider sind auch selektive COX-2-Hemmer nicht völlig frei von Nebenwirkungen. Aufgrund des Wirkprinzips kann
zwar die Rate an Magen-Zwölffingerdarm-Nebenwirkungen deutlich gesenkt
werden. Wie bei allen anderen NSAR ist
allerdings bei bekannter Herz-, Kreislauf- oder Nierenerkrankung besondere
Vorsicht geboten, vor allem dann, wenn
sie über mehrere Wochen täglich eingenommen werden.
Der Einsatz von COX-2-Hemmern hat
jedoch durchaus seine Berechtigung,
nämlich bei Patientengruppen mit einem
Risiko für das Auftreten von MagenZwölff ingerdarm-Nebenwirkungen
durch ein NSAR.
Schmerz: Ursache und Therapie
STUFE 2 und STUFE 3:
Wann werden Opioide angewendet?
Laut nationalen und internationalen
Empfehlungen werden Opioide in der
Behandlung rheumatischer Schmerzen
dann eingesetzt, wenn diese mit anderen
Maßnahmen nicht zufriedenstellend
behandelt werden können bzw. wenn
­
aufgrund der Nebenwirkungen ein Absetzen der bisherigen Medikation erforderlich ist.
Auch hier wird im Wesentlichen laut
WHO-Stufenplan vorgegangen, wonach
zunächst schwache Opioide, wie z.B.
Tramadol oder Dihydrocodein, zum Einsatz kommen. Auch schwache Opioide
können allerdings – vorwiegend während der Einstellphase – Nebenwirkungen wie Brechreiz und Verstopfung verursachen. Mithilfe einer begleitenden
Behandlung mit Quellstoffen bzw. Medikamenten gegen Übelkeit und Erbrechen (Antiemetika) kann jedoch gut gegengesteuert werden.
Wird auch mit dieser Kombination keine
Schmerzfreiheit erzielt, werden schwache Opioide durch starke Opioide (Oxycodon, Hydromorphon, Buprenorphin,
Fentanyl) ersetzt (Stufe 3).
Wie groß ist die Suchtgefahr bei
Opioiden?
Bei sachgemäßer Anwendung ist die
Sorge vor einer möglichen Suchtentstehung unbegründet.
Werden auch Antidepressiva in der
Schmerzbehandlung eingesetzt?
Antidepressiva können bei Patienten mit
Fibromyalgie einen Beitrag zur
Schmerzfreiheit leisten, indem sie einer-
seits die Stimmungslage verbessern und
andererseits das Schmerzempfinden beeinflussen.
NICHT-MEDIKAMENTÖSE MASSNAHMEN
Was bringen physikalische
B­ ehandlungen?
Die Anwendung von physikalischen
Therapiemaßnahmen bei Schmerzpatienten hat eine lange Tradition. Wichtig
bei der Therapiezusammenstellung ist,
auf die jeweiligen Probleme des einzelnen Patienten einzugehen und Behandlungsmöglichkeiten zu kombinieren.
Welche weiteren nicht-medikamentösen Maßnahmen kommen zum
Einsatz?
Ein fixer Bestandteil der nicht-medikamentösen Schmerztherapie ist die Elektrotherapie. Konstante Galvanisation,
Iontophorese,
Impulsgalvanisation,
Schwellstrom und diadynamische Ströme
sind nur einige Stromformen, die aufgrund ihrer durchblutungsfördernden,
schmerzlindernden und muskelentspannenden Wirkung zum Einsatz kommen.
Zu den Impulsgalvanisationen zählt
auch TENS: Die „transkutane elektrische Nervenstimulation“ ist eine Therapieform, mit deren Hilfe man akute und
chronische Schmerzen mit Strom unterschiedlicher Frequenz behandeln kann.
Im Wesentlichen wirkt TENS nach dem
Prinzip der Gegenirritation von
Schmerzreizen und durch eine Erhöhung
der körpereigenen Endorphine. Es gibt
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 93
Schmerz: Ursache und Therapie
auch kleine, tragbare TENS-Geräte, die
Patienten selbstständig zu Hause – nach
Einschulung durch den Arzt oder Therapeuten – verwenden können.
Wie lange dauert eine TENS-Sitzung?
Eine Sitzung dauert normalerweise etwa
20–50 Minuten. Da die schmerzlindernde Wirkung meist nur wenige Stunden
anhält, muss die Behandlung mehrmals
täglich wiederholt werden (zwei- bis
viermal). Bei chronischen Schmerzen
wird TENS oft jahrelang eingesetzt, z.B.
in Heimbehandlung. Nach Ansicht von
Experten eignet sich TENS sehr gut als
Begleittherapie, um Beschwerden unmittelbar und für kurze Zeit zu lindern.
Wichtiger Hinweis: Folgende Personengruppen dürfen TENS erst nach Rücksprache mit ihrem Arzt anwenden:
•M
enschen mit einem Herzschrittmacher oder einem anderen implantierten
elektrischen Gerät
•w
enn eine Thrombose vorliegt
•S
chwangere
Wie kann Massage bei Schmerzen
helfen?
Mit Massage wird über das Lösen von
Verspannungen und durch den Abtransport von Schmerz erzeugenden Substanzen (z.B. Milchsäure) ein schmerzlindernder Effekt erzeugt. Die ausgeprägte
psychische
Wirkung
durch
die
Be„hand“lung und Zuwendung darf dabei nicht unterschätzt werden. Als Spezialmassagen sind die Bindegewebsmassage, die manuelle Lymphdrainage, die
Fußreflexzonenmassage und die Periostmassage zu erwähnen.
94 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Warum Wärme- bzw. Kältetherapie?
Materialistisch betrachtet ist alles Leben
Chemie und Physik. Und so wie mithilfe
der Chemie wirksame Medikamente gegen rheumatische Erkrankungen entwickelt wurden und werden, können auch
die Gesetze und Prinzipien der Physik
therapeutisch genutzt werden. Zu diesen
Methoden der physikalischen Therapie
zählt auch die Anwendung von Wärme
und Kälte in vielerlei Formen. Ganz allgemein geht es dabei darum, Verspannungen zu lösen, die Beweglichkeit zu
verbessern, Entzündungen einzudämmen und Schmerzen zu lindern.
Viele dieser Behandlungen beruhen auf
Methoden, die schon seit Langem angewandt werden und für die es auch
„volksmedizinische“ Erfahrungen gibt.
Auch hat die Wissenschaft inzwischen
Modellvorstellungen entwickelt, wie
diese Thermotherapien ihre Wirkung
entfalten. Leider wurden diese Methoden aber nur zum Teil durch exakte klinische Studien überprüft, sodass es
schwierig ist, allgemeingültige Empfehlungen abzugeben.
Akut oder chronisch – wann hilft
Kälte?
Kälteanwendungen werden besonders
bei entzündlichen rheumatischen Erkrankungen eingesetzt. Die Einwirkung
von Kälte bewirkt auf der Oberfläche der
Haut kurzfristig eine Blockade der
Schmerzleitung, hemmt in der Tiefe Entzündungsprozesse und wirkt abschwellend. Sie ist somit vor allem im akuten
Stadium wirksam. Um einzelne Körperpartien bzw. Gelenke zu kühlen, werden
Kühlgel-Packungen, zerkleinertes Eis in
Schmerz: Ursache und Therapie
Fangopackung: Zur Schmerzlinderung mittels
Wärmetherapie kommen u.a. Fangopackungen zum Einsatz. Achtung: Nicht im akuten
Krankheitsstadium einsetzen!
Kältetherapien, wie z.B. Kryopacks, können bei
akuten Entzündungen Schmerzen lindern.
Kunststoffbeuteln, Eisstücke, Kältespray
oder Kaltluft verwendet. Die Auflagezeit
richtet sich nach der Größe des Gelenks
und sollte 15 Minuten nicht überschreiten. Sollte statt des Kältegefühls ein Kälteschmerz eintreten, muss die Therapie
sofort beendet werden. In Kältekammern wird der gesamte Körper ein bis
drei Minuten lang extremen Temperaturen (bis zu minus 110 °C) ausgesetzt.
Auf diese Weise soll die Bewegungsmöglichkeit des ganzen Körpers ver­
bessert werden. Es gibt eine Reihe von
Erkrankungen, bei denen die Ganz­
körperbehandlung verboten ist und die
lokale Therapie nur mit Vorsicht erfolgen sollte (z.B. Angina Pectoris, Asthma
bronchiale, arterielle Durchblutungsstörungen).
Wie kann Wärme bei chronischem
Rheuma helfen?
Wärmezufuhr fördert die Durchblutung,
regt den Stoffwechsel an und wirkt so
schmerzlindernd, muskelentspannend
und stimuliert die Regeneration. Lokale
Anwendungen erfolgen mithilfe von
heißen Umschlägen, Moor- oder Fangopackungen, aber auch „heiße Rollen“,
Paraffingemische, Bestrahlung mit Infrarotlampen,
Kartoffelwickel
und
Kirschkernsäckchen werden verwendet.
Sie werden im nicht akuten Stadium der
Erkrankung eingesetzt. Bei Anwendung
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 95
Schmerz: Ursache und Therapie
im akuten Stadium kann es zu einer Verstärkung der Symptome kommen. Als
Ganzkörpermethoden sind Saunagänge,
Sole- oder Moorbäder zu nennen. Auch
für die Wärmetherapie gibt es – wie bei
der Kälteapplikation – eine Reihe von
Zuständen und Krankheiten, bei denen
sie nicht angewendet werden darf.
Wird die Thermotherapie für alle
Formen rheumatischer Erkrankungen
empfohlen?
Wie schon erwähnt, ist eine allgemeingültige Empfehlung zur Thermotherapie
nicht möglich. Daher konnten auch die
rheumatologischen Expertengremien nur
für einzelne, spezielle Methoden Empfehlungen (Pro oder Kontra) abgeben,
wie hier anhand von Beispielen gezeigt
werden soll. Lokale Thermoanwendungen werden bei arthritischen Gelenkschwellungen (nur) aufgrund der langjährigen Erfahrungen empfohlen. Neue
Studiendaten legen zumindest nahe, dass
kältetherapeutische Maßnahmen bei Patienten mit rheumatoider Arthritis die
Schmerz- und Entzündungsintensität reduzieren können. Bei Patienten mit axialer Spondyloarthritis (zu der auch der
Morbus Bechterew zählt) oder rheumatoider Arthritis konnten im Rahmen einer
kleineren Studie durch wiederholte Saunagänge (zweimal wöchentlich über vier
Wochen) Steifheit und Schmerzen reduziert werden. Allerdings hielten diese Effekte nicht dauerhaft an. Mit milder
Überwärmung konnte bei Patienten im
nicht akuten Stadium der Spiegel der entzündungsfördernden Botenstoffe (Zytokine) deutlich gesenkt werden.
Durchaus empfohlen wird die Wärme96 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Langzeittherapie bei Patienten, die unter
einem Fibromyalgie-Syndrom leiden und
die eigenständig einen Teil der Behandlung übernehmen können. Auch Balneotherapie (Moorbäder, Dampfbäder, Sauna), Hydrotherapie (warmes Wasser),
Spa-Therapie (mineralhaltiges Wasser)
oder Thalassotherapie (Meerwasser) können eingesetzt werden. Dagegen wird von
der Kältekammertherapie abgeraten.
Wirkt die Thermotherapie auch bei
chronischem Kreuzschmerz?
Patienten mit nicht-spezifischen (funktionellen) Kreuzschmerzen, die meist als
Folge von Überlastung auftreten, können von einer Wärmetherapie profitieren. Durch Wärmepflaster konnte in einer Studie die Schmerzintensität gesenkt
werden, gute Ergebnisse zeigte auch die
Kombination von Wärmepflaster und
Bewegung. Lokale Wärmeapplikationen
(Pflaster, Körnerkissen), unter Umständen aber auch Kälte („Cool Packs“),
werden im Selbstmanagement empfohlen, da sie zum Wohlbefinden beitragen
und nicht schaden.
Warum soll die Thermobehandlung
von einem Arzt verordnet werden?
Wenngleich einige der Thermoapplikationen von den Patienten selbstständig
durchgeführt werden können (und oft
auch sollen), darf man nicht vergessen,
dass es sich dabei um eigenständige medizinische Behandlungsformen handelt,
die nicht für jeden Patienten und nicht zu
jedem beliebigen Zeitpunkt infrage
kommen. Sie müssen vom Facharzt verordnet, überwacht und der jeweiligen
Krankheitsaktivität angepasst werden.
Spezielle Physiotherapie kann helfen, die Beweglichkeit der Gelenke zu erhalten.
Inwiefern kann Akupunktur die
R­ heumatherapie unterstützen?
Akupunktur wird in erster Linie ergänzend zur Schmerzlinderung eingesetzt.
Bei der Akupunktur werden gewisse
Schmerzpunkte am Körper mithilfe von
Akupunkturnadeln aktiviert. Diese
Punkte liegen auf bestimmten Linien auf
der Haut – den sogenannten Meridianen
– und entfalten bei mechanischer Reizung bestimmte Wirkungen im Körper.
Manche Patienten sprechen auf eine
Therapie mit Akupunktur gut an.
Wichtiger Hinweis: Akupunktur kann
zwar chronische Schmerzen lindern, den
Verlauf der Erkrankung aber nicht beeinflussen.
Wie wichtig ist Bewegung in der
Schmerztherapie?
Einen wichtigen Bestandteil der
Schmerztherapie bildet sowohl die passive als auch die aktive Bewegung. Dies
98 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
beinhaltet jede auch noch so kleine Bewegung im Zuge der alltäglichen Verrichtungen. Spezielle physiotherapeutische Krankengymnastik bekämpft nicht
nur Symptome wie beispielsweise die
Morgensteifigkeit, sondern vermindert
zusätzlich auch die Angst vor dem
Schmerz.
Warum sollten Schmerzpatienten
auch psychologische Beratung in
Anspruch nehmen?
Eine psychologische Betreuung kann Patienten mit chronischen Schmerzen helfen, die oft belastenden Folgen derartiger
Erkrankungen, wie soziale Isolation und
Hoffnungslosigkeit, zu vermeiden. Eine
derartige fachmännische Beratung sollte
daher ebenfalls einen festen Platz im
therapeutischen Konzept einnehmen.
­
­Zusätzlich kann dadurch auch die Motivation für die langfristigen, mitunter unangenehmen Therapien erhöht und damit
ihr Erfolg verbessert werden.
HILFE AUS
DER APOTHEKE
Mögliche Ergänzungen zur Basistherapie
Hilfe aus der Apotheke
SELBSTMEDIKATION ALS
EVENTUELLE ERGÄNZUNG
ZUR BASISTHERAPIE
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Selbstmedikation – was heißt das
genau?
Oft wollen Betroffene zusätzlich zu den
vom Arzt verordneten Präparaten etwas
tun, um ihren Gesundheitszustand zu
verbessern. Hier kommen oftmals rezeptfreie, also nicht verschreibungspflichtige Präparate aus der Apotheke
zum Einsatz. Diese sind selbst zu bezahlen. Es liegt in der Entscheidung des Patienten, den Nutzen dieser Produkte abzuwägen.
Wichtiger Hinweis: Auf jeden Fall sollten Sie die Einnahme vorher mit Ihrem
Arzt besprechen und sich auch vom
Apotheker beraten lassen!
100 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Wie sinnvoll ist eine zusätzliche
Schmerztherapie?
Als Zusatztherapie bei akuten Schmerzen im Sinne der Selbstmedikation können – im Akutfall und nur kurzfristig! –
rezeptfreie schmerzstillende Mittel
eingesetzt werden. Dies ist aber unbedingt vorher mit dem Arzt und Apotheker zu besprechen, auch um mögliche
Wechselwirkungen mit anderen Arzneien abzuklären. Rezeptfreie Schmerzmittel sollten nicht länger als zwei Tage eingenommen werden.
Zu den bewährten Substanzen zählen
u.a.:
•A
cetylsalicylsäure
•P
aracetamol
• I buprofen
Diese wirken schmerzlindernd, teilweise
entzündungshemmend und fiebersenkend.
Welchen weiteren Stoffen wird ein
positiver Effekt bei rheumatischen
Beschwerden zugesprochen?
In der Apotheke sind rezeptfreie Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel sowie
diätetische Lebensmittel in Tablettenoder Kapselform erhältlich, die unterstützend bei Entzündungen zum Einsatz
kommen. So wird z.B. Omega-3-Fettsäuren zugesprochen, dass sie bei rheumatischen Beschwerden zur Linderung
Nüsse, Avocados und Lachs sind reich an
Omega-3-Fettsäuren.
beitragen können. Diese Präparate können ergänzend zu einer vom Arzt verordneten medikamentösen Therapie eingesetzt werden. Vor der Einnahme sollten
Sie jedoch in jedem Fall Ihren Arzt über
die Absicht dieser zusätzlichen Therapie
informieren.
Was können Omega-3-Fettsäuren
bewirken?
Bestimmte Fettsäuren kann der menschliche Organismus nicht selbst produzieren; sie müssen daher mit der Nahrung
zugeführt werden. Dazu zählen auch die
sogenannten Omega-3-Fettsäuren. Dabei handelt es sich um essenzielle Fettsäuren, die lebenswichtig sind, weil sie
für die verschiedensten Zellfunktionen
von grundlegender Bedeutung sind. Ge102 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
rade im Hinblick auf rheumatische Erkrankungen geht man davon aus, dass
Omega-3-Fettsäuren regulierend in den
Entzündungsprozess eingreifen können.
Aufgenommen werden Omega-3-Fettsäuren, wie erwähnt, über die Nahrung.
Die wesentlichsten Quellen sind Pflanzenöle wie Leinsamen-, Sonnen­blumen-,
Maiskeim-, Raps- und Sojaöl sowie maritime (fettreiche) Kaltwasserfische wie
Hering oder Makrele. Schon zwei Fischmahlzeiten pro Woche können ausreichend Omega-3-Fettsäuren liefern. Da
viele Menschen aber nur wenig oder gar
keinen Fisch essen, werden manchmal
zu wenig Omega-3-Fettsäuren aufgenommen. Daher ist oftmals die Einnahme von hoch dosierten Omega-3-Fettsäure-Präparaten eine Möglichkeit.
Hilfe aus der Apotheke
Diese können zusätzlich zur Standardtherapie eingenommen werden und sind
in Ihrer Apotheke erhältlich.
Können homöopathische Arzneien
helfen?
Manche Betroffene greifen auch zu Mitteln aus der Homöopathie – sie geht von
dem Grundsatz aus, die Selbstheilungskräfte des Körpers anzuregen. Homöopathische Arzneien zielen also auf die
Wiedergewinnung der natürlichen Reaktion und Eigenregulation des Körpers
ab. Behandelt wird die gesamte Persönlichkeit des Patienten, nicht nur die spezielle Erkrankung. Wissenschaftliche
Belege im Sinne klinischer Studien können daher nicht erbracht werden. Wie
alle anderen rezeptfreien Präparate sollten homöopathische Mittel jedoch nur
als Ergänzung, keineswegs als Ersatz für
Basistherapeutika eingesetzt werden!
Gibt es Hilfe aus der Natur gegen
rheumatische Beschwerden?
Auch manche Erzeugnisse aus Naturstoffen können eine gewisse positive
Wirkung haben. Dazu gehören sogenannte Phytopharmaka, also
standardisierte Arzneimittel,
die aus Pflanzen hergestellt
werden. Es handelt sich dabei um Pflanzen und Pflanzenteile, die durch Trocknen
lagerfähig gemacht wurden,
oder um Extrakte, die zu Tabletten, Kapseln etc. weiterverarbeitet wurden. Um einen
therapeutischen Effekt zu erzielen, ist – wie bei allen Arzneimitteln – eine exakte Dosierung erfor-
derlich. Bei Unterdosierung tritt keine
Wirkung ein, bei extremer Überdosierung können unerwünschte Erscheinungen auftreten.
Lassen Sie sich daher ausführlich in
der Apotheke beraten und besprechen
Sie die Einnahme von Zusatzpräparaten immer auch mit Ihrem behandelnden Arzt!
Welche Pflanzen stehen speziell
für rheumatische Beschwerden zur
Verfügung?
Für die zusätzliche Behandlung von
chronischen Gelenkbeschwerden werden Extrakte aus der Teufelskralle (Harpagophytum procumbens), der Katzenkralle (Uncaria tomentosa) oder des
Weihrauchharzes eingesetzt. Entsprechende Präparate stehen in der Apotheke
zur Verfügung. Auch Extrakten der Pappel- und Weidenrinde sowie der Brenn-
Teufelskralle
Äußerlich angewendet haben sich u.a.
Eukalyp­tus- und Rosmarinöl bewährt.
nessel wird eine hemmende Wirkung auf
das Immunsystem zugesprochen, was
die Beschwerden unter Umständen
lindern kann. Wenngleich nicht aus
­
Pflanzen gewonnen, zählen die aus den
Grünlippmuscheln (Perna canaliculus)
stammenden Wirkstoffe auch zu der
Gruppe wahrscheinlich entzündungshemmender und gelenkschützender Präparate.
Die Anwendung beruht zumeist lediglich auf Erfahrungswerten und ist nicht
durch Studien belegt. So wird beispielsweise die Teufelskralle in Afrika seit
Jahrhunderten zur Linderung von
Schmerzen und Entzündungen eingesetzt. Bei uns sind Extrakte der Teufelskralle als sogenannte „traditionell
pflanzliche Arzneimittel“ rezeptfrei in
der Apotheke erhältlich.
Knorpelschutzsubstanzen wie Gluco­
samin und Chondroitinsulfat werden
häufig bei Arthrose eingesetzt, natives
Kollagen bei entzündlichen Gelenkbeschwerden.
Gibt es Salben, die Linderung
v­ erschaffen können?
Einige schmerzlindernde Inhaltsstoffe,
wie z.B. Ibuprofen oder Diclofenac, sind
auch in Form von Salben verfügbar. Sie
können die Schmerzen verringern und
wirken darüber hinaus entzündungshemmend. Einige Pflanzenwirkstoffe
(z.B. Beinwell, Arnika) kommen ebenfalls in Salbenform zum Einsatz. Zur äußerlichen Anwendung haben sich zudem
bei manchen Betroffenen u.a. auch Cayennepfeffer, Rosmarin- und Eukalyptusöl sowie Fichten- oder Kiefernadelöl
bewährt.
Wichtiger Hinweis:
Pflanzenpräparate sowie andere rezeptfreie
Produkte stellen keinen Ersatz für eine Basistherapie dar, sondern lediglich eine mögliche
Ergänzung. Die Einnahme sollte jedenfalls in
Absprache mit dem Arzt erfolgen. Vor einer
Eigentherapie mit Produkten aus dem Internet
wird dringend abgeraten!
Hilfe aus der Apotheke
Überblick Selbstmedikation
In der Apotheke stehen rezeptfreie Präparate zur Verfügung, deren Inhaltsstoffen in unterschiedlicher Hinsicht positive Effekte auf die Gelenke zugesprochen werden.
Hier finden Sie eine Zusammenstellung jener Inhaltsstoffe, die bei rheumatischen Erkrankungen
eingesetzt werden (die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).
In Ihrer Apotheke berät man Sie gerne!
Schmerzmittel zur topischen Anwendung (= über die Haut)
Auch bei lokaler Anwendung können Nebenwirkungen auftreten, wie z.B. allergische Reaktionen –
lassen Sie sich vor der Anwendung ausführlich beraten!
Wirkstoff
Erläuterung
Diclofenac
Gehört als „Essigsäure-Abkömmling“ zur Gruppe der sogenannten
Cyclooxygenase-Hemmstoffe, also zu jenen Schmerzmitteln, die keine
Opiat-Abkömmlinge sind. Besitzt neben der schmerzstillenden auch eine
sehr gute entzündungshemmende Wirkung und kommt daher als eines
der sogenannten nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) bei entzündlichrheumatischen Erkrankungen häufig zum Einsatz.
Darreichungsform: Für die topische Anwendung stehen Salben, Pflaster
und Gele zur Verfügung.
Ibuprofen,
­Ketoprofen
Beide Wirkstoffe sind Propionsäure-Abkömmlinge und gehören ebenfalls
zu den Cyclooxygenase-Hemmern und damit zu den NSAR. Werden zur
Schmerzlinderung und Entzündungshemmung sowie bei Fieber eingesetzt.
Darreichungsform: Ibuprofen steht als Salbe oder Gel, Ketoprofen als Gel
oder Spray zur äußeren Anwendung zur Verfügung.
Diethylaminsalicylat, Hydroxyethylsalicylat
Gehören zu den Salicylaten und sind damit ebenfalls NSAR. Kommen zur
lokalen Therapie von Entzündungen und Schmerzen zum Einsatz.
Darreichungsform: Stehen als Gel oder Salbe zur Verfügung.
Durchblutungsfördernde topische Mittel
Inhaltsstoff
Erläuterung
Capsaicinoide
Scharfstoffe aus Paprika oder Cayennepfeffer. Aufgetragen auf die Haut,
regen sie die Durchblutung an und erzeugen so eine örtliche Erwärmung.
Manche Anwender berichten von einem angenehmen Effekt bei schmerzenden Gelenken.
Darreichungsform: Kommt als Salbe zum Einsatz.
Achtung: Nur auf unverletzte Haut und nicht auf Schleimhäute auftragen!
Danach gründlich die Hände waschen! Nicht gleichzeitig mit Wärmebehandlung anwenden!
106 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Hilfe aus der Apotheke
Benzylnicotinat
Arzneistoff aus der Gruppe der Nikotinsäureester; steigert ebenfalls die
Durchblutung in dem Areal, auf das er aufgetragen wird.
Darreichungsform: als Creme erhältlich
Ätherische
Öle (Campher,
Eukalyptus, Salbei,
Lavendel, Pfefferminzöl, Rosmarinöl u.a.)
Da es bei rheumatischen Erkrankungen aufgrund der Schmerzen häufig zu
Muskelverspannungen kommt, können ätherische Öle, die entspannend und
entkrampfend auf die Muskeln wirken, angewendet werden.
Darreichungsform: Als Badezusatz, zum Einreiben, als Massageöl oder
Kompresse einsetzbar.
Achtung: Ätherische Öle können Nebenwirkungen haben! Verwenden Sie
nicht zu viel und lassen Sie sich vom spezialisierten Apotheker beraten!
Schwangere sollten besonders vorsichtig sein. Hautverträglichkeit am
besten vorab auf einer kleinen Stelle testen.
Einfache Schmerzmittel zur oralen Einnahme (= zum Schlucken)
Wirkstoff
Erläuterung
Paracetamol
nicht-opioides Schmerzmittel; verringert Schmerzen, hat aber im Gegensatz
zu den NSAR keine entzündungshemmende Wirkung.
Darreichungsform: Steht als Tablette und als Granulat (direkt auf die Zunge
geben und schlucken) sowie in anderen Verabreichungsformen zur Verfügung. Längerfristige Anwendung nur auf spezielle Anordnung!
NSAR zur oralen Einnahme (= zum Schlucken)
(Dauertherapie nur nach ärztlicher Verordnung)
Wirkstoff
Erläuterung
Diclofenac
siehe topische Anwendung
Darreichungsform: als Tablette oder Weichkapsel verfügbar
Acetylsalicylsäure
ebenfalls ein NSAR; wirkt schmerzstillend, fiebersenkend und entzündungshemmend. Abkömmling der Salicylsäure, die ursprünglich aus dem Saft
der Weidenrinde gewonnen wurde, mittlerweile jedoch chemisch im Labor
hergestellt wird.
Darreichungsform: als Tablette oder Brausetablette (in Wasser auflösen
und dann trinken) verfügbar
Ibuprofen
siehe topische Anwendung
Darreichungsform: Es stehen Tabletten, Kapseln und Granulate (zum
Auflösen in Wasser) zur Verfügung.
Dexibuprofen,
Naproxen
NSAR mit schmerz- und entzündungshemmender Wirkung
Darreichungsform: als Tablette verfügbar
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 107
Hilfe aus der Apotheke
Überblick Selbstmedikation – Fortsetzung
Chondroprotektiva: „Knorpelaufbauende“ Substanzen
(Wirksamkeit nicht wissenschaftlich bewiesen)
Inhaltsstoff
Erläuterung
Chondroitinsulfat
Gehört zur Gruppe der Glykosaminoglykane. Ist ein natürlicher Bestandteil
der Proteoglykane, die zusammen mit den Kollagenfasern die Gelenkknorpelstruktur bilden. Kann bei Arthrosen eingenommen werden, da ihm ein
schmerzlindernder, entzündungshemmender und knorpelprotektiver Effekt
zugesprochen wird.
Darreichungsform: als Kapseln in der Apotheke erhältlich
Glucosamin
Wirkstoff aus der Gruppe der Aminozucker. Kann bei Arthrosen eingenommen werden, da ihm ein schützender bzw. aufbauender Effekt auf die
Knorpelsubstanz zugesprochen wird.
Darreichungsform: als Kapseln sowie als Salbe erhältlich
Hagebuttenextrakt
Die Hagebutte enthält einen entzündungshemmenden Bestandteil, ein
sogenanntes Galaktolipid. Dieser Stoff ist hitzeempfindlich, in Hagebuttentee
oder -marmelade ist er daher nicht mehr enthalten. Für Fertigpräparate aus
der Apotheke werden die Früchte einer bestimmten Hagebutten-Unterart
besonders schonend aufbereitet, um möglichst viel des wirksamen Inhaltsstoffes zu erhalten. In dieser Form wird der Hagebutte ein entzündungshemmender Effekt zugesprochen.
Darreichungsform: als Trinkgranulat und als Kapseln erhältlich
108 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
KAPITEL 7
BEWEGUNG
& SPORT
Ideal sind Sportarten, die die
Gelenke möglichst wenig
belasten.
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Welche Vorteile bringt regelmäßige
Bewegung?
Regelmäßige Bewegung ist gerade bei
Rheumatikern ein entscheidender Faktor
im Kampf gegen Schmerzen und die
Steifigkeit der Gelenke. Es kommt nicht
darauf an, sportliche Höchstleistungen
zu erbringen, sondern die Muskulatur
auf schonende Weise zu kräftigen. Denn
körperliche Bewegung kann die Gelenkschmerzen lindern, die Beweglichkeit fördern und die Muskelkraft erhöhen. Außerdem hilft die körperliche
Betätigung beim Abnehmen, denn: Jedes Kilogramm Übergewicht belastet
die Gelenke unnötig und verschlimmert
die Beschwerden!
Wichtiger Hinweis: Vor jeder Ausübung
einer neuen Sportart sollte Rücksprache
mit dem Arzt gehalten werden!
Welche Sportarten sind für die
­Gelenke wenig belastend?
Als geeignete Sportarten etwa bei Arthrosen der Hüft-, Knie- oder Sprunggelenke gelten:
110 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
adfahren (starke Steigungen wegen
•R
des erhöhten Drucks auf Knie- und
Hüftgelenk vermeiden!)
•S
chwimmen (bei Beschwerden der
Halswirbelsäule
besser
Rückenschwimmen oder Kraulen als Brustschwimmen!)
•A
quagymnastik
•N
ordic Walking
•G
ymnastik
Tipp: Viele Rheumakranke führen Gymnastikübungen auch gerne in der Gruppe
unter Anleitung eines Trainers durch, da
man dabei hilfreiche Bewegungsabläufe
genau einstudiert, Fehlhaltungen rasch
korrigiert werden und die Motivation oft
viel größer ist.
Welche weiteren Bewegungsarten
werden empfohlen?
•F
eldenkrais-Methode: Bewegungslernmethode, bei der die individuelle
Verbesserung der Bewegungsqualität
und der persönliche Bewegungslernprozess im Mittelpunkt stehen
ilates: sanftes, aber sehr effizientes
•P
Training, das den ganzen Körper beansprucht. Die Muskeln werden so trainiert, dass aus den von Rheuma geplagten Muskelknoten lang gestreckte,
geschmeidige Muskelstränge werden.
Sport trotz Schmerzen – ja oder nein?
Generell sollten Sie Ihr Sport- bzw. Bewegungsprogramm mit Ihrem Arzt besprechen. Dies gilt besonders, wenn Sie
unter Schmerzen leiden. Ein langsamer
Einstieg ist auf jeden Fall anzuraten. So
können auch ältere Menschen oder Ungeübte ein Bewegungsprogramm finden,
Bewegung & Sport
das ihrem Körper guttut und gleichzeitig
Spaß macht. Viele Rheumakranke berichten davon, dass nur die ersten paar Schritte (Walking, Jogging) oder Schläge (Tennis, Tischtennis, Golf) unangenehm bis
schmerzhaft sind, die Schmerzen aber
nach einer kurzen „Warmlaufphase“ wieder verschwinden.
Sollte man auf Krafttraining verzichten?
Nein! Krafttraining ist das Pendant zum
Ausdauertraining und zielt darauf ab, die
Muskeln gesund und kräftig zu erhalten.
Gerade bei einer rheumatischen Erkrankung kommt einem gesunden Muskelsystem eine sehr bedeutende Rolle zu. Die
Aktivitäten des täglichen Lebens werden
Ihnen dadurch leichter fallen und auch
das Verletzungsrisiko wird durch funktionales Krafttraining – Stichwort: Sturzprophylaxe – deutlich gesenkt.
Welche Sportarten sollte man besser
nicht ausüben?
Alle Sportarten, bei denen die Gelenke
heftigen Belastungen durch Stöße ausgesetzt sind, sind für Rheumakranke nur
sehr bedingt empfehlenswert (Basketball,
Volleyball). Jedoch gibt es hier keine generellen Richtlinien. Finden Sie für sich
selbst heraus, welche Sportart Ihnen liegt
oder welche Sie schon vor der Erkrankung ausgeübt haben, und besprechen Sie
mit Ihrem Arzt, ob und welche Gefahren
dabei für Sie bestehen könnten.
Tipps für
das Krafttraining:
• Trainieren Sie die großen Muskelpartien
des Körpers, wie Beine, Brust, Rücken
und Schultern. Geeignet sind leichte
Hanteln, Gymnastikstäbe und elastische
Bänder. Optimal sind Krafttrainingsgeräte,
da diese eine physiologische Gelenkführung gewährleisten und so die Verletzungsgefahr minimieren.
• „Über-Kopf-Übungen“, also Übungen,
bei denen Sie Gewichte höher als bis
zur Schulter heben, sollten nur unter
therapeutischer Anleitung erfolgen.
• Absolvieren Sie das Krafttraining zunächst nur ein- bis zweimal pro Woche.
Später können Sie auf dreimal pro
Woche steigern.
• Trainieren Sie ruhig und kontrolliert. Konzentrieren Sie sich auf den beanspruchten Muskel und vermeiden Sie dabei
Ablenkung (Radio, TV, Plauderei).
• Überfordern Sie sich nicht! Beginnen
Sie mit leichten Gewichten – 0,5 kg
bis maximal 2,5 kg, abhängig von der
jeweiligen Übung – und steigern Sie das
Gewicht dann langsam.
Pro Übung sollten Sie 2–3 Sätze mit
etwa 15 Wiederholungen anstreben.
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 111
KAPITEL 7
IMPFUNGEN
Personen mit chronischen entzündlichrheumatischen Erkrankungen weisen
ein erhöhtes Infektionsrisiko auf. Daher
sind Impfungen für Rheumapatienten
b­ esonders sinnvoll.
112 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
L 7
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Warum sollten sich Rheuma­
Betroffene impfen lassen?
Zum einen, weil aufgrund der Erkrankung ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht. Zum anderen senken auch viele
der Basistherapeutika, die dabei zum
Einsatz kommen, die körpereigene Immunabwehr. Das heißt, Infektionen sind
leichter möglich, da die Abwehrkräfte
weniger aktiv sind. Daher sind Impfungen besonders empfehlenswert!
Wann sollte geimpft werden?
Wurde gerade eine entzündlich-rheumatische Erkrankung diagnostiziert, sollten
Sie Ihren Impfstatus mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen. Dieser wird Ihnen sagen, welche Impfungen noch vor
Beginn der Basistherapie aufgefrischt
bzw. neu vorgenommen werden sollten.
Falls Sie bereits auf eine Basistherapie
eingestellt wurden, sollten Sie im Idealfall erst in „stabilen Krankheitsphasen“,
also wenn keine aktiven Entzündungsprozesse vorliegen, geimpft werden.
Auch hierzu berät Sie Ihr Arzt gerne.
Welche Impfungen sollten NICHT
während einer Basistherapie
d­ urchgeführt werden?
Von „Lebendimpfungen“, d.h. Impfungen gegen Mumps, Masern, Röteln,
Windpocken (Feuchtblattern) und Gürtelrose, Kinderlähmung (oral), Typhus
(oral), Gelbfieber und Rotavirus (Durchfallviren), wird im Allgemeinen während einer Basistherapie abgeraten.
Denn bei einem Lebendimpfstoff macht
der Körper nach der Impfung eine
schwache Infektion durch, erkrankt aber
nicht ernsthaft. Ist das Immunsystem jedoch durch immundämpfende Medikamente geschwächt, besteht das Risiko,
dass die normalerweise harmlosen, abgeschwächten Erreger des Impfstoffes
zu einer schweren Infektion führen.
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 113
Pneumokokken (Lungenentzündung),
die für die Allgemeinbevölkerung ab
dem 50. Lebensjahr sinnvoll ist, sollte
bei rheumatischen Erkrankungen unabhängig vom Lebensalter erfolgen. Sprechen Sie jedoch jede Impfung vorab mit
Ihrem behandelnden Rheumatologen ab.
Was ist bei Reiseimpfungen zu
beachten?
Welche Impfungen sind
­empfehlenswert?
Alle Impfungen des Österreichischen
Impfplans sind auch für Rheumapatienten empfohlen, dies gilt insbesondere für
die Influenza. Eine Impfung gegen
Impfungen mit Totimpfstoffen (betrifft
den Großteil aller Reiseimpfungen) sind
möglich, solche mit Lebendimpfstoffen,
wie Gelbfieber oder die orale Typhusimpfung, jedoch nicht. Erkundigen Sie
sich rechtzeitig über Impfempfehlungen
für Ihr Reiseziel und besprechen Sie
eventuell nötige Impfungen unbedingt
vorab mit Ihrem Rheumatologen!
Impfkalender aller empfohlenen Impfungen für Erwachsene
18–
80
30
40
50
60
65
70
75
20
Jahre
Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre
Jahre
usw.
Alter p
Impfung s
Diphtherie (DIP)
Tetanus (TET)
Pertussis (PEA)
Poliomyelitis (IPV)
alle 10 Jahre auffrischen
Humane
P­ apillomaviren (HPV)
alle 5 Jahre auffrischen
gegebenenfalls nachholen
}
Mumps
Masern (MMR)
Röteln
gegebenenfalls nachholen
FSME
alle 5 Jahre auffrischen
Pneumokokken
alle 3 Jahre auffrischen
siehe Empfehlung S. 114
Herpes Zoster (HZV)
Influenza (IV)
n empfohlen
einmalige Gabe
jährlich
n unter Immunsuppression nicht erlaubt
114 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Impfungen
Impfungen bei Kindern, die mit Immunsuppressiva behandelt werden
Diphtherie/Tetanus/Keuchhustenempfohlen
Kinderlähmung (Polio), Schluckimpfung
(in Europa nicht mehr in Verwendung)
nicht erlaubt
Kinderlähmung, inaktivierte Poliovakzine
empfohlen
Masern/Mumps/Röteln (MMR)
nicht erlaubt
Haemophilus influenzae B
empfohlen
Pneumokokkenempfohlen*
Influenza (Grippe)
empfohlen
Tuberkulose (BCG) (seit vielen Jahren nicht mehr Teil des
Österreichischen Kinderimpfplans)
nicht erlaubt
Hepatitis B
empfohlen
Meningokokken (alle derzeit verfügbaren Impfstoffe)
erlaubt
* im Gegensatz zu gesunden Kindern unabhängig vom Alter
Was ist bei Kindern, die an Rheuma
erkranken, bei Impfungen zu beachten?
Kinder, die an juveniler idiopathischer Arthritis (JIA) erkranken, weisen ebenfalls
ein erhöhtes Infektionsrisiko bzw. das Risiko von Infektionskomplikationen auf.
Das empfohlene Impfprogramm für Kinder bei ihnen durchzuführen ist daher besonders anzuraten. Eine Einschränkung
besteht allerdings für K
­ inder, die mit Im-
munsuppressiva (= Medikamente, die das
Immunsystem „herunterfahren“) oder höheren Kortisondosen behandelt werden
müssen. Bei ihnen dürfen Impfungen mit
Lebendimpfstoffen nicht durchgeführt
werden. Mehr dazu siehe Kasten.
Für nähere Informationen sprechen
Sie mit dem behandelnden Arzt Ihres
Kindes!
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 115
Selbsttest
Selbsttest zu entzündlichem Rheuma
1. Haben Sie zwei oder mehr Gelenkschwellungen an Ihren Fingergrund- oder
Fingermittelgelenken bzw. Zehengrund- oder Zehenmittelgelenken?
ja nein
2. Leiden Sie seit mehr als sechs Wochen unter Gelenkschmerzen, die
nicht von einer Verletzung herrühren?
ja nein
3. Sind Ihre Hände morgens so steif, dass Sie länger als eine Stunde
Probleme haben, eine Faust zu machen?
ja nein
4. Verstärken sich Ihre Gelenkschmerzen, wenn Sie sich bewegen?
ja nein
5. Haben Sie Schmerzen beim Stufensteigen bzw. Treppabgehen?
ja nein
6. Können Sie in Gelenknähe oder bei Knochenvorsprüngen unter der
Haut liegende Knötchen ertasten?
ja nein
7. Haben Sie Beschwerden in Gelenkregionen auf beiden Körperseiten
(beide Hände, beide Schultergelenke, beide Fußgelenke etc.) schon
über einen Zeitraum von sechs Wochen?
ja nein
8.Hat Sie in der letzten Zeit einmal ein Arzt nach einer Blutuntersuchung
darauf hingewiesen, dass Ihre Entzündungswerte im Blut erhöht sind?
ja nein
9. Haben Sie Schmerzen beim Händedruck?
ja nein
10. Leiden ein Elternteil oder nahe Verwandte an entzündlichem Rheuma
(Veranlagung als Ursache)?
ja nein
Wenn Sie Frage 1 mit „ja“ beantwortet oder von den restlichen Fragen mehr als drei
mit „ja“ beantwortet haben, sollten Sie umgehend einen Spezialisten (Rheumatologen) aufsuchen.
116 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017
Selbsttest
Selbsttest zu degenerativem Rheuma – Arthrose
1. Sind Sie älter als 40 Jahre?
ja nein
2. Sind Sie übergewichtig?
ja nein
3. Sind in Ihrer Familie Fälle von Gelenkerkrankungen, Fehlhaltungen
oder Arthrose bekannt?
ja nein
4. Haben Sie einen Beruf, bei dem Sie oft schwer tragen müssen oder
­hauptsächlich kniende Tätigkeiten ausführen?
ja nein
5. Bewegen Sie sich täglich weniger als 30 Minuten?
ja nein
6. Leiden Sie unter „Anlaufschmerzen“, Druckschmerzen oder
plötzlichem Bewegungsausfall?
ja nein
7. Haben Sie das Gefühl, Ihre Gelenke reiben bei Bewegung aneinander
oder „krachen“?
ja nein
8. Schmerzen die Knie- oder Hüftgelenke bei den ersten Schritten und
„gehen sie sich dann ein“?
ja nein
9. Treten Ihre Beschwerden auch in Ruhephasen – sprich, ohne Bewegung – auf?
ja nein
10. Hatten Sie bereits Gelenkverstauchungen oder Prellungen?
ja nein
Wenn Sie mehr als drei Fragen mit „ja“ beantwortet haben, sollten Sie umgehend einen
Spezialisten (Rheumatologen) aufsuchen.
Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 117
Selbsthilfegruppen
Ansprechpartner in
sozialen Fragen:
• Bundessozialamt
1010 Wien, Babenbergerstraße 5
Tel.: 05 99 88
[email protected]
www.sozialministeriumservice.at/
• Bundesministerium für Finanzen
1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b
Bürgerservice: Tel.: 0810 001 228
www.bmf.gv.at
• Fonds Soziales Wien
Pflege und Betreuung
1030 Wien, Guglgasse 7-9
Tel.: 01/24 5 24
[email protected]
www.pflege.fsw.at
• Bundesministerium für Arbeit,
Soziales und Konsumentenschutz
(BMASK)
1010 Wien, Stubenring 1
Tel.: 01/711 00-0
BürgerInnenservice Tel.: 0800/20 16 11
(kostenfrei aus ganz Österreich)
www.bmask.gv.at
Selbsthilfegruppen:
• Österreichische Rheumaliga (ÖRL)
Gertraud Schaffer (Präsidentin)
5762 Maria Alm, Dorfstraße 4
Tel.: 0699/155 41 679
[email protected]
www.rheumaliga.at
• Österreichische Vereinigung
Morbus Bechterew (ÖVMB)
Ing. Paul Pocek (Präsident)
1020 Wien, Obere Augartenstraße 26-28
Tel.: 0676 483 80 72
[email protected]
www.bechterew.at
• PSO Austria (Selbsthilfeverein der
PsoriatikerInnen Österreichs)
Gabriele Schranz (Vereinsobfrau)
1020 Wien,
Obere Augartenstraße 26-28/1.18
Tel.: 0664/731 11 991
[email protected]
www.psoriasis-hilfe.at
• Rheumalis (SHG für Eltern
rheumaerkrankter Kinder und
Jugendlicher)
Karin Formanek (Leiterin)
Tel.: 0699/197 48 811
[email protected]
www.rheumalis.org
Weitere Links:
www.rheumatologie.at
www.rheuma-online.at
www.netdoktor.at
Wir danken folgenden Firmen für die freundliche Unterstützung:
Die Alternative zur
Schmerztablette.
Voltadol® Forte Schmerzgel ist stark
konzentriert, so dass man es nur alle
12 Stunden auftragen muss.
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und Gelenke
✔ Schmerzlindernd und
entzündungshemmend
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✔ Leicht zu öffnende
Verschlusskappe
STÄRKER, UM LÄNGER ZU WIRKEN
Über Wirkung und mögliche unerwünschte Wirkungen informieren Gebrauchsinformation, Arzt oder Apotheker.
Wirkstoff: Diclofenac. Stand: Jänner 2017.
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