GESUNDHEITSRATGEBER Bewegungsapparat & Rheuma Euro 5,- verstehen 7. G IG UNA B H ÄN U tenExper üft gepr GIG B UNA HÄN aktuali sie Auflage rte • Früherkennung rheumatischer Erkrankungen • Aktuelle Therapiemöglichkeiten • Gesunderhaltung des Bewegungsapparates N AB HÄNG IG Bewegungsapparat & Rheuma verstehen SEITE EDITORIAL 5, 6 LEBEN MIT RHEUMA8 ENTZÜNDLICH-RHEUMATISCHE ERKRANKUNGEN 20 HEUMATOIDE ARTHRITIS R (CHRONISCHE POLYARTHRITIS) 21 JUVENILE IDIOPATHISCHE ARTHRITIS (JIA) 28 MORBUS BECHTEREW (SPONDYLOARTHRITIS) 33 PSORIASIS-ARTHRITIS 39 GICHT 44 MEDIKAMENTÖSE THERAPIE 47 NICHT-MEDIKAMENTÖSE THERAPIE 59 REGELMÄSSIGE KONTROLLEN UND THERAPIEANPASSUNG65 2 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 INHALT VERSCHLEISSRHEUMATISMUS66 ARTHROSE 67 OSTEOPOROSE 74 WEICHTEILRHEUMATISMUS78 FIBROMYALGIE 79 POLYMYALGIA RHEUMATICA (PMR) 82 SYSTEMISCHER LUPUS ERYTHEMATODES (SLE)84 SCHMERZ: URSACHE UND THERAPIE89 HILFE AUS DER APOTHEKE99 BEWEGUNG & SPORT109 IMPFUNGEN 112 SELBSTTESTS 116, 117 SELBSTHILFEGRUPPEN118 IMPRESSUM: Herausgeber und Medieninhaber: MedMedia Verlags- und Mediaservice GesmbH, 1070 Wien‚ Seidengasse 9 / Top 1.1. Projektleitung: Alexandra Hindler. Redaktion: Dr. Karl H. Fenzl & Mag. Nicole Gerfertz. Layout und Grafik: creativedirector.cc lachmair gmbh. Lektorat: Mag. Andrea Crevato. Druck: Ferdinand Berger & Söhne GmbH, 3580 Horn. Fotos: shutterstock.com, stock.adobe.com Die gesetzliche Offenlegung gemäß § 25 MedienG finden Sie unter www.medmedia.at/home/impressum. Alle Texte in „Bewegungsapparat & Rheuma verstehen“ wurden nach bestem Wissen recherchiert. Irrtümer sind vorbehalten. Trotz sorgfältiger Prüfung übernehmen Verlag und Medieninhaber keine Haftung für drucktechnische und inhaltliche Fehler. Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird jeweils nur die männliche Form der Bezeichnung von Personen ( z.B. der Patient ) verwendet, damit ist aber sowohl die weibliche als auch die männliche Form gemeint. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt, verwertet oder verbreitet werden. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 3 MITWIRKENDE WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT DIESER AUSGABE: Prim. Dr. Gabriele Eberl, MBA Ärztliche Direktorin des Klinikums Malcherhof Baden, Baden bei Wien Univ.-Prof. Dr. Winfried Graninger Leiter der Klinischen Abteilung für Rheumatologie, LKH-Universitätsklinikum Graz Prim. Univ.-Prof. Dr. Ludwig Erlacher Leiter der 2. Medizinischen Abteilung, SMZ-Süd, Wien Prim. Priv.-Doz. Dr. Günter Höfle Leiter der Abteilung für Innere Medizin, LKH Hohenems MITWIRKENDE DIESER AUSGABE: Dr. Georg Rüdiger Barisani Facharzt für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie Leiter der Abteilung für Unfallchirurgie, Sanatorium Hera, Wien Univ.-Prof. Dr. Hans Peter Dimai Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Knochen und Mineralstoffwechsel Vizerektor für Studium und Lehre, Universitätsklinik für Innere Medizin, Klinische Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel, Medizinische Universität Graz Univ.-Doz. Dr. Johann Gruber Universitätsklinik für Innere Medizin VI, Rheumatologie, Innsbruck Prim. Univ.-Prof. Dr. Burkhard Gustorff, DEAA Vorstand der Abteilungen für Anästhesie, Intensiv- und Schmerzmedizin, Wilhelminenspital der Stadt Wien Univ.-Doz. Dr. Ursula Hollenstein Vorstand Reisemedizinisches Zentrum Traveldoc, Wien Prim. Univ.-Doz. Dr. Christian Huemer Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, LKH Bregenz Prim. Priv.-Doz. Dr. Burkhard Leeb Vorstand der 2. Medizinischen Abteilung, Niederösterreichisches Kompetenzzentrum für ­Rheumatologie, Landesklinikum Stockerau Prim. Dr. Monika Mustak-Blagusz Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie SKA-RZ Gröbming, Pensionsversicherungsanstalt Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Quittan, MSc Vorstand des Instituts für Physikalische Medizin und ­Rehabilitation, SMZ-Süd und SMZ-Floridsdorf, Wien OÄ Dr. Andrea Studnicka-Benke Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie Universitätsklinik für Innere Medizin III, Salzburg Prim. Univ.-Prof. Dr. Franz Trautinger Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten, ­Universitätsklinikum St. Pölten, Karl-Landsteiner-Universität für Gesundheitswissenschaften OÄ Dr. Maria-Christina Walter 2. Medizinische Abteilung, SMZ-Süd, Wien Wir danken allen Mitwirkenden für die Unterstützung. Erstellt in Kooperation mit dem 4 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Redaktion: Dr. Karl H. Fenzl & Mag. Nicole Gerfertz EDITORIAL © Harald Eisenberger Prim. Univ.-Prof. Dr. Ludwig Erlacher, Wien Sehr geehrte Leserinnen und Leser! Hiermit dürfen wir Ihnen bereits die 7. überarbeitete und aktualisierte Neuauflage des Patientenratgebers „Rheuma verstehen“ präsentieren. Sie finden in diesem Ratgeber umfassende Informationen zu den unterschiedlichen rheumatischen Erkrankungen. Diese wurden klar strukturiert und verständlich aufbereitet. Der bewährte „Frage-Antwort-Modus“ soll Ihnen dabei helfen, möglichst leicht genau jene Antworten zu finden, die für Sie wichtig sind. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass die klinische Untersuchung unverändert die Basis jeder Abklärung einer rheumatischen Erkrankung darstellt. Laborparameter und die Ergebnisse der Bildgebung ergänzen nur den klinischen Befund. Betroffene können – so meine langjährige Erfahrung als Facharzt für Rheumatologie – sehr davon profitieren, mehr über ihre Erkrankung zu wissen. Wichtig dabei ist natürlich immer die Absprache mit den behandelnden Ärzten. Gemeinsames Ziel von Arzt und Patient ist es, die Lebensqualität des Betroffenen zu erhalten bzw. wieder herzustellen und Krankheiten rechtzeitig zu behandeln, um so Spätschäden zu verhindern. Dieser Ratgeber soll Ihnen daher auch eine Hilfestellung bieten für die Gespräche mit Ihrem Arzt, damit Sie gemeinsam die für Sie am besten geeignete Therapie festlegen können. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre! Prim. Univ.-Prof. Dr. Ludwig Erlacher Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 5 EDITORIAL Mag. Gudrun Kreutner Leitung Presse und Kommunikation, Österreichische Apothekerkammer Sehr geehrte Leserinnen und Leser! Die Ratgeber aus der Serie „Gesundheit verstehen“ erfreuen sich bei Apothekenkundinnen und -kunden großer Beliebtheit und waren in der Vergangenheit oftmals schnell vergriffen. Gerade in einer Zeit, in der man zwar von Informationen über­ flutet wird, aber vor allem im Internet nicht immer zuverlässige und seriöse Antworten findet, ist ein kompetenter Ratgeber besonders wertvoll. Das betrifft auch das Thema rheumatische Erkrankungen. Auf wissenschaftlicher Basis, praxisnah und gut verständlich präsentiert sich daher nun die bereits 7. Auflage des Gesundheitsratgebers „Rheuma verstehen“. Die neue Auflage wurde inhaltlich ergänzt und wissenschaftlich aktualisiert. Das Themenspektrum umfasst die Früherkennung rheumatischer Erkrankungen, Therapien sowie Tipps zu Bewegungsarten. Das Buch gibt einen guten Überblick zu allen Formen des Rheumatismus und enthält einen eigenen Teil zur Hilfe aus der Apotheke. Das alles gibt es wie immer im bewährten Frage-Antwort-Prinzip. Wichtig sind auch die Hinweise auf Impfungen während einer Basistherapie. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern eine interessante Lektüre und hoffe, dass Sie viele zufriedenstellende Antworten auf Fragen zum Thema Rheuma finden! Mag. Gudrun Kreutner 6 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Morbus Bechterew Machen Sie mit bei der Umfrage Wie ist das Leben mit AS Dieser Fragebogen wurde in Zusammenarbeit mit RheumatologInnen und der Patientenorganisation entwickelt. Ziel dieser Umfrage ist eine umfassende Analyse der Herausforderungen, mit denen Betroffene in Österreich und anderen Ländern Europas konfrontiert sind. In weiterer Folge möchten wir das Bewusstsein für die Erkrankung in unserer Gesellschaft steigern und einen Aktionsplan für Politik und Gesundheitswesen entwickeln. Gemeinsam können wir ein Konzept erarbeiten, das in der Gesellschaft ein erhöhtes Bewusstsein für die Erkrankung und damit die Voraussetzung für eine Verbesserung der Lebenssituation der PatientInnen schafft. Um an der Umfrage teilzunehmen, gehen Sie auf www.lebenmitbechterew.at Mit Ihrer Unterstützung können wir die Betreuung von PatientInnen mit Morbus Bechterew weiter verbessern! Österreichische Vereinigung Morbus Bechterew Ehrenamtlich geführte Selbsthilfeorganisation Mit freundlicher Unterstützung von Stella-Klein-Loew-Weg 17, A-1020 Wien www.novartis.at AT1702590277, 05/2017 Die Beantwortung der Umfrage dauert etwa 30 Minuten. LEBEN MIT RHEUMA Früherkennung ist bei rheumatischen Erkrankungen von großer Bedeutung, um entsprechend behandeln zu können. Denn mit einer konsequenten Therapie sind die Erkrankungen gut in den Griff zu bekommen. Leben mit Rheuma Rheuma – was ist das eigentlich? Der Begriff „Rheuma“ kann übersetzt werden mit „Schmerzen im Bewegungsapparat“. Unter diesem Begriff fasst man alle Schmerzen und Funktionsstörungen am Bewegungsapparat (dazu gehören Knochen, Gelenke und Muskeln) zusammen. „Rheuma“ dient daher als Oberbegriff für rund 400 Erkrankungen, hinter denen sich eine Vielzahl an Beschwerden und Ursachen verbirgt. Ist Rheuma eine seltene Erkrankung? Im Gegenteil: Jeder Dritte ist im Laufe seines Lebens von einer rheumatischen Erkrankung betroffen. Früherkennung, d.h. die frühzeitige Diagnose, ist dabei besonders wichtig. Heilt Rheuma von alleine wieder? Leider nein! Daher sollten Sie gleich beim Auftreten der ersten Warnsignale (Gelenkschmerzen und -schwellungen, Morgensteifigkeit etc.; siehe Kasten, Seite 11) einen Arzt aufsuchen, damit frühzeitig eine entsprechende Therapie eingeleitet werden kann. Doch viele Betroffene setzen sich erst zu spät mit der Möglichkeit, an Rheuma erkrankt zu sein, auseinander. Für die Gesunderhaltung der Gelenke ist es wertvolle Zeit, die hier verstreicht! Für alle rheumatischen Krankheitsbilder gilt: Wer einmal daran erkrankt ist, braucht oft auf Dauer eine Therapie. Insbesondere der Entzündungsrheumatismus schreitet, wird er nicht entsprechend behandelt, in jedem Fall fort. Dies führt zu Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates und irreversiblen (= nicht umkehrbaren) Gelenk- zerstörungen. Es drohen Behinderungen bis hin zur Arbeitsunfähigkeit. Neben den Schmerzen bringt die Erkrankung für die Betroffenen auch eine massive seelische Belastung mit sich. Ist Rheuma eine „Alte-Leute-Krankheit“? Nein! Rheuma ist nicht zwangsläufig an ein hohes Lebensalter gekoppelt. Zum ­Beispiel: • Der typische Patient, der an einer chronischen entzündlich-rheumatischen Systemerkrankung (z.B. rheumatoide Arthritis) leidet, ist oft um die 40 Jahre jung und weiblich. • Patienten, die an Fibromyalgie erkranken, sind im Durchschnitt 35 Jahre alt. • Spondyloarthritis, eine weitere entzündliche rheumatoide Erkrankung, tritt mit ihren ersten Symptomen um das 23. Lebensjahr auf. • Auch Arthrose ist nicht zwangsläufig eine Alterserscheinung. Welche Erkrankungen gehören zu „Rheuma“? Die diversen rheumatischen Erkrankungen werden entsprechend ihren Ursachen in verschiedene Gruppen eingeteilt („rheumatischer Formenkreis“). Eine Übersicht über Symptome und Therapie finden Sie auf 18/19. 1. Entzündungsrheumatismus: entzündlich-rheumatische Gelenkerkrankung, z.B. rheumatoide Arthritis, juvenile idiopathische Arthritis, Psoriasis-Arthritis 2. Abnutzungsrheumatismus: degenerative Gelenk- und Wirbelsäulenveränderung, z.B. Arthrose Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 9 Leben mit Rheuma 3. Weichteilrheumatismus: auch als ex­ traartikulärer Rheumatismus bezeichnet, das bedeutet „außerhalb der Gelenkkapsel eines Gelenks gelegen“, z.B. Fibromyalgie. Auch Erkrankungen aufgrund der Abnützung und Überlastung von Sehnen oder Schleimbeuteln bei lokalen Schmerzen in nur einem Gelenk werden dazu gezählt, z.B. Kalkschulter. 4. Stoffwechselbedingte Gelenkerkrankungen, z.B. Gicht 5. Kollagenosen: Das Immunsystem führt zu Entzündungen im Körper (Gelenkschwellung, Entzündung der Nieren, der Lunge usw.) und an der Haut. Was passiert bei den verschiedenen rheumatischen Erkrankungen? Beim Entzündungsrheumatismus kommt es in unterschiedlichen Gelenken des Körpers zu immer wiederkehrenden oder ständig bestehenden (= chronischen) Entzündungen eines Gelenks (Monarthritis), einiger (Oligoarthritis) oder mehrerer Gelenke (Polyarthritis). Der Grund liegt in einer überschießenden Reaktion des Immunsystems, das sich gegen den eigenen Körper richtet. Daher spricht man auch von einer Autoimmunerkrankung. Häufigkeit von rheumatoider Arthritis in Österreich: ca. 40.000 Menschen Beim Abnutzungsrheuma nutzt sich der Gelenkknorpel ab und der darunter liegende Knochen verändert sich. Dies kann so weit gehen, dass die Knochen aneinander reiben. Es kann dabei auch zu einer Entzündung der Gelenkinnenhaut kommen; Schwellungen sind die Folge. 10 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Gelenkentzündungen, -schwellungen und -schmerzen sind typisch für rheumatische Erkrankungen. Häufigkeit: rund 1,3 Mio. Arthrose-Erkrankte in Österreich Unter Weichteilrheumatismus werden Erkrankungen der Sehnen, Sehnenscheiden, Muskeln, Bänder und Schleimbeutel, die örtlich eingegrenzt werden können, verstanden. Eine Sonderform stellt die Fibromyalgie (= chronisch weit verteilter Schmerz) dar. Häufigkeit: bis zu 5% der Bevölkerung Zu den stoffwechselbedingten rheumatischen Erkrankungen zählt beispielsweise Gicht. Dabei kommt es zu einer Ablagerung von Harnsäurekristallen in den Gelenken. Leben mit Rheuma Welche Beschwerden deuten auf Rheuma hin? Die ersten Beschwerden werden von Betroffenen oft als diffus (= nicht klar abgegrenzt) und schwer zuordenbar dargestellt. Meist denken sie, sie hätten nur schlecht gelegen oder ihren Körper überanstrengt. Wie sich nach mitunter monatelangen Schmerzen herausstellt, waren dies jedoch die Vorboten einer rheumatischen Erkrankung. Wichtiger Hinweis: Gerade bei rheumatischen Erkrankungen gilt: Je früher diagnostiziert und mit einer entsprechenden Therapie begonnen wird, desto besser sind die Behandlungserfolge! So können Sie bleibende Schäden verhindern. Gibt es einen Zusammenhang ­zwischen Immunsystem und Rheuma? Unser Immunsystem ist dafür verantwortlich, Fremdkörper inklusive Bakterien, die in unseren Körper eindringen, wirksam auszuschalten. Bei ent­ zündlich-rheumatischen Erkrankungen kommt es jedoch zu einer Störung des Immunsystems: Es kann nicht mehr exakt zwischen fremden und eigenen Substanzen unterscheiden. Daher greift der Körper seine eigenen Strukturen, wie beispielsweise bei der rheumatoiden Arthritis die Gelenkinnenhaut, an. Die Folge: Das betroffene Gelenk schwillt an, wird unter Umständen warm und es kommt in weiterer ­Folge zu Auswirkungen auf den ganzen Körper. Man spricht daher von einer entzündlich-rheumatischen Systemerkrankung. Die Gelenkveränderungen bei Arthrosen sind überwiegend nicht entzündlich be- dingt. Hier ist das Immunsystem nicht beteiligt. Mögliche erste Symptome – bitte ärztlich abklären lassen! 1. V erdacht auf chronisch-entzündliche rheumatische Erkrankung: ­Gelenkschmerzen und -schwellung ohne nachvollziehbaren Grund, Nachtschweiß, Müdigkeit, Morgensteifigkeit; häufig sind zunächst Finger und Zehen betroffen, später auch die großen Gelenke; oftmals symmetrische Schwellungen der gleichen Gelenke auf beiden Körperseiten. 2. V erdacht auf Abnützung (­ degenerative Erkrankung): Schmerzen, die am Beginn einer körperlichen Tätigkeit auftreten und nach kurzer Zeit der Bewegung wieder nachlassen (Anlaufschmerzen) sowie ein Gefühl der Spannung in den Gelenken vor allem bei Wetterumschwung zu nasskalten Perioden. 3. Verdacht auf Weichteilrheumatismus: Schmerzen in bestimmten Muskeln, Sehnen und Gelenken. Die Schmerzattacken können auch wechselnd verschiedene Körperregion betreffen. 4. Verdacht auf Gicht: Schmerz, ­Druckempfindlichkeit und Schwellung von Gelenken über Nacht; ­mitunter kurz vor dem Anfall intensiver A­ lkoholkonsum. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 11 Leben mit Rheuma Entzündungsrheumatismus – was sind die Ursachen? Ein eindeutiger Auslöser für die Fehlfunktion des Immunsystems bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen konnte bisher noch nicht gefunden werden. In einigen Fällen wurden jedoch familiäre und geschlechtsspezifische Häufungen festgestellt. Der Einfluss von Erbfaktoren ist bewiesen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die jeweilige rheumatische Erkrankung eine Erbkrankheit ist. Bei Kindern von Entzündungsrheumatikern besteht eine nur gering erhöhte Wahrscheinlichkeit, eine rheumatische Entzündungserkrankung zu entwickeln. Kann eine anderweitige Entzündung schuld an Arthritis sein? Grundsätzlich ja. Hier muss jedoch klar unterschieden werden: Bei der bakteriellen Arthritis kann beispielsweise eine Infektion eine bakterielle Gelenkeiterung hervorrufen, nachweisbar in der Gelenkflüssigkeit. Diese Akuterkrankung lässt sich in der Regel mit Antibiotika und Gelenkspülungen gut sanieren. Davon zu unterscheiden ist die reaktive Arthritis, bei der eine Infektion anderer Organe (Harntrakt, Atemwege, Darm) als Auslöser für eine Gelenkentzündung verantwortlich ist. Dabei können in den betroffenen Gelenken selbst keine Keime festgestellt werden, sehr wohl aber im Harn oder in einer Stuhlprobe. Welche Ursachen hat V­ erschleißrheumatismus? Zu den Ursachen für degenerative Erkrankungen gehören u.a. Gelenkfehlstellungen sowie Überlastung der Ge­ 12 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 lenke durch Beruf, Übergewicht oder Leistungssport. Was ist eine Anamnese und wozu dient sie? Unter Anamnese versteht man die individuelle Krankengeschichte eines Menschen. Diese liefert Hinweise für die richtige Diagnose (Krankheitsbezeichnung). Sinnvoll ist es, wenn der Betroffene schon vor dem ersten Arztbesuch die drei sogenannten „W“-Fragen für sich beantwortet (siehe Kasten). Zu wem gehe ich, wenn ich G ­ elenkschmerzen habe? • Allgemeinmediziner/praktischer Arzt („Hausarzt“): Er ist die erste Anlaufstelle. Der Allgemeinmediziner leitet seine Patienten bei Bedarf an einen Facharzt weiter. Deuten die Unter­ suchungsergebnisse auf eine rheuma­ tische Erkrankung hin, wird er den ­Patienten im Sinne der optimalen Betreuung an einen Rheumatologen überweisen. Zur Vorbereitung auf den ­Arztbesuch: die 3 „W“-Fragen •W ann – zu welcher Tageszeit, bei ­welchem Wetter tritt der Schmerz auf? •W o – an welchen Gelenken tritt der Schmerz/die Schwellung auf? •W ie – kann man eine Schwellung ­bemerken, wird das Gelenk warm, ist es am Morgen steif etc.? Leben mit Rheuma Gelenkschmerzen immer ärztlich abklären lassen! • Orthopäde: Fachärzte, die einerseits chirurgische Operationen durchführen, andererseits mittels Spritzen (Infiltrationen, Injektionen) und Manualtherapie (sog. konservative Orthopädie) die Schmerzen behandeln, aber auch Fehlhaltungen korrigieren. Orthopäden können die Zusatzspezialisierung für Rheumatologie haben. • Rheumatologe: Facharzt für Innere Medizin mit einer dreijährigen Zusatzausbildung im Bereich der Rheumatologie und Immunologie. Er hat spezielle Kenntnisse in der Diagnose und Therapie von Patienten mit entzündlichen und degenerativen Skelett-, Weichteil- und Autoimmunerkran­ kungen. Rheumatologen sind dafür ausgebildet, gezielte körperliche, laborchemische und radiologische Untersuchungen durchzuführen oder zu veranlassen. Darauf aufbauend erstellen sie einen Befund und besprechen dann geeignete Behandlungsformen und Maßnahmen mit dem Patienten. Wie sieht der Diagnoseablauf aus? Die erste Anlaufstelle ist, wie bereits erwähnt, in der Regel der praktische Arzt. Dieser wird die Krankengeschichte ­aufnehmen und den Patienten, falls der Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung besteht, an einen Rheumatologen überweisen. Erhärtet sich der Verdacht Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 13 Leben mit Rheuma durch den sogenannten „Rheumastatus“ (gezielte Untersuchung), Laborwerte und Röntgenbefund, kann umgehend mit einer medikamentösen Therapie begonnen werden. Sind die Ergebnisse nicht aussagekräftig genug, um eine klare Entscheidung zu treffen, bestehen aber weiterhin Gelenkschmerzen, müssen zusätzliche Untersuchungen, welche die Entzündungen darstellen können (z.B. Magnet­ resonanztomografie mit Kontrastmittel, hochauflösender Gelenkultraschall), durchgeführt werden. „Moderne Rheumatherapie“ – was heißt das? Wichtigstes Element der Therapie ist die Übereinkunft zwischen Arzt und Patient über die Ziele der Behandlung. Der Be- troffene muss sich von seinem behandelnden Arzt verstanden fühlen. Das Therapiekonzept soll maßgeschneidert sein. Die Auswahl der Medikation richtet sich nach Ursache und Verlauf der rheumatischen Erkrankung. In einem ersten Schritt ist es wesentlich, die Schmerzen des Betroffenen in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig kann man heute das Fortschreiten der Erkrankung verzögern, im besten Fall sogar stoppen. Ziel einer rechtzeitigen und richtigen Therapie ist es, die Gelenkzerstörung zu verhindern und die Gelenkfunktionen zu erhalten. Wird nicht oder nur unzureichend behandelt, bedeutet das für den Patienten ein Leben mit Schmerzen und fortschreitender körperlicher Behinderung. Rheumatoide Arthritis: Beschwerden treten oftmals zuerst in den Fingergelenken auf. 14 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Leben mit Rheuma Welche Rolle spielt die Psyche? Für die Betroffenen bringt die Erkrankung eine starke psychische Belastung mit sich, da es sich um eine chronische, oft lebenslange Erkrankung handelt. Viel Selbstdisziplin ist für die häufig jahrelange medikamentöse Therapie vonnöten. Schmerz- und Stressmanagement spielen eine wichtige Rolle. Psychologische Hilfe – vom Stress­ training über autogenes Training bis zur Verhaltenstherapie – kann sich vorteilhaft auf den Krankheitsverlauf auswirken. Warum gelten so viele Menschen mit Rheuma als „nicht therapiert“? In Österreich ist die Versorgung mit den entsprechenden Medikamenten, Physiotherapien und anderen Hilfestellungen sehr gut bis ausgezeichnet. Das Problem ist an anderer Stelle zu suchen: Jeder zweite Rheumatiker war mit seinen Beschwerden noch nie beim Arzt! Die Betroffenen ordnen ihre Beschwerden oft erst spät einer rheumatischen Erkrankung zu. Somit kann der Allgemeinmediziner die Zuweisung zu einer Laboruntersuchung oder einem Rheumatologen gar nicht veranlassen. Gibt es bei rheumatischen E­ rkrankungen geschlechtsspezifische Unterschiede? Ja. Frauen sind insgesamt häufiger von rheumatischen Erkrankungen betroffen als Männer. Hier ein Überblick über den Anteil Frauen – Männer bei den verschiedenen rheumatischen Erkrankungen: • Rheumatoide Arthritis (RA): Frauen erkranken zwei- bis dreimal häufiger an RA als Männer. Einen maßgeblichen Einfluss dürften Hormone haben. Systemischer Lupus erythematodes • (SLE): Der SLE findet sich bei etwa 1 Promille der Bevölkerung und tritt zehnmal häufiger bei Frauen auf als bei Männern. Abgesehen von genetischen Faktoren spielen auch hier hormonelle Faktoren bei der Entstehung der Erkrankung eine große Rolle. • Fibromyalgie: Auch diese Erkrankung betrifft Frauen etwa sechsmal häufiger als Männer. • Morbus Bechterew (Spondylitis ­ankylosans): Diese Erkrankung betrifft Männer gleichermaßen wie Frauen. Allerdings verläuft die ­Spondylitis ankylosans (AS) bei Frauen meist deutlich milder als bei Männern. Können auch Kinder an Rheuma erkranken? Ja. Diese Form von Rheuma nennt man „juvenile idiopathische Arthritis“ (JIA). Es handelt sich dabei um eine Autoimmunerkrankung, die vom Säugling bis zum Jugendlichen auftreten kann. Die Ursachen für die Fehlreaktion des Immunsystems sind bisher nicht gänzlich geklärt. Ist von einer Schwangerschaft bei Rheuma abzuraten? Eine Schwangerschaft ist prinzipiell möglich, allerdings sollte sie nur in Phasen niedriger bis keiner Krankheitsaktivität und in Absprache mit dem behandelnden Arzt geplant werden. Eine erhöhte Krankheitsaktivität der Mutter bedeutet unabhängig von der genauen Diagnose der rheumatiBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 15 Leben mit Rheuma Während der Schwangerschaft sind regelmäßige rheumatologische Kontrolluntersuchungen notwendig! schen Erkrankung ein geringgradig erhöhtes Risiko für eine Fehlgeburt, Frühgeburtlichkeit und Wachstumsstörungen des Kindes. Vorsicht: Viele Medikamente müssen rechtzeitig vor einer geplanten Schwangerschaft pausiert werden! Verändert sich die Krankheitsaktivität in bzw. nach der Schwangerschaft? Bei der Mutter hängt die Prognose von der genauen Diagnose ab: So ist bei rheumatoider Arthritis eine Verbesserung der Krankheitsaktivität während der Schwangerschaft möglich. Allerdings kann es auch, wie bei der Spondyloarthritis, zu einer Zunahme der Krankheitsaktivität kommen. Die verminderte Krankheitsaktivität wird auf die veränderte Immunsituation in der Schwangerschaft, sozusa16 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 gen das „Tolerieren eines Fremden“, zurückgeführt. Bei Kollagenosen, wie z.B. systemischem Lupus erythematodes, ist eine Verschlechterung möglich, vor allem bei Mitbeteiligung der Nieren. Daher Rheuma und Schwangerschaft – Hinweise für die werdende Mutter: • Neben der üblichen Schwangerschaftsvorsorge sollten engmaschige rheumatologische Kontrollen erfolgen. • Sinnvoll ist es, wenn sich die behandelnden Fachärzte (Rheumatologen, Gynäkologen sowie evtl. Kinderärzte) ­untereinander besprechen, um gemeinsam mit der schwangeren Patientin die beste Vorgehensweise zu wählen. Leben mit Rheuma erfolgt eine Zusammenarbeit mit Organspezialisten (z.B. für Nephrologie = Nierenkrankheiten; Dermatologie = Hauterkrankungen; Neurologie = chronische Nervenentzündungen). Was bedeutet eine Schwangerschaft für die Einnahme von Medikamenten? Im Beipacktext findet sich bei fast allen Medikamenten der Hinweis: Nicht in der Schwangerschaft einnehmen! Dies bezieht sich darauf, dass kein Medikament bei Schwangeren auf Unbedenklichkeit getestet wurde. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass einzelne Medikamente in der Schwangerschaft durchaus eingenommen werden können. Hier ist aber in jedem Fall Rücksprache mit dem behandelnden Arzt zu halten! Hinweis für männliche Rheumapatienten: Das Thema Medikamente betrifft nicht nur Frauen. Auch Männer mit einer rheumatischen Erkrankung sollten bei Kinderwunsch ihre Medikation nicht einfach absetzen oder weiter einnehmen, sondern das Thema ebenfalls mit ihrem behandelnden Arzt besprechen. dann rasch eine geeignete Therapie beginnen zu können. Neigt mein Kind wahrscheinlich auch zu Rheuma? Eine gewisse angeborene (vererbte, genetische) Neigung, Rheuma zu bekommen, gibt es. Studien bei eineiigen Zwillingen haben jedoch gezeigt, dass diese nur zu einem geringen Teil am tatsächlichen Ausbruch der Erkrankung beteiligt ist. Zusammenfassend kann man sagen: Eine Schwangerschaft ist ein wunderbares Ereignis. Frauen, die an einer rheumatischen Erkrankung leiden, wird die Planung gemeinsam mit dem behandelnden Rheumatologen empfohlen, damit die Zeit, die so wichtig für Mutter und Kind ist, auch weitgehend sorgenfrei verlaufen kann. Können während der Schwangerschaft Komplikationen auftreten? Ja, gerade deshalb ist die regelmäßige Rücksprache mit den behandelnden Ärzten so wichtig! Bei sich abzeichnenden Problemen empfiehlt sich die Kontrolle an einer Risikoambulanz. In der Regel verlaufen Schwangerschaft und Geburt problemlos. Oft kommt es jedoch nach der Geburt zu einem Rheumaschub. Dies sollte im Rahmen der Vorbereitung besprochen werden, um Die Neigung zu Rheuma wird zu einem geringen Teil vererbt. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 17 Leben mit Rheuma Übersicht: Häufige rheumatische Erkrankungen Erkrankung Symptome M a. Rheumatoide Arthritis (= RA; früher auch: chronische Polyarthritis = CP) Gelenkschmerzen oder -schwellung, Überwärmung und Druckschmerz, Morgensteifigkeit von mindestens einer halben Stunde NS ka Su Bi 1BBl To b. Juvenile idiopathische Arthritis (= JIA) Schmerzen/Schwellung, Überwärmung der Gelenke, Morgensteifigkeit, Müdigkeit, ­Weinerlichkeit NS ­(M In T- c. Spondyloarthritis (axiale Spondyloarthritis; ankylosierende ­Spondyloarthritis, früher: Morbus Bechterew) tief sitzende Kreuzschmerzen, Verschlechterung durch Ruhe, Besserung durch Bewegung, morgendliche Steifigkeit der Wirbelsäule, Rückenschmerzen, Hüftschmerzen in der Leiste, ­Versteifung der Wirbelsäule NS 17 d. Psoriasis-Arthritis (= PsA; Schuppenflechte mit Gelenkerkrankung) strahlenförmige Entzündung der Gelenke von Händen und Zehen, damit einhergehende Hautprobleme, Befall der Finger- und Zehennägel, Sehnenansatzentzündung mit Schwellung NS ra TN Bl 1. Chronisch-entzündliche Erkrankungen 2. Nicht-entzündliche rheumatische Erkrankungen a. Arthrose (= Abnutzungserkrankung der Gelenke) Schmerzen bei Beginn einer Bewegung, ­ elastungsschmerzen, B Bewegungseinschränkungen, Muskelverspannungen, Gelenkverformungen Rh st be ge b. Fibromyalgie (= eine Form des „Weichteilrheumatismus“) „Ganzkörperschmerz“: großflächige Schmerzen von Kopf bis Fuß, Schlaf- oder Angststörungen, chronische Müdigkeit, Depressionen, u.U. Schwellungsgefühl in Händen, Füßen und Gesicht, Kälteempfindlichkeit An Pa NS 18 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 g Leben mit Rheuma Medikamentöse Therapie Nicht-medikamentöse Therapie Seite Heilgymnastik, Ergotherapie, Thermotherapie, NSAR (= nicht-steroidale AntirheumatiElektrotherapie, Ultraschall ka), Basistherapeutika (z.B. Methotrexat, Sulfasalazin, Leflunomid), Kortison, Biologika (TNF-alpha-Blocker, Interleukin1-Rezeptor-Blocker, T-Zell-Hemmer, B-Zell-Antikörper, Interleukin-6-RezeptorBlocker), JAK-Kinase-Hemmer (Baricitinib, Tofacitinib) 21 NSAR, Kortison, Basistherapeutika ­(Methotrexat), TNF-alpha-Blocker, Interleukin-6-Rezeptor-Blocker, T-Zell-Hemmer Physiotherapie, Ergotherapie, ­gelenkschonende Sportarten 28 NSAR, TNF-alpha-Blocker, Interleukin17-Blocker tägliche Gymnastik, Wärme-, Kältetherapie, Massagen, Elektrotherapie, Ultraschall 33 NSAR, Kortison bei Schüben, Basistherapeutika, Phosphodiesterase-Hemmer, TNF-alpha-Blocker, Interleukin-12/23Blocker, Interleukin-17-Blocker Physiotherapie 39 Rheumasalben/-gels, NSAR (= nichtsteroidale Antirheumatika), Kortison bei aktivierter Arthrose (in die Gelenke gespritzt), evtl. Hyaluronsäure ausreichend Bewegung, Gelenkschutz (z.B. mittels Hilfsmittel), Abbau von Übergewicht, Ergo-, Wärme- und Kältetherapie, Elektrotherapie, Ultraschall, Massagen, Lasertherapie, Aquatraining, Alltagshilfen (Stöcke, festes Schuhwerk) 67 Analgetika (Schmerzmedikamente wie Paracetamol, Metamizol, Tramadol und NSAR; eher sparsam eingesetzt) psychologische Betreuung, ­Psychotherapie, Entspannungstraining, Bewegungs-/­ Trainingstherapie, physikalische Medizin (Wärme, Ultraschall, Heilbäder, Elektrotherapie etc.) 79 e, el, n Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 19 ENTZÜNDLICHRHEUMATISCHE ERKRANKUNGEN Die häufigste und bekannteste der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen ist die rheumatoide Arthritis. 20 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 RHEUMATOIDE ARTHRITIS (CHRONISCHE POLYARTHRITIS) Blick: Auf einen e Arthritis id o t a m u e Rh h-­ lic gste entzünd • ist die häufi rkrankung E rheumatische bweise • verläuft schu chwellungen tzündlichen S • geht mit en enhaut einher der Gelenkinn ie ingt so früh w • sollte unbed elt werden, um d möglich ­behan en zu verhindern ng ru ­Gelenkzerstö tika gut asistherapeu • kann mit B den b­ ehandelt wer Was ist rheumatoide Arthritis? Rheumatoide Arthritis (kurz: RA) oder auch chronische Polyarthritis (kurz: CP) ist eine Form der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Sie verläuft oftmals schubweise. Charakteristisch sind entzündliche Schwellungen der Gelenk­ innenhaut und der gelenknahen Strukturen (z.B. Schleimbeutel). Wer ist betroffen? Die rheumatoide Arthritis betrifft Frauen dreimal häufiger als Männer, mit einem Altersgipfel zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. In Österreich leiden rund 70.000–80.000 Menschen an rheumatoider Arthritis. Jährlich gibt es zwischen 2.400 und 4.800 Neuerkrankungen. Welche Auslöser gibt es? Nach derzeitigem Erkenntnisstand sind keine einzelnen Auslöser für den Ausbruch von RA verantwortlich, sondern ein Zusammenspiel von erblicher Veranlagung und äußeren Faktoren. Dies kann zu einer Fehlleistung des Immunsystems führen, wobei sich die Abwehrkräfte gegen den eigenen Körper wenden, in diesem Fall gegen die Gelenke. Was letztlich wirklich diesen Prozess auslöst, ist noch nicht bekannt, sodass auch noch keine ursächliche Behandlung zur Verfügung steht. Was passiert bei RA im Körper? Normalerweise produziert die Gelenk­ innenhaut (= Membrana synovialis) die Gelenkschmiere (= Synovia bzw. Synovialflüssigkeit). Diese ist für ­ reibungs­arme Bewegungen des Gelenks ver­antwortlich und versorgt das Knorpelgewebe. Bei RA kommt es durch das überschießende Immunsystem zu einer Entzündung dieser Gelenkinnenhaut. Eine Schlüsselrolle in dieser Entzündungskaskade spielen die sogenannten proinflammatorischen (entzündungsfördernden) Zytokine. Das sind Proteine und Botenstoffe, die im Immunsystem die körpereigene Abwehr steigern, aber auch Entzündungen verursachen oder verstärken. Zu den bekanntesten proinflammatorischen Zytokinen gehören beispielsweise TNF-α (Tumor-NekroseFaktor alpha), Interleukin-1 und InterBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 21 Rheumatoide Arthritis Kennzeichnend für RA: Entzündungen der Gelenke leukin-6. Unter dem Einfluss dieser proinflammatorischen Zytokine kommt es zu einer erhöhten Produktion von entzündlich veränderter Gelenkschmiere. Daraus resultieren schmerzhafte Schwellungen der Gelenke und unter Umständen eine Ergussbildung. Später wächst die Gelenkinnenhaut wie ein gutartiger Tumor in das Gelenk hinein. Knorpelgewebe wie auch der darunter liegende Knochen werden angegriffen und das Gelenk verformt sich. Woran merke ich, dass ich RA habe? Die RA zeigt sich individuell unterschiedlich, sie kann plötzlich ausbrechen oder sich schleichend durch unspezifischere Symptome ankündigen. Am häufigsten ist die klassische Verlaufsform: •G elenkschmerzen oder -schwellungen, wovon zunächst meist symmetrisch 22 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 die Fingergrund- und -mittelgelenke betroffen sind, im höheren Lebensalter auch größere Gelenke chwellung, Überwärmung und •S Druckschmerzhaftigkeit mehrerer Gelenke • s chmerzhafte Bewegungseinschränkungen • u ncharakteristische Vorboten wie Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, starkes Schwitzen, erhöhte Temperatur und Abgeschlagenheit •M orgensteifigkeit (mindestens eine Stunde lang), die das Anziehen und Waschen erschwert; die Symptome verschwinden je nach Schwere und Aktivität der Erkrankung im Laufe des Tages. • n ach Jahren: Auftreten von Rheumaknoten (= derbe Knötchen unter der Haut, oft an der Streckseite der Ellbogengelenke) Was passiert, wenn keine Therapie eingeleitet wird? Wird das fehlgesteuerte Immunsystem nicht gebremst, schreitet die Zerstörung der Gelenke innerhalb weniger Monate und Jahre unaufhaltsam voran. Entzündungen bilden sich teilweise nach Wochen zurück, um dann schubweise wieder aufzutreten und dabei die Gelenkstrukturen weiter anzugreifen. Da es sich bei der rheumatoiden Arthritis um eine Systemerkrankung handelt, ist bei längerer Krankheitsdauer auch ein entzündlicher Befall innerer Organe möglich, z.B. an den Gefäßen sowie Herz, Nieren und Lunge. Die Krankheit birgt per se ein gesteigertes Infektionsrisiko. Ebenso ist die Wahr­ scheinlichkeit, an Lymphdrüsenkrebs zu Rheumatoide Arthritis erkranken, erhöht. Mit fortschreitender Gelenkzerstörung kann die Krankheit durch Gelenkversteifungen und Gelenkdeformationen bis zur Invalidität führen. Was kann einen Schub auslösen? Einhellige Meinung herrscht darüber, dass psychische Aspekte oft eine Rolle spielen. Denn Stress, Sorgen und ungelöste Probleme können das Immunsystem beeinflussen. Für einen an RA Erkrankten kann dies einen neuen Schub zur Folge haben. Bemerkbar für den Betroffenen macht sich ein Schub durch die Zunahme der Gelenkschmerzen und -schwellungen, vermehrte Abgeschlagenheit und deutlich stärkere Bewegungs- und/oder Ruheschmerzen. Wie erfolgt die Diagnose? Sobald der begründete Verdacht auf RA besteht, sollte der Patient unbedingt einen Rheumatologen aufsuchen. Dieser erhebt die genaue Anamnese (= Krankengeschichte) durch Befragung des Patienten und führt eine gezielte klinische Untersuchung durch – den sogenannten „Rheumastatus“. Bildgebende Verfahren und Laboruntersuchungen vervollständigen die Untersuchung und können die Diagnose sichern. Was zeigen die Befunde? Laborbefunde allein liefern keinen eindeutig gesicherten Beweis für das Vorliegen einer RA. Ergänzend zum klinischen Befund (Schmerzen und Schwellung der Gelenke) sind sie aber oft bestätigend. Bei vorliegender Diagnose helfen sie mit, die Aktivität der Krankheit zu beurteilen. Die Blutwerte zeigen bei einer Entzündung häufig eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und ein erhöhtes C-reaktives Protein (CRP). Der Wert der Blutsenkung und des CRP zeigt jedoch lediglich an, dass eine Entzündung im Körper vorliegt, enthält aber keine Aussage darüber, ob es sich um eine Entzündung der Gelenke handelt und ob tatsächlich eine RA vorliegt. Was sind Rheumafaktoren? Bildgebende Verfahren und Laboruntersuchen dienen der Diagnosestellung. Rheumafaktoren (RF) sind körpereigene Abwehrstoffe, die sich an die eigenen Immunglobuline (= Antikörper) binden, die also gegen ihresgleichen gerichtet sind. Sie werden im Blut nachgewiesen. Der Rheumafaktor kann den ärztlichen Verdacht auf Vorliegen einer RA bestätiBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 23 Rheumatoide Arthritis gen, ist jedoch alleine noch kein Beweis für eine Rheumaerkrankung. Bei bis zu 85% der Patienten mit RA werden im Laufe der Erkrankung Rheumafaktoren im Blutserum nachgewiesen. Ein eindeutiger Nachweis für das Vorliegen einer RA ist dies aber nicht, da es auch Patienten mit RA gibt, die keinen Rheumafaktor haben (= negativ, seronegativ). Auch der Umkehrschluss stimmt nicht. Denn wer diesen Faktor im Blut aufweist, muss nicht zwangsläufig an Rheuma erkranken. Bis zu 20% der gesunden älteren Menschen weisen einen erhöhten Rheumafaktor auf. Die modernste Labormethode zur Diagnosesicherung ist der ACPA-Test (= Test zum Nachweis „anti-citrullinierter Peptid-Antikörper“, wie z.B. Anti-CCPoder Anti-MCV-Antikörper). Bei Bestehen klinischer Beschwerden des Patienten ohne eindeutigen Blutbefund bedarf es in jedem Fall weiterer Schritte, um eine eindeutige Diagnose zu stellen. Welche Bedeutung haben b­ ildgebende Verfahren? Im Röntgen kann der Zustand der Gelenke sichtbar gemacht und die für RA typischen Veränderungen können nachgewiesen werden. Dies sind gelenknahe Erosionen (= Defekte im Bereich der Knorpel-Knochen-Grenze). Mittels Rönt- Normal Bei RA führen Entzündungen zu ­Gelenk­verformungen. 24 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Rheumatoide Arthritis Rheumatoide Arthritis gen können jedoch nur bereits vorhandene Zerstörungen nachgewiesen werden. Bei Frühformen einer RA und (noch) unauffälligem Röntgen ist der Einsatz einer MRT (Magnetresonanztomografie oder Kernspintomografie) sinnvoll. ­Mittels MRT gelingt es, ohne Strahlenbelastung aktive Gelenkentzündungen frühzeitig zu erkennen, noch bevor schwerwiegende Zerstörungen an Knorpel oder Knochen eingetreten sind. Zu diesem Zweck wird ein Kontrastmittel in die Vene injiziert. Vorteil eines hochauflösenden Ultraschalls (Gelenkultraschall) ist einerseits das Fehlen jeglicher Strahlenbelastung und andererseits, dass die Beobachtung in Bewegung gemacht werden kann. Es können hier mithilfe des Schalls Entzündungen der Gelenkinnenhaut nachgewiesen und betroffene Bereiche genau lokalisiert werden. Ultraschalluntersuchungen kommen vor allem bei Handund Fingergelenken, aber auch bei Vorfuß-, Fußwurzel- und Schultergelenken zum Einsatz. Warum ist eine fachärztliche U­ ntersuchung notwendig? Aus dem Bericht des Patienten erstellt der Facharzt ein möglichst vollständiges Beschwerdebild. Entsprechend zielgerichtet erfolgt danach die genaue Untersuchung, der sogenannte Rheumastatus. Nur so kann wirklich unterschieden werden, ob es sich um eine entzündliche oder um eine andere Form der rheumatischen Erkrankung handelt. Blutbefunde und bildgebende Verfahren ermöglichen dann die Eingrenzung und Feinabstimmung. Es braucht viel Erfahrung und Wissen, um aus all diesen Bausteinen die richtige Diagnose aufzuspüren. Welche Ziele verfolgt die Therapie der RA? An erster Stelle stehen Schmerzlinderung und Beseitigung der Entzündung. Die abschwellenden Rheumaschmerzmittel (NSAR = nicht-steroidale Antirheumatika) sind dabei sehr wirksam. Der Rheumatologe wird unmittelbar nach Diagnosestellung versuchen, mithilfe eines sogenannten Basistherpeutikums die Entzündung und das fehlgesteuerte Immunsystem in den Griff zu bekommen. Dazu ist eine oft lebenslange Einnahme dieser Medikamente notwendig. Am häufigsten kommt hier der Wirkstoff Methotrexat (MTX) zum Einsatz. Die Wirkung des Basistherapeutikums tritt oft erst nach ein bis zwei Monaten ein, wobei nicht alle Patienten auf die Basistherapie sofort ansprechen. In der Regel tritt bei 40% der Betroffenen eine Besserung der Entzündungsreaktion ein. In etwa 15% der Fälle kann sogar von einer gänzlichen Remission (= Wegfall der Krankheitssymptome) gesprochen werden. Aufgrund der verzögerten Wirkung schlägt der Rheumatologe oft vor, das körpereigene Nebennierenhormon Kortison für die Zeit der Überbrückung bis zum Wirkungseintritt der Basistherapie einzusetzen. Bei gleichzeitiger Einnahme von Kortison und einem NSAR muss in jedem Fall ein Magenschutzpräparat ­gegeben werden, um das Risiko für Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre zu senken. Obwohl viele Patienten die Kortisonmedikamente zuerst skeptisch sehen, Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 25 Rheumatoide Arthritis ist die Wirkung vor allem bei ausgeprägten Gelenkschwellungen doch meist so befreiend, dass sie die Präparate letztlich gerne einige Wochen einnehmen. Was ist, wenn die Basistherapie keinen Erfolg bringt? Kommt es mit der Basistherapie nicht zum gewünschten Erfolg – also zu einem Entzündungsstopp –, kann zu einem anderen Basistherapeutikum gewechselt werden. Eine weitere vielversprechende Option stellen die sogenannten Biologika dar. Dazu gehören die TNF-alpha-Blocker (Adalimumab, Certolizumab, Etanercept, Golimumab, Infliximab) sowie Abatacept, welches die Aktivierung von T-Zellen bremst, und der Interleukin6-Blocker Tocilizumab. Sie kommen zum Einsatz, wenn die bisherige Behandlung mit chemischen Basistherapeutika nicht erfolgreich war. Biologika wirken am besten in Kombination mit herkömmlichen Basistherapeutika. Innerhalb weniger Wochen weiß man, ob die gewünschte Wirkung mit Biologika eintritt. Sollte dies nicht der Fall sein, besteht die Möglichkeit, zu einem anderen Biologikum zu wechseln. Wird die Entzündung nicht dauerhaft reduziert oder gestoppt, stehen dem Rheumatologen noch weitere immuntherapeutische Konzepte zur Verfügung, die ebenfalls zu den Biologika gehören, wie die Hemmung der B-Zellen mittels der Substanz Rituximab. Alternativ zu den Biologika, die entweder mittels Infusion in eine Vene eingebracht oder unter die Haut gespritzt werden, gibt es auch neue Substanzen wie 26 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Die Basistherapie soll die E­ ntzündungen stoppen. Tofacitinib und Baricitinib, die nicht die Botenstoffe, sondern entzündungsfördernde Enzyme hemmen und die als Tabletten (ein- bis zweimal täglich) ­geschluckt werden können. Langfristig sollte es zu einem Rückgang der entzündlichen Aktivität kommen. Damit wird auch die Gelenkzerstörung eingedämmt bzw. gestoppt und Schmerzfreiheit erzielt. Was ist entscheidend für eine e­ rfolgreiche Therapie? Der Behandlungserfolg ist abhängig vom Behandlungsbeginn. Die Aktivität der Erkrankung kann zu jedem Zeitpunkt schlagartig zunehmen und schwere Verlaufsformen auslösen. Je früher mit der richtigen Therapie begonnen wird, desto größer sind die Erfolgschancen. Ein optimales Behandlungsergebnis ist bei Frühtherapie schon 12–16 Wochen nach Krankheitsbeginn zu erwarten. Die Entwicklung der Erkrankung hängt aber auch von der Mitarbeit des Patienten ab: Es ist unbedingt notwendig, dass die Medikamente konsequent eingenommen werden! Auch regelmäßige die . Rheumatoide Arthritis Kontrolltermine sind notwendig. Der Rheumatologe wird die Therapie so lange anpassen, bis die Krankheit zumindest eine niedrige Krankheitsaktivität oder eine völlige Remission (= Nachlassen der Symptome) aufweist; dieses Vorgehen wird heute fachärztlich „Treat to Target“ genannt. Welche Zusatzbehandlungen gibt es bei RA? Eine Kräftigung der Muskulatur wird mit Heilgymnastik erreicht. Massagen tragen zur Steigerung der Durchblutung und zur Muskelentspannung bei, denn Patienten mit RA leiden nicht selten an massiven Muskelverspannungen. Abgesehen von der medikamentösen Therapie machen Zusatzbehandlungen vor allem im Schmerzbereich immer Sinn, wenn der Patient damit sein subjektives Wohlbefinden und seine Lebensqualität steigern kann. Grundsätzlich sollten bei RA die Anwendung von starker Wärme sowie der Aufenthalt in zu heißem Wasser (über 32 °C) vermieden werden. Besonders bei einem akuten Schub sind Kryotherapien (Kryo = Kälte) empfehlenswert, wenn dies subjektiv vom Patienten als angenehm empfunden wird. Vorsicht: Bei einem akuten Schub ist Heilgymnastik nicht zielführend und sollte daher nicht angewendet werden! Welche Hilfen gibt es für den Alltag? Dies ist die Domäne der Ergotherapeuten. Wenn alltägliche Tätigkeiten wie das Halten einer Kaffeetasse, das Schneiden von Brot oder das Zuknöpfen des Hemdes un- möglich werden, gibt es Hilfsmittel im gut sortierten Fachhandel. Finger- und Handhalterungsschalen können ebenso helfen wie die sogenannten Knopflochund Schwanenhalsschienen oder Metakarpalspangen. Spezielle Messer (der Griff ist 90 Grad von der Klinge weggebogen) und spezielle Flaschenöffner erweisen ebenfalls gute Dienste. Wann ist eine Operation u­ numgänglich? Operationen werden nur dann durchgeführt, wenn andere Therapieformen nicht den erwarteten Erfolg bringen. Bei der sogenannten Synovektomie – das ist eine gelenkerhaltende Therapiemaßnahme – wird die entzündete Gelenkinnenhaut durch Ausschälen des betroffenen Gelenks operativ entfernt (siehe Seite 60). Innerhalb einiger Wochen wächst die Gelenkinnenhaut wieder nach (Regenerat). Tipps für den Alltag • Tragen Sie Lasten mit Rucksack, damit das Gewicht gleichmäßig verteilt wird. • Vermeiden Sie Erschütterungen der Gelenke (vibrierende Geräte, Schütteln der Gelenke). • Überschreiten Sie Ihre Belastungsgrenze nicht, muten Sie sich nicht zu viel zu. • Unterstützen Sie Ihre Handgelenke bei belastenden Tätigkeiten. • Sorgen Sie mit Freizeitaktivitäten, die Spaß machen, für glückliche Momente. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 27 JUVENILE IDIOPATHISCHE ­ARTHRITIS (JIA) Blick: Auf einenpathische io Juvenile id is Arthrit betes ie Dia enso häufig w eb n er d in K ei • ist b mellitus eine elt werden, um d an eh b s us • m indern rung zu verh ö st er kz en el ­G erkbar, darschiedlich ­bem twendig te un hr se ch • macht si Facharzt no durch einem her Abklärung zen sowie chen: Schmer elenke • erste Anzei G , überwärmte n ­geschwollene n ­Therapiepla n individuelle ne ei t er rd o n, rf te • e en aus Medikam (Kombination , ie ap er th ie, Ergo P­ hysiotherap ) ng zu üt st er Unter psychosozial Was bedeutet „juvenile idiopathische Arthritis“? Juvenil = kindlich/jugendlich; idiopathisch = Erkrankung ungeklärter Ursache; Arthritis = Gelenkentzündung Verschwindet Rheuma bei Kindern wieder? Von alleine nicht, daher muss kindliches Rheuma behandelt werden! In vielen Fällen ist es jedoch möglich, die Erkrankung mit der richtigen Therapie zum Stillstand zu bringen oder sie so zu ver28 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 langsamen, dass es sich gut damit leben lässt. Wichtig ist, während des Stadiums einer aktiven Gelenkentzündung vor allem mit medikamentöser Therapie zu verhindern, dass bleibende Gelenkschäden entstehen. Wie häufig ist kindliches Rheuma? In Österreich gibt es jährlich etwa 140 Neuerkrankungen, bundesweit sind rund 1.700 Kinder und Jugendliche von chronischer Arthritis betroffen. Rheuma ist somit bei Kindern ebenso häufig zu finden wie Diabetes mellitus. Juvenile idiopathische Arthritis Wie äußert sich eine JIA? Rheuma bei Kindern macht sich sehr unterschiedlich bemerkbar: Die Anzahl betroffener Gelenke kann variieren, Haut, Bänder und Sehnen können ebenfalls am Entzündungsprozess beteiligt sein. Auch der Krankheitsverlauf ist nicht immer gleich: Bei manchen Kindern entzünden sich die Gelenke immer wieder, bei anderen nur selten; oft ist auch nur ein Gelenk betroffen. Ärzte sprechen von einer JIA, wenn die Gelenkentzündung mindestens sechs Wochen anhält und die Erkrankung vor dem 16. Lebensjahr beginnt. Was können erste Anzeichen sein? So unterschiedlich die JIA verlaufen kann, allen Verlaufsformen gemeinsam ist die Gelenkentzündung. Erste Anzeichen sind Schmerzen sowie geschwollene, überwärmte Gelenke. Am Morgen ist auch oft eine Steifigkeit der Gelenke festzustellen. Welche weiteren Beschwerden k­ önnen auftreten? Wachstumsstörungen, Entzündung der Augen oder Beeinträchtigung des Entwicklungszustandes Wie verläuft eine JIA? Wie sich eine JIA entwickelt und ob sie bis ins Erwachsenenalter bestehen bleibt macht, lässt sich schwer voraussagen. Der Verlauf ist oft von der genauen Erkrankungsform abhängig. Ärzte unterscheiden folgende Formen der JIA: • Oligoarthritis: Ein bis vier Gelenke sind betroffen, sehr häufig das Kniegelenk. Oft verläuft die Erkrankung nicht gleichmäßig an beiden Körperhälften, sondern asymmetrisch. Augenentzündungen sind häufig. Die Krankheit beginnt im Kleinkindalter. • Polyarthritis: Mindestens fünf Gelenke sind betroffen. Am häufigsten sind Hand-, Finger-, Ellbogen-, Knie- und Sprunggelenke entzündet. • Systemische Arthritis: Diese beginnt meist im Kleinkindalter mit hohem Fieber und Hautausschlägen. Neben den Gelenken sind auch Organe, wie z.B. Herz, Lymphknoten, Milz, Leber, Nieren oder Lunge, beteiligt. • Psoriasis-Arthritis: Beschwerden des Kniegelenks und der kleineren Gelenke (Hände, Füße) treten hier gemeinsam mit einer Schuppenflechte (Psoriasis) auf. Anzeichen: scharf begrenzte, rötliche Areale auf der Haut, die mit silbrigweißen Schuppen bedeckt sind. Bevor es zu einer Psoriasis kommt, zeigen sich oft Nagelveränderungen wie auch ein Anschwellen ganzer Finger oder Zehen. • Enthesitis-assoziierte Arthritis: Gelenkbeschwerden sowie Entzündung von Bändern und Sehnen, insbesondere der Ferse. Diese Form der JIA beginnt meist im Schulalter und kommt häufiger bei Buben vor. Die Gelenke sind in der Regel asymmetrisch betroffen, vorzugsweise die Knie- und Sprunggelenke. Wo finde ich ärztliche Hilfe, die auf kindliche Bedürfnisse eingeht? Aufgrund der Besonderheiten kindlichrheumatischer Erkrankungen sollte die Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 29 Juvenile idiopathische Arthritis Therapie durch ein spezialisiertes Team (Kinderrheumatologen, -orthopäden, Kinderphysio- und -ergotherapeuten, Kinderpsychologen sowie pädiatrisch geschulte Augenärzte) erfolgen. Wie wird Rheuma bei einem Kind festgestellt? An erster Stelle steht das ausführliche Gespräch mit dem Kinderrheumatologen. Wichtige Fragen sind: •G ibt es in der Familie Rheumatiker? •W ann haben die Schmerzen angefangen? •W ie oft treten die Schmerzen auf? •W urde auch eine Veränderung beispielsweise an der Haut oder den Augen bemerkt? Diese Fragen dienen dazu, möglichst viele Informationen aus der Vorgeschichte des jungen Patienten zu sammeln und Zusammenhänge mit den aktuellen Beschwerden herzustellen. Neben der gründlichen Untersuchung der entzündeten Gelenke erfolgt eine weitere Einschätzung der Krankheit mittels bildgebender Verfahren wie Ultraschall, Röntgen, Magnetresonanz und selten Computertomografie. Wichtig für die Diagnose ist auch ein Blutbild. Bei der Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) wird das Verhalten der roten Blutkörperchen beobachtet. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf eine Entzündung im Körper ziehen. Auch die Menge des C-reaktiven Proteins (CRP) – eines Eiweißstoffes im Blut – nimmt zu, wenn eine Entzündung im Körper vorliegt: je höher die Werte, desto aktiver das Entzündungsgeschehen. 30 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Wie wird kindliches Rheuma b­ ehandelt? Hauptziel der Behandlung ist es, die Entzündung vollständig zu stoppen und damit bleibende Schäden an den Gelenken zu verhindern. Der Therapieplan ist je nach Patient unterschiedlich und besteht aus einer Kombination von Medikamenten, Physiotherapie, Ergotherapie, psychosozialer Unterstützung und selten auch Operation. Welche Medikamente kommen zum Einsatz? Häufig sind mehrere Medikamente notwendig, um die verschiedenen Symptome der Entzündung und der Schmerzen in den Griff zu bekommen: • Nicht-steroidale Antirheumatika wirken entzündungshemmend und zum Teil auch schmerzlindernd. • Kortikoide hemmen die Entzündung. Sie werden Kindern und Jugendlichen nicht nur in Form von Tabletten oder Infusionen verabreicht, sondern häufig auch als Injektion. Die Gabe wird sorgfältig dosiert und die Dauer der Einnahme möglichst kurz gehalten. Eine einmalige hohe Verabreichung erfolgt nur in seltenen Fällen, etwa wenn die Entzündung besonders stark ist und schnell eingedämmt werden muss. • Basistherapeutika kommen bei schweren Formen der JIA zum Einsatz. Sie nehmen direkten Einfluss auf den Krankheitsprozess und damit auf den Krankheitsverlauf. Methotrexat ist eines der am häufigsten eingesetzten Basismedikamente. • Biologika greifen ebenfalls direkt in das Krankheitsgeschehen ein. Biologi- Juvenile idiopathische Arthritis ka wie Etanercept oder Adalimumab blockieren den körpereigenen Botenstoff Tumor-Nekrose-Faktor alpha (TNF-α) und kommen dann zum Einsatz, wenn andere Medikamente keine ausreichende Wirkung zeigen oder nicht vertragen werden. Oft werden Biologika mit Basistherapeutika kombiniert, um gezielt den Entzündungsprozess zu beeinflussen. Auch Abatacept und der Interleukin-6-Hemmer Tocilizumab kommen in der Behandlung des kindlichen Rheumas zum Einsatz. Die Wirkung der Biologika tritt im Unterschied zu den klassischen Basistherapeutika schon innerhalb weniger Wochen ein. • Schmerztherapie: Bei schweren Verläufen der JIA können starke Schmerzen auftreten. Hier sind neben der medikamentösen Behandlung auch physikalische Methoden zielführend. Gerade die medikamentöse Schmerztherapie beim Kind braucht viel Erfahrung hinsichtlich der angemessenen Dosierung und der Verträglichkeit der Schmerzmittel. übt, die auch alltägliche Handgriffe erleichtern sollen. Hilfsmittel, wie z.B. individuell angefertigte Schienen, Griffverstärkungen für Schreibgeräte oder spezielle Dreiräder, können nützlich sein. Ein Bett in richtiger Sitzhöhe erleichtert beispielweise das Aufstehen, ein höhenverstellbarer Schreibtisch und ein ergonomischer Schreibtischsessel sind ebenfalls wichtige Hilfen im Alltag. Was ist bei der Ernährung zu b­ eachten? Da sich bei Kindern und Jugendlichen der Körper noch in der Wachstumsphase befindet, sollte man besonders auf eine ausgewogene Ernährung mit frischem Obst und Gemüse, Milch- und Vollkornprodukten, Fisch und pflanzlichen Fetten achten. Einseitige Diäten sind unbedingt zu vermeiden! Welche therapieunterstützenden Maßnahmen gibt es? Die Physiotherapie hilft, Fehlstellungen und Versteifungen von Gelenken, die z.B. durch Schonhaltung entstehen können, zu verhindern oder zu korrigieren. Wichtig ist es, die Übungen nach ausführlicher Einschulung durch einen Therapeuten auch zu Hause regelmäßig durchzuführen, um die Beweglichkeit zu erhalten und zu fördern. Mithilfe der Ergotherapie werden gelenkschonende Bewegungsabläufe geBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 31 Juvenile idiopathische Arthritis Wie soll die Familie mit der E­ rkrankung umgehen? Anzeichen der JIA sind geschwollene, überwärmte Gelenke. Wann muss operiert werden? Wenn bereits Schäden am Bewegungsapparat entstanden sind, können Operationen an rheumatisch deformierten ­Gelenken helfen, die Funktion wiederherzustellen bzw. eine weitere Beeinträchtigung zu vermeiden. Eine häufig angewandte invasive, aber nicht operative Maßnahme ist die Verabreichung einer sogenannten intraartikulären Steroid­ injektion: Das heißt, durch die einmalige Gabe eines entzündungshemmenden Medikaments mittels Injektion kann die Gelenkentzündung sehr effektiv unterdrückt werden. 32 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Zunächst sollten alle im unmittelbaren Verwandten- und Bekanntenkreis von der Krankheit des Kindes informiert werden, also Lehrer, Schulkollegen, Freunde etc. Arztbesuche und Therapiemaßnahmen müssen in den Alltag integriert werden; abgesehen davon soll das Kind aber trotzdem einen möglichst normalen Tagesablauf haben. Es ist wichtig, die Krankheit nicht zu verschweigen, sondern sie zu akzeptieren. Es gilt das Kind dazu zu ermutigen, das Beste aus der Situation zu machen. Dazu gehört auch, bewusst da­ rauf zu schauen, welche Hobbys oder Bewegungsformen trotz körperlicher ­ Einschränkung möglich sind. Der Erfahrungsaustausch mit den Eltern anderer betroffener Kinder über die Österreichische Rheumaliga oder eine Selbst­ hilfegruppe (www.rheumaliga.at, www.­ rheumalis.org) kann viele wertvolle und praktische Tipps für die Eltern bringen. Aber auch für die jungen Rheumapatienten selbst kann es wichtig sein, mit anderen betroffenen Kindern in Kontakt zu kommen. Kann mein Kind Sport betreiben? Ja, unbedingt! Sport wirkt sich positiv auf die Beweglichkeit aus. Auch wenn bei schweren Verläufen manche Sportarten, wie Tennis oder Fußball, nicht empfohlen werden, so gibt es Alternativen, trotzdem beweglich zu bleiben. Gelenkschonende und daher empfehlenswerte Sportarten sind z.B. Schwimmen, Reiten, Tanzen, Radfahren oder etwa Tischtennis. SPONDYLOARTHRITIS (MORBUS BECHTEREW) Blick: Auf einenhritis (AS) art Spondylo : Morbus früher w ­Bechtere Erkrankung entzündliche eventuell hsc ni ro ch ke und • ist eine mbein-Gelen der Kreuz-Dar elgelenke irb der kleinen W Schmerzen tief sitzende • Typisch sind eich sowie Schmerzen im im Gesäßber elsäule. Zusätzlich ist irb er Bereich der W ng der Beweglichkeit d ku än hr eine Einsc öglich. atologie Wirbelsäule m arzt für Rheum ch Fa m ne ei • sollte von den behandelt wer iert werden, entös therap nastik eine am ik ed m s us Gym • m regelmäßige zudem spielt Rolle bei der Behandlung e entscheidend Was ist eine Spondyloarthritis? Die Spondyloarthritis ist eine Entzündung der Kreuz-Darmbein-Gelenke und der kleinen Gelenke in der Wirbelsäule. Manchmal kann es auch zu Entzündungen in anderen Gelenken, wie z.B. im Kniegelenk, kommen. Begriffserklärung: Spondyl = Wirbel; ­Arthros = Gelenk; -itis = Entzündung k „entzündetes Wirbelgelenk“ Der Begriff bezieht sich auf eine Gruppe von Erkrankungen. In kompletter Ausprägung wird eine Spondyloarthritis als an- kylosierende Spondyloarthritis (AS) bezeichnet („ankylosierend“ = knöchern zusammenwachsen; „Spondylitis“ = Entzündung der Wirbelkörper). Bekannt ist diese Verlaufsform auch unter dem früher verwendeten Namen „Morbus Bechterew“. Was passiert bei Spondyloarthritis im Körper? Die Entzündung spielt sich in den KreuzDarmbein-Gelenken und zum Teil in den kleinen Gelenken der Wirbelsäule ab. Dabei können diese Gelenke teilweise knöchern durchbaut werden, wodurch die Wirbelsäule ihre Beweglichkeit verliert. Formen der Erkrankung: • undifferenzierte Spondyloarthritis • n icht-radiografische axiale Spondylo­ arthritis •S pondyloarthritis bei reaktiver Arthritis •S pondyloarthritis assoziiert mit Psoriasis vulgaris •S pondyloarthritis assoziiert mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung (Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn) Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 33 Spondyloarthritis Was versteht man unter einer n­ icht-radiografischen axialen S­ pondyloarthritis? Patienten mit einer nicht-radiografischen axialen Spondyloarthritis haben im normalen Übersichtsröntgen der Sakroiliakalgelenke (SIG = Kreuz-Darmbein-Gelenke) einen unauffälligen Befund. Mithilfe der Magnetbilduntersuchung (MRI) kann die Entzündung allerdings sehr oft nachgewiesen werden. Was bedeutet die Unterscheidung „axial“ und „peripher“? Eine Spondyloarthritis kann auch als „axial“ oder „peripher“ klassifiziert werden, je nachdem, ob hauptsächlich die Wirbelsäule oder die Gelenke der Extremitäten betroffen sind. Bei einer axialen Spondyloarthritis bestehen hauptsächlich Symptome im Bereich der Wirbelsäule. Bei Patienten mit peripherer Spondyloarthritis treten vorwiegend Gelenkschwellungen in den Gelenken der unteren Extremität auf. Welche Symptome treten bei S­ pondyloarthritis auf? Das häufigste Symptom ist ein tief sitzender Schmerz im Bereich der Kreuz-Darmbein-Gelenke mit wechselseitiger Ausstrahlung in den Gesäßbereich. Weitere typische Symptome sind Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule. In Spätstadien treten manchmal eine verminderte Beweglichkeit und ein Gefühl der Steifigkeit in der Wirbelsäule auf. Weitere typische Anzeichen der Entzündung sind: Verschlechterung durch Ruhe, Schmerzen und Aufwachen in der zweiten Nachthälfte und in den frühen Morgen34 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 stunden (mit Besserung nach dem Aufstehen), Steifigkeit nach dem Erwachen, Besserung durch Bewegung. Zusätzlich können folgende Beschwerden vorkommen: Entzündung des Hüftgelenks („Coxarthritis“) mit Schmerzausstrahlung in die Leisten oder Schmerzen beim Gehen; Entzündungen und Schmerzen in anderen Gelenken (Knie-, Sprunggelenke); Entzündungen an den Ansatzpunkten großer Sehnen an den Knochen – hauptbetroffen: Achillessehne). Allgemeinsymptome: Augenentzündung, Müdigkeit, Krankheitsgefühl, erhöhte Entzündungswerte Wie erfolgt die Diagnose? Die Diagnose wird aufgrund der Symptome, der Krankenuntersuchung und der Bildgebung (Röntgen, MRI) gestellt. Bei entsprechenden Beschwerden wird sie auch durch den Nachweis von HLA-B27 in der Blutuntersuchung unterstützt. Es gibt keinen Labortest, der definitiv die Diagnose einer Spondyloarthritis bestätigt oder ausschließt. Bildgebung: Es zeigen sich typische Veränderungen in den Sakroiliakalgelenken (Kreuz-Darmbein-Gelenke = Gelenke, die die Wirbelsäule mit dem Becken verbinden). Diese Veränderungen sind in Spätstadien auf Röntgenbildern zu erkennen, anfangs jedoch nur mittels Magnetresonanz-Imaging (MRI). Was ist HLA-B27? Das Merkmal HLA-B27 ist ein angeborenes Merkmal der weißen Blutkörperchen. Es verändert sich im Laufe des Lebens nicht. Der Nachweis, dass man Träger dieses Merkmals ist, bedeutet eine etwas hö- Spondyloarthritis here Wahrscheinlichkeit, an Spondyloarthritis zu erkranken. HLA-B27 kann aber auch bei völlig Gesunden vorkommen. Was sind weitere Risikofaktoren für eine Spondyloarthritis? Die Erkrankung kann in manchen Familien gehäuft auftreten, vor allem bei Verwandten ersten Grades (Eltern, Geschwister). AS ist bei Männern häufiger als bei Frauen. Sie wird häufig schon im Alter zwischen 20 und 30 Jahren diagnostiziert. Welche Komplikationen können a­ uftreten? •U veitis anterior: Eine chronische Entzündung der mittleren Augenhaut in ihrem vorderen Bereich (Iris, Ziliarmuskel) ist die häufigste Mitbeteiligung neben den Gelenken. Sie führt zu Schmerzen im Auge, verschwommenem Sehen und Lichtempfindlichkeit. Auffallend ist eine Rötung des Augapfels. Diese Komplikation sollte sofort behandelt werden, um bleibende Schäden am Auge zu verhindern; unbehandelt kann sie langfristig zu Blindheit führen. • Osteoporose: Osteoporose ist bei Patienten mit Morbus Bechterew nach längerem Verlauf häufig, deshalb sollte bei jedem Patienten eine Knochendichtemessung durchgeführt werden. Bei bereits knöchern überbauter Wirbelsäule liefert diese aber fälschlich gute Werte – hier muss die Messung am Schenkelhals herangezogen werden. • Brüche (Frakturen) der Wirbelsäule und Verletzungen des Rückenmarks: Brüche der Wirbelsäule und Verletzungen des Rückenmarks sind bei AS-Pati- enten vier- bzw. elfmal häufiger als bei Gesunden. • Kardiovaskuläre Erkrankungen: Selten kommt es zu einer Beteiligung der Aortenklappe, die dann nicht mehr ganz schließt. • Lungenerkrankungen: Viele AS-Patienten können aufgrund der Versteifung der Gelenke im Brustraum die Lunge nicht mehr voll entfalten. In der Folge kommt es zu Veränderungen der Lungenfunktion. • Darmentzündungen: Einige Patienten mit AS entwickeln Entzündungen im Darm. Beeinflusst die AS den Alltag? AS kann den Alltag insbesondere in folgenden Bereichen behindern: beim Anziehen, vom Sessel Aufstehen, vom Boden Hochkommen, gerade Stehen, Stiegensteigen, auf die Seite oder über die Schulter Schauen, Verrichten von Haushaltsarbeiten. Diese Einschränkungen sind durch die verminderte Gelenk- und Wirbelsäulenbeweglichkeit bedingt und haben Auswirkungen sowohl auf den Patienten als auch seine Familie. Wie wird AS behandelt? Die Behandlung wird an die spezifischen Beschwerden angepasst. Folgende Elemente sollten Teil des Behandlungsplans sein: Heilgymnastische Übungen: „Bechterew-Gymnastik“ sollte bei jedem Patienten mit Spondyloarthritis Teil des Behandlungsplans sein. Die Übungen umfassen täglich selbstständig durchzuführende Heimübungen – Haltungstraining, Atemtherapie, Rückenkräftigung und DehBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 35 Spondyloarthritis nungsübungen – sowie Einzel- oder Gruppentherapie mit einem Physiotherapeuten oder auch physiotherapeutische Anwendungen wie Wärme, Strom, Ultraschall und Massagen. Welche Medikamente kommen zum Einsatz? • Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR): NSAR werden häufig eingesetzt, um Schmerzen zu verringern. Diese Medikamente können regelmäßig genommen werden. Leider sind sie manchmal nicht gut verträglich und können zu ernsthaften Nebenwirkungen führen. Deshalb sollte die Tageshöchstdosis nicht überschritten werden und verschiedene NSAR sollten niemals gleichzeitig eingenommen werden. • Sulfasalazin: Dieses Basistherapeutikum kommt bei entzündlicher Mitbeteiligung peripherer Gelenke zum Einsatz, hat jedoch auf die Entzündung der Wirbelsäule selbst keinen Einfluss. Es kann gleichzeitig mit NSAR verordnet werden. • Anti-Tumornekrosefaktor-Therapie: Diese gentechnisch hergestellten Medikamente sind als Spritzen bzw. Pens oder Infusionen verfügbar. Bei AS zeigen sie oftmals eine hohe Wirksamkeit hinsichtlich der Schmerzen und der allgemeinen Entzündung. Wirkstoffe: Infliximab, Etanercept, Adalimumab, Certolizumab Pegol sowie Golimumab. Sie kommen zum Einsatz, wenn trotz Standardtherapie mit NSAR weiterhin eine hohe Krankheitsaktivität besteht. • IL-17-Blocker: Wie bei den oben genannten Anti-Tumornekrosefaktor-Medikamenten handelt es sich auch hierbei 36 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 um sogenannte Biologika. Wie diese greifen auch sie in das überaktive Immunsystem ein, aber an einer anderen Stelle, wo sie die Wirkung des Interleukin-17 hemmen. Zurzeit steht nur ein Wirkstoff, Secukinumab, zur Verfügung. • Glukokortikoide: Eine Kortisoninjektion in ein besonders geschwollenes oder schmerzhaftes Gelenk zeigt zumeist gute Wirksamkeit. • Operationen: Hüftgelenk- oder Wirbelsäulenoperationen können manchmal notwendig werden. Insbesondere die Hüftgelenkersatzoperation kommt häufiger vor: Bei dauerhaften starken Schmerzen oder schwerer Bewegungseinschränkung wird gelegentlich eine Prothese notwendig. Welche allgemeinen Maßnahmen können zur Besserung beitragen? Es gibt einige Maßnahmen, von denen alle Patienten profitieren: •R auchstopp: Rauchen schädigt die Lunge, die auch durch die Erkrankung selbst schon angegriffen sein kann. Deshalb ist ein Nikotinstopp doppelt sinnvoll! chten Sie auf eine gute Körperhaltung •A und die Teilnahme an einem Übungsprogramm. •A chten Sie auf eine adäquate Einnahme von Kalzium und Vitamin D, um das Risiko von Knochenschwund (Osteoporose) zu verringern. Produkte, die Kalzium enthalten, sind Milchprodukte wie Milch, Käse und Jogurt. •M edikamente zur Behandlung von Osteoporose können nur dann empfohlen werden, wenn bereits ein krankhafter Knochenschwund nachweisbar ist. Spondyloarthritis 1A 2A 1B Mobilisieren der Wirbelsäule 2B Stärkung der oberen R­ ückenmuskulatur 3 Stärkung der Bauch- und Gesäßmuskeln Tägliche Gymnastik bei Morbus Bechterew In der Therapie des Morbus Bechterew ist die regelmäßige (tägliche) und gezielte Gymnastik ein fixer Bestandteil. Das gezielte Muskeltraining trägt zur Schmerzlinderung und zum Erhalt der Beweglichkeit der Wirbelsäule bei. Damit beugt man auch der frühzeitigen Versteifung der Wirbelsäule und Fehlhaltungen vor. Grundsätzlich ist es sinnvoll, in Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Therapeuten die Übungen dem Krankheitsstadium angepasst zusammenzustellen. Im Folgenden sind einige Übungen beispielhaft angeführt, die Sie einfach zu Hause ausprobieren können. Die Übungen sollten auf einer Turnunterlage in bequemer Kleidung mindestens 5x wiederholt werden. Wichtig ist, die Spannung ca. 5 Sekunden lang zu halten. Sollten Sie dabei Schmerzen haben, hören Sie mit der 4 Stärkung der Bauchmuskeln Übung auf und sprechen Sie mit Ihrem Arzt darüber. Bei den Übungen müssen Sie auf Ihre bestehenden Bewegungseinschränkungen Rücksicht nehmen. 1. Mobilisieren der Wirbelsäule Gehen Sie auf die Knie und stützen Sie sich mit den Händen schulterbreit auf. Die Hände sind leicht gebeugt, die Knie befinden sich unter den Hüftgelenken, die Halswirbelsäule ist gestreckt (Blick auf den Boden, Nacken lang machen). In dieser Position („Vierfüßlerstand“) machen Sie nun abwechselnd einen „Buckel“ – dabei ziehen Sie das Kinn zur Brust – und danach bewusst ein Hohlkreuz – Kopf wieder in die Ausgangsposition. 2. Stärkung der oberen ­Rückenmuskulatur Legen Sie sich auf den Bauch und verschränken Sie die Hände vor dem Kopf. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 37 Spondyloarthritis Dabei liegen die Handflächen auf dem Boden, die Stirn stützen Sie darauf ab. Heben Sie nun die Ellbogen langsam an und ziehen Sie den Kopf nach oben. Halten Sie diese Position. Danach legen Sie sich wieder flach auf die Matte und entspannen, bevor Sie die Übung wiederholen. 3. Stärkung der Rücken- und ­Gesäßmuskeln Gehen Sie in den „Vierfüßlerstand“. Strecken Sie abwechselnd einen Arm oder ein Bein in Verlängerung des Rückens aus. Halten Sie den Rumpf stabil. Fällt Ihnen diese Übung leicht, strecken Sie den linken Arm und das rechte Bein bzw. den rechten Arm und das linke Bein gleichzeitig aus. 5 4. Stärkung der Bauchmuskeln Legen Sie sich auf den Rücken und winkeln Sie Ihr rechtes Bein so ab, dass ein rechter Winkel in der Hüfte entsteht. Drücken Sie nun den linken Arm gegen das rechte Knie und halten Sie gleichzeitig mit dem Bein dagegen. Spüren Sie dabei, wie Sie Ihre Bauchmuskeln anspannen. Wiederholen Sie das mit dem anderen Arm und Bein. 5. Stärkung der Schultermuskulatur Setzen Sie sich gerade auf eine harte Unterlage (z.B. Sesselkante). Neigen Sie den Oberkörper leicht nach vorne und strecken Sie dabei die Arme nach oben. Die Daumen zeigen nach hinten, der Rücken bleibt gerade. Atmen Sie tief ein und aus und versuchen Sie dabei, die Spannung zu halten. Weitere Empfehlungen Gezielte Atemübungen: Diese müssen eigentlich in jedes Therapieprogramm 38 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Stärkung der Schultermuskulatur von Morbus Bechterew miteinbezogen werden, da die Atmung durch den Beweglichkeitsverlust der Wirbelsäule sowie durch Schmerzen eingeschränkt sein kann. Die Übungen können nach Anweisung durch einen Spezialisten zu Hause regelmäßig – eingebunden in das Gymnastikprogramm – ausgeführt werden. Damit wird sich Ihre Lungenfunktion merkbar verbessern, das konnte auch in Studien nachgewiesen werden. Ebenso werden Rotationsübungen für den Brustkorb, Dehnungsübungen sowie Gymnastikübungen für die Halswirbelsäule seitens der physikalischen Medizin angeraten. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt, er wird Sie gegebenenfalls an einen Spezialisten überweisen. PSORIASIS-ARTHRITIS (PSA) Was ist Psoriasis-Arthritis? Blick: Auf einen -Arthritis Psoriasis einsam mit n enflechte gem • Tritt Schupp ungen auf, spricht man vo nd zü nt ke en el G itis (PsA). Psoriasis-Arthr leichermaßen Frauen sind g riasis-Arthritis d un r ne än so • M Kindern tritt P betroffen. Bei Rolle. selten auf. ung spielt eine ag nl ra Ve e ch • Die genetis n zumeist erden beginne • Die Beschw 35. und 45. Lebensjahr. ­zwischen den ng kann itige Behandlu • Eine frühze ngen verhindern. ru ­Gelenkzerstö Die Schuppenflechte (Psoriasis vulgaris) ist eine chronische Hauterkrankung, die sich durch gerötete und meist stark schuppende Hautveränderungen, die entweder nur an bestimmten Stellen (z.B. Ellbogen, Knie, Kopfhaut) oder manchmal auch am ganzen Körper auftreten, äußert. Auch die Nägel können in typischer Weise befallen sein. In Österreich leiden vermutlich 2–3% der Bevölkerung an Schuppenflechte, davon erkranken 5–15% auch an schmerzhaften Gelenkentzündungen. Was sind die Ursachen? Sowohl bei Psoriasis als auch bei Psoriasis-Arthritis handelt es sich um Autoimmunerkrankungen, bei denen das ImmunBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 39 Psoriasis-Arthritis system körpereigenes Gewebe als Fremdkörper bekämpft. Voraussetzung für die Entstehung der Krankheit ist eine genetische Veranlagung. Das heißt, dass Menschen mit bestimmten Erbanlagen eine Neigung zur Entwicklung von Psoriasis und Psoriasis-Arthritis besitzen, unter der es entweder von selbst oder durch äußere Auslöser – wie etwa Infektionskrankheiten – zu diesem Fehlverhalten des Immunsystems kommen kann. Wie äußert sich die Erkrankung? Oft zeigen sich einige Jahre nach Auftreten der Schuppenflechte schmerzhafte entzündliche Veränderungen der Gelenke. Nur bei etwa jedem zehnten Betroffenen stellt sich der Hautbefall erst nach der Gelenkerkrankung ein. Manchmal treten Haut- und Gelenkbeschwerden allerdings auch gleichzeitig auf. Welche Körperteile sind hauptsächlich betroffen? wurstförmig geschwollen und verursacht starke Schmerzen („Daktylitis“). ehr häufig sind die Mittel- und End•S gelenke betroffen. Dies unterscheidet die Psoriasis-Arthritis von anderen Formen des entzündlichen Rheumas, bei denen körpernähere Gelenke befallen sind. • Entzündung des Sehnenansatzes, die sich in ausgeprägter Schwellung und Schmerzen äußert (häufig z.B. am Fersenbein, wo die Achillessehne ansetzt). •W ie auch bei der ankylosierenden Spondyloarthritis kann es zu einer Entzündung der Iliosakralgelenke, also der Gelenkverbindungen zwischen Becken und Kreuzbein, kommen. Die Betroffenen klagen oft über Schmerzen in den Gesäßbacken. • I m Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis ist die Gelenkbeteiligung bei der Psoriasis-Arthritis oft asymmetrisch, Gelenke, Knochen und teilweise auch Sehnen sind in unterschiedlicher Ausprägung von der Erkrankung betroffen. Am häufigsten zeigt sich die Psoriasis-Arthritis an den kleinen Gelenken von Fingern und Zehen. Wichtiger Hinweis: Wenn die PsoriasisArthritis nicht rechtzeitig behandelt wird, kann es ähnlich wie bei anderen rheumatischen Gelenkerkrankungen zu einer irreparablen Zerstörung der Gelenke kommen! Welche Symptome treten auf? • Strahlenförmige Entzündung einzelner Finger oder Zehen. Der betroffene Körperteil ist vom Ansatz bis zur Spitze 40 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Charakteristisch: wurstförmig geschwollener Finger Psoriasis-Arthritis d.h. es sind an der rechten oder an der linken Körperhälfte unterschiedliche Gelenke befallen. •W enn die Schuppenflechte die Zehenoder Fingernägel befällt, ist das ein wichtiger Hinweis für das Vorliegen einer Psoriasis-Arthritis – vor allem dann, wenn Gelenkschwellungen vorhanden sind. Man findet z.B. stecknadelkopfgroße Grübchen auf der Nagelplatte, die Nagelplatte kann gelblich verfärbt sein (sog. Ölflecke), der Nagel kann sich vom Nagelbett abheben und manchmal auch vollständig zerstört werden. Wie verläuft die Erkrankung? Sowohl die Psoriasis als auch die Psoriasis-Arthritis haben in der Regel einen chronisch-schubweisen Verlauf. Das heißt, Phasen der Verschlechterung wechseln sich mit Phasen der Besserung oder sogar Beschwerdefreiheit ab. Während der Hautbefall in jeder Erkrankungsphase zur vollständigen Rückbildung gebracht werden kann, können die Gelenkentzündungen zu bleibenden Schäden mit Bewegungseinschränkungen der betroffenen Gelenke führen. Woran erkenne ich Psoriasis-Arthritis bei meinem Kind? Psoriasis-Arthritis im Kindesalter ist selten und zeigt kein einheitliches Krankheitsbild. Untersuchungen belegen, dass Kinder vor allem um das 2. und 5. Lebensjahr erkranken. Auch und besonders bei Kindern geht die Arthritis der Psoriasis oft um Jahre voraus. Die kleinen Patienten leiden häufig an schmerzhaften Schwellungen und Entzündungen der Finger- oder Zehengelenke sowie an typi- schen Nagelveränderungen. Von den großen Gelenken sind vor allem das Knie- und das Sprunggelenk, aber auch Hand-, Ellbogen- und Hüftgelenk betroffen. Die Kinder belasten das betroffene Gelenk weniger und wollen getragen werden. Bei älteren Kindern zeigen sich Entzündungen der Sehnenansätze oder auch der Wirbelsäulengelenke, die sich durch Schmerzen in der Lendenwirbelsäule äußern können. Auch Fieber, das über einen längeren Zeitraum mit oder ohne begleitenden Hautausschlag auftritt, oder eine Entzündung der Regenbogenhaut am Auge (Iridozyklitis) kann ein erstes Anzeichen sein. Besonders bei Kleinkindern kann es sein, dass weder Schmerzen noch Rötung auf die Augenentzündung hinweisen und diese nur durch eine routinemäßige Augenarztuntersuchung entdeckt wird. Wird die Entzündung nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, können bleibende Schäden entstehen. Wie stellt der Arzt die Diagnose? Der Arzt beurteilt das Krankheitsbild nach ... • d em Befallsmuster der Gelenke, • d em Erscheinungsbild der Haut, • d em Verlauf, •m öglichen Begleiterscheinungen, • d er Ausprägung der Erkrankung, • d en Ergebnissen von Röntgen- und ­Laborbefunden. Was ist dabei zu beachten? Bei Psoriasis-Arthritis ist es wichtig, die Erkrankung von anderen rheumatischen Krankheitsbildern, wie z.B. rheumatoide Arthritis, Morbus Bechterew oder Abnützungserscheinungen der Gelenke (ArthBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 41 Psoriasis-Arthritis rose, Osteoarthritis), zu unterscheiden. Das klinische Erscheinungsbild kann individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sein und nicht immer zeigen Haut und Gelenke die oben beschriebenen typischen Veränderungen (siehe „Welche Symptome treten auf“, Seite 40). Diese vielfältigen Manifestationsmöglichkeiten erfordern ausgiebige Erfahrung in der klinischen Untersuchung von Patienten mit PsA. Labor und Bildgebung sind dabei lediglich Hilfsmittel. Welche Laboruntersuchungen gibt es? Eine Blutuntersuchung kann hilfreich sein, auch wenn es keine eindeutigen Marker für die Psoriasis-Arthritis gibt. Neben allgemeinen Entzündungsmarkern (Blutsenkungsgeschwindigkeit, CRP), die aber oft im Normalbereich liegen, wird dabei auch der sogenannte Rheumafaktor bestimmt, der bei der Psoriasis-Arthritis im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis in aller Regel negativ (d.h. nicht nachweisbar) ist. Patienten mit Psoriasis oder Psoriasis-Arthritis besitzen ein erhöhtes Risiko für Stoffwechselstörungen, daher ist auch die Untersuchung von Blutfetten und Harnsäure mit entsprechender Beratung sinnvoll. Welche bildgebenden Verfahren helfen bei der Diagnose? Das Skelettröntgen ist ein wesentliches bildgebendes Verfahren, sowohl an den Gelenken als auch an der Wirbelsäule. Häufig findet man asymmetrische Veränderungen mit sogenannten Usuren (lochartige Substanzdefekte) oder Proliferationen (knöcherne Anlagerungen). In sehr fortgeschrittenen Stadien der Er42 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Durch entsprechende Therapie kann sich der Hautbefall vollständig zurückbilden. krankung entstehen schwere Verformungen der Knochen. Gelegentlich werden auch Ultraschall und Magnetresonanztomografie (MRT) zur Diagnostik eingesetzt. Die MRT ist eine besonders wertvolle Untersuchung zur frühzeitigen Erkennung von bereits eingetretenen Gelenkschäden und schweren Verlaufsformen der PsoriasisArthritis. Wie wird die Erkrankung behandelt? Die Gabe von Medikamenten zur Entzündungshemmung und zur Unterdrückung der Krankheitsaktivität ist die wichtigste therapeutische Maßnahme. Darüber hi­ naus stellt die Physiotherapie eine zusätzliche Behandlungsform dar. Sie stärkt die Muskulatur, entlastet die Gelenke und hilft den Betroffenen, richtige Bewegungsmuster zu erlernen. Sehr selten sind operative Eingriffe nötig. Welche Medikamente gibt es? Medikamente aus der Substanzgruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika Psoriasis-Arthritis (NSAR) lindern wirksam Schmerzen, können aber den Verlauf der PsoriasisArthritis nicht beeinflussen. NSAR werden vor allem dann eingesetzt, wenn die Erkrankung sehr mild ausgeprägt ist. Bei akuten Schüben der Psoriasis-Arthritis kann kurzfristig auch Kortison verabreicht werden. Langfristig werden vor allem sogenannte konventionelle immunmodulierende Substanzen (Basistherapeutika) eingesetzt, die als Langzeittherapie geeignet sind und die Krankheitsaktivität – meist sowohl an der Haut als auch an Gelenken – unterdrücken. Zu diesen Medikamenten, die meistens in Tablettenform verabreicht werden, gehören in erster Linie Substanzen, die auch bei anderen rheumatischen Erkrankungen eingesetzt werden, wie Methotrexat, aber auch Leflunomid. Bei hoher Krankheitsaktivität, wenn Basistherapeutika nicht ausreichend wirken oder nicht vertragen werden, kommen Biologika mit gezielterer Wirkung auf das Immunsystem zur Anwendung. Diese werden seit Jahren in der Therapie der Schuppenflechte eingesetzt und zeigen auch sehr gute Erfolge bei Psoriasis-­ Arthritis. Mit diesen Substanzen, die als Infusionen oder subkutane Injektionen verabreicht werden, können gezielt bestimmte körpereigene Botenstoffe, welche die Entzündungen in Haut und Gelenken mitverursachen, blockiert werden. Zum Einsatz kommen derzeit sogenannte TNF-alpha-Blocker, Interleukin17-Blocker und Interleukin-12/23-Blocker. Auch Biologika sind gleichermaßen zur Behandlung der Haut- wie auch der Gelenkerscheinungen und – ähnlich wie die oben genannten älteren Medikamente – ebenfalls für die Langzeittherapie geeignet. Eine neue Klasse stellen die oral (als Tabletten) verfügbaren, gezielten immunmodulierenden Substanzen dar. Bisher steht daraus der Phosphodiesterase-Hemmer Apremilast zur Verfügung. Wichtiger Hinweis: Um eine sichere Langzeittherapie mit allen immunmodulierenden Substanzen zu gewährleisten, muss vor Therapiebeginn eine ausführliche Beratung und Aufklärung über erforderliche Vor- und Kontrolluntersuchungen, das erhöhte Infektionsrisiko sowie andere Nebenwirkungen und Komplikationen durch einen mit diesen Therapien erfahrenen Arzt erfolgen. Gibt es Begleiterkrankungen? Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass andere chronische Erkrankungen besonders häufig bei Personen mit Psoriasis oder Psoriasis-Arthritis auftreten. Dazu zählen beispielsweise Stoffwechselerkrankungen wie Übergewicht, Diabetes mellitus und Herzkranzgefäßverkalkung. Die Ursachen für diesen Zusammenhang sind noch nicht restlos geklärt, ebenso wenig wie die ­Frage, ob eine erfolgreiche Therapie der Psoriasis-Arthritis auch zu einer Besserung dieser Begleiterscheinungen führt. Sicher ist jedenfalls, dass Patienten mit schwerer Psoriasis und Psoriasis-Arthritis besonders auf einen gesunden Stoffwechsel und eine gesunde Lebensführung mit Vermeidung zusätzlicher ­ Risikofaktoren (z.B. Zigarettenrauchen) achten sollen und die diesbezügliche Beratung und Aufklärung Teil eines umfassenden Behandlungskonzeptes sein sollten. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 43 GICHT k: Gicht c li B n e in Auf e rankung der tzündliche Erk äurekristalle in den en ne ei st i • durch Harns Gelenke, die enken hervorgerufen wird el ­betroffenen G ellung von ptome: Schw zen ym S e ch is yp t mer • d starke Sch ­Gelenken un ischen dem eist Männer zw ftmals besteht m zu ft rif et b • st Lebensjahr (o 40. und 60. auen sind in der Regel er Fr ); ht ic ew n. g roffe ­Über hseljahren bet nach den Wec stehung von lt bei der Ent ie sp ng ru äh Rolle. • Die Ern tscheidende Gicht eine en daher eine rnährung ist E er d ng lu el rapie. • Die Umst säule der The wichtige Grund Was geschieht bei Gicht? Bei Gicht (Arthritis urica) kommt es durch Harnsäurekristalle in den betroffenen Gelenken zu einer Entzündung: Die Gelenke schwellen an und schmerzen. Welche Symptome treten auf? Der erste akute Gichtanfall tritt völlig unerwartet auf, zumeist nachts oder in den frühen Morgenstunden. Typische Symptome sind heftige Gelenkschmerzattacken. Meistens ist das Grundgelenk der großen Zehe betroffen: Es schwillt an und ist oft so prall, dass die Haut glänzend gespannt ist und sehr stark schmerzt. Das betroffene Gelenk kann kaum berührt oder bewegt werden. Auch andere Gelenke können beteiligt sein, 44 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Die Gelenkschmerzen beginnen häufig am Grundgelenk der großen Zehe. wie z.B. Sprung- oder Daumengrundgelenk. In manchen Fällen ist der Allgemeinzustand schlecht, Fieber und Unwohlsein können hinzukommen. Nach einigen Tagen klingen die Symptome meist wieder ab. Bis zu einem neuerlichen Gichtanfall können mitunter Wochen oder sogar Jahre vergehen. Bleiben die Harnsäurespiegel erhöht und die Symptome treten wiederholt auf, spricht man von chronischer Gicht. Sie kann zu dauerhaften Gelenkdeformationen führen und eventuell auch andere Organe schädigen. Warum ist der Harnsäurewert erhöht? Zeigen die Laborwerte eine zu hohe Harnsäurekonzentration, nehmen Sie entweder über die Nahrung zu viele Purine auf (Purine sind neben Pyrimidinen wichtige Bausteine der Nukleinsäuren) Gicht und/oder Ihre Niere scheidet zu wenig Harnsäure aus. Lebensmittel tierischer Herkunft enthalten viele Purine. Bei Menschen werden die Purine zu Harnsäure abgebaut. Je höher der Harnsäurewert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, an einer Gichterkrankung zu leiden. Wie stellt der Arzt die Diagnose? Ein erhöhter Harnsäurespiegel kann schon viele Jahre ohne Beschwerden bestehen, ehe es zum ersten Gichtanfall kommt. Während oder nach einem akuten Gichtanfall sind oft gar keine stark erhöhten Harnsäurewerte im Blut mehr festzustellen. Es sind lediglich erhöhte Entzündungswerte (CRP) festzustellen und die Leukozyten (weiße Blutkörperchen) sind ebenfalls häufig erhöht. Für eine sichere Diagnose sind daher oft Harnsäureuntersuchungen nicht aussagekräftig. Aufschlussreicher sind die Entnahme von Gelenkflüssigkeit und die anschließende Untersuchung dieses Punktats auf Harnsäurekristalle. Ob es bereits zu dauerhaften Schädigungen von Gelenken gekommen ist, kann durch bildgebende Verfahren (Röntgen-, Ultraschall- und CT-Untersuchung) gut festgestellt werden. Wie kommt es zu einem Gichtanfall? Wie sieht die Behandlung aus? Erster Schritt ist eine umfassende ­Ernährungsumstellung. Es gilt eine purinarme Ernährung einzuhalten. Das bedeutet: •A chten Sie auf eine gesunde und ausgewogene Vollwertkost. •V erzichten Sie auf Innereien und essen Sie rotes Fleisch (z.B. Rind, Schwein oder Gans) nur in Maßen. •F isch ist erlaubt, aber: •M akrelen, Sardinen, Heringe, Sardellen oder auch Meeresfrüchte (z.B. Krustentiere und Muscheln) können den Harnsäurespiegel erhöhen und sollten daher nur selten verzehrt werden. •A uf Alkohol (v.a. Spirituosen und Bier – auch alkoholfrei) sollten Sie besser ebenfalls weitgehend verzichten. •T rinken Sie 2,5 Liter Mineral- oder Leitungswasser täglich, um die Harnsäure mit dem Harn auszuspülen. •E ssen Sie viel Gemüse, aber Obst nur in Maßen. •N ehmen Sie möglichst fettarme Speisen zu sich, greifen Sie zu fettreduzierter Milch und Milchprodukten. ermeiden Sie gesüßte Getränke sowie •V Apfel- und Orangensaft. •Z ucker und Salz sollten nur in Maßen konsumiert werden. Verantwortlich für Gicht kann vor allem die Ernährung gemacht werden. Schweres, üppiges (purinreiches) Essen oder hoher Alkoholkonsum löst nicht selten einen akuten Gichtanfall aus. Auch die erbliche Veranlagung spielt eine wesentliche Rolle. Andere Krankheiten sowie Medikamenteneinnahme, Bewegungsmangel und Übergewicht begünstigen darüber hinaus den Ausbruch von Gicht. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 45 Kein Widerspruch: Angegriffene Gelenke profitieren von Bewegung. Weitere Lebensstilmaßnahmen: •B ei Übergewicht ist eine vorsichtige Gewichtsreduktion hilfreich. •S portliche Betätigung (spazieren gehen, Rad fahren, schwimmen) wirkt sich mehrfach positiv aus, nämlich einerseits auf das Körpergewicht und andererseits auch auf den erhöhten Harnsäurespiegel. Welche medikamentösen ­Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Genügt die Ernährungsumstellung nicht, um den Harnsäurespiegel in den Normalbereich zu bringen, ist zusätzlich eine medikamentöse Therapie erforderlich, um eine dauerhafte Schädigung an Gelenken bzw. Organen zu verhindern. Medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten alleine bringen jedoch wenig Erfolg, wenn nicht auch die erforderliche Umstellung der Lebensweise eingeleitet wird! Was kann man bei einem akuten Gichtanfall tun? Bei einem akuten Gichtanfall kommen Schmerzmittel sowie schmerz- und ent46 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 zündungshemmende Antirheumatika (NSAR) zum Einsatz. Manchmal wird auch Kortison (als Tablette oder Injektion) eingesetzt. Durch die Akuttherapie können die Schmerzen innerhalb weniger Stunden deutlich verringert werden. Auch Colchicin wird zur Akuttherapie empfohlen, allerdings muss vor dem Einsatz vom Facharzt abgeklärt werden, ob die Anwendung im individuellen Fall möglich ist. In Ausnahmefällen kann Canakinumab, ein gegen den Interleukin-1-Rezeptor gerichtetes Biologikum, verabreicht werden. Wie kann man einem Gichtanfall vorbeugen? Zur Langzeittherapie können purinsenkende Medikamente eingesetzt werden (Allopurinol, Febuxostat). Diese können auch erneuten Gichtanfällen vorbeugen. Darüber hinaus wird der Rheumatologe unter Umständen bestimmte Medikamente (z.B. harntreibende Substanzen), die Sie wegen anderer Krankheiten einnehmen (z.B. Bluthochdruck), gegen andere austauschen. MEDIKAMENTÖSE BEHANDLUNG BEI ENTZÜNDLICH-RHEUMATISCHEN ­ERKRANKUNGEN Blick: Auf einen ie se Therap ö t n e m a en Medik h-rheumatisch entzündlic nen • Die meisten können heute mit moder Erkrankungen gut behandelt werden. n en Medikamente rungen könn Gelenkzerstö ngsamt t, te eu ed b verla • Das er zumindest verhindert od werden. verringert. den dadurch er w n ze er m • Sch men so­ d NSAR kom insatz. un n o is rt o K a zum E • Neben istherapeutik genannte Bas nach einem aments wird der Arzt ik ed M es d l ept, das • Die Wah Therapiekonz individuellen dem Patienten festlegt, it gemeinsam m getroffen. MedikaEinnahme der r den he lic er ui in nt tung fü • Die ko großer Bedeu n vo t is te en m lg. Therapieerfo Welche Medikamente gibt es? Zu den Arzneimitteln, die vor allem schmerzstillend wirken, zählt die große Gruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR = kortisonfreie Rheumaschmerzmittel). Im Gegensatz dazu sind jene entzündungshemmenden Rheuma­ arzneien, die das körpereigene Hormon Kortison enthalten, zu erwähnen. Beide Medikamentengruppen entfalten eine rasche Wirkung. Sie wirken jedoch nur gegen die Krankheitszeichen, wie z.B. ­ Schmerz und Schwellung, beeinflussen aber den längeren Krankheitsverlauf nicht oder – wie Kortison – nur beschränkt. Umso wichtiger ist der Einsatz von sogenannten Basistherapeutika oder auch DMARDs (Disease-modifying Antirheumatic Drugs), die zumeist als Dauermedikation verabreicht werden. Sie sollen den Übersicht medikamentöse Therapie Schmerzbekämpfung und Entzündungshemmung Bekämpfung der Gelenkschwellung Bekämpfung der radiologischen Veränderung (Gelenkdeformation) NSAR ja ja nein Kortison ja ja nein (im Frühstadium ja)* Klassische Basistherapeutika ja ja ja Biologika/Biosimilars ja ja ja Small Molecules ja ja ja * keine Indikation für Langzeittherapie Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 47 Medikamentöse Therapie Krankheitsverlauf positiv beeinflussen, die aktive Entzündung über einen längeren Zeitraum zum Stillstand bringen und somit eine Erhaltung der Gelenkfunktion sicherstellen. Zur Gruppe der Basistherapeutika gehören auch die seit 1999 am Markt b­ efindlichen sogenannten Biologika s­ owie seit Kurzem auch deren „Nachbauten“, die Biosimilars. Basistherapeutika Was bedeutet Basistherapie oder DMARD? Basistherapeutika sind Medikamente, die bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zur Verbesserung der Gelenksymptomatik und zur Verminderung bzw. im Idealfall zum Stopp der Gelenkzerstörung führen. Der englische Begriff „Disease-modifying Antirheumatic Drug“ (DMARD), also krankheitsbeeinflussendes Medikament, trifft den Effekt der Substanz wohl am ehesten. Folgende Wirkstoffe – neben den Biologika/Biosimilars – zählen zu den Basistherapeutika und finden in Österreich häufig Anwendung: Sulfasalazin, Chloroquin, Leflunomid und Methotrexat. Die Dosierung von Methotrexat liegt üblicherweise bei bis zu maximal 30 mg einmal pro Woche. Die Verabreichung erfolgt entweder als Tablette oder als Spritze unter die Haut. Ein- bis zweimal pro Woche muss zusätzlich Folsäure (5 mg) eingenommen werden. Wie wirken Basistherapeutika? Sie „dämpfen“ bzw. normalisieren die „überschießende“ Antwort des Immun48 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 systems. Dies führt zu einer Verringerung der entzündlichen Reaktion in den Gelenken, wodurch Gelenkschwellungen verhindert werden sollen. Basistherapeutika üben eine Langzeitwirkung auf den Krankheitsverlauf aus, indem sie die fortschreitende Zerstörung der Knorpel und Knochen verhindern oder zumindest verzögern. Die Wirkung der Substanzen zeigt sich oft erst nach einigen Monaten. Nach längerer Einnahme sollte es zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden bis hin zur Beschwerdefreiheit und im Idealfall zum Stillstand der Erkrankung kommen. Sie müssen regelmäßig eingenommen werden und dürfen nur nach Absprache mit dem Arzt abgesetzt werden. Zumeist ist eine dauerhafte Einnahme erforderlich. Bei gutem Therapieansprechen des Patienten kann die Dosis reduziert werden. Kommt es bei Basistherapeutika zu Nebenwirkungen? Wie bei allen Medikamenten können vereinzelt Nebenwirkungen auftreten. Deshalb muss von Beginn an eine kontinuierliche Kontrolle durch den behandelnden Arzt erfolgen: anfangs alle zwei bis vier Wochen, danach in zwei- bis dreimonatigen Abständen. So können frühzeitig oft subjektiv nicht sichtbare Nebenwirkungen rasch und zielgerichtet behandelt werden. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Infektionen, Übelkeit, Durchfall, leichter Haarausfall sowie Leberfunktionsstörungen. Da eine Schädigung der Keimzellen durch Basistherapeutika nicht ausgeschlossen werden kann, raten Ärzte, eine Schwangerschaft erst mehrere Monate nach Ab- schluss der Behandlung in Betracht zu ziehen. Männer, die mit Methotrexat behandelt werden, sollten während und bis mindestens sechs Monate nach Beendigung der Therapie keine Kinder zeugen. Es stehen Wirkstoffe als ­Medikamente zur oralen Einnahme, als Fertigspritze bzw. Pen sowie in Form von Infusionen zur Verfügung. Wann kommen Basistherapeutika zum Einsatz? • r heumatoide Arthritis • j uvenile idiopathische Arthritis •P soriasis-Arthritis •S pondyloarthritis mit Gelenkschwellungen • z um Teil bei Kollagenosen (z.B. systemischer Lupus erythematodes) Wie wirkt Kortison? Kortison bremst die Immunreaktionen und wirkt damit effizient gegen starke Entzündungen. Gerade bei rheumatischen Erkrankungen kommt dieser Effekt zum Tragen, denn Kortison unterdrückt die Entzündung in den Gelenken wirksam und schnell. Meist bessern sich die Beschwerden innerhalb von ein bis zwei Stunden nach der Einnahme. Oft wird Kortison zur Überbrückung eingesetzt, bis die Basistherapie greift. Wichtiger Hinweis: Kortison beseitigt nur das Symptom, eine Heilung kann dadurch nicht erreicht werden. Warum ist Kortison so gefürchtet? In den 1970er-Jahren wurde Kortison häufig überdosiert und zu lange verabreicht. Dadurch kam es zu den bekannten Nebenwirkungen. Heute weiß man, dass große Mengen Kortison nur für kurze Zeit gezielt angewendet werden sollen, und handelt dementsprechend. Die Nebenwirkungen von vernünftig dosiertem Kortison sind wesentlich geringer ausgeprägt. Was ist bei der Einnahme von ­Kortison zu beachten? Kortisonpräparate müssen regelmäßig und zum vorgesehenen Zeitpunkt eingenommen werden. Sie sollten nach längerer Einnahme niemals plötzlich abgesetzt werden, sondern die Dosis muss Schritt für Schritt verringert werden. Denn der Körper kann während der Therapie die eigene Kortisonproduktion einstellen, daher kann es bei plötzlichem Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 49 Medikamentöse Therapie Absetzen des Präparats zu lebensgefährlichen Reaktionen kommen. Weiters muss das Risiko für das Auftreten von Osteoporose vor Beginn der Therapie mittels Knochendichtemessung abgeklärt werden. Ebenso sind regelmäßige Blutdruck-, Blutzucker- und Gewichtskontrollen sinnvoll. Biologika Wie wirken Biologika? Biologicals, auch Biologics oder Biologika genannt, sind mittels modernster Biotechnologie und unter sehr hohem technischem Aufwand hergestellte Eiweiße. Diese sind in der Lage, die Regulationsmechanismen bei entzündlichrheumatischen Erkrankungen wesentlich zu beeinflussen. Dadurch unterscheiden sie sich von den anderen in der Rheumatherapie eingesetzten Präparaten. Biologika greifen gezielt in den immunologischen Abwehrmechanismus des Körpers ein: Sie schalten beispielsweise Zytokine – also Botenstoffe, die für die Immunantwort des Körpers zuständig sind – aus. Spätfolgen, wie z.B. Gelenkveränderungen bis hin zur Gelenkzerstörung, können mithilfe von Biologika gemindert, gestoppt oder zumindest hi­ nausgezögert werden. Seit Kurzem stehen zudem „Nachbau“Präparate von Biologika, die sogenannten Biosimilars, zur Verfügung (siehe Seite 56). Wie sieht der Therapieablauf aus? Die gängige Therapie besteht darin, dass die Gabe von Basistherapeutika beibe50 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 halten wird, wenn mit einer Biologikatherapie begonnen wird. Innerhalb von 2–4 Wochen tritt oftmals eine Besserung ein, nach rund 8–16 Wochen ist das Wirkungsmaximum erreicht. Sollte nach 3–4 Monaten kein entsprechender Therapieerfolg erzielt worden sein, sollte ein Wechsel auf ein anderes Biologikum oder ein anderes Wirkprinzip ins Auge gefasst werden. Wann wird mit einer Biologikatherapie begonnen und welche Vorteile hat sie? Biologika werden erst nach erfolglosen Versuchen mit Basistherapeutika eingesetzt. Die Biologika sind also für die Behandlung jener Patienten zugelassen, bei denen die Basismedikamente nicht oder nicht ausreichend wirken. Die gleichzeitige Einnahme von Biologika und Basistherapeutika ist in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis nahezu immer angezeigt (Kombinationstherapie). Patienten mit Psoriasis-Arthritis und Spondylarthropathien (Morbus Bechterew) können auch mit einer Biologika-Monotherapie behandelt werden. Bis zu 50% der mit den neuen Wirkstoffen behandelten Patienten berichten, dass sich ihre Beschwerden deutlich gebessert haben – wobei auch hier wieder der rechtzeitige Beginn der Behandlung entscheidend für den Therapieerfolg ist. Bei welchen Erkrankungen kommen Biologika zum Einsatz? • r heumatoide Arthritis • j uvenile idiopathische Arthritis •P soriasis •P soriasis-Arthritis •M orbus Bechterew Medikamentöse Therapie • c hronisch-entzündliche Darmerkrankungen •R egenbogenhautentzündung (Iritis/ Uveitis anterior) • s ystemischer Lupus erythematodes u.a. Biologika in Form von Infusionen – wo liegen die Vorteile? Die Infusion wird über eine Vene des Patienten in der Ordination oder an einer Tagesstation vom Facharzt verabreicht. Die Vorteile der Verabreichung von Infusionen sind maßgeschneiderte Dosierung, längere Intervalle und direkte Kontrolle durch den verabreichenden Arzt (Pflegepersonal). Nach der Infusion tritt die Wirkung bei den meisten Biologika sehr rasch ein. Schmerzen und Morgensteifigkeit werden reduziert. Auch die Entzündungszeichen im Blut (CRP, Blutsenkung) bessern sich. Wesentlich ist, die Behandlung weiterzuführen, auch wenn sich die Symptome gebessert haben, andernfalls kann sich die Krankheit wieder verschlimmern. Als vorteilhaft empfinden Patienten, dass sie sich um nichts kümmern müssen. Das bedeutet, dass die Sorge um die Lagerung der Substanz, wenn man beispielsweise auf Urlaub fährt, wegfällt. Ebenso entfallen Umstände bei der Selbstverabreichung. Biologika in Form von Fertigspritzen oder Pens – welche Vorteile bringen sie? Die erste Verabreichung der Wirksubstanzen mittels Fertigspritze oder Pen sollte unter Anleitung des behandelnden Arztes erfolgen. Die Substanzen werden beispielsweise als fertige Lösung in ei- nem vordosierten Pen mit inkludierter Nadel ohne weitere Vorbereitungsmaßnahmen verabreicht. Hat der Patient genügend Sicherheit in der eigenständigen Anwendung erlangt, verabreicht er sich den Wirkstoff zu Hause selbst. Dies stellt für viele Patienten einen Vorteil dar, weil sie dadurch unabhängig vom Spital oder vom behandelnden Arzt sind. Wichtig ist allerdings, darauf hinzuweisen, dass der Betroffene zu Hause für eine entsprechende Kühlung der Substanz im Kühlschrank (bei ca. 2–8 °C) sorgen muss. Was bewirken TNF-alpha-Blocker? Ein typisches Beispiel für den oben genannten Wirkmechanismus sind die TNF-alpha-Blocker (Tumor-NekroseFaktor alpha). Die zum Einsatz kommenden Substanzen – Adalimumab, Certolizumab, Etanercept, Golimumab und Infliximab – blockieren den körpereigenen, entzündungsauslösenden Botenstoff TNF-α. Über diesen Wirkmechanismus hemmen sie damit das weitere Fortschreiten der Gelenkentzündung, wodurch der Gelenkzerstörung Einhalt geboten wird. Die Beweglichkeit des Gelenks bleibt erhalten. Die Vorteile gegenüber herkömmlichen Basismedikamenten: Viele Patienten sprechen gut und rasch auf TNF-alpha-Blocker an, die Entzündung in den Gelenken nimmt ab, zudem wird das Voranschreiten der Knochenveränderungen eingedämmt bzw. gestoppt. Der Patient bemerkt den Behandlungserfolg, indem er weniger Schmerzen verspürt und die Gelenkschwellung abnimmt bzw. im Idealfall ganz verschwindet. Als Nachteil sind die Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 51 Medikamentöse Therapie Übersicht: Biologika in der Rheumatologie TNF-alphaBlocker Interleukin-12/23Blocker Wirkstoff Darreichungsform Zugelassen für Infliximab intravenöse Infusion; zunächst in Woche 0, 2 und 6, danach alle vier bis acht Wochen, abhängig von der Erkrankung rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Spondyloarthritis, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Psoriasis Adalimumab subkutan: Fertigspritze oder Pen; Durchstechflasche ausschließlich für Kinder; alle zwei Wochen rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Spondyloarthritis, Morbus Crohn, juvenile idiopathische Arthritis, Colitis ulcerosa, Psoriasis Etanercept Durchstechflasche; subkutan: Fertigspritze oder Pen, ein- oder zweimal wöchentlich rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Spondyloarthritis, juvenile idiopathische Arthritis, Psoriasis Certolizumab subkutan: Fertigspritze, zwei Injektionen jeweils in Woche 0, 2 und 4, danach eine Injektion jede zweite Woche rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, ­Spondyloarthritis Golimumab subkutan: Fertigspritze oder Pen, einmal monatlich rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, ­Spondyloarthritis, Colitis ulcerosa, juvenile idiopathische Arthritis Ustekinumab subkutan: Durchstechflasche oder Fertigspritze; erste Injektion in Woche 0, zweite nach vier Wochen, danach alle zwölf Wochen Psoriasis-Arthritis, ­Psoriasis, Morbus Crohn 52 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Medikamentöse Therapie Übersicht: Biologika in der Rheumatologie Wirkstoff Darreichungsform Zugelassen für B-Zell-Antikörper Rituximab intravenöse Infusion; in Woche 0 und 2 eine Infusion, danach alle sechs Monate bzw. nach Bedarf rheumatoide Arthritis, Granulomatose mit ­Polyangiitis, mikroskopische Polyangiitis Selektiver T-ZellCo-Stimulationshemmer Abatacept intravenöse Infusion: in Woche 0, 2 und 4 einmal, danach alle vier Wochen; ­subkutan: zu Beginn der Therapie optional einmalige intravenöse Infusion (Loading Dose); generell: wöchentlich subkutane Injektion rheumatoide Arthritis, ­juvenile idiopathische Arthritis Interleukin-6-­ Rezeptor-Inhibitor Tocilizumab intravenöse Infusion: alle vier ­Wochen; subkutan: Fertigspritze, einmal ­wöchentlich rheumatoide Arthritis, juvenile idiopathische Arthritis Interleukin-1-­ Rezeptor-Inhibitor Anakinra subkutan: Fertigspritze, einmal täglich rheumatoide Arthritis BLyS-Inhibitor Belimumab intravenöse Infusion; zunächst in Woche 0, 2 und 4, danach alle vier Wochen systemischer Lupus erythematodes Phosphodiesterase-Hemmer Apremilast Filmtablette zum Schlucken, zweimal täglich Psoriasis-Arthritis Interleukin-17-­ Blocker Secukinumab subkutan: Startdosen in den Wochen 0, 1, 2, 3; ab Woche 4 in monatlichen Abständen Psoriasis, PsoriasisArthritis, ankylosierende Spondyloarthritis JAK-KinaseHemmer Baricitinib Filmtablette, einmal täglich rheumatoide Arthritis Tofacitinib Filmtablette, zweimal täglich rheumatoide Arthritis Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 53 Medikamentöse Therapie hohen Kosten und ein erhöhtes Infektionsrisiko anzuführen. Wichtig: Vor dem Verabreichen der Substanz muss das Vorliegen einer Infektion, insbesondere von Tuberkulose, ausgeschlossen werden. Ebenso muss nach Zeichen einer Leberinfektion (Hepatitis) im Blut gesucht und der Impfstatus überprüft werden. Welche Bedeutung hat die Anti-B-Zell-Therapie? Im Gegensatz zu den TNF-alpha-Blockern, bei denen das Hauptaugenmerk auf der Regulation von Zytokinen liegt, ist diese Therapie auf die B-Zellen oder B-Lymphozyten, einer Unterklasse der weißen Blutkörperchen, ausgerichtet. Eine wichtige Aufgabe der B-Zellen ist es, Antikörper zu bilden. Bei rheumatoider Arthritis werden die B-Zellen jedoch zur „Attacke“ gegen die eigenen Gelenke gerufen. Durch die B-Zell-Therapie werden B-Zellen, die auf ihrer Oberfläche ein spezielles Merkmal (CD20) tragen, stark vermindert. Dadurch können die Krankheitsaktivität und die radiologisch nachweisbare Zerstörung der Gelenke verringert werden. Die dabei zum Einsatz kommende Substanz Rituximab wurde ursprünglich für die Therapie von bösartigen Erkrankungen des lymphatischen Systems entwickelt. Zellen, die das Merkmal CD20 nicht tragen, wie z.B. Plasmazellen, werden nicht eliminiert, wodurch ein Teil der körpereigenen Abwehrkraft erhalten bleibt. Es werden in der Regel zwei Infusionen im Abstand von 14 Tagen verabreicht – wenn sich keine Wirkung zeigt, 54 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 kommt es zu keinem weiteren Einsatz von Rituximab. Zeigt sich ein positiver Effekt der Therapie, hält dieser sechs Monate bis zu einem Jahr an. Meist wird Rituximab mit einem Basistherapeutikum kombiniert. Blockade der Aktivierung der T-Zellen – was bringt das? Wenn ein Patient auf die Therapie mit Basistherapeutika nicht zufriedenstellend anspricht oder diese nicht verträgt, kann Abatacept als Biologikum zum Einsatz kommen. Die Substanz ist für Patienten mit moderater bis schwerer rheumatoider Arthritis (RA) sowie mit juveniler idiopathischer Arthritis (JIA) zugelassen und wird meist zusammen mit Methotrexat angewendet. Seine immunmodulierende Wirkung kommt durch die Blockade der Aktivierung von T-Zellen zustande. Der Wirkstoff hemmt die Aktivierung von T-Lymphozyten (TZellen), die bei der Steuerung von Abwehrvorgängen des Immunsystems eine Rolle spielen, und unterdrückt dadurch die Entzündungsvorgänge. Wann kommt ein Interleukin-6-­ Rezeptor-Inhibitor zum Einsatz? Beim IL-6-Rezeptor-Inhibitor handelt es sich um einen humanisierten monoklonalen Antikörper gegen den Interleukin6-Rezeptor (IL-6), der die Aktivität von IL-6 – einem weiteren wichtigen Auslöser des Entzündungsprozesses – unterdrückt. Die Substanz Tocilizumab, die hier zum Einsatz kommt, ist zur Behandlung von Patienten mit mäßiger bis schwerer aktiver rheumatoider Arthritis bzw. mit juveniler idiopathischer Arthri- Medikamentöse Therapie tis zugelassen, die unzureichend auf eine Therapie mit Basistherapeutika angesprochen haben. Die Wirkweise reduziert die Entzündung der Gelenke und lindert die systemischen Symptome. Der Wirkungseintritt ist in der Regel sehr rasch zu erwarten. Welche weiteren medikamentösen Optionen gibt es? •E ine weitere Therapieoption bei der rheumatoiden Arthritis stellt der IL1-Rezeptor-Inhibitor Anakinra dar. Dieser kommt ebenfalls bei erwachsenen Patienten, die nur unzureichend auf Basistherapeutika ansprechen, zum Einsatz. Die Substanz hemmt den entzündungsfördernden Botenstoff Interleukin-1. Anakinra ist allerdings in seiner Wirksamkeit den anderen Biologika unterlegen und kommt daher nicht primär zur Anwendung. •B ei der Psoriasis-Arthritis sind der Interleukin-12/23-Blocker Ustekinumab, der Interleukin-17-Antagonist Secukinumab sowie der PhosphodiesteraseHemmer Apremilast weitere medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten. Die monoklonalen Antikörper Ustekinumab und Secukinumab setzen bei den Entzündungsbotenstoffen Interleukin-12, -23 und -17 an und können ­dadurch die Entzündung verringern. Apremilast hemmt das Enzym Phosphodiesterase IV, wodurch ebenfalls die Entzündungsreaktion reduziert wird. Diese Substanz steht als Tablette zur Verfügung. •E in Biologikum, das bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes (siehe ab Seite 84), die trotz Standard- therapie eine hohe Krankheitsaktivität aufweisen, eingesetzt wird, ist der sogenannte BLyS-Inhibitor Belimumab. Seine Wirkung beruht auf der Bindung an das lösliche humane B-Lymphozyten-Stimulator-Protein BLyS, was zu einer Verkürzung der Lebensdauer von B-Lymphozyten führt. Welche Kontrollen sind bei einer Dauertherapie wesentlich? Um Schäden, die subjektiv nicht merkbar sind, rechtzeitig zu erkennen, sollten folgende Werte regelmäßig kontrolliert werden: Blutbild, Leberwerte, Nierenwerte, CRP und Harn. Einige Präparate oder die Kombination mehrerer Substanzen erfordern noch zusätzliche Kontrolluntersuchungen. Zur Therapiekontrolle sind u.a. regelmäßige Blutkontrollen erforderlich. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 55 Medikamentöse Therapie Biosimilars Sind Biologika und Biosimilars d­ asselbe? Ein wenig schon, aber nicht ganz. Der Name leitet sich – über das englische Wort „similar“ – vom lateinischen Vokabel „similis“ ab, und das hat die Bedeutungen „ähnlich“ und „gleich“. Und genau in dieser Zone zwischen gleich und ähnlich sind die Biosimilars angesiedelt. Hängen die möglichen Unterschiede mit dem Herstellungsprozess zusammen? Bei den Biologika handelt es sich um große, hochkomplexe Eiweißmoleküle, die eine weitgehend exakte spezifische Form und Struktur aufweisen müssen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. In keinem chemisch-technischen Labor würde die Synthese dieser Substanzen gelingen. Wir sind für die Herstellung auf die Mithilfe lebender Zellen angewiesen, denen die dafür notwendigen Erbinformationen in die eigene DNS (dem Speichermedium der zelleigenen Erbinformation) eingebaut wurden (daher auch der Name „Biologika“). Wird nun beispielsweise für ein bestimmtes Biologikum eine neue Zellkultur angelegt, dann ist das Produkt, das diese eigenwilligen Zellen herstellt, dem ursprünglichen nicht mehr ganz gleich und etwas mehr als nur ähnlich („similis“) – im Detail wird sich die eine oder andere Abweichung zeigen, die aber die Funktion des Moleküls nicht beeinträchtigt. Genau das ge56 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 schieht auch bei der Herstellung von Biosimilars. Ist es möglich, dass im Einzelfall ­Original und Biosimilar unterschiedlich wirken? Biosimilars sind, wie gesagt, Nachfolgepräparate von Biologika, deren Patent abgelaufen ist und die nun von anderen Erzeugern auf biotechnologischem Weg entwickelt und hergestellt werden. Da dabei nicht nur eine Zellkultur ausgetauscht wird, sondern ein komplizierter, mehrstufiger Prozess neu aufgestellt werden muss, ist grundsätzlich die Möglichkeit einer gravierenden Abweichung größer. Deshalb müssen die neu gewonnenen Wirkstoffe ein umfassendes Prüfund Kontrollverfahren einschließlich klinischer Studien durchlaufen, ehe sie die Zulassung für die therapeutische Anwendung erhalten. Wenn alle diese Prüfungen erfolgreich bestanden wurden, kann man davon ausgehen, dass die neuen Antikörper Medikamentöse Therapie Tabletten mit gezielter ­Wirkung Was sind JAK-STAT-Hemmer oder sogenannte „Small Molecules“? Seit kurzer Zeit stehen zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis neben den Basistherapeutika und Biologika auch noch Präparate einer dritten Gruppe zur Verfügung: die JAK-STAT-Hemmer Baricitinib und Tofacitinib. Sie sind in ihrer gezielten Wirkung den Biologika vergleichbar, können aber im Gegensatz zu diesen als Tabletten (ein- bis zweimal täglich) geschluckt werden. den bisher eingesetzten ausreichend ähnlich sind. Da aber „ähnlich“ nicht „gleich“ ist, kann es durchaus vorkommen, dass sich im individuellen Einzelfall verschiedene Biosimilars (Originale und Nachbau) hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Verträglichkeit doch unterscheiden. Dank der engmaschigen Kontrollen, die die Einleitung und Umstellung einer Biologikabehandlung begleiten, wird dies aber rasch entdeckt werden und stellt daher kein wesentliches Problem dar. Biosimilars: • s ind „Nachahmeprodukte“ der OriginalBiologika, aber nicht identisch mit diesen. • Der Wirksamkeit und Sicherheit von Biosimilars können Sie ebenso vertrauen wie der von Biologika! • Die Auswahl des für Sie passenden Arzneimittels liegt beim behandelnden Arzt. Warum gibt es keine Biologika in Kapselform? Biologika hemmen gezielt entzündungsfördernde Signalstoffe – entweder direkt oder durch Blockade ihrer Rezeptoren. Bei diesen Botenstoffen handelt es sich um Eiweißkörper, die ihrerseits wiede­ rum nur durch andere Eiweißmoleküle, die Antikörper, bekämpft werden können. Genau diesen Prozess vollziehen – in Nachahmung des natürlichen Immunsystems – die Biologika. Als Proteine würden sie den Weg durch den Verdauungstrakt nicht überstehen und müssen daher parenteral, also unter dessen Umgehung, über eine Vene oder die Unterhaut in den Kreislauf gelangen. Wieso können Small Molecules genauso wirksam sein wie große Biologika? Diese Botenstoffe docken dann an eine Zelle an. Um wirksam zu werden, muss aber noch ein Signal von dieser Stelle Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 57 Medikamentöse Therapie ­ olekülen an der Innenseite der Zelle M verknüpft, die als Enzyme diesen ­Signalweg initiieren können. Zu diesen Enzymen gehören die JAK-Moleküle, die in weiterer Folge den Stab an die STAT-Enzyme weiterreichen. Der Trick der sparsamen Natur dabei ist, dass mehrere unterschiedliche Zytokinrezeptoren gleiche JAK-Enzyme verwenden können. Wenn es gelingt, diese JAKs an ihrer Tätigkeit zu hindern, kann man auf diese Weise die entzündungsfördernde Kaskade unterbinden, ähnlich wie mit einem Biologikum. Der Unterschied dabei ist vor allem, dass man zur Enzymhemmung keine Antikörper braucht, weil dieser Effekt mit kleinen, chemisch-synthetisch herstellbaren Molekülen erzielt wird. Und die sind leicht in Tabletten zu verpacken und können einfach geschluckt werden. Werden Small Molecules und ­Biologika in verschiedenen K­ rankheitsphasen eingesetzt? JAK-STAT-Hemmer stehen in Tablettenform zur Verfügung. am äußersten Rand durch die ganze Zelle bis in den Zellkern gelangen, denn nur dort kann als Antwort die Zellaktivität reguliert werden. Nun besitzt eine reaktionsfähige Immunzelle aber nicht nur Rezeptoren für einen einzigen Botenstoff, sondern für sehr viele verschiedene. Einige davon sind mit anderen 58 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Soweit man es bisher beurteilen kann, sind die JAK-Inhibitoren klinisch in ihrer Wirkung den Biologika sehr ähnlich, d.h. in Bezug auf ihre erwünschten und unerwünschten Wirkungen. In diesem Sinne scheint das für Biologika Festgestellte bezüglich Effizienz, Verträglichkeit und Sicherheit auch für diese neuen Substanzen Gültigkeit zu haben. Und wie auch die Biologika werden sie dann eingesetzt, wenn mit der Basistherapie alleine die Entzündungsaktivität nicht ausreichend beseitigt werden kann oder die Basismedikamente nicht vertragen werden. NICHT-MEDIKAMENTÖSE BEHANDLUNG BEI ENTZÜNDLICH- RHEUMATISCHEN ERKRANKUNGEN Blick: Auf einenamentöse dik Nicht-me en Maßnahm lich den en grundsätz b ha n e n o ti enks zu pera •O gkeit des Gel hi fä ns tio nk Sinn, die Fu lindern. chmerzen zu S d un rn se verbes n dienen dem Maßnahme e h c lis a ik • P hys eglichkeit. Erhalt der Bew es ewältigung d pie soll die B en el itt • Ergothera ilfsm steh ern, diverse H ht ic le er s ag Allt fügung. dafür zur Ver Wann ist eine Operation sinnvoll? Operationen sind niemals ein Ersatz für eine medikamentöse Therapie, sondern werden dann durchgeführt, wenn alle herkömmlichen Methoden (wie physikalische Therapie, Medikamente, Hilfsmittel etc.) ausgeschöpft sind und trotzdem anhaltende Schmerzen in einem Gelenk bestehen. Operationen können entweder eine vorbeugende oder eine wiederherstellende Maßnahme darstellen. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 59 Nicht-medikamentöse Therapie Welche Operationsmethoden gibt es? •S ynovektomien: Dabei wird entzündete Gelenkschleimhaut entfernt. Mithilfe dieser chirurgischen Behandlung kann das Fortschreiten der Gelenkzerstörung entscheidend verzögert und in manchen Fällen sogar zum Stillstand gebracht werden. Durch die Möglichkeiten der sogenannten Schlüssellochchirurgie mittels Arthroskopie kann der Eingriff vor allem am Knie oder an der Schulter ohne große Schnitte erfolgen. Bei den Hand- oder Fingergelenken ist eine Arthroskopie jedoch oft nicht möglich, weil Bänder oder Sehnen mitbehandelt werden müssen. Dann kann lediglich eine „offene“ Synovektomie erfolgen, die größere Schnitte notwendig macht. Nach dem Eingriff wächst die Gelenkinnenhaut (Synovia) innerhalb weniger Wochen wieder nach. •K orrekturoperationen bei Gelenkfehlstellungen oder Funktionseinschränkungen (präventive und rekonstruktive Eingriffe) elenkersatz (= Teil- oder Totalendo•G prothesen) •A rthrodesen, Spondylodesen (= stabilisierende Versteifungsoperation) Was ist eine Radiosynoviorthese? Bei der Radiosynoviorthese wird eine schwach radioaktiv strahlende Flüssigkeit in ein chronisch entzündetes Gelenk injiziert. Dadurch verödet die entzündete Gelenkinnenhaut oberflächlich. Diese Behandlungsform wird jedoch erst dann angewendet, wenn die Basistherapie und die Kortisongabe direkt ins Gelenk nicht ausreichend wirksam waren. 60 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Wann ist ein Gelenkersatz notwendig? Ist ein bestimmtes Maß an Zerstörung erreicht, bleibt nur noch der künstliche Gelenkersatz mit Materialien wie Metall, Keramik, Polyethylen oder Silastic. Der Eingriff ist an fast allen Gelenken möglich, etwa an Schulter-, Ellbogen-, Hand-, Finger-, Hüft-, Knie-, oberem Sprunggelenk oder an den Zehengelenken. Am häufigsten wird er beim Hüftund Kniegelenk durchgeführt. Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass Kunstgelenke zu einem hohen Prozentsatz Schmerzfreiheit und annähernd normale Beweglichkeit erwarten lassen können. 90–95% der Implantate halten mindestens 15 Jahre, bei sehr aktiven jüngeren Patienten kann es etwas kürzer sein. Bestimmte Materialpaarungen haben einen extrem niedrigen Abrieb, wie z.B. Keramik-Keramik, wodurch auch eine starke Belastung im Rahmen sportlicher Betätigung möglich wird. Nicht-medikamentöse Therapie Was versteht man unter einer V­ ersteifungsoperation? Eine operative Gelenkversteifung wird beispielsweise bei einer sehr schweren rheumatischen Erkrankung vorgenommen (oft bei kleineren Gelenken im Bereich der Fuß- und Wirbelgelenke) und dient vor allem der Schmerzlinderung. Die Bewegungsfähigkeit des Gelenks wird unterbunden, die Knochenteile des versteiften Gelenks wachsen zusammen. Welche Operationsmöglichkeiten gibt es? •B ei rheumatoider Arthritis (RA): Je nach Stadium wird die entzündlich veränderte Gelenkkapsel oder Sehnenscheide entfernt (Synovektomie). Zerstörte Sehnen werden wiederher­ ­ gestellt, eine Gelenkteilentfernung (Resektionsarthroplastik) wird vorgenommen, eine Gelenkversteifung (Arthrodese) durchgeführt oder ein künstliches Gelenk eingesetzt. Künstliche Gelenke werden häufig im Bereich von Hüfte, Knie oder Schulter eingesetzt, im Bereich des Ellbogens oder Sprunggelenks eher seltener. Bei kleineren Gelenken wird oft auch eine Versteifungsoperation durchgeführt. Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis kommt es häufig im Bereich des 2. Halswirbelkörpers zu entzündlichen Veränderungen, die im fortgeschrittenen Stadium zu neurologischen Ausfällen führen können. Die beginnende Schädigung des Rückenmarks zeigt sich durch Hinterkopf-NackenSchmerzen, eine Schwächung an den Extremitäten und Unsicherheit beim Vibrationen schaden den Gelenken. Überblick: Nicht-medikamentöse Behandlung Zur Schmerzbehandlung: Thermotherapie, Elektrotherapie, ­Ultraschall, Massagen (je nach Schmerz­ ursache unterschiedliche Auswahl an Therapieverfahren) Zur Entzündungshemmung: Thermotherapie (Kälte bei akuten, Wärme bei chronischen Entzündungen) Zur Behandlung von Bewegungsstörungen: Heilgymnastik, Ergotherapie, Sporttherapie Zur Muskelentspannung und Verbesserung der Durchblutung: Heilgymnastik, klassische Massage, ­Wärmetherapie, Kältetherapie Zur Muskelkräftigung: Heilgymnastik, Reizstromtherapie, ­Elektrotherapie Zur Verhütung und Korrektur von Fehlstellungen: Heilgymnastik, Ergotherapie, Sporttherapie Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 61 Nicht-medikamentöse Therapie Gehen. Durch eine Versteifungsoperation kann das Rückenmark geschützt und eine weitere Schädigung verhindert werden. •B ei Morbus Bechterew: Im Vordergrund steht lebenslange Gymnastik zur Kräftigung der Rückenstrecker. Wenn der Krankheitsverlauf jedoch so stark fortschreitet, dass die Krümmung der Wirbelsäule stark zunimmt, sollte rechtzeitig eine Versteifungsoperation im Bereich der Wirbelsäule durchgeführt werden. Dabei werden Schrauben in die Wirbelkörper eingebracht und untereinander mit Stäben verbunden, um eine Stabilisierung zu erreichen. Diese Implantate sind nur vorübergehend als Stabilisatoren gedacht, bis eine knöcherne „Brücke“ entsteht, die das Fortschreiten der Erkrankung stoppt. •B ei Psoriasis-Arthritis: Je nach Stadium wird die entzündlich veränderte Gelenkkapsel oder Sehnenscheide entfernt (Synovektomie), zerstörte Sehnen werden wiederhergestellt, eine Gelenkteilentfernung (Resektionsarthroplastik) wird vorgenommen, eine Gelenkversteifung (Arthrodese) durchgeführt oder ein künstliches Gelenk eingesetzt. Welche physikalischen Maßnahmen gibt es? Physikalische Maßnahmen sind bei allen Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates für den Erhalt der Gelenkbeweglichkeit wichtig. Hierzu zählen: •B ewegungstherapie •W ärme- und Kältetherapie •M assage (manuelle und Reflextherapie) 62 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 lektrotherapie •E •m edizinische Trainingstherapie •L aserbestrahlung • t ranskutane elektrische Nervenstimulation (TENS) bei akuten Schmerzen Warum ist Bewegung so wichtig? Mit Heilgymnastik kann eine Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit, eine Kräftigung der Muskulatur sowie eine Schmerzlinderung erreicht werden. Vorsicht: Bei einem akuten Schub sollte die Heilgymnastik pausiert werden! Wann kommt Wärme, wann Kälte zur Anwendung? Durch die Wärmetherapie sollen Schmerzen gelindert und Muskeln entspannt werden. Warme Wickel, Bäder, Moor-, Fango- oder Schlickpackungen, Heusäcke oder Paraffin als Wärmeträger (oft bei Arthrose in den Finger- oder Kniegelenken) sowie Bestrahlung mit Infrarotlampen sind Möglichkeiten der Wärmebehandlung. Vorsicht: Bei akuten Entzündungen soll Wärme nicht angewendet werden, da diese die Symptomatik der Erkrankung verschlimmern kann! Die Kältetherapie wirkt entzündungshemmend, schmerzlindernd und bewegungsfördernd. Sie wird bei geschwollenen Gelenken, Schmerzen und akuten Entzündungen angewendet. Die Techniken reichen von Eispackungen über kalte Moorpackungen, Kryopacks (Kryo = Kälte) und Kältebäder (15 °C) bis zu Ganzkörpertherapien in Kältekammern mit Temperaturen bis -110 °C. Vorsicht: Nicht angewendet werden darf Nicht-medikamentöse Therapie Bewegungstherapie mit einem Physio­ therapeuten wird empfohlen. die Kältetherapie bei Fieber, Nierenund Blasenleiden, Kälteüberempfindlichkeit sowie bei Gefäßentzündungen! Was bewirken Massagen? Massagen entspannen verhärtete Muskeln, was sich wiederum entlastend auf die Gelenke auswirkt. Zudem fördern Massagen die Durchblutung und regen den Muskeltonus an. Massagen können auch Schwellungen reduzieren. Wichtig ist, dass sie vom Patienten als angenehm empfunden werden. Was versteht man unter E­ lektrotherapie? Die Verfahren der Elektrotherapie beinhalten die therapeutische Anwendung von elektrischem Strom in der Medizin. Sie unterscheiden sich sowohl physikalisch als auch biologisch voneinander. Die Hochfrequenztherapie ist eine reine Wärmetherapie mit großer Tiefenwirkung. Mittels spezieller Elektroden wird hochfrequenter Strom durch die Haut geleitet und im Körper in Wärme umgewandelt. Achtung: Für Patienten mit einer Prothese im zu behandelnden Gebiet oder mit einem Herzschrittmacher ist diese Form der Therapie nicht geeignet! Die Niederfrequenztherapie arbeitet im Frequenzbereich von 0–1.000 Hertz. Sie dient der Schmerzlinderung, dem ­Muskeltraining und der Durchblutungsförderung. Dadurch können Schmerzmedikamente eingespart oder ein kreislaufschondendes Muskeltraining durchgeführt werden. Wann ist eine medizinische Trainingstherapie sinnvoll? In chronischen Krankheitsphasen kommt es häufig zu Muskelschwund. Hier ist ein richtig dosiertes, ärztlich überwachtes Ausdauer- und Krafttraining indiziert. Natürlich müssen die biomechanischen Gelenkveränderungen berücksichtigt und Trainingsgeräte sowie Trainingsintensität individuell angepasst werden. Die Effekte zeigen sich jedoch nicht nur in einer besseren körperlichen Leistungsfähigkeit und gesteigertem Wohlbefinden, sondern auch in einer Abnahme der Entzündungsaktivität. Was bewirkt die Ergotherapie? Die Ergotherapie versucht, dem erkrankten Menschen trotz einer beeinträchtigenden Erkrankung größtmögliche Selbstständigkeit im Alltag zu ermöglichen. Gemeinsam mit dem Betroffenen Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 63 Nicht-medikamentöse Therapie werden Hilfsmittel ausprobiert und gegebenenfalls angeschafft. Es wird genau besprochen, wie beispielsweise der Arbeitsplatz gelenkschonend gestaltet werden kann oder welche Übungen bei sportlicher Betätigung weniger belastend sind. Es gibt auch spezielle orthopädische Hilfsmittel, wie z.B. Gelenkschienen, die helfen, den Alltag besser zu meistern. Ziele sind mehr Selbstständigkeit im täglichen Leben, weniger Schmerzen und eine Schonung des betroffenen Gelenks. Was bedeutet Gelenkschutz? Gelenkschutz bedeutet ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ruhe und Belastung. Die Gelenke sollten achsengerade belastet, d.h. nicht verdreht werden, wie es z.B. beim Auswinden eines Tuches der Fall ist. Gelenke sollten auch keiner Vibration ausgesetzt werden: So sollte man beispielsweise nicht mit einem Küchenmixer arbeiten, der starke Vibrationen erzeugen kann. Die Belastung sollte mäßig sein und auf so viele Gelenke wie möglich verteilt werden – so sollten z.B. Lasten beidhändig getragen, Trinkgefäße mit beiden Händen gehalten werden etc. Welche Hilfen gibt es für den Alltag? Im gut sortierten Fachhandel stehen unterschiedliche Hilfsmittel zur Verfügung, z.B.: •F inger- und Handhalterungsschalen •K nopfloch- und Schwanenhalsschienen • s pezielle Messer (der Griff ist 90 Grad von der Klinge weggebogen) und Flaschenöffner • e rgonomische Computertastaturen •C omputermaus, die die Handgelenke nicht belastet •H andstöcke und Gehstützen Hilfsmittel zum Öffnen von Dosen u. Ä. erleichtern den Alltag. 64 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Nicht-medikamentöse Therapie REGELMÄSSIGE KONTROLLEN UND ­THERAPIEANPASSUNG Warum ist eine frühzeitige Therapie so wichtig? Beim Auftreten von unklaren Gelenkschmerzen und/oder Gelenkschwellungen, verbunden mit Morgensteifigkeit, sollte zeitnah ein Arzt aufgesucht werden. Denn je früher Patienten mit rheumatoider Arthritis identifiziert werden und mit einer Rheuma-Basistherapie begonnen wird, desto besser kann die Krankheitsaktivität eingedämmt werden. Was kann der Patient selbst b­ eitragen? Patienten können das Fortschreiten der rheumatoiden Arthritis am besten verhindern bzw. verlangsamen, indem sie die empfohlenen medikamentösen und nicht-medikamentösen Maßnahmen konsequent durchführen und die vereinbarten ärztlichen Kontrollen einhalten. Warum sind zu Beginn der Therapie häufige Arztbesuche erforderlich? Wer eine Basistherapie einer rheumatischen Erkrankung beginnt, muss zunächst in kürzeren Intervallen Kontrolltermine wahrnehmen. Dadurch kann der Rheumatologe überprüfen, ob die Therapie auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist, ob die Behandlungsziele erreicht wurden bzw. ob eventuell Therapieanpassungen notwendig sind. Eines der Hauptziele der Therapie ist die Beschwerdefreiheit des Betroffenen (= Remission). Sollte das Erreichen einer Re- mission nicht möglich sein, soll zumindest ein Zustand mit geringer Krankheitsaktivität erreicht werden. Was versteht man unter dem Begriff „Remission“? Remission bezeichnet das Erreichen eines Zustandes, in dem keine Schwellungen mehr vorhanden sind bzw. nur noch ein Gelenk geschwollen ist und auch keine Schmerzen mehr bestehen. Dies geht mit dem Wiedererlangen bzw. dem Erhalt der Funktionsfähigkeit der Gelenke einher. Welche Kontrollen sind bei einer Dauertherapie wesentlich? Klinische Kontrollen beim Rheumatologen sind notwendig, um die Effektivität der eingesetzten Basistherapie zu beurteilen. Im Arzt-Patient-Gespräch werden auch die Verträglichkeit der Medikamente und eine eventuelle Änderung oder Ergänzung der bestehenden Therapie erörtert. Außerdem sind Überprüfungen der Blutwerte notwendig, um mögliche Nebenwirkungen der Medikamente, die man selbst nicht immer bemerken würde, zu erkennen. In bestimmten Abständen ­ werden auch entsprechende Röntgenkontrollen durchgeführt. Zudem können Begleitmaßnahmen wie Ergotherapie, Hilfsmittelversorgung sowie die berufliche Situation und eventuell die Notwendigkeit einer Rehabilitation besprochen werden. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 65 VERSCHLEISSRHEUMATISMUS 66 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Frauen sind häufiger von Arthrosen und Osteoporose betroffen als Männer. ARTHROSE Blick: Auf einen Arthrose e Gelenk­ iv-rheumatisch at er en eg d nungen“) • ist eine tzungserschei nu b A („ ng ku erkran Millionen reich rund 1,4 er st Ö in ft rif • bet rn auf Menschen als bei Männe en au Fr ei b er • tritt häufig . und 60. chen dem 50 is zw st ei m n früher (z.B. • beginnt nter auch scho tzung) itu m r, ah sj Leben r Verle nfall oder eine nach einem U Wie kommt es zu Arthrose? Arthrosen sind chronische Gelenkerkrankungen, die aufgrund von Veränderungen des Gelenkknorpels und des darunter liegenden Knochengewebes entstehen. Die Ursache sind Umbauprozesse im Knorpelgewebe und im gelenknahen Knochengewebe. Dabei kommt es zu einer Störung des Gleichgewichts im Knorpelstoffwechsel. Den Verlust von Knorpelgewebe kann der Körper nicht mehr ausgleichen. Die Folge: Schmerzen, Muskelverspannungen, Bewegungseinschränkungen und vereinzelt auch Schwellungen im Bereich der betroffenen Gelenke. Mit der Zeit kann es zu Gelenkverformungen und damit zu einer nicht mehr rückbildungsfähigen Funktionseinschränkung kommen. Ein Trauma (Unfall, Verletzung) kann die Entstehung von Arthrose begünstigen. Welche Gelenke sind betroffen? Oftmals sind Knie- und Hüftgelenke betroffen, da diese stark belastet werden, müssen sie doch einen großen Teil des Körpergewichts tragen. Die verminderte Beweglichkeit und Belastbarkeit infolge einer Arthrose verändern die Haltung und den Gang. Auch die Arthrose der kleinen Fingergelenke (Fingerarthrose), die vor allem die Fingerendgelenke (Heberden-­Arthrose), die Fingermittelgelenke (Bouchard-­ Arthrose) sowie die Daumen­sattelgelenke (Rhizarthrose) betrifft, kommt sehr häufig vor. Welche Faktoren begünstigen die Entstehung einer Arthrose? • Alter: Fast jeder zweite über 70-Jährige hat Abnutzungserscheinungen an den Gelenken, die sich unterschiedlich stark mit Schmerzen bemerkbar machen können. • Genetik: Es gibt Familien, bei denen die Erkrankung häufiger auftritt. Ursache dafür dürften arthrosespezifische Gene sein. • Starkes Übergewicht: Mehr Gewicht belastet die Gelenke zusätzlich und fördert somit auch die Entstehung von Unterschied zwischen Arthritis und Arthrose: • Unter dem Begriff Arthritis ­werden entzündliche Gelenkleiden z­ usammengefasst. • Bei der Arthrose liegt eine primär nicht entzündliche Abnutzungserkrankung vor. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 67 Arthrose Veränderungen des Gelenkknorpels können zu Arthrose führen. Abnutzungserscheinungen. Vor allem die Kniegelenke und in geringerem Ausmaß auch die Hüftgelenke sind bei übergewichtigen Menschen häufig von Arthrose betroffen. • Fehlstellungen: Gelenke, die von Geburt an fehlgestellt sind (X-Beine, OBeine), bzw. Personen, die Verletzungen (wie Meniskusschäden) erlitten haben, neigen besonders zur Entwicklung einer Arthrose. Wichtiger Hinweis: Durch ein Ultraschall-Screening von Neugeborenen kann eine Fehlstellung der Hüfte festgestellt und so bereits früh behandelt werden, z.B. durch breites Wickeln oder eine sogenannte Spreizhose. 68 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 • Stoffwechselstörungen wie Eisenspeicherkrankheit • Überbelastung: Jahrelange schwere körperliche Arbeit – etwa lange Tätigkeiten im Stehen mit zusätzlichem ­ Anheben von schweren Gewichten (schaufeln, ­hacken etc.) oder Tätigkeiten mit hoher Belastung bestimmter Gelenke bzw. ­Gelenkregionen (z.B. Kniescheiben bei Fliesenlegern) – kann Arthrose fördern. • Extremsport: Fußballer beispielsweise leiden besonders häufig an einer Arthrose der Knie-, Hüft- oder auch der Knöchelgelenke, Radsportler an Veränderungen der Kniescheiben bzw. der Kniegelenke, Balletttänzer an Arthrose in den Sprunggelenken. Arthrose Wie sieht der typische Verlauf aus? Der Verlauf ist unterschiedlich. Vom Erscheinungsbild her unterscheidet man das klinisch stumme Stadium (Arthrose im Röntgenbild ohne Beschwerden), das chronische Stadium (leichte bis starke Schmerzen bei verschiedenen Belastungsniveaus) und das Stadium der akuten (bzw. aktivierten) Arthrose mit Gelenkschwellung, Überwärmung, Ergüssen und Schmerzen. Welche Beschwerden treten auf? Typisch ist der Startschmerz zu Beginn einer Bewegung, der dann nach wenigen Schritten nachlässt. Es kann aber auch zu einem Belastungsschmerz kommen, der sich etwa bei längeren Gehstrecken oder beim Hinuntersteigen von Treppen äußert. Im Ruhezustand oder im Schlaf tritt der Schmerz selten auf. Mit der Zeit kann es zu Gelenkverformungen kom- Regelmäßige Bewe­gung hilft, Arthrose vorzubeugen. men. Die betroffenen Gelenke sind hart und knöchern, oft knotig verändert, aufgetrieben und „knirschen, reiben oder knacken“ bei bestimmten Bewegungen. Wie erfolgt die Diagnose? Eine erste Verdachtsdiagnose wird mittels Untersuchung von Bewegungseinschränkungen sowie der Funktion, der Bandstabilität und der Gelenkkontur getroffen. Dazu kommen die Abklärung von eventuellen Fehlstellungen (z.B. der Beine) ­sowie Schmerztests. Wichtig für die Diagnose ist beispielsweise, wann und bei welchen Tätigkeiten der Schmerz auftritt. Welche bildgebenden Verfahren w ­ erden eingesetzt? • Röntgenuntersuchung: macht u.a. Veränderungen wie Gelenkspaltverschmälerungen, Defekte, Zerstörung von Gelenkknorpel und Knochen sowie Zystenbildung sichtbar • Gelenkpunktion: kommt bei Auftreten einer Gelenkschwellung zum Einsatz. Mittels Punktion wird Ge­ lenkflüssigkeit entnommen und im Labor untersucht. Die Gelenkpunktion nimmt zum einen die schmerzhafte Spannung vom Gelenk, zum anderen ermöglicht die Laboruntersuchung, verschiedene Gelenkerkrankungen voneinander abzugrenzen (bakterielle Infektionen, Kristallablagerungserkrankung u.a.). • Ultraschalluntersuchung: eignet sich zur Beurteilung von Sehnen, Muskeln, Schleimbeutelentzündungen und Gelenkergüssen • Magnetresonanztomografie (MRT) oder Magnetic Resonance Imaging Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 69 AD-Ima Arthrose (MRI): kommt zur Beurteilung des Knorpels zum Einsatz Welche Laboruntersuchungen sind sinnvoll? Laborbefunde, die Arthrose nachweisen, gibt es noch nicht. Es können aber Erkrankungen, die Arthrose verursachen oder sich ähnlich wie Arthrose präsentieren können, laborchemisch ausgeschlossen werden. Dazu gehören folgende Laborwerte: • Rheumafaktor: meist normal • Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG): normal oder nur leicht erhöht •A CPA (anti-citrullinierte Peptid-Antikörper): meist negativ (z.B. AntiCCP- oder Anti-MCV-Antikörper; werden zur Diagnose einer rheumatoiden Arthritis verwendet) Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Bei der Arthrosetherapie geht es darum, die Beschwerden zu lindern und ein Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. Trotz des Gelenkverschleißes sollen mithilfe der Therapie die Belastbarkeit und die Beweglichkeit des Gelenks noch für möglichst lange Zeit erhalten bleiben. Sind die Zerstörungen zu groß und die Schmerzen unerträglich, bleibt nur noch der Ersatz des Gelenks. Wichtige Maßnahmen sind: • a usreichende Bewegung ohne Überlastung •S chutz vor Gelenkverletzungen •V erhinderung bzw. Abbau von Übergewicht 70 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 edikamentöse Therapie •m Z Welche nicht-medikamentösen ­Maßnahmen gibt es? Physikalische Maßnahmen: Elektrotherapie, Ultraschall, Wärme und Kälte ­sowie Massagen sollten bei Arthrose regelmäßig zur Anwendung kommen. Auch die Lasertherapie (Photoradiation; LowLevel Laser Therapy – LLLT) wird als nicht-invasive Methode zur Reduktion des akuten Entzündungsschmerzes erfolgreich eingesetzt und bietet eine nebenwirkungsfreie Alternative bzw. Ergänzung zur medikamentösen Behandlung. Die Heil- bzw. Krankengymnastik und die Ergotherapie verbessern die Funktion der erkrankten Gelenke. Zusätzlich kommen Hilfsmittel wie Gummibänder, Bälle, Schienen und Bandagen zum Einsatz. Die medizinische Trainingstherapie verbessert die Ausdauer und die Muskelkraft durch systematisches Training an speziellen Geräten. Spezielle Hilfsmittel im Alltag unterstützen die Gelenke und verzögern das Fortschreiten der Erkrankung. Eventuell können Schienen, festes Schuhwerk oder das Verwenden eines Stockes die Gelenke entlasten. Besonders hilfreich und wirksam ist auch die Behandlung im Wasser (Aqua­ training). . Wie verläuft die medikamentöse Behandlung? Ein wesentliches Ziel der medikamentösen Therapie ist die Schmerzlinderung. Allerdings können Schmerzmittel die w AD-Image-A5-Zukunft_Kwizda-A4-Neue Linie 30.11.15 10:29 Seite 1 ZUKUNFTSWEISEND ...UND DAS BEREITS SEIT 1853. Seit Generationen ist Kwizda Pharmahandel Ihr verlässlicher und konstanter Partner auf dem Weg in die Zukunft. Als österreichisches Familienunternehmen vereinen wir Tradition, Kompetenz und Qualität auf höchstem Niveau. www.kwizda-pharmahandel.at Arthrose der Erkrankung zugrunde liegende Schädigung des Knorpels nicht beeinflussen. Aber erst durch weitgehende Schmerzfreiheit ist es möglich, eine Bewegungstherapie durchzuführen – und Bewegung wiederum ist notwendig ... Wie erfolgt die Schmerzlinderung? • „ Rheumasalben“: Sie sind zur lokalen Anwendung als entzündungshem- Entzündungshemmende Salben können Gelenkschmerzen lindern. 72 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 mende Salben bzw. Gels erhältlich. Salbenverbände haben den Vorteil, dass der Wirkstoff nicht so schnell in die Haut einzieht, sondern ein ausreichend großer Anteil als „Nachschub“ auf der Haut verbleibt. •N icht-steroidale Antirheumatika (NSAR): Diese Antirheumatika blockieren Gewebshormone (Prostaglandine), die den Schmerz weiterleiten. Neben der schmerzlindernden besteht auch eine entzündungshemmende Wirkung, die u.a. Schwellungen lindert. NSAR sollten nur nach Absprache mit dem Arzt eingenommen werden. • Systemische Analgetika (z.B. Paracetamol) – auch sie dürfen über längere Zeit nur auf Anraten eines Arztes angewandt werden. • Kortison: Ist die Gelenkinnenhaut eines einzelnen Gelenks krankhaft stark verändert bzw. entwickelt sich ein entzündlicher Verlauf, so kann Kortison gezielt ins Gelenk gespritzt werden. Es wirkt stark entzündungshemmend. • Injektion von Hyaluronsäure direkt ins (Knie-)Gelenk: Man erhofft sich davon eine schmerzlindernde und knorpelschonende Wirkung. Denn ein krankes Gelenk kann keine Hyaluronsäure mehr produzieren, die den Abrieb von Knorpelsubstanz reduziert. Ihre Wirksamkeit wird kontroversiell gesehen. • Knorpelschutzsubstanzen oder Aufbaupräparate: Hierzu zählen Substanzen wie Glucosamin(-sulfat) oder Chondroitinsulfat, die den Knorpelabbau bremsen sollen. Ihre Wirksamkeit wird ebenfalls kontroversiell gesehen. Arthrose • Die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) kann die Intensität akuter Schmerzen reduzieren. TENS erscheint vorteilhaft gegenüber vielen Alternativen, weil es vom Patienten selbst angewendet werden kann. Als einzige Nebenwirkungen wurden Jucken oder Hautrötungen unter den Elektroden beschrieben. Wann wird eine Arthroskopie d­ urchgeführt? Diese Maßnahme kommt vor allem bei der Untersuchung und Behandlung von Knie-, Sprung- und Schultergelenk zum Einsatz. Bei dieser speziellen endoskopischen Untersuchung von Gelenken führt man ein Arthroskop – ähnlich einer kleinen Kamera – durch einen kleinen Hautschnitt in den betroffenen Gelenkraum ein. Auf diese Weise kann der Arzt die Gelenkstrukturen direkt betrachten. Meistens werden Arthoskopien eingesetzt, um zeitgleich mit der Diagnostik auch Operationen zur Gelenksanierung durchzuführen. Gegenüber den offenen chirurgischen Verfahren besitzt die minimal-invasive Chirurgie den Vorteil der geringeren Belastung für den Organismus, geringerer Schmerzen nach der Operation, kürzerer Heilungszeiten und dadurch einer schnelleren Wiedereingliederung in die Alltagsaktivitäten. Die Durchführung einer Arthroskopie sollte nur bei eindeutiger Indikationsstellung erfolgen. Wann wird ein Gelenkersatz e­ rwogen? Bei starken Beschwerden und Behinderungen kann ein künstliches Gelenk ­Erleichterung verschaffen und die Beweglichkeit wiederherstellen. Bei allen großen und mittleren Gelenken (wie Hüfte, Knie, Schulter) ist der Gelenkersatz die erfolgreichste Therapieform, wenn trotz medikamentöser Behandlung weiterhin ständig Schmerzen vorhanden sind und die Funktionalität des Gelenks stark eingeschränkt ist. Nach einem operativen Eingriff sind Bewegungstherapie und physikalische ­ Therapiemaßnahmen wichtige Voraussetzungen für die bestmögliche Funktion des künstlichen Gelenks. Was ist nach der Operation zu b­ eachten? Im Allgemeinen beginnt die Mobilisation bereits am Tag nach der Operation. Dazu gehören Bewegungsübungen und leichte Gymnastik unter therapeutischer Anleitung. Diese Übungen sind sehr wichtig und senken unter anderem das Risiko einer Thrombose. Später folgt intensive Krankengymnastik, um den Muskelaufbau zu fördern und die Beweglichkeit der betroffenen Gelenke zu verbessern. Ein spezielles Bewegungsprogramm sollte danach auch zu Hause täglich durchgeführt werden. Das allfällige Ausmaß der sportlichen Betätigung sollte vorab mit der operierenden Stelle geklärt werden. Bei Hüfte, Knie oder ­Schulter kann ein Gelenk­ ersatz erwogen werden, wenn die medikamentöse Therapie nicht ausreicht. Osteoporose OSTEOPOROSE Blick: Auf einen ose Osteopor sind in Österreich 0 Menschen 0 .0 s0 g 0 8 an g d • Run ung (um keletterkrank ) von dieser S und“ genannt hw nochensc „K h lic ch ra sp betroffen. dichte rige Knochen ed ni ne ei n • Es bestehe enqualität. ingerte Knoch und eine verr masse abehr Knochen m ch tli eu d er Knochen • Es wird adurch wird d d t, au eb fg als au r. zerbrechliche erhebbuchstäblich rüche nimmt b en ch no K r fü r. • Das Risiko 70. Lebensjah lem ab dem al r vo , zu h lic Welche Rolle spielt die Knochenmasse für unseren Körper? Unser Knochenskelett hat zahlreiche wichtige Aufgaben. So reguliert es unseren Kalziumhaushalt und trägt uns durchs Leben. Knochen sind lebende „Materie“, sie sind stark durchblutet und ständig wird Knochenmasse auf- und wieder abgebaut. Dazu verfügt der Körper über eigene Zellen: Die Knochenabbauzellen (Osteoklasten) „rüsten“ den Knochen ab, die Knochenaufbauzellen (Osteoblasten) füllen die Vertiefungen im Knochengewebe wieder auf. Beide Prozesse befinden sich normalerweise im Gleichgewicht, welches maßgeblich durch „ruhende“ Knochenzellen, die ­Osteozyten, reguliert wird. 74 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Warum nimmt die Knochendichte mit zunehmendem Alter ab? Ein messbarer physiologischer Verlust der Knochendichte setzt etwa ab dem 30. Lebensjahr ein. Der Verlust beträgt rund 0,5–1,0% pro Jahr und kann beim weiblichen Geschlecht mit Eintritt in die Wechseljahre zumindest vorübergehend deutlich ansteigen. Tipp: Viel Bewegung und eine ausgewogene Ernährung (Kalzium, Vitamin D) tragen dazu bei, diesen Prozess langsamer ablaufen zu lassen! Welche Folgen hat Osteoporose? Bei der Osteoporose handelt es sich um eine Skeletterkrankung, die durch niedrige Knochenmasse und verringerte Knochenqualität gekennzeichnet ist. Es wird deutlich mehr Knochenmasse abals aufgebaut, dadurch wird der Knochen buchstäblich zerbrechlicher. Das Risiko für Knochenbrüche nimmt erheblich zu. Vor allem im höheren Lebensalter steigt diese Gefahr stark an. Für die Osteoporose typisch sind Brüche der Wirbelkörper, der Hüfte (v.a. der Schenkelhalsregion) sowie des Ober- oder Unterarms. Osteoporotische Knochenbrüche treten typischerweise durch minimale Krafteinwirkung auf. Kann es zu Verformungen der W ­ irbelsäule kommen? Ja. Bei Patienten mit osteoporotischen Wirbelkörperbrüchen kann es neben einer erheblichen Abnahme der Körpergröße zu Verformungen der Wirbelsäule kommen, die zum sogenannten „Witwenbuckel“ führen. Bei Osteoporose wird deutlich mehr ­Knochenmasse ab- als aufgebaut. Dadurch wird der Knochen zerbrechlicher. Warum sind Frauen häufiger b­ etroffen? Die Knochenmasse der Frau ist genetisch bedingt geringer als jene des Mannes. Hinzu kommt, dass mit Eintreten der Menopause immer weniger Östrogen produziert wird. Dieses Hormon hat einen knochenschützenden Effekt. Nimmt also das Östrogen ab, wird auch mehr Knochensubstanz ab- als aufgebaut. Aber nicht nur Frauen in den Wechseljahren sind häufiger von Osteoporose betroffen: Untergewichtige Mädchen und Frauen haben ebenfalls ein erhöhtes Osteoporoserisiko, weil zumeist auch eine Störung des weiblichen Hormonhaushalts vorliegt. Welche Risikofaktoren begünstigen Osteoporose? • Geschlecht: Frauen erkranken h­ äufiger. • Genetik • Fortgeschrittenes Lebensalter: Mit ­jeder Dekade (70 Jahre, 80 Jahre etc.) steigt das Risiko für neue Knochen­ brüche. •K nochenbrüche: Vorangegangene Knochenbrüche erhöhen das Risiko für weitere Knochenbrüche. • Erhebliche Bewegungseinschränkung (etwa durch Bettlägerigkeit) • Vorerkrankungen: z.B. Schilddrüsenüberfunktion, rheumatoide Arthritis, Diabetes Typ 1, aber auch Typ 2, Nieren- bzw. Leberleiden, COPD, ­ Hormonstörungen, Darmleiden wie ­ Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 75 Osteoporose Empfohlene Vorsorgeuntersuchungen Knochendichtemessung: • zum ersten Mal – je nachdem, welche Risikofaktoren vorliegen (mit Arzt abstimmen!) – zwischen dem 50. und 65. Lebensjahr durchführen lassen • bei Frauen ohne Risikofaktoren für Frakturen das erste Mal mit 65 Jahren • bei Frauen mit Risikofaktoren schon früher • bei Männern ohne Risikofaktoren erste Messung mit dem 70. Lebensjahr • bei Männern mit Risikofaktoren unab­ hängig vom Alter Röntgen-, CT- oder MRT-­ Untersuchungen: stellen bei starken Veränderungen der Wirbelsäule wichtige Diagnosemöglichkeiten dar chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder Zöliakie • Mangel des Hormons Testosteron beim Mann • Verkürzte Bildung des Hormons Östrogen bei der Frau: z.B. durch späte erste Regelblutung (nach dem 16. Lebensjahr), frühe Menopause (vor ­ dem 45. Lebensjahr) oder häufige ­Zyklusstörungen • Ungesunder Lebenswandel: Bewegungsmangel, langjähriges Rauchen, zu viel Alkohol, Mangelernährung mit zu wenig Kalzium, zu wenig Vitamin D und Eiweiß, z.B. bei Magersucht • Untergewicht bzw. sehr schlanke Statur (Body-Mass-Index < 18) 76 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 • Medikamente: Manche Medikamente können den Knochenstoffwechsel negativ beeinflussen. So reduziert z.B. Kortison die Kalziumaufnahme aus dem Darm und unterdrückt die Knochenneubildung, wenn es länger als drei Monate eingenommen wird. Ähnliches gilt für Glitazone (für Diabetiker) und eine Reihe anderer Medikamente. Was sind die ersten Anzeichen? Solange noch keine Beschädigungen an den Wirbelknochen aufgetreten sind, verläuft die Erkrankung asymptomatisch. Dann aber macht sich Osteoporose u.a. durch chronische Rückenschmerzen, Verlust an Körpergröße, zunehmende Rundrückenbildung, vermehrte Faltenbildung am Rücken sowie Brüche vor allem im Bereich der Unterarme, Rippen und Hüften (keine Sport- oder Verkehrsunfälle) bemerkbar. Diese Beschwerden treten zumeist nach dem 70. Lebensjahr auf. Wie wird Osteoporose behandelt? Die Basis jeder Osteoporosebehandlung ist die ausreichende Zufuhr von Kalzium (1.000–1.500 mg täglich) und Vitamin D (mindestens 800 Einheiten täglich). Was ist bei der Ernährung zu b­ eachten? Wichtige Kalziumlieferanten sind vor allem Milch und Milchprodukte, aber auch Spinat, Brokkoli, Haselnüsse sowie kalziumreiches Mineralwasser. Negativen Einfluss auf den Kalziumspiegel können Alkohol in großen Mengen sowie übermäßiger Rauchgenuss haben. Osteoporose Das „Knochenvitamin“ D wird in bedeutendem Maße nur durch Sonnenlicht in der Haut gebildet. Daher sollte man mindestens 30 Minuten täglich im Freien verbringen. Ein geringerer Anteil kann auch mit der Nahrung aufgenommen werden. Reichlich Vitamin D enthalten beispielsweise fetter Fisch sowie Eigelb. Wichtiger Hinweis: In der Kindheit und Jugend werden die Knochen aufgebaut – der Bedarf an Kalzium und Vitamin D ist daher in diesem Alter besonders hoch! Warum ist Bewegung wichtig? Die zweite wichtige Säule der Behandlung stellt regelmäßige Bewegung dar. Risikopatienten sollten mit Unterstützung eines Therapeuten spezielle Übungen zur Muskel- und Knochenstärkung durchführen. Welche Medikamente helfen bei Osteoporose? Als drittes Standbein der Behandlung können medikamentöse ­Wirkstoffklassen zum Einsatz kommen, um das Risiko für einen Knochenbruch zu senken, den Verlust an Knochenmasse zu minimieren bzw. den Knochenaufbau und somit die Knochenstabilität wieder zu fördern. Diese Medikamente sollten in jedem Fall entsprechend der ärztlichen Vorgabe eingenommen werden, da sonst die Gefahr für Knochenbrüche wieder zunimmt. 1. Knochenabbauhemmende Substanzen Dies sind Stoffe, die in erster Linie den Knochenabbau hemmen. Sie reduzieren bei kontinuierlicher Einnahme die Häufigkeit von Frakturen. Zu dieser Substanzklasse gehören: • Bisphosphonate: bremsen die Aktivität jener Zellen (Osteoklasten), die am Knochenabbau beteiligt sind. Sie können als Tablette einmal täglich, einmal wöchentlich oder einmal monatlich eingenommen werden; weiters stehen sie als Dreimonatsspritze oder Kurzinfusion – einmal im Jahr verabreicht – zur Verfügung. Bisphosphonate führen zu einer Verbesserung der Knochenstabilität durch eine verstärkte Mineralisation des Knochengewebes. • Denosumab: zählt zu den sogenannten Biologika und führt, ähnlich wie die Bisphosphonate, zu einer erhöhten Knochenstabilität durch eine Zunahme der Mineralisation. Die Verabreichung erfolgt in halbjährlichen Abständen als Injektion in die Unterhaut. • Selektive Ö(E)strogen-Rezeptor-Modulatoren (SERM): wirken ebenfalls durch Hemmung der Osteoklasten. Allerdings gibt es keinen Nachweis dafür, dass sie das Knochenbruchrisiko am Schenkelhals vermindern. 2. Knochenaufbaufördernde Substanz Diese Substanz kommt bei Hochrisikopatienten, die besonders frakturgefährdet sind, zum Einsatz, wenn eine Behandlung mit Bisphosphonaten nicht ausreicht. • Parathormon (PTH)-Analogon 1–34 (Teriparatid): stimuliert die Knochen aufbauenden Zellen und führt somit zu einer „echten“ Knochenneubildung. Die Verabreichung erfolgt einmal täglich, bevorzugt in die Bauchhaut. Die Behandlungsdauer ist auf zwei Jahre begrenzt. Danach wird der erzielte Knochenaufbau mit knochenabbauhemmenden Medikamenten gefestigt. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 77 WEICHTEIL­ RHEUMATISMUS Hierzu gehören die Fibromyalgie sowie die Polymyalgia rheumatica (PMR). 78 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 schmerzempfindliche Punkte FIBROMYALGIE Blick: Auf einen lgie Fibromya ung mit nicht nische Erkrank • ist eine chro Bewegungsapparat, die uft Schmerzen im nicht deformierend verlä d entzündlich un fältig, u.a. sind sehr viel und des en d er w ch es kulatur • Die B zen der Mus er m ch S en tret auf. Bindegewebes ; Wissenschaf nd unbekannt Schmerzsi n he ac rs U ng der • Die n einer Störu ter gehen vo s. au verarbeitung . Die Therapie t nicht heilbar och einen is it he nk ra K n jed • Die en Betroffene ermöglicht d til. ss aktiven Leben Welche Symptome gibt es? Bei Fibromyalgie weisen die Patienten sowohl körperliche als auch psychische Symptome auf; sie fühlen sich krank, abgeschlagen und müde. Typische Kennzeichen sind sogenannte Ganzkörperschmerzen, die über mindestens drei Monate anhalten: Der Patient klagt über großflächige (Muskel-)Schmerzen von Kopf bis Fuß, vor allem an der Wirbelsäule, an Armen und Beinen, aber auch Schlaflosigkeit, Angststörungen, Erschöpfung, chronische Müdigkeit und Depression können auftreten. Diese Beschwerden sind unterschiedlich stark ausgeprägt und treten oftmals schon nach minimalen körperlichen Belastungen auf. Häufig werden die Schmerzen durch Stress, Kälte oder körperliche Belastung verstärkt, es kann zu einem subjektiv wahrgenommenen Anschwellen der Ex­ tremitäten und zu brennenden Hautschmerzen kommen. Weiters werden reduzierte Leistungsfähigkeit, trockene Augen oder Mund, Reizdarmsyndrom, Kopfschmerzen, Beklemmungsgefühl, Kälteempfindlichkeit, Migräne oder Herzbeschwerden angegeben. Welche Folgen hat die Erkrankung? Fibromyalgie ist nicht nur mit einem enormen Leidensdruck für die Patienten verbunden, sondern kann in vielen Fällen auch zu sozialen Beeinträchtigungen führen, wie z.B. zum Verlust des Arbeitsplatzes, zu Problemen in der Partnerschaft und sozialem Rückzug. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 79 Fibromyalgie Wer ist betroffen? In Österreich dürften 80.000 Personen an dieser Erkrankung leiden. Frauen sind von Fibromyalgie neunmal häufiger betroffen als Männer. Zumeist beginnt die Krankheit eher schleichend im Alter von etwa 35 Jahren und erreicht im Klimakterium ihren Höhepunkt. Selten sind auch Kinder betroffen. Eine „sekundäre Fibromyalgie“ kann auch als Folge einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung wie rheumatoider Arthritis (Seite 21) oder bei systemischem Lupus erythematodes (Seite 84) auftreten. Mit welchen Methoden wird die Erkrankung diagnostiziert? Zunächst müssen andere Krankheitsbilder ausgeschlossen werden, denn hinter den Symptomen können sich auch andere Erkrankungen verbergen. Daher wird eine rheumatologische Untersuchung des gesamten Bewegungsapparates durchgeführt, es werden Labor- und Röntgenbefunde erstellt, auch um entzündliche Rheumaformen oder Schilddrüsenstörungen auszuschließen. Sind diese Befunde unauffällig, kommt das FibromyalgieSyndrom als Diagnose infrage. Wichtige Diagnosehilfen können druckempfindliche Punkte am Körper sein. Der Arzt drückt mit dem Daumen auf bestimmte Stellen, die über den ganzen Körper verteilt sind. Diese sogenannten „Tender Points“ im Nacken, oberhalb der Schulterblätter, bei den Schlüsselbeinen, in der Kreuzbeingegend, an den äußeren Oberschenkeln (unterhalb des Beckenknochens) und an weiteren Stellen sind allerdings nicht beweisend. 80 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Wie wird die Fibromyalgie behandelt? Die Fibromyalgie ist nicht heilbar. Wichtigstes Behandlungsziel ist, den Patienten zu einem aktiven Lebensstil zu motivieren und dadurch seine sozialen und beruflichen Funktionen zu erhalten. Jede Therapie muss individuell an die jeweilige Krankheitsaktivität angepasst werden. Grundsätzlich bedarf die Behandlung großer persönlicher Zuwendung und ist meist sehr zeitintensiv. Als therapeutische Maßnahmen stehen – nach gestellter Diagnose – Psychotherapie, Entspannungstraining sowie eine individuell angepasste, abgestufte Trainingstherapie, die den Patienten nicht überfordert, an erster Stelle. Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es noch? Da Schmerzmittel nur beschränkt einsetzbar sind, setzen Experten bei der Fibromyalgie unter anderem auf folgende („multimodalen“) Methoden: •P hysikalische Therapie, Verhaltensund Bewegungstherapie sowie aktive Techniken zur Schmerzkontrolle Fibromyalgie Problemsituationen zu arbeiten. Oftmals ist es wichtig, die Familienmitglieder in die Therapie einzubeziehen. Auch Selbsthilfegruppen können hilfreich sein. Tipp: Zusätzlich wirken sich bei Stress Entspannungsübungen wie progressive Muskelentspannung, autogenes Training und andere Entspannungstechniken positiv aus. Bewegung, wie z.B. Unterwassergymnastik, ist für Betroffene sehr wichtig. •W ärmebehandlungen mit lokalen Packungen, Ultraschall oder Heilbäder wirken muskelentspannend und schmerzlindernd. •L ymphdrainagen und Akupunktmassagen vermindern lokale Stauungen und reduzieren Schmerzen. •B ehandlungen in Infrarotwärmekabinen, aber auch in der Kältekammer können zu sehr guten Ergebnissen führen. •S pezielle Formen der Elektrotherapie können Schmerzen lindern. Warum ist eine psychische Betreuung notwendig? Die psychotherapeutische Therapie zielt auf eine Veränderung von Einstellungen und Verhaltensmustern ab. Patienten mit Fibromyalgie neigen dazu, vieles als Katastrophe zu sehen und sich dadurch selbst sehr unter Stress zu setzen. Da Stress bei der Entstehung der Krankheit eine Schlüsselrolle spielen kann, wird den Betroffenen empfohlen, mit einem Therapeuten an der Bewältigung von Wie wichtig ist Bewegung? Bewegung ist ein wichtiger Teil des Rehabilitationsprogramms, allerdings unter Aufsicht und in Maßen, damit es zu keinem Rückfall kommt. •H erz-Kreislauf-Training (Ergometer, Nordic Walking, Crosstrainer) wirkt leistungsfördernd. •Z usätzlich ist Heilgymnastik zur Muskelstärkung und Haltungsverbesserung notwendig. Einzelheilgymnastik und Kleingruppen haben sich sehr bewährt. •U nterwassergymnastik ist für ihre ausgezeichnete Wirkung auf Schmerz und Psyche bekannt. Tipp: Die Kombination von Heilgymnastik und Unterwassergymnastik ist äußerst sinnvoll, wobei jedes Training immer ganz behutsam begonnen werden sollte. •A uch Körperselbstwahrnehmungsprogramme haben sehr gute Erfolge erzielt. Die Patienten lernen dabei, mit ihrem Körper und ihrer Energie besser umzugehen. Generell ist auf ein Gleichgewicht zwischen Aktivität und Erholungsphasen zu achten. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 81 POLYMYALGIA RHEUMATICA (PMR) Blick: Auf einenalgia Polymy a ­rheumatic ität des ner Überaktiv dieses ei nd ru g uf A • s richtet sich Immunsystem en Körper. en g gegen den ei akuter Krank ennzeichen: • Typische K d heftige Schmerzen heitsbeginn un und Beckengürtel­ rin der Schulte r muskulatu t werden! gut behandel • Kann sehr Wer ist von PMR betroffen? Die Polymyalgia rheumatica (PMR; griech./lat.: „rheumatischer Vielmuskelschmerz“) ist eine relativ häufige entzündliche Erkrankung, die meist nach dem 50. Lebensjahr auftritt. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer. Jährlich erkranken in Österreich zwischen 2.000 und 4.000 Personen. Typische Symptome: starke Schmerzen in der Schultermuskulatur auf beiden Seiten, Beschwerden im Beckengürtelund Oberschenkelbereich, verringerte Handkraft. Verantwortlich für die Beschwerden ist eine Entzündung der Schleimbeutel vor allem im Bereich von Schulter- und Hüftgelenken, die im Ultraschall sichtbar wird. Je nach Entzündungsaktivität kommt es zu Gewichtsabnahme, erhöh82 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 ter Körpertemperatur und allgemeinem Krankheitsgefühl. Was ist eine Riesenzellarteriitis (GCA)? In rund 10% der Fälle besteht gleichzeitig mit der PMR auch eine Riesenzellarteriitis, vor allem der Temporalarterie im Bereich der Schläfe (Morbus Horton). Es sind die großen Arterien des Blutkreislaufs betroffen, meist im Versorgungsbereich der äußeren Halsschlagader (Arteria carotis externa) oberhalb der Aorta. Die Riesenzellarteriitis gehört zur Gruppe der Gefäßentzündungen. Betroffen sind großteils Frauen über 50 Jahren, der Häufigkeitsgipfel liegt um das 70. Lebensjahr. Was passiert bei der Riesen­ zellarteriitis? Die anhaltende Entzündungsaktivität hat eine Verengung der betroffenen Gefäße Polymyalgia rheumatica zur Folge bis hin zum Verschluss, wodurch schwere Schäden entstehen ­ können. Ohne Behandlung kann auch eine Schädigung des Auges drohen, im schlimmsten Fall die Erblindung. Es stehen jedoch Therapien zur Verfügung, durch die bei fast allen Patienten Beschwerdefreiheit erreicht werden kann. Hier gilt besonders: Je früher die Krankheit erkannt und mit der Behandlung begonnen wird, desto geringer ist die Gefahr, dass dauerhafte Schäden entstehen. Welche Beschwerden verursacht die Riesenzellarteriitis? Patienten mit Riesenzellarteriitis leiden unter einem allgemeinen Krankheitsgefühl („grippig“), eventuell verbunden mit Fieber, Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Appetitlosigkeit und allgemeiner Schwäche. Die weiteren Beschwerden sind unterschiedlich – je nachdem, welcher Gefäßbereich betroffen ist. Die Arteriitis temporalis Horton beispielsweise verursacht pochende, einseitige Kopfschmerzen im Bereich der Schläfen. Bei manchen Patienten kommt es zu Sehstörungen (Doppelbilder) oder einer Sehminderung. Wie diagnostiziert der Arzt eine PMR? Legen die Symptome den Verdacht nahe, dass es sich um eine PMR handelt, müssen bei der Diagnosestellung zunächst andere Erkrankungen ausgeschlossen werden. So sind z.B. bei den Laborbefunden die Blutsenkung und andere Entzündungsparameter zumeist stark bis sehr stark erhöht. Typisch für die PMR ist auch das Fehlen von Laborwerten, die eine Schädigung der Muskulatur anzei- gen (z.B. keine Erhöhung der sogenannten Kreatinkinase). Wie wird die PMR behandelt? Die PMR kann mit Glukokortikoiden (Kortison) ausgezeichnet behandelt werden. Charakteristisch für die PMR ist das beinahe unmittelbare Ansprechen des Patienten auf die Behandlung. Die Wirkung der Therapie wird über die Kontrolle der Symptome überprüft. Dementsprechend erfolgt auch eine langsame Reduktion der Medikamentendosis bis hin zu einer minimalen Erhaltungsdosis. Grundsätzlich kann von einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von etwa einem Jahr ausgegangen werden, doch kann die Therapie im Einzelfall auch bis zu mehreren Jahren oder aber bei gutem Therapieansprechen auch deutlich kürzer als ein Jahr dauern. Liegt neben der PMR auch eine Riesenzellarteriitis vor, sind höhere Medikamentendosierungen erforderlich, um die Entzündungen zu verringern und Dauerschädigungen zu verhindern. Fixer Bestandteil des Behandlungskonzeptes ist auch die Begleittherapie mit Kalzium und Vitamin D bzw. bei Vorliegen eines hohen osteoporotischen Frakturrisikos eine spezifische Therapie (Bisphosphonate, Denosumab bzw. Teriparatid). Wie wirken Glukokortikoide? Bei rheumatischen Erkrankungen kommen Glukokortikoide (natürliche Hormone, die in der Nebennierenrinde des Menschen produziert werden) zum Einsatz. Sie unterdrücken die Entzündungen wirksam und schnell. Dadurch lässt auch der Schmerz rasch nach. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 83 SLE Systemischer Lupus erythematodes ist eine Autoimmunerkrankung (Kollagenose), die unter anderem zu Entzündungen der inneren Organe und der Gelenke führen kann. 84 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 SYSTEMISCHER LUPUS ERYTHEMATODES Blick: Auf einen cher Systemismatodes the Lupus ery kung kran Autoimmuner • ist eine bweise Ge• verläuft schu er Haut, der zündungen d nt ren E it ne in m n er d an • k tems und ys ns ve er N lenke, des gehen Organe einher g aufgrund die Erkrankun t el hi er en • Den Nam ungen im Hautveränder gen sehen der typischen und Vernarbun us: en ng tu ö R : Gesicht “ (lat. lup olfsausschlag aus wie ein „W es: rot). erythematod Wolf; griech. gen treten Hautbeteiligun esseren en er hw sc he • Solc er viel b e aufgrund d ut he s g in rd alle nur mehr sehr öglichkeiten sm ng lu d an Beh selten auf. Was versteht man unter dem Begriff „Systemischer Lupus erythematodes“? „Systemisch“ im Krankheitsnamen steht dafür, dass innere Organe von der Erkrankung betroffen sein können. Der systemische Lupus erythematodes wird dem rheumatischen Formenkreis und den Kollagenosen (früher: „Bindegewebserkrankungen“) zugeordnet. Mit dem Kollagen, also der Bindegewebsgrundsubstanz unseres Körpers, hat die Krankheit aber in Wirklichkeit nichts zu tun. Wenn lediglich die Haut betroffen ist, lautet die Diagnose „chronisch diskoider Lupus erythematodes“ (CDLE) oder „subakut kutaner Lupus erythematodes“ (SCLE). Wer erkrankt an SLE? Der systemische Lupus erythematodes ist mit ca. 50 Betroffenen unter 100.000 Menschen selten. Die Patienten sind überwiegend junge Frauen im Alter von 15 bis 40 Jahren (Verhältnis weiblich : männlich = 10 : 1). Bei Kindern tritt SLE selten vor dem 5. Lebensjahr auf. Auch hier sind Mädchen deutlich häufiger betroffen als Jungen. Aus diesem Grund vermutet man, dass die weiblichen Hormone (Östrogene) Einfluss auf die Krankheitsentstehung haben. Welche Ursachen hat SLE? Die genauen Ursachen sind bisher nicht bekannt. Fest steht, dass im Blut Antikörper gegen Zellbestandteile, häufig gegen den Zellkern, gebildet werden. Diese sogenannten Autoantikörper heften sich an körpereigenes, gesundes Gewebe an und lösen dort Entzündungen aus. In weiterer Folge lagern sich Autoantikörper sowie Immunzellen an den Wänden kleiner Blutgefäße ab. Dadurch kommt es zu Entzündungen in verschiedenen Organen. Vorwiegend sind die Blutgefäße der Haut, der Nieren sowie der Gelenke betroffen. Eine Häufung der Erkrankung in manchen Familien deutet auf eine genetische Veranlagung hin. Wissenschafter vermuBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 85 Typisch, aber nicht immer vorhanden: ­schmetterlingsförmige Rötung des Gesichts ten einen erblichen Fehler des programmierten Zelltods bestimmter Immunzellen. Das Risiko, die Erkrankung an die eigenen Kinder weiterzugeben, wird dennoch als gering eingestuft. Auch verschiedene Umweltfaktoren könnten als Auslöser bei der Entstehung von SLE eine Rolle spielen, z.B. Infektionen mit Viren, intensive Sonnen­ einstrahlung sowie hormonelle Um­ stellungen, wie sie etwa in Pubertät, Schwangerschaft und Wechseljahren auftreten. Eine extrem seltene Sonderform der Erkrankung stellt der sogenannte medikamenteninduzierte Lupus erythematodes dar: Bei bestimmten Personen können einige Medikamente (z.B. Anti­ epileptika, Blutdruckmedikamente, Antibiotika, Psychopharmaka) SLE auslösen. Die Beschwerden verschwinden zumeist nach Absetzen des entsprechenden Medikaments wieder zur Gänze. Was sind die Anzeichen eines SLE? Ein systemischer Lupus erythematodes macht sich durch viele verschiedene Symptome bemerkbar. Ein bekanntes, 86 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 aber nicht immer vorhandenes Anzeichen für die Erkrankung ist eine schmetterlingsförmige Rötung (Erythem) des Gesichts (auf beiden Wangen sowie über dem Nasenrücken), die bei Sonnenbestrahlung stärker ausgeprägt ist. Weitere Symptome sind Gelenkschmerzen, Durchblutungsstörungen der Finger und Organbeteiligungen (z.B. Nierenentzündung, Rippenfellentzündung oder Herzbeutelentzündung). Die meisten Betroffenen fühlen sich müde und abgeschlagen, viele leiden unter Fieber, Schwächegefühl und Gewichtsverlust. Die Lymphknoten sind manchmal vergrößert. Welche Organe betroffen sind und wie stark die Symptome auftreten, ist individuell sehr unterschiedlich. In sehr seltenen Fällen greift der SLE auf die Nerven über, dadurch kommt es zu Taubheitsgefühl, Schmerzen sowie erhöhter Empfindlichkeit und herabgesetztem Temperaturempfinden. Diese Gefühlsstörungen treten meist beidseitig an Händen und Füßen auf. Auch Kopfschmerzen, epileptische Anfälle, Sehstörungen, Verwirrtheit und Depressionen können auftreten. Systemischer Lupus erythematodes Häufig verläuft der SLE in wiederholten, aktiven Phasen, sogenannten Schüben. Dazwischen liegen Perioden, in denen die Krankheit nur wenig oder gar nicht aktiv ist. Kommt es zu bleibenden G ­ elenk­schäden? Im Gegensatz zu anderen rheumatischen Erkrankungen verursacht SLE meist keine bleibenden, im Röntgenbild erkennbaren Schädigungen der Gelenke. Wie erfolgt die Diagnose? Die Diagnose, ob ein systemischer Lupus erythematodes vorliegt, wird anhand der Anamnese, einer eingehenden klinischen Untersuchung sowie mithilfe von bildgebenden Verfahren und Labortests gestellt. Hilfreich ist dabei die Bestimmung der vom Immunsystem gegen Teile des eigenen Körpers gebildeten Abwehrstoffe (Autoantikörper). Wichtiger Hinweis: Die Feststellung der Krankheit (= Diagnose), die Behandlung und die Betreuung gehören unbedingt in die Hand von Spezialisten (auf SLE spezialisierte Fachärzte für Innere Medizin und Rheumatologie)! Reine Hautformen werden von spezialisierten Hautärzten betreut. Die enge Zusammenarbeit zwischen Spezialisten und Hausarzt ist bei SLE besonders wichtig. Wie wird SLE behandelt? Auch wenn der systemische Lupus erythematodes nicht heilbar ist, so ist die Erkrankung doch gut behandelbar. Ziel der Behandlung ist es, die Aktivität des überaktiven Immunsystems zu beruhi- gen (Immunmodulation). Dabei kommen verschiedene Medikamentengruppen zur Anwendung. Welche Therapie zum Einsatz kommt, wird anhand der Schwere der Erkrankung und der befallenen Organe von einem Spezialisten (Rheumatologen) festgelegt. Welche Medikamente kommen zum Einsatz? Für die Behandlung des Lupus erythematodes werden folgende Medikamente eingesetzt: •S chmerzmittel •A ntimalariamittel (z.B. Chloroquin) •K ortison • I mmunsuppressiva (Medikamente, die die Aktivität des überaktiven Immunsystems abschwächen, z.B. Azathioprin, Mycophenolat-Mofetil) •B iologika (Belimumab, Rituximab) – primär bei Patienten mit aktivem Krankheitsverlauf trotz angepasster Standardtherapie •Z ytostatika (z.B. Methotrexat, Cyclophosphamid) Mithilfe dieser Medikamente sollen die Entzündung und die überschießende Aktivität des Immunsystems eingedämmt werden. Mit Antimalariamitteln erzielt man bei Lupus erythematodes besonders gute Erfolge bezüglich Hauterscheinungen und Gelenkproblemen. Immunsuppressiva und Zytostatika werden bei schwereren Krankheitsverläufen eingesetzt. Welche Nebenwirkungen können auftreten? Wie bei allen Medikamenten kann es auch bei der Basistherapie des systemiBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 87 Systemischer Lupus erythematodes schen Lupus erythematodes vereinzelt zu Nebenwirkungen kommen. Diese sind individuell verschieden. Daher sind regelmäßige klinische Kontrollen und Blutuntersuchungen unerlässlich. Was sollten Betroffene noch beachten? •S onnenlicht und UV-Licht können den Krankheitsverlauf verstärken. Daher sollten Betroffene direkte Sonneneinstrahlung meiden und stets Sonnenschutzmittel verwenden. Vor allem sollten sie kein Solarium (Bräunungsstudio) aufsuchen! Die geringe Sonnenlichtexposition kann mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Vitamin-DMangel führen, daher wird ein medikamentöser Vitaminersatz empfohlen. •S LE-Patienten weisen ein erhöhtes Risiko für Arteriosklerose („Gefäßverkalkung“) auf, daher muss Nikotinkonsum vermieden werden! •V erhütungsmittel und Schwangerschaft sind (unbedingt rechtzeitig!) mit einem auf Lupus erythematodes spezialisierten Rheumatologen zu besprechen. • I mpfungen (z.B. Grippeschutzimpfung) sollten nur nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen. •B ewegung und Sport sind empfehlenswert, da Bewegung die Funktion des Immunsystems und der Psyche unterstützt. •Z udem sollten Betroffene versuchen, das Leben trotz der Erkrankung positiv zu sehen. Denn das Immunsystem arbeitet besser, wenn man sich psychisch gut fühlt. SLE und Kinderwunsch Ein Kinderwunsch wirft für Frauen, die an SLE erkrankt sind, viele Fragen auf. Grundsätzlich ist nicht ausgeschlossen, dass von Lupus erythematodes betroffene Frauen schwanger werden können. Bei schwerer Krankheitsaktivität oder Nierenbeteiligung sollte allerdings aufgrund der zu hohen Risiken für Mutter und Kind ein günstigerer Zeitpunkt für eine Schwangerschaft abgewartet werden. Ein Kinderwunsch sollte eingehend mit dem behandelnden Rheumatologen in Zusammenarbeit mit dem Frauenarzt besprochen werden. Bei SLE-Patienten besteht ein erhöhtes Risiko für Arteriosklerose. 88 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 SCHMERZ: URSACHE UND THERAPIE Schmerzen sollten unbedingt rasch abgeklärt werden! Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 89 Schmerz: Ursache und Therapie Blick: Auf einenrzen Schme Arzt sch mit einem ra t g in ed b • sollten un werden! besprochen ärung können ärztliche Abkl ch den ur d r nu n • Den herapie gefun gnose und T ia D e ig ht ric die werden. der Schmerz eiterer Folge w in nn werden. ka o • S est gemildert d in m zu er d beseitigt o Wie erfolgt die ärztliche Abklärung? An erster Stelle stehen eine gründliche Untersuchung, bildgebende Verfahren (Sonografie, Magnetresonanztomografie) und Labor, wobei vor allem Entzündungswerte erhoben werden. Oft haben Betroffene Schwierigkeiten, ihren Schmerz zu beschreiben. Hier kann die Selbsteinschätzung mithilfe einer Schmerzskala helfen: Auf einer Skala kann der Patient seinen aktuellen Schmerz als Punkt markieren – dies hilft auch dem Arzt, die Intensität einzuschätzen. MEDIKAMENTÖSE MASSNAHMEN Wie werden chronische Schmerzen behandelt? Nach den heutigen Standards wird die medikamentöse Schmerzbehandlung von chronischen Schmerzen nach den 90 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Regeln der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durchgeführt. Als Basistherapie (Stufe 1) werden sogenannte nicht-opioide Analgetika eingesetzt (Paracetamol, Metamizol, NSAR, COX-2-Hemmer). Als Stufe 2, wenn die Stufe-1-Medikation nicht ausreicht oder nicht vertragen wird, erfolgt eine Kombination mit schwach wirksamen Opioiden. Erst nach Ausschöpfung auch dieser Möglichkeit kommen starke Opioide zum Einsatz (Stufe 3). STUFE 1: Was sind nicht-opioide Analgetika? Nicht-opioide Analgetika sind schmerzstillende Arzneimittel (= Analgetika), die ihre Wirkung durch Unterdrückung von Schmerz auslösenden biochemischen Prozessen entfalten. Im Idealfall unterdrücken sie die Schmerzempfindung, ohne das Bewusstsein, die sensorische Wahrnehmung und andere wichtige Funktionen des Zentralnervensystems zu beeinflussen. Substanzen wie Metamizol oder Paracetamol finden bei leichten bis mäßig starken Schmerzen Anwendung. Viele nichtopioide Analgetika haben auch eine fiebersenkende Wirkung. Einige Substanzen aus der Gruppe der nicht-opioiden Analgetika wirken zusätzlich entzündungshemmend, diese Arzneigruppe wird auch nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) genannt. Dazu gehören beispielsweise die Substanzgruppen Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Dexibuprofen, Diclofenac und Coxibe. Sie gelten aufgrund ihrer entzündungshemmenden Eigenschaft auch als Mittel der Wahl bei Rheumaschmerzen. Schmerz: Ursache und Therapie Wie wirken NSAR? NSAR – nicht-steroidale Antirheumatika – sind klassische Schmerzmittel. Sie wirken entzündungshemmend und schmerzstillend. Der komplexe Name besagt nichts anderes, als dass es sich um Substanzen handelt, die nichts mit Kortison zu tun haben (= nicht-steroidal). Die Wirkung von NSAR tritt oft schon innerhalb von Stunden ein. Sie können als Tablette, Zäpfchen, Spritze oder teilweise auch als Gel verabreicht werden. Auch Präparate in Retard-Form – das heißt, die Wirkung setzt mit Zeitverzögerung ein – sind erhältlich. Die Wahl des geeigneten Mittels sollte in jedem Fall mit dem behandelnden Arzt abgestimmt werden! Gibt es Nebenwirkungen von NSAR? Je länger die Behandlungsdauer und je höher die Dosis, umso eher können unerwünschte Effekte auftreten. Vor allem die Schleimhaut des Magen-Darm-Trakts wird zur Zielscheibe dieser Nebenwirkungen. Insbesondere bei älteren Patienten können NSAR zudem die Nierenfunktion beeinträchtigen und zu einer Wasseransammlung in den Beinen (Ödeme) oder zu hohem Blutdruck führen. Auch massive Leberschädigungen wurden beobachtet. Was ist bei der Einnahme von NSAR zu beachten? •P eriodische Blutkontrollen in Bezug auf die Leber- und Nierenwerte sind wesentlich. •D ie gleichzeitige Einnahme von zwei verschiedenen NSAR erhöht das Risiko von Nebenwirkungen massiv und sollte vermieden werden. •E s sollte gemeinsam mit NSAR ein Magenschutzpräparat eingenommen werden. Was bedeutet „Magenschutz“ im Zusammenhang mit NSAR? Wie bereits erwähnt, gehört das Angreifen der Magenschleimhaut zu einer der wesentlichen Nebenwirkungen der NSAR. Daher sollte (v.a. bei den zuvor beschriebenen Risikopatienten) eine „Magenschutztherapie“ zum Einsatz kommen. Drei Wirkprinzipien stehen dabei zur Verfügung: •P rotonenpumpenhemmer (PPI): reduzieren die Magensäure und verhindern so Defekte an der Magenschleimhaut Gemeinsam mit NSAR sollte ein ­Magenschutzpräparat eingenommen werden. Besonders gefährdet sind Patienten, die ... • ä lter als 65 Jahre sind, • i n der Vergangenheit bereits einmal ein Magengeschwür oder ein Zwölffingerdarmgeschwür (Ulkus) hatten oder • n eben den NSAR zusätzlich Kortison erhalten oder • b lutverdünnende Medikamente einnehmen. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 91 Schmerz: Ursache und Therapie Zur Schmerzabklärung Die Beantwortung folgender Fragen ist eine gute Grundlage für das Arztgespräch: ❏ Wo und wann treten Schmerzen auf? ❏ Wie stark sind sie? ❏ Kommt es zu Steifigkeit oder Bewegungseinschränkungen? ❏ Treten die Schmerzen gemeinsam mit Schwellungen auf? ❏ Sind die Schmerzen auch von Schwäche, Angst oder Müdigkeit begleitet? •P rostaglandine (Pg): schützen die Magenschleimhaut •H 2-Blocker: können in höheren Dosierungen verwendet werden, wenn PPI oder Pg kontraindiziert sind Wie wirken COX-2-Hemmer? Diese Substanzgruppe wurde entwickelt, um die Wirkung der NSAR ohne die unerwünschten Nebenwirkungen im Bereich des Magens und des Zwölffin92 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 gerdarms zu erzielen. Die verbesserte Magen-Darm-Verträglichkeit der Coxibe beruht darauf, dass es zwei unterschiedliche Cyclooxygenase-Enzyme (COX-1 und COX-2) gibt, die beide von den herkömmlichen NSAR gehemmt werden. Wie die nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) hemmen auch die Coxibe die Bildung der körpereigenen Prostaglandin-Schmerzbotenstoffe über eine COX2-Hemmung. COX-2 wird vor allem bei Entzündungsprozessen im geschädigten Gewebe aktiviert. COX-1, das für den Schutz der Magenschleimhaut vor Magensäure verantwortlich ist, wird allerdings nicht gehemmt. Coxibe lassen also die Wirksamkeit des schützenden COX1-Enzyms unberührt, während sie gezielt die Funktion des COX-2-Enzyms unterdrücken. Gibt es Nebenwirkungen bei COX-2-Hemmern? Leider sind auch selektive COX-2-Hemmer nicht völlig frei von Nebenwirkungen. Aufgrund des Wirkprinzips kann zwar die Rate an Magen-Zwölffingerdarm-Nebenwirkungen deutlich gesenkt werden. Wie bei allen anderen NSAR ist allerdings bei bekannter Herz-, Kreislauf- oder Nierenerkrankung besondere Vorsicht geboten, vor allem dann, wenn sie über mehrere Wochen täglich eingenommen werden. Der Einsatz von COX-2-Hemmern hat jedoch durchaus seine Berechtigung, nämlich bei Patientengruppen mit einem Risiko für das Auftreten von MagenZwölff ingerdarm-Nebenwirkungen durch ein NSAR. Schmerz: Ursache und Therapie STUFE 2 und STUFE 3: Wann werden Opioide angewendet? Laut nationalen und internationalen Empfehlungen werden Opioide in der Behandlung rheumatischer Schmerzen dann eingesetzt, wenn diese mit anderen Maßnahmen nicht zufriedenstellend behandelt werden können bzw. wenn ­ aufgrund der Nebenwirkungen ein Absetzen der bisherigen Medikation erforderlich ist. Auch hier wird im Wesentlichen laut WHO-Stufenplan vorgegangen, wonach zunächst schwache Opioide, wie z.B. Tramadol oder Dihydrocodein, zum Einsatz kommen. Auch schwache Opioide können allerdings – vorwiegend während der Einstellphase – Nebenwirkungen wie Brechreiz und Verstopfung verursachen. Mithilfe einer begleitenden Behandlung mit Quellstoffen bzw. Medikamenten gegen Übelkeit und Erbrechen (Antiemetika) kann jedoch gut gegengesteuert werden. Wird auch mit dieser Kombination keine Schmerzfreiheit erzielt, werden schwache Opioide durch starke Opioide (Oxycodon, Hydromorphon, Buprenorphin, Fentanyl) ersetzt (Stufe 3). Wie groß ist die Suchtgefahr bei Opioiden? Bei sachgemäßer Anwendung ist die Sorge vor einer möglichen Suchtentstehung unbegründet. Werden auch Antidepressiva in der Schmerzbehandlung eingesetzt? Antidepressiva können bei Patienten mit Fibromyalgie einen Beitrag zur Schmerzfreiheit leisten, indem sie einer- seits die Stimmungslage verbessern und andererseits das Schmerzempfinden beeinflussen. NICHT-MEDIKAMENTÖSE MASSNAHMEN Was bringen physikalische B­ ehandlungen? Die Anwendung von physikalischen Therapiemaßnahmen bei Schmerzpatienten hat eine lange Tradition. Wichtig bei der Therapiezusammenstellung ist, auf die jeweiligen Probleme des einzelnen Patienten einzugehen und Behandlungsmöglichkeiten zu kombinieren. Welche weiteren nicht-medikamentösen Maßnahmen kommen zum Einsatz? Ein fixer Bestandteil der nicht-medikamentösen Schmerztherapie ist die Elektrotherapie. Konstante Galvanisation, Iontophorese, Impulsgalvanisation, Schwellstrom und diadynamische Ströme sind nur einige Stromformen, die aufgrund ihrer durchblutungsfördernden, schmerzlindernden und muskelentspannenden Wirkung zum Einsatz kommen. Zu den Impulsgalvanisationen zählt auch TENS: Die „transkutane elektrische Nervenstimulation“ ist eine Therapieform, mit deren Hilfe man akute und chronische Schmerzen mit Strom unterschiedlicher Frequenz behandeln kann. Im Wesentlichen wirkt TENS nach dem Prinzip der Gegenirritation von Schmerzreizen und durch eine Erhöhung der körpereigenen Endorphine. Es gibt Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 93 Schmerz: Ursache und Therapie auch kleine, tragbare TENS-Geräte, die Patienten selbstständig zu Hause – nach Einschulung durch den Arzt oder Therapeuten – verwenden können. Wie lange dauert eine TENS-Sitzung? Eine Sitzung dauert normalerweise etwa 20–50 Minuten. Da die schmerzlindernde Wirkung meist nur wenige Stunden anhält, muss die Behandlung mehrmals täglich wiederholt werden (zwei- bis viermal). Bei chronischen Schmerzen wird TENS oft jahrelang eingesetzt, z.B. in Heimbehandlung. Nach Ansicht von Experten eignet sich TENS sehr gut als Begleittherapie, um Beschwerden unmittelbar und für kurze Zeit zu lindern. Wichtiger Hinweis: Folgende Personengruppen dürfen TENS erst nach Rücksprache mit ihrem Arzt anwenden: •M enschen mit einem Herzschrittmacher oder einem anderen implantierten elektrischen Gerät •w enn eine Thrombose vorliegt •S chwangere Wie kann Massage bei Schmerzen helfen? Mit Massage wird über das Lösen von Verspannungen und durch den Abtransport von Schmerz erzeugenden Substanzen (z.B. Milchsäure) ein schmerzlindernder Effekt erzeugt. Die ausgeprägte psychische Wirkung durch die Be„hand“lung und Zuwendung darf dabei nicht unterschätzt werden. Als Spezialmassagen sind die Bindegewebsmassage, die manuelle Lymphdrainage, die Fußreflexzonenmassage und die Periostmassage zu erwähnen. 94 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Warum Wärme- bzw. Kältetherapie? Materialistisch betrachtet ist alles Leben Chemie und Physik. Und so wie mithilfe der Chemie wirksame Medikamente gegen rheumatische Erkrankungen entwickelt wurden und werden, können auch die Gesetze und Prinzipien der Physik therapeutisch genutzt werden. Zu diesen Methoden der physikalischen Therapie zählt auch die Anwendung von Wärme und Kälte in vielerlei Formen. Ganz allgemein geht es dabei darum, Verspannungen zu lösen, die Beweglichkeit zu verbessern, Entzündungen einzudämmen und Schmerzen zu lindern. Viele dieser Behandlungen beruhen auf Methoden, die schon seit Langem angewandt werden und für die es auch „volksmedizinische“ Erfahrungen gibt. Auch hat die Wissenschaft inzwischen Modellvorstellungen entwickelt, wie diese Thermotherapien ihre Wirkung entfalten. Leider wurden diese Methoden aber nur zum Teil durch exakte klinische Studien überprüft, sodass es schwierig ist, allgemeingültige Empfehlungen abzugeben. Akut oder chronisch – wann hilft Kälte? Kälteanwendungen werden besonders bei entzündlichen rheumatischen Erkrankungen eingesetzt. Die Einwirkung von Kälte bewirkt auf der Oberfläche der Haut kurzfristig eine Blockade der Schmerzleitung, hemmt in der Tiefe Entzündungsprozesse und wirkt abschwellend. Sie ist somit vor allem im akuten Stadium wirksam. Um einzelne Körperpartien bzw. Gelenke zu kühlen, werden Kühlgel-Packungen, zerkleinertes Eis in Schmerz: Ursache und Therapie Fangopackung: Zur Schmerzlinderung mittels Wärmetherapie kommen u.a. Fangopackungen zum Einsatz. Achtung: Nicht im akuten Krankheitsstadium einsetzen! Kältetherapien, wie z.B. Kryopacks, können bei akuten Entzündungen Schmerzen lindern. Kunststoffbeuteln, Eisstücke, Kältespray oder Kaltluft verwendet. Die Auflagezeit richtet sich nach der Größe des Gelenks und sollte 15 Minuten nicht überschreiten. Sollte statt des Kältegefühls ein Kälteschmerz eintreten, muss die Therapie sofort beendet werden. In Kältekammern wird der gesamte Körper ein bis drei Minuten lang extremen Temperaturen (bis zu minus 110 °C) ausgesetzt. Auf diese Weise soll die Bewegungsmöglichkeit des ganzen Körpers ver­ bessert werden. Es gibt eine Reihe von Erkrankungen, bei denen die Ganz­ körperbehandlung verboten ist und die lokale Therapie nur mit Vorsicht erfolgen sollte (z.B. Angina Pectoris, Asthma bronchiale, arterielle Durchblutungsstörungen). Wie kann Wärme bei chronischem Rheuma helfen? Wärmezufuhr fördert die Durchblutung, regt den Stoffwechsel an und wirkt so schmerzlindernd, muskelentspannend und stimuliert die Regeneration. Lokale Anwendungen erfolgen mithilfe von heißen Umschlägen, Moor- oder Fangopackungen, aber auch „heiße Rollen“, Paraffingemische, Bestrahlung mit Infrarotlampen, Kartoffelwickel und Kirschkernsäckchen werden verwendet. Sie werden im nicht akuten Stadium der Erkrankung eingesetzt. Bei Anwendung Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 95 Schmerz: Ursache und Therapie im akuten Stadium kann es zu einer Verstärkung der Symptome kommen. Als Ganzkörpermethoden sind Saunagänge, Sole- oder Moorbäder zu nennen. Auch für die Wärmetherapie gibt es – wie bei der Kälteapplikation – eine Reihe von Zuständen und Krankheiten, bei denen sie nicht angewendet werden darf. Wird die Thermotherapie für alle Formen rheumatischer Erkrankungen empfohlen? Wie schon erwähnt, ist eine allgemeingültige Empfehlung zur Thermotherapie nicht möglich. Daher konnten auch die rheumatologischen Expertengremien nur für einzelne, spezielle Methoden Empfehlungen (Pro oder Kontra) abgeben, wie hier anhand von Beispielen gezeigt werden soll. Lokale Thermoanwendungen werden bei arthritischen Gelenkschwellungen (nur) aufgrund der langjährigen Erfahrungen empfohlen. Neue Studiendaten legen zumindest nahe, dass kältetherapeutische Maßnahmen bei Patienten mit rheumatoider Arthritis die Schmerz- und Entzündungsintensität reduzieren können. Bei Patienten mit axialer Spondyloarthritis (zu der auch der Morbus Bechterew zählt) oder rheumatoider Arthritis konnten im Rahmen einer kleineren Studie durch wiederholte Saunagänge (zweimal wöchentlich über vier Wochen) Steifheit und Schmerzen reduziert werden. Allerdings hielten diese Effekte nicht dauerhaft an. Mit milder Überwärmung konnte bei Patienten im nicht akuten Stadium der Spiegel der entzündungsfördernden Botenstoffe (Zytokine) deutlich gesenkt werden. Durchaus empfohlen wird die Wärme96 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Langzeittherapie bei Patienten, die unter einem Fibromyalgie-Syndrom leiden und die eigenständig einen Teil der Behandlung übernehmen können. Auch Balneotherapie (Moorbäder, Dampfbäder, Sauna), Hydrotherapie (warmes Wasser), Spa-Therapie (mineralhaltiges Wasser) oder Thalassotherapie (Meerwasser) können eingesetzt werden. Dagegen wird von der Kältekammertherapie abgeraten. Wirkt die Thermotherapie auch bei chronischem Kreuzschmerz? Patienten mit nicht-spezifischen (funktionellen) Kreuzschmerzen, die meist als Folge von Überlastung auftreten, können von einer Wärmetherapie profitieren. Durch Wärmepflaster konnte in einer Studie die Schmerzintensität gesenkt werden, gute Ergebnisse zeigte auch die Kombination von Wärmepflaster und Bewegung. Lokale Wärmeapplikationen (Pflaster, Körnerkissen), unter Umständen aber auch Kälte („Cool Packs“), werden im Selbstmanagement empfohlen, da sie zum Wohlbefinden beitragen und nicht schaden. Warum soll die Thermobehandlung von einem Arzt verordnet werden? Wenngleich einige der Thermoapplikationen von den Patienten selbstständig durchgeführt werden können (und oft auch sollen), darf man nicht vergessen, dass es sich dabei um eigenständige medizinische Behandlungsformen handelt, die nicht für jeden Patienten und nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt infrage kommen. Sie müssen vom Facharzt verordnet, überwacht und der jeweiligen Krankheitsaktivität angepasst werden. Spezielle Physiotherapie kann helfen, die Beweglichkeit der Gelenke zu erhalten. Inwiefern kann Akupunktur die R­ heumatherapie unterstützen? Akupunktur wird in erster Linie ergänzend zur Schmerzlinderung eingesetzt. Bei der Akupunktur werden gewisse Schmerzpunkte am Körper mithilfe von Akupunkturnadeln aktiviert. Diese Punkte liegen auf bestimmten Linien auf der Haut – den sogenannten Meridianen – und entfalten bei mechanischer Reizung bestimmte Wirkungen im Körper. Manche Patienten sprechen auf eine Therapie mit Akupunktur gut an. Wichtiger Hinweis: Akupunktur kann zwar chronische Schmerzen lindern, den Verlauf der Erkrankung aber nicht beeinflussen. Wie wichtig ist Bewegung in der Schmerztherapie? Einen wichtigen Bestandteil der Schmerztherapie bildet sowohl die passive als auch die aktive Bewegung. Dies 98 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 beinhaltet jede auch noch so kleine Bewegung im Zuge der alltäglichen Verrichtungen. Spezielle physiotherapeutische Krankengymnastik bekämpft nicht nur Symptome wie beispielsweise die Morgensteifigkeit, sondern vermindert zusätzlich auch die Angst vor dem Schmerz. Warum sollten Schmerzpatienten auch psychologische Beratung in Anspruch nehmen? Eine psychologische Betreuung kann Patienten mit chronischen Schmerzen helfen, die oft belastenden Folgen derartiger Erkrankungen, wie soziale Isolation und Hoffnungslosigkeit, zu vermeiden. Eine derartige fachmännische Beratung sollte daher ebenfalls einen festen Platz im therapeutischen Konzept einnehmen. ­ ­Zusätzlich kann dadurch auch die Motivation für die langfristigen, mitunter unangenehmen Therapien erhöht und damit ihr Erfolg verbessert werden. HILFE AUS DER APOTHEKE Mögliche Ergänzungen zur Basistherapie Hilfe aus der Apotheke SELBSTMEDIKATION ALS EVENTUELLE ERGÄNZUNG ZUR BASISTHERAPIE Blick: Auf einen ikation d Selbstme n keinen le Präparate stel pie • Rezeptfreie etablierte Rheumathera ne ei r fü z Ersat dar! ch Rück­ e sollte nur na • Die Einnahm em Arzt erfolgen. sprache mit d d GelenkSchmerzen un • Anhaltende müssen rheumatologisch schwellungen en! Nur so kann frühzeitig d abgeklärt wer gestellt und mit der se no rapie eine Diag ezifischen The sp en d en ch entspre den. begonnen wer Selbstmedikation – was heißt das genau? Oft wollen Betroffene zusätzlich zu den vom Arzt verordneten Präparaten etwas tun, um ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Hier kommen oftmals rezeptfreie, also nicht verschreibungspflichtige Präparate aus der Apotheke zum Einsatz. Diese sind selbst zu bezahlen. Es liegt in der Entscheidung des Patienten, den Nutzen dieser Produkte abzuwägen. Wichtiger Hinweis: Auf jeden Fall sollten Sie die Einnahme vorher mit Ihrem Arzt besprechen und sich auch vom Apotheker beraten lassen! 100 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Wie sinnvoll ist eine zusätzliche Schmerztherapie? Als Zusatztherapie bei akuten Schmerzen im Sinne der Selbstmedikation können – im Akutfall und nur kurzfristig! – rezeptfreie schmerzstillende Mittel eingesetzt werden. Dies ist aber unbedingt vorher mit dem Arzt und Apotheker zu besprechen, auch um mögliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneien abzuklären. Rezeptfreie Schmerzmittel sollten nicht länger als zwei Tage eingenommen werden. Zu den bewährten Substanzen zählen u.a.: •A cetylsalicylsäure •P aracetamol • I buprofen Diese wirken schmerzlindernd, teilweise entzündungshemmend und fiebersenkend. Welchen weiteren Stoffen wird ein positiver Effekt bei rheumatischen Beschwerden zugesprochen? In der Apotheke sind rezeptfreie Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel sowie diätetische Lebensmittel in Tablettenoder Kapselform erhältlich, die unterstützend bei Entzündungen zum Einsatz kommen. So wird z.B. Omega-3-Fettsäuren zugesprochen, dass sie bei rheumatischen Beschwerden zur Linderung Nüsse, Avocados und Lachs sind reich an Omega-3-Fettsäuren. beitragen können. Diese Präparate können ergänzend zu einer vom Arzt verordneten medikamentösen Therapie eingesetzt werden. Vor der Einnahme sollten Sie jedoch in jedem Fall Ihren Arzt über die Absicht dieser zusätzlichen Therapie informieren. Was können Omega-3-Fettsäuren bewirken? Bestimmte Fettsäuren kann der menschliche Organismus nicht selbst produzieren; sie müssen daher mit der Nahrung zugeführt werden. Dazu zählen auch die sogenannten Omega-3-Fettsäuren. Dabei handelt es sich um essenzielle Fettsäuren, die lebenswichtig sind, weil sie für die verschiedensten Zellfunktionen von grundlegender Bedeutung sind. Ge102 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 rade im Hinblick auf rheumatische Erkrankungen geht man davon aus, dass Omega-3-Fettsäuren regulierend in den Entzündungsprozess eingreifen können. Aufgenommen werden Omega-3-Fettsäuren, wie erwähnt, über die Nahrung. Die wesentlichsten Quellen sind Pflanzenöle wie Leinsamen-, Sonnen­blumen-, Maiskeim-, Raps- und Sojaöl sowie maritime (fettreiche) Kaltwasserfische wie Hering oder Makrele. Schon zwei Fischmahlzeiten pro Woche können ausreichend Omega-3-Fettsäuren liefern. Da viele Menschen aber nur wenig oder gar keinen Fisch essen, werden manchmal zu wenig Omega-3-Fettsäuren aufgenommen. Daher ist oftmals die Einnahme von hoch dosierten Omega-3-Fettsäure-Präparaten eine Möglichkeit. Hilfe aus der Apotheke Diese können zusätzlich zur Standardtherapie eingenommen werden und sind in Ihrer Apotheke erhältlich. Können homöopathische Arzneien helfen? Manche Betroffene greifen auch zu Mitteln aus der Homöopathie – sie geht von dem Grundsatz aus, die Selbstheilungskräfte des Körpers anzuregen. Homöopathische Arzneien zielen also auf die Wiedergewinnung der natürlichen Reaktion und Eigenregulation des Körpers ab. Behandelt wird die gesamte Persönlichkeit des Patienten, nicht nur die spezielle Erkrankung. Wissenschaftliche Belege im Sinne klinischer Studien können daher nicht erbracht werden. Wie alle anderen rezeptfreien Präparate sollten homöopathische Mittel jedoch nur als Ergänzung, keineswegs als Ersatz für Basistherapeutika eingesetzt werden! Gibt es Hilfe aus der Natur gegen rheumatische Beschwerden? Auch manche Erzeugnisse aus Naturstoffen können eine gewisse positive Wirkung haben. Dazu gehören sogenannte Phytopharmaka, also standardisierte Arzneimittel, die aus Pflanzen hergestellt werden. Es handelt sich dabei um Pflanzen und Pflanzenteile, die durch Trocknen lagerfähig gemacht wurden, oder um Extrakte, die zu Tabletten, Kapseln etc. weiterverarbeitet wurden. Um einen therapeutischen Effekt zu erzielen, ist – wie bei allen Arzneimitteln – eine exakte Dosierung erfor- derlich. Bei Unterdosierung tritt keine Wirkung ein, bei extremer Überdosierung können unerwünschte Erscheinungen auftreten. Lassen Sie sich daher ausführlich in der Apotheke beraten und besprechen Sie die Einnahme von Zusatzpräparaten immer auch mit Ihrem behandelnden Arzt! Welche Pflanzen stehen speziell für rheumatische Beschwerden zur Verfügung? Für die zusätzliche Behandlung von chronischen Gelenkbeschwerden werden Extrakte aus der Teufelskralle (Harpagophytum procumbens), der Katzenkralle (Uncaria tomentosa) oder des Weihrauchharzes eingesetzt. Entsprechende Präparate stehen in der Apotheke zur Verfügung. Auch Extrakten der Pappel- und Weidenrinde sowie der Brenn- Teufelskralle Äußerlich angewendet haben sich u.a. Eukalyp­tus- und Rosmarinöl bewährt. nessel wird eine hemmende Wirkung auf das Immunsystem zugesprochen, was die Beschwerden unter Umständen lindern kann. Wenngleich nicht aus ­ Pflanzen gewonnen, zählen die aus den Grünlippmuscheln (Perna canaliculus) stammenden Wirkstoffe auch zu der Gruppe wahrscheinlich entzündungshemmender und gelenkschützender Präparate. Die Anwendung beruht zumeist lediglich auf Erfahrungswerten und ist nicht durch Studien belegt. So wird beispielsweise die Teufelskralle in Afrika seit Jahrhunderten zur Linderung von Schmerzen und Entzündungen eingesetzt. Bei uns sind Extrakte der Teufelskralle als sogenannte „traditionell pflanzliche Arzneimittel“ rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Knorpelschutzsubstanzen wie Gluco­ samin und Chondroitinsulfat werden häufig bei Arthrose eingesetzt, natives Kollagen bei entzündlichen Gelenkbeschwerden. Gibt es Salben, die Linderung v­ erschaffen können? Einige schmerzlindernde Inhaltsstoffe, wie z.B. Ibuprofen oder Diclofenac, sind auch in Form von Salben verfügbar. Sie können die Schmerzen verringern und wirken darüber hinaus entzündungshemmend. Einige Pflanzenwirkstoffe (z.B. Beinwell, Arnika) kommen ebenfalls in Salbenform zum Einsatz. Zur äußerlichen Anwendung haben sich zudem bei manchen Betroffenen u.a. auch Cayennepfeffer, Rosmarin- und Eukalyptusöl sowie Fichten- oder Kiefernadelöl bewährt. Wichtiger Hinweis: Pflanzenpräparate sowie andere rezeptfreie Produkte stellen keinen Ersatz für eine Basistherapie dar, sondern lediglich eine mögliche Ergänzung. Die Einnahme sollte jedenfalls in Absprache mit dem Arzt erfolgen. Vor einer Eigentherapie mit Produkten aus dem Internet wird dringend abgeraten! Hilfe aus der Apotheke Überblick Selbstmedikation In der Apotheke stehen rezeptfreie Präparate zur Verfügung, deren Inhaltsstoffen in unterschiedlicher Hinsicht positive Effekte auf die Gelenke zugesprochen werden. Hier finden Sie eine Zusammenstellung jener Inhaltsstoffe, die bei rheumatischen Erkrankungen eingesetzt werden (die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit). In Ihrer Apotheke berät man Sie gerne! Schmerzmittel zur topischen Anwendung (= über die Haut) Auch bei lokaler Anwendung können Nebenwirkungen auftreten, wie z.B. allergische Reaktionen – lassen Sie sich vor der Anwendung ausführlich beraten! Wirkstoff Erläuterung Diclofenac Gehört als „Essigsäure-Abkömmling“ zur Gruppe der sogenannten Cyclooxygenase-Hemmstoffe, also zu jenen Schmerzmitteln, die keine Opiat-Abkömmlinge sind. Besitzt neben der schmerzstillenden auch eine sehr gute entzündungshemmende Wirkung und kommt daher als eines der sogenannten nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) bei entzündlichrheumatischen Erkrankungen häufig zum Einsatz. Darreichungsform: Für die topische Anwendung stehen Salben, Pflaster und Gele zur Verfügung. Ibuprofen, ­Ketoprofen Beide Wirkstoffe sind Propionsäure-Abkömmlinge und gehören ebenfalls zu den Cyclooxygenase-Hemmern und damit zu den NSAR. Werden zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung sowie bei Fieber eingesetzt. Darreichungsform: Ibuprofen steht als Salbe oder Gel, Ketoprofen als Gel oder Spray zur äußeren Anwendung zur Verfügung. Diethylaminsalicylat, Hydroxyethylsalicylat Gehören zu den Salicylaten und sind damit ebenfalls NSAR. Kommen zur lokalen Therapie von Entzündungen und Schmerzen zum Einsatz. Darreichungsform: Stehen als Gel oder Salbe zur Verfügung. Durchblutungsfördernde topische Mittel Inhaltsstoff Erläuterung Capsaicinoide Scharfstoffe aus Paprika oder Cayennepfeffer. Aufgetragen auf die Haut, regen sie die Durchblutung an und erzeugen so eine örtliche Erwärmung. Manche Anwender berichten von einem angenehmen Effekt bei schmerzenden Gelenken. Darreichungsform: Kommt als Salbe zum Einsatz. Achtung: Nur auf unverletzte Haut und nicht auf Schleimhäute auftragen! Danach gründlich die Hände waschen! Nicht gleichzeitig mit Wärmebehandlung anwenden! 106 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Hilfe aus der Apotheke Benzylnicotinat Arzneistoff aus der Gruppe der Nikotinsäureester; steigert ebenfalls die Durchblutung in dem Areal, auf das er aufgetragen wird. Darreichungsform: als Creme erhältlich Ätherische Öle (Campher, Eukalyptus, Salbei, Lavendel, Pfefferminzöl, Rosmarinöl u.a.) Da es bei rheumatischen Erkrankungen aufgrund der Schmerzen häufig zu Muskelverspannungen kommt, können ätherische Öle, die entspannend und entkrampfend auf die Muskeln wirken, angewendet werden. Darreichungsform: Als Badezusatz, zum Einreiben, als Massageöl oder Kompresse einsetzbar. Achtung: Ätherische Öle können Nebenwirkungen haben! Verwenden Sie nicht zu viel und lassen Sie sich vom spezialisierten Apotheker beraten! Schwangere sollten besonders vorsichtig sein. Hautverträglichkeit am besten vorab auf einer kleinen Stelle testen. Einfache Schmerzmittel zur oralen Einnahme (= zum Schlucken) Wirkstoff Erläuterung Paracetamol nicht-opioides Schmerzmittel; verringert Schmerzen, hat aber im Gegensatz zu den NSAR keine entzündungshemmende Wirkung. Darreichungsform: Steht als Tablette und als Granulat (direkt auf die Zunge geben und schlucken) sowie in anderen Verabreichungsformen zur Verfügung. Längerfristige Anwendung nur auf spezielle Anordnung! NSAR zur oralen Einnahme (= zum Schlucken) (Dauertherapie nur nach ärztlicher Verordnung) Wirkstoff Erläuterung Diclofenac siehe topische Anwendung Darreichungsform: als Tablette oder Weichkapsel verfügbar Acetylsalicylsäure ebenfalls ein NSAR; wirkt schmerzstillend, fiebersenkend und entzündungshemmend. Abkömmling der Salicylsäure, die ursprünglich aus dem Saft der Weidenrinde gewonnen wurde, mittlerweile jedoch chemisch im Labor hergestellt wird. Darreichungsform: als Tablette oder Brausetablette (in Wasser auflösen und dann trinken) verfügbar Ibuprofen siehe topische Anwendung Darreichungsform: Es stehen Tabletten, Kapseln und Granulate (zum Auflösen in Wasser) zur Verfügung. Dexibuprofen, Naproxen NSAR mit schmerz- und entzündungshemmender Wirkung Darreichungsform: als Tablette verfügbar Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 107 Hilfe aus der Apotheke Überblick Selbstmedikation – Fortsetzung Chondroprotektiva: „Knorpelaufbauende“ Substanzen (Wirksamkeit nicht wissenschaftlich bewiesen) Inhaltsstoff Erläuterung Chondroitinsulfat Gehört zur Gruppe der Glykosaminoglykane. Ist ein natürlicher Bestandteil der Proteoglykane, die zusammen mit den Kollagenfasern die Gelenkknorpelstruktur bilden. Kann bei Arthrosen eingenommen werden, da ihm ein schmerzlindernder, entzündungshemmender und knorpelprotektiver Effekt zugesprochen wird. Darreichungsform: als Kapseln in der Apotheke erhältlich Glucosamin Wirkstoff aus der Gruppe der Aminozucker. Kann bei Arthrosen eingenommen werden, da ihm ein schützender bzw. aufbauender Effekt auf die Knorpelsubstanz zugesprochen wird. Darreichungsform: als Kapseln sowie als Salbe erhältlich Hagebuttenextrakt Die Hagebutte enthält einen entzündungshemmenden Bestandteil, ein sogenanntes Galaktolipid. Dieser Stoff ist hitzeempfindlich, in Hagebuttentee oder -marmelade ist er daher nicht mehr enthalten. Für Fertigpräparate aus der Apotheke werden die Früchte einer bestimmten Hagebutten-Unterart besonders schonend aufbereitet, um möglichst viel des wirksamen Inhaltsstoffes zu erhalten. In dieser Form wird der Hagebutte ein entzündungshemmender Effekt zugesprochen. Darreichungsform: als Trinkgranulat und als Kapseln erhältlich 108 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 KAPITEL 7 BEWEGUNG & SPORT Ideal sind Sportarten, die die Gelenke möglichst wenig belasten. Blick: Auf einen ung Beweg , um die atiker wichtig • ist für Rheum er Gelenke bestmöglich td Beweglichkei zu erhalten stet zudem uskulatur entla M ke ar st e in • E die Gelenke. en falls vermied ht sollte eben en. d er w rt ie • Übergewic en, reduz d an rh vo lls bzw., fa Welche Vorteile bringt regelmäßige Bewegung? Regelmäßige Bewegung ist gerade bei Rheumatikern ein entscheidender Faktor im Kampf gegen Schmerzen und die Steifigkeit der Gelenke. Es kommt nicht darauf an, sportliche Höchstleistungen zu erbringen, sondern die Muskulatur auf schonende Weise zu kräftigen. Denn körperliche Bewegung kann die Gelenkschmerzen lindern, die Beweglichkeit fördern und die Muskelkraft erhöhen. Außerdem hilft die körperliche Betätigung beim Abnehmen, denn: Jedes Kilogramm Übergewicht belastet die Gelenke unnötig und verschlimmert die Beschwerden! Wichtiger Hinweis: Vor jeder Ausübung einer neuen Sportart sollte Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden! Welche Sportarten sind für die ­Gelenke wenig belastend? Als geeignete Sportarten etwa bei Arthrosen der Hüft-, Knie- oder Sprunggelenke gelten: 110 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 adfahren (starke Steigungen wegen •R des erhöhten Drucks auf Knie- und Hüftgelenk vermeiden!) •S chwimmen (bei Beschwerden der Halswirbelsäule besser Rückenschwimmen oder Kraulen als Brustschwimmen!) •A quagymnastik •N ordic Walking •G ymnastik Tipp: Viele Rheumakranke führen Gymnastikübungen auch gerne in der Gruppe unter Anleitung eines Trainers durch, da man dabei hilfreiche Bewegungsabläufe genau einstudiert, Fehlhaltungen rasch korrigiert werden und die Motivation oft viel größer ist. Welche weiteren Bewegungsarten werden empfohlen? •F eldenkrais-Methode: Bewegungslernmethode, bei der die individuelle Verbesserung der Bewegungsqualität und der persönliche Bewegungslernprozess im Mittelpunkt stehen ilates: sanftes, aber sehr effizientes •P Training, das den ganzen Körper beansprucht. Die Muskeln werden so trainiert, dass aus den von Rheuma geplagten Muskelknoten lang gestreckte, geschmeidige Muskelstränge werden. Sport trotz Schmerzen – ja oder nein? Generell sollten Sie Ihr Sport- bzw. Bewegungsprogramm mit Ihrem Arzt besprechen. Dies gilt besonders, wenn Sie unter Schmerzen leiden. Ein langsamer Einstieg ist auf jeden Fall anzuraten. So können auch ältere Menschen oder Ungeübte ein Bewegungsprogramm finden, Bewegung & Sport das ihrem Körper guttut und gleichzeitig Spaß macht. Viele Rheumakranke berichten davon, dass nur die ersten paar Schritte (Walking, Jogging) oder Schläge (Tennis, Tischtennis, Golf) unangenehm bis schmerzhaft sind, die Schmerzen aber nach einer kurzen „Warmlaufphase“ wieder verschwinden. Sollte man auf Krafttraining verzichten? Nein! Krafttraining ist das Pendant zum Ausdauertraining und zielt darauf ab, die Muskeln gesund und kräftig zu erhalten. Gerade bei einer rheumatischen Erkrankung kommt einem gesunden Muskelsystem eine sehr bedeutende Rolle zu. Die Aktivitäten des täglichen Lebens werden Ihnen dadurch leichter fallen und auch das Verletzungsrisiko wird durch funktionales Krafttraining – Stichwort: Sturzprophylaxe – deutlich gesenkt. Welche Sportarten sollte man besser nicht ausüben? Alle Sportarten, bei denen die Gelenke heftigen Belastungen durch Stöße ausgesetzt sind, sind für Rheumakranke nur sehr bedingt empfehlenswert (Basketball, Volleyball). Jedoch gibt es hier keine generellen Richtlinien. Finden Sie für sich selbst heraus, welche Sportart Ihnen liegt oder welche Sie schon vor der Erkrankung ausgeübt haben, und besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob und welche Gefahren dabei für Sie bestehen könnten. Tipps für das Krafttraining: • Trainieren Sie die großen Muskelpartien des Körpers, wie Beine, Brust, Rücken und Schultern. Geeignet sind leichte Hanteln, Gymnastikstäbe und elastische Bänder. Optimal sind Krafttrainingsgeräte, da diese eine physiologische Gelenkführung gewährleisten und so die Verletzungsgefahr minimieren. • „Über-Kopf-Übungen“, also Übungen, bei denen Sie Gewichte höher als bis zur Schulter heben, sollten nur unter therapeutischer Anleitung erfolgen. • Absolvieren Sie das Krafttraining zunächst nur ein- bis zweimal pro Woche. Später können Sie auf dreimal pro Woche steigern. • Trainieren Sie ruhig und kontrolliert. Konzentrieren Sie sich auf den beanspruchten Muskel und vermeiden Sie dabei Ablenkung (Radio, TV, Plauderei). • Überfordern Sie sich nicht! Beginnen Sie mit leichten Gewichten – 0,5 kg bis maximal 2,5 kg, abhängig von der jeweiligen Übung – und steigern Sie das Gewicht dann langsam. Pro Übung sollten Sie 2–3 Sätze mit etwa 15 Wiederholungen anstreben. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 111 KAPITEL 7 IMPFUNGEN Personen mit chronischen entzündlichrheumatischen Erkrankungen weisen ein erhöhtes Infektionsrisiko auf. Daher sind Impfungen für Rheumapatienten b­ esonders sinnvoll. 112 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 L 7 Blick: Auf einenen bei Impfung roffenen Bet Rheumalliger als fektanfä ienten sind in für Erwachsene at ap um he R • er sollten alle Gesunde, dah pfungen des ÖsterreiIm empfohlenen lans durchgeführt werden fp p Im en ch inn einer is ch schon vor Beg – idealerweise . en keine Basistherapie therapie könn durchgeis as B er d fstoffen • Während it Lebendimp Impfungen m . behandelnführt werden sollten mit dem en werden. en ng fu p Im ch pro • Alle ologen abges den Rheumat Warum sollten sich Rheuma­ Betroffene impfen lassen? Zum einen, weil aufgrund der Erkrankung ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht. Zum anderen senken auch viele der Basistherapeutika, die dabei zum Einsatz kommen, die körpereigene Immunabwehr. Das heißt, Infektionen sind leichter möglich, da die Abwehrkräfte weniger aktiv sind. Daher sind Impfungen besonders empfehlenswert! Wann sollte geimpft werden? Wurde gerade eine entzündlich-rheumatische Erkrankung diagnostiziert, sollten Sie Ihren Impfstatus mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen. Dieser wird Ihnen sagen, welche Impfungen noch vor Beginn der Basistherapie aufgefrischt bzw. neu vorgenommen werden sollten. Falls Sie bereits auf eine Basistherapie eingestellt wurden, sollten Sie im Idealfall erst in „stabilen Krankheitsphasen“, also wenn keine aktiven Entzündungsprozesse vorliegen, geimpft werden. Auch hierzu berät Sie Ihr Arzt gerne. Welche Impfungen sollten NICHT während einer Basistherapie d­ urchgeführt werden? Von „Lebendimpfungen“, d.h. Impfungen gegen Mumps, Masern, Röteln, Windpocken (Feuchtblattern) und Gürtelrose, Kinderlähmung (oral), Typhus (oral), Gelbfieber und Rotavirus (Durchfallviren), wird im Allgemeinen während einer Basistherapie abgeraten. Denn bei einem Lebendimpfstoff macht der Körper nach der Impfung eine schwache Infektion durch, erkrankt aber nicht ernsthaft. Ist das Immunsystem jedoch durch immundämpfende Medikamente geschwächt, besteht das Risiko, dass die normalerweise harmlosen, abgeschwächten Erreger des Impfstoffes zu einer schweren Infektion führen. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 113 Pneumokokken (Lungenentzündung), die für die Allgemeinbevölkerung ab dem 50. Lebensjahr sinnvoll ist, sollte bei rheumatischen Erkrankungen unabhängig vom Lebensalter erfolgen. Sprechen Sie jedoch jede Impfung vorab mit Ihrem behandelnden Rheumatologen ab. Was ist bei Reiseimpfungen zu beachten? Welche Impfungen sind ­empfehlenswert? Alle Impfungen des Österreichischen Impfplans sind auch für Rheumapatienten empfohlen, dies gilt insbesondere für die Influenza. Eine Impfung gegen Impfungen mit Totimpfstoffen (betrifft den Großteil aller Reiseimpfungen) sind möglich, solche mit Lebendimpfstoffen, wie Gelbfieber oder die orale Typhusimpfung, jedoch nicht. Erkundigen Sie sich rechtzeitig über Impfempfehlungen für Ihr Reiseziel und besprechen Sie eventuell nötige Impfungen unbedingt vorab mit Ihrem Rheumatologen! Impfkalender aller empfohlenen Impfungen für Erwachsene 18– 80 30 40 50 60 65 70 75 20 Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre usw. Alter p Impfung s Diphtherie (DIP) Tetanus (TET) Pertussis (PEA) Poliomyelitis (IPV) alle 10 Jahre auffrischen Humane P­ apillomaviren (HPV) alle 5 Jahre auffrischen gegebenenfalls nachholen } Mumps Masern (MMR) Röteln gegebenenfalls nachholen FSME alle 5 Jahre auffrischen Pneumokokken alle 3 Jahre auffrischen siehe Empfehlung S. 114 Herpes Zoster (HZV) Influenza (IV) n empfohlen einmalige Gabe jährlich n unter Immunsuppression nicht erlaubt 114 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Impfungen Impfungen bei Kindern, die mit Immunsuppressiva behandelt werden Diphtherie/Tetanus/Keuchhustenempfohlen Kinderlähmung (Polio), Schluckimpfung (in Europa nicht mehr in Verwendung) nicht erlaubt Kinderlähmung, inaktivierte Poliovakzine empfohlen Masern/Mumps/Röteln (MMR) nicht erlaubt Haemophilus influenzae B empfohlen Pneumokokkenempfohlen* Influenza (Grippe) empfohlen Tuberkulose (BCG) (seit vielen Jahren nicht mehr Teil des Österreichischen Kinderimpfplans) nicht erlaubt Hepatitis B empfohlen Meningokokken (alle derzeit verfügbaren Impfstoffe) erlaubt * im Gegensatz zu gesunden Kindern unabhängig vom Alter Was ist bei Kindern, die an Rheuma erkranken, bei Impfungen zu beachten? Kinder, die an juveniler idiopathischer Arthritis (JIA) erkranken, weisen ebenfalls ein erhöhtes Infektionsrisiko bzw. das Risiko von Infektionskomplikationen auf. Das empfohlene Impfprogramm für Kinder bei ihnen durchzuführen ist daher besonders anzuraten. Eine Einschränkung besteht allerdings für K ­ inder, die mit Im- munsuppressiva (= Medikamente, die das Immunsystem „herunterfahren“) oder höheren Kortisondosen behandelt werden müssen. Bei ihnen dürfen Impfungen mit Lebendimpfstoffen nicht durchgeführt werden. Mehr dazu siehe Kasten. Für nähere Informationen sprechen Sie mit dem behandelnden Arzt Ihres Kindes! Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 115 Selbsttest Selbsttest zu entzündlichem Rheuma 1. Haben Sie zwei oder mehr Gelenkschwellungen an Ihren Fingergrund- oder Fingermittelgelenken bzw. Zehengrund- oder Zehenmittelgelenken? ja nein 2. Leiden Sie seit mehr als sechs Wochen unter Gelenkschmerzen, die nicht von einer Verletzung herrühren? ja nein 3. Sind Ihre Hände morgens so steif, dass Sie länger als eine Stunde Probleme haben, eine Faust zu machen? ja nein 4. Verstärken sich Ihre Gelenkschmerzen, wenn Sie sich bewegen? ja nein 5. Haben Sie Schmerzen beim Stufensteigen bzw. Treppabgehen? ja nein 6. Können Sie in Gelenknähe oder bei Knochenvorsprüngen unter der Haut liegende Knötchen ertasten? ja nein 7. Haben Sie Beschwerden in Gelenkregionen auf beiden Körperseiten (beide Hände, beide Schultergelenke, beide Fußgelenke etc.) schon über einen Zeitraum von sechs Wochen? ja nein 8.Hat Sie in der letzten Zeit einmal ein Arzt nach einer Blutuntersuchung darauf hingewiesen, dass Ihre Entzündungswerte im Blut erhöht sind? ja nein 9. Haben Sie Schmerzen beim Händedruck? ja nein 10. Leiden ein Elternteil oder nahe Verwandte an entzündlichem Rheuma (Veranlagung als Ursache)? ja nein Wenn Sie Frage 1 mit „ja“ beantwortet oder von den restlichen Fragen mehr als drei mit „ja“ beantwortet haben, sollten Sie umgehend einen Spezialisten (Rheumatologen) aufsuchen. 116 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 Selbsttest Selbsttest zu degenerativem Rheuma – Arthrose 1. Sind Sie älter als 40 Jahre? ja nein 2. Sind Sie übergewichtig? ja nein 3. Sind in Ihrer Familie Fälle von Gelenkerkrankungen, Fehlhaltungen oder Arthrose bekannt? ja nein 4. Haben Sie einen Beruf, bei dem Sie oft schwer tragen müssen oder ­hauptsächlich kniende Tätigkeiten ausführen? ja nein 5. Bewegen Sie sich täglich weniger als 30 Minuten? ja nein 6. Leiden Sie unter „Anlaufschmerzen“, Druckschmerzen oder plötzlichem Bewegungsausfall? ja nein 7. Haben Sie das Gefühl, Ihre Gelenke reiben bei Bewegung aneinander oder „krachen“? ja nein 8. Schmerzen die Knie- oder Hüftgelenke bei den ersten Schritten und „gehen sie sich dann ein“? ja nein 9. Treten Ihre Beschwerden auch in Ruhephasen – sprich, ohne Bewegung – auf? ja nein 10. Hatten Sie bereits Gelenkverstauchungen oder Prellungen? ja nein Wenn Sie mehr als drei Fragen mit „ja“ beantwortet haben, sollten Sie umgehend einen Spezialisten (Rheumatologen) aufsuchen. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2017 117 Selbsthilfegruppen Ansprechpartner in sozialen Fragen: • Bundessozialamt 1010 Wien, Babenbergerstraße 5 Tel.: 05 99 88 [email protected] www.sozialministeriumservice.at/ • Bundesministerium für Finanzen 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b Bürgerservice: Tel.: 0810 001 228 www.bmf.gv.at • Fonds Soziales Wien Pflege und Betreuung 1030 Wien, Guglgasse 7-9 Tel.: 01/24 5 24 [email protected] www.pflege.fsw.at • Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK) 1010 Wien, Stubenring 1 Tel.: 01/711 00-0 BürgerInnenservice Tel.: 0800/20 16 11 (kostenfrei aus ganz Österreich) www.bmask.gv.at Selbsthilfegruppen: • Österreichische Rheumaliga (ÖRL) Gertraud Schaffer (Präsidentin) 5762 Maria Alm, Dorfstraße 4 Tel.: 0699/155 41 679 [email protected] www.rheumaliga.at • Österreichische Vereinigung Morbus Bechterew (ÖVMB) Ing. Paul Pocek (Präsident) 1020 Wien, Obere Augartenstraße 26-28 Tel.: 0676 483 80 72 [email protected] www.bechterew.at • PSO Austria (Selbsthilfeverein der PsoriatikerInnen Österreichs) Gabriele Schranz (Vereinsobfrau) 1020 Wien, Obere Augartenstraße 26-28/1.18 Tel.: 0664/731 11 991 [email protected] www.psoriasis-hilfe.at • Rheumalis (SHG für Eltern rheumaerkrankter Kinder und Jugendlicher) Karin Formanek (Leiterin) Tel.: 0699/197 48 811 [email protected] www.rheumalis.org Weitere Links: www.rheumatologie.at www.rheuma-online.at www.netdoktor.at Wir danken folgenden Firmen für die freundliche Unterstützung: Die Alternative zur Schmerztablette. 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